Plenarprotokoll 17/93

Deutscher Bundestag

Stenografischer Bericht

93. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- Ullrich Meßmer (SPD) ...... 10435 C neten und Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) ...... 10421 A Joachim Spatz (FDP) ...... 10436 C Wahl des Abgeordneten Bernd Siebert als (Köln) (BÜNDNIS 90/ stellvertretendes Mitglied in der Parlamenta- DIE GRÜNEN) ...... 10437 A rischen Versammlung des Europarates und Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) ...... 10437 C in der Versammlung der Westeuropäischen Union ...... 10421 B Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10438 C Wahl des Abgeordneten Jörn Wunderlich als Mitglied im Beirat bei der Bundesbeauf- Jürgen Hardt (CDU/CSU) ...... 10439 C tragten für die Unterlagen des Staats- sicherheitsdienstes ...... 10421 B Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10440 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung ...... 10421 B Dr. (CDU/CSU) ...... 10441 A Absetzung des Tagesordnungspunktes 28 . . . 10423 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 10423 C Tagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales Tagesordnungspunkt 4: – zu dem Antrag der Abgeordneten Erste Beratung des von der Bundesregierung Dr. Martina Bunge, Dr. , eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur , weiterer Abgeordneter und Änderung wehrrechtlicher Vorschriften der Fraktion DIE LINKE: Korrektur der 2011 (Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 – Überleitung von DDR-Alterssicherun- WehrRÄndG 2011) gen in bundesdeutsches Recht (Drucksache 17/4821) ...... 10424 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Bundesminister BMVg ...... 10424 B Dr. , weiterer Abgeordne- (SPD) ...... 10426 A ter und der Fraktion DIE LINKE: Ge- rechte Alterseinkünfte für Beschäftigte (FDP) ...... 10429 D im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR (DIE LINKE) ...... 10431 C Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, DIE GRÜNEN) ...... 10432 C Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- Markus Grübel (CDU/CSU) ...... 10434 A ter und der Fraktion DIE LINKE: II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. , Donnerstag, den 24. Februar 2011

Gerechte Lösung für rentenrechtliche Zusatz- und Sonderversorgungen der Situation von in der DDR Geschiedenen DDR – zu dem Antrag der Abgeordneten – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Ge- ter und der Fraktion DIE LINKE: rechte Versorgungslösung für Ballett- Vertrauensschutz für Versorgungsbe- mitglieder in der DDR rechtigte der DDR mit einem Ruhe- – zu dem Antrag der Abgeordneten standsbeginn bis zum 30. Juni 1995 Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, schaffen Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- – zu dem Antrag der Abgeordneten ter und der Fraktion DIE LINKE: Rege- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, lung der Ansprüche der Bergleute der Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- Braunkohleveredelung ter und der Fraktion DIE LINKE: Rege- – zu dem Antrag der Abgeordneten lung der Ansprüche und Anwartschaf- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, ten auf Alterssicherung für Angehörige Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- der Deutschen Reichsbahn der DDR ter und der Fraktion DIE LINKE: Beseiti- gung von Rentennachteilen für Zeiten – zu dem Antrag der Abgeordneten der Pflege von Angehörigen in der DDR Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- – zu dem Antrag der Abgeordneten ter und der Fraktion DIE LINKE: Rege- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, lung der Ansprüche und Anwartschaf- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- ten auf Alterssicherung für Angehörige ter und der Fraktion DIE LINKE: Renten- der Deutschen Post der DDR rechtliche Lösung für Land- und Forstwirte, Handwerkerinnen und – zu dem Antrag der Abgeordneten Handwerker, andere Selbstständige so- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, wie deren mithelfende Familienangehö- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- rige aus der DDR ter und der Fraktion DIE LINKE: Ange- messene Altersversorgung für Professo- – zu dem Antrag der Abgeordneten rinnen und Professoren neuen Rechts, Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- Dienst und weitere Beschäftigte univer- ter und der Fraktion DIE LINKE: Renten- sitärer und anderer wissenschaftlicher rechtliche Anerkennung von zweiten Einrichtungen in Ostdeutschland und vereinbart verlängerten Bildungs- wegen sowie Forschungsstudien und – zu dem Antrag der Abgeordneten Aspiranturen in der DDR Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- – zu dem Antrag der Abgeordneten ter und der Fraktion DIE LINKE: Ange- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, messene Altersversorgung für Beschäf- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Renten- tigte des öffentlichen Dienstes der DDR, rechtliche Anerkennung von DDR-Re- die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt gelungen für ins Ausland mitgereiste haben Ehepartnerinnen und Ehepartner sowie – zu dem Antrag der Abgeordneten von im Ausland erworbenen Ansprü- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, chen Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- – zu dem Antrag der Abgeordneten ter und der Fraktion DIE LINKE: Ange- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, messene Altersversorgung für Angehö- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- rige von , Zoll und Polizei, ter und der Fraktion DIE LINKE: Renten- die mit DDR-Beschäftigungszeiten nach rechtliche Anerkennung aller freiwilli- 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben gen Beiträge aus DDR-Zeiten – zu dem Antrag der Abgeordneten – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Einheit- ter und der Fraktion DIE LINKE: Befris- liche Regelung der Altersversorgung tetes System „sui generis“ für die Besei- für Angehörige der technischen Intelli- tigung des Versorgungsunrechts bei den genz der DDR Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 III

– zu dem Antrag der Abgeordneten b) Erste Beratung des von der Bundesregie- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordne- zes zu dem Abkommen vom 1. Juli 2010 ter und der Fraktion DIE LINKE: Wert- zwischen der Bundesrepublik Deutsch- neutralität im Rentenrecht auch für land und den Vereinigten Arabischen Personen mit bestimmten Funktionen Emiraten zur Vermeidung der Doppel- in der DDR besteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- – zu dem Antrag der Abgeordneten kommen Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Fritz (Drucksache 17/4806) ...... 10465 A Kuhn, Stephan Kühn, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE c) Erste Beratung des von der Bundesregie- GRÜNEN: Verbesserung der Versor- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- gung der im Beitrittsgebiet vor dem zes zur Beschleunigung der Zahlung 1. Januar 1992 Geschiedenen von Entschädigungsleistungen bei der (Drucksachen 17/1631, 17/3871, 17/3872, Anrechnung des Lastenausgleichs und 17/3873, 17/3874, 17/3875, 17/3876, 17/3877, zur Änderung des Aufbauhilfefondsge- 17/3878, 17/3879, 17/3880, 17/3881, 17/3882, setzes (ZEALG) 17/3883, 17/3884, 17/3885, 17/3886, 17/3887, (Drucksache 17/4807) ...... 10465 A 17/3888, 17/4195, 17/4769) ...... 10442 B d) Erste Beratung des von der Bundesregie- (CDU/CSU) ...... 10443 D rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) ...... 10445 A zes zu dem Abkommen vom 20. August 2009 zwischen der Bundesrepublik Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 10447 A Deutschland und der Schweizerischen Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) ...... 10448 D Eidgenossenschaft über die Wehrpflicht der Doppelstaater/Doppelbürger Anton Schaaf (SPD) ...... 10449 D (Drucksache 17/4810) ...... 10465 B Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 10452 A e) Antrag der Fraktionen CDU/CSU und FDP: Einvernehmensherstellung von Peter Weiß (Emmendingen) Bundestag und Bundesregierung zur (CDU/CSU) ...... 10453 A Ergänzung von Art. 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Ottmar Schreiner (SPD) ...... 10454 D Union (AEUV) hinsichtlich der Einrich- Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) ...... 10455 A tung eines Europäischen Stabilitätsme- chanismus (ESM) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) ...... 10456 C hier: Stellungnahme des Deutschen (FDP) ...... 10458 A Bundestages nach Art. 23 Abs. 3 (BÜNDNIS 90/ des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des DIE GRÜNEN) ...... 10459 C Gesetzes über die Zusammenar- beit von Bundesregierung und (CDU/CSU) ...... 10460 C Deutschem Bundestag in Angele- (CDU/CSU) ...... 10461 C genheiten der Europäische Union (Drucksache 17/4880) ...... 10465 B (CDU/CSU) ...... 10463 A f) Antrag der Abgeordneten , Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Namentliche Abstimmungen ...... 10464 A Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine weiteren Ergebnisse ...... 10471 C Einlagerungen ins Zwischenlager Nord (Lubmin) (Drucksache 17/4848) ...... 10465 C Tagesordnungspunkt 33: a) Erste Beratung des von den Fraktionen Zusatztagesordnungspunkt 2: CDU/CSU und FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Zehnten Gesetzes zur Ände- a) Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, rung des Bundes-Immissionsschutzge- Renate Künast, (Augsburg), setzes – Privilegierung des von weiterer Abgeordneter und der Fraktion Kindertageseinrichtungen und Kinder- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Berichte spielplätzen ausgehenden Kinderlärms zur NS-Vergangenheit des Bundes- (Drucksache 17/4836) ...... 10464 D ministeriums für Ernährung, Land- IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

wirtschaft und Verbraucherschutz ver- hier: Stellungnahme des Deutschen öffentlichen Bundestages nach Art. 23 Abs. 3 (Drucksache 17/4696) ...... 10465 C des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zusammenar- b) Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn, beit von Bundesregierung und , , weite- Deutschem Bundestag in Angele- rer Abgeordneter und der Fraktion genheiten der Europäischen Union BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Altschul- denhilfe für ostdeutsche Wohnungsun- Herstellung des Einvernehmens bezüg- ternehmen neu ausrichten lich der Ergänzung von Art. 136 AEUV (Drucksache 17/4698) ...... 10465 C zur Einrichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) verant- wortlich gestalten c) Antrag der Abgeordneten , (Drucksache 17/4881) ...... Peter Götz, (Weil am 10466 C Rhein), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU i) Antrag der Abgeordneten Dr. Diether sowie der Abgeordneten Werner Dehm, , , Simmling, , Sibylle weiterer Abgeordneter und der Fraktion Laurischk, weiterer Abgeordneter und der DIE LINKE: zum Entwurf eines Be- Fraktion der FDP: Anwohnerfreundli- schlusses des Europäischen Rates zur cher Ausbau der Rheintalbahn Änderung des Vertrags über die Ar- (Drucksache 17/4861) ...... 10465 D beitsweise der Europäischen Union hin- sichtlich eines Stabilitätsmechanismus d) Antrag der Abgeordneten Ute Kumpf, für die Mitgliedstaaten, deren Währung Christian Lange (Backnang), Rainer der Euro ist Arnold, weiterer Abgeordneter und der – Ratsdok. 17629/10 (EUCO 30/10, An- Fraktion der SPD: Ausbau der Rheintal- lage I) – bahn als Modell für Bürgernähe, Lärm- hier: Stellungnahme gegenüber der und Landschaftsschutz Bundesregierung gemäß Art. 23 (Drucksache 17/4856) ...... 10465 D Abs. 3 des Grundgesetzes e) Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, (Drucksache 17/4882) ...... 10466 C Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der j) Antrag der Abgeordneten Manuel SPD: Tierheime entlasten – Einheitliche Sarrazin, , Dr. Gerhard Regelungen schaffen Schick, weiterer Abgeordneter und der (Drucksache 17/4851) ...... 10466 A Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herstellung des Einvernehmens zwi- f) Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, schen Bundestag und Bundesregierung Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, wei- zur Änderung des Art. 136 des Ver- terer Abgeordneter und der Fraktion der trages über die Arbeitsweise der SPD: Tierschutzgesetz ändern – Kenn- Europäischen Union hinsichtlich eines zeichnung von Pferden tierschutzge- Stabilitätsmechanismus für die Mit- recht ausgestalten gliedstaaten, deren Währung der Euro (Drucksache 17/4850) ...... 10466 A ist hier: Stellungnahme des Deutschen g) Antrag der Abgeordneten Günter Gloser, Bundestages nach Art. 23 Abs. 3 Klaus Brandner, Dr. h. c. , des Grundgesetzes i. V. m. § 10 des weiterer Abgeordneter und der Fraktion Gesetzes über die Zusammenar- der SPD: Reformprozesse in Nordafrika beit von Bundesregierung und und Nahost umfassend fördern Deutschem Bundestag in Angele- (Drucksache 17/4849) ...... 10466 B genheiten der Europäischen Union h) Antrag der Fraktion der SPD: zum Ent- (Drucksache 17/4883) ...... 10466 D wurf eines Beschlusses des Europäi- schen Rates zur Änderung des Vertrags k) Antrag der Abgeordneten , über die Arbeitsweise der Europäischen Nicole Maisch, Ingrid Hönlinger, weiterer Union hinsichtlich eines Stabilitätsme- Abgeordneter und der Fraktion BÜND- chanismus für die Mitgliedstaaten, de- NIS 90/DIE GRÜNEN: Verkehrsträger- ren Währung der Euro ist übergreifende Schlichtung gesetzlich – Ratsdok. 17629/10 (EUCO 30/10, An- fixieren lage I) – (Drucksache 17/4855) ...... 10466 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 V

Tagesordnungspunkt 34: b) Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Markus Grübel, Dr. , weiterer a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE CSU sowie der Abgeordneten Miriam GRÜNEN: Einsetzung eines Gremiums Gruß, Florian Bernschneider, Heinz gemäß § 16 des Restrukturierungs- fondsgesetzes Golombeck, weiterer Abgeordneter und (Drucksache 17/4859) ...... 10467 A der Fraktion der FDP: Für eine Stärkung der Jugendfreiwilligendienste – Bürger- b) Beschlussempfehlung und Bericht des schaftliches Engagement der jungen Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Generation anerkennen und fördern Abgeordneten Dr. , (Drucksache 17/4692) ...... 10486 D Dr. , Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der c) Antrag der Abgeordneten Harald Koch, Fraktion DIE LINKE: Keine Privatisie- Heidrun Dittrich, Diana Golze, weiterer rung von Äckern, Seen und Wäldern Abgeordneter und der Fraktion DIE (Drucksachen 17/239, 17/587 Buchstabe b) 10467 B LINKE: Jugendfreiwilligendienste wei- ter ausbauen statt Bundesfreiwilligen- c)–h) dienst einführen Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- (Drucksache 17/4845) ...... 10486 D schusses: Sammelübersichten 218, 219, Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin 220, 221, 222 und 223 zu Petitionen BMFSFJ ...... 10487 A (Drucksachen 17/4711, 17/4712, 17/4713, 17/4714, 17/4715, 17/4716) ...... 10467 C (SPD) ...... 10488 B Florian Bernschneider (FDP) ...... 10489 D Namentliche Abstimmung ...... 10467 B Heidrun Dittrich (DIE LINKE) ...... 10491 C Ergebnis ...... 10473 D (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10493 A Dorothee Bär (CDU/CSU) ...... 10494 D Zusatztagesordnungspunkt 3: Sönke Rix (SPD) ...... Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- 10496 A nen der CDU/CSU und FDP: Eskalation der Markus Grübel (CDU/CSU) ...... 10497 C Gewalt in Libyen ...... 10468 B Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) ...... 10498 D Dr. , Staatsminister AA ...... 10468 B Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) ...... 10470 B Tagesordnungspunkt 7: Dr. (CDU/CSU) . . . . . 10476 A a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) ...... 10477 B dem Antrag der Abgeordneten Anette Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, Josip DIE GRÜNEN) ...... 10478 C Juratovic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Missbrauch der Leih- Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) ...... 10479 D arbeit verhindern Dr. Rolf Mützenich (SPD) ...... 10480 D (Drucksachen 17/4189, 17/4756) ...... 10500 A Dr. Rainer Stinner (FDP) ...... 10481 D b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten (CDU/CSU) ...... 10483 A Gesetzes zur Änderung des Arbeitneh- Gudrun Kopp (FDP) ...... 10483 C merüberlassungsgesetzes – Verhinde- rung von Missbrauch der Arbeitnehmer- Günter Gloser (SPD) ...... 10484 C überlassung Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . 10485 C (Drucksache 17/4804) ...... 10500 B c) Erste Beratung des von den Abgeordneten , Sabine Zimmermann, Tagesordnungspunkt 6: Diana Golze, weiteren Abgeordneten und a) Erste Beratung des von der Bundesregie- der Fraktion DIE LINKE eingebrachten rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Entwurfs eines Gesetzes zur strikten Re- zes zur Einführung eines Bundesfreiwil- gulierung der Arbeitnehmerüberlas- ligendienstes sung (Drucksache 17/4803) ...... 10486 C (Drucksache 17/3752) ...... 10500 B VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. , Parl. Staatssekretär (DIE LINKE) ...... 10524 C BMAS ...... 10500 C Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ (Peine) (SPD) ...... 10502 A DIE GRÜNEN) ...... 10525 D Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 10503 D Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ ...... 10527 C Sigmar Gabriel (SPD) ...... 10504 B Karin Roth (Esslingen) (SPD) ...... 10529 B Hubertus Heil (Peine) (SPD) ...... 10505 B Nicole Bracht-Bendt (FDP) ...... 10530 C Jutta Krellmann (DIE LINKE) ...... 10506 C (SPD) ...... 10531 C Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10507 D Ingrid Fischbach (CDU/CSU) ...... 10532 C Karl Schiewerling (CDU/CSU) ...... 10509 B Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . 10534 A Hubertus Heil (Peine) (SPD) ...... 10500 A (SPD) ...... 10511 B Tagesordnungspunkt 9: Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) ...... 10512 C Zweite und dritte Beratung des von den Abge- ordneten Bettina Herlitzius, Friedrich Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) ...... 10513 A Ostendorff, Undine Kurth (Quedlinburg), weiteren Abgeordneten und der Fraktion Ulrich Lange (CDU/CSU) ...... 10514 D BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Hubertus Heil (Peine) (SPD) ...... 10515 C Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Baugesetzbuchs – Beschränkung Jutta Krellmann (DIE LINKE) ...... 10516 B der Massentierhaltung im Außenbereich (CDU/CSU) ...... 10516 D (Drucksachen 17/1582, 17/4724) ...... 10535 B Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ Peter Götz (CDU/CSU) ...... 10535 C DIE GRÜNEN) ...... 10517 D Hans-Joachim Hacker (SPD) ...... 10537 B Katja Kipping (DIE LINKE) ...... 10518 D Petra Müller (Aachen) (FDP) ...... 10539 C Alexander Süßmair (DIE LINKE) ...... 10540 D Tagesordnungspunkt 8: (BÜNDNIS 90/ a) Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, DIE GRÜNEN) ...... 10542 A Markus Grübel, Nadine Schön, weiterer Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) ...... 10543 B Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Miriam Hans-Michael Goldmann (FDP) ...... 10544 D Gruß, Nicole Bracht-Bendt, , weiterer Abgeordneter und der Namentliche Abstimmung ...... 10545 D Fraktion der FDP: 100 Jahre Internatio- naler Frauentag (Drucksache 17/4860) ...... 10520 B Ergebnis ...... 10548 C b) Antrag der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen), Dr. , Lothar Tagesordnungspunkt 30: Binding (Heidelberg), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Gleich- Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten: berechtigung in Entwicklungsländern Jahresbericht 2010 (52. Bericht) voranbringen (Drucksache 17/4400) ...... 10546 A (Drucksache 17/4846) ...... 10520 C Hellmut Königshaus, Wehrbeauftragter c) Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, des Deutschen Bundestages ...... 10546 B , Ekin Deligöz, weiterer Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . 10550 B Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Frauen verdie- Karin Evers-Meyer (SPD) ...... 10552 A nen mehr – Gleichstellung ist Innova- Christoph Schnurr (FDP) ...... 10554 A tionspolitik (Drucksache 17/4852) ...... 10520 C Inge Höger (DIE LINKE) ...... 10555 B Dorothee Bär (CDU/CSU) ...... 10520 D Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundesminister BMVg ...... 10556 B (SPD) ...... 10522 B (BÜNDNIS 90/ Sibylle Laurischk (FDP) ...... 10523 C DIE GRÜNEN) ...... 10557 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 VII

Tagesordnungspunkt 11: Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zivile Nutzung der Beschlussempfehlung und Bericht des Kyritz-Ruppiner Heide nach Abzug der Rechtsausschusses Bundeswehr – zu dem Antrag der Abgeordneten – zu dem Antrag der Abgeordneten , Sören Bartol, Petra Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Ernstberger, weiterer Abgeordneter und Lötzsch, Jan van Aken, weiterer Abgeord- der Fraktion der SPD: Maklerkosten ge- neter und der Fraktion DIE LINKE: recht verteilen Friedliche Zukunft der Kyritz-Ruppi- – zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela ner Heide und Interessen der Region si- Wagner, Ingrid Hönlinger, Volker Beck chern (Köln), weiterer Abgeordneter und der – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Bestellerprinzip in die Mietwohnungs- Agnes Malczak, weiterer Abgeordneter vermittlung integrieren und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE (Drucksachen 17/3212, 17/4202, 17/4614) . . 10559 A GRÜNEN: Kyritz-Ruppiner Heide in (FDP) ...... 10559 B ihrer Einheit erhalten – Voraussetzun- gen für eine chancenreiche Regionalent- Christine Lambrecht (SPD) ...... 10560 A wicklung schaffen Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) ...... 10560 D (Drucksachen 17/1961, 17/1972, 17/1989, Jens Petermann (DIE LINKE) ...... 10563 C 17/4276) ...... 10573 C Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . 10574 A DIE GRÜNEN) ...... 10564 C Hans-Joachim Hacker (SPD) ...... 10575 B Dr. (SPD) ...... 10565 B Joachim Spatz (FDP) ...... 10576 C Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) ...... 10577 B Tagesordnungspunkt 12: (BÜNDNIS 90/ – Zweite und dritte Beratung des von der DIE GRÜNEN) ...... 10578 C Bundesregierung eingebrachten Entwurfs (CDU/CSU) ...... 10579 B eines Gesetzes zur Umsetzung der Dagmar Ziegler (SPD) ...... Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung 10580 B der Nutzung von Energie aus erneuer- baren Quellen (Europarechtsanpas- Tagesordnungspunkt 14: sungsgesetz Erneuerbare Energien – EAG EE) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- (Drucksachen 17/3629, 17/4233, 17/4895) 10566 A desregierung eingebrachten Entwurfs eines – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Gesetzes zur Regelung von De-Mail-Diens- ten und zur Änderung weiterer Vorschrif- § 96 der Geschäftsordnung ten (Drucksache 17/4896) ...... 10566 A (Drucksachen 17/3630, 17/4145, 17/4893) . . 10581 B , Parl. Staatssekretärin (CDU/CSU) ...... 10581 C BMU ...... 10566 B Gerold Reichenbach (SPD) ...... 10584 A (SPD) ...... 10567 B Manuel Höferlin (FDP) ...... 10585 C (FDP) ...... 10568 D Halina Wawzyniak (DIE LINKE) ...... 10586 D (SPD) ...... 10569 D Dr. (BÜNDNIS 90/ Dorothee Menzner (DIE LINKE) ...... 10570 C DIE GRÜNEN) ...... 10587 D Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10571 B Tagesordnungspunkt 15: Dr. (CDU/CSU) ...... 10572 B Antrag der Abgeordneten , Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Tagesordnungspunkt 13: Forderungen des Goldstone-Berichts nach Beschlussempfehlung und Bericht des Vertei- unabhängigen Untersuchungen des Gaza- digungsausschusses Kriegs unterstützen (Drucksache 17/2418) ...... 10589 A – zu dem Antrag der Abgeordneten Hans- Joachim Hacker, Dagmar Ziegler, Petra Annette Groth (DIE LINKE) ...... 10589 B VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Tagesordnungspunkt 16: Jörn Wunderlich (DIE LINKE) ...... 10606 B Erste Beratung des von der Bundesregierung Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur DIE GRÜNEN) ...... 10606 D Änderung des Steinkohlenfinanzierungsge- setzes (Drucksache 17/4805) ...... 10590 B Tagesordnungspunkt 20: Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . . 10590 B Antrag der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben), Anette Kramme, Petra (SPD) ...... 10591 D Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Michael Groß (SPD) ...... 10592 B Fraktion der SPD: Ausschreibungspflicht für Leistungen der Integrationsfach- Claudia Bögel (FDP) ...... 10593 A dienste stoppen – Sicherstellung von Quali- Ulla Lötzer (DIE LINKE) ...... 10593 C tät, Transparenz und Effizienz (Drucksache 17/4847) ...... 10608 A (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10594 A (CDU/CSU) ...... 10608 A Dr. (CDU/CSU) ...... 10609 B Tagesordnungspunkt 17: Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD) ...... 10610 A Antrag der Abgeordneten Beate Müller- Gabriele Molitor (FDP) ...... 10611 C Gemmeke, Volker Beck (Köln), , Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) ...... 10612 C weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wach- und Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ Sicherheitspersonal beim Bundestag be- DIE GRÜNEN) ...... 10613 A schäftigen (Drucksache 17/4741) ...... 10595 A Tagesordnungspunkt 21: Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10595 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu Petra Ernstberger (SPD) ...... 10596 A der Vereinbarung vom 16. April 2009 über die Änderungen des Übereinkommens vom 5. September 1998 zwischen der Regierung Tagesordnungspunkt 18: der Bundesrepublik Deutschland, der Re- Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und gierung des Königreichs Dänemark und FDP: Die Demokratische Republik Kongo der Regierung der Republik Polen über stabilisieren das Multinationale Korps Nordost (Drucksache 17/4691) ...... 10597 C (Drucksache 17/4809) ...... 10615 C Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . 10597 C Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU) ...... 10615 C Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) ...... 10598 C (CDU/CSU) ...... 10616 C Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) ...... 10599 C (SPD) ...... 10618 A (FDP) ...... 10600 A Elke Hoff (FDP) ...... 10618 B Sevim Dağdelen (DIE LINKE) ...... 10601 B Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) ...... 10619 A Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10602 B Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10619 C

Tagesordnungspunkt 19: Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Dr. Dietmar Bartsch, , weite- Gleichstellung nichtehelicher Kinder rer Abgeordneter und der Fraktion DIE (Drucksachen 17/3305, 17/4776) ...... 10603 B LINKE: Mitgliedschaft in der International Organisation of Social Tourism (CDU/CSU) ...... 10603 C (Drucksache 17/4844) ...... 10620 A Sonja Steffen (SPD) ...... 10604 D (CDU/CSU) ...... 10620 A (FDP) ...... 10605 C (CDU/CSU) ...... 10621 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 IX

Gabriele Hiller-Ohm (SPD) ...... 10622 B (FDP) ...... 10634 D Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) ...... 10623 D (DIE LINKE) ...... 10636 A Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10624 D DIE GRÜNEN) ...... 10637 A Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi ...... 10625 D Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Dorothea Steiner, Tagesordnungspunkt 23: Stephan Kühn, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion Erste Beratung des von den Abgeordneten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Elberaum , Volker Beck (Köln), Kai entwickeln – Nachhaltig, zukunftsfähig Gehring, weiteren Abgeordneten und der und naturverträglich Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- (Drucksache 17/4554) ...... 10638 A brachten Entwurfs eines Gesetzes zu einer menschenrechtskonformen Reform der Si- Josef Göppel (CDU/CSU) ...... 10638 A cherungsverwahrung (Drucksache 17/4593) ...... 10626 C Ulrich Petzold (CDU/CSU) ...... 10639 A (CDU/CSU) ...... 10626 C Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) ...... 10641 A Christine Lambrecht (SPD) ...... 10627 B Horst Meierhofer (FDP) ...... 10641 C Christian Ahrendt (FDP) ...... 10628 C (DIE LINKE) ...... 10642 B Halina Wawzyniak (DIE LINKE) ...... 10629 C Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10643 A Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 10630 C Tagesordnungspunkt 26:

Tagesordnungspunkt 24: Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, , Matthias W. Birkwald, weiterer Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Dr. Martina Bunge, Andrej Hunko, weiterer Für ein wirksames Rückkehrrecht und Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: eine Stärkung der Rechte der Opfer von zu der legislativen Entschließung des Euro- Zwangsverheiratungen päischen Parlaments vom 19. Januar 2011 (Drucksache 17/4681) ...... 10644 A zu dem Standpunkt des Rates in erster Le- sung im Hinblick auf die Annahme einer (CDU/CSU) ...... 10644 A Richtlinie des Europäischen Parlaments Rüdiger Veit (SPD) ...... 10645 C und des Rates über die Ausübung der Pa- tientenrechte in der grenzüberschreitenden Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) ...... 10646 B Gesundheitsversorgung (11038/2/2010 – Sevim Dağdelen (DIE LINKE) ...... 10647 A C7-0266/2010 – 2008/0142(COD)) – Ratsdok. 11038/10 und KOM(2008) 0414 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ endg. – DIE GRÜNEN) ...... 10648 B hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Art. 23 Abs. 3 Tagesordnungspunkt 27: des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Abs. 4 des Gesetzes über die Zusammenar- Antrag der Abgeordneten Michael Schlecht, beit von Bundesregierung und Deut- Dr. Barbara Höll, Dr. Dietmar Bartsch, weite- schem Bundestag in Angelegenhei- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE ten der Europäischen Union LINKE: Tarifverhandlungen für Beschäf- tigte im öffentlichen Dienst der Länder – EU-Richtlinie über die Ausübung der Pa- Höhere Löhne absichern tientenrechte in der grenzüberschreitenden (Drucksache 17/4841) ...... 10649 B Gesundheitsversorgung fördert gesund- heitliche Ungleichheit Armin Schuster (Weil am Rhein) (Drucksache 17/4717) ...... 10631 D (CDU/CSU) ...... 10649 B (CDU/CSU) ...... 10632 A Dr. (SPD) ...... 10650 B Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) ...... 10634 A Dr. (FDP) ...... 10650 C X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Michael Schlecht (DIE LINKE) ...... 10651 B Anlage 6 Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- DIE GRÜNEN) ...... 10652 A stimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter Nächste Sitzung ...... 10652 D und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Al- terseinkünfte für Beschäftigte im Gesund- heits- und Sozialwesen der DDR (Tagesord- Anlage 1 nungspunkt 5)...... 10658 B Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 10653 A Anlage 7 Anlage 2 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten stimmung über den Antrag der Abgeordneten (SPD) zur namentlichen Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Abstimmung über die 19 Anträge der Frak- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter tion Die Linke zu Korrekturen bei der Über- und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Lö- sung für rentenrechtliche Situation von in der leitung der Alterssicherungen der DDR in das DDR Geschiedenen (Tagesordnungspunkt 5) 10661 A bundesdeutsche Recht (Tagesordnungspunkt 5) 10653 D

Anlage 8 Anlage 3 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten stimmung über den Antrag der Abgeordneten Iris Gleicke, (), Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Steffen-Claudio Lemme, Andrea Wicklein, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter Sonja Steffen, , Angelika und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Ver- Krüger-Leißner, Silvia Schmidt (Eisleben), sorgungslösung für Ballettmitglieder in der , Dr. Marlies Volkmer, DDR (Tagesordnungspunkt 5) ...... 10664 A Wolfgang Gunkel, Waltraud Wolff (Wol- mirstedt), Rüdiger Veit, Dr. h. c. und Dagmar Ziegler (alle SPD) zur Anlage 9 namentlichen Abstimmung über die 19 An- träge der Fraktion Die Linke zu Korrekturen Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- bei der Überleitung der Alterssicherungen der stimmung über den Antrag der Abgeordneten DDR in das bundesdeutsche Recht (Tagesord- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, nungspunkt 5) ...... 10654 D Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Regelung der Ansprüche der Bergleute der Braunkohlenver- edelung (Tagesordnungspunkt 5) ...... Anlage 4 10666 B Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten (SPD) zur namentlichen Ab- Anlage 10 stimmung über die 19 Anträge der Fraktion Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- Die Linke zu Korrekturen bei der Überleitung stimmung über den Antrag der Abgeordneten der Alterssicherungen der DDR in das bun- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, desdeutsche Recht sowie über die Beschluss- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter empfehlung zu dem Antrag der Fraktion und der Fraktion DIE LINKE: Beseitigung Bündnis 90/Die Grünen: Verbesserung der von Rentennachteilen für Zeiten der Pflege Versorgung der im Beitrittsgebiet vor dem von Angehörigen in der DDR (Tagesord- 1. Januar 1992 Geschiedenen (Tagesord- nungspunkt 5)...... 10669 A nungspunkt 5) ...... 10655 D

Anlage 11 Anlage 5 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung über den Antrag der Abgeordneten stimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtli- DIE LINKE: Korrektur der Überleitung von che Lösung für Land- und Forstwirte, Hand- DDR-Alterssicherungen in bundesdeutsches werkerinnen und Handwerker, andere Recht (Tagesordnungspunkt 5) ...... 10656 A Selbstständige sowie deren mithelfende Fami- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 XI lienangehörige aus der DDR (Tagesordnungs- Anlage 17 punkt 5) ...... 10671 B Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung über den Antrag der Abgeordneten Anlage 12 Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- und der Fraktion DIE LINKE: Regelung der stimmung über den Antrag der Abgeordneten Ansprüche und Anwartschaften auf Alters- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, sicherung für Angehörige der Deutschen Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter Reichsbahn der DDR (Tagesordnungspunkt 5) 10686 B und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtli- che Anerkennung von zweiten und vereinbart verlängerten Bildungswegen sowie For- Anlage 18 schungsstudien und Aspiranturen in der DDR (Tagesordnungspunkt 5) ...... 10674 A Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Anlage 13 Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Regelung der Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- Ansprüche und Anwartschaften auf Alters- stimmung über den Antrag der Abgeordneten sicherung für Angehörige der Deutschen Post Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, der DDR (Tagesordnungspunkt 5) ...... 10689 A Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtli- che Anerkennung von DDR-Regelungen für Anlage 19 ins Ausland mitgereiste Ehepartnerinnen und Ehepartner sowie von im Ausland erworbe- Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- nen Ansprüchen (Tagesordnungspunkt 5) . . . 10676 B stimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter Anlage 14 und der Fraktion DIE LINKE: Angemessene Altersversorgung für Professorinnen und Pro- Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- fessoren neuen Rechts, Ärztinnen und Ärzte stimmung über den Antrag der Abgeordneten im öffentlichen Dienst und weitere Beschäf- Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, tigte universitärer und anderer wissenschaftli- Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter cher Einrichtungen in Ostdeutschland (Tages- und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtli- ordnungspunkt 5) ...... che Anerkennung aller freiwilligen Beiträge 10691 B aus DDR-Zeiten (Tagesordnungspunkt 5) . . . 10679 A Anlage 20 Anlage 15 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung über den Antrag der Abgeordneten stimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Angemessene und der Fraktion DIE LINKE: Befristetes Altersversorgung für Beschäftigte des öffent- System „sui generis“ für die Beseitigung des lichen Dienstes der DDR, die nach 1990 ihre Versorgungsunrechts bei den Zusatz- und Tätigkeit fortgesetzt haben (Tagesordnungs- Sonderversorgungen der DDR (Tagesord- punkt 5) ...... 10694 A nungspunkt 5) ...... 10681 B

Anlage 21 Anlage 16 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung über den Antrag der Abgeordneten stimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Angemessene und der Fraktion DIE LINKE: Vertrauens- Altersversorgung für Angehörige von Bun- schutz für Versorgungsberechtigte der DDR deswehr, Zoll und Polizei, die mit DDR-Be- mit einem Ruhestandsbeginn bis zum 30. Juni schäftigungszeiten nach 1990 ihre Tätigkeit 1995 schaffen (Tagesordnungspunkt 5) . . . . . 10684 A fortgesetzt haben (Tagesordnungspunkt 5) . . 10697 A XII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Anlage 22 bare Energien – EAG EE) (Tagesordnungs- punkt 12) ...... 10704 B Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Anlage 25 Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Einheitliche Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung Regelung der Altersversorgung für Angehö- des Antrags: Forderungen des Goldstone-Be- rige der technischen Intelligenz der DDR (Ta- richts nach unabhängigen Untersuchungen gesordnungspunkt 5) ...... 10699 B des Gaza-Kriegs unterstützen (Tagesord- nungspunkt 15) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) ...... 10705 A Anlage 23 (CDU/CSU) ...... 10705 D Endgültiges Ergebnis der namentlichen Ab- stimmung über den Antrag der Abgeordneten Günter Gloser (SPD) ...... 10706 D Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Rainer Stinner (FDP) ...... 10708 B Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wertneutralität Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ im Rentenrecht auch für Personen mit be- DIE GRÜNEN) ...... 10709 A stimmten Funktionen in der DDR (Tagesord- nungspunkt 5) ...... 10702 A Anlage 26 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung Anlage 24 des Antrags: Wach- und Sicherheitspersonal beim Bundestag beschäftigen (Tagesord- Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten nungspunkt 17) Rainer Erdel (FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der (CDU/CSU) ...... 10709 D Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Jörg van Essen (FDP) ...... 10711 A Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quel- len (Europarechtsanpassungsgesetz Erneuer- Jan Korte (DIE LINKE) ...... 10711 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10421

(A) (C) Redetext

93. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. : ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver- Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle- fahren ginnen und Kollegen! Ergänzung zu TOP 33 Bevor wir in unsere Tagesordnung eintreten, habe ich a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Tom Ko- einige Mitteilungen zu machen. enigs, Renate Künast, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Der Kollege Ottmar Schreiner hat am vergangenen NIS 90/DIE GRÜNEN Montag seinen 65. Geburtstag gefeiert und der Kollege Dr. Karl Lamers einige Tage vorher seinen 60. Ge- Berichte zur NS-Vergangenheit des Bundesmi- burtstag. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich auf nisteriums für Ernährung, Landwirtschaft diesem Wege noch einmal ganz herzlich und wünsche und Verbraucherschutz veröffentlichen alles Gute. – Drucksache 17/4696 – (B) (Beifall) Überweisungsvorschlag: (D) Ausschuss für Kultur und Medien (f) Die Fraktion der CDU/CSU hat mitgeteilt, dass der Innenausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Kollege Bernd Siebert dem Kollegen Holger Haibach Verbraucherschutz als stellvertretendes Mitglied in der Parlamentarischen Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Versammlung des Europarates und in der Versamm- b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Stephan lung der Westeuropäischen Union nachfolgen soll. Kühn, Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, weite- Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlich rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ der Fall. Dann ist der Kollege Siebert hiermit gewählt. DIE GRÜNEN Die Fraktion Die Linke schlägt den Kollegen Jörn Altschuldenhilfe für ostdeutsche Wohnungs- Wunderlich für eine weitere Amtszeit im Beirat bei unternehmen neu ausrichten der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes vor. Findet auch dieser Vor- – Drucksache 17/4698 – schlag Ihre Zustimmung? – Ich bin beeindruckt: Auch Überweisungsvorschlag: darüber gibt es keinen Streit. Dann ist der Kollege Wun- Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) derlich hiermit ebenfalls gewählt. Haushaltsausschuss c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffen Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbun- Bilger, Peter Götz, Armin Schuster (Weil am dene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste auf- Rhein), weiterer Abgeordneter und der Fraktion geführten Punkte zu erweitern: der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Werner ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen Simmling, Ernst Burgbacher, Sibylle Laurischk, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Die Stellungnahme des Bundesministers der Anwohnerfreundlicher Ausbau der Rheintal- Verteidigung Dr. Karl-Theodor Freiherr zu bahn Guttenberg und mögliche Textübernahmen – Drucksache 17/4861 – aus Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Überweisungsvorschlag: Dienstes des Deutschen Bundestages sowie an- Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) gebliche Textübernahmefunde nach „Gutten- Finanzausschuss Plag Wiki“ auf 270 Seiten der Dissertation des Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundesministers der Verteidigung Ausschuss für Tourismus (siehe 92. Sitzung) Haushaltsausschuss 10422 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute Zusammenarbeit von Bundesregierung (C) Kumpf, Christian Lange (Backnang), Rainer Ar- und Deutschem Bundestag in Angelegen- nold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der heiten der Europäischen Union SPD Herstellung des Einvernehmens bezüglich der Ausbau der Rheintalbahn als Modell für Bür- Ergänzung von Art. 136 AEUV zur Einrich- gernähe, Lärm- und Landschaftsschutz tung eines Europäischen Stabilitätsmechanis- mus (ESM) verantwortlich gestalten – Drucksache 17/4856 – Überweisungsvorschlag: – Drucksache 17/4881 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Innenausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Rechtsausschuss Ausschuss für Tourismus Finanzausschuss Haushaltsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, wei- i) Beratung des Antrags der Abgeordneten terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Dr. , Alexander Ulrich, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Tierheime entlasten – Einheitliche Regelungen DIE LINKE schaffen zum Entwurf eines Beschlusses des Europäi- – Drucksache 17/4851 – schen Rates zur Änderung des Vertrags über Überweisungsvorschlag: die Arbeitsweise der Europäischen Union hin- Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) sichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Haushaltsausschuss Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist – Ratsdok. 17629/10 (EUCO 30/10, Anlage I) – f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, wei- hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD regierung gemäß Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes Tierschutzgesetz ändern – Kennzeichnung von Pferden tierschutzgerecht ausgestalten – Drucksache 17/4882 – (B) – Drucksache 17/4850 – Überweisungsvorschlag: (D) Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) Überweisungsvorschlag: Innenausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Rechtsausschuss Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Günter Haushaltsausschuss Gloser, Klaus Brandner, Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD j) Beratung des Antrags der Abgeordneten , Alexander Bonde, Dr. , Reformprozesse in Nordafrika und Nahost weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- umfassend fördern NIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/4849 – Herstellung des Einvernehmens zwischen Überweisungsvorschlag: Bundestag und Bundesregierung zur Ände- Auswärtiger Ausschuss (f) rung des Art. 136 des Vertrages über die Ar- Innenausschuss beitsweise der Europäischen Union hinsicht- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie lich eines Stabilitätsmechanismus für die Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta- Haushaltsausschuss ges nach Art. 23 Abs. 3 des Grundgeset- zes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die h) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Zusammenarbeit von Bundesregierung zum Entwurf eines Beschlusses des Europäi- und Deutschem Bundestag in Angelegen- schen Rates zur Änderung des Vertrags über heiten der Europäischen Union die Arbeitsweise der Europäischen Union hin- – Drucksache 17/4883 – sichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) – Ratsdok. 17629/10 (EUCO 30/10, Anlage I) – Innenausschuss hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta- Rechtsausschuss Finanzausschuss ges nach Art. 23 Abs. 3 des Grundgeset- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie zes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Haushaltsausschuss Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10423

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) k) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus Außerdem ist vorgesehen, den Jahresbericht des (C) Tressel, Nicole Maisch, Ingrid Hönlinger, weite- Wehrbeauftragten – das ist der Tagesordnungspunkt 30 – rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ bereits heute nach dem Tagesordnungspunkt 9 zu bera- DIE GRÜNEN ten und den Tagesordnungspunkt 10 mit Vorlagen zum Verkehrsträgerübergreifende Schlichtung ge- Beschäftigtendatenschutz erst morgen im Anschluss an setzlich fixieren die vereinbarte Debatte aufzurufen. – Drucksache 17/4855 – Schließlich mache ich auf einige nachträgliche Aus- schussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Tourismus (f) aufmerksam: Rechtsausschuss Der am 11. November 2010 überwiesene nachfol- Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Innenaus- Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung schuss (4. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen ZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen werden: der CDU/CSU und FDP: Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- Eskalation der Gewalt in Libyen gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Vormundschafts- und Betreuungs- ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung des Aus- rechts schusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Ver- mittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Ermitt- – Drucksache 17/3617 – lung von Regelbedarfen und zur Änderung des Überweisungsvorschlag: Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetz- Rechtsausschuss (f) Innenausschuss buch Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Drucksachen 17/3404, 17/3958, 17/3982, Der am 8. Juli 2010 überwiesene nachfolgende An- 17/4032, 17/4058, 17/4095, 17/4303, 4304, trag soll zusätzlich dem Innenausschuss (4. Ausschuss) 17/4719, 17/4770, 17/4830 – zur Mitberatung überwiesen werden: ZP 5 Vereinbarte Debatte Beratung des Antrags der Abgeordneten Sonja zur Lage von SGB-Leistungsempfängern und Steffen, Christine Lambrecht, Dr. Peter Danckert, ihrer Kinder weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD (B) ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe Änderung des Vormundschaftsrechts und wei- (D) Beckmeyer, Sören Bartol, , weite- tere familienrechtliche Maßnahmen rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie – Drucksache 17/2411 – der Abgeordneten Dr. , , Stephan Kühn, weiterer Abgeordneter Überweisungsvorschlag: und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rechtsausschuss (f) Innenausschuss Konsequenzen aus dem Zugunglück von Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Hordorf ziehen Der am 10. Februar 2011 überwiesene nachfolgende – Drucksache 17/4854 – Antrag soll zusätzlich dem Auswärtigen Ausschuss (3. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Tempel, Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, weiterer Verbraucherschutz Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu Haushaltsausschuss der Mitteilung der Kommission an das Europäi- Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so- sche Parlament und den Rat weit erforderlich, abgewichen werden. Auf dem Weg zu einer verstärkten europäi- Der Tagesordnungspunkt 28 – dabei handelt es sich schen Katastrophenabwehr: die Rolle von Ka- um das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz – wird heute tastrophenschutz und humanitärer Hilfe abgesetzt. (KOM[2010] 600 endg.; Ratsdok. 15614/10) (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- NEN]: Schwarz-Gelb?) regierung gemäß Art. 23 Abs. 2 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes – Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, Herr Kollege Trittin. über die Zusammenarbeit von Bundesre- (Heiterkeit) gierung und Deutschem Bundestag in An- gelegenheiten der Europäischen Union Ich finde es beruhigend, dass sich offenkundig niemand ernsthaft durch die Ankündigung einer solchen Gesetz- – Drucksache 17/4672 – gebungsabsicht irritiert fühlt. Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) (Heiterkeit) Auswärtiger Ausschuss 10424 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe diesem Sinne auch eine besondere Verpflichtung für un- (C) Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und ser Land zum Ausdruck gebracht haben. Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der am 27. Januar 2011 überwiesene nachfolgende Die allgemeine Wehrpflicht war in der über 50-jähri- Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Familie, Seni- gen Geschichte der Bundeswehr zu ihrer Zeit die richtige oren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zur Mitbera- Wehrform. Darauf darf man auch immer wieder hinwei- tung überwiesen werden. sen. Die Zusammensetzung unserer Streitkräfte aus Be- Die Mitberatung des Ausschusses für Gesundheit rufs- und Zeitsoldaten, Grundwehrdienstleistenden und (14. Ausschuss) soll entfallen. zusätzlich freiwillig Wehrdienstleistenden sowie Reser- visten hat entscheidend zur erfolgreichen Erfüllung des Beratung des Antrags der Abgeordneten Priska Auftrages der Bundeswehr und zu ihrem hohen Ansehen Hinz (Herborn), Katja Dörner, Kai Gehring, wei- beigetragen. terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN Ich persönlich bin immer ein grundsätzlicher Befür- worter der allgemeinen Wehrpflicht gewesen. Das ist Bildungsberichte nutzen – Bildungssystem ge- bekannt. Die Änderung der Wehrform war für mich nie- rechter und besser machen mals Selbstzweck, und sie ist mir – wie vielen von uns in – Drucksache 17/4436 – diesem Hause – außerordentlich schwergefallen. Aber die Untersuchungen des letzten Jahres, die Analysen, die Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und wir angestellt haben, der Bericht des Generalinspekteurs Technikfolgenabschätzung (f) und der Bericht der Strukturkommission unter Leitung Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von Herrn Weise haben in Verbindung mit längeren, sehr ernsthaften, intensiven Diskussionen und Debatten ein Darf ich auch zu diesen Veränderungen Einverneh- eindeutiges Ergebnis gebracht: Die Verpflichtung zum men feststellen? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann Grundwehrdienst ist heute sicherheitspolitisch nicht ist das so beschlossen. mehr begründbar. Auch für mich hat das letztendlich ein Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: Umdenken bedeutet – aber ein Umdenken, aus dem auch eine Perspektive erwachsen sollte. Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- Der letztlich entscheidende Maßstab für die Bundes- rung wehrrechtlicher Vorschriften 2011 wehr muss die Fähigkeit zum Einsatz im Rahmen des (B) (Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 – Wehr- gegebenen Auftragsspektrums sein. In diesem Gesamt- (D) RÄndG 2011) kontext steht auch der heute vorliegende Gesetzentwurf. Die Bundeswehr hat, wie wir wissen, mit den aktuellen – Drucksache 17/4821 – Einsatzverpflichtungen in vielen Bereichen bereits ihre Überweisungsvorschlag: Leistungsgrenze erreicht. Darüber hinaus entsprechen Verteidigungsausschuss (f) ihre Strukturen nicht mehr den Anforderungen, die an Innenausschuss Sportausschuss den heutigen Einsatz und die künftigen Einsätze anzule- Rechtsausschuss gen sind. Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO Eine Neuausrichtung mit Blick auf eine stärkere Ein- satzorientierung war und ist daher unabdingbar. Wir Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für brauchen deswegen heute keine unverhältnismäßig hohe die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- Zahl von Soldaten mehr, sondern hochprofessionelle nen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Streitkräfte, die über weite Distanzen für schwierige Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu- Einsätze schnell verlegt und für Risikoszenarien nach- nächst dem Bundesminister der Verteidigung. haltig eingesetzt werden können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Bundeswehr ist heute eine Armee im Einsatz. Erst vor wenigen Tagen haben wir einmal mehr auf er- schütternde Weise feststellen müssen, was es bedeutet Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundesmi- oder bedeuten kann, Armee im Einsatz zu sein. Ich nister der Verteidigung: glaube, unser aller Gedanken und auch Gebete sind Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und heute bei den gefallenen Soldaten von letzter Woche. Herren! Mit dem Gesetzentwurf über die Aussetzung der Wir denken an die zehn Verwundeten und hoffen auf ihre Verpflichtung zum Grundwehrdienst steht nunmehr ei- baldige Genesung. ner der Kernpunkte der Neuausrichtung der Bundeswehr auf der Tagesordnung der heutigen Debatte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- Wir nehmen mit der Einführung eines Freiwilligen- NISSES 90/DIE GRÜNEN) wehrdienstes Abschied von der Verpflichtung zum Grundwehrdienst. Wir nutzen diese Gelegenheit auch, Sicher ist: Es wird niemals risikofreie Einsätze geben um den vielen Grundwehrdienstleistenden der letzten und geben können. Aber es bleibt unsere dauerhafte Ver- Jahrzehnte Dank zu sagen. Es waren Millionen, die in pflichtung, alles, wirklich alles zu tun, um die Gefahren Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10425

Bundesminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (A) und Risiken für unsere Soldatinnen und Soldaten auf ein genwart und der Zukunft darstellt. Gerade bei den Lauf- (C) Mindestmaß zurückzuführen, und alles zu tun, um bei bahnen der Mannschaften muss hier ein Schwerpunkt Ausbildung, Ausrüstung und Schutzmaßnahmen, die zu liegen; hierauf hat der Inspekteur des Heeres zu Recht ergreifen sind, unserer Verantwortung gerecht zu wer- hingewiesen. Wir nehmen diese Herausforderung mit al- den: Wir müssen unsere Soldaten bestens gesichert und ler Kraft an. für ihre Aufgaben auch ausgebildet in den Einsatz schi- cken. Die Bedingungen, die wir gerade für das Letztge- Es geht jetzt darum, auch mit diesem Gesetz die ge- nannte zu schaffen haben, müssen wir noch intensiver eigneten Instrumente zu schaffen und sich darüber hin- betrachten. Dazu gehören Laufbahn- und Personalstruk- aus mit viel Kreativität dem Wettbewerb zu stellen. turen sowie bestmögliche soziale, aber eben auch mate- Bereits mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz ist vorgese- rielle Bedingungen. Gerade Letztere haben eine bedeu- hen, dass junge Menschen mit Informationsmaterial über tende Auswirkung auf die Sicherstellung der Motivation einen Freiwilligendienst in der Bundeswehr versorgt unserer Soldatinnen und Soldaten – und damit indirekt werden und eine ausführliche Beratung über Dienstmög- auch auf die Fähigkeit, im Einsatz bestehen zu können. lichkeiten in der Bundeswehr erhalten können. Wir müs- sen uns auch hier öffnen, neue Wege beschreiten und Unter den gegebenen finanziellen Bedingungen liegt insbesondere die neuen Medien im Blick haben, also die hierin eine erhebliche Herausforderung. Auch wir müs- heutigen Formen, junge Menschen anzusprechen, tat- sen sparen und einen Beitrag zum Sparen erbringen; wir sächlich nutzen. müssen unsere Bundeswehr gleichzeitig aber auch zu- kunftsfest aufstellen, damit sie eine Perspektive entwi- Der deutlich verbesserte Wehrsold für diejenigen, die ckeln kann. Wir müssen hier noch weiter freundschaft- den freiwilligen Wehrdienst leisten, sowie die Verpflich- lich und intensiv auch innerhalb der Bundesregierung tungsprämien sind zusätzliche starke Signale an potenzi- verhandeln, damit wir die Bundeswehr entsprechend elle Interessenten. Hinzu kommen bessere Unterbrin- aufstellen können. gungsstandards für Mannschaften, eine nach Möglichkeit heimatnahe Verwendung, die Fortgeltung der Steuerfreiheit Bei einem geringeren Gesamtumfang der Streitkräfte der Geld- und Sachbezüge, der kostenlosen Familienheim- würde die Ausbildung und Betreuung von Grundwehr- fahrten sowie der Regelungen des Arbeitsplatzschutzgeset- dienstleistenden zu viele Berufs- und Zeitsoldaten bin- zes. Aus dem Parlament, vom BundeswehrVerband und den. Das war einer der Gründe, weshalb wir gesagt ha- vom Wehrbeauftragten kamen viele Hinweise. Das sind ben: Wir können künftig den Grundwehrdienst nicht Punkte, auf die wir viel Wert legen und die die künftige mehr so wie ursprünglich aufrechthalten. Die weiteren Gestaltung der Bundeswehr bestimmen müssen. Sie bil- Gründe haben wir ausgiebig und intensiv diskutiert. Es den natürlich auch den Rahmen dafür, wie wir uns künf- würde heute zu weit führen, darauf noch einmal hinzu- (B) tig finanziell aufstellen können. (D) weisen. Darüber hinaus sind Attraktivitätsmaßnahmen ge- Es war nach alledem folgerichtig, dass die Bundes- plant, insbesondere die Erweiterung der Möglichkeit, im regierung zeitgleich mit ihrem Eckpunktebeschluss zur Rahmen der Berufsförderung an Aus-, Weiter- und Fort- Neuausrichtung der Bundeswehr am 15. Dezember des bildungsmaßnahmen teilzunehmen. Die Attraktivität ist vergangenen Jahres die Gesetzesnovelle zum Wehr- – über die Sicherung des Nachwuchses bei den Mann- pflichtgesetz auf den Weg gebracht hat. Die Pflicht zum schaftsdienstgraden hinaus – insgesamt der Schlüssel Grundwehrdienst soll zum 1. Juli 2011 ausgesetzt wer- zur künftigen personellen Einsatzbereitschaft der Bun- den; das ist der derzeitige Plan. Die letzten verpflichtend deswehr. Zu Beginn dieses Jahres wurde deshalb ein grundwehrdienstleistenden Soldaten wurden am 3. Ja- Maßnahmenpaket zur Steigerung der Attraktivität des nuar dieses Jahres eingezogen. Dienstes in der Bundeswehr erlassen, das alle Soldatin- An die Stelle des Grundwehrdienstes tritt ein neuer, nen und Soldaten – ich betone: alle – betrifft. Hierüber ein freiwilliger Wehrdienst von 12 bis 23 Monaten für wurde der Verteidigungsausschuss informiert. Dieses junge Frauen und Männer. Weder die verfassungsrechtli- Maßnahmenpaket enthält über 80 grundsätzlich mögli- che noch die einfachgesetzliche Grundlage der Wehr- che Maßnahmen, die jetzt alle auf ihre Realisierbarkeit pflicht wird aber gänzlich abgeschafft. Ich halte es hin geprüft werden. Nicht alles wird und soll kommen; weiterhin für geboten und richtig, dass wir die verfas- das darf ich an dieser Stelle sagen. Entscheidend sind im sungsrechtliche Grundlage der Wehrpflicht erhalten ha- Einzelfall kurzfristig greifende Maßnahmen, um den ben und weiter erhalten; das ist mit Blick auf Szenarien, Dienst in der Bundeswehr attraktiver zu machen. Die die wir heute sicher noch nicht ganz absehen können, eine oder andere Idee ist nach einer Überprüfung bereits eine richtige und kluge Entscheidung. verworfen worden, aber es bleiben viele, die wir umzu- setzen haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Neben der Einrichtung von Eltern-Kind-Arbeitszim- Wir wollen Bewährtes erhalten, auch als Rückversiche- mern an 200 Standorten planen wir die Flexibilisierung rung. Im Kern wird also lediglich die Verpflichtung zum und Verlängerung von Regelverpflichtungszeiten, die Grundwehrdienst ausgesetzt. verstärkte Besetzung ziviler Dienstposten mit ausschei- Ich bin mir völlig im Klaren darüber, dass die Gewin- denden Soldaten auf Zeit, mehr Möglichkeiten des Woh- nung von Freiwilligen angesichts der Konkurrenz mit nens in Gemeinschaftsunterkünften, die Erhöhung von anderen Arbeitgebern um qualifiziertes Personal wahr- Zulagen und Ausgleichssätzen für mehrgeleisteten scheinlich eine der größten Herausforderungen der Ge- Dienst und eine angemessenere Ausgestaltung der Rah- 10426 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Bundesminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (A) menbedingungen für dienstlich veranlasste Umzüge. Für tionspartner CDU und CSU wollten ihn damals nicht ge- (C) einige dieser Maßnahmen brauchen wir gesetzliche Re- hen. Jetzt wollen sie ihn gehen. Wir begrüßen das. gelungen, um deren Unterstützung ich gerne bitten und (Beifall bei der SPD – [CDU/CSU]: werben will. Peter Struck wollte ihn nicht gehen!) Heute bitte ich Sie um Zustimmung zu dem vorliegen- den Entwurf des Wehrrechtsänderungsgesetzes. Je schnel- Aber wir wissen auch: Die Beendigung der Wehr- ler wir in der Lage sind, die im Gesetz enthaltenen Maß- pflicht, ob auf Dauer oder zeitweilig, wird die Rahmen- nahmen umzusetzen, umso schneller können wir dringend bedingungen für die Bundeswehr, auf die sie sich fünf benötigte Freiwillige in die Streitkräfte einstellen und die Jahrzehnte verlassen konnte, völlig verändern. Es im Entwurf enthaltenen Attraktivitätsmaßnahmen wie den kommt deshalb darauf an, dass wir mit der Änderung erhöhten Wehrsold und die Verpflichtungsprämien end- dieser zentralen Rahmenbedingungen nicht auch die Er- gültig umsetzen. Mit Ihrer Zustimmung leisten Sie alle folgsgeschichte der Bundeswehr in der deutschen Ge- einen entscheidenden Beitrag zur erfolgreichen Neuaus- schichte beenden. Auch ohne Wehrpflicht muss es uns richtung unserer Bundeswehr, zur Gewährleistung ihrer gelingen, den Nachwuchs der Bundeswehr aus allen Einsatzfähigkeit und damit zu unserer Sicherheit. Wir Schichten der Bevölkerung zu gewinnen und den Dienst können bei der Neuausrichtung der Bundeswehr einen so attraktiv zu machen, dass die Bundeswehr nicht in wichtigen, großen Schritt vorangehen, gerade mit Blick Gefahr gerät, nur noch Negativauslese derjenigen zu auf die Attraktivität des Dienstes, die unsere Soldaten werden, die es woanders nicht geschafft haben. Die Bun- mehr als verdient haben. deswehr muss deshalb auch eine Qualifizierungsarmee werden. Vor allem darf die Abschaffung der Wehrpflicht Herzlichen Dank. nicht dazu führen, dass wir uns weniger für die Soldatin- nen und Soldaten interessieren, sie schlechter ausstatten (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) oder ausbilden oder sie gar leichtfertiger in gefährliche Auslandseinsätze schicken. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Sigmar Gabriel für Wenn ich mir allerdings ansehe, wie diese Bundes- die SPD-Fraktion. wehrreform beginnt, dann stelle ich fest, dass sich die Bundesregierung und der Bundesverteidigungsminister (Beifall bei der SPD) schon in den ersten Schritten von der Bundeswehr ab- wenden. Die ganze Reform beginnt als Sparaktion. Mehr Sigmar Gabriel (SPD): als 8 Milliarden Euro sollen durch diese Bundeswehrre- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unzwei- form eingespart werden. Der Verteidigungsminister ist (B) felhaft: Die Bundeswehr gehört zu den großen Erfolgs- vollmundig mit einer gigantischen Sparbüchse auf die (D) geschichten der Bundesrepublik. Es ist eine demokrati- Bundeswehr losgegangen. Inzwischen muss er kleinlaut sche Erfolgsgeschichte, weil die Bundeswehr nie Staat zugeben, dass er nicht etwa einsparen, sondern mögli- im Staate war, sondern immer in der Mitte der Gesell- cherweise sogar mehr Geld ausgeben muss. Statt die schaft und fest verankert war in der Demokratie. Sie ist Aufgaben der Bundeswehr zur zentralen Messlatte für eine europäische Erfolgsgeschichte, weil keiner unserer die Reform, die Organisation, die Ausstattung und die Nachbarn jemals vor Aggressionen Angst haben musste Bezahlung der Bundeswehr zu machen, erklärt der Bun- und davor, dass die Bundeswehr eine Gefahr für sie dar- desverteidigungsminister am 25. Oktober des letzten stellen würde. Ganz im Gegenteil: Die Bundeswehr ist Jahres bei der Vorstellung seiner Reform bei der Füh- immer eine Armee gewesen, die sich sehr dem Frieden, rungsakademie der Bundeswehr in Hamburg – ich zitiere –, der Völkerverständigung und auch dem Völkerrecht ver- der höchste – ich betone – der „höchste strategische Pa- bunden gefühlt hat. Nie zuvor gab es eine deutsche Ar- rameter“ der Bundeswehrreform sei die Haushaltskonso- mee, die das von sich sagen konnte. lidierung. Die Bundeskanzlerin attestiert ihm am Anfang des Jahres, der Sparbeitrag – Frau Kanzlerin, so haben Die große und wirklich bedeutende Geschichte der Sie gesagt – des Verteidigungsministers sei das Wich- Bundeswehr ist eine der großen Erfolgsgeschichten der tigste. Frau Bundeskanzlerin, ich sage Ihnen, was unser Bundesrepublik Deutschland, und sie ist untrennbar mit höchster strategischer Parameter ist und was für uns das der Wehrpflicht verbunden gewesen. Die Wehrpflicht si- Wichtigste ist: die Sicherheit der Soldatinnen und Solda- cherte, dass die Bundeswehr den Querschnitt der Bevöl- ten. Das ist der wichtigste strategische Parameter. kerung repräsentierte, dass der Nachwuchs aus allen Be- völkerungsschichten gewonnen wurde, und vor allen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Dingen sorgte sie dafür, dass wir alle uns mit der Bun- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) deswehr beschäftigt haben, weil es immer unsere eige- Sie machen die Bundeswehr zum Sparschwein Ihrer nen Söhne und Töchter sein konnten, die dort ihren Haushaltspolitik. Das ist nicht nur ein politischer Fehler; Dienst taten. im Zweifel ist das für die Soldatinnen und Soldaten Wir alle wissen: Die Beendigung der Wehrpflicht, wie ziemlich gefährlich. Die Bundesregierung und vorneweg sie heute vorgeschlagen wird – ob von Dauer oder auf der Verteidigungsminister verwechseln die Reihenfolge: Zeit, wird sich erst noch herausstellen –, ist deshalb von Sie entscheiden zuerst über drastische Einsparungen und großer und weitreichender Bedeutung. Die SPD hat we- wundern sich dann, dass die Bundeswehr ihre Aufgaben gen der Schwierigkeiten der Wehrgerechtigkeit diesen nicht erledigen kann. Sie müssen diese Reform vom Weg bereits 2007 vorgeschlagen. Unsere früheren Koali- Kopf auf die Füße stellen: Zuerst müssen Sie die Aufga- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10427

Sigmar Gabriel (A) ben festlegen, die die Bundeswehr erfüllen soll. Danach Gutachtens eigentlich getan haben. Wenn Sie, Frau Bun- (C) müssen Sie sagen, welche Ausbildung und Ausstattung deskanzlerin, dann am 22. November 2010 als Regie- die Soldaten dafür brauchen. Danach müssen Sie sagen, rungschefin nach Dresden zur Kommandeurstagung wie Sie ohne die Wehrpflicht das Personal für diese Auf- fahren und den Kommandeuren zum Thema der Bundes- gaben bekommen. Und dann müssen Sie den Finanzbe- wehrreform den Spruch „no risk, no fun“ entgegenhal- darf für diese Aufgaben und für diese Nachwuchsgewin- ten, dann frage ich mich, auf welcher geistigen Höhe in nung festlegen. Das ist die richtige Reihenfolge der Deutschland inzwischen Sicherheitspolitik gemacht Bundeswehrreform. wird. (Beifall bei der SPD – Dr. Hans-Peter Fried- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ rich [Hof] [CDU/CSU]: Genauso machen wir DIE GRÜNEN) das! Genauso!) Frau Kanzlerin, für uns hört der Spaß an dieser Stelle Sie versuchen es genau umgekehrt, und deswegen auf. Bei der Bundeswehr geht es nicht um „fun“, wie Sie geht das schief; denn ohne deutlich bessere Bezahlung, offenbar meinen, sondern um die Sicherheit unseres ohne Angebote für Ausbildung, Studium und Weiterver- Landes, um die Sicherheit der Einsätze sowie um Leib wendung nach der Bundeswehr werden Sie den benötig- und Leben der Soldatinnen und Soldaten. ten Nachwuchs nicht gewinnen können. Sie haben kein Konzept dafür, wie wir die Freiwilligendienste ausbauen Inzwischen wissen wir, dass der Heeresinspekteur können. alarmiert ist, weil ihm zum 1. April 2011 nur ein Fünftel der benötigten Rekrutinnen und Rekruten zur Verfügung Übrigens werden wir natürlich Standorte schließen steht. Der Generalinspekteur räumt ein, dass die Bundes- müssen. Wir können die Standortdebatte auch nicht zum wehr Gefahr läuft, 2012 nicht mehr genügend Soldatin- Maßstab der Ausrichtung der Bundeswehr machen. Aber nen und Soldaten für den Auslandseinsatz zu haben. Die dann müssen Sie doch ein Konversionsprogramm aufle- Bundeswehr ist – wir kennen den Begriff – bedingt ab- gen, mit dem die Bürgermeister und Landräte leben kön- wehrbereit und bedingt einsatzbereit. Das, Herr Verteidi- nen. Auch das kostet Geld. Aber nichts davon findet sich gungsminister, sind die tatsächlichen Resultate Ihrer in Ihrem Konzept wieder. fachlich angeblich so guten Arbeit. Das ist das Produkt (Beifall bei der SPD) Ihrer Amtszeit. Gerade haben Sie selbst, Herr Verteidigungsminister, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ihr Maßnahmenpaket zitiert. Ich lese einmal ein biss- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) chen daraus vor, weil das deutlich macht, dass das alles (B) Ihre sogenannte Bundeswehrreform entfaltet bei den (D) Floskeln sind. Ich zitiere eine schöne Formulierung zu jungen Männern und Frauen in Deutschland gerade eine einem Punkt, den Sie selber gerade angesprochen haben: enorme Signalwirkung. Das kann man wohl sagen. Wir „Die bisherigen Mannschaftslaufbahnen sind mit dem lesen, dass von 166 000 Briefen der Kreiswehrersatzäm- Ziel der Erhöhung der Attraktivität neu zu gestalten.“ – ter an junge Frauen und Männer nur ganze 7 000 mit In- Aber dann ist Schluss. Dazu, wie das geschehen soll, teressenbekundungen zurückkamen, also nur knapp steht nichts in Ihrem Maßnahmenpaket. Es finden sich 4 Prozent. Das ist die Signalwirkung, die von Ihnen aus- nur wolkige Formulierungen, aber nichts Konkretes. Im geht, und zwar nicht deshalb, weil die Bundeswehr ein Hinblick auf tatsächlich vorhandene gute Vorschläge wie schlechter Arbeitgeber wäre, sondern weil die jungen die von Ihnen eben angesprochene Vereinbarkeit von Fa- Männer und Frauen auf jede konkrete Frage, wie ihr frei- milie und Beruf muss Ihr Staatssekretär sofort zugeben, williger Dienst in der Bundeswehr denn aussehen soll, dass dies alles unter dem Finanzierungsvorbehalt des Fi- keine konkrete Antwort bekommen. Sie haben ein Chaos nanzministers steht. Das ist Camouflage. Sie haben Ihren organisiert, wenn Sie so weitermachen. Job nicht gemacht. Sie haben nicht gesagt, was man schaffen muss, wenn man die Bundeswehrreform zu ei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nem Erfolg machen will. Das ist unser Vorwurf. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Noch einmal: In fünf Wochen soll der Nachwuchs der des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bundeswehr allein aus Freiwilligen gewonnen werden. Wir bekommen ein hohles Gesetz ohne jeden Reali- Diese Eile haben Sie sich übrigens selbst auferlegt. Das tätsbezug. Der Verteidigungsminister kann keine Ant- Kabinett hat beschlossen, dass erst zum 1. Juli 2011 um- wort auf die Frage nach der künftigen Struktur der Bun- gestellt werden soll. Sie aber sagen: Nein, es muss schon deswehr oder nach den Standorten geben. Er kann keine zum 1. April 2011 geschehen. Antwort auf die Fragen zur Nachwuchsgewinnung der (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Armee und schon gar keine zum Finanzierungskonzept NEN]: Macht doch eine Anzeige in der Bild- geben. Auf jede Frage bleibt der Verteidigungsminister Zeitung!) die Antwort schuldig – und das, obwohl die Reform am 1. April 2011 starten soll. Es geht immer nach dem alten Motto: Schnell, schnei- dig, schick! Im Weise-Bericht heißt es: „Gefordert sind schnelle Entscheidungen …“ Wir fragen uns, Herr Minister, was (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie in den letzten knapp fünf Monaten seit Vorlage des NEN]: Schick?) 10428 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Sigmar Gabriel (A) Aber es geht nicht um ein Wettrennen, Herr Verteidi- schichte des Parlaments ein amtierender Minister mehr- (C) gungsminister. Es geht um unsere Soldatinnen und Sol- fach von Abgeordneten Lügner, Hochstapler und daten und um die Leistungsstärke und Funktionsfähig- Betrüger genannt wurde. keit der Armee. Wir können Sie nur auffordern: (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Thierse! Verschieben Sie die Reform so lange, bis Sie wirklich Vizepräsident!) wissen, wohin Sie wollen und wie Sie das machen wol- len. – Nein, Frau Göring-Eckardt war gestern die Präsiden- tin. (Beifall bei der SPD) (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie rügen also Sie müssen erst die Voraussetzungen für die Reform die Präsidentin!) schaffen und dann handeln und nicht umgekehrt. Wenn Sie weiter im Blindflug unterwegs sind, ist die Reform Es gab keine große Aufregung bei Ihnen und keinen schon gescheitert, bevor sie überhaupt begonnen hat. Ordnungsruf. Frau Bundeskanzlerin, was glauben Sie wohl, warum das so war? Weil jeder hier im Haus Das größte Kapital bei dieser wirklich großen Reform wusste, dass das Tatsachenbehauptungen sind. ist doch das Vertrauen der Menschen, auch der Soldatin- nen und Soldaten, in die politische Führung. Genau die- (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: ses für die Reform wichtige Vertrauen verspielen Sie ge- Eine Unverschämtheit! Unerhört!) rade. Hinter der glitzernden Fassade aus großen Worten Das ist doch das Problem. Jeder weiß, dass wir es mit ei- und schillernden Begriffen von der größten Reform aller nem politischen Hochstapler zu tun haben. Zeiten befindet sich bei Ihnen nur der unbedingte Wille zur Ankündigung, Herr Minister, mehr nicht. Es ist nicht (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE das erste Mal, dass wir merken, dass Schein und Sein bei GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU) Ihnen ziemlich unterschiedlich sind. – Ich habe kein Problem damit, wenn wir das einmal Weil es um das Vertrauen geht, Frau Bundeskanzlerin, problematisieren würden. Vielleicht stellt auch jemand möchte ich Sie ganz persönlich ansprechen. Ich achte Strafantrag. Das wäre interessant. Sie nicht nur wegen Ihres Amtes, Frau Kanzlerin. Ich achte Sie auch, weil wir uns in der Großen Koalition Frau Bundeskanzlerin, stellen Sie sich doch nur für kennengelernt haben. eine Sekunde vor, die Zeitungsberichte über das Verhal- ten des Verteidigungsministers, die Sie gelesen haben, (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und enthielten nicht den Namen zu Guttenberg, sondern die der FDP) Namen Trittin, Lafontaine oder Gabriel. Stellen Sie sich (B) doch nur einmal vor, was Sie gesagt und gedacht hätten, (D) – Sie müssen nicht lachen. Ich meine das ganz ernsthaft. wenn das nicht Herr zu Guttenberg gewesen wäre. Dann (Elke Hoff [FDP]: Lächeln darf man noch!) wissen Sie, wie weit wir hier inzwischen weg sind von Recht und Gesetz, was für alle gelten soll. Dann wissen – Wenn Sie lächeln, wenn ich Sie lobe, verzeihe ich Ih- Sie das. nen das. Ich habe die Absicht, das zu tun. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei DIE GRÜNEN) Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ehre, Pflichtgefühl, Recht und Anstand, das sind Be- griffe, die gerade für den Inhaber der Befehls- und Kom- Ich habe Sie als jemanden kennengelernt, der, na klar, mandogewalt über die Bundeswehr von großer Bedeu- machtbewusst ist. Das ist keine Frage. Aber ich habe Sie tung sein müssen. Nichts davon findet sich im Handeln nie als machtvergessen und auch nie als machtversessen Ihres Ministers. Frau Bundeskanzlerin, was soll Ihre erlebt. Ich habe mir das immer damit erklärt, dass Ihre seltsame Bemerkung, Sie hätten einen Minister und kei- Biografie Sie für demokratische Herausforderungen sen- nen wissenschaftlichen Mitarbeiter berufen? Spielt ei- sibel gemacht hat. Gerade weil ich Sie so kennengelernt gentlich – das frage ich Sie – der Charakter eines Men- habe, bitte ich Sie um eines: Muten Sie uns und der Bun- schen bei der Berufung in Ihr Kabinett für Sie keine deswehr, sich und unserem Land dieses unwürdige Rolle mehr? Schauspiel, das wir seit Wochen mit Ihrem Verteidi- gungsminister erleben, nicht länger zu. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich weiß nicht, ob Sie, Frau Bundeskanzlerin, die De- batte im Bundestag gestern verfolgt haben. Wenn Sie das Ich sage Ihnen: Es ist eine Zumutung für jeden Abge- gemacht haben, dann ist Ihnen vielleicht eines aufgefal- ordneten im Saal, dass wir hier von einem Regierungs- len. mitglied für dumm verkauft werden sollen. (Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Sie waren (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das gibt nicht da!) es schon länger! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU) – Ich habe sie mir angeschaut und war erstaunt über das, was hier passiert ist. – Es gab keinen Ordnungsruf des – Für dumm verkauft? Sagen Sie einmal: Glauben Sie Präsidenten, nicht einmal Tumulte oder allzu laute Pro- wirklich daran, dass jemand aus Versehen 270 von teste auf Ihrer Seite, als hier zum ersten Mal in der Ge- 400 Seiten abschreiben kann? Was ist das denn für eine Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10429

Sigmar Gabriel (A) seltsame Ausrede? So etwas habe ich überhaupt noch Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, (C) nicht gehört. Aus Versehen? meine Frau und ich haben sechs Kinder im Alter (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ zwischen 14 und 29 Jahren. Wir haben als Eltern DIE GRÜNEN) versucht, unseren Kindern sog. christliche Werte und solche der bürgerlichen Aufklärung zu vermit- Ich sage Ihnen: Für jeden von uns, der fair arbeitet, teln. Hierzu gehören u. a. das Bemühen um Wahr- der etwas von Leistung, von Anstand hält, für jeden Ab- haftigkeit und der Respekt vor dem Eigentum ande- geordneten ist es eine Zumutung, dass wir uns auf dieses rer – ohne Ansehung der Person! intellektuelle und moralische Niveau herabbegeben müs- Er schreibt weiter: sen. Das ist die Zumutung, die hier im Parlament gerade stattfindet. Einer Ihrer Minister hat nachweislich in höchst gra- vierendem Umfang gelogen, betrogen und gestoh- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten len. Sie wissen das. Alle wissen das. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Trotzdem ziehen Sie aus machttaktischen Erwägun- Frau Bundeskanzlerin, es geht nicht mehr um Herrn gen nicht die einzig zulässige Schlussfolgerung: die zu Guttenberg, es geht inzwischen um ganz prinzipielle Entlassung dieses Herrn aus Ihrem Kabinett. Fragen von Rechtsstaat und Demokratie. Rücktritte in Die weltweite Finanzkrise, deren Folgen allseits zu unserer parlamentarischen Demokratie waren ein Zei- besichtigen sind, wurde von Schrott-Immobilien chen der Stärke. Sie haben gezeigt, dass das Parlament und einem Übermaß an Gier nach Geld ausgelöst. und die demokratischen Institutionen zur Korrektur fä- Die Legitimationskrise des bürgerlichen Lagers hig sind, dass sie Fehlverhalten am Ende nicht durchge- schwelt schon lange und wurde jetzt in dem von Ih- hen lassen und ohne Ansehen der Person und des Amtes nen regierten Land durch eine Schrott-Dissertation handeln. Das hat die Demokratie gestärkt. und ein Übermaß an Macht- und Geltungsgier akut. Sie machen das Gegenteil. Sie und Ihr Minister sind Bitte verraten Sie mir und meiner Frau, wie wir bei in der letzten Woche eine politische Schicksalsgemein- einer solchen Sachlage unseren Kindern noch Ver- schaft eingegangen. Sie haben die demokratische Achse trauen in die Verfassungswirklichkeit des von Ihnen unserer parlamentarischen Demokratie verschoben, und regierten Landes vermitteln sollen. Bitte verraten Sie haben einen Berufungsfall für künftige Parlamente Sie uns, wie wir unsere Kinder dazu motivieren sol- und Regierungen geschaffen. Denn eines ist klar: Ein len, auf ehrliche Weise einen Beruf zu erlernen und (B) Verteidigungsminister, der eigene Regeln für sich bean- auszuüben. (D) sprucht, die sich außerhalb des Werte- und Rechtssys- Bitte überdenken Sie noch einmal Ihre Entschei- tems der Bundesrepublik Deutschland bewegen, der dung. Es kann, es darf nicht das letzte Wort in die- höhlt dieses Rechts- und Wertesystem scheibchenweise ser Sache gesprochen sein! aus, weil er sich über Recht, Gesetz und Regeln setzt. Er offenbart eine Haltung, die ihre Wurzeln in der Stände- Dem ist nichts hinzuzufügen. gesellschaft, aber keinen Platz in einem demokratischen (Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall Land hat. beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Elke Hoff ist die nächste Rednerin für die FDP-Frak- Frau Kanzlerin, es geht nicht mehr darum, ob Ihr Ver- tion. teidigungsminister die Kraft und das Format hat, Konse- quenzen zu ziehen, sondern es geht darum, ob Sie als (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Regierungschefin noch bereit sind, Schaden von unse- rem Land und seinen Institutionen abzuwenden. Elke Hoff (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Her- DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU ren! Herr Kollege Gabriel, Sie haben eben dem Bundes- und der FDP: Oh!) minister der Verteidigung bzw. der Bundesregierung vorgeworfen, sie verspiele das Vertrauen der Soldaten. Ich bedaure es, aber ich bin mir sicher, dass Sie sich sel- ber in Zukunft hier im Deutschen Bundestag noch an (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- diese Tat erinnern werden. Ich bedaure, dass Sie – ge- NEN]: So ist es!) nauso wie wir – noch erleben werden, welche Konse- Glauben Sie wirklich, dass Sie mit dem Beitrag, den Sie quenzen das hat. hier gerade geleistet haben, Wesentliches dazu beige- steuert haben, dass unsere Bürgerinnen und Bürger das Ich lese Ihnen zum Schluss vor, was jemand geschrie- Vertrauen zurückgewinnen? Ich glaube, nicht. ben hat, der mit Sicherheit zu Ihrer Wählerschaft gehört und nicht zu der der Sozialdemokraten. Dr. Christoph (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Lo- Berglar hat an Sie geschrieben: thar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wieso? Was 10430 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Elke Hoff (A) er gesagt hat, ist doch nur die Wahrheit gewe- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (C) sen! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE Immer? – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollten Sie machen, Frau GRÜNEN]: Ach ja?) Hoff! Sie haben ja schon eine ganz rote Nase vor lauter Lügen! Das ist doch Ihre Aufgabe! – sage ich Ihnen: Das tun wir heute. Wir schaffen heute die Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/ Voraussetzungen dafür, dass die neuen sicherheitspoliti- CSU]: Jetzt ist es aber wirklich genug, Frau schen Herausforderungen in der Welt bewältigt werden Künast! Sie können die Kollegin doch nicht können. als Lügnerin bezeichnen!) (Zurufe von der SPD) Ich möchte mich an dieser Stelle, auch im Namen – Hören Sie doch einfach einmal zu! meiner Fraktion, von den Beschuldigungen, die gestern in diesem Hause erhoben und von der Bundestagsvize- Ich bin ganz bei der Bundeskanzlerin, wenn sie sagt, präsidentin nicht gerügt wurden – es hieß, der Bundes- dass solide Haushalte eine wesentliche Grundlage für die minister der Verteidigung sei ein Hochstapler –, aus- Sicherheit von Staaten sind. drücklich distanzieren. Das ist nicht der Stil der (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auseinandersetzung, der in diesem Hause gepflegt wer- Was sagen Sie denn zu Libyen?) den sollte. Das kann man auch in anderen Staaten feststellen. Nicht (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wi- umsonst haben unsere amerikanischen Verbündeten in derspruch bei der SPD) ihrer nationalen Sicherheitsstrategie festgestellt, dass die Solidität von Haushalten ein entscheidender Parameter Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beraten für die Sicherheit ist. heute in erster Lesung das Wehrrechtsänderungsgesetz. Ich bedaure sehr, dass dieses wichtige Thema, eine his- (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- torische Zäsur in der Geschichte der Bundeswehr, heute NEN]: Dann schauen Sie sich mal den US- wieder benutzt wird, um zu versuchen, Menschen, die Haushalt an!) sich gestern auch hier im Parlament sehr klar und deut- lich zu ihren Fehlern bekannt haben, zu diskreditieren. Wir müssen jetzt gemeinsam versuchen, diesen Anforde- rungen gerecht zu werden. (Widerspruch bei der SPD und der LINKEN) Es ist kein Fehler, wenn wir auch vom Bundesminis- – Wissen Sie: Lautstärke alleine ersetzt die Argumente ter der Verteidigung Einsparungen verlangen. (B) nicht. (Agnes Malczak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (D) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ach! Die hat er ja gar nicht geliefert!) Ich darf darauf zurückkommen: Wir reden heute über Die Fragen lauten: Auf welchem Wege und auf welcher das Wehrrechtsänderungsgesetz. Wir müssen für die Zu- Zeitachse? Wir als FDP-Fraktion haben uns immer sehr kunft der Bundeswehr junge Männer und Frauen davon deutlich dazu positioniert und gesagt: Ja, wir möchten überzeugen, dass der Bundestag hinter ihnen steht, dass die Einsparungsziele erreichen, aber in einem anderen wir im Hinblick auf die Streitkräfte eine Freiwilligenkul- Zeitrahmen als dem, den sich Teile der Bundesregierung tur befürworten. vorstellen. Das ist legitim, darüber müssen wir diskutie- ren, und wir werden auch zu einem Ergebnis kommen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Meine Damen und Herren, es ist eben sehr deutlich NEN]: Nein! Hinter dem stehen wir nicht! Das dargestellt worden, dass uns letztendlich bestimmte äu- kann ich Ihnen garantieren! – Gegenruf des ßere Rahmenbedingungen zu der Entscheidung, die wir Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Das brau- heute im Plenum treffen, geführt haben. Die demografi- chen Sie auch nicht! Auf Sie kommt es näm- sche Entwicklung macht es schwerer, die Wehrpflicht so lich gar nicht an! – Gegenruf des Abg. Jürgen zu organisieren, wie es sich der Verfassungsgeber da- Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! mals vorgestellt hat. Wir haben eine neue sicherheitspo- Dann ist es ja okay!) litische Lage, die Streitkräfte erfordert, die kleiner sind, Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas Positives sa- die schmaler sind, die flexibler sind. gen. Der Kollege Dr. Bartels hat gestern im Verteidi- Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen: Das ist gungsausschuss einen sehr bedenkenswerten und diskus- keine Herausforderung, der sich die Bundesrepublik al- sionswürdigen Vorschlag gemacht. Er hat gesagt: Wir als leine stellen muss. Das ist eine Herausforderung, die alle Parlament sollten uns über die Parteigrenzen hinweg zur Staaten betrifft. Wenn Sie sich die Situation in Deutsch- Freiwilligenkultur in diesem Lande bekennen. lands Nachbarstaaten und jenseits des Atlantiks an- (Zuruf von der SPD: Ja! Das tun wir doch auch!) schauen, stellen Sie fest: Die Streitkräfte unterliegen zurzeit überall einer Neubewertung, einer Neubeurtei- Wir sollten eine Debatte darüber führen, wie wir die lung. Wir müssen einen Spagat schaffen: zwischen einer Freiwilligenkultur stärken können. Da die SPD-Fraktion finanziellen Konsolidierung und einer vernünftigen und immer Befürworter einer Aussetzung der Wehrpflicht auch belastbaren Sicherheitspolitik und Landesverteidi- gewesen ist, gung. Dem versuchen wir Rechnung zu tragen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10431

Elke Hoff (A) Ich denke, es ist hier im Hause auch Konsens, dass Präsident Dr. Norbert Lammert: (C) wir junge Männer und Frauen zukünftig nur dann für den Ich erteile das Wort der Kollegin Christine Buchholz Dienst in den Streitkräften gewinnen können, wenn er für die Fraktion Die Linke. attraktiv ist. Meines Erachtens kommen zu den Punkten, die der Minister eben sehr richtig dargestellt hat, weitere (Beifall bei der LINKEN) Aspekte hinzu. Die freie Wirtschaft und die Bundeswehr dürfen auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft nicht in Form Christine Buchholz (DIE LINKE): eines Gegeneinanders um junge Männer und Frauen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun- konkurrieren, sondern man sollte versuchen – ich darf es desregierung plant, das Wehrpflichtgesetz zu ändern, einmal so sagen –, Arbeitsbiografien aufzubauen. Die und will damit die rechtliche Umwandlung der alten Bundeswehr sollte einen Teil der Ausbildung junger Wehrpflichtigenarmee in eine Armee aus Zeit- und Be- Männer und Frauen übernehmen, sodass sie später die rufssoldaten vollenden. Deswegen wird die Wehrpflicht Möglichkeit haben, auch in der Wirtschaft ein Auskom- ausgesetzt. Die Linke ist gegen jede Form von Zwangs- men zu finden. Dafür tragen wir auch Verantwortung. diensten – das betrifft auch die Wehrpflicht. Ich glaube, Herr Minister, dass Sie in diese Richtung recht bald Initiativen ergreifen werden. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, wir dürfen mit Blick auf Schon die Aussetzung der Wehrpflicht befreit jährlich die Attraktivität unserer Streitkräfte auch folgende Fra- Tausende junger Männer von einem erzwungenen Mili- gen nicht außer Acht lassen: Was passiert mit den Solda- tärdienst. Das begrüßen wir, auch wenn wir eigentlich tinnen und Soldaten, wenn sie aus einem Einsatz zurück- die Abschaffung der Wehrpflicht wollen. kommen, wenn sie verwundet oder traumatisiert sind? (Beifall bei der LINKEN) Was passiert mit den Hinterbliebenen, wenn gefallene Soldaten zu beklagen sind? Auch hier müssen wir als Aber wir können dieses Gesetz nicht ohne den eigent- Gesellschaft und als Deutscher Bundestag die richtigen lichen Zweck bewerten, zu dem die Bundesregierung Eckpunkte und Rahmenbedingungen setzen, damit El- das Gesetz ändern möchte. Herr zu Guttenberg hat kei- tern und Familien die Bundeswehr als attraktiven Arbeit- nen Zweifel daran gelassen: Es geht darum, die Bundes- geber ansehen und ihre Kinder ermuntern, den Dienst an wehr schlagkräftiger und einsatzfähiger zu machen. der Waffe für das Vaterland aufzunehmen. Aber mich wundert doch, dass in dieser Debatte noch keiner davon gesprochen hat, dass drei Soldaten, die sich Die Diskussionen, die wir in den letzten Wochen füh- in einem dieser Einsätze befunden haben, am letzten ren, führen bestimmt nicht dazu, dass die Streitkräfte at- Freitag getötet wurden. (B) traktiver werden. Diese Diskussionen führen bestimmt (D) nicht dazu, dass junge Männer und Frauen sich aufgeru- (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Der fen fühlen, diesem Land zu dienen. Ich persönlich – und Minister!) ich denke, ich spreche auch im Namen meiner Fraktion und unseres Koalitionspartners – bin stolz auf unsere Herr zu Guttenberg bringt zu Ende, was in den 90er- Streitkräfte, auf das, was sie jeden Tag dort, wo wir sie Jahren unter der Kohl-Regierung begann: Damals wurde hinschicken, leisten. Deshalb ist es notwendig, dass wir die Absicherung des Zugangs zu Rohstoffen und Absatz- die Tür öffnen und entsprechende Möglichkeiten schaf- märkten offiziell zur Aufgabe der Verteidigungspolitik fen, damit die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber erklärt. Seitdem haben Minister von CDU/CSU und SPD wird. Auch wir als Parlament müssen unseren Beitrag die Bundeswehr in zahllosen Umstrukturierungen Schritt dazu leisten. Das ist eine gesellschaftliche Herausforde- für Schritt zu einer Einsatzarmee umfunktioniert. Heute rung und nicht alleine die Herausforderung an einen Mi- gilt der Krieg nicht mehr als letztes Mittel zur Landes- nister. Du lieber Gott! Wer als einzelne Person kann eine verteidigung – Krieg ist Dauerzustand. Die Linke ist ge- solche Reform stemmen? gen diese Kriege. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Gabriel stemmt (Beifall bei der LINKEN) alles!) Wehrpflicht ist Zwang. Aber Zwang wird nicht nur Das ist unser aller Aufgabe. Es ist eine gesellschaftliche durch eine gesetzliche Wehrpflicht ausgeübt. Wo Armut Aufgabe. herrscht, herrscht Zwang, Zwang, seine soziale Not zu überwinden. Das wollen Sie ausnutzen. Schon heute die- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) nen in Auslandseinsätzen überproportional viele Solda- Wenn wir wollen, dass die Bundeswehr zur Freiwilli- ten aus strukturschwachen Regionen. 2009 stammte genarmee wird, dann müssen wir alle auch dazu beitra- etwa die Hälfte der Soldaten aus Ostdeutschland. Dieses gen, dass das Ansehen der Bundeswehr gesteigert und Ungleichgewicht verstärkt sich im Einsatz, wie man an ihre Zukunft gesichert wird, damit junge Männer und den Dienstgraden erkennen kann: Während 62 Prozent Frauen mit Freude Dienst an der Waffe tun. Wir als der Mannschaftsdienstgrade aus Ostdeutschland kom- FDP-Fraktion werden Sie, Herr Minister zu Guttenberg, men, sind nur 16 Prozent der Stabsoffiziere und 0 Pro- nach Kräften dabei unterstützen. zent der Generäle aus dem Osten. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Jörg van Essen [FDP]: Es gibt einen General, der Arzt und aus dem Osten ist! Ist doch abso- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) luter Unsinn!) 10432 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Christine Buchholz (A) Alle drei Bundeswehrsoldaten, die am 23. Juni 2010 Vorzüge der Bundeswehr als Arbeitgeber deutlich zu (C) bei einem Feuergefecht getötet wurden, kamen aus Ost- machen. Diese Werbung für den Kriegsdienst lehnen wir deutschland. Einer von ihnen hatte einen Migrationshin- ab. tergrund; über einen weiteren sagen seine Freunde, dass er nur zur Bundeswehr gegangen ist, weil er keine an- (Beifall bei der LINKEN) dere Arbeit gefunden hat. Die richtigen Maßnahmen im Interesse sowohl der (Christoph Schnurr [FDP]: Was soll das denn Soldaten als auch der vielen jungen perspektivlosen jetzt?) Menschen lauten: nicht Kriegseinsätze, sondern Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan, ein Ende der Ausland- Das ist aber kein spezifisch ostdeutsches Problem. seinsätze und ein Programm, das ausreichend zivile Aus- Von 328 Hamburgern, die Anfang 2007 ihren freiwilli- bildung und Arbeitsplätze schafft. Das ist die Perspek- gen Dienst antraten, waren 107 zuvor arbeitslos. Sie tive, für die die Linke steht. meldeten sich freiwillig und sahen die Bundeswehr als Sprungbrett, das sie aus der eigenen Misere herauskata- (Beifall bei der LINKEN – Christoph Schnurr pultiert. Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bun- [FDP]: Thema verfehlt!) deswehr stellt fest – ich zitiere –: Je höher die Arbeitslosigkeit, desto größer ist das Präsident Dr. Norbert Lammert: Interesse an einer beruflichen Tätigkeit bei der Ich erteile das Wort der Kollegin Agnes Malczak für Bundeswehr. die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Verteidigungsministerium will nun – ich zitiere – „künftig verstärkt auch junge Menschen mit unterdurch- Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): schnittlicher schulischer Bildung beziehungsweise ohne Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Eine Schulabschluss personalwerblich“ ansprechen. Sie zie- Frage der Ehre“: So wirbt das Wachbataillon der Bun- len besonders auf Soldaten für Auslandseinsätze und be- deswehr in Berlin in der U-Bahn um Nachwuchs. In der sonders auf untere Dienstgrade im Heer. In zunehmen- Tat, mit der Aussetzung der Wehrpflicht ist eine ent- dem Maße bekommen wir amerikanische Verhältnisse. scheidende Frage verbunden: Wer kommt zukünftig zur Im Klartext heißt das: Die Armen werden zum Kanonen- Bundeswehr – sind es die Menschen mit dem Charakter futter. Diese Entwicklung machen wir nicht mit. und den Fähigkeiten, die wir uns dort wünschen? Mit der Antwort auf diese Frage wird die Bundeswehrreform, (Beifall bei der LINKEN) deren zentraler Baustein die Aussetzung der Wehrpflicht ist, scheitern oder gelingen. (B) Glücklicherweise lehnen rund 80 Prozent der Men- (D) schen in Deutschland die deutsche Beteiligung am Krieg Um diese Herausforderung zu bewältigen, müssen die in Afghanistan ab. Um trotzdem genügend Rekruten für Menschen in der Bundeswehr ihrem Dienstherrn aber den Krieg zu finden, unternimmt die Bundesregierung vertrauen können. Sie müssen glauben können, dass er große Anstrengungen. Die Bundeswehr schließt Abkom- weiß, was er tut, und dass er zu dem steht, was er sagt. men mit Arbeitsagenturen und richtet dauerhafte Vertre- tungen in Jobcentern ein. Gestern wurde im Verteidi- Herr Minister zu Guttenberg, wie die Menschen Ihnen gungsausschuss eine großangelegte Werbekampagne in jetzt noch vertrauen sollen, weiß ich wirklich nicht. sogenannten jugendaffinen Medien angekündigt. Ge- (Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ nannt wurden unter anderem Jugendsender, die Bild und CSU]: Wir wissen das!) www.bild.de. Was Sie gestern hier abgeliefert haben, war alles andere Die Bundeswehr setzt außerdem fast 100 hauptamt- als eine Sache der Ehre. liche und 300 nebenamtliche sogenannte Jugendoffiziere ein. Diese haben im Jahr 2009 in über 4 000 Vorträgen Im System Guttenberg hat eine Aussage wenig Wert. weit mehr als 100 000 Schüler angesprochen. Mittler- Sie sagen selbst: Ihre Maßstäbe sind Klarheit und Wahr- weile haben die Wehrbereichskommandos in sieben heit. Allerdings hat Ihre Klarheit ein sehr begrenztes Bundesländern Abkommen mit den Kultusministerien Haltbarkeitsdatum, und Ihre Wahrheit von heute ist Ihre abgeschlossen, die den Zugang der Jugendoffiziere zu Unwahrheit von morgen. den Schulen ermöglichen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Markus Grübel [CDU/CSU]: Sehr gut!) sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Bundeswehr druckt Unterrichtsmaterialien und bie- Im System Guttenberg war ein Tanklasterbombarde- tet Seminare für Lehrpersonal an. Die Zahl der teilneh- ment an dem einen Tag unvermeidlich und am anderen menden Referendarinnen und Referendare wuchs von 50 Tag ein Fehler. im Jahr 2003 auf über 1 000 im Jahr 2009. (Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ Der hier von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf CSU]: Zur Sache!) des Wehrrechtsänderungsgesetzes sieht vor, dass die Kreiswehrersatzämter zu Rekrutierungsbüros umfunk- Der Kapitän der „Gorch Fock“ wird an dem einen Tag tioniert werden sollen. Sie sollen alle Personen anschrei- nicht vorverurteilt, am nächsten entpflichtet und am ben, die in einem Jahr 18 Jahre alt werden, um ihnen die übernächsten aus Fürsorge beschützt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10433

Agnes Malczak (A) An dem einen Tag sparen Sie durch die Bundeswehr- Sie mit der Wehrdienstverkürzung auf sechs Monate ein (C) reform Milliarden; am anderen Tag brauchen Sie zusätz- Jahr verplempert. Diese Zeit fehlt Ihnen heute. liche Milliarden, um die Reform durchführen zu können. Lieber Herr Gabriel, die Reform zu verschieben, kann Im System Guttenberg halten Sie an dem einen Tag an auch keine Lösung sein; denn sie kommt eher zu spät als der Wehrpflicht fest und schaffen sie am nächsten Tag zu früh. ab. Bei dem gesamten Umbauprozess haben Sie, Herr (Birgit Homburger [FDP]: Aussetzen!) Minister, das Pferd von hinten aufgezäumt. Wenn man Das Wort gilt im System Guttenberg nichts. Stattdes- einen grundlegenden Wandel vornimmt, sagt einem doch sen gilt das Vorrecht des Verteidigungsministers, einen der gesunde Menschenverstand, dass man zuallererst Betrug zu begehen, ohne die Konsequenzen zu tragen. überlegen muss, welches Ziel man erreichen will. Der Schneiderhan, Wichert, Schatz: Bei anderen sind Sie gesamte bisherige Prozess der Bundeswehrreform folgt sehr schnell dabei, Konsequenzen zu ziehen, nur bei sich keiner Logik. Wenn Sie logisch und überlegt vorgegan- selbst nicht. gen wären, hätten Sie zuallererst die Frage beantwortet, welche Aufgaben und Grenzen das Militärische in der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands zukünftig wie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der haben soll. Doch diese Frage haben Sie sich nicht einmal FDP: Hier geht es um etwas ganz anderes! – gestellt. Damit machen Sie den zweiten Schritt vor dem Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: ersten. Themawechsel!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sie kleben bis zur maßlosen Selbsterniedrigung an Ih- sowie bei Abgeordneten der SPD) rem Amt. Ihr Schauspiel seit dem letzten Mittwoch war ziellos und würdelos. Für mich war der vorläufige Gipfel Ein weiterer Schritt eines solchen Reformprozesses der Unverschämtheiten gestern erreicht, als Sie Ihren ist die Frage der Kosten und der verfügbaren Finanzmit- Umgang mit Fehlern noch als Vorbild verkaufen woll- tel. Ganz Musterknabe haben Sie bei den Verhandlungen ten. über das Sparpotenzial bei der Bundeswehr vollmundig Einsparungen in Höhe von rund 8 Milliarden Euro in (Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ den nächsten Jahren versprochen. Nun fordern Sie sogar CSU]: Wehrdienst!) mehr Geld für die Bundeswehrreform, können aber auch auf wiederholte Nachfragen nicht sagen, wie viel genau. Präsident Dr. Norbert Lammert: Der letzte Schritt einer solchen Reform ist die Umset- (B) Frau Kollegin, ich muss Sie darauf aufmerksam ma- zung. Mit dieser haben Sie jetzt allerdings schon begon- (D) chen, dass wir heute einen anderen Tagesordnungspunkt nen, noch ehe das Gesetz das Parlament überhaupt er- behandeln. reicht hat. Um Ihre volltönenden Ankündigungen wahr zu machen, musste die Aussetzung der Wehrpflicht nun (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und im Hauruckverfahren erfolgen. Im Dezember haben Sie, der FDP) Herr Verteidigungsminister, bereits die Anweisung er- teilt, wonach in dieser Woche die letzten Wehrpflichti- Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gen ihren Dienst angetreten haben. Ich komme noch darauf zu sprechen, warum das mit- An dieser Stelle möchte ich allen jungen Menschen einander zusammenhängt. Der Minister hat beschlossen, danken, sowohl denen, die in den letzten Jahrzehnten es auszusitzen; dann muss das jetzt auch ausgehalten Wehrdienst und Zivildienst geleistet haben, als auch den werden. vielen, die sich für ein Freiwilliges Soziales, Ökologi- Wie sollen Ihnen die Menschen in der Bundeswehr sches oder Kulturelles Jahr entschieden haben. noch vertrauen? Wie sollen sie Ihnen noch folgen? Dass (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Wehrpflichtarmee sicherheitspolitisch die falsche sowie bei Abgeordneten der SPD) Wehrform ist, war nämlich schon lange klar. Seit Jahren fordern wir Grünen die Abschaffung der Wehrpflicht Doch selbst mit dem Gesetzentwurf, den Sie vorge- und die Einführung eines freiwilligen Wehrdienstes. legt haben, sind noch lange nicht alle Herausforderungen Auch hier haben Sie abgekupfert. Aber anders als bei Ih- rund um die Aussetzung der Wehrpflicht geregelt. Von rer Doktorarbeit kritisieren wir Sie hier nicht für die der Nachwuchsgewinnung über die Ausbildung bis zur Aussetzung der Wehrpflicht, wohl aber für die Umset- Verwendung der freiwilligen Wehrdienstleistenden sind zung. noch unzählige Fragen offen, die beantwortet werden müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Unzählige Beispiele zeigen, dass nicht nur das Wort des Herrn Doktor zu Guttenberg, sondern auch das Wort Ihre Einsicht in die Notwendigkeit, die Wehrpflicht des Verteidigungsministers zu Guttenberg nichts wert abzuschaffen, beruht eben nicht auf sicherheitspoliti- ist, zum Schaden für die Bundeswehr, die bis heute nicht schen Überlegungen. Ihre Entscheidung für die Freiwil- weiß, ob all Ihre großartigen Vorschläge überhaupt nur ligenarmee ist keine aus Überzeugung, sondern eine aus im Ansatz finanzierbar sind und ob Sie diese auch mor- Geldnot. Statt von Anfang an das Richtige zu tun, haben gen noch vertreten. 10434 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Agnes Malczak (A) In den vergangenen Tagen wurde aus den Reihen der Menschen haben durch den Wehrdienst einen unmittel- (C) Union immer wieder gesagt, Sie würden Ihr Amt als Ver- baren Eindruck von der Bundeswehr gewinnen können teidigungsminister so gut führen, dass man Ihnen persön- und sind nicht auf die oft verzerrten Darstellungen in den liche Verfehlungen nachsehen müsse. Die derzeit größte Medien angewiesen, die von extremen Einzelfällen be- Herausforderung für die Bundeswehr – die Reform eben- richten. Aber auch viele Mütter, die Olivzeug und Fleck- dieser – ist nur ein Beispiel dafür, dass diese Verteidi- tarn gewaschen haben, und viele Freundinnen, die am gungslinie – verzeihen Sie mir das Zitat – „abstrus“ ist. Wochenende gewartet haben, haben sich eng mit der Bundeswehr verbunden. Ich möchte allen, die Wehr- Herr Verteidigungsminister zu Guttenberg, Sie sind dienst geleistet haben, und auch allen Familienangehöri- ein Pfuscher. Sie haben nicht nur bei Ihrer Doktorarbeit gen ganz herzlich dafür danken. gepfuscht. Sie sind gerade dabei, die Aussetzung der Wehrpflicht und die ganze Bundeswehrreform zu ver- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie pfuschen. des Abg. Dr. Hans-Peter Bartels [SPD]) Vielen Dank. Wenn wir uns nun von dieser langjährigen und be- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN währten Institution trennen, macht sich Wehmut breit bei und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der vielen in Deutschland, aber zu meiner Überraschung LINKEN) auch bei der taz; von ihr hätte ich es am wenigsten er- wartet. Die taz hat in einem Bericht geschrieben, die Wehrpflicht sei ein Mittel gegen schlechten Korpsgeist Präsident Dr. Norbert Lammert: und Abschottung; von daher sei die Aussetzung zu be- Nächster Redner ist der Kollege Markus Grübel für dauern. Das ist sicherlich berechtigt, weil sich der Wehr- die CDU/CSU-Fraktion. dienst, den ich übrigens nicht als Zwangsdienst, Frau (Beifall bei der CDU/CSU) Buchholz, sondern als Pflichtdienst bezeichnen würde, in der Vergangenheit zweifellos bewährt hat. Aber ge- Markus Grübel (CDU/CSU): rade das Bewährte des Wehrdienstes bzw. der Wehr- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- pflicht wollen wir behalten: den Staatsbürger in Uni- nen und Kollegen! Wir haben im Grunde über eine Viel- form, das Prinzip der Inneren Führung, die Offenheit der zahl von Themen zu diskutieren, die alle miteinander ver- Bundeswehr für alle gesellschaftlichen Schichten und bunden sind: die Diskussion über die Sicherheitspolitik die verantwortungsvollen Entscheidungen über Einsätze Deutschlands in Fortsetzung des Weißbuches 2006, die im Ausland. Priorisierung der Rüstungsvorhaben, die Konsolidierung Art. 12 a des Grundgesetzes schränkt die Grundrechte (B) des Bundeshaushalts, die Strukturreform der Bundeswehr ein. Das bedarf einer starken Begründung. Wir können (D) und die Standortentscheidungen. Heute stehen auf unse- feststellen, dass die Gründe, die vor rund 200 Jahren rer Tagesordnung zwei Gesetzentwürfe, die vor allem für die preußischen Heeresreformer um Scharnhorst und junge Menschen in unserem Land und ihr Verhältnis zur Gneisenau dazu bewogen haben, eine allgemeine Wehr- Gesellschaft eine ganz neue Chance darstellen: das Wehr- pflicht einzuführen, und die Gründe, die vor rund 50 Jah- rechtsänderungsgesetz und das Gesetz zur Einführung ei- ren zur Wiedereinführung der Wehrpflicht geführt ha- nes Bundesfreiwilligendienstes. Zu all dem haben Sie ben, heute so nicht mehr vorliegen. Die Bedrohungslage wenig gesagt, Herr Gabriel und Frau Malczak. hat sich geändert. Mittlerweile haben wir es verstärkt mit (Agnes Malczak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Einsätzen zur internationalen Krisen- und Konfliktbe- NEN]: Wir sagen schon seit mehreren Jahren wältigung und einem neuen Typus militärischer Aufga- was dazu!) ben zu tun. Europa ist enger zusammengewachsen. Erb- feinde gibt es nicht mehr. Zum ersten Mal in unserer Sie sind stillos und haben heute einfach das Thema ver- Geschichte sind wir nur von Freunden und Verbündeten fehlt. als Nachbarn umgeben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Inge Höger [DIE LINKE]: Dann brauchen Zurück zum eigentlichen Thema. Soldatin oder wir ja die Bundeswehr nicht mehr!) soll künftig nur werden, wer sich freiwillig dafür ent- Für uns bleibt der Grundsatz der wehrhaften Demo- scheidet. Ergänzend dazu wollen wir mit dem Bundes- kratie, unabhängig von der Wehrform. Es bleibt auch die freiwilligendienst eine weitere Möglichkeit schaffen, Verantwortung der ganzen Gesellschaft für die Sicher- sich für das Gemeinwohl zu engagieren. Es gab noch nie heit unseres Landes und den Frieden in der Welt. Dies so viel Freiwilligkeit in Deutschland. Die Aussetzung kann nicht auf einige wenige delegiert werden. Die Wahl der Wehrpflicht ist für viele von uns, insbesondere in der zwischen den verschiedenen Wehrformen, also die Wahl CDU/CSU, eine schwierige, wenn nicht gar schmerz- zwischen Wehrpflichtarmee und Freiwilligenarmee, ist hafte Entscheidung gewesen. Ich selbst habe wie viele eine staatspolitische Ermessensentscheidung, bei der der andere hier im Haus Wehrdienst geleistet, und zwar aus Gesetzgeber neben sicherheits- und verteidigungspoliti- Gewissensgründen. Die Wehrpflicht hat sich bewährt. schen Aspekten haushalts-, wirtschafts- und gesell- Das Bild des Staatsbürgers in Uniform wird mit einer schaftspolitische Gesichtspunkte einbeziehen muss. Wehrpflicht gut deutlich. Arme und reiche, gebildete und bildungsferne Menschen mit und ohne Migrations- Außerdem geht es heute – viele Vorredner haben dar- erfahrung leisten gemeinsam Wehrdienst. Viele junge auf hingewiesen – nicht um die Abschaffung, sondern Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10435

Markus Grübel (A) um die Aussetzung der Wehrpflicht. Der Blick in die Ge- (Sigmar Gabriel [SPD]: Herr Kollege, kom- (C) schichte, auch in die unseres Landes, zeigt, wie schnell men Sie aus der Nähe von Stuttgart? Kann das sich die sicherheitspolitische Lage ändern kann; das gilt sein?) auch für gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Darum – Herr Gabriel, es ist richtig: Ich komme aus einem Bal- kommt es zu einer Aussetzung und nicht zu einer Ab- lungsraum in der Nähe von Stuttgart. schaffung der Wehrpflicht. Ebenso wie Art. 12 a Grund- gesetz bleibt das Wehrpflichtgesetz als solches bestehen (Sigmar Gabriel [SPD]: Okay!) und garantiert damit die Rekonstitutionsfähigkeit der Aber die drei Standorte in meinem Wahlkreis und auch Wehrpflicht. sämtliche Standorte in allen umliegenden Wahlkreisen Zwei Wege ermöglichen, den Wehrdienst als Pflicht- sind im Grunde längst aufgelöst. dienst wieder einzuführen: automatisch bei Feststellung (Sigmar Gabriel [SPD]: Das war eine reine In- des Spannungs- oder Verteidigungsfalls und einfachge- teressenfrage, kein Vorwurf, Herr Kollege!) setzlich, wenn das heutige Gesetz wieder abgeändert wird, zum Beispiel, wenn die Bundeswehr ihren Bedarf Daher habe ich hier keine eigenen Interessen. nicht anders decken kann. Eine wichtige Herausforde- Ich komme zum Schluss. Liebe Kolleginnen und Kol- rung wird sein, dass wir viele junge Menschen für eine legen, das Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 ist Teil einer Laufbahn bei der Bundeswehr gewinnen. Dabei müssen umfassenden Reform der Bundeswehr, deren Ziel es ist, wir die geeignetsten Bewerber auswählen können. Diese dafür zu sorgen, dass unsere Bundeswehr ihre Aufgaben Aufgabe ist und wird nicht einfach. Wichtig sind die künftig gut erfüllen kann. richtigen ideellen und materiellen Anreize. Herzlichen Dank. Das Maßnahmenpaket – 82 Maßnahmen! – zur Stei- gerung der Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wurde bereits ausgearbeitet. Herr Gabriel, ich werfe Ih- nen nicht vor, dass Sie diese Details vielleicht nicht ken- Präsident Dr. Norbert Lammert: nen. Ulrich Meßmer ist der nächste Redner für die SPD- (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Fraktion. Eine Mischung aus Ahnungslosigkeit und (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Bösartigkeit!) Ich unterstreiche: Es gibt bereits 82 Maßnahmen, durch Ullrich Meßmer (SPD): (B) die die Attraktivität der Bundeswehr gesteigert werden Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kolle- (D) kann. gin Hoff, ich will deutlich sagen: Vertrauen herstellen ist ja wohl etwas, was man – nicht nur in dieser Situation – (Kirsten Lühmann [SPD]: Die nicht finanziert nicht in erster Linie von der Opposition fordern kann; sind!) vielmehr ist das Herstellen von Vertrauen in die Hand- Dieses Maßnahmenpaket muss nun priorisiert und in der lungsfähigkeit einer Regierung zuallererst Aufgabe der Tat finanziell unterlegt werden. Regierung und der beteiligten Personen. Wir äußern hier die Sorge darüber, ob dies in Zukunft gegenüber den Damit die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiv ist, Soldatinnen und Soldaten noch gewährleistet werden braucht es interessante Arbeitsplätze mit vielfältigen kann, vor allen Dingen aber gegenüber einer jungen Ge- Fortbildungsmöglichkeiten und Qualifizierungen, die neration, für die der Dienst in der Bundeswehr auch auch zivil genutzt werden können. Auch soziale Rah- dank der in Angriff genommenen Gesetzesvorhaben at- menbedingungen sind für die Attraktivität eines Berufs traktiv werden soll. entscheidend. Dazu zählen die Vereinbarkeit von Dienst und Familie, die Kinderbetreuung, anständige Rahmen- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten bedingungen für Fernpendler, auch richtige Standortent- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) scheidungen. Aus strukturpolitischen Gesichtspunkten Wir haben daran einige Zweifel. wird oft auf die Standorte im ländlichen Raum verwie- sen. Wir brauchen aber auch Standorte in Ballungsräu- Eines möchte ich gleich klarstellen: Die Soldatinnen men. Für viele Soldatinnen und Soldaten und ihre Ange- und Soldaten im Einsatz werden sich auch in Zukunft hörigen ist es wichtig, in einem Ballungsraum stationiert darauf verlassen können, dass wir das, was für den Ein- zu sein, weil dort zum Beispiel der Ehemann oder die satz erforderlich ist, mittragen. Das war in der Vergan- Ehefrau die Möglichkeit hat, berufstätig zu sein, weil genheit so. Das war nicht nur das Verdienst des jetzigen Kinder dort zur Schule gehen können etc. Ministers, bei dem man nicht weiß, wie lange er noch Minister ist, sondern das war auch das Verdienst dieses Neben einer erfolgreichen Personalgewinnung ist die Parlaments. Wir werden dafür sorgen, dass dies auch in Bundeswehr auch in Zukunft auf die Reservisten ange- Zukunft der Fall sein wird. wiesen. Wichtig ist daher, dass wir zukünftig stärker das (Beifall bei der SPD) Potenzial der Reservisten ausschöpfen. Die Aufforde- rung des Reservistenverbandes „Tu was für dein Land!“ Zweite Bemerkung: Mit Blick auf den notwendigen möchte ich ergänzen: Tu etwas für dein Land, tu etwas Konsens hinsichtlich des Systems der Freiwilligkeit und für dich – als Freiwilliger! auf die Frage, wie man das Modell bekannt machen 10436 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Ullrich Meßmer (A) kann, reicht es nicht, allein auf die Initiative „Tu was für Joachim Spatz (FDP): (C) dein Land!“ und auch darauf hinzuweisen, dass man das Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kolle- als Parlament gemeinsam machen will. Wir vermissen gen! Zunächst einmal sind wir froh darüber, dass eine Aussagen dazu, wie die Opposition dort konkret einge- über zehn Jahre alte Forderung der FDP, nämlich die bunden werden soll. Aussetzung der Wehrpflicht, jetzt endlich realisiert wer- den kann. Wir haben mehrfach angeregt und gefordert – auch ich habe das von dieser Stelle aus schon getan –, einen (Beifall bei der FDP) Unterausschuss „Attraktivität der Bundeswehr“ und ei- nen Unterausschuss „Strukturreform der Bundeswehr“ Wir haben sehr viel Verständnis dafür, dass sich der eine einzurichten. Das ist ignoriert worden. Ich weiß nicht, oder andere damit schwergetan hat; denn die Wehr- warum, aber es ist ignoriert worden. pflicht hat in der Zeit, in der sie gegolten hat, in Deutschland und auch in weiten Teilen Europas ihren Es reicht nicht aus, sich hinsichtlich der Freiwilligkeit Dienst für die Sicherheit, aber auch für die gesellschaft- darauf zu berufen, dass man einen Teil der Vorschläge liche Kohärenz in den Ländern geleistet. der SPD dankenswerterweise in die 82 Punkte aufge- nommen hat, die angesprochen worden sind. Ich meine Es besteht die Gefahr, dass mit dem Wegfall dieses vielmehr, wir hätten ein Recht darauf, darüber zu disku- Pflichtdienstes der Pflichtgedanke überhaupt infrage tieren und dies insgesamt zu gewichten. steht. Deshalb ist es wichtig, dass wir eine Kultur der Freiwilligkeit befördern, wie es unter anderem vom Letzter Punkt: Das System der Freiwilligkeit wird Bundeswehrverband, aber auch von weiten Teilen der ohne finanzielle Unterfütterung langfristig nicht funktio- sozialen und ökologischen Verbände und Einrichtungen nieren. Wir bleiben dabei – mein Kollege Gabriel hat ge- zum Ausdruck gebracht worden ist. rade schon darauf hingewiesen –: Wenn eine Armee im Wettstreit mit anderen Einrichtungen und Betrieben at- Es hat Zeit gebraucht, Frau Malczak, jeden mitzuneh- traktiv für junge Menschen bleiben will, dann ist es not- men; das ist richtig. Aber ich halte das für keine ver- wendig, glaubwürdig deutlich zu machen, was der geudete Zeit. Im Gegenteil: Wenn wir es schaffen – wir Dienst in der Bundeswehr für junge Menschen und deren haben es bereits geschafft –, dass sehr viele gesellschaft- Familien bedeutet, und die Maßnahmen entsprechend fi- liche und parlamentarische Kräfte diesen Umbau jetzt nanziell zu unterlegen. gestalten, dann ist das ein Fortschritt und kein Rück- schritt. Es wird denjenigen helfen, die in der Bundes- Ich prophezeie schon an dieser Stelle, dass es sich mit wehr davon betroffen sein werden. den Ankündigungen zum Sparhaushalt wahrscheinlich (B) genauso wie mit dem Doktortitel verhält: Das Sparziel in (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (D) Höhe von 8,3 Milliarden Euro wird zwar groß angekün- der CDU/CSU) digt, aber dann verabschiedet man sich Schritt für Schritt Genauso wird es – das möchte ich gerade in Ihre Rich- davon. tung, Frau Malczak und Herr Gabriel, sagen – in einer Ich sage schon jetzt: Wer nicht daran denkt, dass auch Debatte um den Bundesminister helfen, in der die Oppo- ein Freiwilligendienst eine Anschubfinanzierung braucht sition natürlich das Recht hat, Fragen zu stellen. Wenn – wir rechnen mit einer Größenordnung von 1 Milliarde wir in der Auseinandersetzung einen Stil pflegen, der Euro –, und das im Haushalt nicht abbildet, der wird dem, was wir wollen, nämlich die Attraktivität zu stei- auch in dieser Frage ein Desaster erleben. Wir möchten gern, nicht Hohn spricht, dann können Sie Ihre Fragen das vermeiden. stellen Wir bieten abschließend an, darüber zu reden, was (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sinnvoll und notwendig ist. Das bedeutet aber auch – Herr NEN]: Danke! – Sigmar Gabriel [SPD]: Und Minister Schäuble ist gerade hier –, dass sich das im der Minister kann lügen, wie er möchte?) Haushalt wiederfinden muss. Wir können den Soldaten und Ihre Diskussionsbeiträge machen, wie Sie das und den jungen Menschen nicht sagen: „Wir tun etwas möchten, allerdings in einer Art und Weise, die der Be- für euch“, und gleichzeitig darauf hinweisen, dass wir deutung des Themas gerecht wird, das heute Morgen auf kein Geld haben. Das wird nicht funktionieren, und der Tagesordnung steht, nämlich der größte Umbau in schon gar nicht mit Sozialdemokraten. der Geschichte der Bundeswehr. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Wir der CDU/CSU) tun schon etwas durch das Aussetzen der Wehrpflicht!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollegen Beck? Nächster Redner ist der Kollege Joachim Spatz für die FDP-Fraktion. Joachim Spatz (FDP): (Beifall bei der FDP) Ja, gerne. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10437

(A) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): rechnen, was wir vermeintlich an militärischer Sicher- (C) Wenn ich mich in den Reihen der Koalition um- heit gewinnen. Deshalb gibt es in ganzheitlichem Sinne schaue, könnte man glatt meinen, dass das nicht die keine Sicherheit nach Kassenlage. größte Reform ist, die im Bereich des Bundesministers Was die Bundeswehr im Einsatz benötigt und was wir der Verteidigung stattfindet. für die Attraktivitätssteigerung brauchen, wird sicher (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch von der Regierung und den Parteien der Koalition sowie bei Abgeordneten der SPD) zur Verfügung gestellt werden. Wie interpretieren Sie das als Koalitionsabgeordnete? Ist Danke schön. das ein Signal, dass sich die Koalition eigentlich bereits (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – vom Verteidigungsminister verabschiedet hat? Im Ple- Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] num hat sie es bereits getan. Wir würden im Moment [CDU/CSU]: Guter Mann!) jede Abstimmung gewinnen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Präsident Dr. Norbert Lammert: SES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin Das Wort erhält nun der Kollege Paul Schäfer für die [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abstimmung Fraktion Die Linke. mit den Füßen!) (Beifall bei der LINKEN) Joachim Spatz (FDP): Herr Kollege Beck, ich verstehe, dass Sie sofort ver- Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): suchen, Ihre Schlüsse zu ziehen. Ich bedauere wirklich, Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- dass bei der Fachdebatte heute in allen Parteien – auch ren! Der Minister der Verteidigung hat im März vergan- bei Ihnen – weniger Kollegen anwesend sind, als das genen Jahres gesagt: „Mit mir ist eine Abschaffung der gestern der Fall war. Wehrpflicht nicht zu machen.“ Im Mai letzten Jahres hat er noch einmal begründet, warum die Wehrpflicht si- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten cherheitspolitisch notwendig ist. Im November hat er der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜND- dann dargelegt, warum sie sicherheitspolitisch nicht NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind in der glei- mehr begründbar ist. chen Mannschaftsstärke da! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Frage lautet also: Was hat sich sicherheitspoli- tisch zwischen Mai und November letzten Jahres verän- Wenn wir in Bezug auf die Bundeswehr vom Einsatz her dert? Die Antwort lautet: Nichts. Es hat allerdings etwas (D) (B) denken, müssen wir auch von den Soldaten her denken. anderes gegeben, und zwar die Euro-Krise und den Deshalb ist das Thema „Attraktivitätssteigerung“ mit zweiten Teil des Bankenrettungspakets. Dies ging mas- den 82 vorgelegten Punkten ein richtiger Ansatz. siv zulasten der öffentlichen Kassen. Es war der stumme Zwei Themen will ich allerdings noch ansprechen, die Zwang des allzu knappen Geldes, das Sie zu Eingeständ- in der Debatte eine Rolle spielen und die der Klarstel- nissen geführt hat, die man aus ideologischen Gründen lung bedürfen: Erstens. Das Argument „Leichter einsetz- lange abgeblockt hat. Das geschah leider zulasten Zehn- bar, weil keine Wehrpflichtarmee“ trägt überhaupt nicht. tausender junger Männer, die den Dienst an der Waffe Der Bundestag wird auch in Zukunft bei jeder Entschei- nicht enthusiastisch geleistet haben. dung sehr genau darauf achten, wo, in welchem Umfang (Birgit Homburger [FDP]: Völliger Unsinn! und mit welchen Einsatzregeln die Bundeswehr einge- Das sind Bürgschaften!) setzt wird. Alles andere ist nicht möglich; wir werden keine Freiwilligen bekommen, die sich für irgendwelche „Sicherheitspolitisch nicht mehr zu begründen“ be- politischen Abenteuer zur Verfügung stellen. deutet, dass es keine direkte militärische Bedrohung Deutschlands gibt, und das auf absehbare Zeit. Das sa- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gen Sie selber. Es handelt sich um Zeiträume von deut- Was denn für politische Abenteuer?) lich mehr als fünf Jahren. Man hätte die Sache aber Zweitens. Das Thema „Sparen“: Es ist wohlfeil von gleich konsequent anpacken müssen. Das heißt: Die der Opposition, mehr Geld zu fordern. Lassen Sie sich Wehrpflicht abschaffen statt sie nur auszusetzen. aber gesagt sein: Wenn Sie das Thema „Ganzheitliche (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Jür- Sicherheit“ ernst nehmen, dann wird Ihnen nicht entgan- gen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gen sein, dass wir auch Geld brauchen, um zivile Kapa- und Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zitäten aufzubauen. Dann wird Ihnen auch nicht entgan- NEN]) gen sein, dass wir gerade in Nordafrika wirtschaftlich gefragt sein werden, um auf zivile Art und Weise Stabili- Die Frage ist jetzt: Was kommt danach? Das fragen tät zu erzeugen. sich auch Tausende junger Männer und Frauen, die jetzt zum Glück anfangen können, zu studieren. Sie fragen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten sich: Sind entsprechende Vorkehrungen an den Hoch- der CDU/CSU) schulen getroffen worden? Aber da passiert nichts. Hier Wenn Sie die Situation ganzheitlich sehen, dann können müsste viel mehr investiert werden, um entsprechende Sie nicht einfach die Einsparungsziele gegen das auf- Bedingungen zu schaffen. Das tun Sie aber nicht. Das 10438 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Paul Schäfer (Köln) (A) nenne ich chaotische Politik. Das hat mit Stringenz ter. Denn wer sagt, die Sicherung der Rohstoffquellen sei (C) nichts zu tun. auch unter militärischen Gesichtspunkten zu sehen, und wer der Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen notfalls (Beifall bei der LINKEN) mit militärischer Gewalt das Wort redet, der verwechselt Sie wollen jetzt den Zwangsdienst Wehrpflicht durch offensichtlich das Jahr 2011 mit 1911. Aber dahin wol- einen sogenannten freiwilligen Militärdienst ersetzen. len wir nicht zurück. Wenn man sich das näher anschaut, stellt man fest, dass (Beifall bei der LINKEN) sich dieser nicht so sehr von dem derzeit schon bestehen- den Institut der freiwillig länger dienenden Rekruten un- Wenn schon, dann wollen wir höchstens zurück zu einer terscheidet. Die neuen Freiwilligen sollen nur ein biss- Kultur strikter Zurückhaltung und zu einer Bundeswehr, chen mehr Geld bekommen und müssen noch nicht an die sich strikt am Zweck der Verteidigung orientiert. Ein den Militäreinsätzen im Ausland teilnehmen. solcher Kurswechsel ist angesagt, nicht Ihre Bundes- wehrreform! Was an dieser neuen Konstruktion stört, ist, da es sich ja doch um eine Vorentscheidung für den Soldatenberuf Danke. handelt, dass Sie dieses jetzt mit dem ehrenamtlichen freiwilligen Engagement junger Menschen assoziieren (Beifall bei der LINKEN) bzw. verknüpfen. Hinzu kommt wohl noch, dass das noch ein bisschen patriotisch verklärt wird. Aber dass es Präsident Dr. Norbert Lammert: sich eigentlich um etwas anderes handelt, wird daran Der Kollege Jürgen Trittin ist der nächste Redner für deutlich, dass es keine Gleichstellung mit dem Freiwilli- die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. gen Sozialen Jahr oder dem Freiwilligen Ökologischen Jahr gibt. Diejenigen, die ein FSJ oder ein FÖJ machen, Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): bekommen roundabout 400 Euro als Kostenerstattung Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehöre und Taschengeld. Der anderen Gruppe wollen Sie zu denen, die in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts 1 100 Euro zahlen. Und wieso darf der Bundesminister das zweifelhafte Vergnügen hatten, auch wenn das le- der Verteidigung alle, die bald die Volljährigkeit errei- bensgeschichtlich durchaus eine Bereicherung war, so- chen, anschreiben und zur Musterung einladen, die Fa- wohl ein halbes Jahr in der Bundeswehr gedient wie milien- und Jugendministerin das aber nicht für die Frei- auch nach erfolgter Anerkennung als Kriegsdienstver- willigendienste tun? Das ist doch der Unterschied. Wenn weigerer meinen Zivildienst gemacht zu haben. man das schon so ins Gesetz schreibt, dann muss gelten: Gleiches Recht für alle. ( [SPD]: Kein Totalverweige- (B) rer!) (D) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wenn heute die Entscheidung getroffen wird, die Wehr- pflicht auszusetzen, kann ich dazu nur sagen: Eine sol- Dann brauchen wir gleiche Bezahlung und gleiche Ver- che Entscheidung kommt in meinen Augen zehn Jahre günstigungen. Daran werden wir Sie messen, ob Sie das zu spät. machen. (Zuruf von der FDP: Aber sie kommt wenigstens!) Ein Weiteres möchte ich noch klarstellen: Wir wollen – Sie werben ja jetzt viel –, dass Sie die Jugendlichen of- – Sie kommt wenigstens, aber sie kommt übrigens auch fen und ehrlich darüber informieren, was sie erwartet, nicht mutig. Mutig, Herr Minister zu Guttenberg, wäre damit sie sich mit Krieg und dessen Folgen auseinander- es gewesen, die Wehrpflicht tatsächlich abzuschaffen. setzen können und nicht nur mit dem Argument geködert (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – werden, es handle sich um einen spannenden Beruf in ei- Jörg van Essen [FDP]: Das wäre mutig, aber nem Hightech-Dienstleistungsunternehmen. Das wollen unsinnig und dumm!) wir nicht. Die Feststellung, die Sie getroffen haben, nämlich Sie bauen dieses Gesetz ja ein in die Neuausrichtung dass wir seit Jahren von Freunden umgeben sind, gilt im der Bundeswehr. Das ist gewissermaßen der erste Schritt Grunde genommen seit 1989. Sie haben 20 Jahre ge- dazu. Dazu können wir nur sagen: Die Gesamtrichtung braucht, aus dieser Erkenntnis Schlussfolgerungen zu stimmt nicht. Sie zäumen das Pferd von hinten auf. Sie ziehen. hätten mit einer seriösen Bilanz der bisherigen Ausland- seinsätze der Bundeswehr beginnen müssen, um daraus Angesichts der Tatsache, dass jetzt die Bundeswehr Schlüsse zu ziehen, ob wir uns künftig an solchen Mili- umgebaut werden soll, hätte diese Gesellschaft neben tärinterventionen beteiligen oder nicht. Dann wäre man den notwendigen Debatten darüber, was das an Geld möglicherweise darauf gekommen, dass Afghanistan, kostet und was das mit Blick auf Standorte an schmerz- und nicht nur Afghanistan, für künftige Bundeswehrein- haften Entscheidungen zur Folge hat, doch eigentlich sätze keine Blaupause sein kann und sein darf. eine große Debatte darüber verdient, zu welchem Zweck wir uns als Gesellschaft bewaffnete Streitkräfte in die- (Beifall bei der LINKEN) sem Lande halten. Neben der guten Nachricht, dass wir Sie aber wollen den Auftrag an die Truppe in der Hin- aus dem Zeitalter der Blockkonfrontation heraus sind, sicht nicht nur fortschreiben, sondern auch noch ver- gibt es auch eine unpopuläre Botschaft. Denn es ist so, schärfen. So habe ich Sie verstanden, Herr Bundesminis- dass auf diesem Globus weiterhin globale Risiken zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10439

Jürgen Trittin (A) Staatszerfall und zum Zerfall von Gesellschaften führen. Präsident Dr. Norbert Lammert: (C) Es ist daher eine der zwingendsten und dringendsten Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Hardt für die Aufgaben der Weltgemeinschaft, dieser Entwicklung CDU/CSU-Fraktion. entgegenzutreten. Bestandteil der Maßnahmen, dem ent- gegenzuwirken, ist zwar im Wesentlichen ein zunehmen- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) der Einsatz von zivilen Kräften, aber dazu gehört auch die Beteiligung von Militär. Jürgen Hardt (CDU/CSU): Die Botschaft, die Sie eigentlich aussenden müssen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wäre: Daran wird sich Deutschland leider auch künftig möchte an dieser Stelle die Gelegenheit ergreifen, we- beteiligen müssen. Dafür brauchen wir hochqualifizierte, nigstens einen Satz zu dem Thema zu sagen, von dem gut ausgebildete und gut ausgerüstete Soldatinnen und die Opposition meint, sie müsse es weiter strapazieren: Soldaten. – Das ist eine unpopuläre Botschaft. Da kann Getretener Quark wird breit, nicht stark. man, Herr Minister, auch einmal Mut beweisen. (Sigmar Gabriel [SPD]: Das stimmt! Das sehen Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an Ihrem Verteidigungsminister!) sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist wirklich schade, dass das wichtige Thema der Bundeswehrreform – das vorliegende Gesetz ist viel- Die Frage ist aber, ob Sie dazu überhaupt noch in der leicht das wichtigste Gesetz im Zusammenhang mit der Lage sind. Nimmt Ihnen angesichts des beispiellosen Bundeswehr, das wir in dieser Legislaturperiode verab- Schlingerkurses, den Sie in der Sache bei diversen Zwi- schieden – von Ihnen missbraucht wird, um eine Debatte schenfällen in der Bundeswehr, aber auch in der Frage zu führen, die eigentlich gestern, wie ich finde, ihren der Wehrpflicht an den Tag gelegt haben, überhaupt Abschluss gefunden hat. noch irgendjemand diese unpopuläre und schwierige Botschaft ab? (Widerspruch bei der SPD – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Britta Haßel- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das und bei der SPD) hätten Sie gern!) Es gibt allerdings – damit will ich schließen – Sie erweisen der Bundeswehr keinen guten Dienst, wenn (Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!) Sie auf diese Weise fortfahren. eine Konstante in Ihrem politischen Wirken. Sie haben Herr Gabriel, Sie haben dem Minister unterstellt, er (B) immer darauf geachtet, die Unterstützung der Bild-Zei- würde hier die Bundeswehrreform unstrukturiert darstel- (D) tung, der Bild am Sonntag und von Bild.de zu haben len. Ich kann nur feststellen, dass der Minister bei sei- nem Amtsantritt vor 15 Monaten gesagt hat: (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Sigmar Gabriel [SPD]: Der Minister ist Bunte nicht vergessen!) unstrukturiert!) – Nein, ich rede insbesondere von diesen dreien. – Sie ha- Ich werde innerhalb des Ministeriums eine Studie über ben heute Morgen unterschlagen, dass im Onlineforum die vorhandenen Reformbedürfnisse anfertigen lassen. – von Bild.de von den 640 000 Leuten, die abgestimmt ha- Diese Studie hat er fristgerecht vorgelegt. Das war das ben, 55 000 Ihren Rücktritt gefordert haben, Herr Minis- Wieker-Papier. Er hat dann gesagt: Wir bilden eine ex- ter. terne Kommission – das war die Weise-Kommission –, (Sigmar Gabriel [SPD]: 55 Prozent!) sie wird ihre Ergebnisse bis zum Herbst vorlegen. – Sie hat ihre sehr guten Ergebnisse im letzten Herbst vorge- Der Unterstützung dieser Zeitung konnten Sie sich im- legt. Dann hat er angekündigt, dass er bis Ende Januar mer sicher sein. einen Vorschlag für die Struktur des Ministeriums und der nachgeordneten Behörden vorlegen wird. Er hat uns Jetzt finde ich es hochinteressant, an wen die Auf- das Papier auf den Tag genau Ende Januar präsentiert. träge gehen sollen, mit denen um Freiwillige geworben Weiter hat er angekündigt, einen entsprechenden Attrak- werden soll, nämlich ausschließlich an Bild, BamS und tivitätskatalog für die Bundeswehr vorzulegen. Er liegt Bild.de. dem Verteidigungsausschuss seit 14 Tagen vor. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Sigmar Gabriel [SPD]: Es steht aber nichts und bei der SPD) drin!) Eine Bundeswehrreform, die auf einem schmutzigen Jetzt hat er angekündigt, zum 1. Juli ein Gesetz vorzule- Deal mit der Springerpresse beruht, wird und kann nicht gen, die Wehrpflicht auszusetzen. Sie sehen am Zeitplan, gelingen. dass das entsprechend möglich ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Burkhardt Müller-Sönksen Präsident Dr. Norbert Lammert: [FDP]: Das ist eine unglaubliche Unterstel- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der lung!) Kollegin Malczak? 10440 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Jürgen Hardt (CDU/CSU): des Bundestages all denen herzlichen Dank sagen, die (C) Bitte, Frau Malczak. Wehrdienst geleistet haben. Ich möchte auch ausdrück- lich denen Dank sagen, die im Zivildienst oder im zivi- Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): len Katastrophenschutz ihren Dienst geleistet haben. Das Herr Kollege Hardt, können Sie mir, wenn das alles war auch ein Pflichtdienst, aber es war keinesfalls ein so strukturiert abgelaufen ist, vielleicht noch mal erklä- Dienst, der nicht auch mit dem Herzen gemacht wurde. ren, was denn jetzt eigentlich der Sinn der Verkürzung Ich finde, es ist bei dieser Gelegenheit auch angemessen, des Wehrdienstes auf sechs Monate war und warum das das gleichermaßen zu würdigen. dann vor dem Papier der Weise-Kommission als Maß- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie nahme ergriffen wurde? bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE (Volker Kauder [CDU/CSU]: Kommen Sie GRÜNEN) nachher in mein Büro!) Was ist jetzt zu tun, damit der Übergang von der Das hat unheimlich viel gekostet. Es hat auch die Bun- Wehrpflicht zur Freiwilligenarmee gelingt? Erstens müs- deswehr sehr strapaziert, das jetzt so schnell umzuset- sen die Rahmenbedingungen für den Dienst in der Bun- zen. Vielleicht können Sie mir einfach noch mal den deswehr attraktiv gestaltet sein. Das gilt für Sold und Sinn erklären, warum man „W 6“ gemacht hat, um dann Prämien, es gilt aber auch für andere Faktoren wie die ein paar Monate später die Wehrpflicht auszusetzen. Vereinbarkeit von Familie und Dienst, die Frage der Laufbahnstrukturen und natürlich das weite Feld der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aus- und Weiterbildung in der Bundeswehr. und bei der SPD) Jeder Soldat, der länger in der Bundeswehr dient, Jürgen Hardt (CDU/CSU): sollte eine seiner Eignung und Neigung entsprechende, Das kann ich Ihnen genau sagen: Durch die Entschei- auch zivil nutzbare Ausbildung erhalten. Das fängt mit dung, auf „W 6“ zu gehen, gibt es für die Wehrdienst- dem Schulabschluss an und geht weiter bis zum Diplom leistenden zu den Einberufungsterminen, die jetzt zwi- oder Master für diejenigen, die sich als Offizier länger schen dieser Umstellung und der entsprechenden verpflichten. Ich glaube, die Bundeswehr hat hier bereits Aussetzung der Wehrpflicht liegen, mehr Wehrgerech- den richtigen Weg eingeschlagen. Ich finde all das, was tigkeit. in dem Attraktivitätssteigerungspapier zu diesen Punk- ten steht, richtig. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Zweitens geht es natürlich jetzt um die Gewinnung (B) NEN]: Eine Lachnummer!) von Personal für die Bundeswehr durch Herstellung von (D) Transparenz und Klarheit über die Rahmenbedingungen. Das war eines der gravierendsten Probleme. Ich glaube, Im Augenblick haben wir zwar bei den Zeit- und Berufs- dass es ein vernünftiger Schritt war, das so zu machen. soldaten eine zufriedenstellende Bewerberquote, aber Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das, was zum wir haben im Bereich der freiwillig Wehrdienstleisten- 1. Juli vorliegen wird – jetzt möchte ich zum Thema den deutlich weniger Neueinstellungen, als eingeplant kommen, nämlich zur Aussetzung der Wehrpflicht –, ei- war. Das ist im Augenblick noch kein akutes Problem, ner der entscheidendsten Schritte der Bundeswehrreform aber es geht darum, dass wir jetzt auch durch zügige Be- sein wird, weil es natürlich in Bezug auf die Gewinnung ratung des Gesetzentwurfes die Rahmenbedingungen so von Zeit- und Berufssoldaten sowie von freiwillig Wehr- klarmachen, dass jeder, der bei der Bundeswehr anfängt, dienstleistenden besondere neue Anforderungen an die auch weiß, was er davon hat. Bundeswehr stellt. Ich füge hinzu: Es ist wichtig, zu betonen, dass alle Zur Aussetzung der Wehrpflicht gibt es, wie ich finde, Leistungen, die wir mit diesem Gesetz beschließen wer- verfassungsrechtlich keine Alternative. Die einzig zuläs- den, auch auf diejenigen Anwendung finden, die sich be- sige Begründung, um die Wehrpflicht aufrechtzuerhal- reits heute zu einer Unterschrift entscheiden. Es wäre ten, wäre, dass die Wehrpflichtigen einen unverzichtba- wirklich schade, wenn junge Männer und Frauen allein ren Beitrag zur Verteidigung unseres Landes leisten. Das deshalb eine Verpflichtung bei der Bundeswehr nicht können wir heute in dieser Form nicht mehr nachweisen. eingehen, weil sie die Befürchtung haben, dass dann be- Sich auf den Aspekt zu stützen, dass es gesellschaftspo- stimmte Vergünstigungen möglicherweise bei ihnen litisch durchaus erwünscht ist, dass junge Menschen et- nicht Anwendung finden. was für unsere Gemeinschaft tun, ist eben verfassungs- Drittens. Es ist mindestens genauso wichtig, dass die rechtlich nicht haltbar. Dies schmerzt insbesondere viele Änderung der Wehrform zumindest in der Übergangs- von uns Christdemokraten. Diese Möglichkeit wollen phase nicht zum Nulltarif zu haben sein wird. Die Stei- wir durch die Einführung des Bundesfreiwilligendiens- gerung der Attraktivität der Bundeswehr kostet Geld, tes bzw. durch den Freiwilligendienst bei der Bundes- selbst wenn die Zahl der Soldaten deutlich abnehmen wehr erhalten. wird. Hier gilt das Wort von Minister und Bundeskanzle- In der Bundeswehr haben 8 427 288 Wehrpflichtige rin, dass die Zukunft leistungsfähiger Streitkräfte nicht gedient. Wenn man denen persönlich die Hand schütteln allein von finanziellen Erwägungen abhängig gemacht wollte, wäre man sechs Monate lang Tag und Nacht da- werden kann. Die Parteitage von CDU und CSU haben mit beschäftigt. Deswegen möchte ich auch im Namen sich dazu entsprechend geäußert. Wer in der Bundes- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10441

Jürgen Hardt (A) wehr dient oder dort zukünftig dienen möchte, soll wis- Männern, die wir zu diesem Pflichtdienst heranziehen, in (C) sen, dass er in der Truppe eine individuelle, gute Zu- der Verantwortung, immer wieder neu zu hinterfragen, kunftsperspektive erhält; das hat eben auch mit Geld zu ob ihr Dienst tatsächlich noch sicherheitspolitisch be- tun. gründet werden kann oder nicht. Eine solche Begrün- dung können wir heute nicht mehr zweifelsfrei geben. Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Wir vollziehen jetzt den für uns schweren, aber konse- Wehrrechts ist ein zentraler Baustein der Bundeswehrre- quenten Schritt der Aussetzung der Wehrpflicht. form. Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, werden zügig über ihn beraten und damit eine rasche Beschluss- Ein solcher Grundrechtseingriff kann eindeutig nur fassung vor Ostern ermöglichen. Wir wollen einen er- mit einer sicherheitspolitischen Begründung legitimiert folgreichen Start für unsere neue Bundeswehr. werden. Ich betone das deshalb, weil die Einführung ei- ner allgemeinen Dienstpflicht für mich persönlich die Danke schön. näherliegende Antwort gewesen wäre. Ich musste aber nach zahlreichen Diskussionen einsehen, dass dies we- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) der unsere Verfassung noch das Völkerrecht zulassen. Dass diese Debatte heute keine allzu großen Wellen Präsident Dr. Norbert Lammert: schlägt, haben wir in erster Linie unserem Minister Karl- Der Kollege Dr. Reinhard Brandl von der CDU/CSU- Theodor zu Guttenberg zu verdanken. Er hat es mit sei- Fraktion ist der letzte Redner zu diesem Tagesordnungs- ner Persönlichkeit und seiner Überzeugungskraft im ver- punkt. gangenen Jahr geschafft, die Menschen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr für diese Reform zu gewin- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nen. Meine Damen und Herren von der Opposition, bei der Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Reform liegen wir inhaltlich nicht weit auseinander. Ge- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! rade deswegen müssten Sie die Leistung des Ministers Mit der heutigen ersten Lesung des Wehrrechtsände- anerkennen. rungsgesetzes vollziehen wir den ersten parlamentari- schen Schritt der größten Reform der Bundeswehr seit (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und dem Ende des Kalten Krieges. Damals, vor gut der FDP) 20 Jahren, standen noch die Panzer des Warschauer Pak- Stattdessen sind Ihre heutigen Debattenbeiträge geprägt tes an unserer Ostgrenze; wir mussten ständig in der von einer überhöhten Selbstgerechtigkeit und der offe- Lage sein, einen direkten Angriff auf unser Territorium nen Genugtuung, endlich etwas gefunden zu haben, mit abzuwehren. Diese Gefahr besteht Gott sei Dank nicht (B) dem Sie hoffen, ihm persönlich schaden zu können. (D) mehr. (Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Wir haben nicht Die Welt ist aber seit dieser Zeit nicht nur friedlicher einmal gesucht! – Dr. Hans-Peter Bartels geworden: Es gibt neue, sich ständig wandelnde, zum [SPD]: Wir schaden ihm doch nicht! Er hat sich großen Teil asymmetrisch gelagerte Bedrohungen unse- selbst geschadet!) rer Freiheit und Sicherheit. Wir begegnen der veränder- ten Sicherheitslage mit einer breiten Palette an zivilen Überlegen Sie selbstkritisch, ob Sie jemanden in Ihren und diplomatischen Mitteln. Es treten aber immer wie- Reihen haben, dem die Vermittlung dieser Reform auch der Situationen ein, in denen wir gezwungen sind, die nur annähernd in dieser Form gelungen wäre. Bundeswehr als letztes verfügbares Mittel und als Teil (Zuruf von der SPD: Natürlich!) der internationalen Gemeinschaft in einen Einsatz zu entsenden. Wir haben letzten Freitag wieder auf traurige Es mag Sie politisch bzw. wahltaktisch stören, dass Weise erfahren müssen, wie gefährlich solch ein Einsatz Karl-Theodor zu Guttenberg ein hohes Maß an Ver- sein kann. trauen in der Bevölkerung genießt, aber Tatsache ist: In einem solchen schwierigen Reformprozess einen sol- Wir stehen bei der Mandatierung der Einsätze in der chen Minister an der Spitze des Bundesverteidigungsmi- Verantwortung, die Bundeswehr dafür optimal aufzustel- nisteriums zu haben, ist ein Glücksfall für unser Land len und auszurüsten. Gemessen an dem, was unsere Sol- und unsere Bundeswehr. daten heute im Einsatz leisten müssen, haben wir dieses (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Ziel trotz zahlreicher Anstrengungen in den vergangenen neten der FDP) Jahren noch nicht vollständig erreicht. Von dieser Ver- antwortung getragen haben wir uns im letzten Jahr ent- Täuschen Sie sich nicht: Die Menschen in unserem Land schieden, die Bundeswehr neu zu strukturieren, sie ins- unterscheiden sehr genau, welcher Beitrag der Sache gesamt zu verkleinern und dafür die Soldaten besser dient und bei welchem Beitrag es nur darum geht, je- auszurüsten sowie ihren Dienst attraktiver zu gestalten. mandem persönlich zu schaden. Ein Baustein der Reform ist die Aussetzung der (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Wehrpflicht, über die wir heute hier im Parlament disku- Das hätte ich Herrn Trittin – leider hat er die Debatte tieren. Wir haben uns diesen Schritt nicht leicht ge- nicht bis zum Ende verfolgt – gerne persönlich gesagt. macht; er ist nicht nur von dieser Reform getrieben. Die Wehrpflicht hat sich in den letzten 55 Jahren in vielerlei (Jörg van Essen [FDP]: Herrn Beck vielleicht Hinsicht bewährt. Wir stehen aber gegenüber den jungen auch! Er fehlt nämlich auch!) 10442 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Reinhard Brandl (A) Er hat es in seinem Beitrag fast geschafft, nur zur Sache – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina (C) zu sprechen. Aber am Ende ist er wieder abgerutscht auf Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, ein Niveau der Unterstellungen und der Verleumdung. weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Gerechte Versorgungslösung für Ballettmit- glieder in der DDR Das war schade; (Birgit Homburger [FDP]: Es ist eine Unsitte, – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina wenn man spricht und dann geht!) Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE denn die Sache ist viel wichtiger als ein Hinweis auf die LINKE Zustimmungswerte einer bestimmten Person. Regelung der Ansprüche der Bergleute der Die Reform, die wir in den nächsten Wochen im Bun- Braunkohleveredlung destag besprechen, wird unsere Parlamentsarmee über Jahrzehnte hinweg prägen. Wir haben dabei als die heute – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina in der Verantwortung stehenden Parlamentarier den Auf- Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, trag, die Bundeswehr der Zukunft mitzugestalten und weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE dafür zu sorgen, dass sie die Gesellschaft auch in Zu- LINKE kunft angemessen repräsentiert und sich nicht von ihr abkoppelt. Die Menschen werden uns als Koalition, aber Beseitigung von Rentennachteilen für Zeiten auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, der Pflege von Angehörigen in der DDR daran messen, ob wir dieser Verantwortung gerecht wer- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina den. Heute sind Sie es zumindest nicht geworden. Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Rentenrechtliche Lösung für Land- und Forstwirte, Handwerkerinnen und Hand- werker, andere Selbständige sowie deren Präsident Dr. Norbert Lammert: mithelfende Familienangehörige aus der Ich schließe die Aussprache. DDR (B) (D) Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina fes auf der Drucksache 17/4821 an die in der Tagesord- Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Andere weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE Vorschläge dazu liegen mir nicht vor. Dann ist die Über- LINKE weisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf: Rentenrechtliche Anerkennung von zweiten und vereinbart verlängerten Bildungswegen Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- sowie Forschungsstudien und Aspiranturen richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales in der DDR (11. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst, weiterer weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE LINKE Korrektur der Überleitung von DDR-Alters- Rentenrechtliche Anerkennung von DDR- sicherungen in bundesdeutsches Recht Regelungen für ins Ausland mitgereiste Ehe- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina partnerinnen und Ehepartner sowie von im Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Ausland erworbenen Ansprüchen weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina LINKE Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Gerechte Alterseinkünfte für Beschäftigte weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR LINKE – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Rentenrechtliche Anerkennung aller freiwil- Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, ligen Beiträge aus DDR-Zeiten weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Gerechte Lösung für rentenrechtliche Situa- weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE tion von in der DDR Geschiedenen LINKE Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10443

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Befristetes System „sui generis“ für die Be- Einheitliche Regelung der Altersversorgung (C) seitigung des Versorgungsunrechts bei den für Angehörige der technischen Intelligenz Zusatz- und Sonderversorgungen der DDR der DDR – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE LINKE Vertrauensschutz für Versorgungsberech- Wertneutralität im Rentenrecht auch für tigte der DDR mit einem Ruhestandsbeginn Personen mit bestimmten Funktionen in der bis zum 30. Juni 1995 schaffen DDR – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Strengmann-Kuhn, , Stephan Kühn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE weiterer Abgeordneter und der Fraktion LINKE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verbesserung der Versorgung der im Bei- Regelung der Ansprüche und Anwartschaf- trittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 Geschie- ten auf Alterssicherung für Angehörige der denen Deutschen Reichsbahn der DDR – Drucksachen 17/1631, 17/3871, 17/3872, 17/3873, – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina 17/3874, 17/3875, 17/3876, 17/3877, 17/3878, Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, 17/3879, 17/3880, 17/3881, 17/3882, 17/3883, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE 17/3884, 17/3885, 17/3886, 17/3887, 17/3888, LINKE 17/4195, 17/4769 – Regelung der Ansprüche und Anwartschaf- Berichterstattung: ten auf Alterssicherung für Angehörige der Abgeordnete Silvia Schmidt (Eisleben) Deutschen Post der DDR Beide Fraktionen haben namentliche Abstimmung – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina verlangt. Deshalb werden wir nach der Aussprache zu- Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, nächst über die 19 Anträge der Fraktion Die Linke na- (B) weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE mentlich auf einem Stimmzettel abstimmen. Anschlie- (D) LINKE ßend erfolgt die namentliche Abstimmung mit der üblichen Stimmkarte über die Beschlussempfehlung zu Angemessene Altersversorgung für Profes- dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wir sorinnen und Professoren neuen Rechts, werden also zwei getrennte Abstimmungsgänge durch- Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst führen. und weitere Beschäftigte universitärer und anderer wissenschaftlicher Einrichtungen in Auch für diese Aussprache sind nach einer interfrakti- Ostdeutschland onellen Vereinbarung 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu- weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE nächst dem Kollegen Eckhardt Rehberg für die CDU/ LINKE CSU-Fraktion. Angemessene Altersversorgung für Beschäf- (Beifall bei der CDU/CSU) tigte des öffentlichen Dienstes der DDR, die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeord- – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina neten! In diesem Tagesordnungspunkt geht es um ge- Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, rechte Alterseinkünfte für Beschäftigte in der DDR. Die weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE Antragsteller führen auf Drucksache 17/1631 zum LINKE Schluss aus: Angemessene Altersversorgung für Angehö- 20 Jahre nach Herstellung der Einheit ist es an der rige von Bundeswehr, Zoll und Polizei, die Zeit, Regelungen zu treffen, die den sozialen Frie- mit DDR-Beschäftigungszeiten nach 1990 den zwischen Ost und West befördern. Dazu gehört ihre Tätigkeit fortgesetzt haben unabdingbar auch die Angleichung des Renten- werts Ost an West … – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, Wenn man über die Rente in Ost und West redet, dann weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE lohnt es sich, gelegentlich noch einmal darüber nachzu- LINKE denken, woher wir bei diesem Thema kommen. Die 10444 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Eckhardt Rehberg (A) Mindestrente betrug 1983 in der DDR 270 Mark. Das spielsweise bekommt heute ein Arbeitnehmer in Rostock, (C) sind Almosen. der 10 Euro brutto verdient, eine Aufwertung von 1,90 Euro und erhält das Rentenwertäquivalent eines (Heinz Lanfermann [FDP]: So ist das!) Bruttolohns von 11,90 Euro, obwohl er nur einen Renten- 1984 gab es 300 Mark Mindestrente, beitrag für 10 Euro bezahlt. Dieses haben viele aus dem Blick verloren, wenn sie leichtfertig darüber reden, dass (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Und wir den Rentenwert Ost an West angleichen müssen. wie hoch war die Miete?) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nach 45 Arbeitsjahren gab es 370 Mark. Bei einem Brut- todurchschnittslohn 1984 von 1 080 DDR-Mark erhielt Wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften solche Ver- ein Rentner also ein Almosen von einem Drittel seines einbarungen schließen, wie in den letzten Wochen zum letzten Bruttodurchschnittslohnes. Beispiel für den Bereich der Zeitarbeit – branchenbezo- gener Mindestlohn Ost: 6,89 Euro, branchenbezogener (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wie Mindestlohn West: 7,79 Euro, Differenz: 90 Cent –, viel hat ein Brötchen gekostet? Wie hoch war kann man aus Sicht der Arbeitgeber vielleicht sagen: Da- die Miete? – Gegenruf des Abg. Patrick Kurth für habe ich Verständnis. Aus Sicht der Gewerkschaften [Kyffhäuser] [FDP]: Und wie sahen die Woh- muss man aber sagen: Dafür habe ich überhaupt kein nungen aus?) Verständnis. Ich habe gar kein Verständnis dafür, dass Wenn ich heute über Durchschnittsrenten von über diese Schere in 2013 nicht deutlich, sondern lediglich 1 000 Euro rede, dann wird deutlich, dass dies die Er- geringfügig zusammengeht. Dann sinkt die Differenz folgsgeschichte der deutschen Einheit, der Erfolg der von 90 Cent auf 79 Cent. Das heißt, solange zwischen letzten zwei Jahrzehnte ist. Arbeitgebern und Gewerkschaften keine in Ost und West gleichen branchenspezifischen Mindestlöhne vereinbart (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) werden, brauchen wir uns des ganzen Komplexes Ren- Neben der Rente für die Masse der Beschäftigten in tenwert Ost/West bzw. Aufwertung der Löhne erst gar der DDR gab es 63 Zusatzversorgungssysteme und vier nicht anzunehmen. Sonderversorgungssysteme. In diesen 63 Zusatz- bzw. Ich will noch einen Punkt ansprechen, weil immer vier Sonderversorgungssystemen wurde das Rentenni- wieder beklagt wird, dass keine Rentengerechtigkeit her- veau dann auf 90 Prozent bis 100 Prozent des letzten gestellt wurde. Die Punkte, die Sie in Ihren 19 Anträgen Nettolohnes angehoben. Es ist aber ganz bemerkenswert, anführen, haben aus meiner Sicht nichts im Rentenrecht für wen das galt: Es gab vier Sonderversorgungssysteme zu suchen. Allein zwischen 2001 und 2010 haben Bund für die Nationale Volksarmee, für die Volkspolizei, für und Länder rund 34 Milliarden Euro in die Abgeltung (B) die Zollverwaltung und für das MfS. Zusatzversorgungs- der Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorungssys- (D) systeme gab es für die technische Intelligenz, für haupt- temen stecken müssen. Pro Jahr sind das etwa 4 Mil- amtliche Mitarbeiter des Staatsapparates usw. liarden Euro; das müssen Sie sich einmal auf der Zunge Meine Damen und Herren von den Linken, besonders zergehen lassen. Angesichts dieser Tatsache können pervers war die Einführung der Freiwilligen Zusatzren- Sie von den Linken nicht sagen, dass für die Beschäf- tenversicherung 1971. Man merkte, dass die normale tigten in der DDR keine Rentengerechtigkeit herge- Rente so niedrig war, dass sie im Alter nicht mehr zum stellt wurde. Leben reichte. Wer dann mehr Rente haben wollte im (Beifall bei der CDU/CSU) real existierenden Sozialismus, der musste sich privat zusätzlich versichern. Das muss man sich einmal auf der Lassen Sie mich auch noch anmerken, dass die Zahlen Zunge zergehen lassen. frappierend sind. Rentenentgeltpunkte ≥ 1 – Durchschnitts- lohn oder mehr – haben im Jahr 2009 55 Prozent der Män- Viele haben außerdem vergessen, wie es chronisch ner im Westen, 50 Prozent der Männer im Osten, 16 Pro- Kranken ergangen ist. Sie hatten einen gesetzlichen zent der Frauen im Westen und 14,4 Prozent der Frauen Krankengeldanspruch von 300 DDR-Mark ab der sieb- im Osten erworben. Das Beeindruckende ist für mich ten Krankheitswoche, wenn sie nicht freiwillig zusatz- – das ist für mich ein Maßstab für Gerechtigkeit –, dass im versichert waren. Lassen Sie sich bitte einmal auf der Osten 38 Prozent der Männer und Frauen zusammen eine Zunge zergehen, was das zu DDR-Zeiten für chronisch Monatsrente ≥ 1 050 Euro erreicht haben. Im Westen sind Kranke bedeutet hat. das nur 32 Prozent. Wenn jemand sagt, dass die Rentne- Bereits an diesen wenigen Beispielen wird der Unter- rinnen und Rentner im Osten, gleich ob Bestands- oder schied zwischen dem werteorientierten System der sozi- Zugangsrentner, benachteiligt werden, muss ich sagen: alen Marktwirtschaft und dem ideologiebehafteten Sys- Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Den Rentnern tem des Sozialismus deutlich. Das ist ein Kernpunkt. aus dem Osten ist mehr als Gerechtigkeit und Solidarität widerfahren. Die Überleitung in das Rentensystem ist eine (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Erfolgsgeschichte der deutschen Einheit. Meine Damen Die Rentengeschichte der letzten zwei Jahrzehnte ist und Herren von der Linken, das lassen wir uns von Ihnen mehr als eine Erfolgsstory. Aus meiner Sicht haben wir nicht kaputt- und auch nicht kleinreden. viel zu wenig kommuniziert, dass wir die ostdeutschen Herzlichen Dank. Löhne auf den Durchschnittslohn West angehoben haben. Wir haben 1990 mit dem Faktor 3 begonnen und sind (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Patrick heute bei einer Aufwertung um knapp 19 Prozent. Bei- Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: So ist das!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10445

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: Trotzdem liegen die Löhne in den neuen Bundeslän- (C) Ich erteile das Wort der Kollegin Silvia Schmidt für dern durchschnittlich 20 Prozent unterhalb der Löhne in die SPD-Fraktion. den alten Bundesländern. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. 40 Prozent der Ostdeutschen arbeiten (Beifall bei der SPD) im Niedriglohnbereich. Niedriglohnbereich bedeutet: Trotz Arbeit leben sie an der Armutsgrenze. Auch das ist Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD): ein Tatbestand. Im Land Sachsen-Anhalt existieren Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten 34 Tarifverträge, die einen Bruttolohn von weniger als Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Rehberg, ich 7,50 Euro vorsehen. Das heißt, die Erwerbstätigen in habe eine Korrekturanmerkung: Die männlichen Zu- Sachsen-Anhalt und auch in Mecklenburg-Vorpommern gangsrentner im Osten haben seit 2008 5 Euro weniger arbeiten teilweise zu einem Hungerlohn. Da ist die Al- als die Zugangsrentner West. Die Schere geht auch in tersarmut im Grunde vorprogrammiert. Das heißt, wir diesem Bereich immer weiter auseinander. brauchen hier einen gesetzlichen Mindestlohn, was übri- gens unter anderem auch Jens Bullerjahn, der stellvertre- Als Willy Brandt gesagt hat: „Jetzt wächst zusam- tende Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, eindeutig men, was zusammengehört“, waren wir alle, glaube ich, fordert. voller Freude. Wir wussten aber auch, dass das ein lan- (Beifall bei der SPD) ger und schwieriger Weg wird, dass das eine Herausfor- derung für unser Land ist. Gerade das Rentenüberlei- Die Anträge der Fraktion Die Linke werden regelmä- tungsgesetz ist – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – ßig zu den Wahlkämpfen eingereicht, eine einmalige historische Leistung. Das war ein großer Erfolg. Das können wir alle hier feststellen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: In je- der Legislaturperiode einmal!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und Sie lassen namentlich über diese Anträge abstim- der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- men; das ist natürlich legitim. Diese Anträge zeigen aber SES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb auch deutlich Ihren Populismus und eine gewisse Häme. [FDP]: Das stimmt!) (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Sie können Dieser Prozess des Zusammenwachsens ist aber noch auch einfach zustimmen! – Dr. Dagmar Enkel- nicht beendet, weder gesellschaftlich noch konkret im mann [DIE LINKE]: Dann legen Sie einen Rentenrecht. Deshalb ist eine Angleichung der Renten- Vorschlag vor!) systeme, die im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und (B) FDP versprochen wurde, eine wichtige, aber bestimmt Ich habe deutlich gemacht: Es ist kein leicht zu lösendes (D) keine einfache Herausforderung. In der letzten Legisla- Problem, es ist ein komplexer Tatbestand. Wir alle wis- turperiode haben auch wir das versucht. Das haben wir sen, dass das für die Bürger teilweise nicht nachvollzieh- gesagt, und natürlich sind wir das auch angegangen. Da bar ist. Wir dürfen auch den Anspruch der Solidarität für dieses große, schwierige und komplexe Thema aber die Rentnerinnen und Rentner in den alten Bundeslän- nicht so leicht zu stemmen ist, sind wir keinen großen dern nicht vergessen. Schritt weitergekommen. (Dr. [DIE LINKE]: Ja, das können Es gibt Fragen, die wir sehr schnell klären können. Sie alles besser machen!) Ich könnte mir vorstellen, dass Kindererziehungszeiten Niemand wird Anträgen zustimmen, durch die die da- im Osten wie im Westen gleich bewertet werden. Im mals Staatsnahen begünstigt werden sollen. Das wäre Westen führen sie zu einem monatlichen Zahlbetrag in eine Missachtung der DDR-Flüchtlinge. Höhe von 27,30 Euro, in den neuen Bundesländern zu einem monatlichen Zahlbetrag von 24,13 Euro. Die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wehrpflichtzeiten führen zu einem monatlichen Zahlbe- der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- trag von im Osten ungefähr 12 Euro, im Westen 15 Euro. SES 90/DIE GRÜNEN) Dieser Unterschied ist gesellschaftspolitisch nicht mehr Das kann man mit aller Sachlichkeit feststellen. Manche zu halten; denn diese Lebensphasen sind in Ost wie West Flüchtlinge haben ihr Leben geopfert, andere sind unter eigentlich identisch. Hier könnten wir sehr schnell ein- schweren Repressalien in die alten Bundesländer ge- schreiten. flüchtet. Das war kein Spaziergang, und das war auch Die Väter des deutschen Einigungsvertrages sind von keine freiwillige Übersiedlung. Auch das sollten Sie zur einer weitaus schnelleren Angleichung der Lebensver- Kenntnis nehmen. hältnisse ausgegangen. Aber wir alle wissen: Die An- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ gleichung vor allen Dingen der Löhne und damit auch CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE des Rentenwertes Ost/West ist seit einem Jahrzehnt zum GRÜNEN) Stillstand gekommen. Es gibt regionale Unterschiede. Einige Regionen in den neuen Bundesländern, zum Bei- Noch zu einer Tatsache – es ist vorhin schon ange- spiel das Umfeld von Berlin, die Potsdamer Region, ste- sprochen worden –, die man vielleicht am persönlichen hen sehr gut da. Es gibt natürlich auch Regionen in den Bereich darstellen kann. Die Mindestrente lag bis 1983 alten Bundesländern, die schlecht dastehen, zum Bei- bei ungefähr 165 Mark Ost. Man sagt: Etwa 30 Mark spiel das Saarland. Das alles ist uns bekannt. Miete mussten gezahlt werden, mehr Kosten habe es 10446 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Silvia Schmidt (Eisleben) (A) nicht gegeben. Nein, das war nicht so. Wenn Sie auf dem hängig von staatlichen Systemen und unabhängig davon, (C) Land gewohnt haben, mussten Sie Kohlen dazukaufen. wo sie gelebt und gearbeitet haben. Wir wissen auch Energie, Wasser usw., das alles musste bezahlt werden. ganz genau: Es dürfen keine neuen Ungerechtigkeiten Jeder Rentner, der noch krauchen konnte – das sage ich entstehen, zum Beispiel bei den pflegenden Angehöri- so bitterböse –, hatte noch einen kleinen Garten, damit er gen. Auch wenn es seit 1996 die Pflegeversicherung zusätzliche Lebensmittel hatte; denn der Konsum war gibt, existieren auch hier Härtefälle. Was die Geschiede- auch nicht gerade voll. nen betrifft, würden wir sehr gern dem Antrag der Grü- nen folgen. Eine Bundesratsinitiative und eine gemein- (Maria Michalk [CDU/CSU]: Richtig!) same Lösung sind wichtig. Das muss man sagen; ich kenne das zum Beispiel von Es liegen viele Vorschläge, die geprüft werden müs- meinen Großeltern. Wir haben dort gelebt. Damit will sen, auf dem Tisch. Wir reichen diese Vorschläge an die ich nichts verklären. Alterssicherungskommission im Willy-Brandt-Haus Durch die Beitragsbemessungsgrenze von 600 Mark weiter. Wir werden mit den betroffenen Personengrup- sollten höhere Renten vermieden werden. Glauben Sie pen reden. tatsächlich, dass viele Ostrentner dieses Problem nicht (Zuruf von der LINKEN: Oh! Davon haben sehen? Sie haben hart gearbeitet, 35 bis 45 Jahre einge- die bestimmt etwas!) zahlt, aber sie konnten nicht mehr erreichen. Wir werden alle Probleme noch einmal aufgreifen. Wir Festzuhalten ist, dass die DDR besonders in der In- fordern ein Mindesteinkommen, das heißt einen Min- dustrie die Menschen rigoros ausgebeutet hat. Viele in destlohn, der gesetzlich festgeschrieben wird. Wir for- meinem eigenen Wahlkreis, im Mansfelder Land dern auch eine Rente nach Mindesteinkommen, damit – Stichworte: Kupfer- und Silberhütte –, leiden noch die Lebensarbeitszeit gewürdigt wird. heute unter den schrecklichen Umwelt- und Gesund- heitsbedingungen der DDR-Wirtschaft. Ich komme aus (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dem Gesundheitswesen. Ich weiß, wovon ich spreche. Im Rahmen eines Rentenüberleitungsabschlussgesetzes, Wir werden uns heute aus Sympathie für einige Per- das wir schon in der letzten Legislaturperiode in Angriff sonengruppen mit bestimmten Härtefällen enthalten. genommen haben, wollen wir diese ungelösten Fragen aufgreifen. (Zuruf von der LINKEN: Wie mutig!) Wir fordern eine Härtefallregelung und einen Fonds, Dabei geht es um die Personengruppe im Gesundheits- für den jährlich ungefähr 500 Millionen Euro zur Verfü- wesen, die helfenden Familienmitglieder, zum Beispiel (B) gung stehen; wir werden hierfür ein Konzept erarbeiten. (D) in der Landwirtschaft, die Balletttänzer, die Bergleute – in der Carbochemie wird es hoffentlich demnächst (Maria Michalk [CDU/CSU]: Das hätten Sie eine Einigung geben –, die pflegenden Familienangehö- doch schon unter Frau Schmidt machen kön- rigen usw. Diese Probleme sind aber nicht rentensyste- nen! Auch Herr Scholz hätte das schon längst matisch bedingt. Diese Probleme sind einheitsbedingt. machen können! – Eckhardt Rehberg [CDU/ Das muss jeder zur Kenntnis nehmen. CSU]: Ein Herr Müntefering war übrigens auch einmal im Amt!) Mit Zusatzversorgungen und Sondersystemen er- kaufte man sich die politische Gefolgschaft bestimmter Wir fordern die Vollendung der sozialen Einheit Gruppen; das wurde vorhin schon angesprochen. Sie Deutschlands durch rentensystematische Angleichun- wurden ungefähr 1970 eingeführt. Sie bilden ein kom- gen. Wir fordern Maßnahmen, die Altersarmut ver- plexes Geflecht. Kaum jemand durchblickt es noch, aber hindern, und, wie bereits erwähnt, einen gesetzlichen jeder hat einen eigenen Anspruch. Mindestlohn. Wir fordern eine Höherbewertung beschäf- tigungsloser Zeiten und geringer Verdienste ab sofort Dem mittleren medizinischen Personal wurden mit und rückwirkend, und das für das gesamte Bundesgebiet. der 1,5-Regelung, dem Steigerungsbetrag von 1,5 bei der Altersversorgung, Versprechungen gemacht. Ich glaube, wenn wir gemeinsam über diese Fragen diskutieren, können wir im Hinblick auf Härtefälle ver- (Manfred Grund [CDU/CSU]: Ja! Allerdings!) nünftige Lösungen finden. Das ist nicht ganz einfach, Ich selber komme aus dem Gesundheitsbereich. Ich sondern relativ kompliziert. Das können wir aber nur ge- weiß, was man mir gesagt hat. Ich weiß auch, wie hoch meinsam schaffen. Populismus ist hier fehl am Platz. mein Lohn war. Das alles waren Versprechungen. Nie- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nicht nur hier!) mand wird doch behaupten, dass die DDR diesen Ver- sprechungen nachgekommen wäre. Man hatte nämlich Ich sage noch einmal: Es ist schwierig, dieses komplexe gar kein Geld dafür, diese sogenannten Sondersysteme System zu durchschauen. Aber all die Rentner und Rent- zu bedienen. nerinnen, deren Einkommen unterhalb der Armuts- grenze liegt, haben unsere Solidarität verdient. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Wir wissen: Rentnerinnen und Rentner haben An- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten spruch auf die Anerkennung ihrer Arbeitsleistung, unab- der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10447

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: stände, neue Ungerechtigkeiten und Systemwidrigkei- (C) Nächster Redner ist der Kollege Dr. Heinrich Kolb ten. für die FDP-Fraktion. Ich weise noch einmal darauf hin: Im Mai 2009 gab (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) es in der Anhörung ein klares Ergebnis. Die Sachver- ständigen empfahlen keine Korrektur der geltenden Ge- setze. Sie machten deutlich, dass jede Nachjustierung zu Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): neuen Ungleichbehandlungen – also zu Ungerechtigkei- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir ten – führt. Betroffene dürfen nicht bessergestellt werden debattieren dieses Thema heute nicht zum ersten Mal als vergleichbare Rentner in den alten Bundesländern. und, wie ich vermute, auch nicht zum letzten Mal. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das wollen (Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Richtig! – wir auch nicht!) Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ver- sprochen!) Betroffene dürfen auch nicht bessergestellt werden als andere Versicherte in den neuen Bundesländern. Diese Ich halte es für notwendig, in meinem Debattenbeitrag beiden Maximen spielen für uns eine wichtige Rolle. zu diesem Thema immer zunächst darauf hinzuweisen, dass die Überführung des Rentenrechts der DDR in das (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) SGB VI eine große und herausragende Leistung der Po- Wir haben nun einmal die paradoxe Situation, dass litik und der Mitarbeiter der Deutschen Rentenversiche- ein Teil der Betroffenen fordert, das frühere DDR-Recht rung war. Das war einmalig und ist – das kann man so nicht mehr wirken zu lassen, und ein anderer Teil for- festhalten – im Großen und Ganzen gelungen. dert, dass die Ansprüche nach dem früheren Recht kom- Es ist nicht überraschend, dass bei einem so großen plett anerkannt werden. Diesen Gegensatz kann man ein- Projekt nicht jedes Anliegen zu jedermanns Zufrieden- fach nicht auflösen; das leisten auch Ihre Anträge nicht. heit erfüllt werden konnte. Insofern steht das Renten- Was mich stört an Ihrem Antragskonvolut, an diesem recht vielleicht auch stellvertretend für das gesamte Pro- Paket, ist, dass Sie versuchen, uns neben 18 anderen jekt deutsche Einheit. Gruppen mal eben auch Angehörige des Ministeriums Die Linke legt zu diesem Thema regelmäßig – und für Staatssicherheit und des Amtes für Nationale Sicher- auch regelmäßig unveränderte – Anträge vor. heit der DDR unterzuschieben. Wir bleiben dabei: Für MfS-Angehörige darf nicht mehr als das frühere Durch- (Widerspruch bei der LINKEN – Dr. Dagmar schnittsentgelt für die Rentenberechnung angesetzt wer- (B) Enkelmann [DIE LINKE]: Dann haben Sie den. Diese Entscheidung haben wir getroffen, und sie ist (D) nicht draufgeguckt!) ausdrücklich und mehrfach vom Bundesverfassungsge- richt bestätigt worden. Das will ich hier sehr deutlich sa- – Das müssen dann aber marginale Unterschiede sein. gen. Aber Herr Gysi wird bestimmt gleich erläutern, wo die großen Fortschritte in Ihren Anträgen sind. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Er NISSES 90/DIE GRÜNEN) wird es Ihnen gleich erläutern!) Sie machen es sich zu einfach. Sie listen alle denkba- Ich glaube, insgesamt gesehen kann man sagen: Das ist ren Gruppen Betroffener auf und vermischen dabei Pri- das alte Muster, das da durchscheint, auch bei den jetzt vilegierte, auch Verantwortliche aus DDR-Zeiten mit vorgelegten Anträgen. Menschen, die ganz einfach – ich sage es einfach einmal (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) so – Pech mit ihrem DDR-Schicksal hatten. Sie bleiben hartnäckig bei Ihren Lösungsvorschlägen, (Manfred Grund [CDU/CSU]: Oder belogen obwohl in den letzten Jahren in Anhörungen und Aus- worden sind!) schussdiskussionen mehrfach nachgewiesen worden ist, Sie versuchen, sich als Fürsprecher aller möglichen dass sie falsch sind. Wir hatten dem schon in 2008 einen Gruppen aufzuspielen, die sich benachteiligt fühlen kreativen Vorschlag entgegengestellt, und zwar wollten könnten. Aber dabei übersehen Sie Folgendes: Teil der wir ein Nachversicherungsangebot unterbreiten, was Gerechtigkeit, in die auch alle anderen einbezogen wer- systemgerecht gewesen wäre und immer noch ist, neue den müssen, ist, auch die Situation und Befindlichkeit Ungerechtigkeiten vermeidet und allen Betroffenen die derjenigen zu berücksichtigen, die für Ihre großzügigen Chance gibt, ihre Situation zu verbessern. Lösungsvorschläge am Ende mitbezahlen sollen und müssen. (Zuruf der Abg. Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]) Ich will hier festhalten: Ohne deutsche Einheit und Anpassung des Rentenrechts hätte kein DDR-Rentner Ähnliches hat sich bewährt, als 1992 die Rentenberech- auch nur annähernd den Lebensstandard erreichen kön- nung nach Angestelltenversicherungsgesetz in das nen, den er heute hat. SGB VI überführt worden ist. Wo unsere Vorschläge systemgerecht und überzeugend sind, liegen die Schwä- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie chen Ihrer Anträge: Sie schaffen neue Ausnahmetatbe- bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- 10448 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Heinrich L. Kolb (A) NISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der geltend zu machen. Ich wiederhole: Die Höhe der Bei- (C) FDP: Sehr richtig!) tragsentrichtung ist an dem auszurichten, was zu DDR- Zeiten zur Erlangung eines vergleichbaren Anspruchs Dazu fehlen angemessene Worte Ihrerseits. Vielleicht, hätte aufgewendet werden müssen. Diese Lösung ver- Herr Gysi, ringen Sie sich in Ihrer jetzt folgenden Rede meidet Willkür und erreicht größtmögliche Gerechtig- dazu durch. keit. (Zuruf der Abg. Dr. Martina Bunge [DIE (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten LINKE]) der CDU/CSU) Stattdessen erinnert Frau Bunge im Dezember bei der Weil das auch in anderen Redebeiträgen betont letzten Debatte und auch heute wieder per Zwischenruf wurde, will ich zum Schluss sagen: Neben den heute hier an die 30 Mark Miete für eine DDR-Zweiraumwohnung. vorliegenden Fragen sehe ich auch die Angleichung des Frau Bunge, man muss doch sehen, wie das damals in Rentenrechts Ost an das Rentenrecht West als eine große Leipzig war! Herausforderung an. In dem Koalitionsvertrag ist dies (Maria Michalk [CDU/CSU], an die Abg. für diese Wahlperiode zugesichert. Deswegen machen Dr. Martina Bunge [DIE LINKE] gewandt: wir uns in diesem Jahr ernsthaft an die Arbeit. Gucken Sie sich das mal an!) (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ Da sind Wohnungen „freigewohnt“ worden – das Wort DIE GRÜNEN]: Wann kommt das?) kennt man in den alten Bundesländern gar nicht. Das – Herr Strengmann-Kuhn, Sie wissen: Im letzten Jahr heißt, man ist aus der nassen Dachgeschosswohnung waren wir sehr damit beschäftigt, Baustellen aus der rot- eine Etage tiefer gezogen, weil es da gerade noch tro- grünen Ära abzubauen: durch die Jobcenterreform, cken war. So war das doch damals! durch die Reform in Bezug auf die Hartz-IV-Regelsätze. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Das haben wir in dieser Woche abgeschlossen. Jetzt ge- Zurufe von der LINKEN) hen wir an neue Baustellen heran. Das werden wir tun, und zwar gerne, und wir hoffen auf Ihre Mitarbeit. Wie war denn die Versorgung mit Obst und Gemüse für Rentner? Wie war es denn, wenn man freitags um Einstweilen bedanke ich mich für Ihre Aufmerksam- 18 Uhr im HO-Laden noch ein viertel Pfund Bauch- keit. Herzlichen Dank. fleisch haben wollte? Das war damals einfach nicht ver- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – fügbar. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wieder (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das falsche Versprechen!) (B) (D) ist ja auch ungesund!) Das sind die Unterschiede im Vergleich zu heute. Heute Vizepräsident Dr. : können sich Rentner auch in den neuen Bundesländern Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Gregor Gysi von all das leisten. der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei der LINKEN) Und wo Sie sich schon so viel Mühe gemacht haben, Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Herr Gysi, für alle Gruppen, die Ihnen eingefallen sind, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir müs- Anträge zu schreiben: Wo ist Ihr Antrag, das DDR-Un- sen uns erst einmal darüber verständigen, worüber wir recht an den Flüchtlingen, sofern sie ihre Flucht überlebt hier reden und um welche Anträge es geht. haben, wiedergutzumachen? Da ist Fehlanzeige bei Ih- nen, und das ist nicht in Ordnung! (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Richtig!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- Sie haben hinsichtlich der Flüchtlinge ja völlig recht. NISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben auch mit ihnen gesprochen. Sie wollen gerne, dass alle drei Oppositionsfraktionen gemeinsam einen Stattdessen brandmarken Sie das Rentenrecht als „Ren- Antrag für sie stellen, um nicht in irgendeiner Form ver- tenstrafrecht“, weil es Privilegien für SED- und Stasi- einnahmt zu werden. bonzen beschränkt. Was ist denn das für ein Weltbild, das hinter Ihren Anträgen steht, meine Damen und Her- In Bezug auf die Verfolgten in der DDR haben Sie ren? auch recht. Wir haben aber immer weiter gehende An- träge gestellt, als Sie je beschlossen haben – gerade für (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie die Verfolgten in der DDR. Das ist die Wahrheit, die Sie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der nicht zur Kenntnis nehmen wollen. LINKEN) (Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund Wir bleiben bei unserem Vorschlag zum Nachversi- [CDU/CSU]: Erst einsperren und dann von cherungsangebot. Wir glauben, dass eine Nachversiche- uns entschädigen lassen!) rung auf freiwilligem Weg die richtige Lösung ist. Sie bietet die Chance, nicht in das SGB VI übertragene oder Ferner versuchen Sie auf eine polemische Art und aus anderen Gründen ausgeschlossene Rentenansprüche Weise, gegen die Rentnerinnen und Rentner aus dem Os- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10449

Dr. Gregor Gysi (A) ten zu polemisieren. Das können wir nicht im Geringsten Grund [CDU/CSU]: Sie mit Ihren Kindermär- (C) akzeptieren. chen haben die wenigste Ahnung vom Osten!) (Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth [Ky- Jetzt komme ich zu den einzelnen Anträgen. ffhäuser] [FDP]: Falsche Sachbeschreibung, Die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen Herr Gysi! Ihre Klientel!) in der DDR haben für ihre besonders schwere körperli- Ich sage Ihnen: Es ist und bleibt ein Verhängnis, dass es che und psychische Belastung einen höheren Satz für 20 Jahre nach Herstellung der deutschen Einheit noch ihre Renten zuerkannt bekommen, weil ihr Verdienst immer keine gleichen Renten für gleiche Lebensleistun- viel zu niedrig war. Warum erkennen Sie diesen Zusatz- gen in Ost und West gibt. anspruch der Betroffenen bis heute nicht an? Es gibt keine Erklärung dafür. Sie hatten einen höheren Renten- Natürlich brauchen wir eine Angleichung der Renten- spruch. Der ist aberkannt worden. werte, werter Herr Rehberg, und zusätzlich eine Höher- bewertung der Einkommen im Osten, solange für die- Die geschiedenen Frauen bekamen in der DDR kei- selbe Arbeit in längerer Arbeitszeit weniger verdient nen Versorgungsausgleich. Die Bundesregierung erklärt wird als im Westen. Das akzeptieren auch alle Menschen uns, man habe nach Lösungen gesucht und keine gefun- in den alten Bundesländern. den. (Beifall bei der LINKEN) (Manfred Grund [CDU/CSU]: Nein! Sie haben zu wenig verdient! Das war Ihr Verdienst!) Im Übrigen hat die Bild-Zeitung immer völlig un- recht, wenn sie sagt, die gesetzliche Durchschnittsrente Wir haben einen Antrag vorgelegt, der zwei Varianten im Osten liege höher als im Westen. enthält, wie man diesen geschiedenen Frauen rechtlich sauber entgegenkommen kann. Sie sagen dazu nur Nein. Erstens wird ein Ehepaar betrachtet und vergessen, zu Warum? Erklären Sie das den geschiedenen Frauen im erwähnen, dass die meisten Frauen in der DDR berufstä- Osten! tig waren, während viele Frauen in der alten Bundesre- publik – gerade ältere – nicht berufstätig waren. Es (Beifall bei der LINKEN) macht eben einen Unterschied, ob man zwei Renten oder Wir haben einen Antrag zu den Balletttänzerinnen nur eine Rente hat. und Balletttänzern vorgelegt. Sie bekamen eine berufs- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: bezogene Zuwendung bei der Rente. Diese ist zum Genau!) 1. Januar 1992 von Ihnen ersatzlos gestrichen worden. Warum? Erklären Sie das den relativ wenigen Balletttän- Zweitens. Sie erwähnen nicht, dass es im Osten keine (B) zerinnen und Balletttänzern! (D) Pensionen gibt. Ein Professor für Gerichtsmedizin be- zieht im Westen immer eine Pension, im Osten aber eine gesetzliche Rente. Natürlich ist sie höher als andere Ren- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ten. Deshalb ist der Vergleich des Durchschnitts völlig Herr Kollege Gysi, erlauben Sie eine Zwischenfrage absurd. Das passt überhaupt nicht. des Kollegen Schaaf? (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Es wird auch vergessen, zu erwähnen, dass alle Be- Ja, bitte. triebsrenten im Osten gestrichen worden sind, während es sie im Westen noch gibt. Außerdem gab es im Westen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Lebensversicherungen, mit denen man für das Alter ein Bitte schön. gewisses Vermögen ansparen kann. Solche Regelungen gab es in der DDR gar nicht. Anton Schaaf (SPD): (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Woran liegt Herr Kollege Gysi, ich will Ihren Redefluss ungern das denn? – Weiterer Zuruf von der FDP) unterbrechen. Aber wenn Sie Personengruppen in der DDR nennen und sagen: „Da brauchen wir eine Lö- – Ja, natürlich. Bestreite ich, dass das ein Nachteil ist? – sung“, dann kann es durchaus sein, dass das auch Wech- Deshalb leben die Rentnerinnen und Rentner im Osten selwirkungen für den Westen hat. Was die Geschiedenen alleine von gesetzlichen Renten. Das nehmen Sie bis angeht, gab es vor 1977 auch in der BRD keinen Versor- heute nicht zur Kenntnis. gungsausgleich. (Beifall bei der LINKEN) (Maria Michalk [CDU/CSU]: Warum hat denn Herr Kolb, Sie haben ja gerade geredet, und ich muss Ih- die DDR keinen gehabt? – Peter Weiß [Em- nen sagen: Ich muss Sie irgendwann einmal zum Essen mendingen] [CDU/CSU]: Genauso ist es!) einladen, um Ihnen den Osten zu erklären. Sie haben Wenn Sie jetzt einen fiktiven Versorgungsausgleich für wirklich überhaupt keine Ahnung. Ich lade Sie großzü- Geschiedene in der DDR fordern, meinen Sie dann auch, gig ein. dass es einen fiktiven Versorgungsausgleich für Geschie- (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – La- dene in der BRD vor 1977 geben muss? Nur dann wäre chen bei der FDP – Eckhardt Rehberg [CDU/ es gerecht. Alles andere wäre völlig ungerecht und ein- CSU]: Darauf verzichten wir alle! – Manfred seitig. 10450 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Anton Schaaf (A) Dazu müssten Sie sich bekennen und auch sagen, wer In der DDR gab es bis 1961 private Land- und Forst- (C) den fiktiven Versorgungsausgleich bezahlen soll, den Sie wirte. Es gab immer private Handwerker und andere fordern. Vielleicht die Beitragszahlerinnen und Beitrags- Selbstständige sowie deren mithelfende Familienange- zahler, die damit nun wirklich nichts zu tun haben? Wer hörige. Sie unterlagen in der DDR nicht immer einer soll das, was Sie fordern, bezahlen? Versicherungspflicht, erwarben aber auch in diesen Zei- ten einen Rentenanspruch. Nach 1990 wurden die Zeiten (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ ihrer Selbstständigkeit weiterhin rentenwirksam aner- CSU und der FDP) kannt, und zwar wiederum bis zum 31. Dezember 1996. Wer aber etwas jünger war und danach in Rente ging, Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): bekam für die Zeit als Selbstständiger oder als mithel- Hier kriegt man schon für die Frage Beifall. Ich fende Ehefrau keine Rente mehr zuerkannt. dachte, den gibt es für die Antwort. Wozu gibt es eigentlich die FDP, wenn Sie sich nicht (Heiterkeit bei der LINKEN) einmal mehr um die privaten Handwerker und deren Warten Sie doch ab! Ich wollte dazu noch Folgendes Ehefrauen kümmern? Das alles muss die Linke machen, sagen: weil Sie nicht einmal diese Art der Interessenvertretung organisieren. Erstens können wir uns darauf verständigen, dass es auch für die entsprechenden Personengruppen aus den (Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. alten Bundesländern einen Ausgleich geben muss. Heute Kolb [FDP]: Keine Sorge! Das haben wir geht es um einen Antrag, der den Osten betrifft. schon im Blick!) Zweitens soll das Vorhaben nicht aus Beiträgen, son- Es gab Personen, die auf dem zweiten Bildungsweg dern aus Steuern finanziert werden. oder mit längeren Studiengängen verlängerte Ausbil- dungszeiten hatten. Das galt auch für die Spitzensportler. (Zuruf von der CDU/CSU: Ach!) Diese verlängerten Ausbildungszeiten wurden renten- – Ja, warten Sie ab. Wenn wir in Deutschland nur den wirksam anerkannt. Sie haben auch das anerkannt, wie- Steuerdurchschnitt der 15 alten EU-Mitgliedsländer er- derum bis zum 31. Dezember 1996. Wer danach in Rente reichen würden, dann hätten wir jährlich Mehreinnah- ging, bekam die verlängerten Ausbildungszeiten nicht men von 120 Milliarden Euro. Davon wäre das alles mehr anerkannt. Warum bestrafen Sie immer die Jünge- finanzierbar. ren? Ich kann das nicht nachvollziehen. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der Ins Ausland mitgereiste Ehepartnerinnen und Ehe- (B) FDP: Die sind doch schon 20-mal ausgege- partner von dort Berufstätigen, die selbst nicht beruflich (D) ben!) tätig waren, erwarben dennoch Rentenansprüche. Auch diese Ansprüche haben Sie für Personen anerkannt, die Jetzt komme ich zu einer weiteren Gruppe, nämlich bis zum 31. Dezember 1996 in Rente gingen. Denjeni- zu den 500 Bergleuten der Braunkohleveredlung in gen, die danach in Rente gingen, haben Sie die Anerken- Borna/Espenhain, die derartig schwere gesundheitliche nung versagt. Wieder eine Bestrafung der Jüngeren ohne Belastungen hatten, dass sie einen Rentenanspruch wie jede Erklärung. Bergleute unter Tage erwarben. Das ist von Ihnen ab- erkannt worden. Warum? Erklären Sie das diesen (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das waren 500 Menschen! Genossen an der unsichtbaren Front!) (Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth [Ky- Dann gab es Versicherte in der DDR, die ihre Er- ffhäuser] [FDP]: Warum haben Sie das damals werbstätigkeit unterbrachen, zum Beispiel wegen Kin- nicht geregelt, Herr Gysi?) dererziehung. Es handelt sich dabei überwiegend um Wer in der DDR Angehörige pflegte und dafür Pfle- Hausfrauen und nur um ganz wenige Hausmänner. Diese gegeld erhielt, erwarb dafür Rentenanwartschaften. konnten in dieser Zeit „Marken kleben“. Deshalb erwar- Diese haben Sie bis zum 31. Dezember 1996 anerkannt. ben sie weiterhin Anwartschaften auf Rente. Das haben Diejenigen, die danach in Rente gegangen sind, bekom- Sie einfach gestrichen. Warum? Erklären Sie doch ein- men dafür nichts mehr. Erklären Sie jemandem, der im mal den Hausfrauen, die jahrelang „Marken geklebt“ ha- Dezember 1996 in Rente gegangen ist, dass er anders als ben, warum Sie ihnen diese Jahre nicht anerkennen und derjenige, der im Januar 1997 in Rente gegangen ist, da- das einfach gestrichen haben! Das ist nicht nachvollzieh- für eine Rente bekommt! Das ist indiskutabel. bar. Das ist grob ungerecht. Die meisten Betroffenen er- halten heute Grundsicherung. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist ungerecht!) (Beifall bei der LINKEN – Patrick Kurth [Ky- ffhäuser] [FDP]: Wer durfte denn Hausfrau Davon sind, um zu einer weiteren Kritik zu kommen, sein?) auch die Eltern von impfgeschädigten Kindern betroffen, die ihre Kinder jahrelang gepflegt haben und Rentenan- – Auch Sie haben wirklich keine Ahnung. Aber Sie lade wartschaften erwarben, die Sie nicht mehr anerkennen, ich nicht zusätzlich zum Essen ein. Einer reicht mir. und zwar im Unterschied zu Westdeutschen, bei denen diese Zeiten anerkannt werden. (Heiterkeit bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10451

Dr. Gregor Gysi (A) Kommen wir zum Versorgungsunrecht. In der DDR chen Dienstes schon ab 1990 vollständig in die schon da- (C) gab es – damit haben Sie recht – Zusatzversorgungen für mals geltende Altersversorgung einbezieht? wissenschaftliche, pädagogische, medizinische, techni- sche und künstlerische Intelligenz sowie im öffentlichen Dann gibt es Angehörige der Bundeswehr, des Zolls Dienst. Außerdem gab es Sonderversorgungssysteme für und der Polizei, die ihre Tätigkeit nach 1990 fortsetzten, sämtliche Sicherheitsorgane, Armee, Polizei, Staats- die Sie also übernommen haben. Diese sind gegenüber sicherheit etc. Die hier erworbenen Ansprüche wurden ihren westdeutschen Kolleginnen und Kollegen eben- zu großen Teilen nicht mehr anerkannt. Warum richten falls schlechter gestellt, weil ihre in der DDR erworbe- Sie nicht wenigstens ein befristetes Versorgungssystem nen Anwartschaften nicht vollständig anerkannt und be- sui generis ein, das die Ansprüche aus der Zusatzversor- rücksichtigt werden. Warum verweigern Sie hier die gung der DDR wenigstens einigermaßen wahrt? Übernahme? Für solche Personen, die einem Zusatz- oder Sonder- Des Weiteren gibt es keine einheitlichen Regelungen versorgungssystem der DDR angehörten, werden die für Angehörige der technischen Intelligenz. Lassen Sie Ansprüche bis zum 30. Juni 1995 nur unvollständig, mich als Beispiel die Ingenieurinnen und Ingenieure aber immerhin teilweise anerkannt. Wer allerdings da- nennen, die zu DDR-Zeiten eine spezielle Zusatzversor- nach in Rente ging, bekommt aus diesem System gar gung hatten. Bis heute sind bestimmte Berufsabschlüsse nichts mehr. Erklären Sie den Jüngeren, warum die einen nicht anerkannt. Wenn der Betreffende Chemiker, die schlimmere Verbrecher sind als die anderen! Das können Betreffende Physikerin oder der Betreffende Mathemati- Sie doch auch nicht erklären. Bloß weil jemand ein Jahr ker war, werden die Ansprüche nicht anerkannt. Wenn jünger ist, bekommt er gar nichts mehr aus dem Sonder- die Betreffenden in landwirtschaftlichen Produktionsge- versorgungssystem, ganz abgesehen davon, dass es so- nossenschaften, Produktionsgenossenschaften des Hand- wieso falsch ist, Biografien bei der Rente zu bewerten. werks, beim Konsum oder bei der Interflug tätig waren, bekommen sie keine Zusatzversorgung. Dann gibt es (Beifall bei der LINKEN) eine Stichtagsregelung, die absurd ist. Danach muss die Ingenieurin oder der Ingenieur bis zum 30. Juni 1990 in Aber weshalb versagen Sie diesem Personenkreis bis einem volkseigenen Betrieb gearbeitet haben. Wenn der heute den Vertrauensschutz? Betrieb zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Volkseigentum war, sondern schon umgewandelt war, bekommen die Dann gab es Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn, Betreffenden keine Rente. Erklären Sie einer Ingenieurin die eine spezielle Altersversorgung hatten. Diese galt oder einem Ingenieur, weshalb sie oder er die Rente ver- – das ist interessant – von 1856 bis 1945. Sie wurde liert, bloß weil der Betrieb nicht mehr Volkseigentum dann von den Sowjets ausgesetzt und 1956 wieder einge- (B) war, sondern sich in Privatbesitz befand. Das ist gera- (D) führt. Sie haben das bis 1996 anerkannt. Wer aber ab dezu absurd, selbst aus kapitalistischer Sicht, finde ich. 1997 in Rente ging, dem wird das nicht mehr anerkannt. Erklären Sie das den Reichsbahnerinnen und Reichsbah- (Beifall bei der LINKEN) nern! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Gysi, bedenken Sie: Ihre Redezeit ist abgelau- Eine ähnliche Regelung gilt für die Angehörigen der fen. Deutschen Post. Dort haben Sie dieselbe Entscheidung getroffen. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Dann gibt es Professorinnen und Professoren neuen Außerdem gibt es Personen mit herausgehobenen Po- Rechts, Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst so- sitionen im Partei- und Staatsapparat. Sie wurden früher wie Beschäftigte in universitären und wissenschaftlichen nach der Einkommenshöhe beschnitten; jetzt werden sie Einrichtungen. Sie erhalten wesentlich geringere Alters- wegen ihrer Tätigkeit beschnitten. Ich sage noch einmal: bezüge als ihre Kolleginnen und Kollegen in den alten Strafrecht hat im Rentenrecht nichts zu suchen. Deshalb Bundesländern. Besonders benachteiligt sind diejenigen, muss das weg. die zwischen 1995 und 2005 in Rente gingen. Die Ursa- che sind verspätete Verbeamtung und Aufnahme in die In Ihrem Koalitionsvertrag steht – damit schließe ich –: Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder. Warum Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitli- behandeln Sie diese Personen nicht nach dem seit 1990 ches Rentensystem in Ost und West ein. geltenden Recht? Sie hätten sie von Anfang an in die Al- tersvorsorge einbeziehen müssen. Wenn Sie das wirklich wollen, dann müssen Sie heute allen Anträgen zustimmen. Eines sage ich Ihnen auch: Auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Es stimmt, in jeder Legislaturperiode kommen wir wie- der DDR, die nach 1990 ihre Tätigkeiten im öffentlichen der mit diesen Anträgen. Es ist ein Glück, dass es die Dienst fortsetzen konnten, die Sie also übernommen ha- Linke gibt, die diese Ungerechtigkeit immer wieder an- ben, sind in ihrer Altersversorgung schlechter gestellt, spricht. Sie würden das nie auf die Tagesordnung setzen. weil auch bei ihnen die Verbeamtung und die Aufnahme in die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Anhaltender Beifall bei der LINKEN – Wi- erst 1997 erfolgten. Weshalb verschließen Sie sich bis derspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU heute einer Regelung, die die Beschäftigten des öffentli- und der FDP) 10452 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Wenn man diese beiden Kriterien zugrunde legt, kom- (C) Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Wolfgang Streng- men wir zu dem Ergebnis, dass nur bei einer sehr kleinen mann-Kuhn von Bündnis 90/Die Grünen. Anzahl von Gruppen Bedarf besteht, nachzujustieren. Darüber hinaus mag es einzelne Härtefälle geben. Daher Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ finde ich den Vorschlag der SPD, einen Härtefallfonds DIE GRÜNEN): einzurichten, durchaus sympathisch. Ich bin auf den ent- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sprechenden Antrag gespannt. Gegebenenfalls kann man Lieber Herr Gysi, was Sie vernachlässigen, ist: Die DDR ihm zustimmen. Man müsste sich die Kriterien, den Um- gibt es nicht mehr. fang und die Finanzierung genau anschauen. Dass ganze Gruppen benachteiligt sind, ist häufig gar nicht unbe- (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: dingt der Fall. Diese Behauptung ist zu grob, und es wird Gott sei Dank!) alles über einen Kamm geschoren. Das System, in das eingezahlt worden ist, war nicht die Es gibt tatsächlich einige wenige Gruppen, bei denen gesetzliche Rentenversicherung, sondern das DDR-Ren- es Nachjustierbedarf gibt. Deswegen haben wir einen tensystem. Antrag zur Verbesserung der Versorgung Geschiedener (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- gestellt. Wir hoffen, dass dieser Antrag eine Chance hat, SES 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund angenommen zu werden. Grundlage dieses Antrags ist [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Sie ha- nämlich ein Beschluss des Bundesrates, in dem die Grü- ben es vor den Baum fahren lassen!) nen bekanntlich nicht die Mehrheit haben. Der Bundes- rat hat am 24. September letzten Jahres beschlossen Dadurch wurden keine Ansprüche in der gesetzlichen – ich zitiere –: Der Bundesrat bittet die Bundesregierung Rentenversicherung aufgebaut. Es ist in der Tat eine nachdrücklich, eine befriedigende Lösung für die im große Leistung gewesen, trotzdem die DDR-Rente in Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 geschiedenen das Gesamtrentensystem zu überführen. Ehegatten herbeizuführen. – Sie, liebe Kolleginnen und (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) Kollegen von CDU/CSU und FDP, insbesondere die Ab- geordneten aus Ostdeutschland, haben gleich die Mög- Dass dies gelungen ist, liegt an der Umlagefinanzierung. lichkeit, mit dafür zu sorgen, dass auch der Bundestag (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das haben die Bundesregierung auffordert, eine Lösung herbeizu- wir auch gesagt, dass das eine Leistung war!) führen. Wir haben den Beschluss des Bundesrates ein- fach kopiert und dabei lediglich das Wort „bitten“ durch Nur durch sie war dies möglich. das Wort „auffordern“ ersetzt. Aber wir sagen wenigs- (B) (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tens, woher die Kopie kommt. und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordne- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ten der SPD und der FDP) Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Insofern kann man nicht sagen, dass jegliche Zusatzver- NEN]: Da wir es anmerken, ist es kein Pla- sorgung übernommen werden musste. Es war ein kom- giat!) plett anderes System. – Insofern ist das kein Plagiat, sondern wir haben das Es ist klar: Wenn man zwei Systeme zusammenführt, korrekt zitiert. dann gibt es immer einzelne Fälle, in denen sich Men- schen benachteiligt fühlen oder tatsächlich benachteiligt (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ist denn sind. Für die Betroffenen haben wir großes Verständnis. eine Fußnote dabei?) Es ist aber falsch, den ganzen Prozess 20 Jahre später Um es Ihnen besonders leicht zu machen, haben wir so- von vorne zu beginnen und alles neu zu überlegen. Des- gar eine identische Begründung verwendet. wegen halten wir die Generalüberholung, wie Sie sie mit Ihren 19 Anträgen vorschlagen, für falsch. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfrak- Wir meinen aber nicht, dass man alles beiseiteschie- tionen, tun Sie es Ihren Landesregierungen nach und ben und dagegen stimmen sollte, wie das die Koalitions- stimmen Sie unserem Antrag zu! fraktionen machen. Wir wollen vielmehr genau hin- Die Partei Die Linke beschäftigt sich wieder einmal schauen. Dabei müssen nach unserem Dafürhalten vor mit der Vergangenheit, nämlich mit der Situation von allen Dingen zwei Kriterien erfüllt sein: vor 20 Jahren und mit dem, was damals bei der Renten- Erstens. Die Gruppen, bei denen etwas getan werden überleitung vielleicht schiefgelaufen ist oder nicht. Des- muss, sind besonders benachteiligt worden. wegen möchte ich die restlichen anderthalb Minuten meiner Redezeit nutzen, um nach vorne zu gucken. Zweitens. Es muss gewährleistet werden – darauf hat der Kollege Schaaf in seiner Zwischenfrage schon hin- Im Koalitionsvertrag steht, es solle ein einheitliches gewiesen –, dass keine weiteren Ungerechtigkeiten ent- Rentenrecht geben. Ich habe gerade durch einen Zwi- stehen, etwa in der Form, dass Ostrentner anders als schenruf nachgefragt, wann da endlich etwas passiert. Westrentner behandelt werden. Das heißt, es muss sich Sicherlich gibt es beim zuständigen Bundesministerium um eine Benachteiligung gegenüber Westrentnern han- eine Rentenabteilung; sie hat sich sicherlich nicht nur deln, die gegebenenfalls ausgeglichen werden muss. mit Hartz IV befassen müssen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10453

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (A) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber die Gesetze ma- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) chen noch immer die Abgeordneten, oder?) Das Wort hat der Kollege Peter Weiß von der CDU/ CSU-Fraktion. Aber bisher gibt es da noch keine Initiative. Wenn in die- ser Legislaturperiode tatsächlich noch etwas passieren (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- soll, dann wird die Zeit dafür langsam knapp; denn die neten der FDP) Rentenversicherung braucht für eine solch umfangreiche Reform Zeit, um das zu implementieren. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Wir finden, dass es über 20 Jahre nach der deutschen Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Einheit endlich Zeit ist, dass der Rentenwert in beiden Man könnte geradezu das Lied „Alle Jahre wieder“ an- Landesteilen identisch ist und die Rente identisch be- stimmen – wenn es nicht noch zehn Monate bis Weih- rechnet wird. Das heißt, wir wollen ein einheitliches nachten wären –; denn alle Jahre wieder bekommen wir Rentenrecht für Ost und West. ungefähr die gleichen Anträge vorgelegt, Anträge, über die wir schon zigmal beraten haben, Wir wollen auch, dass in beiden Landesteilen der gleiche Lohn zu einem gleichen Rentenanspruch führt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es Wir werden den Menschen in Ostdeutschland gerecht, wird Zeit, dass Sie sich bewegen! Dann wenn wir sagen, ihr Lohn ist genauso viel wert wie im brauchte man das nicht!) Westen und nicht 20 Prozent weniger. zu denen wir mehrmals Fachexperten angehört haben (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wenn und die zu einem Großteil im Petitionsausschuss des die Löhne gleich hoch sind, dann ist es ja Deutschen Bundestages behandelt worden sind. Es ist okay!) schon verwunderlich, dass das Urteil der Rentenexperten zu den vorgelegten Anträgen offensichtlich von einer – Herr Birkwald, zu Ihrem Zwischenruf. Ich finde nicht, Fraktion permanent nicht zur Kenntnis genommen wird. dass man alle Ungerechtigkeiten dieser Welt im Renten- recht lösen muss. Wir müssen in Ost und West in der Tat (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und zu einer gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit kommen. der FDP) Natürlich brauchen wir einen flächendeckenden Min- Ich möchte Herrn Professor Ruland, immerhin Vorsit- destlohn, der in Ost und West gleich hoch ist, um da eine zender des Sozialbeirats, aus dem Jahr 2009 – damals Untergrenze zu finden. So muss man an die Lösung ge- haben wir unsere letzte Anhörung zu diesem Thema hen. durchgeführt – zitieren. Er hat damals festgestellt: Es hat (B) (D) Sie fordern ja auch nicht, dass Frauen für ihren Lohn zu der grundsätzlichen Regelung im Rentenüberleitungs- höhere Rentenansprüche bekommen sollen, weil Frauen gesetz keine Alternative gegeben. 25 Prozent weniger verdienen als Männer. Dazu sagen (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Es gibt immer wir: Wir brauchen die gleiche Bezahlung von Männern eine Alternative!) und Frauen und keine höheren Renten für Frauen wegen geringerer Löhne. Er führt dazu weiter aus: Bei der Rentenüberleitung mussten ja in sehr kurzer Zeit sehr verschiedene Systeme (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ge- zusammengeführt werden. Das Problem lag darin, dass nau! Das fordern wir schon ewig!) es in der damaligen Situation außerordentlich schwer So muss man darangehen. Man darf nicht alles im Ren- war, einen Überblick darüber zu bekommen, welche Re- tenrecht regeln. gelungen galten und welche Sondersysteme existierten. Man hat in dieser Zeit fast täglich neue Sondersysteme (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ entdeckt. Viele davon waren nicht einmal rechtlich kodi- DIE GRÜNEN) fiziert, dafür gab es kein Gesetz. Im Einigungsvertrag ist die Schließung der Sonderversorgungssysteme bis zum Stattdessen wollen wir eine Untergrenze, eine Garan- Dezember 1991 festgelegt worden. Eine Regelung, die tierente für Ost und West einführen. Jetzt sind die Ren- das rückgängig machte, stünde nicht in Übereinstim- ten im Osten höher. Wenn man jedoch alles zusammen- mung mit dem Einigungsvertrag. zählt, sieht man: Die Einkommenssituation im Osten ist jetzt schlechter als im Westen – anders als vor 20 Jahren, (Maria Michalk [CDU/CSU]: Genau!) als die Rentner im Osten die Gewinner der deutschen Das ist das Problem. Einheit waren. Mit einer solchen Garantierente schaffen wir tatsächlich einen Schutzwall gegen künftige Alters- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) armut, von der der Osten besonders betroffen sein wird. Aber Altersarmut gibt es, wie gesagt, nicht nur im Osten. Mit den Anträgen, die heute wieder zur Abstimmung Wir sollten viel mehr gesamtdeutsch denken, als das die gestellt werden, wird folgender Fakt vernebelt: Die Ren- Linke in ihren Anträgen tut. tenüberleitung im Zuge der deutschen Einheit war, ist und bleibt die größte sozialpolitische Solidarleistung der Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Deutschen, die es je gegeben hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 10454 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Peter Weiß (Emmendingen) (A) Hätten wir diese Rentenüberleitung nicht vorgenommen, In der Anhörung hat der Vertreter des Deutschen Ge- (C) dann würde heute der größte Teil der Rentnerinnen und werkschaftsbundes ausdrücklich auf einen Punkt hinge- Rentner im Osten Deutschlands in Armut leben. Das ist wiesen, der auch schon angesprochen worden ist. Die die Wahrheit. Vor diesem Schicksal haben wir sie mit der Frage, ob ein Bürger der ehemaligen DDR die aus einem Rentenüberleitung bewahrt. Sonderversorgungssystem zugesagte Leistung je einge- löst bekommen hätte, wird von den Linken klugerweise In diesem Zusammenhang möchte ich einen kurzen gar nicht beantwortet. Es ist offenkundig, dass eine Blick in die Vergangenheit werfen: bankrotte DDR den betreffenden Arbeitnehmerinnen (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Das hat und Arbeitnehmern die zugesagten Leistungen nie und Herr Rehberg schon gemacht!) nimmer als Rente hätte auszahlen können. Gerade einmal 30 bis 40 Prozent des durchschnittlichen (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gesine Arbeitseinkommens wurden in der ehemaligen DDR als Lötzsch [DIE LINKE]: Sie müssen einfach Rente ausgezahlt. Wenn wir dieses System beibehalten mal zur Kenntnis nehmen, dass es die DDR hätten, könnte die Mehrheit dieser Rentnerinnen und nicht mehr gibt! Darum geht Ihre Argumenta- Rentner nicht von dem Geld existieren. Sie würden in tion völlig an der Sache vorbei! – Gegenruf des Altersarmut leben. Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]: Warum ha- ben Sie die gute DDR denn nicht verteidigt? – (Maria Michalk [CDU/CSU]: Und eine Gegenruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE Grundsicherung gab es nicht!) LINKE]: Sie reden völlig an der Sache vor- Mit der Rentenüberleitung haben wir dafür gesorgt, dass bei!) die Rentnerinnen und Rentner in der ehemaligen DDR Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir, die Ko- im ersten Jahr der Wiedervereinigung rund 35 Prozent alition aus CDU/CSU und FDP, wollen ein gesamtdeut- einer Westrente erhielten; das war schon wesentlich sches einheitliches Rentensystem. Im Gegensatz zu mehr als das, was ihnen in der DDR ausgezahlt worden dem, was der Kollege Gysi vorgetragen hat, ist zu sa- wäre. Mittlerweile haben wir für die Rentnerinnen und gen: Wer ein einheitliches, gesamtdeutsches Rentensys- Rentner in den neuen Bundesländern ein Rentenniveau tem will – dieses wird ja von allen Beitragszahlerinnen in Höhe von 89 Prozent einer Westrente erreicht. und -zahlern akzeptiert, weil es gerecht ist –, der darf Die Rentenüberleitung hat für eine Sicherheit im Al- Sonderversorgungssysteme und Sonderregelungen nicht ter gesorgt, die sich viele Rentnerinnen und Rentner so- neu auflegen. wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu DDR-Zei- Vielen Dank. (B) ten überhaupt nicht hätten vorstellen können. Es ist (D) deshalb gegenüber der großartigen Solidarleistung, die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) im Wesentlichen von den Beitragszahlerinnen und Bei- tragszahlern erbracht wird, ungerecht, dass die Linke Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: jetzt verschiedene Sondersysteme aus alten DDR-Zeiten Das Wort hat jetzt der Kollege Ottmar Schreiner von wieder öffnen will. der SPD-Fraktion. Ich persönlich verstehe, dass sich diejenigen Arbeit- (Beifall bei der SPD) nehmerinnen und Arbeitnehmer, denen in der ehemali- gen DDR in Form eines Sondersystems eine Leistungs- zusage gemacht worden ist, ungerecht behandelt fühlen, Ottmar Schreiner (SPD): weil sie aus diesem Sondersystem jetzt keine Leistung Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erhalten. Aus Sicht dieser Menschen ist damit eine will zunächst als Vorbemerkung sagen, dass die Renten- Rechtsposition aufgegeben worden, die sie vermeintlich überleitung in den frühen 90er-Jahren, aus meiner Sicht hatten. Unser gesamtdeutsches Rentensystem kennt aber jedenfalls – ich war damals von sozialdemokratischer aus guten Gründen keine Sonderregelungen. Unsere Seite gemeinsam mit Regine Hildebrandt und Rudolf Rente ist lohn- und beitragsbezogen, und das gilt für alle Dreßler beteiligt –, einen herausragenden Beitrag zum Personengruppen. sozialen Frieden im vereinigten Deutschland geleistet hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Damit ist unser Rentensystem ein Rentensystem, das Gleiches gleich behandelt. Es ist insofern gerecht, weil Das kann man sagen, wohl wissend, dass es in der Folge nicht danach unterschieden wird, in welchem Beruf ein zu einer Reihe von Härtefällen und einer Reihe von Wi- Arbeitnehmer beschäftigt war. Die Lohn- und Beitrags- dersprüchen gekommen ist, die zum allergrößten Teil an- bezogenheit der Rentenversicherung ist die Grundlage gesichts der enormen Komplexität des Themas und an- der Solidarität und der Gerechtigkeit in unserem gesamt- gesichts der Eile, in der das Thema damals deutschen Rentensystem. parlamentarisch abgearbeitet werden musste, nicht ver- meidbar waren. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Aber zwi- schen Ost und West ist es doch etwas Unter- (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Herr schiedliches! Das haben Sie nicht begriffen!) Schreiner, Sie haben damals auch manchmal Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10455

Ottmar Schreiner (A) bei Herrn Seehofer nachgefragt: „Muss das so wir Anfang der 90er-Jahre große Probleme auf dem ost- (C) sein?“!) deutschen Arbeitsmarkt mit denkbar unkalkulierbaren Folgen hatten. Insofern war die Rentenversicherung ein – Bitte? Ich habe nicht ganz verstanden, was Sie gesagt Stabilisierungsfaktor. Das sollte sie auch zukünftig blei- haben. ben. (Anette Kramme [SPD]: Sie soll eine Frage (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten stellen!) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wollen Sie eine Frage stellen? Das geht ja schon früh Wenn man sich die Anträge der Linkspartei anschaut, los. so stellt man fest: Diese sind seit geraumer Zeit, auch wenn es kleine Korrekturen gibt, im Wesentlichen un- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: verändert. Ich habe mir das Protokoll der Anhörung vom Die Zwischenfrage ist bereits genehmigt. 30. April 2009 durchgelesen. Diese ist jetzt knapp zwei Jahre her. Auf diese umfängliche Anhörung des Aus- Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): schusses für Arbeit und Soziales komme ich gleich zu- Herr Schreiner, ich habe eine sehr hohe Achtung vor rück. Ihnen, weil ich weiß, dass Sie damals, als im Deutschen Zunächst einmal möchte ich aber sagen, worum es Bundestag in Bonn über die Rentenüberleitung beraten geht, weil diese Debatte für viele außerhalb des Parla- wurde – ich habe dabei in der hinteren Reihe gesessen –, ments völlig unverständlich ist. Es geht im Kern um die als Experte bei dem damaligen Staatssekretär Seehofer Probleme, die bei der Überführung der sogenannten Zu- häufig nachgefragt haben: Herr Seehofer, wie war das in satz- und Sonderversorgungssysteme der ehemaligen der DDR? Muss man heute diese Regelung so fällen? – DDR in die gesetzliche Rentenversicherung entstanden Da hat Herr Seehofer häufig gesagt: Nein, man muss das sind. Nach meinen Zahlen gab es in der ehemaligen nicht so machen; das ist Ihre politische Entscheidung. Es DDR etwa 61 dieser Zusatz- und Sonderversorgungssys- waren dann nicht Sie, sondern andere, die gesagt haben: teme, die teilweise außerordentlich unterschiedlich aus- Nein, das muss man so machen, weil das Privilegien des gestaltet waren. Es gab Systeme mit einer Beitrags- Ostens waren. Dieses Argument kam vor allen Dingen pflicht, und es gab Systeme ohne Beitragspflicht. Es von der CDU- und FDP-Seite. Können Sie bestätigen, bestand also eine extrem unübersichtliche Situation, was dass es damals so war, die Gesamtheit dieser Zusatz- und Sonderversorgungs- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Lassen Sie sich systeme anbelangte. nicht vereinnahmen! – Maria Michalk [CDU/ (B) Daraus mussten sich Probleme ergeben, weil natür- (D) CSU]: Lassen Sie sich nicht vereinnahmen! lich Kernelemente der gesetzlichen Rentenversiche- Sie waren viele Jahre an der Regierung!) rung, in die diese Sondersysteme überführt worden sind, dass Sie dies hinterfragt haben und auch nicht mit allem zu beachten waren. Darunter fielen die starke Beitrags- einverstanden waren? abhängigkeit der Leistungen und die Begrenzung der Anwartschaften entsprechend der Beitragsbemessungs- grenze. Es war völlig klar, dass Besonderheiten der sozi- Ottmar Schreiner (SPD): alrechtlichen Absicherung in der DDR nicht in dem Nein. Ich habe eben ganz bewusst gesagt, dass das Maße berücksichtigt werden konnten, wie das für einige Thema damals eine ganze Menge Konfliktstoff in sich Beteiligte wünschenswert gewesen wäre. Ebenso war barg. Dieser besteht zum Teil, wie man an der heutigen klar, dass es sozialpolitisch nicht in jedem Fall unbe- Debatte sieht, bis in die Gegenwart. Das ist angesichts denklich war, so zu handeln, weil damals die DDR-Bür- der enormen Komplexität und des hohen Schwierigkeits- ger wesentliche Entscheidungen in ihrem privaten und grads, zwei in Teilen sehr unterschiedliche Rentensys- beruflichen Leben mit Blick auf rentenrechtliche Rah- teme zusammenzubringen, auch nicht verwunderlich. menbedingungen getroffen hatten. Eine Reihe von soge- Das geschah übrigens in der Regel auf der Basis der nannten Härten wurde in der Folge durch die Rechtspre- westdeutschen gesetzlichen Rentenversicherung, ob- chung des Bundesverfassungsgerichts ausgeglichen. Ich wohl auch einige von uns der Meinung waren, man sage hier in aller Klarheit für die SPD: Falls dennoch in müsse einige damals im DDR-Rentensystem vorhandene einzelnen Bereichen Unterversorgung aufgrund der da- Ansätze, die durchaus mit dem westdeutschen System maligen Maßnahmen besteht, sind wir gerne bereit, den zusammenführbar gewesen wären, stärker berücksichti- Handlungsbedarf zu prüfen und die Probleme sehr gen. Das gilt insbesondere für die Verankerung von Min- schnell abzuarbeiten. destrenten im System; das ist nicht in dem Maße erfolgt, wie wir uns das vorgestellt hatten. Das ist ein Beispiel; (Beifall bei der SPD) ich könnte Ihnen eine Fülle von weiteren Beispielen nen- nen. Was bei der Anhörung aufgefallen ist, ist Folgendes: Es ist von den Vertretern der Linkspartei gesagt worden, All das hält mich nicht davon ab, in der Gesamtbe- die Sachverständigen, die sich damals gegen die Vor- wertung zu sagen: Die Zusammenführung der Systeme schläge der Linkspartei ausgesprochen haben, seien die auf der Grundlage der gesetzlichen Rentenversicherung Sachverständigen der anderen Fraktionen. Da machen stellt einen großartigen Beitrag zur Wahrung des sozia- Sie es sich viel zu einfach. Der Deutsche Gewerkschafts- len Friedens im gemeinsamen Deutschland dar, zumal bund, die Sozialverbände und die Deutsche Rentenversi- 10456 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Ottmar Schreiner (A) cherung sind keine Organisationen von irgendwelchen das verstärkt zu tun; das ist nichts Neues. Nur muss man (C) Fraktionen in diesem Haus. Das sind unabhängige Orga- dann natürlich konsequenterweise dazusagen, dass wir nisationen, die sich eine Einflussnahme strikt verbitten im bundesdeutschen Recht 1992 zum ersten Mal eine würden. Anrechnung von Pflegezeiten hatten und dass die von Ihnen begehrte Anerkennung auf Zeiten fällt, in denen Ich habe mir die Mühe gemacht, mir die schriftlichen westdeutsche Versicherte, die notwendige Pflegedienste Erklärungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes und leisteten, keinerlei rentenrechtliche Ansprüche erwer- der Sozialverbände, in Sonderheit die des Sozialver- ben konnten. Wenn man diese Zeiten anerkennen würde, bands Deutschland e. V., entlang dieser Anhörung etwas müsste man es für alle machen. Es macht keinen Sinn, genauer anzuschauen. Sie werden so gut wie keinen ein- eine isolierte Ostregelung zu forcieren, weil das in wei- zigen Vorschlag der Linkspartei finden, der von diesen ten Teilen des Westens auf großes Unverständnis stoßen Verbänden nicht deutlich kritisiert worden ist. würde. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Peter Weiß [Em- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: mendingen] [CDU/CSU]: So ist es!) Herr Kollege Schreiner, der Herr Kollege Gysi würde Es ist bedauerlich, dass die Linkspartei letztlich keinen Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. der Kritikpunkte, die von den Gewerkschaften und den Sozialverbänden angesprochen worden sind, aufgenom- Ottmar Schreiner (SPD): men hat und in veränderte Vorschläge einfließen ließ. Das abzulehnen, wäre jetzt wirklich merkwürdig. – Ich will einmal versuchen, das am Beispiel von zwei Bitte. Bereichen deutlich zu machen. Der erste Bereich – er wurde bereits vom Kollegen Gysi angesprochen – be- Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): trifft die Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwe- Herr Schreiner, es geht doch um folgendes Problem: sen der ehemaligen DDR, die besonders schlecht bezahlt Den Krankenschwestern etc. in der DDR war das doch worden sind. Offenkundig war es als eine Entschädigung versprochen worden, für die sehr schlechten Löhne gedacht, für diese Be- schäftigten im DDR-Rentenrecht einen Steigerungsfak- (Maria Michalk [CDU/CSU]: Warum denn?) tor von 1,5 einzuführen. Jedweder Steigerungsfaktor war dem westdeutschen Rentenrecht völlig fremd. weil sie zu geringe Löhne bekamen. – Moment! Das habe ich doch gesagt. – Deshalb war ihnen bei der Rente (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: In der ein Erhöhungsfaktor versprochen worden. Das war et- (B) Knappschaft! – Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: was, worauf sie sich bei der Arbeit verlassen hatten. (D) Bei der Knappschaft gibt es das auch!) Aber dann streichen Sie den Erhöhungsfaktor und sagen, – Bei der Knappschaft gibt es andere Regelungen; aber dass das westdeutsche Recht dies nicht kenne. So be- es gibt keine Steigerungsfaktoren, die generell in der ge- kommt man doch keine Vereinigung hin. Auch bei der setzlichen Rentenversicherung wirken. Das bundesdeut- Pflege hatten sie sich darauf verlassen, dass diese Zeiten sche Recht kennt diese Steigerungsbeträge nicht. als Rentenanwartschaftsjahre gelten. Aber dann sind sie einfach gestrichen worden. Verstehen Sie? Da ist doch Ein anderes Problem betrifft die Frage, ob die niedri- Vertrauen verloren gegangen. Diese Menschen sagen: gen Löhne im Gesundheitsbereich der ehemaligen DDR Ich habe immer gearbeitet, und das war mir zugesichert. heute rentenrechtlich noch korrigierbar sind und korri- Dann kommt die deutsche Einheit, und dann wird dieser giert werden sollten. Wenn man das macht, Kollege Faktor gestrichen. Gysi, dann muss man konsequenterweise hinzufügen, dass es damals auch in Westdeutschland Niedriglohnsek- (Manfred Grund [CDU/CSU]: Die DDR hat toren gab, wenn auch nicht in dem Ausmaße wie heute. sich verflüchtigt! Ihr habt euch davongemacht! Man müsste also auch für diese Bereiche im Nachhinein Ihr habt die Kasse mitgenommen!) eine spürbare Verbesserung bewerkstelligen, weil man sich ansonsten dem berechtigten Vorwurf aussetzte: Für Ottmar Schreiner (SPD): die einen tut ihr was, und die anderen lasst ihr links, Kollege Gysi, wir sind im Kern in dieser Frage nicht rechts oder sonst wo liegen. – Das ist politisch nicht so furchtbar weit auseinander. Wir sind in der Frage aus- durchzuhalten. einander, ob dieser Stabilisierungsfaktor, der nur im (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten DDR-Recht galt und vermutlich auch nur für ganz we- der CDU/CSU und der FDP) nige Bereiche – mir ist nicht klar, ob dies außerhalb des Gesundheitswesens noch für irgendeinen anderen Sektor Das zweite Beispiel, das ich im Zusammenhang mit galt –, der Logik nach in die Konstruktion der gesetzli- Ihren Anträgen nennen will, bezieht sich auf die Beseiti- chen Rentenversicherung mit Beitrags- und Lohnbezo- gung von Rentennachteilen für Zeiten der Pflege von Fa- genheit, mit Beitragsbemessungsgrenze usw. hineinpasst. milienangehörigen in der ehemaligen DDR. Das ist für Es bleibt aber das Kernproblem einer rentenrechtlichen mich ein besonders beeindruckendes Beispiel, weil ich Besserstellung von Leuten im Osten wie im Westen, immer zu denen gehört habe, die der Meinung waren, dass wir notwendige Pflegezeiten entsprechend honorie- (Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Nein, das ren müssen. Es gibt auch aktuell eine Debatte darüber, wollen wir nicht!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10457

Ottmar Schreiner (A) die in schlecht bezahlten Niedriglohnsektoren gearbeitet Ich sage Ihnen nochmals: Der beste Beitrag zur Be- (C) haben, und Lösungsversuche stoßen bei der SPD auf kämpfung drohender Altersarmut ist es, Menschen für ausgesprochen große Sympathien. anständige Arbeit anständig zu entlohnen. Das gilt für Ostdeutschland, aber auch für Westdeutschland. Wir (Beifall bei der SPD) wissen aus den Zahlen, die wir haben, dass in absehbarer Ich will dazu einen Kollegen der CDU zitieren, und Zeit 30 bis 40 Prozent der Männer in Ostdeutschland zwar den Kollegen Karl-Josef Laumann. Er ist inzwi- eine Rente unterhalb der Grundsicherung erwartet. Bei schen Fraktionsvorsitzender der CDU im nordrhein- den Frauen sind die Zahlen noch deutlich höher. Wir westfälischen Landtag und gleichzeitig Chef der Christ- kennen Zahlen aus Westdeutschland, nach denen sich die lich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Ich schätze Situation dort nicht ganz so dramatisch darstellt, wir es den Kollegen Laumann sehr. Er hat vor kurzer Zeit die aber auch dort mit wachsender Altersarmut zu tun be- Einführung der Rente nach Mindesteinkommen gefordert. kommen. Er sagte, ein Durchschnittsverdiener müsse 27 Jahre in Es ist kein Leben in Würde, wenn Menschen, die die Rentenkasse einzahlen, um die Grundsicherung zu jahre- und jahrzehntelang in die Rentenversicherung ein- bekommen. gezahlt haben, im Alter von der Sozialhilfe leben müs- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr sen. Deshalb besteht hier dringender Reformbedarf, weit richtig!) über die 19 Einzelpositionen aus den Anträgen der Lin- ken hinaus. Das sei nicht leistungsgerecht. Wer Jahrzehnte einge- zahlt habe, müsse mehr bekommen als jemand, der nie (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Beiträge überwiesen habe. Dazu kann ich nur sagen: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bravo! Das ist völlig richtig. – Der Grundsatz „Leistung Wir von der SPD haben uns vor einiger Zeit dazu ent- muss sich lohnen“ ist doch das Mantra, das die FDP pau- schieden, eine Kommission mit dem vorrangigen Ziel senlos vor sich herträgt. Der Grundsatz „Arbeit muss einzusetzen, Vorschläge für die Bekämpfung der drohen- sich lohnen“ muss für Arbeitnehmerinnen und Arbeit- den Altersarmut zu entwickeln. nehmer und auch später bei der Rente gelten. Das ist doch völlig unbestritten. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das tut die Re- gierung auch!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- Bei der einen oder anderen Frage werden die Probleme, SES 90/DIE GRÜNEN) die von der Linken dargestellt worden sind, mit aufge- griffen; das liegt auf der Hand. (B) Die Bekämpfung drohender Altersarmut, und zwar (D) nicht erst die im Jahr 2030 drohende Altersarmut, ist Lassen Sie mich zum Abschluss eine Bemerkung zu – über die 19 Anträge der Linkspartei hinaus – die ei- einem Thema machen, das in keinem unmittelbaren Zu- gentliche Herausforderung. Ich zitiere aus Welt Online sammenhang zu dem steht, worüber wir heute beraten. von gestern Morgen: Gleichwohl bin ich der Meinung, dass dieses Thema für alle Mitglieder des Hohen Hauses beschämend ist. Es Altersarmut wächst in Berlin rapide. geht um die Art und Weise, wie wir in den letzten Jahren In Berlin leben immer mehr ältere Menschen, und und Jahrzehnten rentenpolitisch mit ehemaligen DDR- die Älteren werden immer ärmer. Im Jahr 2009 wa- Flüchtlingen umgegangen sind. Das ist wahrlich kein ren in der gesamten Stadt mehr als 57 500 Men- Ruhmesblatt der deutschen Rentenpolitik. schen darauf angewiesen, zusätzlich zu ihrer Rente (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten eine Leistung der Sozialhilfe vom Staat zu bekom- der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND- men. NISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Rentenarmut wächst rapide. Das ist mit Ergebnis ei- Hier geht es zu erheblichen Teilen um Menschen, die bei ner Politik, die den Niedriglohnsektor – prekäre Be- Gefahr für Leib und Leben die damalige DDR verlassen schäftigungsverhältnisse – systematisch ausgeweitet hat. haben. Es waren Menschen, die teilweise mit erhebli- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Durch Ihre Poli- chen Repressalien fertigwerden mussten und sich ent- tik in Berlin!) schieden hatten, das Land zu verlassen. Die ehemaligen DDR-Flüchtlinge sind durch die Überleitungsgesetzge- – Es mag sein, dass auch wir da beteiligt waren. bung Anfang der 90er-Jahre deutlich schlechter gestellt (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Agenda worden. Vorher sind sie nach dem sogenannten Fremd- 2010!) rentengesetz behandelt worden und hatten sich – ähnlich wie andere aus der ehemaligen DDR – auf den Fortbe- Ich sage Ihnen nur: Wer erkannt hat, dass das ein Fehler stand dieser Regelung zu ihren Renten verlassen. Da war, und ihn korrigieren will, ist mir tausendmal lieber sind sie bitter enttäuscht worden. Teilweise mussten sie als Leute, die mit dem Kopf durch die Wand wollen, wie mit Einkommensminderungen von mehreren Hundert Sie, Herr Kolb. Euro rechnen. Ich glaube, es stünde dem ganzen Haus gut an, bei dieser Frage alsbald zu einer vernünftigen (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Lösung zu kommen. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. 10458 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Ottmar Schreiner (A) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ren immer wieder darauf hingewiesen: Man muss fest- (C) der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des stellen, dass es eine Herkulesaufgabe und eine Meister- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) leistung gesetzgeberischer, aber auch finanzieller Art war, zwei ganz unterschiedliche Rentensysteme zusam- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: menzuführen. Das Wort hat der Kollege Pascal Kober von der FDP- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Fraktion. der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Dass die Grundsatzentscheidung, das DDR-Rentensys- der CDU/CSU) tem in das bundesdeutsche Rentenversicherungssystem zu überführen, richtig war, bestreitet niemand. Auch na- Pascal Kober (FDP): tionale und internationale Gerichte bestätigen seit Jah- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ren, dass die Grundsatzentscheidung, im wiedervereinig- Lieber Herr Gysi, Sie haben Ihre Redezeit bedauerli- ten Deutschland ein einheitliches und gemeinsames cherweise nicht dafür genutzt, uns deutlich zu machen, beitrags- und lohnbezogenes Rentenrecht einzuführen, worin sich die Anträge in diesem Jahr von den Anträgen richtig war. vor zwei Jahren unterscheiden. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Lesen Sie CDU/CSU) sie mal!) Die Alternative wäre gewesen, dass bestimmte Ein- Insofern können Sie in der Tat nicht damit rechnen, dass zelregelungen des DDR-Rechts in das Sozialgesetz- Ihre Anträge, die die gleichen wie vor zwei Jahren sind buch VI hätten übertragen werden müssen, obwohl dies in vielen Fällen nicht passt und den Grundsätzen des (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Es sind Sozialgesetzbuchs VI widerspricht. Durch eine solche zumindest zwei mehr!) Übertragung von Einzelregelungen des DDR-Rentensys- und damals von der großen Mehrheit des Hauses abge- tems in das bundesdeutsche Rentenrecht wäre es im lehnt wurden, jetzt von der Mehrheit dieses Hauses an- Übrigen zu neuen Ungerechtigkeiten gekommen. Bei ei- genommen werden. nem so komplexen Projekt wie der Überführung zweier so komplexer Systeme zu einem gemeinsamen System (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dazwi- Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, ist unmöglich. schen war eine Bundestagswahl!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Für uns gilt in der Tat: Leistung muss sich lohnen. Das, (B) der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: (D) was Sie vorgelegt haben, ist aber keine parlamentarische Leider wahr!) Leistung. Deshalb wird die große Mehrheit dieses Hau- ses Ihre Anträge auch in diesem Jahr ablehnen. Wir müssen selbstverständlich auch beachten, dass die Umsetzung dessen, was in manchen Anträgen gefordert (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Was wird, bedeuten würde, dass wir Privilegien einzelner Be- wissen Sie, was Leistung ist!) rufsgruppen in der DDR gegenüber anderen Berufsgrup- Zweiter Punkt. Herr Gysi, Sie wollten in Ihrer Rede, pen in der DDR in unser heutiges gesamtdeutsches Ren- soweit ich ihr folgen konnte, tenrecht übernähmen. (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) Wir sollten festhalten: Die Integration des Rentensys- tems der DDR in das Rentensystem der Bundesrepublik an vielen Einzelbeispielen deutlich machen, warum die ist wahrlich eine große Leistung. Dadurch ist dafür ge- Überleitung der Renten, so wie sie geschehen ist, unge- sorgt, dass Millionen von Menschen im Alter einen Le- recht sein soll. Die meisten Beispiele bezogen sich auf bensstandard haben, der ihnen durch das DDR-Renten- die Frage von Fristen und Stichtagen. Nun ist es aber system nicht gewährt worden wäre. Wesen des Gesetzgebungsprozesses, dass wir mit Stich- tagen und Fristen arbeiten müssen. Es gäbe keine Wei- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten terentwicklung des Rechts, wenn wir nicht Stichtage und der CDU/CSU) Fristen setzen und diese dann auch anerkennen würden. Unbestritten gehören die Rentnerinnen und Rentner der Wenn wir dies nicht täten, würde nämlich immer altes ehemaligen DDR in ihrer Gesamtheit zu der Gruppe, die Recht gelten und neues Recht nicht möglich sein. finanziell gesehen am meisten von der Einheit profitiert Sie haben in Ihrer Rede versucht, die grundsätzlich hat. richtige Entscheidung zur Rentenüberleitung anhand ei- (Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) ner Fülle von Einzelbeispielen zu kritisieren. Schon zweieinhalb Jahre nach der deutschen Einheit (Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Grundsätzlich hatte sich der Wert der Rentenzahlungen für das Gebiet richtig!) der ehemaligen DDR mehr als verdreifacht. Das ver- Sie versuchen nach wie vor, das Vertrauen in diese deutlicht die große Leistung, die damals insgesamt er- grundsätzliche Entscheidung zu erschüttern. Ich möchte bracht worden ist. Ohne die Überleitung der Renten wür- dazu etwas Grundsätzliches sagen. Die Redner haben in den die Rentnerinnen und Rentner im Osten der dieser Debatte, aber auch schon in den vergangenen Jah- Republik heute fast alle in Armut leben. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10459

Pascal Kober (A) Trotzdem sehen wir als FDP durchaus Handlungsbe- Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) darf. Die FDP tritt dafür ein – Herr Kolb hat es schon Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ausgeführt –, dass wir den Menschen über eine günstige Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion gerieren Nachversicherungslösung auf freiwilliger Basis eine sich heute wieder einmal als Rächer der Enterbten und Perspektive geben, um manche individuellen Härten ab- tun so, als ob sie die Einzigen wären, die sich um die zumildern. Rentnerinnen und Rentner im Osten kümmern. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Wovon sol- (Zurufe von der LINKEN: Machen wir doch len die sich denn nachversichern?) auch! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Vorredner heute und in vergangenen Debatten zu diesem Stimmen Sie zu! Dann sind Sie dabei!) Thema haben stets betont, wie schwierig eine gerechte Vergessen wird, wie die Lage der Rentnerinnen und Rent- Lösung ist. ner in der DDR war. Zu Beginn der Debatte wurden schon (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) einige Zahlen genannt; ich möchte noch einige nennen. Anfang der 60er-Jahre lag das Rentenniveau bei etwa Im Koalitionsvertrag haben FDP und CDU/CSU festge- 27 Prozent des Bruttoarbeitseinkommens. Von 1972 bis halten, dass wir das Rentensystem von Ost und West zum Ende des Jahrzehnts stieg die Mindestrente von vereinheitlichen werden. Persönlich habe ich die Hoff- 160 Mark auf 270 Mark. 1989 beschloss die SED, den nung, dass wir im Zuge dieses Verfahrens zahlreiche Mindestsatz von 300 Mark auf 330 Mark anzuheben. Im Einzelfragen der Rentenüberleitung erneut behandeln Juni 1990 betrug die durchschnittliche Ostrente 475 DDR- und abschließend beantworten können. Mark. Vier Jahre später lag sie bei 1 200 D-Mark. (Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) (Zuruf von der CDU/CSU: Durchschnittlich!) Wir können bei diesem Thema keine Einzelfallge- – Durchschnittlich. rechtigkeit schaffen, auch wenn das wünschenswert wäre. Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Linken, Es ist beschämend, wie die Menschen in der DDR be- machen es sich bei diesem Thema wieder einmal viel zu handelt wurden. Zahlreiche Rentnerinnen und Rentner einfach. Die Lösung des Problems liegt für Sie darin, waren aufgrund des geringen Rentenniveaus gezwun- einfach allen Forderungen einzelner Berufsgruppen pau- gen, nach Eintritt in das Rentenalter weiter zu arbeiten. schal und vollkommen nachzugeben. Dies kann aber Man sollte sich genauso vor Augen halten, unter wel- wieder zu neuen Ungerechtigkeiten zwischen den ver- chen Bedingungen die Menschen gelebt und gearbeitet schiedenen DDR-Erwerbsbiografien und den daraus re- haben. (B) sultierenden Rentenansprüchen führen. Wir dürfen nicht Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Linken, haben (D) versuchen, Einzelfallgerechtigkeit herzustellen; denn zum Beispiel auch einen Antrag für die Bergleute aus das würde zu neuen Ungerechtigkeiten führen. der Braunkohleveredelung eingebracht. Ich komme aus (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: dem Süden von Leipzig, einer Landschaft, die früher Quatsch!) – auch jetzt noch – stark von der Braunkohleindustrie geprägt war. Ich weiß, wie die Lebensbedingungen und Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei, man Arbeitsbedingungen der Menschen dort waren. Es wurde sollte bei diesem Thema vielleicht auch darüber nach- in den Betrieben keinerlei Rücksicht auf die Menschen denken, dass heutzutage viele Menschen aus der ehema- genommen. ligen DDR eine geringere Rente erhalten, weil ihnen aus politischen Gründen durch das System der DDR eine (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist das bessere Ausbildung oder bessere Berufschancen unter- Schlimme!) sagt oder vorenthalten wurden. Deshalb können Sie sich doch jetzt hier nicht als Retter (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – darstellen. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Guter As- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Quatsch!) pekt!) Die SED war doch damals dafür zuständig. Das muss man in diesem Zusammenhang ansprechen, auch wenn wir die Ungerechtigkeit des DDR-Systems (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP nicht durch unser Rentenrecht im Nachhinein rückgän- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gig machen können. Ich persönlich finde das schmerz- lich, kann an dieser Stelle aber nur in Erinnerung rufen, Die Betriebe wurden bankrottgefahren, und jetzt stellen wo die Zuständigkeiten für dieses Unrecht liegen. Sie sich so hin, als seien Sie überhaupt nicht schuldig. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Diana Golze [DIE LINKE]: Die DDR gibt es gar nicht mehr!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) – Die DDR existiert zum Glück nicht mehr. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das müs- Das Wort hat die Kollegin Monika Lazar vom Bünd- sen Sie sich einmal merken, dass sie nicht nis 90/Die Grünen. mehr existiert! Unsinn, niveaulos!) 10460 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Monika Lazar (A) Nach der Ablehnung Ihrer Anträge im Jahr 2009 ha- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) ben Sie im Bundestagswahlkampf ein Flugblatt ge- Das Wort hat der Kollege Max Straubinger von der macht. CDU/CSU-Fraktion. (Zuruf von der LINKEN: Das machen wir (Beifall bei der CDU/CSU – Katja Kipping wieder!) [DIE LINKE]: Ich habe mich gemeldet!) Die Kolleginnen und Kollegen der ostdeutschen Länder – Das ist zu spät. Ich habe Herrn Straubinger schon auf- können sich sicherlich gut daran erinnern. Ich habe die gerufen. sächsische Version davon mitgebracht. Max Straubinger (CDU/CSU): ( [DIE LINKE]: Super! Das Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! machen wir wieder!) Ich möchte eine Vorbemerkung machen: Das Renten- – Bitte nicht vorher lachen. – Wissen Sie, Kolleginnen überleitungsgesetz war und ist für die Menschen in der und Kollegen von der Linken, wer genauso gestimmt hat ehemaligen DDR ein großer Erfolg. Es gibt ihnen eine wie Sie? Henry Nitzsche, ehemaliger Rechtsausleger der materielle Sicherheit im Alter, die in der DDR nie mög- CDU, später fraktionsloser Abgeordneter im Deutschen lich war und nie möglich gewesen wäre. Trotz aller Son- Bundestag und jetzt im nationalkonservativen Lager in derversicherungssysteme und Zusatzsysteme wäre diese Sachsen unterwegs. Sind das wirklich Ihre Mitstreiter? materielle Sicherheit für die Menschen in der ehemali- gen DDR nie erreicht worden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) LINKE]: Was können die Rentner dafür? – Auch unter sozialpolitischen Gesichtspunkten hat das Weitere Zurufe von der LINKEN) Rentenüberleitungsgesetz einen großen Beitrag geleistet. Es hat nämlich – das ist die soziale Komponente – zum – Wir sehen das Problem durchaus differenziert. Mein Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands, von Kollege hat schon gesagt, dass wir bei einigen in den Ost und West, beigetragen. Hinter diesem Erfolg stehen Anträgen angesprochenen Punkten durchaus Verände- die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler und die Steu- rungsbedarf sehen. erzahler in unserem Land, die die Grundlage dafür Die DDR-Geschiedenen sind bereits angesprochen schaffen, dass die Leistungen, die den Menschen über worden. Ihr Verein ist sehr aktiv, und ich persönlich habe das Rentensystem zuteilwerden, erbracht werden kön- auch sehr gute Kontakte und unterstütze ihn. Die DDR- nen. (B) (D) Geschiedenen haben – das richtet sich an die Kollegin- Natürlich ist es immer möglich, für Verbesserungen nen und Kollegen von den Regierungsfraktionen – übri- für vermeintlich Benachteiligte einzutreten, wie die gens auch Beistand von europäischer Ebene bekommen. Fraktion Die Linke dies heute wieder darzustellen ver- Sie klagen jetzt beim Europäischen Gerichtshof für sucht. Damit will sie sich in der Öffentlichkeit bei Perso- Menschenrechte, und auch der CEDAW-Ausschuss, also nenkreisen, die sie begünstigen will, anbiedern. Diese der UN-Überprüfungsausschuss zur Bewertung der Dis- Menschen sollen glauben, dass die Linke die aus ihrer kriminierung der Frauen, will sich der Sache annehmen. Sicht berechtigten Ansprüche hier einbringt. Ich möchte Wir hatten schon in der letzten Wahlperiode einen An- schon herausstellen, dass es in der DDR aufgrund eines trag dazu eingebracht. Heute steht ein Antrag zur Ab- Unrechtssystems zu diversen Sonderzulagen und Son- stimmung, der – mein Kollege hat das schon angedeutet – derzusagen gekommen ist. Ich habe mir berichten lassen, vom Bundesrat übernommen wurde. Wir würden uns dass die Menschen in der ehemaligen DDR es ebenfalls wirklich sehr freuen, wenn insbesondere für diese als große Ungerechtigkeit empfunden haben, dass die In- Gruppe Abhilfe geschaffen wird. Es gibt eine Rege- telligenzrente wesentlich höher war, die Beitragszahlun- lungslücke, und wir müssen einer größeren Gruppe Be- gen dafür niedriger. Das können wir in einem bundes- troffener gerecht werden und sollten nicht erst auf die deutschen Rentensystem nicht fortführen. europäische Rechtsprechung warten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Eine langfristige Lösung ist, wie viele Rednerinnen der FDP) und Redner zu Recht schon gesagt haben, mit den Anträ- gen der Linksfraktion natürlich nicht zu erreichen. Wir Das Rentenüberleitungssystem ist gelungen, und deshalb müssen uns gemeinsam mit allen Fraktionen bemühen, lehnen wir Ihre Anträge zu den einzelnen Bereichen ab. endlich ein einheitliches Rentensystem zu schaffen. Es ist entscheidend, dass wir der Öffentlichkeit unser Viele Bundesregierungen in der Vergangenheit haben Rentensystem erklären. Wir müssen immer wieder sa- sich das schon vorgenommen. Bisher ist es leider nicht gen, dass Beitragszahlungen die Grundlage dieses Sys- geglückt. Wir sind sehr gespannt, was die aktuelle Bun- tems sind und Ansprüche auf diese Art und Weise erwor- desregierung vorlegen wird. Vielleicht schaffen wir es ja ben werden. In der ehemaligen DDR gab es den von der in dieser Wahlperiode, zu einem einheitlichen System zu Linken heute so sehr bekämpften Niedriglohnsektor. Er kommen, das diesen Namen auch verdient. wurde so begründet: Ihr bekommt zwar jetzt niedrige Vielen Dank. Löhne, aber dafür später eine höhere Rente. Die Leis- tung der Arbeit sollte sozusagen erst in der Zukunft be- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lohnt werden. Auch das ist ein eigenartiges System ge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10461

Max Straubinger (A) wesen. Wir kämpfen dafür, dass der entsprechende Lohn ist, an gerechten Lösungen in unserem Rentensystem (C) sofort ausgezahlt wird. Wir verweisen nicht auf die Zu- mitzuarbeiten. kunft. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auch daran wird die Ungerechtigkeit des DDR-Systems deutlich. Diese Ungerechtigkeit wollen Sie, verehrte Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kolleginnen und Kollegen von der Linken, im deutschen Rentensystem fortführen. Auch deshalb lehnen wir diese Das Wort hat jetzt der Kollege Frank Heinrich von der Anträge ab. CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Heute wurde wieder vorgetragen, dass es zukünftig mehr Altersarmut geben würde. Natürlich gilt es, das zu Frank Heinrich (CDU/CSU): beachten, und natürlich lohnt es sich auch, sich damit auseinandersetzen. Ich möchte aber daran erinnern: Ich Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und komme aus einem Landstrich, in dem die Löhne nach Kollegen! Ich bin sehr dankbar, dass ganz am Anfang dem Zweiten Weltkrieg grundsätzlich niedrig waren. Er der Debatte ein Kollege von mir, Herr Rehberg, mit fol- ist ausschließlich landwirtschaftlich geprägt, ohne indus- gender Frage begonnen hat: Woher kommen wir? In der trielle Arbeitsplätze. In Niederbayern fand der Auf- ganzen Debatte sind wir immer wieder zu dieser Frage schwung erst in den 70er-/80er-Jahren statt. Letztendlich zurückgekehrt. Wo beginnt denn die Überleitung, die im würde das bedeuten, dass in diesem Landstrich alle Titel dieser Debatte steht? Ich möchte den Bogen span- Menschen der Altersarmut anheimgefallen sind, weil in nen. Bei einer Überleitung denkt man an eine Brücke. den Jahrzehnten nach dem Krieg nur geringe Löhne er- Wenn es ein Woher gibt, dann muss es auch ein Wohin wirtschaftet werden konnten. Es gab Perioden, in denen geben. Ich bin dankbar, dass Sie, Frau Lazar, gesagt ha- in einzelnen Landkreisen eine Arbeitslosigkeit von ben: Wir wollen eine Perspektive, wohin das führen soll. 40 Prozent und mehr geherrscht hat, insbesondere im Zu den Anträgen von Ihnen, von den Linken, ist viel Winter, weil mit der Landwirtschaft viele Saisonberufe gesagt worden, nicht erst heute und, wie Kollege Kolb verbunden sind. Trotzdem hat unser Rentensystem es zu- gesagt hat, wahrscheinlich nicht zum letzten Mal. Die stande gebracht, dass wir keine höhere Altersarmut zu 19 Anträge sind unseres Erachtens nicht im ureigensten verzeichnen haben als vielleicht das Ruhrgebiet. Das Interesse der Gruppen, für die Sie hier sprechen. Das (B) zeigt sehr deutlich, dass die beste Grundlage gegen Al- Vorgehen wird kaum einer der Gruppen – manche sagen (D) tersarmut in unserem Land Arbeitsplätze sind. Es lohnt uns das sogar – gerecht. Da wird instrumentalisiert, und sich, hier dafür einzutreten. es riecht nach seltsamen Motiven. Herr Gysi, wenn Sie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- hier sagen, dass der Grund, keinen Antrag bezüglich der neten der FDP) Flüchtlinge zu stellen, der ist, dass diese gern gemein- sam etwas machen wollen, dann muss ich darauf hinwei- Geringere Rentenansprüche sind oft verbunden mit sen, dass ich das auch schon von anderen Gruppen ge- hoher Arbeitslosigkeit, wie sie zum Beispiel in der Ver- hört habe. Diese dürften Sie dann auch nicht vertreten. gangenheit bei Rot-Grün geherrscht hat. Damals gab es 5 Millionen Arbeitslose, heute sind es nur noch 3 Millio- Am Ende kann die Linke letztlich allen diesen Grup- nen Arbeitslose; aber auch das sind 3 Millionen Arbeits- pen sagen, dass sie sich für sie eingesetzt hat. Frau lose zu viel. Deshalb ist es hier mitentscheidend, nicht Schmidt, Sie haben vollkommen recht: Das ist ein Stück bessere Versprechungen gegenüber den Menschen zu weit Populismus. Wir hören – wir haben miteinander machen, sondern daran zu arbeiten, dass wir Arbeits- darüber gesprochen – aus den Gruppen andere Einstel- plätze, dass wir sozialversicherungspflichtige Beschäfti- lungen dazu. Es ist inzwischen zur Genüge gesagt wor- gungsverhältnisse haben, durch die die Menschen hohe den, dass es eine große gesellschaftliche Leistung ist, die Rentenansprüche erwerben. ihresgleichen sucht. Die Komplexität der Lösung, die dann noch nötig sein kann, kommunizieren Sie nicht, Ein Letztes, verehrte Damen und Herren. Kollege weil es viel zu schwierig ist, das in drei Sätzen zu sagen. Schreiner hat auf ein Problem hingewiesen, das mit dem Herr Schreiner, da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Da Fremdrentengesetz und den Flüchtlingen aus der ehema- sind die 63 Zusatz- und Sonderversorgungssysteme. Da ligen DDR und der damit verbundenen Bewertung dieser ist die juristische Realität, die vielem davon im Weg Zeiten zu tun hat. Wir haben entsprechende Petitionen steht. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfas- im Bundestag. Es gilt, diese Petitionsverfahren abzuwar- sungsmäßigkeit bestätigt. Die UN-Menschenrechtskom- ten. Ich glaube nicht, dass wir dies so einfach lösen kön- mission ist damit befasst worden und hat dem Ganzen nen. Wir müssen aufpassen, dass wir keine neuen Tatbe- stattgegeben. Der Europäische Gerichtshof hat gesagt: stände der möglichen Ungerechtigkeit schaffen. Deshalb Das ist so nicht widersprüchlich. Es gibt die Grundsätze gilt für uns, dies alles sehr sachgerecht zu beurteilen, des Bundessozialgerichts und rentenrechtliche Regelun- aufzunehmen und natürlich auch in einem parlamentari- gen im SGB. So viele Dinge muss man dazusagen, wenn schen Verfahren darüber zu diskutieren. Hier sind alle man solche einfachen Forderungen – polemisch, wie ich eingeladen, weiterhin, wenn es notwendig und möglich meine – nutzen möchte. 10462 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Frank Heinrich (A) Auch die Fachleute, die auch Sie in den Anhörungen tigkeiten schaffen. – Gestern fiel in einem weiteren Ge- (C) gehört haben, waren eindeutig. Dazu gab es Bedingun- spräch auch der Begriff der Minimalstungerechtigkeit, gen und Prinzipien, über die wir nicht einfach springen die wir anstreben. Ich glaube, wir sind mit den momenta- dürfen: Der Gleichheitsgrundsatz – wir haben hier von nen Möglichkeiten nah an sie herangekommen. Wir wol- Ost und West gesprochen – muss auf beiden Seiten ge- len schauen – das ist unsere Haltung als Koalition; das währleistet sein – Herr Schaaf, das haben Sie in Ihrer ist deshalb auch im Koalitionsvertrag verankert –, dass Zwischenfrage erwähnt –, der Grundsatz der Lohn- und wir so nah wie möglich an die Grundsätze der Gerechtig- Beitragsbezogenheit ist ein hohes Gut in unserem Land, keit herankommen. Aber da gibt es die Grenze des Ein- die Systematik der auch schon vorher bestehenden zelfalls. Diese Grenze kann das Gesetz nicht überwin- Rechtsverordnungen und die Vorgaben im Einigungsver- den, schon gar nicht bei einem so starken Bruch in der trag, darüber können wir uns nicht einfach hinwegset- deutschen Geschichte, einschließlich der Fehler, die zen. Ich halte es für polemisch, dass Sie das einfach tun auch noch danach – wohlgemerkt: danach – gemacht und so einfach kommunizieren wollen. wurden. Ich denke, an der Minimalstungerechtigkeit sind wir nahe dran. Die Frage, die sich mir stellt, lautet: Wie ernst neh- men Sie dieses Anliegen tatsächlich? Wenn einzelne Jetzt gibt es noch Möglichkeiten des Weiterdiskutie- kleine Nachbesserungen nötig sind, dann sind wir bereit, rens. Sie von der Opposition redeten vorhin von einer daran mitzuarbeiten. Die meisten der Forderungen sind Fondslösung, die die größten Schwierigkeiten und die allerdings realitätsfern, insbesondere wenn Sie – da bin größten Schärfen, die durch die Gesetze passiert sind, ich mir mit den Kollegen von der SPD einig – Anträge auszugleichen versucht. Wir setzen uns da zusammen; für Personengruppen mit großer Nähe zum Staat, wie das haben wir schon vereinbart. Wie diese Fondslösung man das allgemein sagen kann, formulieren. aussehen könnte und ob es eine Fondslösung geben wird, kann ich noch nicht sagen. Eines noch ganz persönlich zur Debattenkultur, zur politischen Auseinandersetzung. Sie stellen sich hier hin Insgesamt betrachtet unterstreiche ich noch einmal: und fordern, dass wir alle gemeinsam so entscheiden sol- Es war eine gewaltige gesellschaftliche Leistung, das hat len – als ob Sie diese Anliegen vertreten! Ich verstehe sich immer wieder gezeigt; das haben auch Sie an einer nicht, dass sich, seit ich der Sprecher bzw. der Berichter- Stelle in Ihrem Antrag – fairerweise muss ich das sagen – statter meiner Fraktion im Bundestag zu diesem konkre- geschrieben. Aber die wirtschaftlichen Fehler von vor ten Thema bin, nicht einer von Ihnen mit mir zusammen- der Wende, die sich in unzähligen Lebensläufen, in die gesetzt und gesagt hat: Das Anliegen ist uns so wichtig, widerrechtlich eingegriffen wurde, niedergeschlagen ha- dass wir hier gemeinsam etwas bewegen sollten. – Kein ben, kann man heute trotz aller rechtmäßigen Bestrebun- (B) Versuch Ihrerseits, Gespräche dieser bilateralen Art zu gen nicht einfach ausgleichen. Ungerechtigkeit kann (D) führen. Das ist bei den anderen Fraktionen anders gewe- man nicht gegen Gerechtigkeit aufwiegen, auch ein de- sen. Ob das wirklich ein Anliegen um der Sache willen mokratischer Rechtsstaat kann das nicht. ist, möchte ich zumindest bezweifeln. Ein zweiter Gedanke. Nachdem ich die Frage gestellt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: habe, inwiefern es Ihnen hier um Quantität – 19 Anträge – Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen. anstatt um Qualität geht, stellt sich auch die Frage nach dem Wort „gerecht“. In all Ihren Anträgen kommt das Frank Heinrich (CDU/CSU): Wort „gerecht“ vor. Ich komme zum Ende. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Fragen Sie sich nicht, warum Ihnen keiner von Ihren eige- Unser Anliegen: Woher, wohin? Wohin wollen wir? nen Leuten mehr zuhört? Kein Einziger hat ein Wir wollen zu einem einheitlichen Rentenrecht kom- einziges Mal geklatscht!) men. Dazu haben wir uns bekannt, deshalb werden wir uns auch mit Ihnen auseinandersetzen; Herr Streng- Durch die Wende – das haben Sie an keiner Stelle ver- mann-Kuhn, Herr Schaaf, Sie haben darauf hingewiesen. schwiegen; das habe auch ich in meinen Reden hier ex- Wir unterstützen dieses Bestreben. Allerdings dürfen be- plizit gesagt – sind Ungerechtigkeiten passiert – Sie ha- stimmte Gruppen nicht erneut benachteiligt werden. Wir ben das von uns an verschiedenen Stellen gehört –: gehen das an; wir werden in diesem Jahr damit begin- durch Stichtage – Herr Kober hat das gesagt –, durch nen. Fristenregelungen. Und doch sind wir in unserem Rechtssystem an diese Regeln gebunden. Welche Ge- Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. rechtigkeit spielen wir gegen welche aus? Generationen- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gerechtigkeit? Einzelfallgerechtigkeit? Wir brauchen Rechtssicherheit für die kommenden Generationen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Gestern telefonierte ich mit einer Frau in ungefähr Das Wort hat jetzt als letzte Rednerin zu diesem Ta- meinem Alter. Sie sagte mir in etwa Folgendes: Egal wie gesordnungspunkt die Kollegin Maria Michalk von der wir in dieser zugegebenermaßen verfahrenen und teil- CDU/CSU-Fraktion. weise ungerechten Situation entscheiden, wir werden wegen der Komplexität immer wieder neue Ungerech- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10463

(A) Maria Michalk (CDU/CSU): gibt, der Scheidung zugestimmt, weil das für sie der bes- (C) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sere Weg für die Zukunft war. Normalerweise bin ich eine begeisterte Anhängerin der Wer meint, man könne jedes Einzelschicksal mit ei- Volksweisheit: Wiederholung ist die Mutter des Er- nem Grundsatzsystem korrigieren, der verkennt, was Po- folgs. – Aber die Rentenantragsserie der Linken zeigt litik leisten kann. Wir bemühen uns in unseren Diskussi- ganz deutlich, dass dieser Ansatz dann nicht stimmt, onen durchaus, Brüche zu erkennen und Lösungen zu wenn bei der Lösung des Grundproblems einfach an der finden. Ich halte in diesem Zusammenhang nichts davon, falschen Stelle angesetzt wird. immer nur Durchschnittszahlen zu zitieren. Sie sind in- Sie fordern mit Ihren Anträgen – dabei hangeln Sie terpretationswürdig; in manchen Statistiken werden Be- sich an den einzelnen Sachverhalten entlang, und das rufsgruppen involviert – zum Beispiel Ingenieure oder zum wiederholten Male – eine gründliche Überprüfung Ärzte –, die nach heutigem Recht eigene Versorgungs- und Korrektur der Rentenüberleitung. Das – das ist in werke haben. Insofern kann man nicht jede Statistik kor- der Debatte sehr deutlich geworden – ist nach fast rekt miteinander vergleichen. Das führt zu einem fal- 20 Jahren der Überleitung in eine beitrags- und lohnbe- schen Ansatz. zogene Rentensystematik einfach der falsche Ansatz. Sie Uns ist wichtig, dass man jetzt nicht so tut, als ob wir können noch so viele Anträge stellen, Sie werden nie- mit unseren vielfältigen Bemühungen in diesem komple- mals unsere Zustimmung dazu bekommen. xen Prozess der Überführung dieses Wirrwarrs von Ren- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- tensondersystemen Probleme verursacht hätten. Dazu ist neten der FDP) es aufgrund des Systems gekommen, das diejenigen zu vertreten haben, die die Anträge stellen. Es geht nicht, Denn Politik ist nicht, das Wünschenswerte zu formu- dass Sie erst die Sozialsysteme an die Wand fahren, lieren und die anderen für die Umsetzung bezahlen zu quasi das Haus anbrennen und sich jetzt wiederholt zum lassen. Das war gelegentlich – nach Gutsherrenart – die Feuerwehrmann aufspielen. Das funktioniert nicht. Methode der alten SED-Regierung. Unser Prinzip heißt, das Wünschenswerte mit dem Machbaren zu verglei- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- chen, sich am Realistischen zu orientieren und das dann neten der FDP) durchzusetzen. Deshalb sage ich es noch einmal ganz konkret: Dass (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wir uns bemühen, merken Sie doch; das war auch in der der FDP) rot-grünen Regierungszeit so. Als es zum Beispiel um das Problem ging, eine Regelung für die geschiedenen (B) Die politische Grundsatzentscheidung war damals auf Ehefrauen zu finden, hat es eine interministerielle Ar- (D) dem Weg zur deutschen Einheit richtig. Wir müssen uns beitsgruppe gegeben. Von den Anhörungen der Experten noch einmal in Erinnerung rufen: Das Rentenniveau lag wurde schon gesprochen. Auch die Länder waren an die- damals bei 40 Prozent; und jetzt liegt es bei 88, 89 Pro- ser Abstimmung und an der interministeriellen Arbeits- zent. Wer meint, das sei keine besondere Leistung, der gruppe beteiligt. Sie haben eben kein Ergebnis vorlegen verkennt die gesamtdeutsche Solidarität, für die ich mich können, das politisch diskutiert und beschlossen werden hier noch einmal ausdrücklich bedanken möchte. konnte, weil es neue Ungerechtigkeiten bedeutet hätte. Deshalb ist die Lösung nicht so einfach. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich sage Ihnen – ich habe von diesem Pult aus ja wie- derholt zu diesem Thema gesprochen –: Ich verkenne natürlich auch nicht, dass es bei Stich- tagsregelungen, die im politischen Geschäft normal und (Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Leider!) manchmal nicht abwendbar sind, auch Einzelschicksale gibt, die einem in der Seele leidtun. Aber im Osten – das Wir erkennen, dass sich das Prinzip „Wer arbeitet, soll war dort die Realität – gab es ein System ohne rote Li- mehr Lohn haben als jemand, der nicht gearbeitet hat“ nie. Herr Gysi, es wird Ihnen nicht gelingen, die Grund- im Grunde genommen in der Rente widerspiegeln muss. sätze des Einigungsvertrages durch die Hintertür aufzu- Klar haben wir die Grundsicherung im Alter. Das ist ein heben. Rechtsanspruch. Aber wir sind uns einig: Es ist nicht ge- rade sehr bequem, das zu beantragen. Ich kenne vor allen (Beifall bei der CDU/CSU) Dingen viele Frauen, die sich schwertun, diesen Antrag zu stellen. Ich sage aber immer wieder: Das ist ein Ich nenne einmal das heute schon mehrfach ange- Rechtsanspruch. führte Beispiel der Krankenschwester. Ich frage mich: Wieso mussten in den meisten Fällen die Frauen zu ei- Die Kommission, deren Einsetzung wir in unserem nem so niedrigen Lohn diese ganz schwere Arbeit ver- Koalitionsvertrag beschlossen haben, wird dieses Ge- richten? Es gab damals noch keine Pflegebetten oder samtbild betrachten, weil das dann nicht mehr alleine Badewannen mit Lift. Erinnern Sie sich an die damali- nur ein ostdeutsches Problem ist. Ich bitte Sie herzlich, gen Zustände: Das war eine äußerst schwere Arbeit in dafür Verständnis zu haben, dass wir bei unserer Grund- Schichten. Die meisten Frauen haben nebenbei Kinder satzhaltung bleiben, weil sie von Fachexperten, in vielen erzogen, und wenn es ganz dicke kam, dann hatten Sie Anhörungen und von Gerichten bestätigt worden ist. Ar- auch noch einen Mann, der sie betrogen hat. Dann haben beitsminister aller Couleur in diesem Haus haben keine sie oft, wissend, dass es keinen Versorgungsausgleich Patentlösung vorlegen können. Das ist der Beweis dafür, 10464 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Maria Michalk (A) dass das ein sehr schwieriger Prozess ist, dem wir uns Gibt es noch Mitglieder des Hauses, die ihren Stimm- (C) stellen werden. Darüber freue ich mich. zettel nicht eingeworfen haben? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Wir werden hier wiederholt darüber diskutieren, aber Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh- nicht auf der Grundlage Ihrer Anträge, sondern wir ge- lung zu beginnen. hen das Gesamtpaket an. Ich darf die Kolleginnen und Kollegen bitten, sich Herzlichen Dank. wieder auf ihre Plätze zu begeben, damit man den Über- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) blick behalten kann. Da die vollständige Auswertung der Stimmzettel ei- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nen erheblichen Zeitbedarf erfordert, werden die Schrift- Ich schließe die Aussprache. führerinnen und Schriftführer zunächst noch kein zah- lenmäßiges Ergebnis ermitteln können, sondern nach Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich Ih- Sichtung der Stimmzettel feststellen, ob die Anträge an- nen noch einige Hinweise zum Abstimmungsverfahren genommen oder abgelehnt wurden. Das vorläufige Er- geben. gebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gege- ben.2) Zunächst möchte ich Ihnen mitteilen, dass eine grö- ßere Zahl von Erklärungen nach § 31 der Geschäftsord- Bevor wir zu der namentlichen Abstimmung über die nung von Mitgliedern der SPD-Fraktion vorliegt, die wir Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Fraktion zu Protokoll nehmen.1) Bündnis 90/Die Grünen kommen, weise ich vorsorglich darauf hin, dass wir unmittelbar nach dieser namentli- Wir kommen zunächst zur namentlichen Abstimmung chen Abstimmung bei den Beratungen ohne Aussprache über die 19 Anträge der Fraktion Die Linke zu Korrektu- eine weitere namentliche Abstimmung zu Tagesord- ren bei der Überleitung der Alterssicherungen der DDR nungspunkt 34 b vorzunehmen haben. Ich bitte Sie also, in das bundesdeutsche Recht. Bitte beachten Sie: Abge- den Saal nach dieser namentlichen Abstimmung nicht zu stimmt wird über die Anträge selbst und nicht über das verlassen. Votum der Beschlussempfehlung. Es ist vereinbart, die insgesamt 19 namentlichen Abstimmungen auf einem Jetzt setzen wir die Abstimmungen fort. Der Aus- Stimmzettel durchzuführen. Die Stimmzettel erhalten schuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Sie, falls noch nicht geschehen, von den Plenarassisten- Buchstabe t seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung ten hier im Saal. Schreiben Sie bitte zunächst Ihren Na- des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf (B) men und die Bezeichnung Ihrer Fraktion deutlich in Drucksache 17/4195 mit dem Titel „Verbesserung der (D) Druckbuchstaben auf den Stimmzettel. Stimmzettel ohne Versorgung der im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar Namensangabe sind ungültig. Der Ausschuss für Arbeit 1992 Geschiedenen“. Wir stimmen nun über den und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Buchstaben t der Beschlussempfehlung zu der Vorlage auf Drucksache 17/4769 unter den Buchstaben a bis s von Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab. die Ablehnung der Vorlagen. Auf dem Stimmzettel fin- Hier wird wie üblich über die Beschlussempfehlung den Sie unter Ihrem Namen eine Auflistung der 19 abzu- und nicht über den Antrag abgestimmt, damit es hier stimmenden Anträge. Sie können über jeden einzelnen kein Missverständnis gibt. Antrag mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ abstimmen. Einzelne Abstimmungen mit mehr als einem oder kei- Haben die Schriftführerinnen und Schriftführer die nem Kreuz sind ungültig. Sie können die Stimmzettel vorgesehenen Plätze eingenommen? – Das ist der Fall. auf Ihrem Platz ankreuzen. Nachdem Sie den Stimmzet- Dann eröffne ich die Abstimmung. tel ausgefüllt haben, werfen Sie ihn in eine der aufge- Hat ein Mitglied des Hauses seine Stimmkarte noch stellten Urnen. nicht eingeworfen? – Wenn das nicht der Fall ist, dann Bevor wir nun zur Abstimmung kommen, möchte ich schließe ich den Wahlgang und bitte, auszuzählen. Das Sie an die unmittelbar folgenden zwei namentlichen Ab- Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen spä- stimmungen mit der üblichen Stimmkarte erinnern. ter bekannt gegeben.3) Wir setzen die Beratungen fort. Zunächst folgt die Abstimmung über die 19 Anträge Ich darf zunächst einmal darum bitten, dass sich die der Fraktion Die Linke. Ich bitte die Schriftführerinnen Kolleginnen und Kollegen wieder zu ihren Plätzen bege- und Schriftführer, die Plätze einzunehmen. – Sind an al- ben, damit wir die Beratungen vernünftig fortsetzen kön- len Wahlurnen die notwendigen Schriftführer? – Das ist nen. der Fall. Ich eröffne die Abstimmung über die Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 33 a bis 33 f 19 Anträge der Fraktion Die Linke. Ich bitte, die Stimm- sowie die Zusatzpunkte 2 a bis 2 k auf: zettel einzuwerfen. 33 a) Erste Beratung des von den Fraktionen CDU/ Ich will daran erinnern, dass die Namen auf den CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Stimmzetteln eingetragen sein müssen; sonst ist der Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes- Stimmzettel ungültig.

2) Ergebnis Seite 10471 C 1) Anlagen 2 bis 4 3) Ergebnis Seite 10471 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10465

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Immissionsschutzgesetzes – Privilegierung des Überweisungsvorschlag: (C) von Kindertageseinrichtungen und Kinder- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) Innenausschuss spielplätzen ausgehenden Kinderlärms Rechtsausschuss Finanzausschuss – Drucksache 17/4836 – Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffen Rechtsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bockhahn, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Beh- Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung rens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Haushaltsausschuss DIE LINKE b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- Keine weiteren Einlagerungen ins Zwischenla- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- ger Nord (Lubmin) kommen vom 1. Juli 2010 zwischen der Bun- – Drucksache 17/4848 – desrepublik Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Vermeidung der Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen ZP 2 a)Beratung des Antrags der Abgeordneten Tom Ko- enigs, Renate Künast, Claudia Roth (Augsburg), – Drucksache 17/4806 – weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Überweisungsvorschlag: NIS 90/DIE GRÜNEN Finanzausschuss Berichte zur NS-Vergangenheit des Bundesmi- c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- nisteriums für Ernährung, Landwirtschaft gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Be- und Verbraucherschutz veröffentlichen schleunigung der Zahlung von Entschädi- – Drucksache 17/4696 – gungsleistungen bei der Anrechnung des Überweisungsvorschlag: Lastenausgleichs und zur Änderung des Auf- Ausschuss für Kultur und Medien (f) bauhilfefondsgesetzes (ZEALG) Innenausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und – Drucksache 17/4807 – Verbraucherschutz Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Überweisungsvorschlag: (B) Finanzausschuss (f) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Stephan (D) Rechtsausschuss Kühn, Daniela Wagner, Bettina Herlitzius, weite- Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ d) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- DIE GRÜNEN gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- Altschuldenhilfe für ostdeutsche Wohnungs- kommen vom 20. August 2009 zwischen der unternehmen neu ausrichten Bundesrepublik Deutschland und der Schwei- zerischen Eidgenossenschaft über die Wehr- – Drucksache 17/4698 – pflicht der Doppelstaater/Doppelbürger Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) – Drucksache 17/4810 – Haushaltsausschuss Überweisungsvorschlag: c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffen Verteidigungsausschuss Bilger, Peter Götz, Armin Schuster (Weil am e) Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU Rhein), weiterer Abgeordneter und der Fraktion und FDP der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Werner Simmling, Ernst Einvernehmensherstellung von Bundestag und Burgbacher, Sibylle Laurischk, weiterer Abge- Bundesregierung zur Ergänzung von Art. 136 ordneter und der Fraktion der FDP des Vertrages über die Arbeitsweise der Euro- Anwohnerfreundlicher Ausbau der Rheintal- päischen Union (AEUV) hinsichtlich der Ein- bahn richtung eines Europäischen Stabilitätsmecha- nismus (ESM) – Drucksache 17/4861 – Überweisungsvorschlag: hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta- Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) ges nach Art. 23 Abs. 3 des Grundgeset- Finanzausschuss zes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zu- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sammenarbeit von Bundesregierung und Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Deutschem Bundestag in Angelegenhei- Haushaltsausschuss ten der Europäische Union d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ute – Drucksache 17/4880 – Kumpf, Christian Lange (Backnang), Rainer Ar- 10466 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) nold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der Herstellung des Einvernehmens bezüglich der (C) SPD Ergänzung von Art. 136 AEUV zur Einrich- tung eines Europäischen Stabilitätsmechanis- Ausbau der Rheintalbahn als Modell für Bür- gernähe, Lärm- und Landschaftsschutz mus (ESM) verantwortlich gestalten – Drucksache 17/4856 – – Drucksache 17/4881 – Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Innenausschuss Finanzausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Finanzausschuss Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss Haushaltsausschuss e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heinz i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, wei- Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Andrej terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Tierheime entlasten – Einheitliche Regelungen schaffen zum Entwurf eines Beschlusses des Europäi- schen Rates zur Änderung des Vertrags über – Drucksache 17/4851 – die Arbeitsweise der Europäischen Union hin- Überweisungsvorschlag: sichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist Verbraucherschutz (f) Haushaltsausschuss – Ratsdok. 17629/10 (EUCO 30/10, Anlage I) – f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heinz hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- Paula, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, wei- regierung gemäß Art. 23 Abs. 3 des terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Grundgesetzes Tierschutzgesetz ändern – Kennzeichnung von – Drucksache 17/4882 – Pferden tierschutzgerecht ausgestalten Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) – Drucksache 17/4850 – Innenausschuss Rechtsausschuss Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (B) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (D) Verbraucherschutz Haushaltsausschuss g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Günter j) Beratung des Antrags der Abgeordneten Manuel Gloser, Klaus Brandner, Dr. h. c. Gernot Erler, Sarrazin, Alexander Bonde, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Reformprozesse in Nordafrika und Nahost NIS 90/DIE GRÜNEN umfassend fördern Herstellung des Einvernehmens zwischen – Drucksache 17/4849 – Bundestag und Bundesregierung zur Ände- rung des Art. 136 des Vertrages über die Ar- Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) beitsweise der Europäischen Union hinsicht- Innenausschuss lich eines Stabilitätsmechanismus für die Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta- Entwicklung ges nach Art. 23 Abs. 3 des Grundgeset- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss zes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zu- sammenarbeit von Bundesregierung und h) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Deutschem Bundestag in Angelegenhei- zum Entwurf eines Beschlusses des Europäi- ten der Europäischen Union schen Rates zur Änderung des Vertrags über – Drucksache 17/4883 – die Arbeitsweise der Europäischen Union hin- Überweisungsvorschlag: sichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist Innenausschuss – Ratsdok. 17629/10 (EUCO 30/10, Anlage I) – Rechtsausschuss Finanzausschuss hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ges nach Art. 23 Abs. 3 des Grundgeset- Haushaltsausschuss zes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zu- k) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus sammenarbeit von Bundesregierung und Tressel, Nicole Maisch, Ingrid Hönlinger, weite- Deutschem Bundestag in Angelegenhei- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ ten der Europäischen Union DIE GRÜNEN Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10467

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Verkehrsträgerübergreifende Schlichtung ge- an den Urnen einzunehmen. Wir stimmen auch diesmal (C) setzlich fixieren über die Beschlussempfehlung ab. Die Beschlussemp- fehlung lautet, den Antrag der Fraktion Die Linke abzu- – Drucksache 17/4855 – lehnen. – Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist Überweisungsvorschlag: der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ausschuss für Tourismus (f) Rechtsausschuss Gibt es noch Mitglieder, die ihre Stimmkarte nicht Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und eingeworfen haben? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.1) Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach- ten Verfahren ohne Debatte. Ich bitte darum, jetzt wieder die Plätze einzunehmen, damit wir mit den Abstimmungen fortfahren können. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu Wir kommen jetzt zu den Beschlussempfehlungen des überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Petitionsausschusses. Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Tagesordnungspunkt 34 c: Ich rufe die Tagesordnungspunkte 34 a bis 34 h auf. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, ausschusses (2. Ausschuss) zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Sammelübersicht 218 zu Petitionen Ich weise darauf hin, dass wir zu Tagesordnungs- punkt 34 b namentlich abstimmen werden. Bitte bege- – Drucksache 17/4711 – ben Sie sich erst an die Urnen, wenn zur namentlichen Abstimmung aufgerufen wird. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- hält sich? – Die Sammelübersicht 218 ist einstimmig an- Tagesordnungspunkt 34 a: genommen. Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, Tagesordnungspunkt 34 d: SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Einsetzung eines Gremiums gemäß § 16 des Re- strukturierungsfondsgesetzes Sammelübersicht 219 zu Petitionen (B) – Drucksache 17/4859 – – Drucksache 17/4712 – (D) Wer stimmt für den Antrag auf Drucksache 17/4859? – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist ein- tungen? – Die Sammelübersicht 219 ist angenommen stimmig angenommen. Damit ist das Gremium gemäß mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der § 16 des Restrukturierungsfondsgesetzes eingesetzt. Fraktion Die Linke. Tagesordnungspunkt 34 b: Tagesordnungspunkt 34 e: Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu ausschusses (2. Ausschuss) dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkel- Sammelübersicht 220 zu Petitionen mann, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE – Drucksache 17/4713 – LINKE Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun- Keine Privatisierung von Äckern, Seen und gen? – Die Sammelübersicht 220 ist angenommen mit Wäldern den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Frak- tion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und – Drucksachen 17/239, 17/587 Buchstabe b – Bündnis 90/Die Grünen. Berichterstattung: Tagesordnungspunkt 34 f: Abgeordnete Norbert Brackmann (Erfurt) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Roland Claus Alexander Bonde Sammelübersicht 221 zu Petitionen Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner – Drucksache 17/4714 – Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/587, den An- Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun- trag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/239 ab- gen? – Sammelübersicht 221 ist angenommen mit den zulehnen. Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Fraktion, Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, wieder ihre Plätze 1) Ergebnis Seite 10473 D 10468 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Ent- struktiv in den Nahost-Friedensprozess eingebracht ha- (C) haltung der Fraktion Die Linke. ben, für einen anderen Weg entschieden hat. Wir sehen einen Diktator, der unverhohlen auf das Instrument der Tagesordnungspunkt 34 g: Erpressung setzt – nicht erst jetzt. Ich wiederhole dies Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- deshalb, weil wir Europäer uns bewusst sein müssen, um ausschusses (2. Ausschuss) was für ein Regime es sich hier handelt. Wir alle haben die letzte Rede Gaddafis im Fernsehen gesehen. Sie war Sammelübersicht 222 zu Petitionen nicht nur bizarr und schockierend, sie weckte auch deut- – Drucksache 17/4715 – liche Zweifel an seinem Realitätssinn. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE gen? – Sammelübersicht 222 ist angenommen mit den GRÜNEN]: Das war vorher auch schon so!) Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen Aber das macht es gerade so gefährlich. Die Lage vor der Oppositionsfraktionen. Ort bleibt unübersichtlich. Wir schauen daher äußerst Tagesordnungspunkt 34 h: besorgt und angesichts des Vorgehens des Regimes sehr empört auf die Lage in Libyen. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Anders als in Ägypten sind in Libyen die Vorausset- zungen für den Sieg der Freiheit ungleich schwerer. Das Sammelübersicht 223 zu Petitionen liegt am Regime. Das liegt natürlich aber auch an den – Drucksache 17/4716 – schwierigen tribalen Strukturen des Landes. Es ist ge- wissermaßen eine Parallele zu dem, was wir in den 90er- Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun- Jahren im früheren Jugoslawien gesehen haben, wo alle gen? – Sammelübersicht 223 ist angenommen mit den ethnischen Konflikte plötzlich wieder hochkamen und Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen virulent wurden, nachdem die Eisdecke des Kommunis- der SPD-Fraktion und des Bündnisses 90/Die Grünen mus weggezogen worden war. In Libyen ist unter dem und Enthaltung der Fraktion Die Linke. Wüstensand vieles verborgen geblieben, was es an triba- len Konflikten gegeben hatte, bis Gaddafi vor mehr als Jetzt rufe ich den Zusatzpunkt 3 auf: 40 Jahren die Macht übernahm. Aktuelle Stunde Meine Damen und Herren, unsere erste Sorge gilt na- auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und türlich den deutschen sowie den europäischen und nicht- FDP europäischen Staatsangehörigen. Viele der ursprünglich (B) (D) Eskalation der Gewalt in Libyen über 600 deutschen Staatsangehörigen konnten das Land inzwischen verlassen. Die Evakuierungsmaßnahmen Es gibt eine Änderung in der Rednerreihenfolge. Die laufen weiterhin auf Hochtouren. Zusätzliche Kapazitä- Aussprache soll eröffnet werden von Staatsminister ten wurden sowohl kommerziell als auch seitens der Dr. Werner Hoyer. Bundeswehr bereitgestellt. Ich bedanke mich bei der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Bundeswehr ebenso wie bei der Lufthansa für die her- der CDU/CSU) vorragende Zusammenarbeit. Wir konnten Deutsche auch auf anderem Wege, per Schiff und auf dem Land- weg, aus dem Land herausholen. Wir danken unseren Dr. Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Partnern, die in ihre Evakuierungsbemühungen auch Amt: deutsche Staatsbürger einbezogen haben, so wie wir es Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen umgekehrt selbstverständlich auch getan haben. und Kollegen! Wenn wir in diesen Tagen auf Libyen schauen, dann sehen wir dort genau das Gegenteil des- Die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister sen, was wir als human, ethisch und verantwortbar be- haben von Anfang an die Gewaltanwendung des liby- zeichnen und anstreben. Wir sehen Verwüstung, Ver- schen Regimes mit deutlichen Worten verurteilt und ein zweiflung, Verletzte und unzählige Tote. sofortiges Ende der Gewalt gefordert. Europa hat sich inzwischen deutlich positioniert. Als derjenige, der am Das Bild ist natürlich nicht komplett. Der Informati- Sonntag und am Montag die Verhandlungen für onszugang ist begrenzt. Es ist wieder einmal eine Situa- Deutschland im Rat geführt hat, sage ich: Ich hätte mir tion, in der wir uns bewusst machen können, welche Be- gewünscht, Europa wäre schneller, deutlicher und ge- deutung eine freie, überall tätig sein dürfende Presse für schlossener gewesen. uns hat. Wir sehen Menschen, die gezielt ermordet wer- den, weil sie ihre Freiheit und ihre Würde zurück- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie erlangen wollen. bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir sehen einen Diktator, der nach 40 Jahren Herr- schaft nicht davor zurückschreckt, mit offen kommuni- Ich bin mir der Probleme der Südländer der Europäi- ziertem Vernichtungswillen gegen das eigene Volk vor- schen Union selbstverständlich bewusst, und wir haben zugehen. Wir sehen einen Diktator – hier liegen die auch keinen Nachholbedarf an Solidarität. Aber das darf Unterschiede zu den anderen Ereignissen der letzten nicht dazu führen, unsere eigenen Werte zu verraten. Wir Wochen –, der sich zu einer Zeit, wo sich andere kon- müssen hier in dieser Angelegenheit klar Position bezie- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10469

Staatsminister Dr. Werner Hoyer (A) hen. Wir haben das im Außenministerrat am Montag, auch bereits durch frühere deutsche Beiträge zu den Dis- (C) wie ich finde, noch nicht endgültig befriedigend getan. kussionen um Tunesien und Ägypten ist es uns gelun- Mittlerweile hat das Politische und Sicherheitspolitische gen, den Entscheidungsfindungsprozess in der Europäi- Komitee der Europäischen Union nachgelegt, sodass wir schen Union nachhaltig zu prägen. Auch da muss ein damit jetzt ganz zufrieden sein können. Aber es ist schon Bewusstseinswandel stattfinden. Wir können es uns bemerkenswert, dass der Weltsicherheitsrat der Verein- nicht mehr leisten, dass es in der Europäischen Union ten Nationen, der nicht zuletzt auf deutsches Betreiben Länder gibt, die aufgrund ihrer geografischen Positionie- hin zusammengetreten ist, in dieser Frage eine klarere rung in Europa entweder nur nach Süden oder nur nach Positionierung vorgenommen hat. Wir werden den Welt- Osten blicken. Als Mitglied der großen Europäischen sicherheitsrat der Vereinten Nationen auch noch an man- Union und auch des Binnenmarktes der Europäischen chen Stellen brauchen. Union ist eben auch Finnland ein Mittelmeerland. Wir müssen auch diejenigen, die weit vom Mittelmeerbe- Außenminister Westerwelle hat früh auf die Notwen- reich entfernt sind, mit in die Verantwortung nehmen; digkeit von Sanktionen hingewiesen, sollte das System genauso geht auch das, was in Weißrussland passiert, seinen Kurs der Gewalt gegen die eigene Bevölkerung einen Portugiesen etwas an. Wir als Deutsche sind dieje- weiterverfolgen. Das ist leider der Fall. nigen, die es sich aufgrund ihrer zentralen Lage – geo- grafisch, politisch und auch wirtschaftlich – am allerwe- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aber das Problem ist Brüderle!) nigsten leisten können, den Blick nur auf den Süden oder nur auf den Osten zu verengen. Deswegen werden wir – Nein. Es gibt hier gar keinen Zweifel, dass dann, wenn auch hier eine engagierte Führungsrolle wahrnehmen. diese Gewaltexzesse weitergehen – und sie gehen weiter –, an Sanktionen kein Weg vorbeiführt. Diese kann man al- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) lerdings nicht einmal eben aus dem Ärmel ziehen. Wenn Sie zum Beispiel Asset Freeze machen wollen, müssen Es geht jetzt im Kern darum, Ländern wie Ägypten Sie schon sehr präzise die Konten, deren Inhaber und und Tunesien eine Transformationspartnerschaft anzu- den strafrechtlich relevanten Vorwurf definieren. Man bieten. Wir müssen bei der Gratwanderung zwischen kann sich also nicht überschlagen; aber an Sanktionen Ownership, die wir immer in den Vordergrund rücken geht kein Weg vorbei. müssen, und Verteidigung der eigenen Werte insbeson- dere demokratische und rechtsstaatliche Transformati- Morgen wird sich auch der Menschenrechtsrat der onsprozesse gezielter unterstützen. Es kann nicht im Vereinten Nationen mit dem Thema Libyen befassen, Sinne des Erfinders sein, dass am Ende eines rein forma- (B) das ja pikanterweise Mitglied des Menschenrechtsrates len Wahlprozesses entweder diejenigen, die jetzt schon (D) der Vereinten Nationen ist. recht gut organisiert sind, wieder die alten Strukturen be- festigen oder diejenigen, die aufgrund ihrer bisherigen Meine Damen und Herren, wir dürfen über die eska- Organisation in der Opposition einen riesigen Vorteil ge- lierende Lage in Libyen die Situation und die Entwick- genüber anderen haben, am Ende des Tages sagen: Jetzt lung in den anderen Ländern der Region nicht vernach- haben wir die Wahlen gewonnen; das waren auch die lässigen. Diese ist – das müssen wir uns immer wieder letzten Wahlen, die in diesem Land stattgefunden haben. klarmachen – in jedem der betroffenen Länder anders. Das ist die Lehre, die wir aus den Erfahrungen mit Alge- Wir haben kein geschlossenes, homogenes Bild für die rien in den 90er-Jahren gezogen haben. Deswegen müs- Problemlagen in den nordafrikanischen und arabischen sen wir uns so stark einbringen und Angebote bei der Ländern. Aber eines ist völlig klar: Die Europäische Entwicklung des rechtsstaatlichen und verfassungsrecht- Union muss ihre Nachbarschaftspolitik neu kalibrieren, lichen Rahmens für die beteiligten Länder machen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Meine Damen und Herren, seien wir aber auch ehr- der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS- lich: SES 90/DIE GRÜNEN) (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Au ja, gute und zwar gilt das für die Mittelmeerpolitik ebenso wie Idee!) für die Politik gegenüber dem Osten; denn die Diskus- sion, die wir jetzt über Gaddafi und andere „nette“ Men- Die Menschen in Tunesien, in Ägypten und in anderen schen führen, haben wir vor wenigen Wochen auch über Ländern haben nach Freiheit gerufen, nach Partizipation, Lukaschenko geführt. Das Grundproblem bleibt. nach Würde; aber sie haben auch nach Brot gerufen. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wenn keine Verbesserung der sozialen und ökonomi- Richtig!) schen Lage erreicht wird, kann der ganze Prozess, der uns mit so viel Mut und so viel Freude ausgestattet hat, Daraus müssen wir die entsprechenden Konsequenzen auch schnell in sich zusammenbrechen. Deswegen müs- ziehen. sen wir auch ökonomisch handeln. Das heißt, wir müs- sen sehen, wann und wie – möglichst schnell, sofern ver- Wir haben seitens der Bundesregierung in der letzten antwortbar – der Tourismus wieder in Gang gesetzt Woche konkrete Vorschläge für eine Neuausrichtung der werden kann. Dass das gegenwärtig nicht möglich ist, ist Politik der Europäischen Union vorgelegt. Dadurch, aber ein riesiger Verlust für ein Land wie Tunesien. 10470 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Staatsminister Dr. Werner Hoyer (A) Aber wir müssen auch – das müssen wir in der Euro- Grünen Buch beschrieben hat. Auch in anderen Ländern (C) päischen Union klar durchdeklinieren – unsere Märkte gibt es grüne Bücher. Ich nenne beispielsweise Turk- öffnen. menistan. Dort jedenfalls hat derjenige, der ein grünes Buch herausgegeben hat, sicherlich Schwierigkeiten, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten was seine geistigen Kapazitäten anbelangt. der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Menschenrechtsverletzungen zeichnen alle diese Re- gime aus bzw. haben sie ausgezeichnet: Tunesien, Ägyp- Ich erinnere mich an entsprechende Vorgänge aus den ten und auch Libyen. Wir sehen die Bilder aus Libyen. 90er-Jahren. Damals wurde gesagt: Wenn wir den Men- Der besagte Diktator lässt die protestierenden Massen schen in Nordafrika keine Perspektive bieten können, beschießen. Er lässt den Aufstand blutig niederschlagen weil wir beispielsweise noch nicht einmal ein paar Ton- oder versucht es zumindest. Er hat angeblich die eigene nen Dosentomaten aus Marokko in die Europäische Luftwaffe in Alarmbereitschaft versetzt und lässt die Union importieren wollen, dann werden wir unglaub- Aufständischen bombardieren oder von eigens ange- würdig. – Auch bei diesem Thema muss sich daher et- heuerten afrikanischen Söldnern jagen. Die Zahlen wi- was ändern. dersprechen sich zwar etwas, aber wir können davon Die Migrationsfrage wird uns sehr beschäftigen. Sie ausgehen, dass in den letzten Tagen zwischen 600 und hat bisher, seien wir ehrlich, eine überschaubare Dimen- 2 000 Menschen bei diesem Aufstand ums Leben ge- sion. Die Bilder sind furchtbar. Sie sind deshalb so kommen sind. Ich denke, das wird leider noch nicht das furchtbar, weil man relativ schlecht vorbereitet war und Ende sein. weil man die Lager zwischenzeitlich geschlossen hatte. Wie war die Situation in Libyen? Wichtige Grund- Wenn ich die Gesamtzahl der Flüchtlinge mit der Zahl rechte wurden missachtet. Es gab kein Recht auf freie von Asylbewerbern, die es in Deutschland im Jahr 2010 Meinungsäußerung. Opposition war ein Fremdwort. All gab, vergleiche, dann muss ich sagen, dass die Situation das rächt sich jetzt. Die Aufständischen und all diejeni- nicht so dramatisch ist. Aber dies kann sich ändern, gen, die für ihre Rechte kämpfen, werden wohl in den wenn wir es nicht schaffen, den Menschen vor Ort wie- nächsten Wochen und Monaten die Schwierigkeit haben der eine Perspektive zu bieten. Das kann sich ändern, – das könnte in den anderen Ländern besser funktionie- wenn die Gewaltexzesse weitergehen. Am Ende des Ta- ren –, sich eine Plattform für einen eigenen Staat zu ges werden wir es an Solidarität sicherlich nicht fehlen schaffen. lassen. Aber gegenwärtig ist all das, was angesichts die- ser Situation gefordert wird, ein bisschen übertrieben. Wir müssen uns aber auch mit der Frage beschäftigen, warum es so viele Flüchtlinge aus diesen Ländern gibt. (B) Wir haben eine klare Aufgabe. Das Fenster der Frei- Die Flüchtlingssituation hat gravierende Ausmaße ange- (D) heit ist geöffnet. Ob es möglicherweise vorzeitig wieder nommen. Die Menschen fliehen auf der einen Seite in geschlossen wird, wird von den Menschen in den betrof- die Nachbarländer. Die Nachbarländer haben aber die fenen Ländern abhängen. Ich möchte aber nicht, dass wir bereits von mir beschriebenen Probleme. Sie werden uns eines Tages den Vorwurf machen müssen, dass wir wohl nicht in der Lage sein, diese Flüchtlinge vernünftig den Menschen nicht genügend geholfen haben, die Mög- aufzunehmen. lichkeit der Freiheit zu nutzen. Auf der anderen Seite gibt es die Flucht nach Europa. Vielen Dank. Da frage ich mich, ob es sich jetzt nicht rächt, dass die (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie EU mithilfe von Gaddafi bisher versucht hat, sich diese bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- Flüchtlinge vom Hals zu halten. NISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- Vizepräsidentin : NEN) Nächste Rednerin ist die Kollegin Angelika Graf für Sie werden die Möglichkeit, die sich ihnen nun bietet, die SPD-Fraktion. ergreifen und über das Mittelmeer fliehen. Sie werden, wie gesagt, auch versuchen, in die anderen Länder zu Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): fliehen. Sie versuchen, auch vor der wirtschaftlich desas- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! trösen Situation in ihrem Land zu fliehen. Das friedliche Aufbegehren der Bürgerinnen und Bürger Ich kann Ihnen, Herr de Maizière, nicht recht geben, in vielen arabischen Staaten ist das, was man historisch wenn Sie sagen: „Wir können nicht alle armen Afrikaner wohl als Meilenstein bezeichnen wird. Es wurden Dikta- nach Europa lassen.“ – Ich denke, wir müssen unserer toren gestürzt, die 30 oder 40 Jahre lang an der Macht Verantwortung gerecht werden, die wir deshalb haben, waren und ihr Volk geknechtet haben. weil sich die EU eben bisher die Menschen mithilfe von Als Ben Ali stürzte und Mubarak aufgab, waren die Gaddafi vom Hals gehalten hat. Dieser Verantwortung anderen arabischen Autokraten in den Nachbarländern müssen wir gerecht werden, und wir müssen dafür sorgen, relativ ruhig. Nur der libysche Revolutionsführer al- dass auf der einen Seite in den Nachbarländern Strukturen Gaddafi hat sich geäußert. Er hat öffentlich den Sturz entstehen, die es den Flüchtlingen, soweit es in dieser Si- dieser Diktatoren bedauert und riet zur Übernahme sei- tuation irgend möglich ist, ermöglichen, ein menschen- ner „Herrschaft der Massen“-Doktrin, die er in seinem würdiges Leben zu führen. Auf der anderen Seite müssen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10471

Angelika Graf (Rosenheim) (A) wir auch innerhalb Europas Solidarität – zum Beispiel mit Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (C) Italien – üben. Martin Schulz von der Sozialistischen Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, will Fraktion im Europäischen Parlament hat die europäi- ich Ihnen kurz die von den Schriftführerinnen und schen Länder massiv dazu aufgefordert, Solidarität in- Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentli- nerhalb Europas zu üben; denn es kann nicht sein, dass chen Abstimmungen mitteilen. Ich komme zunächst allein Italien die Last der Vorgänge trägt, die wir im Au- zum Ergebnis der Abstimmungen über die 19 Anträge genblick erleben. der Fraktion Die Linke zu Korrekturen der Überleitung von DDR-Alterssicherungen in bundesdeutsches Recht Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger solcher Staa- auf den Drucksachen 17/1631 und 17/3871 bis 17/3888. ten jetzt unserer Unterstützung versichern. Ich denke, Die Auszählung der namentlichen Abstimmungen hat der Marshallplan, den Günter Gloser und Frank-Walter eine Mehrheit von Nein-Stimmen ergeben. Damit sind Steinmeier angeregt haben, ist die richtige Lösung. Die- die Anträge abgelehnt. Das detaillierte Ergebnis der na- ser Marshallplan ist etwas, was auf Dauer wirken kann. mentlichen Abstimmungen wird später im Stenografi- Wir müssen aber akut etwas gegen die schlimme Lage schen Bericht veröffentlicht.1) der Flüchtlinge tun. Wir müssen daran arbeiten, dass wir (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ich wollte bei der Demokratisierung dieser Region weiterkommen. gerade mitschreiben!) Die Demokratisierung dieser Region ist der Schlüssel zum Erfolg und zu mehr Ruhe im Mittelmeerraum sowie Wir kommen nun zum Ergebnis der namentlichen zu einer vernünftigen regionalen Entwicklung. Dazu ge- Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus- hört auch, dass wir die Wirtschaften, die in diesen Regi- schusses für Arbeit und Soziales zum Antrag der Frak- onen existieren, anerkennen; denn Menschen ohne Ar- tion Bündnis 90/Die Grünen. Es ging dabei um die Ver- beit werden weiterhin aus Libyen und aus dem gesamten besserung der Versorgung der im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 Geschiedenen. Abgegebene Stimmen: Raum fliehen. Das ist etwas, was Sie auch bei der Men- 578. Mit Ja haben 313 gestimmt, mit Nein 264. Es gab schenrechtsratssitzung gemeinsam mit Libyen bespre- eine Enthaltung. Die Beschlussempfehlung ist damit an- chen sollten. Ich denke, es ist auch eine Chance, dass Li- genommen. byen dabei ist.

(Beifall bei der SPD) 1) Anlagen 5 bis 23

(B) (D) Endgültiges Ergebnis Klaus Brähmig Franz-Josef Holzenkamp Abgegebene Stimmen: 577; Michael Brand Anette Hübinger davon Dr. Reinhard Brandl Josef Göppel Peter Götz Dieter Jasper ja: 312 Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Wolfgang Götzer Dr. nein: 264 Dr. Ute Granold (Konstanz) enthalten: 1 Reinhard Grindel Dr. Egon Jüttner Hermann Gröhe Bartholomäus Kalb Ja Cajus Caesar Michael Grosse-Brömer Hans-Werner Kammer Gitta Connemann Markus Grübel Steffen Kampeter CDU/CSU Manfred Grund Bernhard Kaster Thomas Dörflinger Monika Grütters Siegfried Kauder (Villingen- Marie-Luise Dött Karl-Theodor Freiherr zu Schwenningen) Dr. Guttenberg Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Dorothee Bär Ingrid Fischbach Roderich Kiesewetter Thomas Bareiß Hartwig Fischer (Göttingen) Holger Haibach Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Günter Baumann Axel E. Fischer (Karlsruhe- Jürgen Hardt Vo l k m a r K l e i n Ernst-Reinhard Beck Land) Gerda Hasselfeldt Jürgen Klimke (Reutlingen) Dr. Maria Flachsbarth Dr. Julia Klöckner (Börde) Klaus-Peter Flosbach Ursula Heinen-Esser Dr. Dr. Hans-Peter Friedrich Frank Heinrich Dr. Kristina Schröder (Hof) Dr. Steffen Bilger Hartmut Koschyk Clemens Binninger Erich G. Fritz Jürgen Herrmann Thomas Kossendey Hans-Joachim Fuchtel Ansgar Heveling Dr. Maria Böhmer Alexander Funk Ernst Hinsken Dr. Günter Krings Wolfgang Börnsen Ingo Gädechens Rüdiger Kruse (Bönstrup) Dr. Robert Hochbaum Dr. Hermann Kues Norbert Brackmann Günter Lach 10472 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (A) Dr. Karl A. Lamers Mechthild Dyckmans Johannes Vogel (C) (Heidelberg) Dr. Andreas Schockenhoff Rainer Erdel (Lüdenscheid) Andreas G. Lämmel Dr. Ole Schröder Jörg van Essen Dr. Daniel Volk Dr. Norbert Lammert Bernhard Schulte-Drüggelte Ulrike Flach Dr. Claudia Winterstein Otto Fricke Dr. Volker Wissing Ulrich Lange Armin Schuster (Weil am Dr. Edmund Peter Geisen Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Dr. Max Lehmer Rhein) Dr. Paul Lehrieder Hans-Michael Goldmann Nein Dr. Johannes Selle Miriam Gruß Ingbert Liebing Joachim Günther (Plauen) SPD Matthias Lietz Dr. Dr. Christel Happach-Kasan Ingrid Arndt-Brauer Dr. Bernd Siebert Heinz-Peter Haustein Thomas Silberhorn Manuel Höferlin Heinz-Joachim Barchmann Dr. Jan-Marco Luczak Elke Hoff Dr. Michael Luther Dr. Hans-Peter Bartels Birgit Homburger Carola Stauche Dr. Werner Hoyer Hans-Georg von der Marwitz Dr. Sören Bartol Heiner Kamp Bärbel Bas Michael Kauch Christian Freiherr von Stetten Sabine Bätzing-Lichtenthäler (Altötting) Dr. Lutz Knopek Dr. Pascal Kober (Heidelberg) Dr. Dr. Heinrich L. Kolb Stephan Stracke Maria Michalk Gudrun Kopp Max Straubinger Klaus Brandner Dr. h. c. Dr. h. c. Jürgen Koppelin Dr. (Heilbronn) Sebastian Körber Philipp Mißfelder Holger Krestel Lena Strothmann (Hildesheim) Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Heinz Lanfermann Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Sibylle Laurischk Martin Burkert Nadine Schön (St. Wendel) Harald Leibrecht Petra Crone Dr. Dr. Hans-Peter Uhl Sabine Leutheusser- Dr. Peter Danckert (Bremen) Schnarrenberger Martin Dörmann (Kleinsaara) Lars Lindemann Elvira Drobinski-Weiß Dr. Georg Nüßlein Stefanie Vogelsang Dr. Martin Lindner (Berlin) Franz Obermeier Andrea Astrid Voßhoff Dr. Michael Link (Heilbronn) (B) Siegmund Ehrmann (D) Dr. Erwin Lotter Karin Evers-Meyer Dr. Michael Paul Elke Ferner Rita Pawelski (Hamburg) Gabriele Molitor Peter Weiß (Emmendingen) Jan Mücke Ulrich Petzold Dr. Dr. Sabine Weiss (Wesel I) Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Sibylle Pfeiffer Peter Friedrich Peter Wichtel Dr. Annette Widmann-Mauz (Lausitz) Michael Gerdes Christoph Klaus-Peter Willsch Hans-Joachim Otto Elisabeth Winkelmeier- (Frankfurt) Iris Gleicke Günter Gloser Becker Dagmar Wöhrl Gisela Piltz Angelika Graf (Rosenheim) Dr. Matthias Zimmer Dr. Christiane Ratjen- Wolfgang Zöller Damerau Kerstin Griese Dr. Michael Groß Willi Zylajew Dr. Birgit Reinemund Eckhardt Rehberg Wolfgang Gunkel Dr. Peter Röhlinger Katherina Reiche (Potsdam) Hans-Joachim Hacker FDP Dr. Stefan Ruppert Jens Ackermann Björn Sänger Klaus Hagemann Klaus Riegert Christian Ahrendt Frank Schäffler Michael Hartmann Dr. Christine Aschenberg- Christoph Schnurr (Wackernheim) Johannes Röring Dugnus Hubertus Heil (Peine) Dr. Norbert Röttgen (Münster) Marina Schuster Rolf Hempelmann Dr. Christian Ruck Florian Bernschneider Dr. Erik Schweickert Dr. Barbara Hendricks Erwin Rüddel Sebastian Blumenthal Werner Simmling (Weiden) Claudia Bögel Gabriele Hiller-Ohm Anita Schäfer (Saalstadt) Nicole Bracht-Bendt Dr. Hermann Otto Solms (Essen) Dr. Klaus Breil Joachim Spatz Frank Hofmann (Volkach) Dr. Rainer Brüderle Dr. Dr. Eva Högl Karl Schiewerling Torsten Staffeldt Christel Humme Norbert Schindler Dr. Rainer Stinner Sylvia Canel Stephan Thomae Georg Schirmbeck Reiner Deutschmann Johannes Kahrs Christian Schmidt (Fürth) Patrick Döring Serkan Tören Dr. h. c. Susanne Kastner Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10473

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (A) Ulrich Kelber Rolf Schwanitz Katrin Kunert Winfried Hermann (C) Lars Klingbeil Priska Hinz (Herborn) Hans-Ulrich Klose Rita Schwarzelühr-Sutter Ulrike Höfken Dr. Bärbel Kofler Dr. Carsten Sieling Dr. Anton Hofreiter Daniela Kolbe (Leipzig) Sonja Steffen Michael Leutert Bärbel Höhn Fritz Rudolf Körper Peer Steinbrück Ulla Lötzer Ingrid Hönlinger Anette Kramme Dr. Frank-Walter Steinmeier Dr. Gesine Lötzsch Thilo Hoppe Nicolette Kressl Christoph Strässer Ulrich Maurer Angelika Krüger-Leißner Dorothee Menzner Katja Keul Ute Kumpf Dr. h. c. Wolfgang Thierse Cornelia Möhring Memet Kilic Christine Lambrecht Franz Thönnes Kornelia Möller Sven-Christian Kindler Christian Lange (Backnang) Wolfgang Tiefensee Maria Klein-Schmeink Dr. Rüdiger Veit Wolfgang Nešković Ute Koczy Steffen-Claudio Lemme Tom Koenigs Burkhard Lischka Dr. Marlies Volkmer Sylvia Kotting-Uhl Gabriele Lösekrug-Möller Andrea Wicklein Jens Petermann Oliver Krischer Kirsten Lühmann Heidemarie Wieczorek-Zeul Richard Pitterle Caren Marks Dr. Dieter Wiefelspütz Fritz Kuhn Waltraud Wolff Stephan Kühn Hilde Mattheis (Wolmirstedt) Paul Schäfer (Köln) Renate Künast Ullrich Meßmer Dagmar Ziegler Dr. Ilja Seifert Markus Kurth Dr. Manfred Zöllmer Kathrin Senger-Schäfer Undine Kurth (Quedlinburg) Franz Müntefering Raju Sharma Monika Lazar Dr. Rolf Mützenich Dr. Petra Sitte Agnes Malczak DIE LINKE Kersten Steinke Jerzy Montag Manfred Nink Sabine Stüber Kerstin Müller (Köln) Jan van Aken Thomas Oppermann Alexander Süßmair Beate Müller-Gemmeke Holger Ortel Dr. Kirsten Tackmann Dr. Konstantin von Notz Dr. Dietmar Bartsch Aydan Özoğuz Frank Tempel Omid Nouripour Herbert Behrens Heinz Paula Dr. Friedrich Ostendorff Matthias W. Birkwald Johannes Pflug Alexander Ulrich Joachim Poß Brigitte Pothmer Steffen Bockhahn Dr. Wilhelm Priesmeier Johanna Voß Tabea Rößner Christine Buchholz Halina Wawzyniak Claudia Roth (Augsburg) Eva Bulling-Schröter Dr. Sascha Raabe Harald Weinberg (B) Dr. Martina Bunge (D) Mechthild Rawert Manuel Sarrazin Roland Claus Gerold Reichenbach Jörn Wunderlich Elisabeth Scharfenberg Sevim Dağdelen Dr. Carola Reimann Sabine Zimmermann Christine Scheel Sönke Rix Dr. Diether Dehm Dr. Gerhard Schick Werner Dreibus René Röspel BÜNDNIS 90/DIE Dorothea Steiner Dr. Dagmar Enkelmann Dr. GRÜNEN Dr. Wolfgang Strengmann- Karin Roth (Esslingen) Wolfgang Gehrcke Kuhn Michael Roth (Heringen) Kerstin Andreae Hans-Christian Ströbele Marlene Rupprecht Diana Golze (Bremen) Dr. Harald Terpe (Tuchenbach) Annette Groth Volker Beck (Köln) Markus Tressel Anton Schaaf Dr. Gregor Gysi Cornelia Behm Jürgen Trittin Axel Schäfer (Bochum) Heike Hänsel Daniela Wagner Bernd Scheelen Dr. Alexander Bonde Wolfgang Wieland (Aachen) Inge Höger Ekin Deligöz Dr. Valerie Wilms Silvia Schmidt (Eisleben) Andrej Hunko Katja Dörner Josef Philip Winkler Carsten Schneider (Erfurt) Hans-Josef Fell Ottmar Schreiner Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Thomas Gambke (Spandau) Katja Kipping Kai Gehring Enthalten Harald Koch Katrin Göring-Eckardt CDU/CSU Jan Korte Britta Haßelmann Dr. Martin Schwanholz Jutta Krellmann Bettina Herlitzius Manfred Kolbe

Nun zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung Stimmen: 578. Mit Ja haben 313 gestimmt, mit Nein 69. über die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschus- Es gab 196 Enthaltungen. Auch diese Beschlussempfeh- ses zu dem Antrag der Fraktion Die Linke „Keine Priva- lung ist damit angenommen. tisierung von Äckern, Seen und Wäldern“. Abgegebene 10474 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (A) Endgültiges Ergebnis Dr. Wolfgang Götzer Ulrich Lange Armin Schuster (Weil am (C) Abgegebene Stimmen: 578; Ute Granold Dr. Max Lehmer Rhein) davon Reinhard Grindel Paul Lehrieder Detlef Seif Hermann Gröhe Dr. Ursula von der Leyen Johannes Selle ja: 313 Michael Grosse-Brömer Ingbert Liebing Reinhold Sendker nein: 69 Markus Grübel Matthias Lietz Dr. Patrick Sensburg enthalten: 196 Manfred Grund Dr. Carsten Linnemann Bernd Siebert Monika Grütters Patricia Lips Thomas Silberhorn Ja Karl-Theodor Freiherr zu Dr. Jan-Marco Luczak Johannes Singhammer Guttenberg Dr. Michael Luther Jens Spahn CDU/CSU Olav Gutting Karin Maag Carola Stauche Florian Hahn Hans-Georg von der Marwitz Dr. Frank Steffel Ilse Aigner Holger Haibach Andreas Mattfeldt Erika Steinbach Peter Altmaier Dr. Stephan Harbarth Stephan Mayer (Altötting) Christian Freiherr von Stetten Peter Aumer Jürgen Hardt Dr. Michael Meister Dieter Stier Dorothee Bär Gerda Hasselfeldt Dr. Angela Merkel Gero Storjohann Thomas Bareiß Dr. Matthias Heider Maria Michalk Stephan Stracke Norbert Barthle Mechthild Heil Dr. h. c. Hans Michelbach Max Straubinger Günter Baumann Ursula Heinen-Esser Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Ernst-Reinhard Beck Frank Heinrich Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) (Reutlingen) Rudolf Henke Dietrich Monstadt Lena Strothmann Manfred Behrens (Börde) Michael Hennrich Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Veronika Bellmann Jürgen Herrmann Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Dr. Christoph Bergner Ansgar Heveling Nadine Schön (St. Wendel) Antje Tillmann Peter Beyer Ernst Hinsken Dr. Philipp Murmann Dr. Hans-Peter Uhl Steffen Bilger Peter Hintze Bernd Neumann (Bremen) Arnold Vaatz Clemens Binninger Christian Hirte Michaela Noll Volkmar Vogel (Kleinsaara) Peter Bleser Robert Hochbaum Dr. Georg Nüßlein Stefanie Vogelsang Dr. Maria Böhmer Karl Holmeier Franz Obermeier Andrea Astrid Voßhoff Wolfgang Börnsen Franz-Josef Holzenkamp Eduard Oswald Dr. Johann Wadephul (Bönstrup) Marco Wanderwitz Wolfgang Bosbach Anette Hübinger Henning Otte Thomas Jarzombek Dr. Michael Paul Kai Wegner Norbert Brackmann Marcus Weinberg (Hamburg) Klaus Brähmig Dieter Jasper Rita Pawelski Dr. Franz Josef Jung Ulrich Petzold Peter Weiß (Emmendingen) Michael Brand Sabine Weiss (Wesel I) (B) Dr. Reinhard Brandl Andreas Jung (Konstanz) Dr. Joachim Pfeiffer (D) Dr. Egon Jüttner Sibylle Pfeiffer Ingo Wellenreuther Helmut Brandt Peter Wichtel Dr. Ralf Brauksiepe Bartholomäus Kalb Beatrix Philipp Hans-Werner Kammer Ronald Pofalla Annette Widmann-Mauz Dr. Helge Braun Klaus-Peter Willsch Heike Brehmer Steffen Kampeter Christoph Poland Bernhard Kaster Ruprecht Polenz Elisabeth Winkelmeier- Ralph Brinkhaus Becker Cajus Caesar Siegfried Kauder (Villingen- Eckhard Pols Schwenningen) Daniela Ludwig Dagmar Wöhrl Gitta Connemann Dr. Matthias Zimmer Alexander Dobrindt Volker Kauder Thomas Rachel Dr. Stefan Kaufmann Dr. Peter Ramsauer Wolfgang Zöller Thomas Dörflinger Willi Zylajew Marie-Luise Dött Roderich Kiesewetter Eckhardt Rehberg Eckart von Klaeden Katherina Reiche (Potsdam) Dr. Thomas Feist FDP Enak Ferlemann Ewa Klamt Lothar Riebsamen Ingrid Fischbach Josef Rief Jens Ackermann Hartwig Fischer (Göttingen) Jürgen Klimke Klaus Riegert Christian Ahrendt Dirk Fischer (Hamburg) Julia Klöckner Dr. Heinz Riesenhuber Christine Aschenberg- Axel E. Fischer (Karlsruhe- Axel Knoerig Johannes Röring Dugnus Land) Jens Koeppen Dr. Norbert Röttgen Daniel Bahr (Münster) Dr. Maria Flachsbarth Dr. Kristina Schröder Dr. Christian Ruck Florian Bernschneider Klaus-Peter Flosbach Manfred Kolbe Erwin Rüddel Sebastian Blumenthal Herbert Frankenhauser Dr. Rolf Koschorrek Albert Rupprecht (Weiden) Claudia Bögel Dr. Hans-Peter Friedrich Hartmut Koschyk Anita Schäfer (Saalstadt) Nicole Bracht-Bendt (Hof) Thomas Kossendey Dr. Annette Schavan Klaus Breil Michael Frieser Gunther Krichbaum Dr. Andreas Scheuer Rainer Brüderle Erich G. Fritz Dr. Günter Krings Karl Schiewerling Angelika Brunkhorst Hans-Joachim Fuchtel Rüdiger Kruse Norbert Schindler Marco Buschmann Alexander Funk Bettina Kudla Tankred Schipanski Sylvia Canel Ingo Gädechens Dr. Hermann Kues Georg Schirmbeck Reiner Deutschmann Dr. Thomas Gebhart Günter Lach Christian Schmidt (Fürth) Patrick Döring Norbert Geis Dr. Karl A. Lamers Patrick Schnieder Mechthild Dyckmans Alois Gerig (Heidelberg) Dr. Andreas Schockenhoff Rainer Erdel Eberhard Gienger Andreas G. Lämmel Dr. Ole Schröder Jörg van Essen Michael Glos Dr. Norbert Lammert Bernhard Schulte-Drüggelte Ulrike Flach Peter Götz Katharina Landgraf Uwe Schummer Otto Fricke Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10475

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (A) Dr. Edmund Peter Geisen BÜNDNIS 90/DIE Kathrin Vogler Oliver Kaczmarek (C) Dr. Wolfgang Gerhardt GRÜNEN Johanna Voß Johannes Kahrs Halina Wawzyniak Dr. h. c. Susanne Kastner Hans-Michael Goldmann Hans-Christian Ströbele Miriam Gruß Harald Weinberg Ulrich Kelber Joachim Günther (Plauen) Katrin Werner Lars Klingbeil Dr. Christel Happach-Kasan Nein Jörn Wunderlich Hans-Ulrich Klose Heinz-Peter Haustein Sabine Zimmermann Dr. Bärbel Kofler Manuel Höferlin DIE LINKE Daniela Kolbe (Leipzig) Elke Hoff Jan van Aken Enthalten Fritz Rudolf Körper Birgit Homburger Agnes Alpers Anette Kramme Dr. Werner Hoyer Dr. Dietmar Bartsch CDU/CSU Nicolette Kressl Heiner Kamp Herbert Behrens Angelika Krüger-Leißner Josef Göppel Michael Kauch Matthias W. Birkwald Ute Kumpf Dr. Lutz Knopek Heidrun Bluhm Christine Lambrecht SPD Christian Lange (Backnang) Pascal Kober Steffen Bockhahn Dr. Karl Lauterbach Dr. Heinrich L. Kolb Christine Buchholz Ingrid Arndt-Brauer Eva Bulling-Schröter Rainer Arnold Steffen-Claudio Lemme Gudrun Kopp Burkhard Lischka Dr. h. c. Jürgen Koppelin Dr. Martina Bunge Heinz-Joachim Barchmann Roland Claus Dr. Hans-Peter Bartels Gabriele Lösekrug-Möller Sebastian Körber Kirsten Lühmann Holger Krestel Sevim Dağdelen Klaus Barthel Dr. Diether Dehm Sören Bartol Caren Marks Patrick Kurth (Kyffhäuser) Katja Mast Heinz Lanfermann Heidrun Dittrich Bärbel Bas Werner Dreibus Sabine Bätzing-Lichtenthäler Hilde Mattheis Sibylle Laurischk Ullrich Meßmer Harald Leibrecht Dr. Dagmar Enkelmann Uwe Beckmeyer Wolfgang Gehrcke Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Matthias Miersch Sabine Leutheusser- Nicole Gohlke Franz Müntefering Schnarrenberger Gerd Bollmann Diana Golze Klaus Brandner Dr. Rolf Mützenich Lars Lindemann Annette Groth Willi Brase Dietmar Nietan Dr. Martin Lindner (Berlin) Dr. Gregor Gysi Bernhard Brinkmann Manfred Nink Michael Link (Heilbronn) Heike Hänsel (Hildesheim) Thomas Oppermann Dr. Erwin Lotter Dr. Rosemarie Hein Edelgard Bulmahn Holger Ortel Oliver Luksic Inge Höger Ulla Burchardt Aydan Özoğuz Gabriele Molitor Andrej Hunko Martin Burkert Heinz Paula Jan Mücke Ulla Jelpke Petra Crone Johannes Pflug Petra Müller (Aachen) Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Peter Danckert Joachim Poß (B) Burkhardt Müller-Sönksen Katja Kipping Martin Dörmann Dr. Wilhelm Priesmeier (D) Dr. Martin Neumann Harald Koch Elvira Drobinski-Weiß Florian Pronold (Lausitz) Jan Korte Garrelt Duin Dr. Sascha Raabe Hans-Joachim Otto Jutta Krellmann Sebastian Edathy Mechthild Rawert (Frankfurt) Katrin Kunert Siegmund Ehrmann Gerold Reichenbach Cornelia Pieper Caren Lay Karin Evers-Meyer Dr. Carola Reimann Gisela Piltz Sabine Leidig Elke Ferner Sönke Rix Dr. Christiane Ratjen- Ralph Lenkert Gabriele Fograscher René Röspel Damerau Michael Leutert Dr. Edgar Franke Dr. Ernst Dieter Rossmann Dr. Birgit Reinemund Ulla Lötzer Dagmar Freitag Karin Roth (Esslingen) Dr. Peter Röhlinger Dr. Gesine Lötzsch Peter Friedrich Michael Roth (Heringen) Dr. Stefan Ruppert Ulrich Maurer Michael Gerdes Marlene Rupprecht Björn Sänger Dorothee Menzner Martin Gerster (Tuchenbach) Anton Schaaf Frank Schäffler Cornelia Möhring Iris Gleicke Axel Schäfer (Bochum) Christoph Schnurr Kornelia Möller Günter Gloser Niema Movassat Ulrike Gottschalck Bernd Scheelen Jimmy Schulz Ulla Schmidt (Aachen) Marina Schuster Wolfgang Nešković Angelika Graf (Rosenheim) Thomas Nord Kerstin Griese Silvia Schmidt (Eisleben) Dr. Erik Schweickert Carsten Schneider (Erfurt) Werner Simmling Petra Pau Michael Groß Jens Petermann Ottmar Schreiner Judith Skudelny Wolfgang Gunkel Richard Pitterle Hans-Joachim Hacker Swen Schulz (Spandau) Dr. Hermann Otto Solms Yvonne Ploetz Bettina Hagedorn Ewald Schurer Joachim Spatz Ingrid Remmers Klaus Hagemann Frank Schwabe Dr. Max Stadler Paul Schäfer (Köln) Michael Hartmann Dr. Martin Schwanholz Torsten Staffeldt Dr. Ilja Seifert (Wackernheim) Rolf Schwanitz Dr. Rainer Stinner Kathrin Senger-Schäfer Hubertus Heil (Peine) Stefan Schwartze Stephan Thomae Raju Sharma Rolf Hempelmann Rita Schwarzelühr-Sutter Florian Toncar Dr. Petra Sitte Dr. Barbara Hendricks Dr. Carsten Sieling Serkan Tören Kersten Steinke Gustav Herzog Sonja Steffen Johannes Vogel Sabine Stüber Gabriele Hiller-Ohm Peer Steinbrück (Lüdenscheid) Alexander Süßmair Petra Hinz (Essen) Dr. Frank-Walter Steinmeier Dr. Daniel Volk Dr. Kirsten Tackmann Frank Hofmann (Volkach) Christoph Strässer Dr. Claudia Winterstein Frank Tempel Dr. Eva Högl Kerstin Tack Dr. Volker Wissing Dr. Axel Troost Christel Humme Dr. h. c. Wolfgang Thierse Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Alexander Ulrich Josip Juratovic Franz Thönnes 10476 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (A) Wolfgang Tiefensee Birgitt Bender Sven-Christian Kindler Lisa Paus (C) Rüdiger Veit Alexander Bonde Maria Klein-Schmeink Brigitte Pothmer Ute Vogt Ekin Deligöz Ute Koczy Tabea Rößner Dr. Marlies Volkmer Katja Dörner Tom Koenigs Claudia Roth (Augsburg) Andrea Wicklein Hans-Josef Fell Sylvia Kotting-Uhl Krista Sager Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Thomas Gambke Oliver Krischer Manuel Sarrazin Dr. Dieter Wiefelspütz Kai Gehring Agnes Krumwiede Elisabeth Scharfenberg Waltraud Wolff Katrin Göring-Eckardt Fritz Kuhn Christine Scheel Britta Haßelmann Stephan Kühn (Wolmirstedt) Dr. Gerhard Schick Bettina Herlitzius Renate Künast Dagmar Ziegler Dorothea Steiner Winfried Hermann Markus Kurth Manfred Zöllmer Dr. Wolfgang Strengmann- Brigitte Zypries Priska Hinz (Herborn) Undine Kurth (Quedlinburg) Ulrike Höfken Monika Lazar Kuhn Dr. Anton Hofreiter Agnes Malczak Dr. Harald Terpe BÜNDNIS 90/DIE Markus Tressel GRÜNEN Bärbel Höhn Jerzy Montag Ingrid Hönlinger Kerstin Müller (Köln) Jürgen Trittin Kerstin Andreae Thilo Hoppe Beate Müller-Gemmeke Daniela Wagner Marieluise Beck (Bremen) Uwe Kekeritz Dr. Konstantin von Notz Wolfgang Wieland Volker Beck (Köln) Katja Keul Omid Nouripour Dr. Valerie Wilms Cornelia Behm Memet Kilic Friedrich Ostendorff Josef Philip Winkler

Nun hat der Kollege Dr. Andreas Schockenhoff für (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ die CDU/CSU das Wort. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist völlig inakzeptabel, dass vor allem ein EU-Land aus falsch verstandener Partnerschaft zu Libyen die EU am dringend erforderlichen Handeln hindert und damit Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): zugleich eine Ignoranz der brutalen Menschenrechtsver- Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen letzungen zum Ausdruck bringt. und Kollegen! Libyen steht in Flammen, und das liby- sche Regime trägt hierfür die volle Verantwortung. Mit (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜND- brutaler Gewalt unterdrückt es die Proteste der eigenen NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- (B) Bevölkerung. Diktator Gaddafi hat zur Ermordung der ten der SPD und der FDP) (D) Demonstranten aufgerufen. Ein Regime, das sein eige- Am kommenden Montag beginnt die nächste Sit- nes Volk derart behandelt, begeht systematische Verbre- zungsperiode des UN-Menschenrechtsrates. Es ist für chen gegen die Menschlichkeit. Diese Verbrechen gegen mich ein völlig unerträglicher Gedanke, dass Libyen die Bürgerinnen und Bürger müssen sofort aufhören. dann wieder in diesem Gremium sitzt, und dies im Bei- Dieses Vorgehen ist vollkommen inakzeptabel. Wir ver- sein von Lady Ashton, die ihre Teilnahme angekündigt urteilen es auf das Schärfste. Die Demonstranten neh- hat. Herr Staatsminister, ich erwarte, dass Lady Ashton men ihre Menschen- und Bürgerrechte wahr. Meinungs- für die EU die geeigneten Worte findet. Ich bin dankbar, freiheit und das Recht, sich friedlich zu versammeln, dass sich die Bundesregierung im Vorfeld der Sitzung sind fundamentale Rechte eines jeden Menschen, die re- des UN-Menschenrechtsrates dafür starkmacht. spektiert und geschützt werden müssen. Sie haben dabei unsere uneingeschränkte Unterstützung. (Beifall bei der CDU/CSU – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Iran sitzt da auch!) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der UNO-Sicherheitsrat muss darüber beraten, wie Die Lage in Libyen hat sich in den letzten Tagen sehr die libysche Zivilbevölkerung vor Söldnern des Gaddafi- unübersichtlich dargestellt. Herr Staatsminister, Sie Regimes geschützt werden kann. Wir erwarten, dass konnten auch heute ein nur sehr unvollständiges Lage- Deutschland und andere EU-Staaten die Initiative ergrei- bild geben. Vorrangiges Ziel musste zunächst der Schutz fen und eine Dringlichkeitssitzung beantragen. Nötig ist der deutschen und europäischen Bürger in Libyen sein. ein Mandat der Vereinten Nationen, um die Flüge nach Die CDU/CSU-Fraktion dankt deshalb der Bundesregie- Libyen zu unterbinden, mit denen Söldner in das Land rung und dem Auswärtigen Amt, dass sie in dieser gebracht werden sollen. Die Sperrung der Konten – es ist schwierigen Lage innerhalb kürzester Zeit deutsche gesagt worden, was dafür technisch erforderlich ist – Staatsbürger sicher nach Hause haben ausfliegen lassen. sollte ohnehin selbstverständlich erfolgen. Die libysche Führung hat den Tod mehrerer Hundert Es gibt unterschiedliche Zahlen hinsichtlich der Flücht- Menschen zu verantworten; es klebt Blut an den Händen lingssituation. Der Rote Halbmond meldet 5 700 Men- der libyschen Führung. Dies darf nicht ohne Folgen blei- schen, die ins benachbarte Tunesien geflohen seien. Es ben. Es muss deshalb Sanktionen gegen die Regierung hilft uns nicht weiter, wenn wir Flüchtlingsströme herbei- Gaddafi geben. Die EU muss hier mit einer Stimme reden. Um diese zu verhindern, müssen wir die Ursachen sprechen. der Migration in Afrika – das ist zu Recht von Herrn Ho- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10477

Dr. Andreas Schockenhoff (A) yer und von meiner Vorrednerin gesagt worden – kurz- Das ist die erste Forderung. Da kann es überhaupt kein (C) fristig wie auch langfristig bekämpfen. Wir müssen da- Vertun geben. Wir müssen dem libyschen Staat, der Fa- für sorgen, dass den Menschen in ihrer Heimat stabile milie Gaddafi und ihm selbst deutlich machen, dass Verhältnisse und wirtschaftliche Perspektiven geboten nichts, aber auch gar nichts diese Orgie der Gewalt werden. Wir brauchen natürlich auch eine Stärkung der rechtfertigen kann und dass wir uns als deutsches Parla- europäischen Grenzschutzorganisation FRONTEX, aber ment schützend an die Seite der Demonstranten stellen. nicht, um die Menschen draußen zu halten Das ist zwar eine symbolische Geste, aber solche sym- bolischen Gesten sind in bestimmten Situationen poli- (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Um sie tisch außerordentlich wichtig. einzuladen?) – nein –, sondern um den Menschen dort, wo sie sind, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- eine echte Lebensperspektive zu geben. neten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich sage genauso klar: Wer in der jetzigen Situation anfängt, mit dem Gedanken an militärische Maßnahmen Die CDU/CSU-Fraktion kann Innenminister de Maizière zu spielen und in der Öffentlichkeit über den Einsatz von nur zustimmen: Wir sollten keine Flüchtlingsströme or- Militär zu spekulieren, der hilft der Familie Gaddafi bei ganisieren, sondern Aufbauhilfe leisten und Lebenspers- der Durchsetzung ihrer Gewaltpolitik. pektiven in den Heimatländern bieten. (Beifall bei der LINKEN) (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Heuchle- risch ist das!) Das schafft ein Klima, das nicht mehr zu steuern ist. Ich halte auch nichts von der Debatte, Flugverbotszonen ein- Bei aller Tragik müssen wir die Ereignisse auch als zurichten. Wenn man sie einrichtet, hat man immer das eine Chance begreifen und beherzt agieren. Ich unter- Problem, sie gewaltsam durchsetzen zu müssen. Damit stütze ausdrücklich die Initiative der Bundesregierung, befindet man sich mitten in einer militärischen Ausein- den betroffenen Ländern eine Transformationspartner- andersetzung. Das Militär ist in der jetzigen Situation schaft anzubieten. das schlechteste Mittel, das man anbieten oder mit dem (Zuruf von der LINKEN) man drohen kann. Das muss völlig klar sein. – Wir brauchen uns nicht gegenseitig Vorwürfe zu ma- (Beifall bei der LINKEN) chen. – Natürlich müssen wir die Nachbarschaftspolitik Ich mache Ihnen zwei andere Vorschläge. Ich würde der Europäischen Union im Süden wie im Osten völlig mich freuen, wenn wir uns demnächst mit Anträgen zu neu überdenken und uns fragen, was wir falsch gemacht (B) diesem Thema befassen könnten. Ich möchte unbedingt, (D) haben und warum wir erst dann reagieren, wenn es dass sich die Europäische Union und auch Deutschland brennt. selbst für Flüchtlinge aus dem gesamten arabischen Die Europäische Union darf universelle Menschen- Raum öffnen rechte nicht nur predigen; sie muss vielmehr für diejeni- gen einstehen, die die Geltung dieser Rechte für sich ein- (Beifall bei der LINKEN) fordern. Es wird uns in der Europäischen Union auf und in der jetzigen Situation FRONTEX nicht verstär- Dauer nicht gut gehen, wenn es unseren Nachbarn ken. Vielmehr muss man sich jetzt zurücknehmen. Das schlecht geht. wäre ein erster Vorschlag. Vielleicht können wir uns dar- Vielen Dank. auf einigen. Das wäre eine konkrete Hilfe für die Men- schen, nicht ausreichend, aber immerhin eine Hilfe. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ma- Mein zweiter Vorschlag: Lassen Sie uns gegenüber allen rieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE Staaten der Europäischen Union, aber auch in unserem GRÜNEN]) eigenen Land dafür eintreten, dass die Waffenlieferun- gen sofort eingestellt werden, und zwar endgültig. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Beifall bei der LINKEN) Das Wort hat nun der Kollege Wolfgang Gehrcke für die Fraktion Die Linke. Vor diesem Problem kann man sich nicht drücken. Über (Beifall bei der LINKEN) alles andere reden Sie, aber über solche Probleme reden Sie nicht. Das hat Ursachen. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ich möchte über einen weiteren Punkt diskutieren. Ich Schönen Dank, Frau Präsidentin! – Verehrte Kolle- frage mich: Machen Sie sich eigentlich Gedanken darü- ginnen und Kollegen! Ich finde, im ganzen Hause muss ber, wie gering die Europäische Union und auch unser Klarheit darüber bestehen, dass wir fordern und nicht Land in den arabischen Ländern angesehen sind? Ma- bitten, dass die Gewalt gegen Demonstranten in Libyen chen Sie sich keine Gedanken darüber, dass man dort be- sofort und endgültig eingestellt wird. merkt, dass unsere Politik mit doppelten Standards ar- beitet? (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]) Ihre!) 10478 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Wolfgang Gehrcke (A) Ich habe mich gefragt, warum gerade jetzt, nach- (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Oh! Rede- (C) dem vieles passiert ist, eine kritische Abrechnung mit zeit! Das ist ja eine Premiere!) Mubarak beginnt. Zuvor haben alle geschwiegen. Ich frage mich, warum Gaddafi gerade jetzt – zu Recht, das Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- möchte ich betonen – angegriffen wird, obwohl man NEN): vorher mit ihm zur Abwehr der Flüchtlingsströme pak- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! tiert hat. Das ist doch die Realität. Glauben Sie nicht, Das „liebe“ sage ich heute aus voller Überzeugung, weil dass das die Menschen nicht spüren? ich den Eindruck habe, dass wir uns im Grunde weitge- (Beifall bei der LINKEN) hend einig sind bei der Beurteilung der Situation Nord- afrikas, insbesondere derjenigen Libyens. Ich war dieser Tage in Ägypten und anderen arabischen Ländern. Auf der Straße spürt man, dass die Europäische (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Das ist ja Union, unser Land und auch unsere Bundesregierung mal was!) keine Glaubwürdigkeit mehr besitzen. Ich bin der Auf- In Nordafrika gibt es – ich habe einmal nachgezählt – fassung, wir müssen unsere Nahostpolitik, unsere Politik ein Dutzend Länder, in denen die Bevölkerung tage-, gegenüber den arabischen Ländern grundsätzlich korri- manchmal wochenlang für Demokratie, für Freiheit, für gieren. Menschenrechte, für Würde, aber auch für Brot und Ar- Herr Hoyer hat recht: Es gibt unterschiedliche Ursa- beit auf der Straße ist. Das zeigt uns, dass auch Völker, chen für die Proteste, aber es gibt auch vergleichbare. die islamisch geprägt sind, sehr wohl etwas von friedli- Ich möchte Ihnen einige nennen. Erstens. In allen Bewe- cher Revolution verstehen und eine friedliche Revolu- gungen erleben wir sehr stark, dass speziell junge Men- tion machen können, und zwar ohne unsere Anleitung. schen soziale Rechte einfordern. Die soziale Entwurze- Und das ist gut so. lung ist eine der Ursachen der Proteste. Wenn man die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht bekämpft, wird man keine demokratische Entwick- sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und lung befördern können. Ein zweiter Punkt, der eine Rolle der SPD) spielt, ist der Wunsch nach wirklicher Demokratie, das heißt, die klare Ablehnung kleptokratischer Regime in Nun stellen wir bezüglich Libyens leider fest, dass diesen Ländern. Ein dritter Punkt hat etwas mit Würde das Volk auf der Straße ist und sich bemüht, diesen Dik- zu tun. Wenn Menschen über lange Zeit entwürdigt wor- tator loszuwerden, dieser aber zurückschlägt und das den sind, hat das politische Auswirkungen und Nachwir- Volk unterdrückt. Die Krone der Unterdrückung und Re- kungen. Das ist in vielen Ländern identisch. pression ist der kaum für möglich gehaltene Umstand, (B) dass er sein eigenes Volk aus Flugzeugen der Luftwaffe (D) (Beifall der Abg. Angelika Graf [Rosenheim] bombardieren und beschießen lässt und dass er Söldner [SPD]) aus anderen afrikanischen Staaten einfliegen und sein Volk zusammenschießen lässt. Entwürdigung muss gestoppt werden. Auch ich sitze, wie wahrscheinlich viele von uns, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- abends vor dem Fernseher oder vor dem Radio und höre neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE wie vor gut 20 Jahren die Nachrichten und frage mich: GRÜNEN) Klappt es? Ist er bald weg? So war es in Bezug auf Wir haben allen Anlass, uns selbstkritisch mit diesem Ägypten, wo es die ganze Nacht darum ging: Geht Thema auseinanderzusetzen. Warum gehen wir den Mubarak jetzt, oder geht er nicht? So ist es jetzt wieder selbstkritischen Auseinandersetzungen aus dem Weg, bezüglich Libyens, nur dass die Situation für die Bevöl- wenn wir uns wirklich ändern wollen? Das ist nicht kerung dort noch viel dramatischer und schlimmer ist, glaubwürdig, das hat keinen Effekt, und das stärkt De- weil Menschen getötet werden, und zwar nicht Hun- mokratien nicht, sondern schwächt Demokratien. derte, sondern – wenn die Meldungen stimmen – bereits über 2 000. Es ist falsch, den Ägypterinnen und Ägyptern, die sich selbst befreit haben, jetzt zu sagen: Wenn es um Das ist unerträglich. Die internationale Gemeinschaft, eine Verfassung und den Aufbau von Demokratie geht, die UNO und Europa müssen klar sagen, dass das Mord- dann stehen wir euch zur Verfügung. Ihr könnt von uns taten sind. Sie müssen die Fakten benennen und dürfen lernen. – Umgekehrt ist es richtig: Wir können von vie- es nicht dabei bewenden lassen, vielmehr müssen sie len Ägypterinnen und Ägyptern sowie Libyerinnen und auch Konsequenzen ziehen und Sanktionen verhängen. Libyern lernen, die ihren Kopf für die Demokratie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – nicht für weise Ratschläge – hingehalten haben. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und Schönen Dank. der SPD) Zunächst fragen wir uns natürlich: Was hat Europa da- (Beifall bei der LINKEN) mit zu tun, was haben wir damit zu tun, dass das Gaddafi- Regime so reagieren kann? Wir müssen uns daran erin- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: nern, dass der Diktator Gaddafi mit seinem Hofstaat Nächster Redner ist für die Fraktion Bündnis 90/Die noch vor wenigen Wochen und Monaten in Europa ho- Grünen der Kollege Hans-Christian Ströbele. fiert worden ist. Er durfte seine Zelte auf großen Plätzen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10479

Hans-Christian Ströbele (A) in europäischen Hauptstädten aufschlagen. Alle waren Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (C) stolz, wenn sie mit ihm eingeladen wurden. Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit. (Zuruf von der LINKEN: Sie auch!) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Damit haben wir nicht etwa lediglich auf das falsche NEN): Pferd gesetzt; wir haben vielmehr wieder einmal den Letzter Satz. – Damit nicht genug: Das Volk in Li- Fehler gemacht, den wir in vielen Ländern der Welt byen erwartet von uns ganz konkrete Unterstützung. Wir – nicht nur in Nordafrika – machen: Wir haben auf Po- sollten medizinische, humanitäre Hilfe anbieten, und wir tentaten gesetzt, weil wir dachten, Stabilität sei wichtiger sollten in den Gebieten, die bereits befreit sind, eine sol- als Menschenrechte. Das darf nicht wahr sein. So kann che Hilfe bereits jetzt anbieten. Das ist möglich. Das das nicht weitergehen. kann auf den Weg gebracht werden. Wir haben an Libyen sogar Technologien geliefert, Ich habe heute in der Zeitung gelesen, – mit denen die Machthaber jetzt die Handys abschalten und den Zugang zum Internet sperren können. Wir haben Polizeihilfe geleistet. Europa hat über 100 000 Kalasch- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: nikows geliefert. Wir müssen es uns eine Lehre sein las- Herr Kollege, keinen neuen Anlauf, bitte. sen, dass solche Unterstützungsleistungen, dass solche Hilfen für Militär und Polizei, die als Unterdrückungs- Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- instrumente fungieren, gegen die Bevölkerung einge- NEN): setzt werden, wie es jetzt in Libyen der Fall ist. – dass deutsche Kriegsschiffe unterwegs sind. Sie sollten der Bevölkerung in den befreiten Gebieten so Es reicht nicht aus, dass wir sagen: Wir verurteilen helfen. Das ist jetzt unsere Aufgabe. Daran müssen wir das, wir stehen an der Seite der Bevölkerung, die auf die arbeiten. Straße geht und der Ermordung droht. Wir müssen etwas tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der SPD) sowie des Abg. Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Sanktionen sind erforderlich, und zwar zunächst gegen Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wolfgang Götzer den Clan von Gaddafi. Sie dürfen nicht ausreisen. Wenn für die CDU/CSU-Fraktion. (B) sie ausreisen wollen, müssen sie festgehalten und festge- (D) setzt werden. Sie müssen vor den Internationalen Straf- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gerichtshof gestellt werden. Das müssen wir ganz offen- neten der FDP) siv fordern. Diese Verfahren müssen wir einleiten. Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- der SPD) gen! Die gesamte arabische Welt befindet sich derzeit in Aufruhr. Der Funke, der sich in Tunesien entzündete, ist Wir müssen die Konten sperren. Wir müssen ihre Ver- auf Ägypten, Algerien, die Golfregion und andere arabi- mögen einfrieren. All das kann jetzt auf den Weg ge- sche Länder und nun auch auf Libyen übergesprungen. bracht werden, damit es irgendwann in den nächsten Ta- gen oder Wochen umgesetzt werden kann. Ich glaube allerdings nicht, dass man angesichts der Entwicklung in der arabischen Welt von einem Domino- Wir müssen aber auch den Soldaten Zuflucht gewäh- effekt sprechen kann. Zu unterschiedlich sind Ausgangs- ren, die ihre Flugzeuge nach Europa bringen wollen, um lage, aktuelle Situation und Perspektiven in den einzel- ihre Bevölkerung nicht bombardieren zu müssen. Diesen nen Ländern. Libyen ist kein historisch gewachsener Piloten und den Kapitänen und Matrosen, die mit Schif- Staat. Die Revolten in Tunis und Kairo stellten nie die fen unterwegs sind, müssen wir Asyl anbieten. Darüber Einheit des jeweiligen Landes infrage. In Libyen verhält hinaus müssen wir den Menschen helfen, die jetzt in Li- sich das anders. Außerdem gibt es kein homogenes byen verfolgt werden. Ich meine die Tunesier und Ägyp- Staatsvolk. Deshalb drohen alte Stammeskonflikte jetzt ter, die ermordet werden, deren Frauen vergewaltigt wer- wieder aufzubrechen. Anders als in Ägypten und Tune- den, die verfolgt werden, die in Nachbarländer fliehen. sien sind keinerlei Ansätze für eine Zivilgesellschaft und Diesen Menschen müssen wir helfen. Gerade Länder nicht einmal rudimentäre demokratische Strukturen zu wie Tunesien und Ägypten müssen wir unterstützen, da- erkennen. Es gibt keine politische Landschaft und vor al- mit sie diesem Flüchtlingsstrom einigermaßen Herr wer- lem niemanden, der das Land auf Anhieb repräsentieren den können. Sie müssen in die Lage versetzt werden, die oder in einer Übergangsphase regieren könnte. Auch ist Flüchtlinge zu humanitären Bedingungen unterzubrin- das libysche Militär, anders als beispielsweise in Ägyp- gen. ten, kein stabilisierender Faktor. Die Armee ist vielmehr gespalten. Deshalb ist die Zukunft Libyens ungewiss. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und Aber nicht nur in den genannten Punkten unterschei- der SPD) den sich die aktuellen Vorgänge in Libyen von den Vor- 10480 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Wolfgang Götzer (A) gängen in der übrigen arabischen Welt. Vor allem die bei behilflich sind, dass die Probleme in Nordafrika (C) brutale Gewalt, mit der Gaddafi sein eigenes Volk nie- selbst gelöst werden. dermetzeln lässt, ist ohne Beispiel. Hunderte von Men- (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was heißt schen – wahrscheinlich muss man inzwischen von Tau- das?) senden sprechen, darunter auch Ausländer – sind in den letzten Tagen gewaltsam ums Leben gekommen, nur – Hilfe zur Selbsthilfe. weil sie für Freiheit, Menschenrechte und ein Leben in (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Und was Würde auf die Straße gegangen sind. Viele Tausende heißt das?) sind auf der Flucht. Während eines bizarren Sekunden- auftritts droht der Diktator seinem eigenen Volk sogar – Das heißt, es sollte keinen unbegrenzten Zufluss von mit Bürgerkrieg und spricht in einer theatralisch-grotes- Flüchtlingen geben, Herr Kollege – das hat Kollege ken Ankündigung von seiner Bereitschaft zum Märtyrer- Schockenhoff vorhin bereits angesprochen –, tod. (Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]) Bei dem Vorgehen des Regimes gegen die Demon- sondern wir müssen vor Ort für bessere Lebensbedin- stranten handelt es sich mittlerweile längst nicht mehr nur gungen, für bessere politische und wirtschaftliche Be- um die leider allzu bekannten Menschenrechtsverletzun- dingungen sorgen. gen, die in Libyen seit nunmehr 42 Jahren zum Alltag ge- hören. Die wenigen Bilder, die wir aus dem isolierten Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Die Vorgänge Land bekommen, zeigen eine Reaktion des Regimes, die in der arabischen Welt haben inzwischen – da stimme nur noch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit be- ich dem Bundesaußenminister zu – die Dimension einer zeichnet werden kann. Dieses barbarische Vorgehen ge- Zeitenwende, einer historischen Zäsur angenommen. gen das eigene Volk ist weltweit schärfstens verurteilt Auch wenn der Westen wenig Einfluss auf die weitere worden. Bemerkenswert finde ich in diesem Zusammen- Entwicklung der Ereignisse hat, kommt es jetzt darauf hang die Reaktion der Arabischen Liga, die Gaddafi un- an, klar Position zu beziehen und ebenso besonnen wie missverständlich aufgefordert hat, die Gewalt einzustel- entschlossen zu agieren. len, so wie es bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Vielen Dank. Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister getan haben. Die Bundesregierung gehört damit zu den Ersten, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- die in der internationalen Staatengemeinschaft klar Posi- neten der FDP) tion gegen den libyschen Despoten und sein Regime be- zogen haben. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (B) Nächster Redner ist der Kollege Dr. Rolf Mützenich (D) Oberste Priorität muss nun für uns haben, alle sich für die SPD-Fraktion. noch in Libyen befindenden Deutschen sicher außer Landes zu bringen. Des Weiteren darf es keinen Zweifel (Beifall bei der SPD) an der gemeinsamen Haltung der EU gegenüber der liby- schen Regierung geben. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- (Christoph Strässer [SPD]: Dann sag das mal legen! In der Tat, wir sind Zeugen einer dramatischen, dem Berlusconi!) furchtbaren und mörderischen Entwicklung in Libyen, – Ja, ja. – Auch wenn die Interessenlage in der EU viel- und wir fordern, ich glaube, als gesamter Deutscher Bundestag: Das muss sofort beendet werden. Wir brau- schichtig ist, muss Europa, wenn es um die elementars- chen einen Gewaltverzicht. ten Menschenrechte geht, mit einer Stimme sprechen. Ich stimme Ihnen völlig zu, Herr Staatsminister Hoyer, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) dass man da schon früher hätte mehr erwarten können. Es ist Zeit, dass es jetzt zu einer gemeinsamen Haltung Wir müssen eine friedliche Entwicklung in Libyen ein- der EU kommt. fordern und diese nach unseren Möglichkeiten unterstüt- zen. Sollte Gaddafi weiterhin mit brutaler Gewalt sein Re- Ich warne ein bisschen davor, auf die Posen von gime aufrechterhalten wollen – leider sind keine Anzei- Gaddafi hereinzufallen. Er ist voll zurechnungsfähig. Er chen dafür erkennbar, dass er umdenkt –, müssen Sankti- ist verantwortlich für die Taten, und er muss dafür auch onen folgen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Libyen im einstehen. Wenn ihn das eigene Volk oder die eigenen Chaos versinkt. Für Deutschland, die EU und die ge- Institutionen nicht zur Rechenschaft ziehen, dann muss samte westliche Welt ist es von elementarer Bedeutung, der Internationale Strafgerichtshof handeln, dann müs- Libyen bei der Ingangsetzung eines Demokratisierungs- sen die Möglichkeiten, die wir in der internationalen Ge- prozesses zu unterstützen und zu verhindern, dass es meinschaft in den letzten Jahren gegen die Verletzung zum Rückzugsgebiet für islamistische Terroristen wird. der Menschenrechte entwickelt haben, sofort genutzt werden. Ich hoffe, dass die Bundesregierung dies im Si- Auch die nachhaltige Eindämmung der Flüchtlings- cherheitsrat der Vereinten Nationen unterstützt. ströme – nicht nur aus Libyen – liegt im klaren Interesse aller EU-Länder. Das wird aber nicht funktionieren, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wenn sich Europa abschottet, sondern nur, wenn wir da- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10481

Dr. Rolf Mützenich (A) Ich bin der festen Überzeugung, dass das, was inner- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass die (C) halb der Europäischen Union in den letzten Tagen unter- Chancen überwiegen, sowohl für die Region als auch für nommen worden ist, in die richtige Richtung geht. Ich Europa. Junge Frauen und Männer, Arbeiterinnen und will das auch an die Adresse der Bundesregierung sagen. Arbeiter, gut ausgebildete Menschen haben ihr Schicksal Ich glaube, Sie haben diesmal schneller, umfassender in die Hand genommen. Sie stehen für Modernisierung und deutlicher reagiert. Im Gegensatz zu den Erfahrun- und Mobilität und auch für ein anderes Bild einer islami- gen im Zusammenhang mit Tunesien und Ägypten ist schen Gesellschaft. Die Demonstranten haben nicht ge- die Rolle Deutschlands in der Europäischen Union zur- sagt, der Islam sei die Lösung für ihre Probleme, sondern zeit vorbildhaft. Aber das heißt auch, Herr Kollege sie wollen eine moderne, mobile, demokratische, freie Schockenhoff: Sie müssen mit Ihrem Parteifreund Gesellschaft. Berlusconi Ich finde, Europa muss signalisieren, dass wir diese (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Na!) Bestrebungen unterstützen und sie als Chance begreifen. So hat es auch Europa geschafft, nach dem Zweiten über die Sonderrolle Italiens sprechen. Weltkrieg eine friedliche Entwicklung in unserer Region (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der einzuleiten. Setzen wir doch ein positives Signal! Das LINKEN – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: heißt natürlich auch, dass man ehrlich sein muss. Wir Ich bitte Sie! Also wirklich! Was soll das werden in der Europäischen Union eine neue Flücht- denn?) lingspolitik brauchen. Ich begrüße das, was Herr Staats- minister Hoyer hierzu für die Bundesregierung erklärt Zumindest müssen Sie versuchen, ihn mithilfe der Kon- hat. takte, über die Sie aus der Vergangenheit vielleicht noch verfügen, zu überzeugen; ich glaube, alles andere ginge Wir müssen uns klar darüber sein, dass wir den Men- in genau die falsche Richtung. Wenn man das nicht auf schen bestimmte Möglichkeiten eröffnen und ihnen ei- Parteiebene machen will, dann muss es letztlich die Bun- nen temporären Aufenthalt anbieten müssen. Auch die deskanzlerin in ihren Konsultationen mit dem Regie- Frage des politischen Asyls wird in diesem Zusammen- rungschef tun. hang eine Rolle spielen. Wir werden im Ausbildungssek- tor Hilfe leisten müssen. Insbesondere die Abschottung (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Was der Europäischen Union im Agrarsektor muss beendet soll denn das? Eigentlich mag ich Sie ja ganz werden. Hier geht es um genau das, was Sie eben gesagt gern!) haben. Wir unterstützen das. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine bestimmte De- batte, vor der ich ein bisschen warnen möchte, sollten (Beifall bei der SPD, der FDP und dem (B) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- (D) wir in Deutschland nicht befördern. geordneten der CDU/CSU) (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wo ist eigentlich Ihr Parteifreund Mubarak?) Wir haben die Chance, in dieser Region eine stabili- sierende Rolle zu spielen. Insbesondere wird es aber auf Ich habe wirklich Verständnis für die herrschende Skep- die Länder selbst ankommen. Ich hoffe, dass die Türkei sis, auch für die der Menschen in Deutschland, die vor eine Menge wird bewegen können. Wenn es dann noch dieser Entwicklung natürlich Angst haben; das ist gar gelingt, dazu beizutragen, dass Ägypten als stabiles, frei- keine Frage. Wir wissen noch nicht, was in allen Einzel- heitliches Land in dieser Region einen Stabilitätsanker heiten auf uns zukommt. Aber ich finde, wir Politikerin- bildet, werden davon auch Europa und die Menschen, nen und Politiker dürfen die Situation nicht dramatisie- die hier leben, profitieren können. ren. Wir dürfen auch nicht die falschen Maßstäbe anlegen. Vielen Dank. Ein Beispiel ist die Diskussion über die Flüchtlinge. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ich bin der festen Überzeugung, Libyen und seine Nach- DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der barländer werden an den Grenzen viel größere Probleme CDU/CSU, der FDP und der LINKEN) mit Flüchtlingen und Binnenflüchtlingen haben, als es in Europa jemals der Fall sein wird. Auch das gehört zum Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bild der Lage. Wir müssen bei diesem Thema alle Mög- Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Stinner für die lichkeiten, die wir in unserer Geschichte entwickelt ha- FDP-Fraktion. ben, nutzen, auch in Sachen Toleranz. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Insbesondere finde ich, dass wir ein vollkommen fal- der CDU/CSU) sches Bild von den Menschen zeichnen, die zurzeit ver- suchen, in ihrer Region, in ihren Ländern neue Gesell- Dr. Rainer Stinner (FDP): schaften aufzubauen. Sie demonstrieren doch nicht, um Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! fliehen zu können. Sie wollen in ihren Ländern bleiben. In der vorletzten Sitzungswoche haben wir uns mit Tu- Sie wollen sich selbst ermöglichen, in ihrem Land zu le- nesien beschäftigt, in der letzten Sitzungswoche mit ben. Darin müssen wir sie auch von hier aus unterstüt- Ägypten, und heute befassen wir uns mit Libyen. Man zen, und wir dürfen nicht dramatisieren. könnte die Frage stellen: Womit beschäftigen wir uns in (Beifall im ganzen Hause) der nächsten Plenarwoche? 10482 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Rainer Stinner (A) (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: mir gewünscht, dass er auch gesagt hätte: Wir Luxem- (C) Mit dem Jemen!) burger sind bereit, heute Nachmittag ein Bataillon der luxemburgischen Armee in Marsch zu setzen. – Denn – Es kann so sein; aber wir wissen es noch nicht. Wir das wäre die Konsequenz. Wer A sagt, von Völkermord alle wissen nicht, wie sich die Situation entwickelt. Wir spricht und sagt, man müsse etwas dagegen tun, der alle wissen auch nicht, was am Ende des Tages bei den muss auch B sagen und erklären, woher er die Soldaten Reformprozessen herauskommt. nehmen will. Ich sage hier und heute deutlich: Ich bin (Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ nicht bereit, darüber nachzudenken, Bundeswehrsolda- CSU]: So ist es!) ten nach Libyen zu schicken. Das wäre aber die Konse- quenz, wenn man von Völkermord spricht; das müssen In den Ländern, mit denen wir uns bisher beschäftigt wir sehr deutlich sagen. haben, herrscht eine vergleichbare Situation: Die Leute, die normalen Menschen, haben es gewagt, auf die Straße Aber wir müssen aus dieser Situation auch etwas ler- zu gehen. Ich finde es unglaublich mutig, dass es Men- nen. Wir müssen bereit sein, zu erkennen, dass wir ers- schen in Libyen heutzutage immer noch wagen, auf die tens von der Region nicht genug gewusst haben und uns Straße zu gehen, obwohl sie dort abgeschossen werden – zweitens nicht genügend – wir haben ja auch andere so muss man das sagen. Wir können uns vor diesem Mut Baustellen – darum gekümmert haben. Wir müssen dar- der Bevölkerung in Libyen nur verneigen und sie mit aus lernen, wie wir in Europa vorgehen. Dazu möchte den allerbesten Wünschen begleiten. ich sagen – als Abgeordneter kann man ja deutlicher sprechen als die Regierung –: Für mich ist es völlig inak- (Beifall im ganzen Hause) zeptabel, wie die italienische Regierung bisher mit dem Auf der einen Seite gibt es also etwas Vergleichbares, Thema umgegangen ist. auf der anderen Seite gibt es aber auch große Unter- schiede. Das müssen wir, liebe Kolleginnen und Kolle- (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD gen, zur Kenntnis nehmen und auch sehr deutlich sagen. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir können die Situation in Libyen nicht mit der in Tu- Das müssen wir als Abgeordnete deutlich zum Ausdruck nesien oder Ägypten vergleichen. Während wir in Ägyp- bringen. Ich kann die Bundesregierung nur ermutigen ten und Tunesien wenigstens eine Chance haben und und ermuntern – diese Unterstützung soll sie mitneh- Strukturen erkennen können, in die sich etwas hineinent- men, und dazu hat sie, jedenfalls von mir und meiner wickeln kann, gibt es dafür in Libyen nach meinem Da- Fraktion, auch das Mandat –, in der Europäischen Union fürhalten bisher nicht den geringsten Ansatzpunkt. Das in Freundschaft, aber auch in Klarheit dafür zu sorgen, ist ein großer Unterschied. Von daher sage ich auch: Was dass die Mittelmeerpolitik nicht von einem Klub von (B) da passiert, ist hochriskant. Wir wissen nicht, wie das Ländern dominiert wird, die ihre eigenen Interessen (D) Ende aussieht. Wir können nur unterstützen, wo wir kön- – historische Bindungen usw. – verfolgen. Dafür ist das nen. Thema für uns alle in Europa zu wichtig. Hier muss Eur- Libyen ist also anders. Deshalb finde ich es auch rich- opa an einem Strang ziehen, und Deutschland ist beson- tig, dass die Reaktion der Bundesregierung auf die Situa- ders gefordert. tion in Libyen anders ist als im Fall von Ägypten und Ich bin besonders froh darüber, dass die Bundesregie- Tunesien. Wir müssen uns den Situationen, die wir vor- rung die ersten wichtigen und richtigen Maßnahmen finden, anpassen. Ich finde es sehr richtig, dass die Bun- schnell ergriffen hat. Zunächst einmal ging es darum, in desregierung bzw. der Außenminister als erster europäi- dem Chaos in Libyen dafür zu sorgen, dass Deutsche scher Führer deutliche Worte gefunden hat. Das war und andere Staatsbürger in Sicherheit gebracht werden – völlig richtig. In Libyen wird auf der Straße geschossen, Leib und Leben retten. Das hat die Bundesregierung ef- und Libyens Führer hat zum Bürgerkrieg aufgerufen; das fektiv und effizient gemacht. Das war hervorragend. Ich ist in Ägypten und Tunesien nicht passiert. Das ist eine glaube, ich kann im Namen aller sprechen, wenn ich den völlig andere Situation, und es bedarf auch anderer Ge- Deutschen, die vor Ort, aber auch in Deutschland dazu genmaßnahmen. Es gibt eventuell die Möglichkeit, ge- beigetragen haben, dass das schnell möglich war, aus- gen Libyen Sanktionen zu verhängen, wobei das viel- drücklich Dank und Anerkennung ausspreche. Herr leicht zum Teil nur von symbolischer Bedeutung ist. Staatsminister, bitte übermitteln Sie das Ihren Mitarbei- Ich möchte aber sehr deutlich sagen, dass ich große tern! Probleme damit habe, wenn Politiker in Deutschland, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie vor allem aber auch im Ausland in diesem Zusammen- bei Abgeordneten der SPD) hang von Völkermord sprechen und daran entsprechende Konsequenzen knüpfen. Das Wort „Völkermord“ bein- Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ab- haltet erstens, dass eine bestimmte Situation vorherr- schluss sagen: Wir sind politisch gefordert. Wir sind zu- schen muss, die nach meinem Dafürhalten – aber ich bin nächst gefordert, die wichtigen Dinge, die jetzt, in dieser kein Völkerrechtler – heute in Libyen trotz der furchtba- Woche und in diesen Tagen, anstehen, anzugehen. Dann ren Ereignisse immer noch nicht besteht. Wenn der Ter- sind wir mittelfristig politisch gefordert, eine neue Mit- minus „Völkermord“ verwendet wird, bedeutet das telmeerpolitik in Europa zu entwickeln. Daran müssen zweitens, dass unmittelbar und notwendigerweise Kon- wir arbeiten. Dazu muss Deutschland einen wichtigen sequenzen gezogen werden müssen. Herr Asselborn hat Beitrag leisten. Wir dürfen dieses Thema nicht nur eini- das gestern Morgen in Deutschland gefordert. Ich hätte gen wenigen Staaten überlassen. Deutschland muss seine Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10483

Dr. Rainer Stinner (A) Rolle spielen, und wir, das Parlament, werden die deut- beim Neubeginn treffen. Bei diesem Neubeginn sollten (C) sche Bundesregierung mit Kräften unterstützen. wir bereit sein, finanzielle Unterstützung und vor allem Unterstützung beim Aufbau eines pluralen demokrati- Vielen Dank. schen Systems zu leisten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- Jede Opposition wurde brutal unterdrückt. Es gibt NISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Gehr- keine geübten Strukturen. Wenn wir nicht zu einer geeig- cke [DIE LINKE]: Das war ausnahmsweise neten Unterstützung gelangen, werden vom Chaos nicht- mal eine ganz gute Rede!) plurale Kräfte profitieren. Auch dafür gibt es Beispiele. In der taz habe ich gelesen, dass islamische Führer ge- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: sagt haben, es bestehe die Pflicht der Muslime, gegen die Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege libysche Führung aufzubegehren. Die arabische Welt Johannes Selle. wird nicht mehr so sein, wie sie war. Das ist die Chance, über die Selbstbestimmung der nordafrikanischen Völ- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ker und die geografische Nähe zu einer echten und engen neten der FDP) Zusammenarbeit zu kommen. Darüber sollten wir hier noch oft reden. Johannes Selle (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In die- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie sen Tagen erleben wir einmal mehr, wie viele Opfer es bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE kosten kann, wenn ein Diktator nicht aufgeben will. Man GRÜNEN) kann bei der Fülle von Einzelinformationen nicht mehr erkennen, ob 600, 1 000 oder bereits 2 000 Tote zu be- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: klagen sind. Wer in die Menge schießt, hat jeden An- Nächste Rednerin ist die Kollegin Gudrun Kopp für spruch auf Respekt verloren. die FDP-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- der CDU/CSU) NISSES 90/DIE GRÜNEN) Er kämpft für niemanden mehr als für sich selbst. Gudrun Kopp (FDP): Eine unübersehbare Zahl von brutalen Bildern kann man Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! (B) im Netz finden – auch von toten Soldaten, die auf Befehl Wir sind uns darüber einig, dass die Gewaltherrschaft in (D) Gaddafis getötet wurden, weil sie nicht auf Landsleute Libyen ein Ende haben und die Herrschaft von Gaddafi schießen wollten. Wenn Soldaten durch ins Land geholte überwunden werden muss. Das ist eine Riesenhürde. Söldner ersetzt werden, dann hat der Diktator allein da- Wir haben eben gehört, welche nächsten Schritte zu ge- durch sein Recht verloren, das Volk zu vertreten. hen sind. Er kämpft bis zum letzten Blutstropfen um seine Ich möchte an dieser Stelle einmal betrachten, wie es Herrschaft und sein Einkommen. Dabei hat er durch die denn eigentlich einem Volk ergeht, das aufbegehrt und Arroganz der Macht schon lange den Blick für die Reali- wohl einen Neubeginn haben möchte, und welche Vor- tät verloren. Das bedeutet, er nimmt nicht mehr wahr, aussetzungen dafür vorhanden sind. dass er ohne die Zustimmung des Volkes handelt. Von auf das Wohl des Volkes ausgerichteter Politik kann Ich betone ausdrücklich, dass vor Ort keine Entwick- schon lange keine Rede mehr sein. lung ohne eine gute Regierungsführung stattfinden kann. An dem Beispiel dieses Landes wie auch anderer Länder Wenn man in dieser Zeit die Zeitungen liest, dann sehen wir, wie wichtig es ist, hier zu ganz neuen demo- sieht man, dass jetzt viele nationale und internationale kratischen Strukturen zu kommen. Vergehen aufgelistet werden, die einen erschaudern las- sen. Es war bekannt, wes Geistes Kind das Regime ist, Dabei stellt sich die Frage: Kann man mit der Ent- und es fühlt sich nachträglich nicht gut an, für die Stabi- wicklungszusammenarbeit in Libyen die neuen Struktu- lität so manchen anderen europäischen Wert vernachläs- ren, die hoffentlich demokratischer Natur sind – wir sigt zu haben. Jetzt aber ist die Zeit für klare Worte ge- müssen das weiter beobachten –, unterstützen? Ein Blick kommen. Es reicht nicht, das Ende der Gewalt zu auf die derzeitige Situation zeigt: Bisher war Libyen fordern, sondern es muss die Verurteilung der Verant- kein Partnerland bei der Zusammenarbeit in der Ent- wortlichen verlangt werden. wicklungspolitik. Es wird ohnehin nicht mehr möglich sein, politisch Es gab zwei kleine regionale Projekte, die über die mit diesem System zu verhandeln. Alles, was für ein Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit ver- schnelles Ende getan werden kann, muss auch schnell wirklicht wurden. Aber diese Projekte erfolgten in regio- getan werden. Dieses System darf durch nichts mehr nalem Zusammenhang und gegen Bezahlung, also nicht Zeit gewinnen, auch damit das libysche Volk in der ver- durch Einsatz von Steuermitteln. Das war und ist derzeit bleibenden Zeit nicht das Nachsehen hat und weiter be- nicht unbedingt erforderlich, weil Libyen über große trogen wird. Wenn wir das Regime zögerlich verurteilen, Erdölvorkommen und damit auch sehr viele eigene Res- werden wir auf zögerliches Vertrauen der Bevölkerung sourcen verfügt. 10484 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Gudrun Kopp (A) Wenn aber die derzeitigen Strukturen überwunden und die Länder eine Chance haben, in Zukunft weiter (C) sein sollten und sich abzeichnet, dass es in Libyen demo- agieren zu können, um den Aufbau voranzutreiben, statt kratische Strukturen und Kräfte gibt, die den Neuaufbau weiter den Mangel zu verwalten. wollen, wie wir uns das vorstellen, stellt sich die Frage, ob wir dann helfen können. Ich verweise darauf, dass das Herzlichen Dank. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie und Entwicklung des Abg. Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Günter Gloser [SPD]: Warum ist das eigent- lich nicht da? – Gegenruf des Abg. Hartwig Fi- scher [Göttingen] [CDU/CSU]: Frau Kopp ist Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: doch die Staatssekretärin!) Nächster Redner ist der Kollege Günter Gloser für die SPD-Fraktion. drei Fonds für Nordafrika und Nahost aufgelegt hat, zu denen ich einige Details nennen möchte. Es gibt einen Günter Gloser (SPD): Demokratiefonds, einen Bildungsfonds und einen Wirt- schaftsfonds. Der Demokratiefonds ist mit 3,25 Millio- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und nen Euro ausgestattet, die für den Aufbau und die Unter- Kollegen! Wer auf seine eigene Bevölkerung schießen stützung der politischen Stiftungen, die Akademie der lässt, wer Söldner anwirbt, um Menschen töten zu las- Deutschen Welle, die Gründung von Parteien und die sen, wer unzählige Menschen auf dem Gewissen hat, Organisation von Wahlen bestimmt sind. Der Bildungs- wer seine eigene Bevölkerung als Ratten tituliert, der hat fonds mit einem Umfang von 8 Millionen Euro hat die wahrlich keinen Schutz verdient. Qualifizierung von jungen Menschen insbesondere im (Beifall im ganzen Hause) beruflichen Bereich im Blick. Der Wirtschaftsfonds mit einem Umfang von 20 Millionen Euro soll dieser Region Schutz verdient haben aber die vielen mutigen Men- helfen, die Perspektiven zu verbessern und insbesondere schen in Libyen, die auf die Straße gegangen sind. durch die Gründung von Kleinstunternehmen und mittel- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ großen Unternehmen mithilfe von Mikrofinanzierung CSU und der LINKEN) Arbeitsplätze zu schaffen. Es gibt auch keinen Streit über die Analyse. Alle ha- Es gibt also einen breiten Rahmen. Wir müssen sehen, ben gesagt, welche Verhältnisse in Libyen herrschen, wie sich die Dinge weiterentwickeln. auch im Vergleich zu Ländern wie Ägypten, Tunesien (B) oder anderen in der Golfregion. Es ist daher wichtig, (D) Es darf aber nicht der Eindruck entstehen, dass die jetzt ein Zeichen zu setzen. Manchmal habe ich den Ein- westlichen Länder möglicherweise von außen diktieren druck, wir haben immer noch nicht richtig verstanden, wollen, was demnächst vor Ort in den genannten Län- was eine, zwei oder drei Flugstunden vom europäischen dern in Nordafrika und im Nahen Osten passiert. Viel- Kontinent entfernt passiert. Angesichts dieser Umbruch- mehr muss der Neubeginn von innen heraus vor Ort ge- phase wäre es wichtig gewesen, dass die Europäische staltet werden. Die Menschen vor Ort müssen eine Union, abgesehen von der vielbeschworenen einen Perspektive haben, damit sie Arbeitsplätze finden, dort Stimme, zumindest gesagt hätte: Wir setzen uns mittel- bleiben können und eine Zukunft haben. Ich glaube, das fristig zusammen und beraten über die Konsequenzen ist für uns eine sehr wichtige Aufgabe. aus einem solchen Umbruch. – Aber ich kann nicht se- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten hen, dass man das macht. der CDU/CSU) Verschiedene Redner haben bereits Kritik an der Vor- gehensweise geübt. Herr Staatsminister Hoyer, es ist Wir brauchen zudem sehr individuelle, maßgeschnei- vollkommen richtig, was Sie gesagt haben. Ich glaube, derte Hilfen und Unterstützung. Auch dafür gibt es keine Sie können die breite Unterstützung des Hauses für Ihre Allgemeinlösung. Vorschläge bekommen. Aber das, was am Montag auf Zum Schluss möchte ich einen Punkt betonen. Der europäischer Ebene herausgekommen ist – Sie haben an Kollege Stinner sprach von einer neuen Mittelmeerpoli- den entsprechenden Sitzungen teilgenommen; ich zitiere tik, die wir brauchen. Das ist sehr richtig. Denn die Kräf- Sie jetzt nicht –, ist ein schwaches Bild. teverhältnisse und die Verhältnisse überhaupt haben sich (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE vollkommen geändert. Im Bereich einer neuen Mittel- LINKE]) meerpolitik müssen wir aber den Fokus insbesondere auf die ländliche Entwicklung richten. Für die ländliche Ent- Wenn ein Regierungschef den Eindruck erweckt – ich zi- wicklung und den Agrarsektor ist es absolut notwendig, tiere nur aus einer Zeitung, mit einer Fußnote versehen –, dass die EU-Agrarsubventionen im Export gestrichen dass er sich als Schutzmacht für Herrn Gaddafi geriert, werden und sagt, man könne keine Sanktionen verhängen, weil sonst möglicherweise Flüchtlinge zu uns kämen, dann (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten kann ich als Reaktion nur sagen: Das ist nicht die euro- der CDU/CSU und des Abg. Thilo Hoppe päische Politik, auf die wir uns vor vielen Jahren ver- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) ständigt haben. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10485

Günter Gloser (A) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem etwas anderes gesagt hat, nicht gut. Die Vielstimmigkeit (C) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas in der Regierung sollte ein Ende haben. Schockenhoff [CDU/CSU]: Die Fußnote sind Ich möchte am Schluss ausdrücklich den Kolleginnen Sie uns noch schuldig!) und Kollegen, die vor Ort in den deutschen Botschaften, Bevor ich auf die Binnenwirkung in unserem Land zu in verschiedenen Vertretungen und Institutionen tätig sprechen komme, darf ich mit Einverständnis der Frau sind, Dank für ihr Engagement und ihre Arbeit sagen. Präsidentin aus der Berliner Erklärung zum 50. Jahrestag (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Europäischen Union zitieren: der FDP) Wir leben und wirken in der Europäischen Union Ich glaube, sie haben keine einfache Aufgabe. Das, was auf eine einzigartige Weise zusammen. Dies drückt in den letzten Tagen in Libyen passiert ist, ist nicht ver- sich aus in dem demokratischen Miteinander von gleichbar mit der Situation in anderen Ländern. Auch Mitgliedstaaten und europäischen Institutionen. Die deshalb bitte ich, Dank auszurichten. Europäische Union gründet sich auf Gleichberech- tigung und solidarisches Miteinander. So ermögli- Vielen Dank. chen wir einen fairen Ausgleich der Interessen zwi- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten schen den Mitgliedstaaten. der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) Wenn das so ist, dann müssen wir uns auch in der Flüchtlingspolitik gegenseitig helfen. Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Für die Unionsfraktion hat der Kollege Fischer das Wort. Es hat doch keinen Sinn, dass manche auf der Einhal- tung jedweder bürokratischen Regelung, die im Rahmen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) von Dublin II getroffen wurde, bestehen. Da wir gerade über Flüchtlingspolitik reden: Herr Staatssekretär Berg- Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): ner, ich bin Ihnen dankbar, dass jetzt auch das Innenmi- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! nisterium vertreten ist. Sonst hätte ich das negativ ange- Libyen befindet sich in einem Kontext mit Tunesien, merkt. Schließlich geht es auch um eine Aufgabe Ihres Ägypten, den MENA-Staaten insgesamt. Trotzdem ist Ministeriums. jedes Land unterschiedlich. Wie wir sehen, könnten die Auswirkungen in Tunesien, Ägypten und Libyen nicht Ich möchte einen Aspekt nennen, über den wir uns, (B) unterschiedlicher sein. Wir sehen, dass die Rebellion in (D) glaube ich, einig sind. Es ist sicherlich kein Wider- Tunesien und Ägypten gegen die eigenen Regierungen spruch, wenn gesagt wird: Auf der einen Seite müssen in weiten Bereichen Früchte getragen hat. Wir sehen die Länder ihre Aufgaben machen. Auf der anderen aber auch, dass es für die Menschen in Libyen, wo der Seite müssen wir dafür sorgen, dass die Wirtschaft wie- Machthaber auf die eigene Bevölkerung schießt, im Au- der in Schwung kommt und dass Demokratie und Frei- genblick keinerlei Perspektiven gibt. heit herrschen. Das bestreitet niemand. Aber, liebe Kol- leginnen und Kollegen, kann man ernsthaft annehmen, Es gibt immer noch Diktatoren, die ihre Völker in dass die betreffenden Länder dies alles allein schultern Geiselhaft nehmen: Castro, Ahmadinedschad, Baschir, können, sodass wir uns nicht um Flüchtlingspolitik und Kim Jong-il und einige andere. Der Massenmörder Migrationsfragen wie Arbeitsmigration und Bildungsmi- Gaddafi zeigt jetzt, dass es noch schlimmer geht: brutale gration kümmern müssen? Das alles muss doch im Unterdrückung seit 40 Jahren, Mord, Inhaftierung, Iso- Gleichklang geschehen. Ich finde es fatal, wenn ein lierung, Folterung. Man nimmt den Menschen ihre oberster Polizeifunktionär nach den ersten Flüchtlings- Würde. Man gibt ihnen keinerlei Chance zur Teilhabe. bewegungen nach Lampedusa sagt: Wir müssen Europa Viele Menschen leben unterhalb des Existenzminimums. zur Festung ausbauen. – Das kann nicht die richtige Ant- Wie wir vom ehemaligen Justizminister Libyens hören, wort der Europäischen Union auf die aktuellen Fragen war der Massenmörder Gaddafi am Mord von Lockerbie sein. direkt beteiligt: Er hat ihn befehligt. Dies ist jetzt in Schweden bekannt geworden. Er hat den Abschuss des (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ PanAm-Jumbos 103 am 21. Dezember 1988, bei dem DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der 259 Fluggäste und 11 Bewohner Lockerbies ums Leben CDU/CSU und der LINKEN) kamen, zu verantworten. Ich wünsche und hoffe, dass in diesen Stunden Sank- Ich danke ausdrücklich unserem Außenminister, aber tionen gegen Gaddafi und seine Clans verhängt werden. auch Herrn Staatsminister Hoyer und Herrn Niebel dafür, Herr Staatsminister Hoyer, ich war gestern etwas über- dass man sofort gehandelt hat, dass man sofort Gespräche rascht – weil das sozusagen Ihre eigene politische Fami- in den entsprechenden Nachbarländern von Libyen geführt lie betrifft –, als ich die Meldung von Reuters gelesen und aufgezeigt hat, dass man denen, die dort rebellieren, habe, wonach Herr Brüderle gesagt hat: Sanktionen ste- Chancen gibt, damit man dort Perspektiven sieht. Ich bin hen aktuell nicht an. – Das finde ich angesichts der Tat- dankbar, Herr Hoyer, dass Sie mir eben, als ich Sie kurz sache, dass Ihr Außenminister zuvor in Kenntnis dessen, gefragt habe, bestätigen konnten, dass es vollkommen was am Montag in der Europäischen Union passiert ist, klar ist, dass diese Bundesregierung den Menschen in 10486 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Hartwig Fischer (Göttingen) (A) Libyen sofort, wenn wir die Chance haben, Hilfestellung Ländern in der Vergangenheit passiert ist. Ich will da gar (C) zu geben, medizinische Hilfe und Nothilfe zukommen keine Regierung in der Vergangenheit ausnehmen. lässt – direkt oder über NGOs –, damit sich die Situation Eine Bitte habe ich noch: Ich glaube nicht, dass es an- für die Menschen nicht über Wochen oder Monate gehen kann, dass bereits am Freitag der Menschen- schlecht darstellt. Wir sind dankbar, dass das Versor- rechtsrat tagt und Libyer aus der derzeitigen Regierung gungsschiff „Berlin“ und die Fregatten „Brandenburg“ am Tisch sitzen. Libyen muss vom Menschenrechtsrat und „Rheinland-Pfalz“ bereits auf Kurs gegangen sind suspendiert werden. Gaddafi muss vor den Internationa- und dass weitere Menschen mit dem Airbus der Bundes- len Gerichtshof gezogen werden. wehr zurückgeführt werden können, wie bereits gestern Abend geschehen. Ich danke Ihnen. Herr Gehrcke, ich muss kurz auf Sie eingehen, weil (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Sie kritisiert haben, dass in der Vergangenheit Gespräche bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- mit Mubarak und anderen dort auf höchster Ebene statt- NISSES 90/DIE GRÜNEN) gefunden haben. Vizepräsidentin Petra Pau: (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nicht Die Aktuelle Stunde ist beendet. Gespräche!) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 a bis c auf: – Doch, auch Gespräche. Wir können es im Protokoll nachlesen. – Ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- gerade in der Vergangenheit Männer wie Herr Gloser, gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfüh- aber auch Ihr Kollege Aydin als Verantwortliche in den rung eines Bundesfreiwilligendienstes Parlamentariergruppen bei allen Gesprächen dabei wa- – Drucksache 17/4803 – ren, die dort geführt wurden – daran waren Kollegen aus Überweisungsvorschlag: allen Fraktionen beteiligt – und in denen die menschen- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) unwürdigen Zustände in den einzelnen Staaten, das Un- Innenausschuss terdrücken der Bevölkerung, die Inhaftierung von Men- Sportausschuss schen, die Sperrung der Kontakte zu diesen Menschen Rechtsausschuss grundsätzlich thematisiert worden sind. Ich lege darauf Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit Wert, weil es eine der Hauptaufgaben unserer Parlamen- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit tariergruppen ist, Brücken zu schlagen, damit es den Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO Menschen in ihren Ländern besser gehen kann. (B) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Doro- (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- thee Bär, Markus Grübel, Dr. Peter Tauber, weite- neten der SPD und der FDP und des Abg. rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) sowie der Abgeordneten Miriam Gruß, Florian Bernschneider, Heinz Golombeck, weiterer Ab- Ich sage ebenfalls ganz deutlich: Wenn wir den Men- geordneter und der Fraktion der FDP schen Perspektiven geben wollen, dann müssen sie nach- haltig sein. Dazu gehört, die Märkte zu öffnen. Das müs- Für eine Stärkung der Jugendfreiwilligen- sen wir in dem einen oder anderen Fall, etwa wenn es dienste – Bürgerschaftliches Engagement der um die Landwirtschaft geht, auch dann tun, wenn wir im jungen Generation anerkennen und fördern eigenen Land Gegenwind verspüren. Nur nachhaltige – Drucksache 17/4692 – Entwicklung, gerade im Maghreb, wird den Menschen vor Ort helfen und ihnen die Chance geben, in ihren Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Ländern Perspektiven zu finden. Auswärtiger Ausschuss Sportausschuss (Beifall der Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/ Finanzausschuss CSU] und Thilo Hoppe [BÜNDNIS 90/DIE Ausschuss für Arbeit und Soziales GRÜNEN]) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Dazu gehört, dass es zu Einigkeit in der Europäischen Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Union kommt. Es gibt derzeit ein klares Auseinander- Entwicklung Ausschuss für Kultur und Medien klaffen zwischen den Nordländern und den Südländern Haushaltsausschuss in der Europäischen Union, weil die Interessenlagen un- terschiedlich sind. Es ist entscheidend, dass wir bei den c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Gesprächen in den nächsten Tagen und Wochen eine ge- Koch, Heidrun Dittrich, Diana Golze, weiterer meinsame Linie finden werden. Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wir brauchen eine begleitende Partnerschaft für diese Jugendfreiwilligendienste weiter ausbauen Länder und auch für Libyen, sobald sich dort die ent- statt Bundesfreiwilligendienst einführen sprechenden Gesprächspartner zeigen. Wir brauchen – Drucksache 17/4845 – eine nachhaltige Partnerschaft. Das heißt, wir dürfen Überweisungsvorschlag: diese Länder, wenn sie aus dem medialen Fokus wieder Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) verschwunden sind, nicht vergessen, wie es bei anderen Innenausschuss Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10487

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Sportausschuss Deutschland die Möglichkeit nutzen, ihren Zivildienst (C) Rechtsausschuss freiwillig zu verlängern. Das ist eine Möglichkeit, die Verteidigungsausschuss Ausschuss für Gesundheit wir erst ganz aktuell geschaffen haben. Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Viele Menschen im Ruhestand sind Gott sei Dank so Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO fit und wollen etwas von ihrer Lebenserfahrung und ih- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die rem Wissen weitergeben. Auch in anderen Lebensab- Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen schnitten sind Auszeiten, zum Beispiel in Form von Sab- Widerspruch. Dann ist so beschlossen. baticals, attraktiv. Die Bereitschaft, sich zu engagieren, Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundes- ist also vorhanden. ministerin Dr. Kristina Schröder. Gleichzeitig werden das Freiwillige Soziale Jahr und (Beifall bei der CDU/CSU) das Freiwillige Ökologische Jahr ausgebaut. Insgesamt fördert der Bund die Freiwilligendienste künftig mit mehr als 350 Millionen Euro im Jahr. Gemeinsam mit Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami- den Trägern und den Verbänden bin ich davon über- lie, Senioren, Frauen und Jugend: zeugt, dass das vorliegende Gesetz die Freiwilligen- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! dienste in Deutschland insgesamt stärken wird. Die Wehrpflicht geht und mit ihr auch der Zivildienst. Wie schwer der Abschied fällt, merken viele von Ihnen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- zurzeit in ihren Wahlkreisen. Viele kranke, ältere und be- neten der FDP) hinderte Menschen sind in Sorge, weil sie die Arbeit der Die Opposition wird dennoch zum x-ten Mal die an- Zivis als große Hilfe empfunden haben. Viele soziale geblichen Doppelstrukturen kritisieren. Einrichtungen befürchten, dass sie nicht mehr all das an- bieten können, was aus Pflege Fürsorge macht: Zeit, (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hilfe und Zuwendung über das medizinisch Notwendige Zu Recht!) hinaus. Da Ihnen jetzt wahrscheinlich auch wieder nichts ande- Die spürbare Wehmut in den Wochen des Abschieds res einfällt als die scheinheilige Frage, warum wir neben ist aber auch eine große, eine schöne Anerkennung für dem FSJ und dem FÖJ noch einen Bundesfreiwilligen- all das, was junge Männer in den letzten 50 Jahren in dienst brauchen, will ich Ihnen das ganz präzise beant- mehr als 37 000 Einrichtungen in Deutschland geleistet worten: Wir brauchen ihn, weil die Länder schlicht nicht haben. Sie haben mit dem Zivildienst über die Jahre hin- bereit sind, für den Ausbau der Freiwilligendienste 300 Millionen Euro auszugeben. (B) weg ein dicht geknüpftes Netz der Fürsorge gespannt (D) und es zu einem tragenden Pfeiler für den Zusammenhalt (Heidrun Dittrich [DIE LINKE]: Die haben sie der Gesellschaft gemacht. Gerade deshalb haben wir vielleicht nicht!) jetzt die Chance, diesen Dienst weiterzuentwickeln zu einem freiwilligen Angebot, das Männern und Frauen je- Der Bund hingegen ist dazu bereit. Wir investieren das den Alters offensteht, zu einem Angebot, das Menschen Geld in die Engagementförderung. Damit sind wir die davon überzeugt, sich Zeit für Verantwortung zu neh- Bundesregierung, die wie keine Bundesregierung zuvor men, und zu einem Angebot, das Jung und Alt verbindet. so viel Geld in den Ausbau des bürgerschaftlichen Mit dem Bundesfreiwilligendienst haben wir dafür die Engagements in Deutschland steckt. Voraussetzungen geschaffen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Der Bundesfreiwilligendienst ist der Nährboden für neten der FDP) eine neue Kultur der Freiwilligkeit in Deutschland, für ein Vor uns liegt eine gewaltige Gemeinschaftsaufgabe. Umfeld, in dem sich jüngere und ältere Menschen beteili- Wir müssen dafür werben, dass sich möglichst viele gen wollen und aus eigener Motivation heraus aktiv wer- Männer und Frauen, jüngere und ältere, in einem Frei- den können. willigendienst engagieren. Dafür brauchen wir passge- Kurz die Eckpunkte: Der Bundesfreiwilligendienst naue Angebote sowie Tätigkeiten, die attraktiv und sinn- steht Männern und Frauen jeden Alters offen. Die Frei- voll sind. Wir brauchen aber auch mehr Anerkennung willigen sind gesetzlich sozialversichert. Sie erhalten ein für gesellschaftliches Engagement in Deutschland. Taschengeld, das in Ost und West die gleiche Ober- Im Januar dieses Jahres habe ich Vertreter der Bun- grenze hat. Der Einsatz soll zwischen 6 und 24 Monate desländer, der kommunalen Spitzenverbände, der Hoch- betragen, in der Regel Vollzeit. Bei den über 27-Jährigen schulrektorenkonferenz, der Wirtschaftsverbände und ist eine Teilzeit von mehr als 20 Wochenstunden mög- viele andere an einen Tisch geholt, um darüber zu bera- lich. Die Einsatzbereiche werden auf Sport, Integration, ten, wie wir die Anerkennungskultur in Deutschland Kultur, Bildung, Zivil- und Katastrophenschutz ausge- stärken können. Wir waren uns darüber einig, dass eine dehnt. uniforme Anerkennung nicht weiterhilft. Es mag bei- Unser Ziel für den neuen Bundesfreiwilligendienst spielsweise für den einen oder anderen eine super Sache sind 35 000 Freiwillige pro Jahr. Das ist zwar ein ehrgei- sein, den Freiwilligendienst als Wartezeit für einen Stu- ziges Ziel, aber ich bin optimistisch, dass wir dieses Ziel dienplatz anrechnen zu lassen. Das bringt aber demjeni- erreichen werden. Optimistisch stimmt mich zum Bei- gen relativ wenig, der im Ruhestand vielleicht noch ein- spiel, dass schon im Moment 30 000 junge Männer in mal für ein Jahr in einer Kita aushelfen möchte. Deshalb 10488 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Bundesministerin Dr. Kristina Schröder (A) brauchen wir ein ganzes Bündel unterschiedlicher An- in der Kultur – wir haben das gestern Abend noch ein- (C) reize, mit denen die jeweiligen Zielgruppen angespro- mal bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und chen werden sollen. Dafür müssen wir gemeinsam sor- Jugendbildung sehr deutlich gehört – sind es sogar noch gen. viel mehr. All diese Jugendlichen wollen sich im Rah- men des FSJ oder FÖJ in den Bereichen Soziales, Sport, Ich persönlich finde es wichtig, dass wir dabei ganz Kultur oder Ökologie engagieren. Dazu kommen noch besonders junge Menschen mit Migrationshintergrund in die Jugendlichen bei „weltwärts“ in der Entwicklungs- den Blick nehmen. Ich könnte mir beispielsweise vor- politik. stellen, bei Doppelstaatlern mit den jeweiligen Her- kunftsländern darüber zu verhandeln, ob dort von der Deshalb möchte ich zuallererst – ich hoffe auch, dass Wehrpflicht abgesehen werden kann, wenn in Deutsch- ich das in Ihrer aller Namen tun kann – all denen danken, land ein Bundesfreiwilligendienst absolviert wurde. Da- ob Alt oder Jung, ob im FSJ oder in den vielen Einrichtun- bei denke ich vor allem an junge Männer mit türkischem gen der Wohlfahrtsverbände, in Initiativen und Kirchen- Migrationshintergrund. Bei der Wehrpflicht gibt es mo- gemeinden, in der Nachbarschaftshilfe, in der Telefon- mentan bereits ähnliche Absprachen. Es wäre sehr gut, seelsorge, in Umweltverbänden, in Kitas und Schulen, in wenn wir das auf den Bundesfreiwilligendienst übertra- Behinderteneinrichtungen und Obdachlosenunterkünf- gen könnten. Mit Sicherheit ist nichts so wirksam für die ten, die sich freiwillig engagieren und die einen so wich- Integration wie ein Bundesfreiwilligendienst. Dieser tigen Beitrag leisten. Ihnen allen ein herzliches Danke- Dienst bringt mehr als so manche staatliche Maßnahme. schön dafür! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei neten der FDP – Zuruf der Abg. Caren Marks Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN [SPD]) und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Entschuldigung, Ihr Zwischenruf zeugt davon, dass Sie, liebe Frau Ministerin, haben mit dem Zivildienst Sie leider relativ wenig Ahnung haben. angefangen. Ich will ausdrücklich zum FSJ, zum Frei- In Deutschland gibt es allein aufgrund des Options- willigen Sozialen Jahr, etwas sagen; denn das hat in den modells sehr viele junge Männer mit doppelter Staats- letzten Jahren großen Zuspruch erfahren und es ist eine angehörigkeit, die noch Zeit haben, sich für eine Staats- bewährte, langfristig erprobte Form des freiwilligen En- bürgerschaft zu entscheiden. Die Möglichkeit, hier in gagements Jugendlicher. Es ist auch deshalb so gut, weil Deutschland einen Bundesfreiwilligendienst zu absolvie- es im Übergang zwischen Jugend- und Erwachsenenle- ren, kann dabei ein wichtiges Entscheidungskriterium ben die Möglichkeit gibt, sich persönlich oder beruflich (B) sein. neu zu orientieren, sich auszuprobieren, Fähigkeiten ein- (D) schätzen zu lernen. Von diesem Engagement profitieren Wenn Sie den Geist des Zivildienstes erhalten und natürlich nicht nur die Jugendlichen, sondern die Gesell- auch weiterhin ein Netz der Fürsorge und der Hilfe in Ih- schaft insgesamt. Es ist die Chance, sich um Mitmen- rem Wahlkreis haben wollen, dann helfen Sie mit, eine schen zu kümmern, einander zu begegnen, und für viele, neue Kultur der Freiwilligkeit in Deutschland zu etablie- mit denen man spricht, die dieses Jahr gemacht haben, ren. Sagen Sie Ja zum Bundesfreiwilligendienst. Über- war das auch ein Jahr, in dem sich ihr Berufswunsch ent- zeugen Sie gemeinsam mit mir die Menschen in unserem wickelt hat. Gerade junge Männer kommen häufig erst Land davon, dass es sich lohnt, sagen zu können: Ich dadurch auf die Idee, in soziale Berufe zu gehen. Wenn habe gedient. Sie sich mit ehemaligen Zivis oder FSJlern unterhalten, Herzlichen Dank. sehen Sie oft, wie ihre Augen glänzen, wenn sie von die- ser Arbeit und von den Menschen erzählen, die ihnen an- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) vertraut sind. Der Freiwilligendienst bietet auch eine Chance, weil Vizepräsidentin Petra Pau: Jugendliche dort unabhängig vom Elternhaus mit Men- Die Kollegin Griese hat für die SPD-Fraktion das schen aus anderen gesellschaftlichen Schichten zusam- Wort. menkommen. Wir haben ja nun leider eine viel zu frühe (Beifall bei der SPD) Selektion im Bildungswesen. Deshalb ist auch das eine ganz wichtige Sache. Mit dem Wegfall des Wehr- und Zivildienstes wird jetzt ein Feld geräumt, wo sich Men- Kerstin Griese (SPD): schen begegnen können. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Land engagieren sich sehr viele Menschen eh- Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es so renamtlich. Ohne sie wären unsere Städte und Gemein- wichtig, jetzt die Chance richtig zu nutzen und im Zuge den ärmer. Sehr viele Jugendliche in unserem Land ma- der Aussetzung der Wehrpflicht und des Zivildienstes at- chen ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein Freiwilliges traktive und gut ausgestattete Freiwilligendienste konse- Ökologisches Jahr. Wir gehen von etwa 35 000 Jugendli- quent zu stärken. Die SPD-Fraktion hat der Bundesre- chen im Jahr aus. Leider wird nur ein Teil von ihnen gierung ihren konstruktiven Beitrag dazu angeboten. Wir durch den Bund gefördert. Der Bedarf ist noch viel grö- stehen für eine einheitliche Lösung im Interesse der jun- ßer. Es sind etwa doppelt so viele Jugendliche, die sich gen Menschen, die diese Freiwilligendienste machen um einen Platz bewerben. Bei den Auslandsdiensten und wollen, bereit. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10489

Kerstin Griese (A) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sönke fortgesetzt haben. Ich denke, darauf hätte man mehr auf- (C) Rix [SPD]: Einheitlich! Genau!) bauen müssen. –Danke. Wir wünschen uns auch eine sinnvolle Fortsetzung des freiwilligen Engagements für Ältere. Ich glaube im- Die Bundesregierung hat diese Chance ja bisher nicht mer noch, es braucht unterschiedliche Konzepte, je ergriffen, sondern will weiterhin – auch wenn Sie es nachdem, ob man einen Dienst für Jugendliche anbietet, nicht mehr hören können – neben den bewährten, beste- die sich in einer Phase der beruflichen und biografischen henden Freiwilligendiensten einen neuen Bundesfreiwil- Orientierung befinden, oder ob man neue Möglichkeiten ligendienst installieren. Wir alle kennen die juristische des freiwilligen Engagements für Ältere schaffen will. Debatte dazu. Wir sagen aber noch einmal ausdrücklich: Dieser muss im Hinblick auf die Begleitung anders aus- Wir halten diese Doppelstruktur weiterhin nicht für eine sehen. gute und richtige Lösung; denn sie wird mehr Bürokratie und Kosten verursachen. (Beifall bei der SPD) Wenn Sie mit den Trägern des FSJ sprechen – viele Das Jahr 2011 – viele wissen es noch gar nicht – ist von uns tun das; einige haben das gerade auch gestern von der Europäischen Union zum „Europäischen Jahr der Abend wieder getan –, erleben Sie da sehr viel Verunsi- Freiwilligentätigkeit zur Förderung der aktiven Bürger- cherung. Nach einer ersten Phase, die durchaus von schaft“ – in der EU-Sprache, ein etwas sperriger Titel – Freude darüber geprägt war, dass es mehr Mittel, wenn erklärt worden. In Deutschland werden sich zahlreiche auch leider nicht alle, die durch den Wegfall des Zivil- zivilgesellschaftliche Akteure unter dem Motto „Freiwil- dienstes frei werden, für das freiwillige Engagement lig. Etwas bewegen!“ engagieren. Die Rahmenbedingun- gibt, gibt es jetzt sehr große Verunsicherung darüber, wie gen sollen – das hat die EU so vorgeschlagen – in diesem diese neuen Bundesfreiwilligendienste organisiert wer- Jahr verbessert werden. Die Freiwilligenorganisationen den sollen. sollen gestärkt werden. Das freiwillige Engagement soll mehr anerkannt werden, und die Menschen sollen für die Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie- Bedeutung der Freiwilligentätigkeiten sensibilisiert wer- rung hat es mit ihrem Hin und Her wirklich geschafft, den. alle zu verunsichern: erstens die jungen Menschen, die wissen wollten, wie es bei ihnen biografisch weitergeht, Ich möchte ausdrücklich den Appell an die Bundes- zweitens die Menschen in den Einrichtungen, die ihre regierung richten: Nutzen Sie diese Chance! Wir brauchen Zivis und FSJler zu schätzen wissen, drittens die Träger, ein klares Auftreten der Bundesregierung beim Einsetzen die qualifizierte Angebote machen wollen und Planungs- für die Ziele des Europäischen Jahres der Freiwilligentä- tigkeit. Die Zuständigkeit ist ja in Ihrem Haus, Frau Mi- (B) sicherheit brauchen. Wir haben jetzt in kurzer Zeit von (D) fünf verschiedenen Modellen gehört: von der Verkür- nisterin, und bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der zung des Zivildienstes, von der freiwilligen Verlänge- Freien Wohlfahrtspflege angesiedelt. Ich appelliere wei- rung, von der Abschaffung, von der Aussetzung und nun terhin an Sie: Begreifen Sie dieses Europäische Jahr der vom neuen Bundesfreiwilligendienst. Freiwilligentätigkeit als Chance, das freiwillige Engage- ment europaweit zu unterstützen! Zeigen Sie etwas mehr Hier muss man auch feststellen dürfen: Der Zeitplan Herzblut! Denn es ist eine große Chance, die wir alle er- ist nicht optimal, und die Einrichtungen wissen immer greifen sollten. Wir brauchen in Deutschland bessere noch nicht, worauf sie sich ab dem 1. Juli einlassen kön- Strukturen zur Förderung des freiwilligen Engagements. nen. Deshalb wird es auch schwierig sein, genügend Menschen zu finden, obwohl wir ausdrücklich sagen: Vielen Dank. Wir wollen viel dafür tun, damit sich junge Menschen in (Beifall bei der SPD) diesem neuen Bundesfreiwilligendienst engagieren. Es besteht weiterhin die Gefahr einer Zweiklassenge- Vizepräsidentin Petra Pau: sellschaft zwischen denen, die im FSJ sind, und denen, Der Kollege Bernschneider hat für die FDP-Fraktion die im neuen Bundesfreiwilligendienst sind. das Wort. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das stimmt doch (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) nicht! Durch Wiederholung wird es auch nicht wahrer!) Florian Bernschneider (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Sie wissen, dass die SPD in ihren Regierungsjahren Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Bun- auf den Ausbau des FSJ gesetzt hat. Da können Sie si- desfreiwilligendienst und dem Antrag der Koalitions- cherlich kritisieren, dass das noch nicht genug war. Das fraktionen zur Stärkung der Jugendfreiwilligendienste würde ich auch selbstkritisch annehmen; denn gerade die beraten wir heute nicht mehr und nicht weniger als eine Jugend- und Familienpolitiker wollten gerne mehr. Da- der größten engagementpolitischen Reformen, die es je- bei waren Sie, liebe Frau Kollegin, allerdings auch nicht mals in Deutschland gegeben hat. immer hilfreich. Aber wir haben auf den Ausbau des FSJ gesetzt. Wir haben den Zivildienst zum Lerndienst wei- Bereits im Koalitionsvertrag zwischen Union und terentwickelt. Wir haben die generationsübergreifenden FDP haben die Förderung des bürgerlichen Engage- Freiwilligendienste erfunden. Auch das ist, wie ich ments sowie der quantitative und qualitative Ausbau der glaube, eine wichtige Sache, die Sie ja auch teilweise Freiwilligendienste breiten Raum eingenommen. Ich er- 10490 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Florian Bernschneider (A) innere an die bisherigen Schritte: Die Neuregelung des spräch. Da gab es vonseiten der Opposition, aber auch (C) § 14 c Zivildienstgesetz, aber auch die im Oktober 2010 von der FDP – das wissen Sie – die Befürchtung, dass vorgelegte erste Nationale Engagementstrategie waren ein solcher freiwilliger Zivildienst die bisherigen durch- erste wichtige Maßnahmen, die wir heute mit den vorlie- aus guten Dienste – das Freiwillige Soziale Jahr und das genden Anträgen und dem Gesetzentwurf fortschreiben. Freiwillige Ökologische Jahr – in ihrer Existenz bedro- hen könnten. Aber wenn Sie heute sehen, was wir Ihnen Damit – es wurde gerade angesprochen – ist dieses hier vorlegen – den Gesetzentwurf zum Bundesfreiwilli- Europäische Jahr der Freiwilligentätigkeit mehr als eine gendienst und den Antrag der Koalitionsfraktionen zur Worthülse. Diese Koalition tut alles dafür, dieses Euro- Stärkung der Jugendfreiwilligendienste –, dann wird, päische Jahr mit Leben zu erfüllen. Ich glaube, wir ge- glaube ich, klar, dass sich diese Befürchtungen längst in hen da mit gutem Beispiel für die anderen europäischen Luft aufgelöst haben. Wir nutzen die Fördermöglichkei- Länder voran. ten des Bundes hinsichtlich der bisherigen Jugendfreiwil- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) ligendienste, die – das mag einem gefallen oder nicht – zu einem Großteil in der Zuständigkeit der Länder lie- Mit der Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch gen, endlich voll aus. Wir fördern trotz angespannter mit der Aussetzung des Zivildienstes geht diese Koali- Haushaltslage – auch das muss man einmal herausstel- tion einen mutigen Schritt, zu dem bisherige Regierun- len – all jene Plätze für ein FSJ und FÖJ, für die seit lan- gen leider nicht bereit waren. Wir gehen den Schritt weg gem zwar Bedarf besteht, für die aber bisher keine Re- von Pflichtdiensten hin zur Freiwilligkeit. Das ist auch gierung das nötige Geld hatte. richtig so. Denn es ist doch absurd, dass wir so lange darüber diskutiert haben, ob wir einen Pflichtdienst (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) brauchen. Dabei war doch klar, dass sich jeden Tag drei Wir erhöhen die Förderung für die Bildungsarbeit von junge Menschen auf einen Platz bewerben, um sich frei- 72 Euro auf 200 Euro. In diesen Tagen, in denen auch willig engagieren zu können. Wir mussten zwei von ih- viel über die Teilhabechancen junger Menschen disku- nen eine Absage erteilen, weil eben geförderte Plätze tiert wird, möchte ich – auch weil es ein Herzensanlie- nicht in genügender Anzahl zur Verfügung standen. gen der FDP war – noch einmal sagen, dass für all dieje- Ich möchte ein besonderes Beispiel herausheben, weil nigen jungen Menschen, die es bisher nicht immer ganz immer gefragt wird: Gibt es überhaupt genug junge Men- leicht im Leben hatten und die besonderen pädagogi- schen, die sich freiwillig engagieren wollen? Allein im schen Förderbedarf aufweisen, noch einmal 50 Euro zu- Freiwilligendienst „kulturweit“ des Auswärtigen Amtes sätzlich investiert werden. haben sich auf 300 Plätze 2 000 junge Menschen bewor- Sie sehen also: Bevor wir überhaupt angefangen ha- ben. Das macht uns allen deutlich, dass es genug junge (B) ben, darüber zu diskutieren, ob wir eine zweite Säule (D) Menschen gibt, die freiwillig tätig werden wollen. brauchen, haben wir uns erst einmal um das Wichtige (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten gekümmert, nämlich die bestehenden Jugendfreiwilli- der CDU/CSU) gendienste zu stärken, ihnen die Stärke zu geben, die sie seit langem verdient haben. In diesem Punkt gebe ich Ihnen durchaus recht, Frau Kollegin Griese: Nach den Diskussionen um die Verkür- Dann kann immer noch die Befürchtung bestehen, zung der Dauer der Wehrpflicht und des Zivildienstes, dass das nicht ausreicht, dass sie trotzdem in eine Kon- die wir geführt haben, mag man vielleicht sagen: Da kurrenzsituation geraten. Deswegen haben wir – das er- hätte man auch gleich auf Wehrdienst und Zivildienst kennen Sie, wenn Sie das Gesetz sehen – das Kopp- verzichten können. – Als Liberaler würde ich das durch- lungsmodell eingeführt, was auch wirklich garantiert, aus unterschreiben. Aber manchmal ist es in einer Koali- dass beide Dienste nur stark sein können, wenn sie mit- tion so, dass erst jemand für einen kleinen Schritt kämp- einander und nicht gegeneinander arbeiten. fen muss, um dann gemeinsam einen großen Schritt zu gehen. Wenn man sich diesen großen Schritt anschaut, Einen Unterschied gibt es, dass sich nämlich im Bun- nämlich der Wechsel weg von Pflichtdiensten hin zur desfreiwilligendienst auch Ältere engagieren können. Freiwilligkeit, den wir gehen wollen, und wenn man sich Das geht in den Jugendfreiwilligendiensten nicht. Aber vergegenwärtigt, wie kleinteilig mittlerweile die Kritik ich erinnern daran: Wir sind mitten im demografischen der Opposition an dem Gesamtkonzept ist, dann wird Wandel. Wir haben immer mehr Ältere, die aber immer deutlich, dass wir unsere Arbeit in den letzten Wochen gesünder und fitter sind. Deswegen ist es auch gut, dass und Monaten sehr gut erledigt haben. wir gerade diesen die Möglichkeit geben, sich dauerhaft – und nicht nur mit Projekten – in einem Freiwilligen- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) dienst zu engagieren. Ich möchte noch einmal an den Anfang dieser Dis- Wenn die Regierungsfraktionen von zwei starken kussion erinnern. Damals standen wir vor der Frage: Wie Säulen sprechen, dann gehört es wohl auch zum alltägli- können wir eigentlich all das Gute, das der Zivildienst chen politischen Hickhack, dass die Opposition eher von gebracht hat, nämlich das Engagement junger Männer Doppelstrukturen spricht. Ich kann auch gut verstehen, für unsere Gesellschaft und auch die Entwicklungschan- dass man aufseiten der Opposition eher geneigt ist, die cen junger Männer zu fördern, beibehalten, wenn wir Grenzen, die uns nun einmal durch die unterschiedlichen den Wehrdienst und den Zivildienst aussetzen? Damals Zuständigkeiten von Bund und Ländern vorgegeben war das Konzept vom freiwilligen Zivildienst im Ge- sind, zu übergehen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10491

Florian Bernschneider (A) (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heidrun Dittrich (DIE LINKE): (C) Sie haben bezweifelt, dass es eine Bundeszu- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen ständigkeit gibt!) und Herren! Wenn in diesem Jahr der letzte Zivi geht, Aber ich möchte noch einmal daran erinnern: Doppel- dann muss der neue Bundesfreiwilligendienst diese strukturen sind doch überhaupt nicht Kern des Problems. Plätze ersetzen. Die Entscheidung, den Dienst mit der Was haben wir denn bisher? Wir haben den Zivildienst Waffe zu verweigern, war eine politische Entscheidung und die Jugendfreiwilligendienste. Um es ganz deutlich für den Frieden. Den Kriegsdienstverweigerern wurde es zu sagen: Wir haben häufig zwei junge Menschen in der- nicht leicht gemacht. Mit Bedacht wurden ihnen die selben Einrichtung, die teilweise genau die gleichen schwersten Arbeiten im sozialen Bereich zugewiesen, Aufgaben übernehmen, jedoch mit völlig anderen Rah- gewissermaßen zur Abschreckung. Jetzt fehlen mindes- menbedingungen. Das ist der Status quo, an dem Sie als tens 40 000 Billigarbeitskräfte in der Pflege. Gerade Rot-Grün auch nie etwas getan haben. Deswegen sind diese Lücke soll der neue Bundesfreiwilligendienst aus- nicht die Doppelstrukturen Kern des Problems, sondern gleichen. es geht darum, dass zukünftig, wenn zwei junge Men- (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Sie haben es schen freiwillig tätig sind, diese auch die gleichen Rah- nicht verstanden! Aber Sie wollen es auch menbedingungen vorfinden. nicht verstehen!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die Heimleiter freuen sich auf die neuen Freiwilligen; Nichts anderes tun wir jetzt. Sie haben die gleiche An- denn sonst wäre die soziale Arbeit nicht gewinnbringend zahl an Urlaubstagen, die gleiche Anzahl an Arbeitsstun- zu verrichten. Abgesehen davon halten wir es für richtig, den. Sie haben das gleiche pädagogische Rahmenpro- soziale Arbeit nicht profitorientiert zu organisieren, son- gramm und am Monatsende auch das Gleiche in der dern sie staatlicherseits zu unterstützen. Tasche. Wer hat den Bundesfreiwilligendienst eigentlich er- In Bezug auf das Kindergeld wird immer wieder ein funden? Die Bundeswehr. Punkt angesprochen, über den man zu Recht diskutieren (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Die Schweiz kann: Ist es gut so, wie es jetzt gelöst ist? war’s!) (Ute Kumpf [SPD]: Es ist nicht gut gelöst!) Damit Sie merken, dass wir hier keine Märchenstunde Ich sage auch im Namen der FDP, dass man über diese abhalten, zitiere ich kurz aus dem Bericht der Struktur- Frage durchaus diskutieren kann, dass man darüber kommission der Bundeswehr, veröffentlicht im (B) nachdenken kann, ob man zu einer besseren, zu einer op- Oktober 2010, Seite 28. Dort empfiehlt die Kommission, (D) timalen Lösung kommen kann. Ich bin auch zuversicht- einen lich, dass uns das vielleicht noch gelingen wird. … freiwilligen, bis zu 23-monatigen Dienst einzu- In der Anhörung mit den Experten haben wir jetzt die führen, der allen erwachsenen Bürgerinnen und Chance, diese Detailfragen zu diskutieren. Ich würde mir Bürgern offen steht und ihnen die freie Wahl des aber wirklich wünschen, dass die Opposition – gerade Engagements bietet. Die Möglichkeiten können von SPD und Grüne – nicht länger diese Detailfragen nutzt, der Pflege und Betreuung (z. B. Krankenhäuser …) um ihre Fundamentalkritik an diesem wirklich guten über die Bildung und Erziehung (z. B. … Kinder- Konzept zu begründen, sondern dass sie endlich anfängt, gärten …), Umweltschutz, … und Entwicklungs- sich konstruktiv einzubringen. Tun Sie uns, tun Sie sich, hilfe bis hin zum militärischen Dienst in der Bun- aber tun Sie vor allem den freiwillig Engagierten und deswehr reichen. den Einrichtungen vor Ort den Gefallen, diese Diskus- sion endlich konstruktiv zu führen. Die Linke ist als einzige Fraktion gegen den neuen Bundesfreiwilligendienst, Mit dem vorliegendem Antrag der Koalitionsfraktio- nen zur Stärkung der Jugendfreiwilligendienste und mit (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Darauf kann man diesem Gesetzentwurf zum Bundesfreiwilligendienst ha- stolz sein!) ben wir alle hier im Haus die Chance, endlich den Weg weil damit die Strukturen beibehalten werden, die eine für Freiwilligkeit anstelle von Pflichtdiensten freizuma- Wiedereinführung der Wehrpflicht und der Ersatzdienste chen. Ich glaube, das ist etwas, was viele von uns unter- ermöglichen – das wurde bereits heute Morgen in der schreiben wollen. Also tun wir es. Begleiten Sie uns da- Debatte zum Wehrrechtsänderungsgesetz vermutet –, bei. falls sich zu wenige Soldaten freiwillig für die Bundes- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. wehr melden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Seit wann plant ein Verteidigungsministerium die so- zialen Belange der Bundesrepublik mit? Seit wann gilt Vizepräsidentin Petra Pau: der Leitspruch der Bundeswehr „Tu was für dein Land!“ Die Kollegin Dittrich hat für die Fraktion Die Linke auch für das Familienministerium? Die soziale und das Wort. pädagogische Arbeit soll nun in die Form eines militäri- schen Dienstes gegossen werden. Aus Zwang folgt (Beifall bei der LINKEN) nichts Gutes. 10492 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Heidrun Dittrich (A) Herr Weise, der Vorstandsvorsitzende der Bundesa- zu leisten.“ Die Frührentnerin will also ihre geringe (C) gentur für Arbeit, hat an der Strukturreform der Bundes- Rente aufstocken, und das als Ungelernte in der Pflege, wehr mitgearbeitet. Auch er verfügt über eine Offiziers- ohne Anspruch auf Mindestlohn. Das ist erzwungene ausbildung. Er war sich nicht zu schade, die passenden Freiwilligkeit durch Armut und weniger durch eigene Arbeitskräfte dafür vorzuschlagen, nämlich die Migran- Motivation, wie die Ministerin Schröder eben meinte. tinnen und Migranten, die arbeitslosen Jugendlichen, die Freiwillige werden benutzt, um qualifizierte Fachkräfte Frauen und die älteren Arbeitskräfte sowie die Frührent- zu ersetzen, und das, obwohl schon jetzt ein Mangel an nerinnen. Übrigens wird der Freiwilligendienst bei der ausgebildeten Pflegefachkräften besteht. Statt Jugendli- Bundeswehr mit 1 100 Euro vergütet, der Freiwilligen- che zu qualifizieren, sollen sie ohne Mindestlohn im dienst im sozialen Bereich mit ungefähr 500 Euro. Der Pflegebereich arbeiten; denn es herrscht Pflegenotstand. lebende Mensch ist also nur die Hälfte wert. Die Behinderten und Kranken haben aber das Recht auf eine menschenwürdige Pflege. Unqualifizierte Kräfte (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE sind mit der Betreuung von Schwerstkranken oft über- GRÜNEN]: Sind bei der Bundeswehr keine le- fordert. benden Menschen?) Im geplanten Bundesfreiwilligendienst sollen sich Um die große Arbeitslosigkeit zu verdecken, werden Freiwillige aller Generationen von 16 bis 70 Jahren dem die genannten Personenkreise gezielt für den Bundes- Freiwilligendienst verpflichten. Das ist ein schöner Wi- freiwilligendienst angeworben. So sieht also die genera- derspruch. Was denn nun: freiwillig oder dienstver- tionen- und nationenübergreifende Integration in den Ar- pflichtet? CDU/CSU und FDP weisen in ihrem Antrag beitsmarkt aus, und zwar im untersten Niedriglohn- darauf hin – ich zitiere –: sektor. … dass ein abgeleisteter Freiwilligendienst ein be- (Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Wann kommt sonders positives Merkmal im Lebenslauf ist. das Thema Mindestlohn?) Eine Ausbildung als Krankenschwester bzw. Kranken- Diese Menschen fallen natürlich aus der Arbeitslosensta- pfleger erhalten also jene Personen, die einen Freiwilli- tistik heraus. Die Bundesregierung bekämpft nicht die gendienst abgeleistet haben? Armut, indem sie Arbeitsplätze schafft, sondern die Ar- men. Von Anerkennung – davon hat die Ministerin ge- Wir lehnen den Bundesfreiwilligendienst ab und for- sprochen – und Teilnahme an Gemeinschaftsaufgaben dern ein besseres FSJ und FÖJ im sozialen Bereich. können sich die Menschen nichts kaufen, von dem guten Beim Freiwilligen Sozialen Jahr darf es sich nur um eine Gehalt, das ihnen ein Arbeitsplatz bietet, schon. berufliche Orientierung beim Übergang von der Schule zur Ausbildung handeln. Es soll kein Ersatz für sozial- (B) (Beifall bei der LINKEN – Ingrid Fischbach versicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse sein. Wir (D) [CDU/CSU]: Das ist das erste Mal, dass Sie möchten auch keine Ausweitung des Niedriglohnbe- verstanden haben, was sie gesagt hat!) reichs. Wir fordern in unserem Antrag Mitbestimmungs- möglichkeiten von Jugendlichen und Mindeststandards. Der Geist des Zivildienstes war der eines Zwangs- dienstes; wir halten ihn nicht für erhaltenswürdig. Denn (Beifall bei der LINKEN) was kommt beim Bundesfreiwilligendienst heraus? Eine Die Trägervielfalt in den 16 Bundesländern soll erhal- ungeheuerliche Benachteiligung von Frauen. Berufe in ten werden, aber nicht zum Nachteil der Jugendlichen. der Alten- und Krankenpflege oder Sozialarbeit werden Eine angemessene Aufwandsentschädigung ist zu ge- zu 80 Prozent von Frauen ausgeübt. Auch in den Frei- währleisten willigendiensten sind seit jeher mehr als 70 Prozent der . Ein Abbruch bzw. ein Wechsel in einen an- Aktiven Frauen; die Tendenz ist steigend. Gerade junge deren Bereich darf nicht zum Nachteil im Lebenslauf Frauen werden auf dem Arbeitsmarkt noch mehr be- werden. Deshalb möchten wir ein verbessertes Gesetz nachteiligt, weil frauenspezifische Arbeitsplätze im sozi- zum Ausbau der Jugendfreiwilligendienste bis 27 Jahre alen und pflegerischen Bereich durch den Einsatz von und lehnen den Bundesfreiwilligendienst ab. Freiwilligen vernichtet werden. Es ist nicht nur eine (Beifall bei der LINKEN – Dorothee Bär [CDU/ schlechte Nachricht, sondern ein Skandal, was Sie den CSU]: Na, herzlichen Glückwunsch!) Frauen kurz vor dem Internationalen Frauentag am 8. März zumuten. Vizepräsidentin Petra Pau: (Florian Bernschneider [FDP]: Sagen Sie das Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kol- mal den jungen Frauen, die sich engagieren! – lege Gehring das Wort. Zuruf von der CDU/CSU: Da klatschen nicht (Beifall des Abg. Dr. Peter Tauber [CDU/ einmal Ihre Fraktionskollegen! – Priska Hinz CSU] – Heiterkeit – Dr. Peter Tauber [CDU/ [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: CSU]: Es kann nur besser werden! – Gegenruf Versteht kein Mensch, was Sie erzählen!) der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU]: Freu dich Der Staat soll in die staatliche Fürsorge investieren nicht zu früh, Peter!) und darf sich im sozialen Bereich nicht aus der Verant- wortung zurückziehen. Sonst treffen wir auf solche An- Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): zeigen von älteren Menschen: „Jung gebliebene Früh- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rentnerin sucht älteren Herrn, um häusliche Pflegearbeit Ich kehre jetzt zurück zum Thema unserer Debatte, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10493

Kai Gehring (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, fehlt eine konsistente Gesamtstrategie. Sie stehen für (C) bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) eine schlechte Umsetzung. nämlich zum Thema Freiwilligendienste und bürger- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schaftliches Engagement. Ich kann der Koalition nicht die Kritik ersparen, Für uns sind Freiwilligendienste und das Jugend- engagement für eine aktive Bürgergesellschaft ein Wert (Michaela Noll [CDU/CSU]: Das ist schlecht!) an sich. Der Ausbau der Freiwilligendienste ist seit vie- dass man ihrem Gesetzentwurf zur Einführung eines len Jahren überfällig. Wir haben das in den letzten Jah- Bundesfreiwilligendienstes deutlich anmerkt, dass er un- ren gebetsmühlenartig vorgetragen und immer wieder ter erheblichem Zeitdruck entstanden ist. Es wurde of- Anträge und Initiativen aus der Opposition heraus und fenkundig mit heißer Nadel gestrickt. Jedenfalls ist dabei vorher im Regierungshandeln eingebracht, um die Quan- keine langfristig tragfähige Lösung herausgekommen, tität, Qualität und Attraktivität von Freiwilligendiensten sondern Flickschusterei. deutlich zu steigern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Florian Bernschneider [FDP]: Das haben Sie sowie bei Abgeordneten der SPD) nicht geschafft!) Das ist allerdings auch kein Wunder, da die Bundesre- Dass Sie sich dem fünf Jahre lang verweigert haben, gierung völlig überstürzt und planlos handeln musste rächt sich heute. Heute rächt es sich, dass die Freiwilli- und gehandelt hat. Minister Guttenberg preschte bei der gendienste von zwei CDU-Jugendministerinnen über Wehrpflicht mit einem wahren Zickzackkurs voran, der Jahre hinweg systematisch vernachlässigt wurden. abstrus gewesen ist. Die Wehrpflicht war vor kurzem (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Das glauben noch konservativer Markenkern der Union, Sie doch selber nicht, Herr Gehring!) (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE Es ist bedauerlich, dass Frau Schröder den Bundesfreiwilli- GRÜNEN]: Aber konservative Markenkerne gendienst jetzt zu einer Art Lückenbüßer für den wegfallen- taugen eh nichts mehr!) den Zivildienst degradiert. Das klappt allein rechnerisch dann wurde sie von neun auf sechs Monate verkürzt. nicht, weil wir im vergangenen Jahr 90 000 Zivildienstleis- Jetzt ist die Aussetzung der Wehrpflicht beschlossen. tende hatten, Sie aber nur 35 000 Freiwilligendienstleis- Ministerin Schröder war lange Zeit Zaungast, anstatt den tende anstreben. Ausstieg aus dem Zivildienst aktiv, schrittweise und ver- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Die leisten ja lässlich zu gestalten. An dieser Stelle hilft keine Weh- längeren Dienst!) (B) mut, sondern wir müssen beherzt anpacken und überle- (D) gen, wie wir so schnell wie möglich Alternativen auf- Wenn es darum geht, Zivildiensttätigkeiten wirklich bauen können. zu ersetzen, dann muss Herr Rösler etwas tun. Es muss (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor allem darum gehen, dass im Sozial- und Pflegebe- sowie bei Abgeordneten der SPD – Ingrid reich mehr fair bezahlte Beschäftigungsverhältnisse ge- Fischbach [CDU/CSU]: Wir packen immer be- schaffen werden. herzt an!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Minister Rösler müsste angesichts seiner mangelnden sowie bei Abgeordneten der SPD) Aktivität zur Bekämpfung der Pflegemisere und zur Be- Die Pflege muss attraktiver werden, und sie muss besser kämpfung des Fachkräftemangels im Sozialbereich ei- bezahlt werden. Das ist eine Hausaufgabe dieser Bun- gentlich „Tu-nix-Minister“ heißen. desregierung. (Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Es fing so Unser Kernkritikpunkt am Bundesfreiwilligendienst nett an!) bleibt: die Doppelstruktur. Sie bekommen es nicht hin, Hier fehlen Initiativen vollständig. Frau Ministerin die bewährten Freiwilligendienste deutlich auszubauen, Schavan hat am Kabinettstisch offensichtlich viele Mo- sondern bauen einen staatsfixierten Bundesdienst als nate geschlummert; denn nach wie vor ist keine Vor- Konkurrenz zu den bewährten Freiwilligendiensten FSJ, sorge dafür getroffen worden, dass 150 000 junge Män- FÖJ etc., die von zivilgesellschaftlichen Trägern organi- ner ein Jahr früher einen Ausbildungs- oder Studienplatz siert werden, auf. Diese Doppelstruktur ist einfach in- brauchen. Deshalb stelle ich fest: Der Gesetzentwurf ist effizient, teuer und nichts anderes als eine Not- und einfach schlecht gemacht. Übergangslösung. Jedenfalls ist sie nicht der große Wurf, als den Sie sie heute verkaufen wollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Andreas (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mattfeldt [CDU/CSU]: Was wollen Sie denn sowie des Abg. Sönke Rix [SPD]) besser machen?) Sie hätten sich schon vor Jahren mit den Ländern und So sehr wir als Grüne den Ausstieg aus den Pflicht- mit den Trägern zusammensetzen und nach Lösungen diensten begrüßen und den Ausstieg aus den Pflicht- suchen können. Jetzt ist nichts anderes als eine Arbeits- diensten für überfällig und richtig halten, so klar kritisie- beschaffungsmaßnahme für das Bundesamt für den Zi- ren wir die schlechte Umsetzung der Koalition. Ihnen vildienst herausgekommen. 10494 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Kai Gehring (A) Die Aussetzung der Pflichtdienste hätte als Chance den Zivildienst oder wie auch immer es künftig heißen (C) genutzt werden können, die Zivildienstbürokratie abzu- wird. Dabei ist es ganz wichtig, dass reguläre Jobs nicht bauen und bei den 52 Kreiswehrersatzämtern, die ihre bedroht werden, damit das ohnehin sehr niedrige Lohn- historischen Aufgaben erfüllt haben, erheblich einzuspa- niveau bei sozialen Dienstleistungen nicht noch stärker ren. Die Mittel, die an dieser Stelle hätten eingespart unter Druck gerät. Das müssen wir uns in den nächsten werden können, hätten in die Konversion und die Frei- Monaten und Jahren sehr genau anschauen, damit Ar- willigendienste investiert werden können. Dass selbst beitsmarktneutralität gewährleistet wird und wir kein die FDP diese Chance auf Bürokratieabbau nicht er- neues Niedriglohnverhältnis schaffen. kennt, wundert mich sehr. Sie müssen die Zivilgesell- Ganz wichtig ist es mir, die bestehende Ungleichbe- schaft fördern und nicht bürokratische Strukturen. handlung bei den Freiwilligendiensten zu beheben. Alle (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Freiwilligendienstleistenden brauchen gleiche Bedin- sowie bei Abgeordneten der SPD) gungen und gleiche Qualitätsstandards. Deshalb hätten Sie den ersten Schritt zuerst machen müssen und nicht Frau Schröder, Sie haben sich heute selbst sehr dafür den zweiten oder dritten. Sie hätten jetzt den Entwurf ei- gelobt, dass Sie so viel investieren. Ich möchte Sie aber nes Freiwilligendienststatusgesetzes vorlegen müssen, in darauf hinweisen, dass im bisherigen Zivildiensthaushalt dem Sie klar hätten definieren müssen, was der Freiwil- circa 600 Millionen Euro enthalten waren, in Ihren ligendienst ist, und zwar in Abgrenzung zu Ausbildung, neuen Bundesfreiwilligendienst aber nur 350 Millionen Praktika und Arbeitsverhältnissen. Euro investiert werden. Mich würde interessieren, wo die anderen 250 Millionen Euro geblieben sind. Vizepräsidentin Petra Pau: (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Da erklären Kollege Gehring, achten Sie bitte auf die Zeit. wir Ihnen gleich mal, wo Ihr Gedankenfehler steckt!) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dienen die jetzt der Haushaltskonsolidierung? Können Ich komme zum Schluss. – In diesem Gesetz hätten die nicht genutzt werden für die Bekämpfung der Pflege- auch Sozialversicherungsfragen gelöst werden müssen. misere oder für Qualitätsverbesserungen? Dieses Gesetz ist jetzt auf den Sankt-Nimmerleins-Tag (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verschoben worden. Das wird sich sicherlich rächen. sowie des Abg. Sönke Rix [SPD]) Finanzieren Sie nicht Bürokratie, sondern sorgen Sie Frau Schröder, Sie haben sich auch unheimlich dafür dafür, dass die Zivilgesellschaft gestärkt wird und die gelobt, dass Sie den Bundesfreiwilligendienst für neue bestehenden Freiwilligendienste deutlich ausgebaut wer- (B) (D) Gruppen öffnen, ja sogar für Frauen. Was ist denn daran den. Das wäre das Gebot der Stunde, nicht dieser Ge- neu? Die bestehenden Freiwilligendienste sind natürlich setzentwurf. für alle Geschlechter und für alle Generationen offen ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wesen, und bei der SPD) (Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!) Vizepräsidentin Petra Pau: weil es auch den bewährten Freiwilligendienst aller Ge- Für die Unionsfraktion spricht nun die Kollegin Bär. nerationen gegeben hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Florian Bernschneider [FDP]: Das stimmt nicht! Das waren immer nur Projekte gewe- Dorothee Bär (CDU/CSU): sen!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Es wäre eine sinnvolle Perspektive gewesen, den be- Gehring, ich muss mit Ihrer falschen Rechnung anfan- währten Freiwilligendienst aller Generationen weiter gen. Sie haben davon gesprochen, dass wir jetzt auszubauen. Auch an dieser Stelle zeigt sich, dass Ihre 90 000 Zivildienstleistende haben und in Zukunft Doppelstruktur nicht notwendig ist. 35 000 Freiwilligendienstleistende haben wollen. Diese Bei dem weiteren Gesetzgebungsverfahren und in der Rechnung könne nicht aufgehen. Zur Wahrheit gehört Praxis des neuen Bundesfreiwilligendienstes wird es aber auch, dass der Zivildienst gegenwärtig für ein hal- sehr wichtig sein, dass die Arbeitsmarktneutralität ge- bes Jahr geleistet wird. Wir stellen uns vor, dass diese währleistet wird. Das müsste auch in Ihrem Interesse 35 000 ihren Dienst für ein Jahr bis hin zu zwei Jahren sein; denn es darf nicht sein, dass Bundesfreiwilligen- leisten. Deshalb kann man die Zahlen nicht miteinander dienstleistende reguläre Arbeitskräfte ersetzen, insbe- vergleichen. sondere dadurch, dass ein neues öffentlich-rechtliches (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE Dienstverhältnis geschaffen wird. GRÜNEN]: 35 000 für zwei Jahre? Das ist ja (Florian Bernschneider [FDP]: Deswegen noch weniger!) haben wir das ja so reingeschrieben!) – Nein, zusätzlich. Jetzt haben wir sechs Monate. Wir Der Freiwillige schließt künftig ja keinen Vertrag mit der wollen, dass die Dauer des Dienstes in Zukunft verlän- Einrichtung vor Ort, sondern mit dem Bundesamt für gert werden kann. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10495

Dorothee Bär (A) (Sönke Rix [SPD]: Ich dachte, die verlängern alle!) Mehrfach ist gesagt worden, ein einheitlicher Dienst (C) sei besser. Wir haben lange überlegt, ob es möglich Deshalb werden wir in Zukunft mehr Dienstleistende ha- wäre, Dienste zusammenzulegen. Das gehört zur Wahr- ben. Der Kollege Gehring hat die Rechnung falsch auf- heitsfindung dazu. Aus finanzverfassungsrechtlichen gemacht. Ich bitte ihn, das noch einmal nachzurechnen. Gründen ist das aber nicht möglich, weil der Bund nur eine eingeschränkte Förderkompetenz für die von den (Markus Grübel [CDU/CSU]: Das war ein völ- Ländern verwalteten Jugendfreiwilligendienste hat. An lig falscher Denkansatz! – Kai Gehring dieser Stelle muss man auch sagen, dass die Länder nicht [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 90 000 und bereit waren – ich betone: leider –, die Verwaltung ihres 35 000 ist schon ein Unterschied, nicht?) Erfolgsmodells künftig einfach an den Bund abzutreten. Uns wurde die Aufgabe gestellt, den Zivildienst neu Weil das nicht möglich war, haben wir jetzt diese Lö- zu regeln. Wir haben es uns nicht ausgesucht, dass wir sung gefunden und entwickeln dieses Erfolgsmodell. Es ist kein Konkurrenzmodell; das behaupten Sie. Vielmehr uns anderthalb Jahre lang nur mit dem Zivildienst be- haben wir ein gutes Nebeneinander entwickelt. schäftigt haben. Natürlich wäre es auch uns recht gewe- sen, wenn wir den Zivildienst in seiner jetzigen Form (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hätten erhalten können. Mit der Aussetzung der Wehr- pflicht mussten wir aber auch den Zivildienst zum 1. Juli Sehr positiv ist – das muss man in den Mittelpunkt 2011 neu regeln. Wir wissen, dass die ersten anerkannten stellen –, dass dieser Dienst nicht nur jungen Männern Kriegsdienstverweigerer ihren Dienst am 10. April 1961 zur Verfügung steht, sondern Männern und Frauen glei- angetreten haben. Insofern ist es in diesem Jahr genau chermaßen. Ich sehe da überhaupt keine Benachteili- gung für Frauen, ganz im Gegenteil. 50 Jahre her, dass die ersten jungen Männer auf diese Weise unserem Land gedient haben. Am 10. April 2011 (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: werden wir dieses Jubiläum also noch begehen, für die Das ist auch gut, aber das ist nicht neu!) Zeit nach dem 1. Juli 2011 müssen wir uns aber ein neues Modell überlegen. – Natürlich ist das neu. – Er ist auch nicht nur für junge Menschen, sondern für junge und für ältere Menschen, Zwar war der Zivildienst in erster Linie als Wehrer- für Männer und für Frauen. Er ist für alle Altersbereiche satzdienst vorgesehen, aber er war natürlich wesentlich offen. mehr. Dieser Dienst war nicht nur für die Gesellschaft Wir haben in Gesprächen mit der Bundesregierung er- eine ungeheure Bereicherung, sondern auch für die jun- reicht, dass der neue Bundesfreiwilligendienst keine gen Männer selbst; das stellt man fest, wenn man sich Konkurrenz ist; denn die Förderpauschalen werden an- (B) mit den Zivildienstleistenden unterhält. Dieser Dienst gehoben. Sie werden von monatlich knapp 73 Euro auf (D) stellte aber auch eine Bereicherung für kranke Men- 200 Euro bzw. bei Jugendlichen mit besonderem Förder- schen, für Menschen mit Behinderungen und für alte bedarf auf 250 Euro erhöht. Die Förderung wird auf alle Menschen dar. In dieser Zeit wurden Vertrauensverhält- besetzten Plätze sämtlicher – auch der regionalen – Träger nisse aufgebaut, von denen viele auch in der Zeit nach ausgeweitet. Auch das ist ein Verdienst. An dieser Stelle dem aktiven Zivildienst fortgeführt wurden. Weil wir bin ich unseren Haushältern dankbar. diesen – ich sage das in Anführungszeichen – positiven „Nebeneffekt“ hoch schätzen, weil diese Zivildienstleis- (Ute Kumpf [SPD]: Dafür haben Sie an ande- tenden die Welt menschlicher gemacht haben, wollen rer Stelle bei benachteiligten Jugendlichen ge- wir dafür Sorge tragen, dass es auch nach dem 1. Juli strichen!) 2011 mit diesem Erfolgsmodell weitergeht. Wir werden diese Dienste nebeneinanderstellen. Wir müssen jetzt natürlich – da sind wir alle gefordert – mit Wenn ich mit einem Zivildienstleistenden gesprochen den Ländern darüber sprechen, was die Länder zum Bei- habe, hatte ich noch nie das Gefühl, dass er nach seinem spiel hinsichtlich der Anrechnung von Wartesemestern, Zivildienst nicht glücklicher war als vorher. Schließlich der Anerkennung des Dienstes als Praktikum und der fi- sind Bindungen entstanden, und er hat fürs Leben ge- nanziellen Ermäßigung für kulturelle Veranstaltungen, in lernt. Dies ist natürlich ein Dienst für das Land – daran kommunalen Einrichtungen und im öffentlichen Nahver- finde ich überhaupt nichts verwerflich, ganz im Gegen- kehr leisten können. Vieles davon liegt nicht in der teil –, aber man leistet den Dienst auch für sich selbst. Kompetenz des Bundes; das ist für uns als Bundespoliti- Man hat die Chance, in einem unbekannten Bereich Er- ker natürlich bedauerlich. Aber ich bin sicher: Wenn wir fahrungen zu sammeln, sich weiterzuentwickeln und die uns alle gemeinsam hinter diesen Dienst stellen, wenn eigene Persönlichkeit zu formen. wir dies jetzt alle gemeinsam anpacken und versuchen, 35 000 junge und auch ältere Menschen zu erreichen, Der Zivildienst war auch wichtig für die Stärkung des wenn wir mit Begeisterung für diesen Dienst werben und Ehrenamtes. Auch das ist ein ganz wichtiger Punkt. Aus die Kommunen und die Länder mit ins Boot holen, dann dem Erleben im sozialen Bereich, zum Beispiel beim Ro- wird dies tatsächlich ein Erfolgsmodell. Deswegen lade ten Kreuz oder bei den Hilfsdiensten, entwickelte sich oft ich alle ein, hier mitzumachen. Sie sollten nicht stolz ein lebenslängliches Engagement. Diejenigen, die Zivil- darauf sein, dass Sie es ablehnen; das ist peinlich. dienst geleistet haben, haben sich in der Folge häufig viel stärker ehrenamtlich engagiert als Jugendliche, die die- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sen Dienst nicht geleistet haben. neten der FDP) 10496 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dorothee Bär (A) Vizepräsidentin Petra Pau: FÖJ. – Ja, aber am Jugendfreiwilligendienstegesetz ändern (C) Der Kollege Rix hat für die SPD-Fraktion das Wort. Sie gar nichts. Das Einzige, was Sie getan haben, ist, dass Sie angekündigt haben, die Pauschalen zu erhöhen. Mehr (Beifall bei der SPD) wird in diesem Bereich nicht getan.

Sönke Rix (SPD): (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja! Nichts außer Ankündigungen!) Zunächst einmal: Es ist gut, dass es hier im Haus mittler- Gesetzlich tun Sie an dieser Stelle nichts. Es wird nach weile einen breiten Konsens gibt, dass wir mehr auf wie vor jedes Jahr vom Haushalt abhängig sein, wie FSJ Freiwilligkeit setzen sollten und die Pflicht zum Wehr- und FÖJ finanziell ausgestattet sind. Das ist wirklich dienst und auch zum Zivildienst abschaffen sollten. Das keine historische Leistung. ist zu loben. Da darf man ohne Umschweife sagen: Nach 50 Jahren Zivildienst und Wehrpflicht ist es eine histori- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sche Leistung, dass wir nun hier in diesem Hohen Hause DIE GRÜNEN) einen breiten Konsens darüber haben, die Wehrpflicht Zu einem Gesamtkonzept, das, wie gesagt, nicht vor- abzuschaffen bzw. auszusetzen und bei der Bundeswehr, liegt, würde auch gehören, dass neben der Stärkung der aber auch bei anderen Diensten auf Freiwilligkeit zu set- Freiwilligendienste – unser Vorschlag ist, lieber FSJ und zen. Das ist in Ordnung. FÖJ weiter zu stärken – auch darauf zu achten ist, wel- (Beifall bei der SPD) che Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Zivildienst vielleicht auch im Rahmen sozialversicherungspflichti- Wir dürfen dies aber nicht aus dem Grund tun, dass ger Jobs verrichtet werden können. Das versäumen Sie. die Wehrgerechtigkeit nicht mehr gegeben war. Das ist ja einer der Gründe, der immer genannt wird. Wir dürfen es (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten erst recht nicht aus finanziellen Gründen tun und sagen: der LINKEN) Wir haben haushaltspolitische Herausforderungen und Sie wollen in Ihrem Gesetz festschreiben, dass sämtliche wollen an einigen Stellen sparen. Der Wegfall des Zivil- Zivildienstplätze einfach anerkannt werden; das soll auch dienstes und die Wehrdienstreform hängen natürlich eng für Bundesfreiwilligendienstplätze gelten. Sie haben aber mit der Abschaffung der Wehrpflicht zusammen, und die kein Programm, wie an dieser Stelle – das müssten Sie ei- Ankündigung, die Wehrpflicht abzuschaffen, erfolgte gentlich gemeinsam mit Herrn Rösler tun – mehr sozialver- gleich nach der Haushaltsklausur der Bundesregierung. sicherungspflichtige Jobs entstehen können. Keine Ant- Das sind falsche Gründe für die Abschaffung der Wehr- wort, kein Gesamtkonzept! pflicht. Vielmehr gibt es grundsätzliche Erwägungen, die (B) dagegen sprechen, Menschen für ein Jahr oder mehrere Natürlich müssen wir uns auch mit dem Freiwilligen- (D) Monate zu verpflichten, einen Dienst zu tun. Das ist der dienstestatusgesetz beschäftigen; es ist schon angespro- eigentliche Grund, warum wir die Wehrpflicht ablehnen. chen worden. Es gibt die Ankündigung, dass wir darüber reden werden. Aber dazu liegt nichts vor. Auch das wäre So ein historischer Schnitt stellt natürlich eine große Bestandteil einer sogenannten historischen engagement- Herausforderung an die Gesellschaft und an den Staat an politischen Leistung gewesen. sich dar. Was machen wir danach? Eben wurde von Ih- nen, Herr Bernschneider, gesagt, dass wir eine histori- Man muss sich das sportliche Tempo vor Augen hal- sche Engagementreform auf den Weg bringen, indem ten. Es ist natürlich so, dass die meisten großen Ver- wir den Bundesfreiwilligendienst einführen. Ich glaube, bände sagen: Okay, wenn der Bundesfreiwilligendienst eine historische Engagementreform sieht ganz anders kommt, dann beteiligen wir uns aktiv daran. – Das ist aus und besteht nicht einfach nur aus der Einführung ei- auch in Ordnung. Aber waren Sie einmal vor Ort und ha- nes zusätzlichen Freiwilligendienstes. Eine historische ben mit Verantwortlichen in den Einrichtungen gespro- Engagementreform bedarf auch einer Verbesserung der chen? Die Einrichtungen sind total ins Schwimmen ge- Rahmenbedingungen des bürgerschaftlichen Engage- kommen. Je kleiner eine Einrichtung ist, desto mehr kam ments insgesamt. sie ins Schwimmen. Sie wissen nicht, woran sie sind: erst die Verkürzung des Zivildienstes, dann die Ankündi- (Beifall bei der SPD) gung, dass der Zivildienst wegfällt, dann ein Bundesfrei- Ihre einzige Antwort auf den Wegfall des Zivildiens- willigendienst, dann eine angebliche Stärkung des Frei- tes ist der Bundesfreiwilligendienst. willigen Sozialen Jahres – aber nichts Konkretes, nichts Festes. Die Einrichtungen geraten immer mehr ins (Florian Bernschneider [FDP]: Eine Stärkung Schwimmen. Bis zum 1. Juli dieses Jahres soll das der Freiwilligendienste!) Ganze umgesetzt sein. Ich frage Sie, ob Sie sich das In dem Gesetzesvorhaben, über das wir heute diskutie- wirklich gut überlegt haben. ren, und auch in anderen Gesetzesvorhaben findet sich (Beifall bei der SPD) keine weitere Maßnahme zur Stärkung des bürgerschaft- lichen Engagements. Sie verweisen natürlich auf die En- Meine Damen und Herren, wenn man von einer histo- gagementstrategie. Aber auch hier muss ich darauf hinwei- rischen engagementpolitischen Leistung spricht, dann sen: Das ist eine Auflistung mehrerer Projekte, die schon hätte man auch eine breite Debatte führen müssen, nicht seit Jahren laufen; etwas Neues ist aber nicht dabei. Als nur hier im Haus, sondern vor allen Dingen mit der Zi- Zweites wird immer erwähnt: Wir stärken auch FSJ und vilgesellschaft. Auch das haben Sie versäumt. Sie haben Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10497

Sönke Rix (A) keine breite Debatte mit der Zivilgesellschaft geführt: Kurz und bündig zusammengefasst: Legen Sie ein (C) Wie gehen wir damit um, dass der Zivildienst wegfällt? Gesamtkonzept vor! Der Zivildienst kann nicht einfach Welche Chancen ergeben sich daraus? Der Bundesfrei- nur durch den Bundesfreiwilligendienst ersetzt werden, willigendienst soll nicht nur ein Lückenbüßer für den Zi- vielmehr brauchen wir ein gesamtgesellschaftliches vildienst sein. Wir wollen eine Gesamtlösung. Sie haben Konzept. Nutzen Sie die Chancen beim Wegfall des Zi- es versäumt, darüber einen Dialog mit der Zivilgesell- vildienstes und lösen Sie diese Doppelstrukturen auf! schaft zu führen. Das kreiden wir Ihnen natürlich an. Schönen Dank. Über Ihre angeblich großen Taten beim FSJ habe ich (Beifall bei der SPD) schon gesprochen. Es gab nur eine Pauschalerhöhung, aber keine weiteren Veränderungen im Jugendfreiwilli- gendienstegesetz. Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Grübel für die Unionsfrak- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Eine Verdreifachung!) tion. Wo bleiben denn die weiteren Anerkennungsmöglich- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) keiten? Wo bleibt die wirkliche Stärkung der jungen Menschen, die diesen Dienst machen? Markus Grübel (CDU/CSU): (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Es gab eine Ver- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! dreifachung! Haben Sie das gar nicht be- Heute Morgen haben wir über die Aussetzung der Wehr- merkt?) pflicht beraten. Infolge der Aussetzung der Wehrpflicht kommt es auch zur Aussetzung des Zivildienstes. Wir Dazu haben Sie nichts vorgelegt. antworten darauf mit dem Bundesfreiwilligendienst und Sie sagen immer, unsere Kritik an den Doppelstruktu- mit einer Stärkung der anderen Jugendfreiwilligen- ren sei Detailkritik. Gut, vielleicht ist das ein Detail; das dienste. Darin steckt eine Chance, darin steckt aber auch mag sein. Aber ich glaube, ich habe gerade deutlich ge- eine große Herausforderung. Sie von der Opposition ha- macht, dass es noch viel gravierendere Probleme gibt, ben viel kritisiert, aber keine gangbare Alternative auf- zum Beispiel das Fehlen eines Gesamtkonzeptes. Natür- gezeigt. lich sind aber auch die Doppelstrukturen ein Problem. (Kerstin Griese [SPD]: Das stimmt doch nicht! – (Florian Bernschneider [FDP]: Aber die gab es Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: schon immer!) Siehe alle Anträge der letzten Jahre!)

(B) Sie kündigen immer wieder an: Jemand, der den Bun- Wir können positiv anmerken: Es gab noch nie so (D) desfreiwilligendienst macht, soll genauso behandelt wer- viele Möglichkeiten für Freiwillige in Deutschland, wie den wie jemand, der ein FSJ oder ein FÖJ macht. Das ist es künftig geben wird, und es gab noch nie so viel Geld aber nicht der Fall. Sie glauben das vielleicht manchmal. für Freiwillige im Bundeshaushalt, wie es künftig geben Aber ich sage Ihnen: Das ist schon bei der Kindergeld- wird. Die Frau Ministerin hat vorhin darauf hingewie- zahlung nicht der Fall. Das zeigt sich auch bei der Aus- sen. Es gibt neue Einsatzbereiche: Soziales, Kultur, zahlung des Taschengeldes an die Leistenden: Die einen Sport, Ökologie, Integration, Zivil- und Katastrophen- bekommen es vom Bund, die anderen von den Trägern, schutz. die Höhe ist variabel. (Sönke Rix [SPD]: Das ist doch nicht neu! Das (Florian Bernschneider [FDP]: Hauptsache, es gab es doch schon immer!) ist auf dem Konto!) – Soziales und Ökologie ja, aber gab es zum Beispiel ein Hier gibt es keine Gleichbehandlung. Die Betroffenen FSJ im Bereich Integration? wundern sich, warum jemand, der in der gleichen Ein- (Sönke Rix [SPD]: Natürlich!) richtung einen Dienst macht, ein anderes Taschengeld bekommt. Diese Doppelstruktur bleibt vorhanden. Sie – Nein, das ist neu, Sönke Rix. können sich drehen und wenden, wie Sie wollen: Das ist Das Nebeneinander wurde angesprochen: Der Bund unser Hauptkritikpunkt, den wir nach wie vor vortragen. nimmt künftig 350 Millionen Euro und die Länder neh- Hinzu kommen finanzielle Probleme. Es wird immer men 12 Millionen Euro in die Hand. Über den Europäi- noch argumentiert: Das ist finanzverfassungsrechtlich schen Sozialfonds fließen 8 Millionen Euro. Vor diesem problematisch. Deshalb können wir nicht ausschließlich Hintergrund ist es doch klar, dass der Bund die Verant- auf FSJ und FÖJ setzen. – Gleichzeitig kündigen Sie an, wortung behalten will. Hätten wir die Mittel an die Län- die Mittel zu erhöhen. Gleichzeitig kündigen Sie auch der übertragen, dann würde ich auch für die CDU-ge- an, für mehr Anerkennung der Freiwilligendienstleisten- führten Länder nicht meine Hand ins Feuer legen, dass den und der Jugendfreiwilligendienste sorgen zu wollen. sie diese 350 Millionen Euro nicht nehmen und andere Aber wenn das verfassungsrechtlich bedenklich ist, wa- wichtige Aufgaben – Polizei, Schule, Kinderbetreuung, rum tun Sie es dann trotzdem? Wenn man Ihrer Logik innere Sicherheit, Hochschulen – daraus finanzieren folgen würde, dann müsste man sagen: FSJ und FÖJ würden. Ich bin mir sicher, dass nur ein Bruchteil tat- können wir gar nicht mehr durchführen, weil wir das ei- sächlich bei den Einrichtungen, Trägern und Freiwilli- gentlich gar nicht dürfen. – Das passt einfach nicht zu- gen, bei den Freiwilligendiensten ankommen würde. sammen. Deshalb war dieser Weg richtig. 10498 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Markus Grübel (A) Wir stärken die klassischen Jugendfreiwilligen- Herausforderung, 35 000 überwiegend junge Menschen (C) dienste: das FSJ, das FÖJ. Wir hatten die Anzahl der für ein Jahr Freiwilligenarbeit zu begeistern. Ab Mai Plätze auf 25 000 gedeckelt, jetzt wollen wir 35 000, wird es Informations- und Werbekampagnen dazu ge- möglicherweise sogar noch mehr Plätze fördern. Früher ben. Die Information der Einsatzstellen findet ja schon wurden die Plätze mit 72 Euro im Monat gefördert, jetzt statt. Neu ist: Auch die über 27-Jährigen sind ange- künftig sind es 200 Euro im Monat. 50 Euro kommen sprochen. Der Bundesfreiwilligendienst soll auch für er- noch hinzu, wenn ein besonderer pädagogischer Betreu- wachsene und ältere Menschen gelten – 20 Stunden die ungsbedarf besteht. Es gibt das Kopplungsmodell. Woche. Zugegeben, es gibt Unterschiede beim Kindergeld, Künftig sparen wir auch Ressourcen. Wir sparen zum die sich aber begründen lassen. Beim Jugendfreiwilli- Beispiel beim Bundesamt für den Zivildienst. Von früher gendienst bleibt der Unterhaltsbedarf bei den Eltern be- 1 000 Stellen wird nur ein Teil für den Bundesfreiwilli- stehen, deshalb wird in dieser Zeit auch Kindergeld gendienst gebraucht. Auch im Bereich der Kreiswehrer- gezahlt. Beim Bundesfreiwilligendienst werden Ta- satzämter können wir sparen. Deren Anzahl wird von schengeld, Unterkunft, Verpflegung, Dienstbekleidung 52 auf 20 reduziert. Insgesamt heißt das, dass 6 000 Mit- und Sozialversicherung bezahlt. Daher entfällt der Un- arbeiter der Bundesverwaltung umgesetzt werden müs- terhaltsbedarf bei den Eltern, sodass kein Kindergeld sen. Auch hier tut sich also etwas. ausgezahlt wird. Es gibt keine Ost-West-Unterschiede bei der Taschengeldobergrenze – darauf hat die Opposi- Ich fasse zusammen. Wir schaffen einen deutlich bes- tion früher hingewiesen. seren Rahmen für die Freiwilligenarbeit in Deutschland, und ich fordere alle auf, auch die Opposition, sich hier Der Bundesfreiwilligendienst ist arbeitsmarktneutral. nicht zu verweigern. Er darf nicht zu einem Wegfall oder einer Verdrängung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) von regulärer Arbeit führen. Aber in einem positiven Sinne ist er gleichzeitig auch nicht arbeitsmarktneutral: Junge Menschen erwerben soziale Kompetenz, die sie in Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: vielfältigen Berufsfeldern einsetzen. Das ist zwar nicht Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Tauber für die arbeitsmarktneutral, aber gut. Auch die Berufswahl wird CDU/CSU-Fraktion. beeinflusst. Menschen kommen in Berufsfelder, die sie sich vorher kaum vorstellen konnten. Durch den Freiwil- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ligendienst sind sie plötzlich an Pflegeberufen und vie- len anderen sozialen Berufen interessiert. Mehr Männer Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): (B) kommen in klassische Frauenberufe. Zum Beispiel kom- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (D) men auch mehr junge Menschen in die Pflege, was dort Wir reden über den neuen Bundesfreiwilligendienst, gut tut. So betrachtet ist der Bundesfreiwilligendienst in aber auch über einen deutlichen Ausbau der Jugendfrei- der Tat nicht arbeitsmarktneutral, aber diese Auswirkun- willigendienste. Herr Kollege Rix, das hätten Sie ge- gen sind trotzdem sehr positiv. merkt, wenn Sie unseren Antrag ein bisschen ausführli- cher studiert hätten. Es gibt keine Umsatzsteuerpflicht beim Leistungsaus- tausch zwischen Bund und Einsatzstellen. Auch das ist (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und immer wieder angesprochen worden. Der Bundesfrei- der FDP) willigendienst ist ein Lerndienst; ich verweise auf die Seminarangebote und die pädagogische Begleitung. Wir Ich glaube, das muss man an dieser Stelle sagen; wollen einen „Bundesfreiwilligendienst plus“ ermögli- (Sönke Rix [SPD]: Aber Sie sind doch Gesetz- chen, der zwei Jahre dauert: Wir wollen eine Verknüp- geber in dem Bereich!) fung des Bundesfreiwilligendienstes mit einem Schulab- schluss, einen Bundesfreiwilligendienst, ein Freiwilliges denn das, was wir hier machen – vielleicht ist Ihnen auch Soziales Jahr plus Realschulabschluss für diejenigen, die das noch nicht bewusst –, geht nicht nur weit über das ihn nicht auf dem ersten Bildungsweg gemacht haben. hinaus, was wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben ha- ben, Wir arbeiten an einem Freiwilligendienstestatusge- setz, das wir noch in dieser Wahlperiode verabschieden (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist kein wollen. Diese Arbeit machen wir gründlich. Sie sagen Maßstab!) beim Freiwilligendienstestatusgesetz, es sollte schneller sondern auch weit über das hinaus, was Sie in den letz- gehen; husch, husch! Andererseits beklagen Sie, das es ten Jahren zu diesem Thema formuliert haben. zu schnell geht. So richtig recht kann man es euch auch nicht machen. (Sönke Rix [SPD]: Fragen Sie einmal Ihre Vorgänger im Familienausschuss, woran das (Kerstin Griese [SPD]: Es soll zusammen ein immer gescheitert ist!) Konzept vorgelegt werden! – Sönke Rix [SPD]: Ich wollte einen Gesamtzusammen- Wir machen hier etwas, was Sie sich in der Vergangen- hang herstellen! Ein Gesamtkonzept!) heit in Ihren kühnsten Träumen nicht haben vorstellen können; das muss man deutlich sagen. Gute Informationen und Werbung für diesen Freiwil- ligendienst sind jetzt in der Tat wichtig. Es ist eine große (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10499

Dr. Peter Tauber (A) An dieser Stelle beziehen wir uns natürlich auf die Ich persönlich finde es schade, weil wir auch in den (C) Aussetzung der Wehrpflicht. Deswegen darf ich hier ei- Berichterstattergesprächen gemerkt haben, dass wir in nige Sätze dazu sagen: Wir setzen die Wehrpflicht aus si- sehr vielen Punkten eigentlich in dieselbe Richtung ge- cherheitspolitischen Gründen aus. Für uns als Union wa- hen wollen. Dort haben Sie Ihre Bedenken auch nicht so ren die Wehrpflicht und der Zivildienst immer auch laut vorgetragen wie eben. Vielleicht liegt es an der Öf- Ausdruck unserer Überzeugung als Bürgerinnen und fentlichkeit und an der Kulisse hier; das weiß ich nicht Bürger, dass unser Gemeinwesen nur funktioniert, wenn genau. alle bereit sind, mehr zu tun, als nur Steuern zu zahlen (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: und wählen zu gehen. Dieses Symbol, das die Wehr- Was heißt das denn? – Kai Gehring [BÜND- pflicht und der Zivildienst darstellten, entfällt nun. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich weiß nicht, wo- Ich glaube, es ist gut, dass wir etwas Neues schaffen, von Sie reden!) um jungen Menschen die Gelegenheit zu geben, in unse- Es bleibt dabei: Wir haben noch nie so viel Geld für rem Land Verantwortung für unsere Gesellschaft zu Freiwilligendienste zur Verfügung gestellt. Wir haben übernehmen. Genau das machen wir durch den Bundes- die Begrenzung bei der Förderung der Plätze aufgeho- freiwilligendienst. Die Länder alleine – das ist deutlich ben. Länder und Kommunen sind aufgefordert, ihr Enga- geworden – können das gar nicht leisten. Deswegen ist gement ebenfalls fortzusetzen und weiter zu steigern, es gut, dass wir einen Großteil der Mittel, die wir bisher statt sich zurückzuziehen. Wir erweitern die Einsatzbe- für den Zivildienst aufgewendet haben, künftig für den reiche und kommen damit den Interessen und Fähigkei- Bundesfreiwilligendienst zur Verfügung stellen. ten der jungen Menschen viel weiter entgegen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Wir wollen eine attraktive Werbekampagne machen, neten der FDP) um aufzuzeigen, welche Möglichkeiten junge Menschen Ich glaube, dass das auch deswegen richtig ist, weil künftig haben. Wir wollen auch eine andere Anerken- – das wird durch die Zahlen deutlich – 90 Prozent derje- nungskultur, die deutlich über das hinausgeht, was es nigen, die derzeit freiwillig dienen – in welcher Form bisher gibt. auch immer, ob im FSJ oder im FÖJ –, danach zu der Sie wissen, dass wir das nicht alleine in diesem Ho- Überzeugung kommen, dass es sich lohnt, sich in dieser hen Hause entscheiden können, sondern dass wir mit Gesellschaft ehrenamtlich zu engagieren. Ein übergroßer vielen reden müssen. Ich bin der Ministerin dankbar, Teil sagt, sie wollen dieses Engagement, in welcher dass sie schon entsprechende Gespräche geführt hat. Form auch immer, fortsetzen. (Sönke Rix [SPD]: Jetzt schon!) (B) Deswegen wollen wir an sehr vielen Stellen neue (D) Möglichkeiten dafür schaffen, dass junge Menschen sich Das wird eine Daueraufgabe bleiben, weil wir ständig ausprobieren und mit ihren Fähigkeiten, Neigungen und fragen müssen, welche Zertifizierung, Anerkennung und Interessen im Bereich der Integration, des Sports oder Qualifizierung jemand aus seinem Einsatzbereich mit- auch der Kultur und eben nicht nur im sozialen Bereich, nehmen kann. Das muss ihm für seinen weiteren Le- auf den wir die Debatte in den letzten Minuten aus mei- bensweg bescheinigt werden. ner Sicht zu sehr verengt haben, einbringen. Wir schaf- Das ist nicht allein in unseren Gremien und in der fen dafür die Rahmenbedingungen. Wir geben so viel Diskussion zu erreichen. Wir müssen mit Einsatzstellen, Geld für die Freiwilligendienste wie noch nie aus: für Trägern, Ländern und Kommunen reden. den neuen Bundesfreiwilligendienst, aber auch für die bestehenden Strukturen. (Sönke Rix [SPD]: Schön, wenn das vorher passiert!) Wir schaffen in diesem Modell zwei stabile Säulen. Wir lösen die Konkurrenz, von der Sie dauernd reden, Dazu haben Sie nach wie vor die Möglichkeit. Ich würde auf. Wenn Sie die Diskussion wirklich verfolgt haben, mich freuen, wenn Sie mitmachen. dann wissen Sie, dass es am Anfang eine unheimlich Frau Kollegin Dittrich, ich habe mir lange überlegt, große Skepsis bei Trägern und Einrichtungen darüber ob ich auf Ihre Rede eingehen soll, gab, wie das funktionieren wird. Wenn Sie die letzten Stellungnahmen gelesen haben, dann wissen Sie auch, (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Lass es! Es lohnt dass die Vorbehalte zum Teil gänzlich verschwunden, sich nicht!) zum Teil deutlich leiser geworden sind. auch weil Sie wieder dieselbe Platte aufgelegt haben wie (Sönke Rix [SPD]: Weil jetzt auch Geld auf immer. Ich habe daran gedacht, das vorzulesen, was die dem Tisch liegt!) junge Frau aus den neuen Bundesländern, über die Sie ausführlich gesprochen haben, nach Ihrer Rede auf mei- Über die Stellen, wo es noch hakt, werden wir in den nem Facebook-Profil gepostet hat. Ich lese es aber nicht nächsten Jahren weiter reden müssen. Denn wir schaffen vor, weil ich dann für die Formulierung der jungen Frau hier ja etwas fundamental Neues. Es hätte Ihnen gut an- zu Recht einen Ordnungsruf der Präsidentin bekommen gestanden, mitzumachen, statt danebenzustehen und nur würde. Sie können es aber nachlesen. Ich glaube, das zu meckern. Diese Chance haben Sie eben gerade ver- hilft Ihnen ein bisschen. passt. Ansonsten bleibt es dabei: Es ist richtig, junge Men- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) schen für ein Engagement für unser Land zu begeistern. 10500 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Peter Tauber (A) „Tu was für dein Land! Tu was für dich!“ ist die richtige Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der (C) Botschaft. Vielleicht bekommen Sie noch die Kurve und Bundesministerin für Arbeit und Soziales: machen mit. Sonst machen wir das in der christlich-libe- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ralen Koalition, und es wird gut. Die Bundesregierung legt Ihnen heute den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlas- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sungsgesetzes vor. Ich möchte einige Bemerkungen zu den wesentlichen Inhalten machen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Gesetzentwurf enthält Regelungen, in denen die Ich schließe die Aussprache. Vorgaben der sogenannten europäischen Leiharbeits- richtlinie umgesetzt werden. Es war das erklärte Ziel der Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Minister Müntefering und Scholz bei den Beratungen den Drucksachen 17/4803, 17/4692 und 17/4845 an die über diese Richtlinie, den Kernbestand der deutschen in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- Regelungen zur Zeitarbeit bzw. zur Arbeitnehmerüber- schlagen. – Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das lassung auch durch die Richtlinie unangetastet zu lassen. so beschlossen. Dieses von der Großen Koalition insgesamt getragene Vorhaben ist erfolgreich abgeschlossen worden. Das, Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 a bis c auf: was an Umsetzungsbedarf in nationales Recht gleich- a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- wohl besteht, wird mit diesem Gesetzentwurf geregelt. richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf eine Regelung (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne- vor, die vermeidet, dass die Zeitarbeit als Drehtür zur ten Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, Josip Absenkung von Arbeitsbedingungen missbraucht wird. Juratovic, weiterer Abgeordneter und der Frak- Nachdem ein eklatanter Fall von Missbrauch im letzten tion der SPD Jahr öffentlich geworden ist, Missbrauch der Leiharbeit verhindern (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Sie können es ruhig sagen: Es war Schlecker!) – Drucksachen 17/4189, 17/4756 – hat die Bundesregierung sehr sorgfältig geprüft, welcher Berichterstattung: gesetzliche Änderungsbedarf besteht angesichts des Um- Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke standes, dass dankenswerterweise die Tarifvertragspar- teien auf die Situation reagiert und in den Tarifverträgen b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- (B) entsprechende Änderungen vorgesehen haben. Die Bun- (D) gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur desregierung ist nach sorgfältiger Überprüfung zu dem Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsge- Ergebnis gekommen, dass gleichwohl ergänzender ge- setzes – Verhinderung von Missbrauch der Ar- setzlicher Handlungsbedarf besteht; denn es geht hier beitnehmerüberlassung um Fälle, in denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- – Drucksache 17/4804 – mern gekündigt wurde, um sie dann als Zeitarbeitneh- mer in ihrem ehemaligen Unternehmen zu schlechteren Überweisungsvorschlag: Bedingungen wieder zu beschäftigen. Ich sage für die Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Bundesregierung ganz klar: Wer Zeitarbeit in dieser Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Form zur Lohndrückerei missbraucht, der diskreditiert Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und missbraucht ein gutes Instrument der Arbeitsmarkt- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union politik. c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Jutta (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie lassen das Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, zu!) weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE Das ist mit der Bundesregierung nicht zu machen. LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur strikten Regulierung der Arbeitnehmer- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) überlassung Die Zeitarbeit hat in den letzten Jahren einen wichti- – Drucksache 17/3752 – gen Beitrag dazu geleistet, den Arbeitskräftebedarf von Unternehmen flexibel zu decken, Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Reguläre Rechtsausschuss Beschäftigung auszutauschen!) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Beschäftigungspotenziale in den Unternehmen zu er- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union schließen und Wirtschaftswachstum schneller in mehr Verabredet wurde, hierzu eine Stunde zu debattieren. – Beschäftigung umzusetzen. Man darf nie vergessen, dass Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Zeitarbeit gerade Geringqualifizierten und Langzeitar- beitslosen eine Chance auf Beschäftigung bietet. Etwa Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege zwei Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Dr. Ralf Brauksiepe für die Bundesregierung. waren unmittelbar vor ihrer Beschäftigung in der Zeitar- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10501

Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe (A) beit nicht beschäftigt. Ein Drittel der Zeitarbeitskräfte stelle fest: Der Kollege Heil bezeichnet das als Lüge. Es (C) hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Das heißt, ist nicht meine Aufgabe, das zu bewerten. Ich rede hier das Instrument bietet Chancen; die wollen wir nutzen. über Tatsachen. Missbrauch gilt es mit aller Schärfe zu verhindern. (Katja Mast [SPD]: Alle Verschärfungen sind von (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dann machen Schwarz-Gelb so beschlossen worden!) Sie doch mal!) Wenn wir über Hartz IV reden, Herr Kollege: Die positiven Beschäftigungseffekte werden auch (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das können wir durch den aktuellen Boom in der Zeitarbeitsbranche be- gleich machen!) legt. Der bereits seit April 2009 zu verzeichnende An- stieg der Zahl der Zeitarbeitnehmer hat sich auch im Jahr Das war ein zustimmungspflichtiges Gesetz. 2010 fortgesetzt. Gleichwohl dürfen wir nicht vergessen, über welche Dimensionen wir reden. Ende Juni 2010 lag (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja!) der Anteil der Zeitarbeitnehmerinnen und Zeitarbeitneh- Es hat auch die Zustimmung des Bundesrates gefunden, mer an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die Regelung zur Arbeitnehmerüberlassung nicht; das bei 2,6 Prozent. Unter den offenen Stellen ist der Anteil war ein anderes Gesetz. der Zeitarbeit deutlich größer; da liegt er bei knapp ei- nem Drittel. Das heißt zweierlei: Die Zeitarbeit spielt (Ingrid Fischbach [CDU/CSU], an die SPD ge- nicht die überragende Rolle bei der Schaffung von Ar- wandt: So ist das! Sie schmeißen alles in einen beitsplätzen. Arbeitsplätze werden nicht überwiegend in Topf!) der Zeitarbeit geschaffen. Aber gleichzeitig reden wir Ich bitte Sie, das noch einmal zu prüfen, damit wir bei über ein Segment, das so groß ist, dass man sehr behut- der Wahrheit bleiben. sam über Änderungen reden und sie so justieren sollte, dass die Menschen faire Arbeitsbedingungen haben, (Beifall bei der CDU/CSU) dass aber die Zeitarbeit als Jobmotor nicht abgewürgt Ich finde es gleichwohl wichtig, dass wir uns gerade wird. Genau das ist es, worum es uns mit diesem Gesetz im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit den Her- geht. ausforderungen stellen, die dort bestehen. Arbeitnehmer- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – freizügigkeit ist richtig. Es ist ein selbstverständlicher Gegenruf der Abg. Jutta Krellmann [DIE Bestandteil eines freien Europas, dass Menschen in ei- LINKE]: Große Begeisterung!) nem anderen Land nicht nur Urlaub machen können, sondern auch arbeiten dürfen. (B) Ich bin froh, dass es gelungen ist, auch im Rahmen (D) des Vermittlungsverfahrens zum Sozialgesetzbuch II ge- Arbeitnehmerfreizügigkeit darf aber nicht für Lohn- meinsam mit der sozialdemokratischen Opposition zu drückerei missbraucht werden. Darum geht es uns. Vereinbarungen zu kommen, genauso wie beim Arbeit- (Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil nehmerüberlassungsgesetz, dessen Regelungen betref- [Peine] [SPD]: Dann sieh zu!) fend die Löhne geändert werden sollen. In diesem Fall hilft sozusagen das Hartz-IV-Vermittlungsverfahren, um Deswegen ist es wichtig, dass wir auch im Hinblick auf Fehler zu korrigieren, die damals die Regierung Schrö- die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit in der der bei Hartz I gegen die Stimmen der Opposition Europäischen Union für die sensible Branche der Zeitar- beit zu Regelungen kommen, durch die eine Lohnunter- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Jetzt wird es grenze festgelegt ist. Diese Lohnuntergrenze gilt dann aber unverschämt, Herr Kollege! – Katja Mast auch für all diejenigen, die zu uns kommen und in der [SPD]: Sie waren doch dabei!) Zeitarbeitsbranche tätig sein wollen. Es ist gut, dass im gemacht hat. Rahmen des angesprochenen Vermittlungsverfahrens hierüber ein Konsens erzielt worden ist. Wir wollen eine (Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit, die tariflich verein- [Peine] [SPD]: Unglaublich, Herr Brauksiepe! bart ist und die für alle in der Zeitarbeit Beschäftigten im Lügen, ohne rot zu werden, das ist das, was in Inland und im Ausland gilt. dieser Koalition täglich stattfindet! Du sollst nicht falsch Zeugnis reden, Christdemokrat!) Ich bin dankbar, dass die Koalitionsfraktionen Ent- sprechendes im Zuge des weiteren Gesetzgebungsver- Ich stelle fest, dass diese Regelungen seinerzeit gegen fahrens einbringen wollen. Ich habe die SPD bisher so die Stimmen der damaligen Opposition beschlossen verstanden, dass sie dabei mitmachen will. Ich hoffe, worden sind. dass das keine unzutreffende Einschätzung ist. Ich finde nämlich, es ist wichtig, dass wir gemeinsam dafür sor- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ihr wolltet es gen, noch verschärfen! Ablenkungsmanöver! – Katja Mast [SPD]: Die Verschärfungen wur- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Der schwächste den doch im Bundesrat durchgesetzt! Mit Staatssekretär, seit es Schokolade gibt! Un- Schwarz-Gelb!) glaublich!) Es bedurfte bei diesem nicht zustimmungspflichtigen dass die Zeitarbeit denjenigen Menschen Chancen gibt, Gesetz nicht der Zustimmung der Opposition. – Ich die sie brauchen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, 10502 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Parl. Staatssekretär Dr. Ralf Brauksiepe (A) dass die Menschen, die in der Zeitarbeitsbranche tätig Kolb, der Frau von der Leyen in Geiselhaft genommen (C) sind, fair bezahlt werden, dass es dort faire Löhne und hat, wollte, dass Leiharbeitnehmer, wenn sie nicht arbei- faire Arbeitsbedingungen gibt. ten, möglicherweise mehr Geld bekommen, als wenn sie arbeiten. Das ist leistungsfeindlich; das ist schwachsin- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE nig. Deshalb haben wir gegen Ihren Widerstand im Vor- GRÜNEN]: Das bedeutet aber Equal Pay!) feld des 1. Mai einen gesetzlichen Mindestlohn im Ar- Es muss dort gute Aufstiegschancen geben. Dazu leisten beitnehmerüberlassungsgesetz für die Zeit- und Leih- wir auch mit diesem Gesetzentwurf einen Beitrag. arbeitsbranche durchgesetzt, der nicht abgesenkt werden kann. Wir haben den Mindestlohn durchgesetzt, nicht Herzlichen Dank. Sie! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten neten der FDP – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/ des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katja DIE GRÜNEN]: Nicht enden wollender Ap- Mast [SPD], an die CDU/CSU gewandt: Das plaus bei der FDP!) waren wir und nicht Sie!)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt haben Sie eine „Lex Schlecker“ vorgelegt. Wir Hubertus Heil hat jetzt das Wort für die SPD-Frak- werden sie benutzen, um den Mindestlohn vor dem tion. 1. Mai durchzusetzen; so viel Zustimmung ist da. Aber am wesentlichen Punkt, nämlich an dem Grundsatz (Beifall bei Abgeordneten der SPD) „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit von Stamm- und Leihbelegschaften“, geht diese Koalition kalt vorbei. Hubertus Heil (Peine) (SPD): Ich habe am späten gestrigen Abend ferngesehen: das Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachtmagazin in der ARD. Herr Brauksiepe, wissen Sie, warum am Sonntag in Hamburg gewonnen hat? (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sollst du schlafen!) (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Es gab keine Alternative!) – Nein, bei denen darf man nicht schlafen. Da muss man aufpassen, Fritz Kuhn. Das weißt du auch. Wir haben Dafür, dass er die absolute Mehrheit geholt hat, gibt es wenig Zeit gehabt zum Schlafen. Wir haben gearbeitet viele gute Gründe. Der Hauptgrund ist, dass er glaub- und gemeinsam in diesem Bereich viel erreicht. – In die- würdig – das ist der Unterschied zu Ihnen – dafür einge- ser Sendung wurde ein Bericht über eine Stamm- und standen ist, dass man wirtschaftlichen Erfolg nicht gegen (B) eine Leihbelegschaft gezeigt. Es wurde sehr eindrucks- (D) soziale Gerechtigkeit ausspielen darf. voll beschrieben, wie sich zwei Kollegen, die dieselbe (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Deswegen muss Qualifikation haben und dieselbe Tätigkeit ausüben man ihn nun nicht gleich wählen!) – der eine gehört zur Stammbelegschaft, der andere zur Leihbelegschaft –, fühlen. Der Verdienstunterschied Gleiches muss für die Zeit- und Leiharbeitsbranche gel- liegt bei 900 Euro. Mit anderen Worten: Der Arbeitneh- ten. mer der Stammbelegschaft bekommt 900 Euro mehr als Zeit- und Leiharbeit können – so war es gemeint, als der Leiharbeitnehmer, obwohl sie dieselbe Tätigkeit aus- das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz novelliert wurde – üben und dieselbe Qualifikation haben. Der Zeitarbeit- ein wirtschaftlich vernünftiges Instrument zur Abde- nehmer hat im Übrigen auch weniger Urlaub. Der eine ckung von Auftragsspitzen in Unternehmen sein. Herr fühlt sich entwürdigt, weil er für die gleiche Leistung Staatssekretär, trotz vieler warmer Worte sage ich Ihnen: nicht den gleichen Lohn bekommt. Der andere, der Kol- Wir dürfen nicht zulassen, dass Zeit- und Leiharbeit wei- lege aus der Stammbelegschaft, sagt: Ich habe Angst, terhin das größte Scheunentor für Lohndumping in dass ich demnächst durch Zeit- und Leiharbeiter ersetzt Deutschland sind. Sie tun bisher nichts dagegen. werde. Das ist die Realität in Deutschland. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Zur Wahrheit gehört, dass wir Ihnen in den Verhand- Wir haben in diesen Verhandlungen gesagt: Wir wol- lungen einen Mindestlohn für die Zeit- und Leiharbeits- len gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Dann hat die FDP branche abringen mussten. Da verbiegen Sie hier die gesagt: nach neun Monaten. – Dazu muss man wissen, Wahrheit. Das, was Sie in den Verhandlungen angeboten dass 30 Prozent der Leih- und Zeitarbeitnehmer weniger haben, haben wir nicht zugelassen; wir haben vielmehr als drei Monate arbeiten. Die FDP, die CDU und die etwas anderes durchgesetzt. Sie wollten nicht einmal ei- Bundesministerin wollten dann, dass nach neun Mona- nen Mindestlohn für die Zeit- und Leiharbeitsbranche. ten gar nicht Equal Pay – gleicher Lohn für gleiche Ar- Sie wollten, dass es einen Mindestlohn in dieser Branche beit – gilt, sondern sie wollten das umdefinieren und die nur in der verleihfreien Zeit gibt. Zuschläge, die vor allen Dingen in der Industrie 30 Pro- zent der Lohnbestandteile ausmachen, herunterdrücken. Sie haben uns dann angeboten, dass man einen soge- nannten Referenzlohn für die Einsatzzeit bildet, von dem Herr Brauksiepe, ich weiß nicht, welchen Einfluss Sie nach unten abgewichen werden könnte. Zu Deutsch: als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministe- Diese Koalition, bestehend unter anderem aus Herrn rium für Arbeit und Soziales tatsächlich haben, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10503

Hubertus Heil (Peine) (A) (Anette Kramme [SPD]: Gar keinen!) dieser Hinsicht ist das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (C) in seiner Definition des § 3 ziemlich klar. Darin steht: aber Sachkenntnis gibt es in Ihrem Ministerium. Die „… wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Wahrheit ist: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Arbeitsentgelts“. Das ist übrigens auch das, was in der Hauses kennen die Situation offensichtlich besser als Richtlinie steht. Sie versuchen, da herumzudoktern und Frau von der Leyen und Sie. Das ist der Skandal: Das so zu tun, als ginge es nur um den Stundenlohn und nicht Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist im Be- um die Zuschläge, die es in der Industrie gibt. reich des Missbrauchs der Zeit- und Leiharbeit im wahrsten Sinne des Wortes kopflos. Das ist eine Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor in der Hoff- Schande! nung, dass wir in den Verhandlungen zu Ihrem vorlie- genden Gesetzentwurf auch im Bereich Equal Pay noch (Beifall bei der SPD) zu Fortschritten kommen. Ich bin mir da nicht ganz si- Die gute Nachricht ist, dass wir in den Verhandlungen cher, weil wir erleben müssen, dass die FDP in der Sozi- mit Ihnen für 1,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Ar- alpolitik Frau von der Leyen offensichtlich an der Leine beitnehmer, darunter 900 000 Beschäftigte in der Zeit- führt. und Leiharbeit, einen Mindestlohn durchgesetzt haben. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Soll ich das jetzt Das ist gut, das ist wichtig, und das ist richtig. Genauso als Kompliment ansehen?) richtig und gut ist, dass wir uns beim Thema Equal Pay nicht auf einen faulen Kompromiss einlassen. Die deut- Das ist nicht gut für Deutschland, aber in diesem Bereich sche Sozialdemokratie wird nicht eher ruhen, als bis wir ist es offensichtlich so. den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Ich sage Ihnen: Wir wollen gleichen Lohn für gleiche die Menschen in Deutschland durchgesetzt haben, und Arbeit. Wir brauchen einen Mindestlohn, den wir schon zwar für Männer und Frauen, auch in der Zeit- und Leih- gegen Sie durchgesetzt haben. Wir brauchen ein Syn- arbeit. chronisationsverbot, um Drehtüreffekte zu vermeiden, (Beifall bei der SPD – Jutta Krellmann [DIE und zwar nicht nur bei Schlecker. LINKE]: Da habt ihr die Chance verpasst! Ihr Herr Brauksiepe, es ist sowieso ein Ding der Unmög- liegt völlig daneben!) lichkeit, dass Frau von der Leyen erst jetzt – sie ist fast Ich will Ihnen sagen, warum ich das nicht nur für so- anderthalb Jahre im Amt – beim Thema Schlecker ge- zial geboten halte: Es stört den Betriebsfrieden, wenn merkt hat, dass es einen Missbrauch von Zeit- und Leih- Kollegen unterschiedlich behandelt werden, obwohl sie arbeit gibt. So viel Ignoranz gegenüber den hart arbei- das Gleiche leisten. Das ist leistungsfeindlich. tenden Menschen in Deutschland ist nicht zu akzep- (B) tieren. (D) Auch wirtschaftspolitisch ist es vernünftig, dass wir die Zeit- und Leiharbeit auf das konzentrieren, was öko- nomisch gemeint ist, nämlich um Auftragsspitzen in Un- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ternehmen abzudecken, aber nicht, um Lohndumping zu Herr Kollege! ermöglichen. Das ist auch aus Gründen der finanzpoliti- schen Solidität des Haushalts notwendig. Hubertus Heil (Peine) (SPD): Deshalb werden wir kämpfen und dafür sorgen, dass Vor allen Dingen in der Zeit- und Leiharbeit gibt es dieses Gesetz im Interesse der arbeitenden Menschen immer mehr Menschen, die Vollzeit arbeiten, die jeden besser wird. Tag schuften, die morgens in die Fabrik gehen, die sich anstrengen und mühen, aber die sich dann, weil es zum Herzlichen Dank. Leben nicht reicht, ergänzendes Arbeitslosengeld II vom (Beifall bei der SPD) Amt abholen müssen. Das verantwortet die schwarz- gelbe Koalition. Wir werden darum kämpfen, das zu än- dern. Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat der Kollege Heinrich Kolb für die FDP- (Beifall bei der SPD) Fraktion. Ich sage Ihnen noch etwas: Ein fauler Kompromiss, (Beifall bei der FDP) der so tut, als würde er das Problem des Missbrauchs von Zeit- und Leiharbeit in Deutschland bekämpfen, ist Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): mit uns nicht zu machen. Sie haben sich seit Jahren ge- gen die Einführung von Mindestlöhnen gewehrt. Wir ha- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ben die Mindestlöhne Branche für Branche gegen den Das Thema Zeitarbeit wird in der letzten Zeit sehr häufig schwarz-gelben Widerstand durchkämpfen müssen. Wir diskutiert. Herr Kollege Heil, Sie haben heute eine Rede sind jetzt in drei Branchen zum ersten Mal einen großen nach altem Muster gehalten. Ich glaube, es ist jetzt aber Schritt vorangekommen. an der Zeit, verbal abzurüsten. Wenn wir morgen in Bun- destag und Bundesrat die Beschlüsse zu Hartz IV fassen Wir werden Sie treiben, und wir werden nicht ruhen, und anschließend im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz bis Equal Pay auch für die Zeit- und Leiharbeit durchge- das normieren, was wir in den Verhandlungen im Ver- setzt wird. Da wird es kein Gepfusche an dem Begriff mittlungsausschuss gemeinsam verabredet haben, dann geben, was „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ meint. In haben wir einen Rahmen für die Zeitarbeit in Deutsch- 10504 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Heinrich L. Kolb (A) land geschaffen, der zum einen Missbrauch verhindert 98 Prozent der Zeitarbeiter einen tariflichen Mindest- (C) und der zum anderen dieses Instrument auch in Zukunft lohn sowohl für die Verleihzeit als auch für die verleih- einsatzfähig erhält. Das ist uns wichtig, und das ist auch freien Zeiten gibt. Der tarifliche Mindestlohn gilt vom richtig so. ersten Tag an, ganz gleich, ob die Zeitarbeiter ausgelie- hen sind oder nicht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Bitte beant- Herr Heil, wir wollen Zeitarbeit. Sie ist für uns ein worten Sie doch die Frage! – Gegenruf der wichtiges und gutes arbeitsmarktpolitisches Instrument. Abg. Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Warum Wir wollen, dass Zeitarbeit möglich ist, weil mit ihr eine sind Sie denn so nervös?) Integrationsleistung erbracht wird und weil sie vielen zu- vor arbeitslosen Menschen, auch Langzeitarbeitslosen, – Ich beantworte doch gerade die Frage. – Herr Gabriel, dazu verholfen hat, in den ersten Arbeitsmarkt zurückzu- Sie können bestätigen, dass ich in den Verhandlungen kehren. Dieses Instrument wollen wir uns nicht kaputt- immer darauf hingewiesen habe, dass nach der Logik machen lassen. Deswegen haben die FDP und die Union des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes Equal Pay dann in den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss auch so gilt, hart gekämpft. (Katja Mast [SPD]: Neun Monate!) (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU]) wenn nicht durch einen Tarifvertrag davon abgewichen wird. Es ging um die Frage: Soll es in Unternehmen, die Wir wollen gleichwohl, dass Missbrauch verhindert nicht tarifgebunden sind wird. – Der Kollege Gabriel möchte eine Zwischenfrage stellen. (Sigmar Gabriel [SPD]: Aha!) – das ist der Punkt; Herr Gabriel bestätigt es mir –, mög- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: lich sein, dass ein Tariflohn der Einsatzbranche gezahlt Und Sie möchten die gerne zulassen, Herr Kolb? werden kann, der unter der Lohnuntergrenze der Zeitar- beit liegt? Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): (Sigmar Gabriel [SPD]: Dafür waren Sie!) Ja, sicher. Ich bin schon ganz wild darauf. – Dafür waren wir. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Lohndrücker Vielen Dank, dass Sie sozusagen als Leiharbeiter (B) sind Sie! – Anette Kramme [SPD]: Schamlos, (D) meine Arbeit übernommen haben. Herr Kollege!) Herr Gabriel, bitte. Wir haben aber auch festgestellt: Die praktische Rele- vanz dieses Bypasses – wenn ich das einmal so sagen Sigmar Gabriel (SPD): darf – ist nicht sonderlich hoch. Das ist eine ordnungspo- Ich möchte Sie fragen, ob es zutrifft, dass Sie uns in litische Grundsatzfrage. Wir haben in den Verhandlun- den nächtlichen Verhandlungen am 20. Februar ungefähr gen am Ende deutlich gemacht, dass wir einen wichtigen drei Stunden lang Ihre Version von Equal Pay wie folgt Kompromiss, den wir im Bereich Hartz IV anstreben, erklärt haben: Gleichen Lohn für gleiche Arbeit für nicht an dieser Frage scheitern lassen werden. Leiharbeitnehmer und Festangestellte soll es sofort ge- ben – so war Ihre Vorstellung –, wenn der Lohn geringer Noch einmal: Entscheidend war, dass wir heute schon ist als im Tarifvertrag der Zeitarbeitsbranche. Wenn der praktisch flächendeckend einen Mindestlohn für deutsche Lohn höher ist als der in der Zeitarbeitsbranche, soll das Zeitarbeiter haben. Deswegen ist es falsch, wenn der Kol- Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ allerdings lege Heil sagt, dass wir für 1,2 Millionen Menschen neue erst nach neun Monaten gelten. Ich würde gerne von Ih- Mindestlöhne schaffen würden. Das kann man so nicht sa- nen wissen, ob Sie diese Position, die Sie uns stunden- gen, weil es für 900 000 Zeitarbeiter schon einen Mindest- lang weismachen wollten, immer noch aufrechterhalten. lohn gibt. Dazu kommen 20 000 Menschen aus dem Be- reich der Aus- und Weiterbildung sowie 170 000 Menschen aus dem Bereich des Wach- und Sicherheitsgewerbes; Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): das ergibt für mich 190 000. Herr Kollege Gabriel, Sie wissen, dass wir uns auf ei- nen Kompromiss verständigt haben. Wir stehen zu die- Es stellt sich aber die Frage, was im Zuge der Freizü- sem Kompromiss. Ich will aber gerne, weil Sie gefragt gigkeit nach dem 1. Mai dieses Jahres mit den Zeitarbei- haben, die Gelegenheit nutzen, noch einmal deutlich zu tern passiert, die aus dem Ausland nach Deutschland machen, worum es uns eigentlich geht. kommen. Welchen Lohn werden diese Menschen be- kommen? Da ist jetzt über diese Lohnuntergrenze, die (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Frage eine absolute sein soll, sichergestellt, dass ein bestimm- beantworten!) ter Lohn nicht unterschritten werden kann. Auch polni- – Das will ich doch. – Es ist ja nicht so, wie Sie behaup- sche, lettische, litauische Zeitarbeiter werden nach dem ten, dass der Mindestlohn in diesem Bereich etwas 1. Mai, wenn sie nach Deutschland kommen, mit Löh- Neues wäre. Es ist vielmehr so, dass es schon heute für nen, die mindestens dieser Lohnuntergrenze entspre- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10505

Dr. Heinrich L. Kolb (A) chen, bedient werden. Diese Verabredung haben wir ge- Hubertus Heil (Peine) (SPD): (C) meinsam getroffen. Dazu stehen wir auch. Nein, das ist eine einfache Frage. Damit will ich zu einem zweiten Thema kommen, Herr Kollege Heil: Equal Pay. Nachdem ein großes deut- Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): sches Einzelhandelsunternehmen Anfang letzten Jahres Sie stellen die Fragen, ich liefere die Antworten. Ich damit angefangen hatte, die Stammbelegschaft zu entlas- bin der Meinung, dass man darauf etwas ausführlicher sen und sie als Zeitarbeiter zurückzuholen, haben Kol- antworten muss, und ich will es gerne tun. lege Schiewerling und ich gleichlautend, am selben Tag Ich will zunächst darauf hinweisen, dass die FDP, und unabgesprochen – da sind wir uns sehr einig – ge- wenn ich mich recht erinnere, als eine der ersten Fraktio- sagt: Das machen wir nicht mit. Diese Drehtür werden nen in diesem Hause im Frühsommer letzten Jahres ge- wir relativ schnell wieder schließen. – Die Tarifpartner sagt hat: Es geht nicht in erster Linie um Mindestlohn, haben das dann sogar selbst getan, was ich gut finde. sondern um Equal Pay, also um die Heranführung der Darüber hinaus hat die FDP auch früh, nämlich im Früh- Entlohnung der Zeitarbeiter an die der Stammbelegschaf- sommer letzten Jahres, gesagt: Weil es für die deutschen ten. Das war uns wichtig. Wir haben aber auch immer ge- Zeitarbeiter ja längst einen Mindestlohn gibt, ist die viel sagt: Diese Heranführung muss auf der Zeitschiene erfol- wichtigere Frage die nach dem Equal Pay. – An dieser gen. Das ist der eine Teil Ihrer Frage gewesen. Stelle würde ich gerne eine Zwischenfrage des Kollegen Heil zulassen, Frau Präsidentin, wenn es geht. Equal Pay ab dem ersten Tag, was Sie nachdrücklich und massiv gefordert haben, wäre aus unserer Sicht das (Anette Kramme [SPD]: Sie wollen ja nur zu- Ende der Zeitarbeit in Deutschland. sätzliche Redezeit!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Anette Kramme [SPD]: Lobbypolitik für Un- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ternehmen, wie immer! – Hubertus Heil Ich unterbreche Sie so ungerne im Redefluss, Herr [Peine] [SPD]: Vier Monate!) Kolb. Deshalb wollte ich warten, bis Sie Luft holen. – Nein, Herr Heil. Wenn Sie hier schon aus den Verhand- Bitte schön, Herr Heil. lungen des Vermittlungsausschusses und seiner Arbeits- gruppen berichten, Hubertus Heil (Peine) (SPD): (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Ja, und aus Lieber Kollege Kolb, nachdem Sie Sigmar Gabriel den Interna!) bestätigt haben, dass Sie unter Mindestlohn einen Lohn (B) verstehen, von dem man noch nach unten abweichen dann muss man hier auch sehr deutlich darauf hinwei- (D) kann, hätte ich eine Frage zu dem Thema, was Sie unter sen, dass Sie in einer Sitzung unmissverständlich gesagt Equal Pay verstehen. haben: Wir wollen Equal Pay ab dem ersten Tag. Entspricht es den Tatsachen – ich kenne Sie als einen (Anette Kramme [SPD]: Ja!) wahrhaftigen Menschen, Sie haben hinzugefügt: Wenn wir das nicht bekommen, (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: machen wir überhaupt keinen Abschluss. Na ja!) (Zuruf von der FDP: Hört! Hört!) der zu seiner Überzeugung steht, auch wenn sie nicht Am Ende haben wir trotzdem einen Abschluss hinbe- meine ist –, dass Sie erstens versucht haben, den Equal- kommen, was ich auch richtig finde. Pay-Begriff, worunter wir weitgehend gleiche Arbeits- bedingungen inklusive gleiches Entgelt verstehen, wie Sie haben sich bewegt, wir haben uns bewegt, und wir es jetzt auch im AÜG steht, umzudefinieren, und zwei- sind am Ende trotzdem nicht zusammengekommen, Herr tens nicht bereit waren, Equal Pay vor einer Einarbei- Heil. Das bedaure ich, weil es schöner gewesen wäre, tungszeit von mindestens neun Monaten zuzulassen? wenn man nach außen hin hätte signalisieren können: Auf Deutsch: Sie wollten, dass es neun Monate lang kei- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Würden Sie mal nen gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt und nach den meine Frage zu Equal Pay beantworten?) neun Monaten auch keinen gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Wir reden ja hier vom Gehalt der Stammbeleg- Politik ist sich in diesem Bereich einig. schaften im Vergleich zu Leihbelegschaften. Entspricht Wir haben immer gesagt: Equal Pay, also gleiche Ent- es den Tatsachen, dass Sie im Gespräch mit mir und der lohnung für Stammbelegschaften und Zeitarbeiter, muss SPD in den Verhandlungen gesagt haben: „Man muss auf der Zeitschiene erfolgen. den Equal-Pay-Begriff ändern, und erst nach neun Mo- naten sollen die Menschen gleichen Lohn für gleiche Ar- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nach neun beit bekommen“? Ja oder nein? Das ist eine Ja-oder- Monaten!) Nein-Frage. Nicht die FDP hat im Vermittlungsausschuss und in der Arbeitsgruppe Angebote gemacht, sondern die Koalition Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): hat Angebote gemacht. Das ist doch wahr, Herr Kollege Das kann man ein bisschen ausführlicher beantwor- Heil; da brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln. Herr ten. Kollege Schiewerling hat für die Koalition zunächst an- 10506 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Heinrich L. Kolb (A) geboten, Equal Pay nach zwölf Monaten festzuschrei- sungsgesetzes in der zweiten und dritten Lesung zustim- (C) ben, und dann haben wir als Koalition gesagt: Wir kön- men werden. Das ist die Nagelprobe für Sie. nen uns Equal Pay auch schon nach neun Monaten Wir werden auch am Thema Equal Pay dranbleiben. vorstellen. – Das gehört noch zur Beantwortung der Wir haben früh erkannt, dass das die eigentliche Heraus- Frage; Frau Präsidentin, ich finde, er hat sich zu früh forderung für die Zeitarbeit in Deutschland ist. Die Zeit- hingesetzt. arbeiter, die heute durch einen tariflichen Mindestlohn (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein, nein!) gut geschützt sind, interessiert diese Frage. Aber sie ist vorrangig von den Tarifpartnern zu beantworten. – Das ist eng an Ihrer Frage, Herr Kollege Heil, Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) und zwar deswegen, weil es uns darum ging, eine Auf- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) fangfrist zu schaffen. Im Vorfeld dieser Auffangfrist se- hen wir die Tarifpartner, die Gewerkschaften und die Ar- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: beitgeber, gefordert. Diese haben uns ja in den Wochen Jutta Krellmann hat das Wort für die Fraktion Die bzw. – das kann man fast so sagen – Monaten dieser Dis- Linke. kussion förmlich bombardiert mit Zuschriften des Inhal- (Beifall bei der LINKEN) tes: Finger weg! Bloß keine gesetzliche Regelung! Lasst uns das doch selbst machen, weil wir näher dran sind. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Genau das, Herr Kollege Heil, wollen wir jetzt tun. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen Darin sind wir uns in der Koalition vollkommen einig. und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach die- Wir geben den Tarifpartnern zwölf Monate Zeit und sa- sem Gerede hin und her stellt sich die Frage, wo wir gen ihnen: Alle Fragen im Zusammenhang mit diesem beim Thema Leiharbeit stehen. Thema, dessen Wichtigkeit ihr erkannt habt, werdet ihr jetzt nach Möglichkeit in eigener Verantwortung regeln. (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Wir sitzen! Wenn ihr keine Lösung findet, dann müsst ihr euch ge- Sie stehen!) fallen lassen, dass wir handeln. Wir sollen einen Mindestlohn in der Leiharbeit bekom- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dann setzen Sie men, nicht nur in der verleihfreien Zeit; aber von eine Kommission ein! Sehr mutig!) gleichem Lohn für gleiche Arbeit ist keine Rede mehr. Dieses Ergebnis zur Leiharbeit ist der Stand der Ver- – Aber diese Kommission wird eine Empfehlung geben, handlungen zum Hartz-IV-Regelsatz. Das ist schlicht- (B) die umgesetzt werden würde, wenn es notwendig wäre. – weg enttäuschend. (D) Ich bin allerdings sehr zuversichtlich – das wäre auch der richtige Weg –, dass Gewerkschaften und Arbeitge- (Beifall bei der LINKEN) ber dieses Problem selber lösen und wir ein sehr fein- Der beschlossene Branchenmindestlohn in der Leih- gliedriges Netz von Vereinbarungen bekommen. arbeit ist ein untaugliches Feigenblatt und wird Lohn- Das Problem bei Ihrem Ansatz ist, dass man alle und Sozialdumping weiterhin zulassen. Die Leiharbeits- Branchen über einen Kamm scheren würde und dass ab firmen werden damit geschützt, und eine spürbare Ver- dem ersten Tag Equal Pay die Folge wäre. Das ist kon- besserung für die Beschäftigten wird es nicht geben. Wir traproduktiv. Es mag zwar Branchen geben, in denen das reden über 7,60 Euro im Westen und 6,55 Euro im nach einer relativ kurzen Frist möglich ist. Osten. Keiner von Ihnen würde für so wenig Geld ir- gendwo arbeiten wollen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Vier Monate hatten wir angeboten!) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie auch nicht!) Aber es gibt auch Branchen, in denen die Frist länger Diese Beträge sind derzeit in Tarifverträgen festgelegt. sein muss. Das haben die Gewerkschaften in den letzten Jahren ver- einbart, also zu einer Zeit, als Sie die Rahmenbedingun- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE gen für das Aushandeln von vernünftigen Tarifverträgen GRÜNEN]: Die Einarbeitungszeit ist doch ta- systematisch zerstört haben. Die Bundesregierung und riflich geregelt!) „Frau von der Leiharbeit“ Diese von uns gewünschte Differenzierung kann nicht der Gesetzgeber liefern. Es ist vielmehr eine Herausfor- (Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ha! Ha!) derung, der sich letztendlich die Tarifpartner stellen legalisieren damit Lohndumping für immer mehr Be- müssen. schäftigte. Leiharbeiter bekommen weiterhin nur die Ich will zusammenfassen: In beiden Bereichen gibt es Hälfte des Lohnes, den ihre festangestellten Kollegen Lösungen. bekommen, und das bei gleicher Arbeit. (Katja Mast [SPD]: Neun Monate!) Die Zahl der Aufstocker in der Leiharbeit steigt jedes Jahr. Im angeblichen Jobwunderland Baden-Württem- Wir werden mit Ihnen zusammen, Herr Kollege Heil, berg sind seit Mitte letzten Jahres circa 33 000 neue Ar- eine absolute Lohnuntergrenze vereinbaren. Ich hoffe, beitsplätze entstanden, allein 27 000 davon in der Leih- dass Sie dieser Änderung des Arbeitnehmerüberlas- arbeitsbranche. Das sind 83 Prozent; ich wiederhole: Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10507

Jutta Krellmann (A) 83 Prozent. Ihr Jobwunder basiert also auf Leiharbeit. Es Wer die Arbeit der Beschäftigten in Deutschland schätzt, (C) handelt sich um 27 000 Beschäftigte, die auch in Zu- der gesteht den Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeit- kunft weniger Geld bekommen als ihre Kolleginnen und nehmern auch gleichen Lohn zu. Wir wollen die Verleih- Kollegen nebenan. Ich sage Ihnen: Diese moderne dauer wieder auf maximal drei Monate begrenzen; das Lohnsklaverei muss endlich aufhören. ist ja nichts Neues. Leiharbeit muss wieder ein Thema für Auftragsspitzen in Unternehmen sein und darf keine (Beifall bei der LINKEN) reguläre Beschäftigung ersetzen. Wer ständig die Arbeit Heute ist der Aktionstag der Gewerkschaften gegen und den Arbeitsplatz wechselt, der hat auch Anspruch Leiharbeit und prekäre Beschäftigung. Die Beschäftig- auf eine höhere Bezahlung und verdient mehr Anerken- ten geben sich nicht mit Mindestlösungen zufrieden, und nung. Eine Flexibilitätsprämie von 10 Prozent ist an die- das zu Recht. Im Moment demonstrieren beispielsweise ser Stelle das richtige Zeichen für die Beschäftigten. Beschäftigte der Firma MetoKote gemeinsam mit Kolle- gen der Firma John Deere in Mannheim vor den Betriebs- (Beifall bei der LINKEN) toren. Warum? Die Firma John Deere hat einen ganzen Aber auch die Leiharbeitsfirmen müssen endlich Verant- Produktionszweig einfach an ihren Zulieferer MetoKote wortung übernehmen. Deswegen muss das Synchronisa- ausgegliedert und beschäftigt jetzt nur noch Leiharbeit- tionsverbot wieder eingeführt werden. nehmer. Das Schlimmste an der Sache ist: Diese Praxis des Unternehmens bleibt auch nach dem neuen Gesetz- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr entwurf der Bundesregierung legal. Wir als Linke unter- richtig!) stützen die zahlreichen Proteste der Gewerkschaften und der Beschäftigten gegen Unternehmenswillkür und pre- Sie dürfen ihre Beschäftigten nicht mehr zwingen, als käre Beschäftigung per Gesetz. Streikbrecher zu fungieren. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Die Bundesregierung legt hier einen Entwurf vor, der Nicht zuletzt ist es notwendig, die Mitbestimmung in- für viele Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer nerhalb der Betriebe zu stärken; denn nur der Betriebsrat keine großen Verbesserungen bringt. Trotzdem stellt sich kann beurteilen und einschätzen, ob Leiharbeit über- Arbeitgeberpräsident Hundt hin und sagt: Egal, was Sie haupt notwendig ist oder für Lohndumping benutzt wird. neu regeln, wir werden es unterlaufen. – Dem muss man Wir waren noch nie so dicht am Kern des Problems doch die Stirn bieten können. Das ist Gesetzesbruch mit und an einer möglichen Lösung. Die Linke ist damit die Ansage. Das ist unglaublich. einzige Partei, die zu ihrem Wort steht, weil wir Equal (B) (Beifall der Abg. Sevim Dağdelen [DIE Pay prinzipiell richtig und wichtig finden. (D) LINKE]) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Das kann die Bundesregierung doch nicht dulden. Wer Deshalb fordere ich als Gewerkschafterin die Abgeord- darf das wieder ausbaden? Die betroffenen Beschäftig- neten aller Fraktionen, die wie wir gegen Leiharbeit und ten der Leiharbeit, denen Equal Pay verwehrt wird, und prekäre Beschäftigung sind, auf: Stimmen Sie unserem die Menschen, die mit ihren Steuern Aufstockerleistungen an Arbeitnehmer in Leiharbeitsfirmen subventionieren müs- Gesetzentwurf zu, damit endlich etwas zugunsten dieser sen, leiden darunter. Leiharbeit bedeutet Unsicherheit für die Kolleginnen und Kollegen passiert. Betroffenen und auch weniger Geld, weniger Rechte und (Beifall bei der LINKEN) weniger Anerkennung der eigenen Arbeit. Meine Damen und Herren von der SPD, das Tragi- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: sche an diesem Kompromiss ist, dass Sie dazu beigetra- Beate Müller-Gemmeke hat jetzt das Wort für gen haben und morgen dieser Kuhhandel mit Ihren Stim- Bündnis 90/Die Grünen. men den Bundestag passieren wird. Das ist äußerst bedauerlich und aus meiner Sicht eine absolut verpasste Chance. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir wollen eine Lösung bei der Leiharbeit, die den Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- Beschäftigten wirklich hilft. Der vorliegende Antrag der nen und Kollegen! Heute wird also endlich der Gesetz- SPD hört sich nicht schlecht an, liest sich auch nicht entwurf der Regierung in den Bundestag eingebracht. schlecht, ist aber aus meiner Sicht absolut unglaubwür- Seit über einem Jahr warten wir schon darauf. Ministerin dig. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist nicht von der Leyen hat bereits zwei Anläufe gestartet; die einmal das Papier wert, auf dem er steht. wurden aber immer vom Koalitionspartner, der FDP, ge- (Beifall bei der LINKEN) stoppt. Die Koalitionsfraktionen sind bei wichtigen sozi- alpolitischen Themen einfach nicht handlungsfähig. Das Die Linke zeigt, dass es auch anders geht. Wir haben ist die übliche schwarz-gelbe Chaospolitik; aber das ken- ein klares Konzept und stehen auch dazu. Unsere zen- nen wir schon aus dem Vermittlungsausschuss. trale Forderung ist: gleiches Geld für gleiche Arbeit von Anfang an, und ohne Ausnahme. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das stimmt! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da haben die (Beifall bei der LINKEN) Grünen aber keine gute Rolle gespielt!) 10508 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Beate Müller-Gemmeke (A) Das, was jetzt vorliegt, kann ich nur als Minimalvari- Nicht nur die im Entwurf enthaltenen Regelungen (C) ante bezeichnen. Die wichtigsten Punkte fehlen, etwa sind problematisch. Entscheidend ist, dass die wirklich das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und der wichtigen Verbesserungen fehlen, beispielsweise die Mindestlohn. Mit diesem Gesetz bleiben die Leiharbeits- Einführung von Equal Pay und die Wiedereinführung kräfte die Verlierer. Auch der Staat verliert, und zwar des Synchronisationsverbots, aber auch mehr Rechte für Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen. Dafür wer- Betriebsräte. Das führt dazu, dass die Leiharbeit immer den die Ausgaben für das aufstockende Arbeitslosen- salonfähiger wird und Stammbelegschaften entweder ak- geld II steigen, und das nur, weil sich die schwarz-gelbe tiv oder schleichend ersetzt werden. Aus regulären Be- Koalition lieber um Hoteliers und minimale Entlastun- schäftigungsverhältnissen werden also Leiharbeitsver- gen, beispielsweise beim Arbeitnehmerpauschbetrag, hältnisse. Ich frage mich, wohin das führen soll. Frau kümmert. Connemann von der CDU/CSU, aber auch Herr Kolb von der FDP finden das natürlich in Ordnung; denn ihrer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Meinung nach gibt es in der Leiharbeit reguläre Beschäf- wie der Abg. Angelika Krüger-Leißner [SPD] – tigungsverhältnisse. Das stimmt aber nicht. Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Ihnen fällt auch nichts Neues mehr ein, oder?) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben das Arbeitgebermodell!) Ich hoffe nur, dass der Gesetzentwurf im Laufe des Ver- fahrens um den Mindestlohn ergänzt wird. Ich hoffe üb- Ich möchte einmal ausführen, was ich unter regulärer rigens auch, dass die Arbeitsbedingungen normiert wer- Arbeit verstehe und warum ich die Leiharbeit als prekär den; hier geht es auch um Arbeitszeiten. Das wäre bezeichne. wenigstens ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Da bin (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ich mal gespannt!) sowie bei Abgeordneten der SPD) Reguläre Beschäftigungsverhältnisse sind unbefristet. Es ist mir aber immer noch unverständlich, warum Die Beschäftigten werden entsprechend ihrer Qualifika- sich die FDP so hartnäckig gegen einen Mindestlohn ge- tion oder der Art ihrer Tätigkeit bezahlt, und zwar nach wehrt hat. Der Mindestlohn in der Leiharbeit ist mit dem gleichen Tarifsystem wie alle anderen auch. Im Blick auf die ab Mai gewährte Arbeitnehmerfreizügig- Kreis der Kolleginnen und Kollegen haben sie ein stabi- keit unerlässlich. les soziales Umfeld; man kennt sich, sie erhalten Aner- kennung und Wertschätzung. Vor allen Dingen gibt es (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es gibt ihn be- klare Rahmenbedingungen, das heißt, die Beschäftigten reits! 98 Prozent der Zeitarbeitsverhältnisse haben die Möglichkeit, ihr Leben wirklich zu planen. (B) haben einen tariflichen Mindestlohn!) (D) Jobs in der Leiharbeit sind aber in der Regel befristet, Darüber sind sich mittlerweile alle Branchenverbände und zwar nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, häu- inklusive BDA einig; nur die FDP hat es einfach nicht fig nur für die Dauer des Einsatzes, und können jederzeit kapiert. vorzeitig gekündigt werden. Wenn der Einsatz zu Ende (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben doch ist, bleibt nur noch der Gang in die Arbeitslosigkeit. Das zugestimmt!) nenne ich prekär. Leiharbeitskräfte verdienen 30 bis 50 Prozent weniger als regulär Beschäftigte, und zwar Mit dem Gesetzentwurf muss auch die EU-Leihar- unabhängig von ihrer Qualifikation. Von dem Lohn kön- beitsrichtlinie umgesetzt werden; die Bundesregierung nen sie nicht leben, und darüber hinaus werden sie noch ist verpflichtet, sie bis zum Ende des Jahres umzusetzen. wie Beschäftigte zweiter Klasse behandelt. Auch das be- Ich finde – das wird Sie kaum überraschen –, dass der zeichne ich als prekär. geforderte Gesamtschutz der Leiharbeitskräfte nicht ge- währleistet ist. Laut Richtlinie müssen die Leiharbeits- Leiharbeitskräfte werden im Betrieb häufig als Kon- kräfte zumindest die Arbeitsbedingungen von festange- kurrenz angesehen. Sie stehen unter einem deutlich hö- stellten Beschäftigten erhalten. Sie werden dieser heren Leistungsdruck; denn sie wollen regulär angestellt Vorgabe mit Ihrem Gesetzentwurf aber nicht im Ge- werden. Sie müssen sich immer wieder an neue Tätig- ringsten gerecht. keiten gewöhnen; die Umgebung wechselt und natürlich auch die Menschen, die sie um sich herum haben. Aner- Auch die hochgelobte sogenannte Schlecker-Klausel ist kennung, Wertschätzung – Fehlanzeige. Leiharbeits- nicht das Papier wert, auf dem sie steht. Es gibt genügend kräfte leben in Unsicherheit. Eine Lebens- und Familien- Möglichkeiten, diese Regelung zu umgehen. Beispiels- planung ist nicht möglich. Auch das bezeichne ich als weise können entlassene Beschäftigte sechs Monate lang prekär. geparkt und danach als Leiharbeitskräfte am gleichen Ar- beitsplatz eingesetzt werden; es können aber auch gleich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie andere Leiharbeitskräfte angefordert werden. Damit der Abg. Agnes Alpers [DIE LINKE]) bleibt vom Gesetzentwurf bis auf kleine Detailregelun- gen nicht mehr viel übrig. Die Substitution von Stamm- Alles zusammen zeigt eindrücklich, mit welchen Le- belegschaften ist weiterhin möglich; aber das wollten Sie bensbedingungen die Leiharbeitskräfte tagtäglich zu ja auch nicht verhindern. kämpfen haben. Hören Sie also endlich auf damit, immer wieder zu behaupten, die Leiharbeit sei eine reguläre (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und normale Beschäftigungsform. Die Realität sieht an- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10509

Beate Müller-Gemmeke (A) ders aus. Die Leiharbeit ist und bleibt unsicher und un- (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Die (C) fair. FDP auch nicht! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber aus anderen Gründen!) Ich frage die Regierungsfraktionen nochmals: Wo soll das hinführen? In manchen Industriebranchen ist die – Ich halte es für wichtig, Herr Kollege Heil, an dieser Leiharbeit und im Dienstleistungsbereich wird die Leih- Stelle darauf hinzuweisen, weil Sie den Herrn Staatssek- arbeit zur Normalität. Jede fünfte Bäckerei, jeder vierte retär Dr. Brauksiepe als Lügner bezeichnet haben. Mir Kfz-Betrieb und jedes siebte Bauunternehmen setzt auf liegt daran, dass es durch uns richtiggestellt wird. Leiharbeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Wo ha- In der Tat waren zwei Drittel der Menschen, die Zeit- ben Sie das her? Aus der DGB-Studie, die sich arbeitsverträge neu abgeschlossen haben, vorher arbeits- 100 Prozent verrechnet hat?) los. Im Gesundheitsbereich nimmt die Leiharbeit dramatisch (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE zu. In Banken, Versicherungen, Kitas, Schulen und sogar GRÜNEN]: Natürlich! Warum sollen sie denn in den Jobcentern werden Leiharbeitskräfte eingesetzt, sonst in die Zeitarbeit gehen?) wie ich vor kurzem gehört habe und was mich wirklich schockiert hat. Es geht schon lange nicht mehr um Flexi- Sie hatten keine Beschäftigung und sind über diesen bilität und um das Abfedern von Auftragsspitzen. Es Weg in Arbeit gekommen. geht darum, eine zweite Niedriglohnlinie einzuführen. (Anette Kramme [SPD]: Wie lange?) Es geht um Profit, und es geht um den Wettbewerb um die niedrigsten Löhne. Diese Tendenz wird mit dem vor- Das möchte ich an dieser Stelle konzedieren. gelegten Gesetzentwurf nicht gestoppt. Ein weiterer Punkt. Zahlreiche Menschen, die sonst Ich wiederhole: Sozial ist nicht, was Arbeit schafft, keine Chance hätten, weil sie geringqualifiziert sind, sondern sozial ist nur, was gute Arbeit schafft. kommen über den Weg der Leiharbeit in Beschäftigung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ und bei der SPD sowie der Abg. Agnes Alpers DIE GRÜNEN]: Das stimmt! Aber wie [DIE LINKE]) lange?) Eine verantwortliche Arbeitsmarktpolitik muss die Ar- Sie bleiben in einer Größenordnung von etwa 13 bis beits- und Lebensbedingungen der Menschen verbessern 15 Prozent im ersten Arbeitsmarkt, und dies über einen (B) und Zukunftschancen eröffnen. Um dem gerecht zu wer- längeren Zeitraum. Ich kann das beklagen und sagen: (D) den, müssen Sie Ihren Gesetzentwurf gewaltig überar- Das ist viel zu wenig, das ist alles vom Teufel. – Ich sage beiten. Ihnen: Die 15 Prozent, die anschließend im ersten Ar- beitsmarkt bleiben und einer Beschäftigung jenseits der Vielen Dank. Zeitarbeit nachgehen, sind froh, dass sie über diesen Weg in eine solche Situation gekommen sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jutta Krellmann [DIE (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jutta LINKE]) Krellmann [DIE LINKE]: So ein schlechtes Arbeitsmarktinstrument! So etwas gehört ab- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: geschafft!) Der Kollege Karl Schiewerling hat das Wort für die Ich möchte dies nicht kleinreden lassen. CDU/CSU-Fraktion. Mit Zeitarbeit wird flexibel auf die Anforderungen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) des Arbeitsmarktes reagiert. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Leider nicht Karl Schiewerling (CDU/CSU): nur!) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Ich gestehe gerne zu, dass nicht zuletzt durch die Rege- Kolleginnen und Kollegen! Die Zeitarbeit hat sich in der lungen, die wir heute haben, Entwicklungen eingetreten Tat von einem Arbeitsmarktinstrument zu einem Wirt- sind, die auch aus meiner Sicht nicht alle glücklich sind. schaftszweig entwickelt, in dem etwa 1 Million Men- Deswegen ist es notwendig, die Dinge zu verändern. Ich schen – Stand heute – beschäftigt sind. Das ist durch die sage Ihnen in aller Klarheit: Durch den seit der Neuregu- Regelungen der Hartz-Gesetze möglich geworden, ins- lierung durch die Hartz-Gesetze im Jahr 2005 verbreite- besondere durch die Regelung in Hartz I. Equal Pay ten Glauben, alles sei möglich und alles sei machbar in kann demnach unterlaufen werden, indem die Tarifpart- der Wirtschaft – auch bei den Zeitarbeitsfirmen –, hat ner in der Zeitarbeitsbranche von der Möglichkeit Ge- sich Missbrauch eingeschlichen, der zuletzt in der Situa- brauch machen, miteinander Tarifverträge abzuschlie- tion kulminierte, die wir bei einem großen Discounter ßen; denn dann gilt Equal Pay nicht. Das hat die erlebt haben. damalige rot-grüne Koalition alleine beschlossen. Das Gesetz war nicht mitbestimmungspflichtig durch den Genau in dieser Frage haben wir gehandelt. Wie ha- Bundesrat. Die Union hat dem nicht zugestimmt. ben wir gehandelt? Der Kollege Dr. Kolb und ich haben 10510 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Karl Schiewerling (A) Anfang letzten Jahres auf das Problem aufmerksam ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (C) macht. In dem Gesetzentwurf, den wir heute einbringen, sind (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) auch die Dinge enthalten, die Europa uns vorschreibt. Wir setzen die europäische Zeitarbeitsrichtlinie eins zu Wir haben den Tarifpartnern dann Zeit eingeräumt, das eins um. zu regeln. Die Tarifpartner haben es nicht zu unserer Zu- friedenheit geregelt. Deswegen machen wir jetzt ein Ge- Lassen Sie mich abschließend auf einen Punkt hin- setz, um den Drehtüreffekt zu unterbinden. weisen, der mir sehr wichtig ist: Keine Branche und kein Betrieb auf dieser Welt wird sich auf Dauer halten kön- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Genau so!) nen, wenn sie oder er keine gesellschaftliche Akzeptanz hat. Es wird im Interesse der Zeitarbeitsbranche liegen, Ich will überhaupt nicht in Abrede stellen, dass es ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Genau deswegen vielfältige Möglichkeiten gibt, Menschen über die Zeit- ist die Entscheidung im Vermittlungsausschuss richtig, arbeit in regulärer Beschäftigung zu beschäftigen. Es gibt aber vielfältige Erscheinungsformen der Zeitarbeit. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Diese Entscheidung gibt es nicht im Vermittlungsausschuss!) (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Es regnet, oder es regnet nicht!) dass die Zeitarbeitsbranche jetzt Zeit hat, gemeinsam mit den Gewerkschaften nach einem Weg zu suchen, wie In der Stahlbranche haben wir etwa einen Tarifvertrag, Equal Pay sichergestellt werden kann. Schaffen sie das der Equal Pay für Zeitarbeiter vom ersten Tag an vor- nicht, dann wird es – wie jetzt in dem Fall des großen sieht. Diese Entwicklung begrüßen wir alle miteinander. Discounters – nach einem Jahr zu einer Regelung durch Das ist eine richtige und gute Entscheidung. die Bundesregierung kommen. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wieder ein GRÜNEN]: Aber das ist doch nicht der Job Jahr!) der Gewerkschaften!) Ich halte das unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten Es gehört allerdings auch zur Wahrheit, dass die Zeitar- für den richtigen Weg. Glauben Sie mir: Die Tarifhoheit beitnehmer, die unter diesem Tarifvertrag offiziell bei und die Verantwortung der Gewerkschaften sind uns Equal Pay anfangen, zunächst in abgesenkten Stufen an- sehr wichtig. Im Übrigen – fangen und am Anfang keineswegs dasselbe Gehalt wie ihre Kollegen bekommen, weil die Einarbeitungszeit zu- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: gestanden werden muss. (B) Herr Kollege Schiewerling, im Übrigen – – (D) (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das ist normal so! – Beate Müller-Gemmeke [BÜND- Karl Schiewerling (CDU/CSU): NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine ganz nor- – dann komme ich zum Ende, Frau Präsidentin – male Sache!) Mir ist es sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass es un- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: terschiedlichste Formen und unterschiedlichste Entwick- Nicht „dann“. Jetzt. lungen gibt. Dort allerdings, wo die Zeitarbeit systema- tisch zur Lohndrückerei genutzt wird, wollen wir Karl Schiewerling (CDU/CSU): einschreiten. Das ist richtig. – könnte ich etwas hinterfotzig darauf hinweisen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dass wir heute schon Equal Pay vom ersten Tag an haben könnten, wenn die Gewerkschaften darauf verzichten Wir machen dies mit dem heute in erster Lesung ein- würden, Tarifverträge mit der Zeitarbeitsbranche abzu- gebrachten Gesetzentwurf. Bis zur zweiten und dritten schließen. Hätten wir dort keine Tarifverträge, würde Lesung werden wir das, was im Vermittlungsausschuss- Equal Pay vom ersten Tag an gelten. verfahren geklärt worden ist, einbringen, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann wird auch Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Heil zustimmen! Und auch Frau Kramme Herr Schiewerling! wird zustimmen!) sodass wir zumindest auf diesem Weg erreichen, dass es Karl Schiewerling (CDU/CSU): eine Lohnuntergrenze gibt, die im Arbeitnehmerüberlas- Ich weiß, wie schwierig das Ganze ist. Ich denke, dass sungsgesetz mit den Instrumentarien des Entsendegeset- wir in den weiteren Beratungen alles tun werden, um den zes so geregelt wird, dass sie nicht mehr unterlaufen Menschen eine gute Perspektive zu geben. werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich halte diese Dinge, die wir jetzt auf den Weg brin- gen, für einen wichtigen Fortschritt, für eine gute Ent- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: wicklung und für eine gute Botschaft an die Arbeitneh- Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem merinnen und Arbeitnehmer. Kollegen Hubertus Heil. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10511

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Vor allen Dingen wissen wir, dass Leiharbeitsfirmen (C) Frau Präsidentin, ich habe um das Wort gebeten, weil immer häufiger als Hilfsmittel dienen, tarifvertragliche Herr Schiewerling mich aufgrund eines Zwischenrufes, Strukturen in Stammbetrieben zu unterlaufen. Das macht den ich vorhin gemacht habe, angesprochen hat. Ich vielen Menschen in dieser Republik Angst. Das geht möchte die Gelegenheit nutzen, ein Wort des Bedauerns weit über das Phänomen hinaus, dass wir circa 1 Million auszusprechen, und mich bei dem Herrn Staatssekretär Leiharbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland entschuldigen. Ich habe mich in einem Streit in der Sa- haben. che dazu hinreißen lassen, das Wort „Lügner“ in den Wir müssen von dem Ammenmärchen abrücken, das Mund zu nehmen. Das gehört sich in einer inhaltlichen Herr Schiewerling am heutigen Tag hier wieder verbrei- Debatte nicht; in anderen Zusammenhängen muss man tet hat: Es gibt keine positiven Arbeitsmarkteffekte der auch das aussprechen können. Ich habe mich dazu hin- Leiharbeitspolitik. reißen lassen, weil ich den Eindruck hatte, dass Sie mit Ihrem Hinweis auf das Stimmverhalten der CDU/CSU, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Oh doch!) der damaligen Oppositionsfraktion, beim Thema Hartz I Es gibt keine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt, insinuieren wollten, dass die CDU/CSU damals gegen die Liberalisierung von Leiharbeit war. Das ist mir so (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Oh doch!) nicht in Erinnerung. Deshalb nehme ich den Begriff zu- sondern im Regelfall kommt nach drei Monaten das rück, die Gesamtdarstellung kritisiere ich aber nach wie Ende des Arbeitsverhältnisses. Das ist keine Brücke, vor. Ich bitte Sie um Entschuldigung. sondern allenfalls ein Steg, möglicherweise auch nur ein (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Strohhalm. bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- Der Handlungsbedarf ist unübersehbar. Auch der NISSES 90/DIE GRÜNEN) Handlungsdruck kann nicht übersehen werden. Ich sage, dass wir als SPD durchaus in einer besonderen Verant- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: wortung sind. Wir haben geholfen, die Büchse der Pan- dora zu öffnen. Anette Kramme hat das Wort für die SPD-Fraktion. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nicht „gehol- (Beifall bei der SPD) fen“! Es war Ihre Büchse!) Wir wollen aber auch dazu da sein, diese Büchse der Anette Kramme (SPD): Pandora wieder zu schließen und zu regulären Bedin- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und gungen zu kommen. (B) Kollegen! Im Prinzip wissen wir alle in diesem Haus (D) ganz genau, dass die Leiharbeit in der jetzigen Ausge- Meine Damen und Herren von der FDP einerseits und staltung ein Irrweg der deutschen Arbeitsmarktpolitik von der CDU/CSU andererseits, wir haben in den letzten ist. Wochen hart über die Leiharbeit verhandelt. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das stimmt!) (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Ich kann Ihnen sagen, wie ich das beurteile: Ihr Verhal- Leiharbeit hat häufig niedrigste Löhne gezahlt, ten in den Verhandlungen war schamlos und von Igno- 3,60 Euro sind ein Beispiel aus meinem Wahlkreis. ranz gekennzeichnet. Manchmal sind es 4,00 Euro, manchmal 4,50 Euro. Sehr häufig sind es Löhne in der Kategorie von 7,00 Euro (Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb bzw. 7,50 Euro. Wir wissen auch: Die Arbeitsverhält- [FDP]: Na, Frau Kramme! Dafür müssen Sie nisse sind von kürzester Dauer. 55 bis 60 Prozent aller sich aber auch entschuldigen!) Arbeitnehmer sind kürzer als drei Monate beschäftigt. Wir haben einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn Wir wissen um die härteren physischen Arbeitsbedin- gefordert. Sie haben klipp und klar gesagt, den wollen gungen. Wir wissen um den schlechteren Gesundheits- Sie nicht. schutz. Vor allen Dingen haben wir durch eine neue Untersuchung gelernt, dass eine systematische Ausgren- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So etwas kann zung von Leiharbeitnehmern in den Betrieben stattfin- man auch nur ablehnen!) det. Das hat selbstverständlich seine psychischen Aus- In dieser Republik verdienen 23 Prozent aller Arbeitneh- wirkungen. mer weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Über die Jobcenter geben wir immerhin 500 Millio- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Oft auf der Basis nen Euro für Aufstockungsleistungen aus. Das ist ein von Tarifverträgen! – Hubertus Heil [Peine] Skandal, weil wir damit die Dumpingpolitik der Leih- [SPD]: Sogar ohne Tarifverträge, Herr Kolb! – arbeitsunternehmen finanzieren. Selbstverständlich un- Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich habe gesagt: terstützen wir die Leiharbeitnehmer damit, aber wir ge- oft!) statten es dadurch einer Branche auch, mit Löhnen zu arbeiten, die unter regulären Bedingungen nicht möglich Fast ein Viertel aller Arbeitnehmer arbeitet unter wären. schlechtesten Arbeitsbedingungen. Wir mussten dieses Nein, dieses No-Go hinnehmen, aber wir haben gesagt, (Beifall bei der SPD) dass wir zumindest etwas für den Bereich der Leiharbeit 10512 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Anette Kramme (A) tun müssen. Wir haben deshalb einen Mindestlohn für (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Warten Sie (C) die verleihfreie Zeit und Equal Pay für Verleihzeiten ge- doch die Ausschussanhörung ab! Das hier ist fordert. Sie haben uns dann ein Angebot unterbreitet. die erste Lesung!) Dieses Angebot war von Lächerlichkeit gekennzeichnet. Sie haben Leiharbeit zu Equal-Pay-Bedingungen nach Anette Kramme (SPD): neun Monaten angeboten. Wir werden dem Gesamtpaket zustimmen, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Eine Auffanglinie, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Gut!) und im Vorfeld gibt es Vereinbarungen!) und zwar deshalb, weil wir Mindestlöhne für die Leih- Dabei wissen wir alle: Leiharbeitnehmer sind überwie- arbeit, einen Mindestlohn für das Bewachungsgewerbe gend nur zu drei Monaten in den Betrieben. Was soll die- und einen Mindestlohn für die Weiterbildungsbranche ses Angebot? Hilfreich war es sicherlich nicht. haben werden, weil wir erreicht haben, dass es Schul- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dass Sie das nicht sozialpädagogen gibt etc. Wir wollen den Menschen verstanden haben, haben wir gemerkt!) diese positiven Leistungen nicht vorenthalten, aber Sie wissen: Von dem Weg, den wir gehen müssen, gehen Sie Sie haben sich zunächst nicht einmal auf einen Min- mit uns gemeinsam nur ein kurzes Stück. Das ist zu we- destlohn einlassen wollen. Sie haben die feine Differen- nig. zierung getroffen, dass ein Mindestlohn nur für verleih- freie Zeiten gelten soll. Im Übrigen haben Sie von einem (Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb sogenannten Referenzlohn gesprochen, der auch hätte [FDP]: Aber Sie stimmen zu! Das ist gut!) unterschritten werden dürfen. Gott sei Dank haben wir das verhindern können. Dieser Mindestlohn ist jetzt vor- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen glei- gesehen. Das ist mit Sicherheit ein erster Schritt in die ches Geld für gleiche Arbeit, sonst zerstört Leiharbeit richtige Richtung. weitere Normalarbeitsverhältnisse. Es darf keine Ver- träge von Fall zu Fall mehr geben. Leider müssen wir Ihr Arbeitnehmerüberlassungsgesetz enthält einen immer wieder beobachten, dass Verleiher Leiharbeitneh- weiteren wichtigen Schritt, allerdings ist das nur ein mer nur für kurze Zeiträume beschäftigen. Wenn der ganz kleiner Schritt. Entleiher den Leiharbeiter nicht mehr braucht, geht da- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Werden Sie denn mit gleichzeitig die Kündigung einher. Deshalb sollte es trotzdem zustimmen, Frau Kramme? – Huber- keine Verträge von Fall zu Fall mehr geben. Wir sind tus Heil [Peine] [SPD]: Wir haben doch noch auch der Auffassung, dass ein Leiharbeitnehmer, wenn Ausschusssitzungen!) er für die Dauer eines Jahres beschäftigt war, das Recht (B) haben soll, in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen (D) Sie schließen Fallkonstellationen wie bei Schlecker aus, zu werden. aber im Prinzip wissen wir alle in diesem Haus, dass wir ein weiteres Aufwachsen des Niedriglohnsegments nicht (Beifall bei Abgeordneten der SPD) zulassen dürfen. Sie bleiben Ihrem Weg jedoch treu und Wir sagen ganz klar: ein Platz, ein Jahr. Es geht auch da- betreiben Subventionspolitik zugunsten der Unterneh- rum, die Rechte des Betriebsrates zu stärken. Wir wollen men und Arbeitsrechtspolitik gegen Leiharbeitnehmer ein echtes Mitbestimmungsrecht nach § 87 des Betriebs- und Leiharbeitnehmerinnen. verfassungsgesetzes. Betriebsräte sollen mit darüber ent- (Beifall bei der SPD) scheiden können, ob es Leiharbeitnehmer in ihrem Be- trieb gibt, wie lange sie beschäftigt werden und in welchen Bereichen sie eingesetzt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin, Herr Kolb würde Ihnen gerne eine Wenn wir alle in diesem Hause ehrlich miteinander Zwischenfrage stellen. umgehen, können Sie im Prinzip nichts anderes machen, als dieser Vorlage zuzustimmen. Dazu fordere ich Sie an Anette Kramme (SPD): dieser Stelle auf. Aber sicher, ja. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE Johannes Vogel hat das Wort für die FDP-Fraktion. GRÜNEN]: Er hat doch schon genügend gere- det heute!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Frau Kramme, nachdem Ihnen das alles nicht gefällt, Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): möchte ich nur gern wissen: Werden Sie am Ende zu- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! stimmen, wenn wir jetzt im AÜG das umsetzen, was wir Die Opposition ist dafür da, die Regierung zu kritisieren. gemeinsam besprochen haben, oder werden Sie es ableh- Nur, wenn ich mir das Verhalten von Ihnen, liebe Kolle- nen? ginnen und Kollegen von der SPD, in den letzten Mona- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10513

Johannes Vogel (Lüdenscheid) (A) ten und auch heute wieder anschaue, habe ich das Ge- (Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ (C) fühl, Sie kritisieren sich selbst. DIE GRÜNEN]: Was ist der unechte?) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja! Allerdings!) Wegen der angeblichen Bedrohung durch Dum- pinglöhne von ausländischen Leiharbeitern gibt es da Rente mit 67? Das war jemand anderes; das wollen wir jetzt einen Mindestlohn. Den haben wir gemeinsam ver- nicht mehr. Leiharbeit? Die kennen wir nicht. Was haben einbart, wir da gemacht? (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Gegen euren (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE Widerstand!) GRÜNEN]: Kann man nicht auch einfach mal etwas lernen, etwas beobachten und Fehler weil wir natürlich nicht wollen, dass das Lohnniveau in einsehen?) Deutschland dort unterschritten wird. Herr Heil, ich är- gere mich wirklich darüber, wie Sie das darstellen, dass Sie kritisieren sich selbst. Der Unterschied zwischen uns Sie hier einen Pseudounterschied aufmachen und sagen, und Ihnen ist, dass wir das, was Sie richtigerweise einge- wir hätten einen echten Mindestlohn verhindern wollen; führt haben, erhalten wollen und gemeinsam schauen auch über die Zwischenfrage Ihres Parteivorsitzenden wollen: Wie können wir Missbrauch wirklich verhin- habe ich mich eben gewundert. dern? (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ihr wolltet nicht (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten mal den Begriff!) der CDU/CSU – Maria Anna Klein-Schmeink – Herr Heil, wir zwei saßen in der Unterarbeitsgruppe. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum tun Sie denn dann gar nichts?) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Placebo!) Nur, Sie kommen mir vor wie jemand, der, wenn Schim- Sie wissen doch ganz genau, über welches Detail wir mel in der Garage ist, das ganze Haus abreißen will. Das diskutiert haben. macht keinen Sinn. Man muss die wirklichen Probleme (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja! – lösen und darf nicht das Gute kaputtmachen. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da gab es sogar (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE eine Verständigung! Die wurde hinterher aber GRÜNEN]: Welche Probleme lösen Sie denn? – wieder infrage gestellt!) Zuruf von der SPD: Gehen Sie doch mal einen Wenn hier, wie eben, aus internen Runden zitiert Tag arbeiten!) wird, mache ich es auch. Wir haben die Frage gestellt, ob (B) Zwei Worte dazu. Erst einmal, weil das hier gerade es denn sinnvoll sein kann, wenn wir Equal Pay stärken (D) wieder falsch dargestellt wurde, zur Frage: Was ist gut wollen, dass jemand in den ersten Monaten als Zeitarbei- an der Zeitarbeit? Die Zeitarbeit ist für Flexibilität da, ja. ter, wenn er einmal lange in einem Unternehmen ist, Aber sie ist auch ein Jobmotor. Sie hilft Menschen aus mehr verdient und dann ab der Grenze, ab der Equal Pay der Arbeitslosigkeit einsetzt – sagen wir einmal, es wäre nach neun Monaten; was auch immer die Tarifpartner da vereinbaren –, auf (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE einen niedrigeren Lohn zurückfällt. Wir haben gesagt: GRÜNEN]: Sie baut Arbeit um! – Jutta Krell- Das ist doch absurd. – Herr Heil, Sie wissen genau: Sie mann [DIE LINKE]: Ach! Durch Wiederho- haben zugestimmt. lung wird es nicht wahrer! Es bleibt falsch!) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!) – zwei Drittel der Zeitarbeiter kommen aus der Arbeits- Auch Sie haben gesagt, dass das absurd ist und dass es losigkeit – und gibt ihnen einen Einstieg in den ersten das nicht sein kann. Da ist es unredlich, uns hier zu un- Arbeitsmarkt. Eben wurde gesagt, das sei nicht dauer- terstellen, wir hätten nur einen Pseudomindestlohn ange- haft. Da kann ich nur auf das IAB verweisen. Das IAB boten. hat letztes Jahr festgestellt, dass drei Viertel der Lang- zeitarbeitslosen durch die Zeitarbeit dauerhaft in den Ar- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ist egal! Wir beitsmarkt integriert werden. haben uns durchgesetzt! Das reicht uns schon!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke Sie wissen genau, dass wir eine sachgerechte Lösung [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Leih- wollen und hier niemand den Mindestlohn mit Blick auf arbeit! Aber nicht auf dem regulären Arbeits- das Ausland infrage gestellt hat, liebe Kolleginnen und markt!) Kollegen. So sieht es aus. Das wollen wir nicht wegschmeißen. Sie machen sich (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten daran schuldig, liebe Kolleginnen und Kollegen von der der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Opposition. Wie gut, dass wir uns durchgesetzt haben! Ihr habt verloren, wir haben gewonnen, die Leute (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Schuldig sind haben etwas davon! Alles in Ordnung!) die sowieso!) – Wir haben alle gewonnen, wenn die Leute etwas davon Jetzt schauen wir einmal auf den echten Missbrauch. haben. 10514 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Johannes Vogel (Lüdenscheid) (A) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, eben!) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Guido!) (C) Darum geht es nämlich in der Politik. Da geht es nicht ist, die Brücke, die die Zeitarbeit in den Arbeitsmarkt darum, wer gewonnen hat, sondern darum, dass wir eine bildet, gute Lösung für die Menschen finden. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Das stimmt (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hu- einfach nicht!) bertus Heil [Peine] [SPD]: Die Leute haben gewonnen! Das habe ich ja gesagt! Gegen mit einem Geländer zu versehen, damit weniger Men- euch!) schen straucheln. Sie wollen sie abreißen. Das Problem Mindestlohn haben wir also gelöst. Wir (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ach was!) haben Ihrer Lösung letztlich zugestimmt, weil wir gesagt Da machen wir nicht mit. Insofern freue ich mich, dass haben: Da geht es nur um wenige Fälle; daran kann es wir doch noch eine Lösung gefunden haben, der auch nicht scheitern. Deswegen finden wir eine gemeinsame Sie zustimmen werden. Lösung. (Caren Marks [SPD]: Im Gegensatz zu Ihnen Auch beim Equal Pay werden wir eine gute Lösung geht es uns ja um die Menschen, die davon be- finden. troffen sind!) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die haben wir Auch bei Equal Pay werden wir über die Tarifvertrags- schon gefunden!) parteien eine gute Lösung finden. Das ist die beste Lö- – Ja. – Wir werden das an die Tarifvertragsparteien über- sung für die Menschen in diesem Land und auf dem Ar- geben. Wir haben gesagt: Wir können uns nicht auf eine beitsmarkt. vernünftige Lösung einigen. Denn wenn der Gesetzge- ber eine Frist festlegt, dann ist das wie ein grober Keil. Vielen Dank. Die passt nicht auf alle Probleme für alle Menschen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hu- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da wollten Sie bertus Heil [Peine] [SPD]: FDP und soziale neun Monate! – Gegenruf des Abg. Gerechtigkeit, wir lachen uns tot!) Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja! Als Auffang- frist!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir haben uns einmal die Praxis angeschaut. Ich nenne Ulrich Lange hat das Wort für die CDU/CSU-Frak- tion. (B) Ihnen ein Beispiel: Im Unternehmen START Zeitarbeit (D) NRW sitzt die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ihre Landesregierung, mit im Aufsichtsrat. Die haben eine sehr differenzierte Lösung für Equal Pay gefunden. Da wird schrittweise an Equal Pay angeglichen. Da wird Ulrich Lange (CDU/CSU): unterschieden zwischen ungelernten und qualifizierten Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- Arbeitskräften. Das sind sachgerechte Lösungen, die den gen! Ziemlich genau vor einem Jahr haben wir an glei- Menschen wirklich helfen. Solche Lösungen können nur cher Stelle die Causa Schlecker diskutiert. Wir alle wa- die Tarifvertragsparteien finden. Deshalb haben wir ge- ren uns einig, dass wir die Wiederholung eines solchen sagt: Wir wollen Equal Pay. Aber wir wollen eine kluge Falles nicht erleben wollen. Lösung, die die Zeitarbeit nicht kaputtmacht. Das ist bei Wir haben seither aus der Branche positive Signale den Arbeitgebern und Gewerkschaften richtig aufgeho- bekommen. Die Tarifvertragsparteien haben gehandelt. ben. Genauso werden wir es deshalb jetzt auch machen, Aber unsere Ministerin hat schon damals deutlich ge- liebe Kolleginnen und Kollegen. sagt: Wenn es nicht zu einer wirklich befriedigenden Lö- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten sung kommt, dann werden wir gesetzgeberisch handeln. – der CDU/CSU) Heute liegt dieser Gesetzentwurf in erster Lesung vor. Herr Heil, als mein letzter Satz: Sie haben eben auf (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wo ist die von Olaf Scholz verwiesen. Sie haben gesagt – ich habe es der Leyen eigentlich?) mir aufgeschrieben –, die SPD habe in Hamburg Erfolg Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine Lö- gehabt, weil sie wirtschaftlichen Erfolg und soziale Ge- sung in Sachen Drehtüreffekt gefunden, die, glaube ich, rechtigkeit zusammenbringen will. Wissen Sie, was? Ich aus dem Rechtsgedanken der „Zuvor-Arbeitsverhält- glaube, Sie haben recht. Das war der Erfolg von Olaf Sc- nisse“ heraus diese Missbrauchsmöglichkeit sehr wohl holz. Das Problem ist, dass Sie diesem Anspruch hier im schließen wird. – Ich sehe schon Ihr Kopfschütteln, aber Deutschen Bundestag nicht genügen. wir werden ja sehen. Ich glaube schon, dass wir auf dem (Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP] – richtigen Weg sind. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Oh! Mister 6 Prozent sagt das!) Wir haben aber auch feststellen können, dass die An- kündigung eines Gesetzentwurfes bei den Tarifvertrags- Was wir jetzt mit dieser Lösung machen – ich freue parteien eine enorme – ich sage es ausdrücklich so – mich, dass Sie ihr zustimmen –, pädagogische Wirkung hatte. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10515

Ulrich Lange (A) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das stimmt! Das (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ein Blick in (C) müssen Sie doch anerkennen, Herr Heil!) die Geschäftsordnung erleichtert manchmal das Verständnis!) Denn daraufhin wurde gehandelt. Ich glaube, die ganze Branche hat gemerkt, dass es ohne gesellschaftliche Ak- Herr Kollege, ich mache es ganz fix, damit wir nicht zeptanz nicht möglich ist, Zeitarbeit zu halten. so lange brauchen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wir wollten den Weg über das Arbeitnehmer-Entsen- der FDP – Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Sie degesetz gehen, der zur Erstreckung von tarifvertragli- überschätzen sich dermaßen! – Hubertus Heil chen Mindestlöhnen eingeübt ist. Ihre Seite wollte den [Peine] [SPD]: Sind Sie Gesetzgeber oder Weg über das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, sodass Lehrer?) ein Tarifvertrag jetzt nicht klassisch nur erstreckt und zur Grundlage genommen wird, sondern es wird im AÜG – Jurist. Dazu werde ich Ihnen auch gleich noch etwas gesetzlich eine verbindliche Lohnuntergrenze – sprich: erklären, Herr Heil. ein Mindestlohn – verankert. Deshalb ist es aus unserer (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mit oder ohne Sicht ein branchenspezifischer, aber gesetzlicher Min- Doktor? – Heiterkeit bei der SPD) destlohn für die Leih- und Zeitarbeitsbranche. Das kön- nen Sie nicht bestreiten. Wenn wir den Weg über das – Ohne. Aber Fachanwalt für Arbeitsrecht. Und zu Ihrer Entsendegesetz gegangen wären, dann wäre es ein Bran- etwas missverständlichen Auslegung werde ich Ihnen chentarifvertrag gewesen, den wir für allgemeinverbind- gleich noch etwas sagen. lich erklären. Aber das Rechtsinstrumentarium AÜG Wir setzen mit diesem Gesetzentwurf gleichzeitig sieht das bisher noch nicht so vor. Nur zur Aufklärung, eine EU-Richtlinie um. Anders als Rot-Grün bei einigen okay? Richtlinien schießen wir dabei nicht über das Ziel hin- aus. Auch darüber haben wir in diesem Haus schon ein- Ulrich Lange (CDU/CSU): mal diskutiert. Okay. – Ich darf auch gleich darauf antworten: Das (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Sagen Sie Wort „branchenspezifisch“ haben Sie vorhin in Ihren doch mal, was Sie besser machen!) Ausführungen, wenn ich richtig aufgepasst habe, nicht verwendet. Sie hatten ganz allgemein vom gesetzlichen In einem zweiten Schritt – da wird die SPD ja mit ins Mindestlohn gesprochen. Boot kommen; so habe ich das jetzt auch verstanden – werden wir eine Lohnuntergrenze für die Zeitarbeit im (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber nicht vom allgemeinen!) (B) Arbeitnehmerüberlassungsgesetz einführen, und zwar auf (D) Antrag der Tarifvertragsparteien. Wir kommen wahrscheinlich am Ende des Tages, wenn (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das war unser wir alle zustimmen, in der juristischen Auslegung zu- Vo r s c h l a g ! ) sammen. – Herr Heil, wenn ich es richtig verstanden habe, dann Frau Kollegin Kramme, Sie haben gesagt, bei Ihnen haben Sie vorhin von einem „gesetzlichen Mindestlohn“ im Wahlkreis – ich habe nachgeschaut, Sie kommen über gesprochen. So habe ich es verstanden. die Landesliste in Bayern – würde es Zeitarbeit für 3,50 Euro die Stunde geben. Das kann ich nicht nach- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Kann ich dazu vollziehen; das kann nur im Zusammenhang mit Tarif- gleich etwas sagen?) bruch möglich sein. –Ja, bitte. (Anette Kramme [SPD]: Fragen Sie bei der iGZ nach!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Aber die richtige Antwort müssen die Tarifparteien ge- Herr Heil, Sie möchten eine Zwischenfrage stellen? – ben. Denn auch der 1. Mai – das ist klar – kann eines Und Sie möchten sie gerne zulassen, Herr Lange? – Bitte nicht: das Wertesystem tarifautonomer Regelungen au- schön. ßer Kraft setzen. Darauf möchte ich ganz besonders hin- weisen. Ulrich Lange (CDU/CSU): Unsere Aufgabe ist es, grenzenlose Lohnunterbietung Ich lasse sie zu und freue mich auf die Beantwortung. in einem am Ende grenzenlosen Europa zu verhindern. Das und nicht die Einführung von staatlichen Mindest- Hubertus Heil (Peine) (SPD): löhnen ist die Aufgabe, die wir hier als Gesetzgeber zu Herr Kollege, weil Sie Fachanwalt für Arbeitsrecht leisten haben. sind, will ich Ihnen das gerne erläutern. Sie werden das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dann auch so sehen. Am Ende des Tages muss es auch wieder über den (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Frage!) Weg der Tarifparteien nach einer mehrmonatigen – ich – Man muss übrigens nicht unbedingt eine Zwischen- unterstreiche: mehrmonatigen – Einarbeitungszeit glei- frage stellen, Herr Kollege, man kann auch eine Zwi- chen Lohn für gleiche Arbeit im – jetzt auch wieder – schenbemerkung machen. gleichen Land geben. 10516 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Ulrich Lange (A) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wie viele Regelung finden; denn eines muss bitte klar sein: Es (C) Monate?) geht hier nicht um eine Schonfrist für die Branche, – Ich habe „nach einer mehrmonatigen“ gesagt. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nein!) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wie viel ist sondern es geht ganz klar um eine Handlungsfrist für die „mehrmonatigen“? Können Sie das beantwor- Tarifvertragsparteien. Das möchte ich an dieser Stelle ten? Drei, vier, fünf?) ganz deutlich unterstreichen. – Sechs, sieben, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aha!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Idee der seriö- sen Zeitarbeit acht, neun, zehn, elf, zwölf, dreizehn. Ich kann weiter zählen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wird von Ihnen kaputtgemacht!) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: 12 Monate, 14 Monate?) ist weiterhin richtig. Herr Kollege Heil, das haben Sie damals in rot-grüner Koalition beschlossen, und in dem AÜG-Bericht, der auch noch unter Olaf Scholz, der Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: heute ja schon mehrfach lobend erwähnt worden ist, er- Möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Krell- stellt wurde, wird dies unterstrichen. mann zulassen? Sie haben sich – das halten wir Ihnen zugute – der Verantwortung gestellt. Wir korrigieren heute in erster Ulrich Lange (CDU/CSU): Lesung die von Rot-Grün verantwortete schrankenlose Nur, wenn dieses Mal die Uhr richtig angehalten Zeitarbeit und geben der Zeitarbeit gemeinsam mit Ihnen wird. Bitte mir nicht auch noch meine Zeit nehmen. ein neues Gesicht.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die ist auch vorhin angehalten worden, solange Sie Herr Kollege. geantwortet haben. – Frau Krellmann, bitte. Ulrich Lange (CDU/CSU): Jutta Krellmann (DIE LINKE): Wir bieten den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- Vielen Dank, dass Sie meine Frage zulassen. – Wir (B) mern mit der Brücke Zeitarbeit eine arbeitsmarktpoli- (D) sind uns einig, dass wir über einfache Arbeit reden, tisch faire Chance. oder? Herzlichen Dank. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nicht nur!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In erster Linie reden wir aber über einfache Arbeit. Was glauben Sie, wie lange man braucht, um sich in Dinge Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: einzuarbeiten? Wissen Sie, dass in so gut wie jedem Ta- Gitta Connemann hat das Wort für die CDU/CSU- rifvertrag schon heute Regelungen über die Einarbei- Fraktion. tungszeit enthalten sind? Warum wollen Sie dann noch eine zusätzliche Regelung haben? Die Tarifvertragspar- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und teien haben das doch schon vereinbart, oder? der FDP)

Ulrich Lange (CDU/CSU): Gitta Connemann (CDU/CSU): Frau Kollegin Krellmann, damit geben Sie mir ja ge- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute radezu die Antwort. Wir überlassen es den Tarifvertrags- geht es einmal mehr um die Frage: Was ist gute Arbeit? parteien, weil sie wissen, wie lange man braucht, um Am besten kann dies sicherlich Frank-Jürgen Weise be- sich einzuarbeiten. urteilen. Er ist bekanntlich Chef der Bundesagentur für Arbeit und der Arbeitsmarktexperte in Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Seine Kompetenz ist über Parteigrenzen hinweg aner- Ich bedanke mich ganz herzlich dafür, dass Sie das, was kannt; denn Sie, meine Damen und Herren von Rot- ich gerade eben gesagt habe, jetzt bestätigt haben. Grün, haben ihn 2004 in sein Amt berufen. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dann muss es GRÜNEN]: Sie haben doch „mehrmonatigen“ ja gut sein!) gesagt!) Herr Weise wurde nun befragt, ob er den Rekordstand Eines möchte ich in diesem Zusammenhang aber bei der Zeitarbeit für eine gute Sache halte. Seine Ant- auch noch einmal ganz klar sagen: Wenn die Tarifver- wort lautete: Ja, zu arbeiten sei immer besser, als nicht zu arbeiten. tragsparteien zu keinem Ergebnis kommen, dann schwingen wir schon noch einmal die pädagogische (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Keule und dann werden wir auch hier eine gesetzliche der FDP) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10517

Gitta Connemann (A) Er wurde auch gefragt, ob die Arbeit eine Brücke in den In dieser Welt steht Zeitarbeit für Lohndumping. Ihr (C) regulären Arbeitsmarkt sei. Seine Antwort lautete wie- vermeintlicher Beleg auch ganz aktuell in den letzten Ta- der: Ja, die Zeitarbeit sei ein Sprungbrett in einen festen gen war ein fünfseitiger Newsletter des DGB. Danach ist Job. Das Wort von Herrn Weise hat Gewicht – eigent- das durchschnittliche Lohnniveau in der Zeitarbeitsbran- lich; es sei denn, es passt gerade nicht in Ihr Konzept. che niedriger als in der Gesamtwirtschaft. Welche Er- (Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE]) kenntnis! Meine Damen und Herren von der SPD, wenn wir Ih- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ein Drittel!) rem Antrag folgen würden, dann wäre dies das Aus für In der Zeitarbeit haben überdurchschnittlich viele Un- die Zeitarbeit in Deutschland. gelernte bzw. Hilfsarbeiter einen neuen Job gefunden. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Immer mehr Es wäre auch das Ende für den Turbo am Arbeitsmarkt. Qualifizierte!) Denn jede dritte neue Stelle am Arbeitsmarkt kommt aus Es braucht keine Weisheit, um zu wissen, dass Hilfsar- der Zeitarbeit. beiter nun einmal weniger Geld verdienen als ein Fach- (Maria Anna Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/ arbeiter. DIE GRÜNEN]: Das ist ja gerade die Kata- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Alles Hilfs- strophe!) arbeiter? Das ist doch Quatsch!) Das hat damit zu tun, dass Flexibilität am Arbeitsmarkt erforderlich ist, die nicht grundsätzlich gewährt wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Deshalb ist Zeitarbeit gefragt. Frau Kollegin Connemann, würden Sie eine Zwi- Es wäre aber vor allem ein besonders schwerer schenfrage der Kollegin Müller-Gemmeke zulassen? Schlag für die Schwächsten am Arbeitsmarkt. Denn die Zeitarbeit gibt gerade denen eine Chance, die vorher Gitta Connemann (CDU/CSU): keine hatten: Geringqualifizierte, Menschen ohne Schul- Ja, sehr gerne. bildung oder ohne Ausbildung. (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Beate Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bitte schön. NEN]: 60 Prozent haben eine Berufsausbil- dung!) Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (B) 100 000 ehemalige Hartz-IV-Empfänger haben so al- NEN): (D) lein im letzten Jahr Arbeit gefunden. Zwei Drittel der Kollegin Connemann, ich habe eine Nachfrage. Sie neu eingestellten Zeitarbeiter waren vorher arbeitslos reden die ganze Zeit davon, dass die Leiharbeitskräfte oder noch nie beschäftigt. Sie haben jetzt Arbeit, und unqualifiziert sind, zum Teil nie gearbeitet haben und zwar, Frau Müller-Gemmeke, reguläre Arbeit. endlich eine Chance brauchen. Nehmen Sie zur Kennt- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE nis, dass über 60 Prozent der Leiharbeitskräfte eine ab- GRÜNEN]: Nein, sie haben prekäre Arbeit!) geschlossene Berufsausbildung haben? Ich bitte Sie insoweit, einen Blick ins Gesetz zu wa- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- gen. Denn wenn Sie statt irgendwelcher Unterlagen nur SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LIN- ein einziges Mal das Gesetz lesen würden, dann würden KEN) Sie feststellen, dass jeder Zeitarbeitnehmer Anspruch Ich finde es schlimm, dass man bei 1 Million Men- auf Urlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz, nach Ent- schen, die in der Leiharbeit arbeiten müssen, weil es zur- geltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Entgeltfort- zeit keine anderen Jobs mehr gibt, so tut, als wenn sie zahlungsgesetz und übrigens auch auf einen Tariflohn alle Probleme, Hemmnisse und keine Qualifikation ha- hat. Denn die Tarifbindung liegt in der Zeitarbeit bei ben und vielleicht auch noch faul sind. Ich finde es lang- 98 Prozent. sam unerträglich, dass so über diese Menschen geredet (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist das!) wird. Es gibt keine andere Branche mit einem vergleichbaren (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Niveau. SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LIN- KEN) Ich bitte Sie, das endlich zur Kenntnis zu nehmen. Denn es sind Tatsachen, Das war der erste Punkt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Ich muss noch einen zweiten Punkt ansprechen. Man der FDP) tut immer so, als wenn es diese 1 Million Arbeitsplätze in der Leiharbeit nicht gäbe, wenn sie nicht so attraktiv die Herr Weise kennt und die Sie ignorieren, weil sie wäre, wie es jetzt der Fall ist. Dazu frage ich Sie: Ist tat- nicht in Ihre Welt passen. sächlich die ganze Branche ein Sozialunternehmen, das (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Reden Sie mal nur deshalb Leiharbeitskräfte einstellt, um gute Bedin- mit den Menschen!) gungen zu bieten? Oder geht es um Auftragslagen, so- 10518 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Beate Müller-Gemmeke (A) dass die Jobs auch ohne Leiharbeit besetzt werden müss- Sie haben als Letztes gesagt, die Zeitarbeit sei eine (C) ten? soziale Branche. Das ist sie sicherlich nicht. Die Zeitar- beit ist eine Wirtschaftsbranche – der Kollege Schiewer- Gitta Connemann (CDU/CSU): ling hat darauf zutreffend hingewiesen – wie viele an- dere, Frau Kollegin Müller-Gemmeke, Sie haben eben da- von gesprochen, was Sie unerträglich finden. Ich finde (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Nein, sie es unerträglich, von Ihnen ganz bewusst falsch zitiert zu verteilt Menschen!) werden. eine Wirtschaftsbranche, die zum Beispiel an Tarifver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und trägen teilnimmt, eine Wirtschaftsbranche, die Men- der FDP – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/ schen einstellt und manchmal auch Menschen entlässt. DIE GRÜNEN und bei der SPD – Beate Mül- Sie befristet allerdings Arbeitsverträge nicht annähernd ler-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: in dem Umfang, wie Sie es behaupten. Ein Drittel der Das können Sie später nachlesen!) Arbeitsverträge ist befristet, wie in allen anderen Wirt- schaftsbereichen. Denn ich habe mit keinem Wort meiner Rede – Sie kön- nen das im Plenarprotokoll nachlesen – (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe etwas anderes gefragt!) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: In den Fußnoten!) Die Zeitarbeit ist nicht besser als andere Wirtschaftsbe- reiche, aber sie ist auch nicht schlechter. in irgendeinem Zusammenhang gesagt, Zeitarbeitneh- mer seien faul. Das, was Sie machen, ist eine dauerhafte Diffamie- rungskampagne auf Kosten von hart wirtschaftenden Be- Gerade das finde ich unglaublich. Denn Zeitarbeit- trieben und ihren Mitarbeitern. nehmer sind diejenigen, die eine Chance, die ihnen ge- boten wurde, ergreifen. Diffamieren Sie nicht immer (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) diese Personen, die ihre Chance ergreifen! Das ist offensichtlich Ihr Stil, den ich persönlich wirk- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und lich abstoßend finde; das sei an dieser Stelle auch gesagt. der FDP – Widerspruch bei der SPD, der LIN- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) GRÜNEN]: Sie haben meine Frage nicht be- – Vielleicht hören Sie einfach zu! antwortet!) (B) (D) (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wir sind hier Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: nicht auf einer Cocktailparty!) Frau Connemann, es gäbe noch den Wunsch von Frau Wenn Sie nicht so schreien würden, dann könnte ich die Kipping nach einer Zwischenfrage. Frage endlich beantworten. Gitta Connemann (CDU/CSU): (Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) Gerne. – Sie dürfen nicht reden. Vielleicht sollten Sie mit Ihrer Fraktion darüber reden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Zweite ist, dass Sie behaupten, ich hätte gesagt, Bitte schön. 60 Prozent hätten keinen Abschluss. Katja Kipping (DIE LINKE): (Widerspruch der Abg. Beate Müller-Gemmeke Frau Connemann, Sie haben hier den Eindruck er- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) weckt, die Opposition diffamiere Leiharbeiter und Leih- Das ist vollkommen unzutreffend. Ich habe Ihnen ge- arbeiterinnen, nur weil wir die Bedingungen und die Pra- sagt, dass 100 000 Zeitarbeitnehmer im letzten Jahr ei- xis der Leiharbeit als Sklavenarbeit kritisieren. nen Job gefunden haben, die zuvor im Hartz-IV-Bezug (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sklaverei ist gewesen sind; das war meine Formulierung. abgeschafft!) (Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Das sagt aber Ich will an dieser Stelle festhalten, dass das ein ganz nichts über die Qualifikation der Menschen hilfloser Dreh Ihrerseits ist, vor der notwendigen Kritik aus!) die Augen zu verschließen. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu Bei diesen 100 000 handelt es sich um Langzeitarbeits- nehmen, dass schon beim gestrigen Treffen des Aus- lose oder solche, die zuvor noch nie eine Beschäftigung schusses für Arbeit und Soziales mit einer Delegation hatten. Ich bitte Sie, auch Folgendes zur Kenntnis zu des DGB einer Ihrer Kollegen versucht hat, diesen Dreh nehmen: Zeitarbeit baut Brücken in den ersten Arbeits- anzuwenden, dass ihm aber vonseiten der DGB-Delega- markt. tion sehr deutlich widersprochen wurde. Betriebsräte, die die Realität der Leiharbeit in ihren Betrieben selber (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 7 Prozent! – erlebt haben, haben sehr deutlich gesagt: Wir selber be- Weitere Zurufe von der LINKEN) zeichnen Leiharbeit als Sklavenarbeit, weil wir erleben, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10519

Katja Kipping (A) dass sie sowohl für die Betroffenen als auch für die Keiner von uns stellt infrage, dass es schwarze Schafe (C) Kernbelegschaft, die dadurch gleichermaßen permanent in der Zeitarbeitsbranche gibt. unter Druck gesetzt wird, eine Belastung ist. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. (Caren Marks [SPD]: Die gibt es genug im Kabinett!) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Ja, Firmen wie Schlecker treiben Schindluder mit der Frage! – Katja Kipping [DIE LINKE], an die Zeitarbeit. Das, was dort geschieht, ist Schein-Zeitarbeit, CDU/CSU gewandt: Geschäftsordnung le- nichts anderes. Deshalb hat die Bundesregierung gehan- sen! – Abg. Katja Kipping [DIE LINKE] delt, auch auf Intervention unseres sozialpolitischen nimmt Platz) Sprechers Karl Schiewerling und von Dr. Kolb. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Herr Dr. Kolb! Gitta Connemann (CDU/CSU): Dr. Müller-Lüdenscheid!) Frau Kollegin Kipping, darf ich Ihnen antworten? Zukünftig ist deshalb ein „Schleckern“ in Deutschland (Zurufe von der CDU/CSU: Aufstehen! nicht mehr möglich. Im gleichen Gesetzentwurf setzt die Aufstehen!) Ministerin die EU-Arbeitsrichtlinie um. Wir tun noch mehr – auch darauf ist hingewiesen worden –: Wir wer- Frau Kollegin Kipping, Sie haben mich angespro- den im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eine Lohnun- chen, und ich werde Ihnen antworten. Die Tatsache, dass tergrenze verankern. Damit schützen wir die Zeitarbeit Sie diffamieren, zeigt allein die Verwendung des Wortes vor ausländischer Billigkonkurrenz; „Sklavenarbeit“. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Machen Sie lie- (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Alle, die nicht ber Kulturpolitik! Davon verstehen Sie we- Ihrer Meinung sind, diffamieren!) nigstens was!) Ich finde es unglaublich, dass annähernd 1 Million Men- denn der Tariflohn gilt dann für alle. schen in diesem Land allein durch diese Bemerkung Ih- rerseits als Sklaven bezeichnet werden. Das mag viel- Vielleicht erklärt sich dadurch aber auch die Kampa- leicht in früheren Zeiten in anderen Teilen dieses Landes gne des DGB. Zukünftig müssen nämlich er bzw. seine so üblich gewesen sein. Bei uns, in diesem Land, ist das Tochtergesellschaften offen Verantwortung für das über- nicht mehr üblich. nehmen, was er unterschreibt, (B) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es! – Jutta (D) neten der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE Krellmann [DIE LINKE]: Für seine Tochter- LINKE]: Haben Sie selbst gemacht! Ich habe gesellschaften? Null Ahnung!) es mit eigenen Ohren gehört!) übrigens auch für alle Vereinbarungen, die jetzt getroffen Ich wünsche mir, dass Sie nicht ungeprüft irgendwel- werden, was das Entgelt, Equal Pay oder die Höchst- che Begrifflichkeiten übernehmen, sondern dass Sie sel- überlassungsdauer angeht. Ich bin gespannt, was vorge- ber Tatsachen und Fakten prüfen. In dem Gespräch, das schlagen werden wird. Sie gestern mit dem DGB geführt haben, haben Sie si- cherlich hinterfragt, auf welcher Datengrundlage der be- Der DGB hat heute unter anderem bei VW protestiert. sagte Newsletter entstanden ist. Das wird Ihnen der Ich habe das gesehen. DGB an dieser Stelle vielleicht auch gesagt haben: Zwi- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die protestieren schenzeitlich hat der Autor dieses Newsletters – das ist gegen sich selbst!) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nachzulesen – eine methodische Unschärfe eingeräumt und sich dafür VW hat inzwischen zwei Zeitarbeitsunternehmen. In die- entschuldigt. sen Zeitarbeitsunternehmen werden mehr als 7 000 Mitar- beiter innerhalb des Konzerns verliehen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aha!) (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Übrigens mit Haben Sie danach gefragt? Zustimmung der Gewerkschaft!) Haben Sie danach gefragt, dass die Tarife für die Zeit- – Übrigens mit Zustimmung der Gewerkschaft. arbeit von DGB-Gewerkschaften, unter anderem von Verdi, abgeschlossen worden sind und dass gemäß die- (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist das!) sen Tarifverträgen in der Zeitarbeit flächendeckend ein Grundlohn in Höhe von 7,60 Euro im Westen und ein Dasselbe Prozedere treffen wir an unter anderem bei Grundlohn in Höhe von 6,65 Euro im Osten gelten? DB Zeitarbeit, Vivento Interim Services, BASF Job- markt – jeweils mit Wissen und Unterstützung der dorti- Bitte, erklären Sie mir, was das mit Zeitarbeit zu tun hat. gen Betriebsräte und des DGB. Das ist wieder eine reine Diffamierung, für die Sie sich schämen sollten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Frau Kollegin. 10520 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Gitta Connemann (CDU/CSU): ding (Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der (C) Dies zeigt mir sehr deutlich: Alle, die mit der Frage Fraktion der SPD „Was ist gute Arbeit?“ befasst sind, sind gut beraten, Gleichberechtigung in Entwicklungsländern sich nicht von Vorurteilen, sondern von Fakten leiten zu voranbringen lassen – – Drucksache 17/4846 – (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende. Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Gitta Connemann (CDU/CSU): Ausschuss für Gesundheit – und Verantwortung zu übernehmen. Wir haben da- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit für den Aufschlag gemacht. Stimmen Sie deshalb dem Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Gesetzentwurf zu. Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ganz be- Lazar, Kerstin Andreae, Ekin Deligöz, weiterer stimmt nicht! Wir haben jetzt erste Lesung!) Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frauen verdienen mehr – Gleichstellung ist In- Damit schließe ich die Aussprache. novationspolitik Ich will deutlich machen, dass ich mich sehr freue, – Drucksache 17/4852 – dass die Kollegen des US-Congress, die unserer Debatte beiwohnen, eine so lebendige Diskussion erleben konn- Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) ten. Herzlich willkommen hier bei uns! Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (Beifall) Ausschuss für Arbeit und Soziales Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- (B) Es ist verabredet, hierzu eine Stunde zu debattieren. – (D) empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu Ich sehe und höre keinen Widerspruch zu der beschlos- dem Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel „Miss- senen Redezeit. Dann werden wir so verfahren. brauch der Leiharbeit verhindern“. Der Ausschuss emp- fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache Besonders willkommen sind uns viele Männer im 17/4756, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksa- Saal. che 17/4189 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschluss- (Unruhe) empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Zuge- – Zwar sind Männer bei dieser Debatte willkommen, stimmt haben die Koalitionsfraktionen. Dagegenge- aber sie müssen nicht unnötig ausführlich auf sich auf- stimmt haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die merksam machen, indem sie auch noch hin und her lau- Linke hat sich enthalten. fen. Ich nehme an, dass sie der Debatte folgen wollen, und zwar in besonderer Weise und mit besonderer Auf- Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent- merksamkeit. würfe auf den Drucksachen 17/4804 und 17/3752 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- Als Erster gebe ich das Wort der Kollegin Dorothee schlagen. Gibt es dazu andere Vorschläge? – Das ist Bär für die CDU/CSU-Fraktion. nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 8 a bis c auf: der FDP) a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Doro- thee Bär, Markus Grübel, Nadine Schön, weiterer Dorothee Bär (CDU/CSU): Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU so- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! wie der Abgeordneten Miriam Gruß, Nicole Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als vor Bracht-Bendt, Sibylle Laurischk, weiterer Abge- 92 Jahren und fünf Tagen eine Sozialdemokratin das ordneter und der Fraktion der FDP erste Mal ihre Rede mit den Worten „Meine Herren und Damen“ eröffnet hat, hat das Protokoll „Heiteres Ge- 100 Jahre Internationaler Frauentag lächter“ vermerkt, weil es eben das allererste Mal war, – Drucksache 17/4860 – dass vor 92 Jahren und fünf Tagen eine Frau im Parla- ment das Wort ergriffen hat. Heutzutage lacht bei den b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Karin Anreden „Meine Damen und Herren“ und „Meine Her- Roth (Esslingen), Dr. Sascha Raabe, Lothar Bin- ren und Damen“ kein Mensch mehr. Deswegen müssen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10521

Dorothee Bär (A) wir einmal festhalten, was sich in den letzten 100 Jahren (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – (C) an dieser Stelle entwickelt hat. Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Caren Marks [SPD]: Wenn wir jetzt nicht 2011, sondern das Jahr 1911 hät- Es scheint bei den bayerischen Abgeordneten ten, dann wären die meisten von uns nicht hier. Die generell Bewusstseinsverlust zu geben, nicht meisten, die hier wären, dürften keine Hosen anhaben. nur bei Guttenberg!) Wahlrecht gab es sowieso keines. Wenn überhaupt ein- mal eine Erlaubnis bestanden hätte, dann hätte man sich Trotz des gekünstelten Gelächters der Oppositionsfrakti- wahrscheinlich auf seinen Ehemann berufen müssen. onen muss man festhalten – dies habe ich schon in mei- Wir müssen also festhalten, dass in den letzten ner letzten Rede angesprochen –, dass Ihre Ministerin, 100 Jahren sehr viel passiert ist. eine gewisse Frau Bergmann, an die sich niemand mehr erinnern kann, es nicht geschafft hat, sich durchzusetzen, Das 100-jährige Jubiläum das Weltfrauentages neh- weil sie von Schröder ohne Ende abgewatscht wurde, men wir zum Anlass, zum einen einen historischen und sich auch noch für Sachen entschuldigen und recht- Rückblick zu machen und zum anderen, um uns zu fra- fertigen musste, die sie nicht wollte. gen, wo wir heute, im Jahr 2011, gleichstellungspolitisch stehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Ihre Regierung hat sie gerade zur Beauftragten neten der FDP) erklärt! – Sönke Rix [SPD]: Hat Ihnen das Als 1911 der Weltfrauentag ins Leben gerufen wurde, Frau von der Leyen gesagt?) stand eine Hauptforderung im Raum. Diese Hauptforde- Wir stehen neben dem Thema Quote und neben der rung war ein Wahlrecht für Frauen. Auch das können wir Geschlechtergerechtigkeit in diesem Land auch zu ande- uns heute nicht mehr vorstellen. Daneben gab es die Ab- ren Themen – auch in unserem Antrag –, nämlich zu der lehnung des Ersten Weltkrieges. Später wurde dieser Vereinbarkeit von Familie und Beruf, was für uns im Frauentag vor allem durch arbeits- und sozialrechtliche Vordergrund steht. Was für mich aber noch entscheiden- Forderungen getragen. der ist als die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weil In der DDR wurde dieser Frauentag zunehmend zu ei- das noch schwieriger durchzusetzen ist, ist die Vereinba- ner Art sozialistischem Muttertag. rung von Familie und Karriere. Wir setzen uns für den Ausbau der Kinderbetreuung ein. Auch dafür macht (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das muss die diese Regierung sehr viel. Wir wollen flexiblere Arbeits- Frau Bär genau wissen! Die kennt sich ja aus!) zeitmodelle und sagen: Wir wollen auf keinen Fall, dass (B) Die Frauenbewegung in Westdeutschland hat sich bis in es in diesem Land mit der übertriebenen Anwesenheits- (D) die 90er-Jahre überhaupt sehr schwer mit diesem Tag ge- kultur so weitergeht, die leider Gottes noch immer gilt; tan. Aber man muss festhalten, dass sich der Weltfrauen- denn auch die Qualität steht im Vordergrund, nicht nur tag in den vergangenen Jahren im wiedervereinten die Quantität. Deutschland eine neue Selbstverständlichkeit gegeben (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- hat. neten der FDP) Was vor 100 Jahren die Frage nach dem Stimmrecht Wir haben jedes Jahr wieder dieselbe Debatte über die für Frauen war, ist heute für uns die Frage nach der Be- Entgeltungleichheit. Deshalb haben wir das Logib-D setzung von Frauen in Führungspositionen; denn wir eingeführt. Logib-D stößt nicht nur in Europa auf ein müssen festhalten, dass Frauen in Führungspositionen ganz großes Interesse. So stellen wir Logib-D morgen, nach wie vor massiv unterrepräsentiert sind. Wir führen am 25. Februar, auf der 55. Frauenrechtskonferenz der diese Debatte mittlerweile fast jede Woche. Die Zahlen Vereinten Nationen in New York, die seit Dienstag tagt, werden von Woche zu Woche nicht besser. Nur 3,2 Pro- einem internationalen Publikum vor, weil jeder von uns zent der Vorstandssitze in den 200 größten Unternehmen lernen und wissen möchte, wie wir das Instrument um- werden von Frauen besetzt. Keinem einzigen Vorstand setzen. in den Top-100-Unternehmen steht eine Frau vor. Selbst- verständlich sehen wir hier einen ganz konkreten Hand- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) lungsbedarf. Wir rollen das gesamte frauenpolitische Feld weiter (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- auf. Mit dem Antrag der Koalitionsfraktionen zu dem neten der FDP) wichtigen Thema der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen wollen wir noch weitergehen. Hierzu gehören Selbstverständlich widmen wir uns auch dem Thema, häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung, Vergewaltigung, was sinnvoll ist, um diese Zustände zu ändern. Wir ha- aber natürlich auch Bräuche, Riten und Traditionen zum ben in der Vergangenheit schon öfter über das Thema Schaden von Frauen. Hierunter fallen für uns ganz be- Quote gesprochen: Quote ja, Quote nein? Wir ringen ins- sonders die Genitalverstümmelung, die Zwangsehen und gesamt auch in unseren Fraktionen – das ist kein Ge- die sogenannten Ehrenmorde. Schätzungen zufolge ha- heimnis – um die Details. Aber wir wissen, dass das ben 20 bis 25 Prozent aller Frauen mindestens einmal in nicht nur ein gesellschaftliches Topthema ist; denn im- ihrem Leben körperliche Gewalt erlitten. Deswegen füh- merhin haben wir dieses Thema auf die Agenda gebracht – ren wir unser Programm gegen häusliche Gewalt fort. im Gegensatz zu den vorangegangenen Regierungen. Wir wollen ein bundesweites Hilfstelefon für von Ge- 10522 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dorothee Bär (A) walt betroffene Frauen einrichten. Hierzu haben wir be- Der Internationale Frauentag verpflichtet als Feier- (C) reits die nötigen Mittel in den Haushalt eingestellt. tag der Frauenbewegung dazu, der Lobbyarbeit von Frauen im politischen Raum Gehör zu schenken (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: und frauenpolitische Projektarbeit zu stärken. Wann kommt das alles denn endlich?) (Heiterkeit bei der SPD) Beim Brückenschlag zum Thema 100 Jahre Frauen- bewegung und 100 Jahre Weltfrauentag sehen wir, dass Ich denke, hier ist kein Kommentar notwendig. sich Frauen seit vielen Jahren für ihre Rechte engagie- Die SPD hingegen meint es mit der Gleichstellungs- ren. Vieles ist seitdem besser geworden; das darf man politik ernst, so wie bereits vor 100 Jahren. 1911 gingen auf jeden Fall festhalten. Trotzdem sind wir noch lange mehr als 1 Million Frauen auf die Straße und kämpften nicht am Ziel. Die Frauen haben für ihr Wahlrecht und für ihre Rechte, insbesondere für das Recht, zu wählen. für die Zulassung an Universitäten gekämpft. Die Frauen Sieben Jahre später führte die Sozialdemokratie unter er- haben in diesem Hohen Hause dafür gekämpft, dass sie bittertem Widerstand konservativer Kräfte das Frauen- Hosenanzüge anziehen dürfen. wahlrecht ein. (Sönke Rix [SPD]: Gleicher Lohn für gleiche Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den zurückliegen- Arbeit!) den Jahrzehnten hat die Frauenbewegung in Deutschland Die Frauen mussten gegen unbewusste Rollenbilder an- in der Tat viel erreicht. Ich glaube, darauf können wir gehen und sich gegen gläserne Decken durchsetzen. Ich stolz zurückblicken. Aber wir sind gleichstellungspoli- bin mir aber sicher, dass wir gemeinsam weiterkommen tisch längst noch nicht am Ziel; auch das ist richtig. können. Dabei würde es helfen, wenn die Debatte von Frauen und Männer sind zwar juristisch gleichgestellt, denselben immer wiederkehrenden reflexhaften Beißre- nicht aber in der Realität. So gibt es nach wie vor eine aktionen der SPD befreit würde und wir alle an einem strukturelle Benachteiligung von Frauen, insbesondere Strang ziehen könnten. im Erwerbsleben. Wir suchen Frauen in Führungsetagen noch immer mit der Lupe. Gleicher Lohn für gleiche und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ca- gleichwertige Arbeit – Fehlanzeige. Der Anteil von ren Marks [SPD]: Wenn ihr etwas Konkretes Frauen im Niedriglohnbereich und in Minijobs ist über- vorlegen würdet!) proportional hoch, Teilzeitarbeit ist überwiegend weib- Dafür wäre ich sehr dankbar. lich. Die Ursachen dafür liegen in veralteten Rollenste- reotypen und auch in der nach wie vor schlechten Stellvertretend für alle großartigen Frauen, die sich Vereinbarkeit von Familie und Beruf. heute in diesem Hohen Hause befinden, möchte ich eine (B) besondere Frau herausgreifen. Ich darf hoffentlich im Es gäbe also für die Bundesregierung und insbeson- (D) Namen aller der Kollegin Katharina Landgraf zu ihrem dere für die zuständige Ministerin einiges zu tun; denn heutigen Geburtstag gratulieren. Liebe Katharina, alles die bis jetzt vorhandenen rechtlichen Rahmenbedingun- Gute! gen helfen Frauen nicht wirklich weiter. Um Benachtei- ligung abzubauen und eine eigenständige Existenzsiche- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) rung zu ermöglichen, sind weitere gesetzliche Maß- nahmen unumgänglich. Die Bundesfrauenministerin und Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: die schwarz-gelbe Koalition verharren jedoch in Lethar- Das Wort hat Caren Marks für die SPD-Fraktion. gie. Sie stehen leider für gleichstellungspolitischen Still- stand, Frau Schröder. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Caren Marks (SPD): Damit kennen Sie sich aus!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! 100 Jahre Interna- Dabei, Frau Ministerin, müssten Sie, nachdem Sie es tionaler Frauentag – in der Tat, welch gleichstellungspo- schon nicht selbst entgegengenommen haben, nur das litische Zeitstrecke. Die Koalitionsfraktionen präsentie- aktuelle Gutachten der Sachverständigenkommission für ren uns heute zu diesem Jahrestag einen Antrag, über den ersten Gleichstellungsbericht lesen und entspre- den sofort abgestimmt werden soll nach dem Motto: chend handeln. Aber wie im aktuellen Antrag ersichtlich heute schnell debattieren, und dann bloß nicht weiter setzen Sie und die Koalition unbeirrt und ignorant auf darüber reden. Freiwilligkeit, Appelle und Projekte – und das alles vor dem Hintergrund, dass selbstverständliche Frauenrechte Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Über diesen Antrag von immer hart erkämpft werden mussten. Von alleine und Union und FDP lohnt eine weitere Debatte allerdings mit Freiwilligkeit ging es gleichstellungspolitisch leider nicht wirklich. nie voran. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dieser Antrag enthält genauso wenig Substanz wie die Gleichstellungspolitik der Bundesregierung, nämlich keine. Die SPD streitet deshalb für gesetzliche Regelungen. Ein Beleg dafür ist folgendes Zitat aus dem Antrag: Sie sind wirklich notwendig, um verkrustete Strukturen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10523

Caren Marks (A) aufzubrechen. Wir fordern einen flächendeckenden ge- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C) setzlichen Mindestlohn, da dieser vor allem Frauen zu- Sibylle Laurischk hat das Wort für die FDP-Fraktion. gutekäme. Weiter müssen wir für eine Aufwertung von sogenannten typischen Frauenberufen, beispielsweise in (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der Altenpflege, kämpfen. der CDU/CSU) Nur durch eine gesetzliche Quote von mindestens Sibylle Laurischk (FDP): 40 Prozent wird eine angemessene Vertretung von Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen möglich wer- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und den. Herren! 100 Jahre Internationaler Frauentag – ein langer Weg von den ersten Forderungen nach dem Frauenwahl- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) recht über die Kampagne beispielsweise von Elisabeth Selbert zur Formulierung der Gleichberechtigung von Dass in den 100 größten Unternehmen in Deutschland Frauen und Männern in Art. 3 Grundgesetz liegt hinter Frauen nur zu 2,2 Prozent in den Vorständen vertreten uns Frauen. Der Weg ist nicht zu Ende. Seit 1994 steht in sind, ist nicht nur beschämend. Es ist diskriminierend. Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes Satz 2. Dieser lautet: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Gleichberechtigung von Frauen und Männern und GRÜNEN) wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile Ein Antrag der SPD zur Quote wird ja morgen diskutiert. hin. Wir fordern endlich gesetzliche Regelungen zur Auch die Opposition hatte in der Zeit reichlich Gelegen- Durchsetzung von Entgeltgleichheit; denn 23 Prozent heit, auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzu- Lohnunterschied sind skandalös. Wir fordern weiterhin wirken. familien- und geschlechtergerechte Arbeitszeitmodelle (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) wie die sogenannte Große Teilzeit für beide Geschlech- ter und auch ein Rückkehrrecht für Eltern von Teilzeit in Stichworte wie Equal Pay und die Vereinbarkeit von Vollzeit. Familie und Beruf – anscheinend nur ein Thema für Frauen und leider immer noch nicht für Männer – be- Außerdem fordern wir die gesetzliche Eingrenzung schreiben noch offene Punkte. Zurzeit wird das Thema der Minijobs. Immer mehr Minijobs zulasten guter, das insbesondere an der unzureichenden Zahl von Frauen in heißt existenzsichernder Arbeit sind nicht zu akzeptie- Führungsgremien der Bundesbehörden oder der Wirt- ren. Minijobs werden für Frauen zur Armutsfalle, ganz schaft gemessen. Dies zu ändern, ist Ziel der Koalition (B) (D) besonders im Alter. von FDP und CDU/CSU. Wir setzen auf einen Stufen- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten plan und den im Mai letzten Jahres überarbeiteten soge- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE nannten Corporate Governance Codex, der Berichts- GRÜNEN) pflichten zum Stand der Beteiligung von Frauen enthält. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das alles (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind konkrete Schritte für die Verwirklichung von macht ihr jetzt schon seit zehn Jahren!) Gleichstellung und mehr Geschlechtergerechtigkeit und Die Aussage ist klar: Frauen wollen entsprechend ihrer damit für mehr Fortschritt in unserem Land. Die Ausbildung Führungsaufgaben und Verantwortung über- schwarz-gelbe Bundesregierung einschließlich der Kanz- nehmen. Angesichts des demografischen Wandels ist dies lerin ist jedoch nicht bereit, wirklich aktiv zu handeln auch gar keine Frage mehr. Dieses gesellschaftlich und und etwas zu ändern. damit auch wirtschaftlich gebotene Ziel muss angesteu- Abschließend möchte ich eine bemerkenswerte Fest- ert werden – auch von den Männern. stellung der Sachverständigenkommission für den ersten (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zitieren: der CDU/CSU) Die Kosten der gegenwärtigen Nicht-Gleichstellung Das sage ich auch an die Adresse von Herrn Kauder, der übersteigen die einer zukunftsweisenden Gleich- mir im Moment den Rücken zuwendet. stellungspolitik bei weitem. (Heiterkeit bei der FDP sowie bei Abgeordne- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ten der CDU/CSU) Frau Kollegin. Dieses Ziel ist sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft umzusetzen. Ich möchte in diesem Zusam- Caren Marks (SPD): menhang darauf hinweisen, dass sich die FDP, seit weit Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ob das der über 100 Jahren eine echte Emanzipationsbewegung, Bundesfinanzminister weiß? (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Innovative, dyna- Vielen Dank. mische Partei! Das merkt man doch!) (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem auf ihrem nächsten Bundesparteitag im Mai mit einem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Satzungsänderungsantrag der liberalen Frauen, in dem 10524 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Sibylle Laurischk (A) eine 40-Prozent-Quote für die Führungsgremien der Par- Vizepräsidentin Petra Pau: (C) tei gefordert wird, auseinandersetzen muss. Die Kollegin Kipping hat für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Caren Marks [SPD]: Gutes Gelingen!) (Beifall bei der LINKEN)

Die Unternehmen sind ihrerseits aufgefordert, zu han- Katja Kipping (DIE LINKE): deln. Sollten wir keine erhebliche Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen von Unternehmen bis Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 100 Jahre Frauentag – zu den Wurzeln dieses Tages ge- 2013 feststellen können, ist die Einführung einer Quote hören auch folgende Etappen: Am 8. März 1857 streiken meines Erachtens absehbar. in New York Textilarbeiterinnen. Am 8. März 1908 (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der kommen über 100 streikende Textilarbeiterinnen bei ei- CDU/CSU) nem Fabrikbrand ums Leben, weil sie während des Streiks in der Fabrik eingeschlossen wurden. Vor Gleichstellungspolitik ist aber nicht nur ein Thema 100 Jahren wurde der Frauentag in einigen Ländern erst- der Bundespolitik, auch Europa fordert dies ein. So ist mals am 19. März begangen. Am 8. März 1917 waren es das Thema „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ in wieder Textilarbeiterinnen, die in Russland gegen Hun- der Strategie für die Gleichstellung von Frauen und ger, Krieg und Zarismus streikten. Anknüpfend an diese Männern 2010 bis 2015 verankert. An der Umsetzung Arbeitskämpfe wurde der Frauentag von der Zweiten dieser europäischen Strategie müssen wir mit Nachdruck Kommunistischen Frauenkonferenz auf Initiative von arbeiten. Frauen müssen sich klar darüber sein, dass nur Clara Zetkin auf den 8. März gelegt. ein qualifizierter und ausgeübter Beruf ihrer Altersarmut entgegenwirkt. (Beifall des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE]) Trotz des 100. Geburtstages des Internationalen Frauen- Betrachten wir die Geschichte des Frauentages, so kön- tages: Gewalt gegen Frauen und familiäre Gewalt sind nen wir festhalten: Der Frauentag ist nicht bei Kaffee- nach wie vor Alltag. Verlässlich finanzierte Frauenhäu- kränzchen entstanden, er ist nicht Blumenrabatten ent- ser und Unterkünfte für Frauen in Not gibt es auch nach sprungen, sondern er ist aus Kämpfen um Rechte 100 Jahren Gleichstellung noch nicht. In den Kommu- entstanden. Genau an diese Tradition des Frauentages nen kämpfen die Frauen um jeden Cent zur Finanzie- sollten wir anknüpfen. rung. Schutz und Hilfe für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder müssen jedoch flächendeckend vorliegen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (B) Die christlich-liberale Koalition hat jetzt zumindest ei- neten der SPD) (D) nen Haushaltstitel geschaffen, um eine bundeseinheitli- Die Art, den Frauentag zu begehen, hat sich über die che Notrufnummer für gewaltbetroffene Frauen einzu- Jahrzehnte verändert, aber an der Notwendigkeit, um richten. Unbürokratische Hilfe soll so möglich werden. Frauenrechte zu kämpfen, hat sich nichts, aber auch gar Ein letztes Stichwort zum Internationalen Frauentag, nichts verändert. Kämpfe um Geschlechtergerechtigkeit das Ausländerinnen besonders betrifft: die Bekämpfung sind hochaktuell – und das weltweit. der Zwangsheirat. Ein Gesetzentwurf hierzu liegt vor. Es (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten ist vorgesehen, die Mindestbestandszeit einer Ehe zur des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Begründung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts von zwei auf drei Jahre zu erhöhen. Der Gesetzentwurf hat Geschlechterungerechtigkeit hat viele Gesichter. Das das Ziel, Opfer von Zwangsheirat besser zu schützen. beginnt damit, dass auf den obersten Etagen der Wirt- Die Erhöhung der Ehebestandszeit steht meines Erach- schaft faktisch immer noch „oben ohne“ – also ohne tens dazu im Widerspruch. Im Koalitionsvertrag heißt es Frauen – gilt. Schließlich sind noch nicht einmal hierzu, die Erhöhung der Ehebestandszeit sei zu prüfen. 10 Prozent aller Aufsichtsratsposten in Frauenhand. Es Meine Herren, meine Damen, ich bitte um Prüfung. geht damit weiter, dass Frauen im Durchschnitt ein Vier- tel weniger verdienen als Männer und dass Frauen über- Als Liberale bin ich stolz, einer Emanzipationsbewe- durchschnittlich stark in Minijobs gedrängt werden. Wir gung anzugehören, die weit älter als 100 Jahre ist. wissen: Auf Minijobs folgen Minirenten. Altersarmut ist 100 Jahre Internationaler Frauentag bedeuten 100 Jahre somit gerade bei Frauen vorprogrammiert. Hier müssen Ringen um Gleichberechtigung. wir deutlich gegensteuern. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birk- NEN]: Unterstützen Sie auch die Quotenforde- wald [DIE LINKE]: Dringend! Ganz drin- rung in der FDP?) gend!) Uns Frauen bleibt die Einsicht: Geschenkt wird uns Geschlechterungerechtigkeit geht weiter mit den nichts; wir müssen für unsere Rechte immer wieder aufs Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften. Das führt zum einen Neue kämpfen. Wir sollten dies gemeinsam tun. Dann dazu, dass Frauen, die womöglich ihr Leben lang ge- sind wir stark. wohnt waren, von ihrer eigenen Hände Arbeit zu leben, dann, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren und der Part- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) ner etwas über den entsprechenden Grenzen verdient, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10525

Katja Kipping (A) sofort in die Position von Taschengeldempfängerinnen (Beifall bei der LINKEN) (C) gedrängt werden. Oder es führt dazu, dass Alleinerzie- hende, die einen neuen Partner kennenlernen, mit diesem Zunehmend begeistern sich Frauen für einen solchen faktisch nicht zusammenziehen können, weil er ansons- Aufbruch in ein Leben im Viervierteltakt, in dem eine ten sofort als Aufstocker in Hartz-IV gedrängt werden Arbeitswoche aus vier gleichen Teilen besteht: ein Vier- würde, wenn sein geringes Einkommen auf das Einkom- tel Erwerbsarbeit, ein Viertel Sorgearbeit, ein Viertel men des Kindes angerechnet wird. Weiterentwicklung und Muße sowie – um das Ganze vollständig zu machen – ein Viertel Politik. Eine konse- Bei der Geschlechterungerechtigkeit spielt die unge- quente Arbeitszeitverkürzung für Männer und Frauen rechte Verteilung der verschiedenen Tätigkeiten zwi- gleichermaßen wäre die Grundlage für einen Aufbruch schen den Geschlechtern eine Schlüsselrolle; denn leider in ein solches Leben im Viervierteltakt. ist es immer noch so, dass vor allen Dingen die Haus- (Beifall bei der LINKEN) und Familienarbeit den Frauen obliegt. Sie werden eher in die Rolle der Hinzuverdienenden gepresst, während Kämpfen wir nicht nur am Frauentag, sondern an al- die Männer die Rolle des Hauptverdienenden überneh- len Tagen im Jahr konsequent und engagiert dafür, dass men. Das Ehegattensplitting zementiert diese überkom- die Erwerbsarbeitszeit verkürzt wird und die vorhande- mene alte Arbeitsteilung. Deswegen gehört das Ehegat- nen Tätigkeitsfelder gerecht zwischen den Geschlech- tensplitting abgeschafft. tern verteilt werden. Das heißt, dass ein Großteil der prestigeträchtigen Jobs von Männer- in Frauenhand (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Niemals! Das wechseln muss; im Gegenzug würde man gerne Sorgear- wird niemals abgeschafft!) beit abgeben. Kämpfen wir dafür, dass die Bedarfsge- – Frau Bär, Sie sagen, das gehört nicht abgeschafft. Da- meinschaft auf den Prüfstand kommt. Kämpfen wir für mit unterstreichen Sie noch einmal eindeutig, dass Sie gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Kämpfen wir diese überkommene Arbeitsverteilung zementieren wol- für globale soziale Rechte, und sorgen wir dafür, dass len. aus den Chefsesseln Sitzgelegenheiten werden, die min- destens zu 50 Prozent von Frauen besetzt sind. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sie haben es nicht ka- piert, das Splitting! Es gilt auch umgekehrt!) Danke schön. Das Statistische Bundesamt führt aus, dass die Arbeits- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten verteilung wirklich ungerecht ist. 75 Prozent der Putzarbei- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ten und 85 Prozent der Arbeit mit Wäsche werden immer (B) noch von Frauen erledigt. Der Armuts- und Reichtumsbe- Vizepräsidentin Petra Pau: (D) richt weist aus, dass von den Müttern mit Kindern ab Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol- sechs Jahren gerade einmal 17 Prozent vollzeiterwerbs- legin Deligöz das Wort. tätig sind. Diese Zahlen zeigen, wie stark die überkom- mene Arbeitsverteilung immer noch unseren Alltag be- Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): stimmt. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um Missverständnisse zu vermeiden: Mir geht es Liebe Frau Bär, wenn ich die Entwicklung der Debatten nicht darum, Männer oder Frauen mit den angeblichen verfolge, höre ich durchaus Zwischentöne aus Ihrer Segnungen der Erwerbsarbeit zwanghaft zu beglücken. Fraktion: Offenbar nehmen Sie die Frauenpolitik zuneh- Aber meine Kritik an dieser Verteilung setzt dann an, mend ernst. Ich hätte aber gern, dass das durch Taten be- wenn Menschen – vor allen Dingen Frauen – von der Er- stätigt wird. Wenn ich mir Ihren Antrag durchlese und werbsarbeit – entweder aufgrund von überkommenen mir das Verhalten Ihrer Ministerin in den vergangenen Geschlechterrollen oder aufgrund eines Mangels an Ki- Wochen anschaue, dann muss ich feststellen: An dem, taplätzen – sozusagen weggedrängt werden. Das ist für was Sie zu tun gedenken, ist nicht einmal im Ansatz zu uns als Linke nicht hinnehmbar. erkennen, dass Sie Frauenpolitik ernst nehmen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Doch reden wir anlässlich einer Debatte über den Stattdessen streiten sich zwei Ministerinnen in der Öf- Frauentag nicht nur über Probleme, sondern auch über fentlichkeit. Die Kanzlerin kommt in Basta-Manier, Perspektiven, die Mut machen. Für mich ist die von der zieht darunter einen Strich und zieht sich auf die Position Feministin Frigga Haug entwickelte Vier-in-einem-Pers- zurück, dass der Wirtschaft „noch einmal die Chance ge- pektive Mut machend und ermunternd. Diese geht davon geben werden“ solle, auf der Grundlage von Absichtser- aus, dass es vier gleichwertige Tätigkeitsbereiche gibt: klärungen „freiwillig zu Fortschritten zu kommen“. erstens die Erwerbsarbeit; zweitens die Sorgearbeit, auch Jetzt ist es so: Sie kreiden uns an, dass wir vor zehn bekannt als Reproduktionsarbeit oder Haus- und Famili- Jahren, unter der rot-grünen Regierung, über freiwillige enarbeit; drittens die Weiterentwicklung bzw. die Wei- Vereinbarungen geredet haben; das sei zu wenig gewe- terbildung, auch vorstellbar als Muße; viertens die Poli- sen. tik, die in einer Demokratie nicht nur Berufspolitikerinnen und Berufspolitikern obliegen (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Dank Rot-Grün sollte. hat sich nichts getan!) 10526 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Ekin Deligöz (A) Warum machen Sie genauso weiter, wenn es angeblich von einer Frauenministerin? Wenn es nichts mit Ihrem (C) schon vor zehn Jahren falsch war? Dann ändern Sie es Selbstverständnis zu tun hat, dann seien Sie zumindest doch! so ehrlich, zu sagen, dass Ihnen schlicht und einfach die Ergebnisse nicht gefallen. In dem Bericht steht nämlich, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass noch viel getan werden muss, um echte Chancenge- bei der SPD und der LINKEN – Caren Marks rechtigkeit in diesem Land zu schaffen. Dieser Befund [SPD]: Man kann dazulernen!) gefällt Ihnen nicht. Da ist es viel geschickter, den Be- Wenn es ein Fehler war, dann muss man es jetzt ändern. richt in der Schublade verschwinden zu lassen, anstatt Kreiden Sie es uns nicht an, sondern machen Sie es ihn uns vorzulegen und im Parlament darüber zu debat- heute anders! tieren. Sie müssen schon ehrlich sagen, was Sie mit dem Bericht machen. Noch eines: Es hat mich schon gestört, dass Sie eben „eine gewisse Frau Bergmann“ gesagt haben. Ihre Re- Jetzt komme ich zum 100. Internationalen Frauentag. gierung hat Frau Bergmann zur Beauftragten in einem Ja, richtig: Viele Frauen haben gekämpft und sind auf sehr wichtigen Themengebiet benannt, nämlich bei der die Straße gegangen. Diesen Frauen sind wir etwas Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern. schuldig; wir müssen ihre Erbschaft antreten. Sie hat in dieser Gesellschaft einen wirklich wichtigen Auftrag. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der SPD) und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Als Das, was die Frauen geschaffen haben, verpflichtet. Familienministerin kennt sie kein Mensch Wenn wir aber in dem Tempo, das die Regierung gerade mehr!) an den Tag legt, weitermachen, dann sind wir in weiteren 100 Jahren nicht viel weiter. Dann bleiben wir auf der Jetzt sprechen Sie, Frau Bär, aber von „Frau Bergmann, Stelle stehen. In 100 Jahren drehen wir uns dann um und an die sich niemand mehr erinnern kann“, so als ob sie sind dankbar, dass es vor 200 Jahren wenigstens ein paar unwichtig sei. Wie ernst nehmen Sie diesen Auftrag, Frauen gegeben hat, die aktiv geworden sind. wenn Sie Frau Bergmann dermaßen degradieren? Wie ernst nehmen Sie denn dieses Thema? Ich sage Ihnen aber auch, was mich an der Diskussion in Deutschland insgesamt stört. Wir haben in den letzten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Tagen viel gelesen; viele Bücher sind veröffentlicht wor- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der den. In all diesen Debatten reden wir immer über das (B) LINKEN) Trennende zwischen den Frauen: Es werden die Frauen (D) Mit diesen Fragen sollten Sie sich einmal selber befas- mit Kindern gegen die ohne Kinder ausgespielt, Haus- sen. frauen gegen Berufstätige, Junge gegen Alte, Frauen mit Männern gegen solche ohne Männer, man spricht von Jetzt komme ich zu Ihrem Antrag. Sie sagen in Ihrem freiwilligen Annäherungen oder aber von einer Ver- Antrag, dass sich die Herausforderungen aus dem Ersten pflichtung. Ich finde, wir sollten heute hier im Bundes- Gleichstellungsbericht ergeben würden. Da schlucke ich tag den Mut haben, all diese Debatten hinter uns zu las- ganz schön. Brauchen wir denn in diesem Parlament sen; denn konzentrieren müssen wir uns auf die heutigen wirklich Berichte, die erst von den Ministerien und der und künftigen Rahmenbedingungen. Konzentrieren Regierung abgenommen werden müssen, bevor sie vor- müssen wir uns auf das, was das Parlament, die Politik gelegt werden, um zu wissen, wie es Frauen in diesem machen kann, um die Dinge zu verändern und um dieses Land geht? Müssen wir es erst schriftlich vorliegen ha- zu Land gestalten. ben? Müssen wir einem Bericht entnehmen, was in die- sem Land zu tun ist? Ich spreche noch einmal die zehn Jahre Erfahrung mit der Selbstverpflichtung an. Wenn die Politik es nicht (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Die CDU ja!) wagt, konkrete Schritte und Vorgaben zu machen, wird Was noch viel schlimmer ist: Dieser Bericht liegt eigent- sich in diesem Land nichts, aber auch rein gar nichts än- lich schon vor; der Sachverständigenrat hat ihn bereits dern. Wir sind in der Verantwortung, angesichts dieser im Januar vorgelegt. 100 Jahre Frauentag etwas zu ändern. (Caren Marks [SPD]: Ja! Genau!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Nur haben Sie, Frau Ministerin, den Bericht noch nicht abgenommen, sondern gerade einmal Ihren Staatssekre- Frau Allmendinger – viel zitiert, heute hier noch nicht – tär hingeschickt, um ihn abnehmen zu lassen; dann ha- sagt: Frauen wollen Kinder und Karriere. Sie wollen al- ben Sie ihn sofort wieder in die Schublade verbannt. les. Sie sind auf dem Sprung. Sie wollen erwerbstätig (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- sein. – Die Zahl der Erwerbstätigen ist eindeutig gestie- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Ingrid gen, und zwar kontinuierlich. Gleichzeitig gibt es auch Fischbach [CDU/CSU]: Das ist nicht wahr!) die bittere Wahrheit: Das Arbeitsvolumen nimmt ab und 37 Prozent – nur 37 Prozent – der Frauen in diesem Land Jetzt sagen Sie: Wir warten einmal, was die Ministerien haben einen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjob. dazu sagen. – Was ist denn das für ein Selbstverständnis 84 Prozent der Teilzeitstellen sind von Frauen besetzt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10527

Ekin Deligöz (A) Es gibt noch eine Zahl, die mich selber ehrlich gesagt um Danke zu sagen, Danke für all das, was Generationen (C) erschreckt hat, sodass ich zweimal nachschauen musste: von Frauen vor uns erkämpft haben: Lediglich 25 Prozent der Frauen in diesem Land erzie- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- hen minderjährige Kinder. 75 Prozent der Frauen haben neten der FDP) entweder keine Kinder mehr im Haushalt oder haben volljährige Kinder. Trotzdem wird auf dem Arbeitsmarkt das Frauenwahlrecht, die formale rechtliche Gleichstel- ein Argument immer gegen sie verwendet. Die Unter- lung von Mann und Frau, Selbstbestimmung und Unab- nehmen und auch die FDP sagen nämlich: Frauen kön- hängigkeit – Dinge, die für uns heute ganz selbstver- nen gar nicht in die Führungsetagen, weil ihnen die Ver- ständlich sind. Deshalb ist der 100. Weltfrauentag ein einbarkeitsfrage im Weg steht. – Das mag für 25 Prozent Feiertag weiblicher Emanzipation, und zwar nicht nur gelten. Warum sind die anderen 75 Prozent dann aber von traditionellen Rollenmustern, sondern junge Frauen trotzdem nicht vertreten? Warum muss man sie dann emanzipieren sich auch von manchen Vorkämpferinnen trotzdem mit der Lupe suchen? Da kann doch das Argu- weiblicher Emanzipation. ment der Unvereinbarkeit von Familie und Beruf nicht gelten. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Mein Gott, ist das langweilig!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Viele Frauen meiner Generation haben es satt, sich von anderen Frauen sagen zu lassen, wie man als emanzi- Noch eines: Sie, Frau Ministerin, glorifizieren in der pierte Frau zu leben hat. heutigen Ausgabe der Zeit die Ehe. Das kann jeder hal- ten, wie er will. Das ist eine private Sache. Das Steuer- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ca- recht und das Sozialversicherungsrecht in Deutschland ren Marks [SPD]: Jetzt kommt die alte Leier sind aber doch auf der Grundlage gestaltet, dass Frauen wieder!) zu Hause bleiben und eben nicht erwerbstätig sind. Wir wollen Wahlfreiheit. Wir wollen uns für Lebens- (Beifall der Abg. Agnes Alpers [DIE LINKE]) modelle entscheiden können, und zwar auch für solche, die nicht den Vorstellungen anderer Frauen entsprechen, Es führt de facto zur Benachteiligung von Frauen. So- ohne dafür wahlweise als egoistisch oder feige hinge- lange das so ist, sind wir in der Pflicht, das infrage zu stellt zu werden. stellen. Wenn die politischen Strukturen Frauen benach- teiligen, dann müssen sie geändert werden. Das gilt auch (Ute Kumpf [SPD]: Was für ein Quatsch!) und gerade für die ehebezogenen Leistungen. Deshalb sollte von der heutigen Debatte vor allen (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dingen auch einmal folgendes Signal ausgehen: Respekt (D) bei der SPD und der LINKEN) vor privaten Lebensentscheidungen statt Diffamierung von bestimmten Rollenmodellen. Was müssen wir tun, Frau Ministerin? Zu tun gibt es viel: Gleichstellungsgesetz, Quote, gleicher Lohn für (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gleichwertige Arbeit, eine Weiterentwicklung des Ehe- Dafür müssen wir uns nur auf etwas verständigen, was gattensplittings zu einer Individualbesteuerung. Die eigentlich selbstverständlich ist: Gleichberechtigung ist Liste ist lang. Vor allem aber brauchen wir endlich eine nicht Gleichschaltung und Gleichsetzung. Gleichberech- Frauenministerin, die auch zur Frauenpolitik steht. tigung berücksichtigt die Verschiedenartigkeit von Män- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, nern und Frauen. bei der SPD und der LINKEN) (Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- Politik muss meines Erachtens ermutigen. Sie, Frau Mi- NIS 90/DIE GRÜNEN – Dagmar Ziegler nisterin, entmutigen Frauen. Politik muss gestalten. Sie [SPD]: Wo haben Sie das denn ausgegraben?) aber schieben auf. Das ist zu wenig. Dies gilt insbeson- – Sie fragen mich, woher ich das habe? Das sage ich Ih- dere angesichts der Verpflichtung gegenüber all den nen: Die Frauenrechtlerin Helene Weber hat diesen Frauen, die vor 100 Jahren auf die Straße gegangen sind. Satz 1949 vor dem Deutschen Bundestag gesagt, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- bei der SPD und der LINKEN) neten der FDP)

Vizepräsidentin Petra Pau: und zwar kurz nachdem sie im Parlamentarischen Rat als Das Wort hat die Bundesministerin Dr. Kristina eine von vier Frauen den wohl revolutionärsten Grund- Schröder. satz unseres Grundgesetzes erkämpft hat: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Die Gleichberechtigung von Mann und Frau in unse- rer Gesellschaft zu fördern – nicht im Sinne von Gleich- setzung, von Ergebnisgleichheit, sondern von Chancen- Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami- gleichheit –, das bleibt unsere gemeinsame Aufgabe, lie, Senioren, Frauen und Jugend: liebe Kolleginnen und auch liebe Kollegen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 100. Weltfrauentag ist für meine Generation ein Tag, (Dagmar Ziegler [SPD]: Tun Sie was dafür!) 10528 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Bundesministerin Dr. Kristina Schröder (A) Da ist viel zu tun. Frauen sind in Führungspositionen (Caren Marks [SPD]: Sie merken doch selbst, (C) kaum vertreten. Wir alle sind uns einig, dass sich das än- was das für ein Unsinn ist, den Sie da erzäh- dern muss. Das fängt bei den Arbeitszeiten und bei der len!) Arbeitskultur an. Unsere Arbeitswelt ist gerade in den Diese Zielvorgaben können die Unternehmen – anders Führungsetagen auf Männer oder – ich sage es allgemei- als es bei Ihrer Selbstverpflichtung der Fall war – nicht ner – auf Menschen zugeschnitten, die familiäre Verant- ignorieren. wortung delegieren können (Beifall der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/ (Dagmar Ziegler [SPD]: Wer soll das denn ändern? CSU]) Die Männer, die da sitzen, oder wer?) Zweitens. Die Unternehmen werden auch gesetzlich oder die von vornherein auf Familie verzichten. verpflichtet, diese Zielvorgaben transparent zu machen. Eine 70-Stunden-Woche nach dem Prinzip „Karriere Da wird es ruck, zuck Rankings geben. Diese Zielvorga- wird nach Feierabend gemacht“ bezahlen diejenigen mit ben müssen vor der Belegschaft, vor dem Betriebsrat, eingeschränkten Karrierechancen, die nach Feierabend vor einer kritischen Presse und vor der Öffentlichkeit ge- die Kinder bettfertig machen. rechtfertigt werden. (Caren Marks [SPD]: Vor der „kritischen (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wie Presse“!) langweilig!) Drittens. Ich will Sanktionen, wenn die eigenen Ziel- Frauen erwarten deshalb zu Recht mehr von uns als vorgaben nicht eingehalten werden, lächerliche Überbietungswettbewerbe der Opposition nach dem Motto: Wer fordert die höchste Quote? (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Frauen erwarten vielmehr, dass wir bei den Ursachen zum Beispiel die Anfechtbarkeit von Aufsichtsratswah- ungleicher Chancen ansetzen und dass wir ihre Bedürf- len. nisse in den Blick nehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Immer mehr Unternehmen haben sich gerade in den neten der FDP) letzten Wochen und Monaten selbst solche Zielvorgaben gesetzt. Das ist nicht mehr nur die Telekom. In den letz- Wenn Frauen Teilzeit arbeiten, um Zeit für Familie zu ten Monaten sind BMW, Daimler, Bosch, Eon, Merck haben – gestern konnten wir in einer Allensbach-Studie und Airbus hinzugekommen. Es geht also, meine Damen lesen, dass 59 Prozent der unter 45-Jährigen in Deutsch- (B) und Herren. (D) land dieses Modell für das optimale halten –, dann sind diese Frauen doch nicht feige. Das ist eine selbstbe- Union und FDP setzen auf eine Politik der fairen wusste Entscheidung, die wir genauso respektieren und Chancen, die allen Frauen zugutekommt. Diese Politik ermöglichen müssen wie diejenige, ganz auf den Beruf hat die Union in den letzten Jahrzehnten geprägt. Es war zu setzen oder ganz für die Familie da zu sein. eine unionsgeführte Bundesregierung, bei der es die erste Frau in einem Bundeskabinett gab: Elisabeth (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Schwarzhaupt. neten der FDP – Zuruf von der LINKEN: Die müssen aber anständige Löhne dafür bekom- (Elke Ferner [SPD]: Was hat es den Frauen men!) gebracht? Gar nichts!) Nicht die Frauen müssen sich also ändern. Ändern Es war die Union, die vor 25 Jahren das Frauenressort muss sich unsere Arbeitswelt. eingerichtet hat. Es war die Union, die die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei der Rente durchgesetzt (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hat, NEN]: Und die Männer! – Caren Marks [SPD]: Und die Ministerin!) (Rita Pawelski [CDU/CSU]: So ist es!) die einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz Die windelweiche Selbstverpflichtung unter der rot-grü- eingeführt hat, nen Bundesregierung 2001 war doch ein Rohrkrepierer. Es gab viel joviales Schultergeklopfe, aber keine Inhalte. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber so war Gerhard Schröder eben. die die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungs- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) kosten und haushaltsnahen Dienstleistungen durchge- setzt hat, und es war die Union, die den Ausbau der Kin- Ich setze deshalb auf gesetzliche Regelungen. derbetreuung auf den Weg gebracht hat. (Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- (Beifall bei der CDU/CSU – Caren Marks NIS 90/DIE GRÜNEN) [SPD]: Wie bitte? Bis zum Schluss hat sich die Union dagegen gewehrt!) Erstens. Ich will Unternehmen gesetzlich verpflich- ten, sich konkrete Zielvorgaben für den Vorstand und für Jetzt geht es darum, die Jungen und die Männer stärker den Aufsichtsrat zu setzen. einzubeziehen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10529

Bundesministerin Dr. Kristina Schröder (A) (Mechthild Rawert [SPD]: Ah!) (Caren Marks [SPD]: Ein Schulaufsatz, vierte (C) Klasse, war das!) Wenn wir Frauen zu fairen Chancen verhelfen wollen, dann müssen wir auch Männern die Chance geben, sich Vor 100 Jahren haben 1 Million Frauen dafür ge- von Rollenmustern zu lösen und auf Partnerschaft zu set- kämpft, dass das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Da- zen. mals hat sich die Sozialdemokratie das Frauenwahlrecht auf ihre Fahnen geschrieben. Es bedurfte auch noch ei- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es geht ner Revolution im wahrsten Sinne des Wortes, ehe das nicht um Fairness, es geht um Gerechtigkeit! Frauenwahlrecht 1919 eingeführt wurde. Das ist etwas anderes!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Auch das hat schon Helene Weber gesagt: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es gibt in der Politik wie überall zwischen Mann Das ging nicht nach dem Motto: Schauen wir mal, wir und Frau eine Partnerschaft. machen mal eine Quote, und dann gucken wir mal, ob es Auf diese Partnerschaft sollten wir bauen. Das muss eine geht oder nicht. Nein, wir haben Rahmenbedingungen gleichberechtigte Partnerschaft werden. gesetzt. Die Rahmenbedingung war die Einführung des Frauenwahlrechts. Dafür sind wir dankbar, und darauf sind wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Vizepräsidentin Petra Pau: stolz. Frau Ministerin, Sie können natürlich weiterreden, aber ich mache Sie darauf aufmerksam, dass das zulas- (Beifall bei der SPD) ten der Redezeit Ihrer Kolleginnen und Kollegen geht. Ich will mich jetzt nicht nur zu dem Thema Wahlfrei- (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das ist in heit einlassen. Es gilt: Wahlfreiheit setzt voraus, dass Ordnung! Sie kann noch ein bisschen weiter- das, was wir wählen wollen, auch wählbar ist. Es kann reden!) aber nicht von Wahlfreiheit gesprochen werden, wenn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht vorhan- den ist. Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami- lie, Senioren, Frauen und Jugend: (Dagmar Ziegler [SPD]: Richtig!) Ich komme zum Schluss. – Setzen wir auf diese Part- nerschaft und schaffen wir die Voraussetzung für Wahl- Das ist eine Binsenweisheit. freiheit und selbstbestimmte Entscheidungen von Män- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (D) (B) nern und Frauen. Wir werden das ebenso packen wie die der LINKEN) Frauen, die vor 100 Jahren das Wahlrecht erkämpft ha- ben: mit Selbstbewusstsein, mit Stolz und mit einer ge- Ich will auf den Antrag der SPD zu sprechen kom- sunden Portion Sturheit. men. Wir nehmen diesen 100. Geburtstag zum Anlass, um nicht nur über Deutschland und die Frauenpolitik in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Deutschland zu reden, sondern auch über die Frage der neten der FDP) Gleichstellung der Frauen in der Welt, vor allem in Ent- wicklungsländern. Deshalb ist das Ministerium für wirt- Vizepräsidentin Petra Pau: schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hier ja Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Roth das Wort. auch vertreten. Es geht vor allen Dingen darum, dass wir die Unterdrückung der Frauen dort überhaupt erst einmal (Beifall bei der SPD) wahrnehmen. Sie haben wirklich noch einen langen Weg vor sich. Ich weiß das, wir alle wissen das. Es geht in der Karin Roth (Esslingen) (SPD): Entwicklungspolitik im wahrsten Sinne des Wortes auch Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! darum, dass über das Leben von Millionen von Frauen in Frau Ministerin, die Leidenschaft Ihres Vortrags den Entwicklungsländern entschieden wird. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – René Eine Zahl ist mir heute ganz wichtig: 75 Prozent der Röspel [SPD]: Wir haben gelitten!) unbezahlten Arbeit in diesen Ländern übernehmen die Frauen. Wenn die Frauen nicht bereit wären, diese unbe- kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eigentlich zahlte Arbeit zu erledigen, würden diese Länder ganz um Wichtiges geht, nämlich um die Frage, wie die Bun- anders dastehen. Diese Situation der Frauen muss sich desregierung, das Parlament, von mir aus fraktionsüber- aber ändern. Es ist unsere Aufgabe, dies im Rahmen der greifend, Rahmenbedingungen schaffen kann, damit die Entwicklungspolitik zu unterstützen. sicher schon gut fortgeschrittene Gleichberechtigung in Deutschland noch besser wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall bei der SPD) Die Armut ist weiblich; dies ist auch bei uns so, aber vor Das heißt, es geht um Fortschritt und nicht um Pause. Es allen Dingen dort. Es geht darum, den Frauen in diesen geht nicht darum, hier zu sagen, was wir alles schon er- Ländern beispielsweise die Möglichkeit zu eröffnen, reicht haben, Frau Ministerin. nicht nur einen Schulabschluss, sondern auch einen Uni- 10530 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Karin Roth (Esslingen) (A) versitätsabschluss zu erreichen, auch und gerade um Karin Roth (Esslingen) (SPD): (C) weiterzukommen. – Danke. – In der Entwicklungspolitik, Frau Staats- sekretärin, brauchen wir natürlich weiterhin Genderpoli- Es ist wichtig, dass auch die Vereinten Nationen fest- tik. Wir brauchen weiterhin die Zielgrößen und die ent- gestellt haben, dass die Gleichberechtigung der Frauen sprechende Finanzierung. Wir brauchen im Entwick- – das gilt auch für uns – ein zentrales Thema ist und die lungsbereich die Unterstützung der Frauenpolitik und soziale Lage der Frauen, insbesondere in den Entwick- der Frauenorganisationen in diesen Ländern. Das ist zen- lungsländern, dadurch verbessert wird. Frauen sind der tral. Das gilt im Übrigen auch für die Bekämpfung von Motor für wirtschaftliches Wachstum und für soziale Menschenrechtsverletzungen, zum Beispiel sexualisier- Verantwortung. Das gilt natürlich auch bei uns, aber vor ter Gewalt gegen Frauen. Dies muss ein Ende haben. Da- allen Dingen in Entwicklungsländern. Die Frauen, die für müssen wir eintreten. sich dort engagieren, sind ehrgeizig und übernehmen Verantwortung. Vielen Dank. Interessant ist, dass die Quotenregelungen in diesen (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie Ländern – Frau Ministerin, jetzt hören Sie einmal zu – bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN) LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: dazu geführt haben, dass Frauen in den Parlamenten in Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Bracht-Bendt Afrika vertreten sind, zum Beispiel in Angola, Burundi, das Wort. Tansania und Uganda mit über 30 Prozent. Ruanda hat mit über 56 Prozent die weltweit höchste Frauenquote (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten im Parlament. Das kam nicht einfach nur so, sondern der CDU/CSU) wurde durch eine Frauenquote in den entsprechenden Wahlgesetzen erreicht. Nicole Bracht-Bendt (FDP): (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und der LINKEN) Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 1911 zogen in Berlin die Frauen auf die Straße, um für Insofern sollten wir uns hier in Deutschland nichts das Frauenstimmrecht zu kämpfen. Auch 100 Jahre nach vormachen: Ohne Frauenquote in den Unternehmen Einführung des Internationalen Frauentages sind Frauen werden wir die Gleichberechtigung nicht erreichen. Das häufig schlechter gestellt als die Männer. Frauen sind in (B) wissen wir im Grunde alle. Die Schonfrist ist zu Ende. (D) vielen Ländern bis heute die Schwächsten der Gesell- Nach zehn Jahren der Selbstverpflichtung der Unterneh- schaft. Unter dem Vorwand der Tradition werden Mäd- men ist jetzt Schluss. Ich hoffe, dass das Thema morgen chen von Bildung ausgeschlossen. Weltweit sind 12 Mil- noch einmal einen besonders prominenten Part be- lionen Menschen, hauptsächlich Frauen und Kinder, kommt. Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) In Deutschland ist die Gleichheit von Männern und Wir sind der Meinung: Die Frauen in den Entwick- Frauen in Art. 3 des Grundgesetzes verankert. Dennoch lungsländern setzen auf uns als Vorbild. Dass wir in den – das wissen wir alle – sind wir noch nicht am Ziel; ich Parlamenten so gut vertreten sind, ist ja auch ein Ergeb- sage als Stichwort nur Entgeltgleichheit bzw. Entgeltun- nis der Frauenquote in den Parteien. gleichheit. Deshalb ist der Internationale Frauentag ein guter Anlass, um Probleme beim Namen zu nennen. (Caren Marks [SPD]: Ja!) (Caren Marks [SPD]: Das reicht nicht! Wir Diejenige Partei, die noch keine Frauenquote hat, über- wollen sie gelöst haben!) legt sich ja zurzeit, eine einzuführen. Das wissen wir. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen. In den letzten (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie 15 Jahren ist die Zahl der Familienernährerinnen deut- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE lich gestiegen. Im Westen stieg die Zahl von 6,3 auf GRÜNEN) 9,5 Prozent, im Osten von 10,4 sogar auf 13,1 Prozent. Wir wollen Sie ermuntern: Führen Sie die Frauenquote (Cornelia Möhring [DIE LINKE]: Mit drei Billig- ein! jobs und trotzdem zu wenig Geld!) Entscheidend für uns Frauen, die etwas bewegen wol- Viele Frauen werden nicht freiwillig zu Hauptverdiene- len – Frau Ministerin, natürlich gemeinsam mit den rinnen; Sie haben recht. Sie werden es, wenn zum Bei- Männern, partnerschaftlich sowieso –, ist, dass wir die spiel plötzlich der Mann arbeitslos wird. Hinzu kommt entscheidenden Prioritäten setzen und Strukturen schaf- die steigende Zahl der Alleinerziehenden. Deshalb wer- fen. den Fragen der Einkommens- und Aufstiegschancen von Frauen immer bedeutender. Obwohl in Deutschland Vizepräsidentin Petra Pau: 51 Prozent der Hochschulabsolventen Frauen sind, be- Kollegin Roth, achten Sie bitte auf die Zeit. trägt der Verdienstunterschied 23 Prozent. In Europa ha- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10531

Nicole Bracht-Bendt (A) ben wir damit die rote Laterne; da gibt es nichts zu be- Gleichstellungspolitik für heute und morgen muss (C) schönigen. Vielfalt bedeuten. Familienfreundliche Personalpolitik in Unternehmen – sie wurde schon mehrmals angespro- (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: chen – muss Hand in Hand gehen mit ganz unterschiedli- Wie wäre es mit einem Mindestlohn?) chen Möglichkeiten, das Berufsleben individuell zu ge- Die Ursachen sind vielfältig. Deshalb muss an ver- stalten. Bei der Gleichstellungspolitik müssen wir alle schiedenen Stellen – ich sage: an verschiedenen Stellen – ran: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Aber wir wol- angesetzt werden. len keine Ergebnisgleichheit. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Danke. Aha! Wo denn?) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Es beginnt bei der Berufsauswahl; das liegt mir beson- der CDU/CSU) ders am Herzen. Hier dominieren immer noch traditio- nelle Bilder. Jungen lernen Kfz-Mechatroniker und In- Vizepräsidentin Petra Pau: dustriemechaniker, Mädchen werden Verkäuferin, Fri- Das Wort hat die Kollegin Ziegler für die SPD-Frak- seurin oder Bürokauffrau. Aber leider entscheiden sich tion – wenn der Kollege Wunderlich sie bitte vorbeilässt. Mädchen oft für Berufe, die von vornherein eine Ein- bahnstraße sind. Damit verbunden sind häufig ein niedri- (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) ges Einkommen und wenige Aufstiegsmöglichkeiten. Wir müssen die Ausbildung von Frauen in technischen Dagmar Ziegler (SPD): Fächern fördern. Vielen Dank, Frau Präsidentin. Männer stehen uns (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau! Stimmt!) eben doch öfter einmal im Weg. (Heiterkeit) Es reicht nicht, wenn einmal ein Berufsberater in die Schule kommt. „Fit machen fürs Leben“ muss in der Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die franzö- Schule immer wieder Thema sein. sische Regierung gilt ja nicht unbedingt als Hort linken Sektierertums. Und doch hat gerade Frankreich unter Eine andere Frage lautet: Warum bekommt ein Kfz- seinem konservativen Präsidenten Sarkozy beschlossen, Mechatroniker mehr Gehalt als eine Altenpflegerin? Auf dass bis 2017 40 Prozent der Aufsichtsrats- und Verwal- diese Frage weiß ich keine Antwort. Die Unterbewer- tungssitze mit Frauen besetzt sein müssen. Damit hat tung von sozialen Berufen zu beenden, ist für mich ein Frankreich das nachvollzogen, was Norwegen bereits gesellschaftliches Anliegen. Das müssen wir in Angriff (B) vor Jahren erfolgreich eingeführt hat, nämlich gesetzli- (D) nehmen. Ich bin froh, dass Gesundheitsminister Rösler che Quotenregelungen, um den Stillstand in Sachen in der Pflege einen Schwerpunkt setzt. Gleichstellung endlich zu überwinden. Das ist natürlich (Beifall bei der FDP) im Interesse der Frauen, aber – seien wir ehrlich – auch im Interesse der Unternehmen selbst. Ein anderer Grund, warum Frauen statistisch gesehen weniger verdienen als Männer, sind die Erwerbsunter- Wir wissen genauso wie die Franzosen und die Nor- brechungen; sie wurden schon mehrmals angesprochen. weger, dass freiwillige Maßnahmen nahezu wirkungslos Anders als in Frankreich und Skandinavien steigen viele sind. Wir haben es mehrfach betont: Das, was wir uns er- Frauen in Deutschland mehrere Jahre aus dem Berufsle- hofft haben, ist seit zehn Jahren nicht in dem Maß einge- ben aus, um sich ganz der Erziehung der Kinder zu wid- treten, wie wir es uns vorgestellt haben. Die Menschen men. Viele Frauen arbeiten Teilzeit – wir hörten vorhin: sehen das und ziehen ihre Schlüsse daraus. Ich freue 84 Prozent –, und zwar nicht, weil sie dazu gedrängt mich, dass auch die FDP-Frauen zum Teil ihre Schlüsse werden, sondern weil viele Frauen Teilzeit arbeiten wol- daraus gezogen haben. Wir werden also immer mehr. len – ich wiederhole: arbeiten wollen. Das muss klarge- Wir werden Zeugen eines gesellschaftlichen Bewusst- stellt sein. seinswandels. Immer mehr Frauen und Männer sagen: Wir brauchen keine freiwilligen Maßnahmen, sondern Jeder Monat, den eine Frau im Beruf aussetzt, bedeu- verbindliche gesetzliche Regelungen. tet Abstriche bei der Rente. Ich glaube, dass viele Frauen die Änderungen im Unterhaltsrecht nicht kennen. Vor Was aber tut unsere Ministerin Schröder? Einzig bei dem Hintergrund, dass jede zweite Ehe geschieden wird, ihr und bei der Bundesregierung zeichnet sich leider kei- ist eine längere Auszeit aus dem Beruf gefährlich. Des- nerlei Erkenntnisgewinn ab. Sie verkündet immer wie- halb wird das erfolgreich gestartete Aktionsprogramm der unverdrossen, wiederum ein Gesetz vorlegen zu wol- „Perspektive Wiedereinstieg“ von großer Bedeutung sein. len, mit dem sie erneut auf Freiwilligkeit bei den Unternehmen setzt. Als mögliche Sanktion hebt sie den Altersarmut von Frauen ist für mich ein Schreckge- Zeigefinger – spenst. Gleichstellungspolitik muss darauf abzielen, so- ziale Risiken in den Lebensläufen und Erwerbsbiogra- (Caren Marks [SPD]: Aber nur ein bisschen!) fien zu erkennen, und eine Bandbreite von Möglich- mehr ist nicht. Das kann nicht sein. So viel Naivität kön- keiten bereithalten. Im Mittelpunkt muss der Abbau von nen wir nicht mehr zulassen. Stereotypen bei Bildung, Ausbildung und Beschäftigung stehen. (Beifall bei der SPD) 10532 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dagmar Ziegler (A) Um die Gleichstellung endlich voranzutreiben, braucht nicht! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo sind (C) es die ganze Frau. denn Steinmeier und Trittin? – Gegenruf der Abg. Caren Marks [SPD]: Jedenfalls verhin- Ihre Kollegin von der Leyen ist da von einem anderen dern die keine Quote wie Sie! Sie sitzen nur da Kaliber; das haben wir in den letzten Wochen erlebt. Um und begreifen nichts! – Gegenrufe von der von ihren Versäumnissen bei Hartz IV abzulenken, hat CDU/CSU: Oh!) sie flugs eine 30-Prozent-Quote für Frauen in Aufsichts- räten gefordert. Leider ist sie dann von unserer Bundes- kanzlerin Merkel zurückgepfiffen worden. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Fischbach hat für die Unionsfraktion (Rita Pawelski [CDU/CSU]: Haben Sie das das Wort. Thema verwechselt? – Dorothee Bär [CDU/ CSU]: Ist das Ihre Rede für morgen?) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Bär, das Ver- Ingrid Fischbach (CDU/CSU): sagen der Frauenministerin kommt uns teuer zu stehen. Denn wenn Frauen weiterhin vergebens auf gleiche Teil- Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen habe in Wirtschaft und Gesellschaft warten müssen, und Kollegen! Ich glaube, Frau Marks, wir haben heute eine Chance verpasst; das haben Sie gerade wieder be- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wir kämpfen ja legt. Wenn unsere Mütter und Großmütter das Thema dafür!) Frauen und Gleichberechtigung vor 100 Jahren so ange- gangen hätten, dann hätten sie es, glaube ich, nicht ge- dann schwindet das Vertrauen in unsere demokratischen schafft, dass Frauen heute gleichberechtigt, selbstbe- Institutionen. Die Bemerkung bzw. Unterstellung der wusst und eigenverantwortlich leben können. Ministerin, wenn sich Frauen für Teilzeit entschieden, dann sei das frei gewähltes Schicksal, fand ich ziemlich (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ca- vermessen. Das ist für viele Frauen purer Hohn. ren Marks [SPD]: Mit Ihnen an der Seite nicht! Das stimmt! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Tauber [CDU/CSU]: Aber mit Ihnen, Frau Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/ Marks! Ganz bestimmt!) DIE GRÜNEN] – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Hat sie Schicksal gesagt?) Aber sie haben eines besser gemacht als wir. Dass wir das heute in dieser Debatte zum Teil nicht hinbekommen Der Schaden, den Ihre Untätigkeit anrichtet, lässt sich haben, stimmt mich etwas traurig; ich hätte die Chance auch konkret in Cent und Euro beziffern. (B) gern genutzt. Anstatt dass wir uns an den Stellen, an de- (D) (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Man muss auch nen wir gemeinsam etwas erreichen können, gemeinsam mal reagieren und nicht Reden vom Vortag auf den Weg machen, schaffen wir es immer wieder, uns vorlesen!) gegenseitig – – Denn Frauen, die man mit Niedriglöhnen abspeist – Frau (Christel Humme [SPD]: Machen Sie mal ei- Bär, davon haben Sie sicherlich noch nichts zu spüren nen Vorschlag! Wir haben noch keinen Vor- bekommen –, sind später häufig von Altersarmut betrof- schlag gehört!) fen. Auch die Vernachlässigung unserer gut ausgebilde- – Sehen Sie, das ist genau der Punkt, Frau Humme: Ein ten weiblichen Fachkräfte in der Wirtschaft bedeutet für bisschen mehr Ruhe, den anderen ausreden lassen, ihn diese Wirtschaft Milliardenverluste. Man muss sich ein- respektieren, auch seine Entscheidung respektieren, mal hinsetzen und die Fakten genau anschauen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) das wäre ein guter Weg. Die Kosten für eine aktive und wirkungsvolle Gleich- Frau Marks, Sie haben gesagt, von alleine gehe stellungspolitik wären sehr viel geringer. Deshalb kann gleichstellungspolitisch nichts voran; da haben Sie recht. ich Ihnen wirklich nur noch einmal ins Stammbuch Aber es geht auch nichts voran, wenn wir die Männer schreiben: Lesen Sie das Gutachten! Ziehen Sie für den nicht mitnehmen. ersten Gleichstellungsbericht kluge Schlüsse aus dem (Karin Roth [Esslingen] [SPD]: Ach, die Ar- Gutachten, und lassen Sie es nicht in der unteren Schub- men! – Caren Marks [SPD]: Wir haben unsere lade verschwinden! Wir befürchten allerdings, dass ge- Männer mitgenommen!) nau das passiert. Deshalb bleibt unseren Frauen wohl nur übrig, auf die nächste Wahl zu warten. Ich verleihe aber – Nicht „die Armen“, Frau Roth, das ist genau falsch. meiner Erwartung und Hoffnung trotzdem noch einmal Das ist genau der Punkt, der uns alle Möglichkeiten, die Ausdruck und sage: Es gibt viele Frauen in der Koaliti- wir haben, kaputtmacht. onsfraktion, die so denken wie wir. Lassen Sie uns doch einfach einmal gemeinsam eine Initiative starten! Wir brauchen Mehrheiten. Wenn die Männer nicht mit- ziehen, können wir uns so weit aus dem Fenster lehnen, (Beifall bei der SPD – Dorothee Bär [CDU/ wie wir wollen. Wir müssen die Männer mitnehmen. CSU]: Wo ist denn Ihr Fraktionsvorsitzender Das haben unsere Großmütter und Mütter früher auch heute? Die Debatte interessiert ihn überhaupt geschafft. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10533

Ingrid Fischbach (A) (Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau! Das ist – Sie handeln doch die Tarifverträge aus. Da müssen Sie (C) der einzige Weg!) hier nicht den Kopf schütteln. Sie haben die Männer überzeugt, dass es richtig war. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Aber doch nicht die Eingruppierungen!) Wir wollen das ja nicht, weil wir angeblich besser sind, sondern wir haben andere Dinge zu bieten; denn – Aber Boni und Sonderzahlungen. Haben Sie schon wir sehen die Dinge anders. einmal an Verhandlungen teilgenommen? Wer denkt denn daran, dass Frauen andere Erwerbsbiografien oder (Beifall bei der CDU/CSU) auch Erwerbsbrüche in ihrer Biografie haben? Wir gehen aufgrund unserer Entwicklung und Ge- (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist ja nicht schichte pragmatischer an die Dinge heran und treffen zu fassen! Ein bisschen mehr Seriosität!) Entscheidungen anders. Deswegen ist es wichtig, dass wir davon überzeugen, dass dann, wenn Frauen mitmi- Hier muss man doch ansetzen und dafür sorgen, dass die schen – an allen Stellen und in allen Bereichen –, bessere Situationen anders bewertet werden. Ergebnisse erzielt werden. Das gilt genauso für Auf- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und sichtsräte und Vorstände. Alle Unternehmen, die Frauen der FDP) in der Führungsriege haben, schreiben bessere Ergeb- nisse. Wie wird denn Teilzeitarbeit bei uns bewertet? Auch hier müssen wir etwas tun. Sie sehen es doch: Sie reagie- (Rita Pawelski [CDU/CSU]: So ist es!) ren genau so, wie man nicht reagieren sollte. Ich finde es wirklich schade, dass wir diese Chance (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ein biss- heute vertun. chen mehr Seriosität erwarte ich von Ihnen!) (Caren Marks [SPD]: Welche Chance denn? – – Das ist genau der Punkt. Wenn man die Gewerkschaf- Christian Lange [Backnang] [SPD]: Was denn ten auch einmal in die Pflicht nimmt, dann sagen Sie: für eine Chance?) Die haben nichts damit zu tun, das müssen die Unterneh- men machen. – Ich möchte, dass sich die Gewerkschaf- Es ist ein 100. Geburtstag. An dieser Stelle sollte man ten nach 100 Jahren auch den Frauenfragen verpflichtet doch wirklich einmal schauen, was wir gemeinsam auf fühlen. den Weg bringen können, und nicht immer dazwischen- rufen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie können 100-mal dagegenrufen; das nützt nichts. Das (B) (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ach (D) Gott! Was wollen Sie denn jetzt gemeinsam sind diejenigen, die verhandeln. machen?) Ich wünsche mir, dass auch in den Gewerkschaften Es gibt Forderungen, die wir gemeinsam durchsetzen Frauen an der Spitze sind. Für andere Bereiche werden müssen. Es ist für mich und für viele junge Frauen nicht entsprechende Forderungen aufgestellt. Warum nicht in hinnehmbar, dass Frauen in Deutschland bei gleicher Bezug auf die Gewerkschaften? Wir müssen mit bestem Ausbildung und gleichwertiger Arbeit heute noch Beispiel vorangehen. Wir als CDU/CSU-Fraktion kön- 23 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kol- nen das. legen. Die Frau Ministerin hat noch einmal deutlich gemacht (Beifall des Abg. Willi Brase [SPD] – Zuruf – dafür bin ich sehr dankbar –, welche gleichstellungs- von der SPD: Was tun Sie denn?) politischen Erfolge unter einer CDU/CSU-Bundesregie- rung erzielt wurden. Lassen Sie uns doch einmal an die Ursachen herange- hen, gemeinsam Grenzen überschreiten und sagen: Das (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wollen wir jetzt verändern; das ist unsere Aufgabe, die Es gab Zeiten – das geben wir ehrlich zu –, in denen das wir gemeinsam angehen. – Ich glaube, hierfür brauchen nicht das große Thema war. Da hatten wir andere Pro- wir bei unseren Kollegen gar keine große Überzeu- bleme, die wir lösen mussten, und das Thema trat etwas gungsarbeit zu leisten. in den Hintergrund. Das bedeutet aber nicht, dass wir das (Sönke Rix [SPD]: Legen Sie mal was vor! Brin- Schiff nicht wieder gemeinsam in Fahrt und auf den Weg gen Sie mal einen Gesetzentwurf ein!) bringen können. Ich finde, wir haben eine gute Chance, gemeinsam für Vielleicht müssen wir vermehrt bei den Gewerkschaf- Verbesserungen zu sorgen, damit die Grundsatzarbeit, ten Überzeugungsarbeit leisten, die die Löhne ja auch ausverhandeln. Wenn ich mir die dortigen Vorstandsrie- die unsere Mütter und Großmütter geleistet haben, nicht gen anschaue, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Für Ta- umsonst war. Lassen Sie uns die Arbeit fortführen. rifabschlüsse sind vorrangig Männer verantwortlich. Ich möchte mit einem Auszug aus der Stellungnahme des Katholischen Frauenbundes in Deutschland schlie- (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Erzählen ßen, der zu seinem 100. Geburtstag geschrieben hat: Sie doch nicht so einen Blödsinn! Als ob die Gewerkschaften die Eingruppierungen festle- Heute nutzen wir die Möglichkeiten unserer Zeit, gen!) um einen Neuaufbruch zu schaffen – mit dem Ge- 10534 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Ingrid Fischbach (A) wicht der hundertjährigen Geschichte im Gepäck, Ich will kurz auf die Herausforderungen eingehen. Ich (C) mit dem Wind der hundertjährigen Geschichte im sehe die Hauptherausforderung derzeit darin, in unseren Rücken. Morgen werden unsere Töchter dort das Anstrengungen nicht nachzulassen. Denn gerade weil fortsetzen, wozu heute die Zeit für Veränderungen schon so vieles erreicht wurde, scheint das Thema vor noch nicht reif war. Sie werden dies tun, wenn wir allem junge Menschen nicht sonderlich zu interessieren. mutig auch für jene Forderungen eintreten, die Studien bestätigen das. nicht selbstverständlich Beifall finden. Fragt man 20-jährige Frauen und Männer nach ihrer Dazu lade ich Sie herzlich ein. Meinung zur Gleichstellung, wie es in der Sinus-Studie der Fall war, so stellt man fest, dass sie ganz selbstver- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ständlich davon ausgehen, dass sie gleiche Chancen ha- ben. Bei genauer Nachfrage werden die Unterschiede im Vizepräsidentin Petra Pau: Rollenverständnis und in den Lebensentwürfen jedoch Das Wort hat die Kollegin Schön für die Unionsfrak- sehr wohl erkennbar. Dabei wird deutlich: Gleichberech- tion. tigung ist noch längst nicht in allen Köpfen angekom- men. Das ist aber notwendig. Denn nur dann, wenn sich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- im Denken etwas ändert, wird sich auch in der Praxis et- neten der FDP) was ändern. Umgekehrt gilt: Nur dann, wenn sich in der Praxis etwas tut, wird sich auch im Denken etwas än- Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): dern. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Dass es in der Praxis Nachholbedarf gibt, ist deutlich Kollegen! Die ungarische Schauspielerin Zsa Zsa Gabor geworden. Die einzelnen Punkte sind heute Nachmittag hat einmal gesagt: Wenn ein Mann zurückweicht, weicht oft genug genannt worden: Frauen in Führungspositio- er zurück. Eine Frau weicht nur zurück, um besser An- nen, in der Wissenschaft und in den Hochschulen, in den lauf nehmen zu können. Medien, sowohl aktiv als auch passiv – das ist noch nicht (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und angesprochen worden –, aber auch die politische Partizi- der FDP) pation auf allen Ebenen. In all diesen Bereichen schlum- mern noch große Potenziale. Dabei geht es nicht darum, Das ist ein schönes und passendes Zitat, wenn wir in wie Herr Ackermann vielleicht glaubt, etwas farbiger diesen Tagen den 100. Geburtstag des Weltfrauentags und schöner zu machen, sondern es soll schlicht und ein- feiern. Es ist ein Tag mit einer beeindruckenden und fach fairer und besser gemacht werden. wechselvollen Geschichte. Diese Geschichte haben wir (D) (B) im Antrag der Regierungskoalition bewusst in den Vor- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- dergrund gestellt. neten der FDP) Liebe Kollegin Marks, Sie haben diesen guten Antrag Das Thema ist nach wie vor aktuell. Es besteht nach eben kritisiert. Ich frage mich, warum die Oppositions- wie vor Handlungsbedarf, was das Denken und die Pra- parteien nicht selber einen Antrag zum 100. Jahrestag xis angeht. Ich wünsche mir, dass der Weltfrauentag in vorgelegt haben. diesen Tagen dem Ganzen neuen Schwung gibt, und zwar mit Ihrer aller Unterstützung. (Caren Marks [SPD]: Unser Antrag kommt morgen! Wir haben morgen etwas Konkretes: Wir sollten am 8. März unser Augenmerk allerdings die Quote! Nicht so ein Laber-Rhabarber! – nicht nur auf die Frauen als Gestalterinnen richten, son- Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dern auch auf die Verbrechen, die ihnen angetan werden. NEN]: Wir haben einen!) Tagtäglich werden Frauen misshandelt, missbraucht und zum Verkauf ihres Körpers gezwungen. Um diesen Die Grünen haben einen Antrag vorgelegt, der aber Frauen zu helfen, gibt es viele Hilfsorganisationen und auf einen speziellen Teil des ganzen frauenspezifischen Angebote. Ich denke, auch der 100. Weltfrauentag ist Spektrums reduziert ist. Das finde ich sehr schade. eine gute Gelegenheit, um all den Menschen, die sich für diese Frauen einsetzen, ein Wort des Dankes zu sagen. Wir erinnern in unserem Antrag an die Genese der Frauenbewegung, an ihren unterschiedlichen Verlauf in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Ost und West – die Kollegin Bär hat das dargestellt – neten der FDP) und auch an die weltweite Bedeutung dieses Tages. Wir erinnern an all die Verbesserungen für Frauen und an Auch auf internationaler Ebene bestehen noch große diejenigen, die dazu beigetragen haben. Herausforderungen. Weltweit werden Frauen als Mittel der Kriegsführung vergewaltigt. Bei Kriegen und Kata- Wir definieren in unserem Antrag aber auch zukünf- strophen sind gerade Frauen die Hauptleidtragenden. tige Herausforderungen. Denn 100 Jahre Weltfrauentag sind nicht nur ein Grund zum Feiern, sondern in erster Man muss aber auch sehen, dass es gerade die Frauen Linie Ansporn und Verpflichtung für die nächsten sind, die in von Kriegen und Naturkatastrophen zerrütte- 100 Jahre. ten Ländern die Gesellschaft zusammenhalten. Es sind die Frauen, die Aufbauarbeit, Versöhnungs- und Zu- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und kunftsarbeit leisten. Es sind starke Frauen in den Ent- der FDP) wicklungsländern und Krisenregionen, die am heutigen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10535

Nadine Schön (St. Wendel) (A) Tag besonders unseren Respekt und unsere Solidarität Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir später na- (C) verdienen. mentlich über diesen Gesetzentwurf abstimmen werden. Gerade in diesen Tagen haben wir es tagtäglich vor Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Augen: In Tunesien, Ägypten und Libyen werden wir Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich Zeugen einer nie für möglich gehaltenen Demokratisie- höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. rungsbewegung. Dabei marschieren häufig die Frauen Ich würde gern die Aussprache eröffnen, werde das vorweg. Es sind mutige Frauen, denen am Weltfrauentag aber erst tun, wenn all diejenigen, die an dieser Debatte unsere Solidarität gilt. teilnehmen wollen, einen Sitzplatz gefunden haben und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- alle anderen ihre Gespräche außerhalb des Plenarsaales neten der FDP) fortsetzen. Ich freue mich, dass wir in diesen Tagen und auch zu- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege künftig intensiv über diese Themen diskutieren können. Götz für die Unionsfraktion. Ich bin stolz darauf, den 100. Jahrestag des Weltfrauen- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) tags mit Ihnen und all den Frauenverbänden und -organi- sationen sowie den Gleichstellungsbeauftragten, die in diesen Tagen in Berlin tagen, und natürlich mit allen Peter Götz (CDU/CSU): Frauen feiern zu können. Ich sage: Happy Birthday, auf Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! die nächsten 100 Jahre und darauf, dass wir Frauen in Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Jahr diesen 100 Jahren noch oft zurückweichen, allerdings wollen wir das Baugesetzbuch anpassen und die Baunut- nur um Anlauf zu nehmen! zungsverordnung ändern. Dabei geht es vor allem da- rum, den Klimaschutz stärker zu verankern, den Vorrang Danke. der Innenentwicklung zu stärken und die Genehmi- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gungsverfahren weiter zu entbürokratisieren. Das ist nichts Neues, sondern steht so in der Koalitionsvereinba- Vizepräsidentin Petra Pau: rung. Es macht allerdings wenig Sinn, Woche für Woche jede einzelne Bestimmung im Baugesetzbuch oder in der Ich schließe die Aussprache. Baunutzungsverordnung kleckerweise hier im Plenum Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der auf die Tagesordnung zu setzen. Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- 17/4860 mit dem Titel „100 Jahre Internationaler Frau- neten der FDP) (B) entag“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt da- (D) gegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Es ist purer Aktionismus, wenn die Grünen ständig Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. neue Einzelanträge zum Bauplanungsrecht produzieren. Heute ist es der Außenbereich nach § 35 des Baugesetz- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und buches. Einmal geht es um die Spielhallenproblematik in der FDP – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Gegen der Baunutzungsverordnung, ein anderes Mal um Kin- die Frauenopposition!) derlärm in Wohngebieten. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: auf den Drucksachen 17/4846 und 17/4852 an die in der Kommen Sie mal zum Thema!) Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann Hierzu ändern wir übrigens gerade das Bundes-Immissi- sind die Überweisungen so beschlossen. onsschutzgesetz. Außerdem haben wir erklärt, dass wir zusätzlich die Baunutzungsverordnung ändern werden, Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: um Rechtssicherheit zu schaffen. Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord- (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- neten Bettina Herlitzius, Friedrich Ostendorff, NEN]: Da bin ich mal gespannt!) Undine Kurth (Quedlinburg), weiteren Abgeord- neten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ma- NEN eingebrachten Entwurfs eines Ersten Ge- chen Sie konstruktiv mit, wenn wir wie vorgesehen das setzes zur Änderung des Baugesetzbuchs – Bauplanungsrecht insgesamt novellieren! Lassen Sie Beschränkung der Massentierhaltung im Au- einfach diese Spielchen mit Einzelanträgen! Sie verwir- ßenbereich ren damit nur die Leute vor Ort, die mit dem Baugesetz- buch wirklich arbeiten müssen. – Drucksache 17/1582 – (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- neten der FDP – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ ses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung DIE GRÜNEN]: Mit dieser Rede kommen Sie (15. Ausschuss) vor Ort aber nicht mehr an!) – Drucksache 17/4724 – Das Gesetzgebungsverfahren für das gesamte Bau- Berichterstattung: und Planungsrecht wird gründlich vorbereitet. Ich be- Abgeordneter Peter Götz grüße, dass das Bundesministerium für Verkehr, Bau und 10536 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Peter Götz (A) Stadtentwicklung das Deutsche Institut für Urbanistik Gebiete in der jeweiligen Gemeinde der gesamte Privile- (C) damit beauftragt hat, eine Reihe von Expertengesprä- gierungstatbestand nicht mehr greifen. Das heißt, ein ge- chen mit dem Titel „Berliner Gespräche zum Städte- plantes Bauvorhaben muss unter Hinweis auf das Son- baurecht“ durchzuführen. Auf diesem Weg konnten dergebiet nicht mehr genehmigt werden. frühzeitig Erfahrungen von Experten, und zwar aus der Es gibt also vor Ort viele Möglichkeiten, mit dieser Wissenschaft und der Praxis vor Ort, gewonnen werden. Problematik umzugehen. Sie muss allerdings auch ge- Es war auch selbstverständlich, dass die kommunalen nutzt werden. Die Entscheidung darüber treffen nicht Spitzenverbände ebenso frühzeitig in dieses Verfahren wir hier in Berlin, sondern ausschließlich die Gemeinden eingebunden waren. Die durchgeführte Auswertung ist in Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten, eine ausgezeichnete Grundlage für die anstehende No- vellierung des Baugesetzbuchs und der Baunutzungsver- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE ordnung. GRÜNEN]: Die haben ja nichts zu sagen! Das ist doch völliger Quatsch! Die kommen doch (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zu uns!) NEN]: Da steht die Massentierhaltung nicht drin!) und das ist auch in Ordnung. Sie tun dies im Rahmen ih- rer kommunalen Planungshoheit. Diese Auswertung bestätigt nochmals, dass sich das geltende Bau- und Planungsrecht dem Grunde nach be- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie währt hat. Es wird in den Städten und Gemeinden in ho- schieben die Verantwortung auf andere!) hem Maße akzeptiert. Deshalb sind – auch das sage ich Meines Wissens sind zum Beispiel im Landkreis an dieser Stelle – revolutionäre Veränderungen nicht zu Emsland gegenwärtig mehrere Gemeinden dabei, mit erwarten. Vielmehr wird es im Wesentlichen darum ge- den Instrumenten der geltenden Bauleitplanung die Ent- hen, die bestehenden Planungsinstrumente weiterzuent- wicklung größerer Anlagen zur Haltung von Tieren zu wickeln und fortzuschreiben. Dabei ist auch klar, dass steuern. wir die Belange des Klimaschutzes und die Anpassun- gen an den Klimawandel als dauerhafte Zukunftsaufgabe (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE der Städte und Gemeinden stärker verankern werden. GRÜNEN]: Das lassen Sie uns mal genau an- Klimaschutz hat vor allem eine städtebauliche Dimen- schauen, was da passiert!) sion. Ihm können die Gemeinden bei ihren Vorgaben zur Unabhängig davon werden wir dieses Thema mit in die örtlichen Bodennutzung Rechnung tragen. Beratungen zum Baugesetzbuch aufnehmen, und wer- Wir wollen im Bau- und Planungsrecht den Bereich den, wenn notwendig, auch eine Lösung finden. Es ist (B) der Entwicklung von Windenergie an Land angemessen unsere politische Aufgabe, im parlamentarischen Ver- (D) regeln. Dies entspricht übrigens den Grundzügen unse- fahren das Für und Wider sorgfältig abzuwägen. Ich res bereits beschlossenen Energiekonzepts. Konkret geht kann Ihnen versichern: Das werden wir auch tun. es dabei um die Absicherung des Ersatzes alter durch (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neue Windenergieanlagen. Davon sind sowohl Anlagen neten der FDP) im Bebauungsplangebiet als auch im Außenbereich be- troffen. Wenn wir über Änderungen in Bezug auf den Wichtig ist uns, dass wir uns nicht nur mit dem Au- Außenbereich nachdenken, sind wir ganz schnell bei der ßenbereich beschäftigen, sondern auch mit der Innenent- privilegierten landwirtschaftlichen Nutzung, mit der wir wicklung. Innenstädte und Ortskerne sind die Schlüssel uns ebenfalls auseinandersetzen müssen. für eine gute Stadtentwicklung. Dort findet die Identifi- kation der Bürgerinnen und Bürger statt. Innenstädte und Wir wissen sehr wohl, dass die Ansiedlung von Anla- Ortskerne dienen der Versorgung und sind der kulturelle gen der Intensivtierhaltung im planungsrechtlichen Au- und gesellschaftliche Mittelpunkt – auch wenn Ihnen das ßenbereich in bestimmten Regionen stark zugenommen offensichtlich nicht gefällt. Urbanität und Baukultur set- hat. Dies führt vor Ort zu entsprechenden Nutzungskon- zen den qualitativen Anspruch für eine positive und at- flikten in den Gemeinden. Deshalb war dieses Problem traktive Kommune, in der man gerne lebt. Unser Ziel ist, auch Thema der eingangs von mir zitierten „Berliner diese Entwicklung im Inneren zu stärken und die Neu- Gespräche zum Städtebaurecht“. Dort war man überwie- inanspruchnahme von Flächen auf der grünen Wiese gend der Auffassung, dass die Kommunen nach der gel- weitgehend zu vermeiden. tenden Rechtslage über eine Reihe von bauplanungs- rechtlichen Steuerungsinstrumenten verfügen, um mit 2006 haben wir mit dem Gesetz zur Erleichterung von den Nutzungskonflikten umgehen zu können. Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte eine Reihe von Instrumenten für die Stärkung der Innen- Die Kommunen haben heute einen ganzen Instrumen- entwicklung geschaffen. Nun wollen wir sowohl im tenkasten, aus dem sie das Passende für ihre Gemeinde Baugesetzbuch als auch in der Baunutzungsverordnung auswählen können, von der Aufstellung eines einfachen weitere Verbesserungen für die Kommunen im Interesse Bebauungsplanes für den Außenbereich nach § 30 Bau- der Kommunen vornehmen. Schließlich wollen wir Pla- gesetzbuch über die Aufstellung mehrerer Bebauungs- nungs- und Genehmigungsverfahren weiter beschleuni- pläne, die den Außenbereich der Gemeinde ganz oder gen. Das wird zu Kostenentlastungen führen. teilweise erfassen, bis zur Ausweisung von Sondergebie- ten in Bebauungsplänen für gewerbliche Tierhaltungsbe- Beim Bau- und Planungsrecht hat sich seit Jahrzehn- triebe. Im letztgenannten Fall würde außerhalb dieser ten bewährt, notwendige Änderungen sorgfältig vorzu- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10537

Peter Götz (A) bereiten. Dies ist durch die frühzeitige Einbindung von (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (C) Experten und Kommunen geschehen. Die im November des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) vergangenen Jahres vorgestellten Ergebnisse der Gesprä- Wer Fleisch und Geflügel in Deutschland isst, soll als che zum Städtebaurecht sind eine ausgezeichnete Grund- Verbraucher nicht nur sicher sein, dass es nicht verseucht lage, auf der aufgebaut werden kann. Im Namen der oder vergiftet ist, sondern auch wissen, dass die Tiere CDU/CSU-Bundestagsfraktion danke ich dafür Baumi- artgerecht gehalten werden. Dafür setzt sich die SPD- nister Dr. Peter Ramsauer und allen daran Beteiligten. Bundestagsfraktion ein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Nach unserer Auffassung stehen nicht zuletzt tier- Beckmeyer [SPD]: Er ist gar nicht hier! – schutzrechtliche Regelungen im Mittelpunkt der Be- Hans-Joachim Hacker [SPD]: Im Geiste!) trachtungen. Sie können und müssen weiter verbessert – Man kann auch jemandem danken, der nicht hier ist, werden. Eine baurechtliche Regelung allein löst das Pro- Herr Kollege. blem nicht. Im Planungsrecht ist es eine gute Tradition, mit aus- (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gewählten unterschiedlichen Städten, Gemeinden und NEN]: Aber man sollte es einmal machen!) Kreisen zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens Beispielsweise bedarf die Tierschutz-Nutztierhaltungs- die Auswirkungen der beabsichtigten Änderungen in verordnung dringend einer Überarbeitung. Das haben Planspielen zu erproben. Das ist besser als irgendwelche auch Fachgespräche am heutigen Tage noch einmal be- Schnellschüsse. legt. Das ist seit langem eine Forderung von uns. Diese Im Gegensatz zu den Grünen wollen wir das Bau- und Forderung muss erfüllt werden. Planungsrecht nicht gestückelt, sondern im Zusammen- Bereits seit mehreren Jahren entstehen immer mehr hang beraten und in diesem Jahr zum Abschluss bringen. und immer größere Tiermastanlagen in Deutschland; Das ist für die, die in den Kommunen damit arbeiten weitere sind geplant und stehen vor der Realisierung. müssen – davon bin ich fest überzeugt –, der bessere Wir alle kennen die Probleme im Land Niedersachsen. Weg. Deshalb lehnen wir den Einzelantrag zu § 35 des Dort werden mehr als 5 Millionen Puten, also etwa zwei Baugesetzbuches ab. Drittel der Puten in Deutschland, gehalten. Dort werden 57 Millionen Hühner – das sind 50 Prozent der Masthüh- Ich lade alle Fraktionen dazu ein, aktiv an der Weiter- ner in Deutschland – gehalten. Die riesigen und immer entwicklung des Baugesetzbuches und der Baunutzungs- größer werdenden Anlagen müssen kontrolliert und bes- verordnung mitzuwirken. Dann werden wir gemeinsam ser überwacht werden. Dazu gehört auch – das fordern ein gutes Ergebnis erzielen. (B) wir ebenso – die Einführung eines Tierschutz-TÜV; (D) Herzlichen Dank. denn wir als Verbraucher wollen, dass Tiere ordentlich und artgerecht gehalten werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Zur Wahrheit gehört auch: Die Tierproduktion ist ein Das Wort hat nun Hans-Joachim Hacker für die SPD- gewaltiger Markt mit hohen Umsätzen und vielen Ar- Fraktion. beitsplätzen. Es liegt an uns, einen Weg zu finden, um Tierschutz und Nahrungsmittelproduktion in Einklang (Beifall bei der SPD) zu bringen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen Ge- Hans-Joachim Hacker (SPD): setzentwurf vorgelegt, der eine Lösung dieser Problema- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die tik im Baugesetzbuch sucht. Beabsichtigt ist eine Rege- Zahl der Vegetarier in Deutschland hat sich in den letz- lung, nach der künftig für Massentieranlagen im ten zwei Jahrzehnten vervielfacht. Sicherlich ist es die Außenbereich keine Privilegierung mehr möglich sein Aufgabe der Ernährungsforschung, herauszufinden, wo- soll. ran das liegt. Es ist nicht auszuschließen, dass es nicht nur an dem einen oder anderen Essen liegt, das einem (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- einfach nicht schmeckt, sondern auch an dem Wissen NEN]: Gewerbliche! Bäuerliche ja!) darüber, wie Tiere gehalten werden. Wer kennt nicht die Der Gesetzentwurf greift allerdings – hier verweise ich Berichte über die Haltungsbedingungen von Geflügel, auf meine Eingangsausführungen – die Problematik der Schweinen und anderen Tieren zur Nahrungsproduktion, Massentierhaltung nur einseitig auf. und wer war davon nicht schon einmal schockiert und abgestoßen? (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Kann er auch nur!) Die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutsch- Fragen des Tierschutzes, der Kontrollen und der land fragen immer kritischer danach, wie Tiere gehalten Hygiene werden nicht thematisiert. Dazu gibt es in die- und wie Fleisch und Geflügel produziert werden. Diese sem Gesetzentwurf keine Lösungsansätze. Fragen drängen sich auf. Die Bundespolitik darf nicht wegschauen, insbesondere deshalb nicht, weil immer (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE wieder Lebensmittelskandale öffentlich werden. GRÜNEN]: Das ist auch nicht Gegenstand des 10538 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Hans-Joachim Hacker (A) Baugesetzbuches! Dazu werden wir auch Vor- verträglich sind. Das muss der baurechtliche Ansatz (C) schläge machen!) sein. Diesem baurechtlichen Ansatz verschließt sich die SPD-Bundestagsfraktion nicht. Darüber hinaus – das Es greift aber zu kurz, sich dem Thema lediglich bau- will ich noch einmal unterstreichen – bedürfen tier- rechtlich zu nähern. schutzrechtliche Regelungen, insbesondere das Tier- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: schutzgesetz und weitere Verordnungen, in unterschied- Das ist doch ein erster Schritt! Warum gehen lichen Bereichen einer dringenden Klarstellung. Sie nicht diesen ersten Schritt mit?) (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE Der Gesetzentwurf enthält zudem eine juristische Un- GRÜNEN]: Das hat mit dem Baurecht nichts schärfe, die in der Rechtsanwendung eher zur Verwir- zu tun!) rung führt, als dass damit Klarheit geschaffen wird. Was Die Widersprüche, die hier existieren, müssen gelöst meinen Sie denn mit dem Satz: werden. Das ist aber mit einer Änderung des § 35 Bau- Ein Vorhaben, das der Tierhaltung dient und nicht gesetzbuch nicht möglich. nach Satz 1 Nr. 1 (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten – des § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch – der FDP – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Völlig klar! – Bärbel Höhn zugelassen werden kann, ist in der Regel auch nicht [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch nach Satz 1 Nr. 4 zulässig. nicht unser Ziel!) Was bedeutet diese Regelung? Diese Formulierung öff- Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, es net der subjektiven Auslegung Tür und Tor und führt gibt auch nicht die Alternative, Tierhaltungsbetriebe statt nicht dazu, dass die von vielen nachvollziehbar kriti- im Außenbereich im Innenbereich anzusiedeln. Das ist, sierte Massentierhaltung im Außenbereich beendet wird. so denke ich, auch nicht streitig. Diese Alternative stellt Ihr Gesetzentwurf spricht in der Überschrift selbst le- sich nicht; denn schon zur Vermeidung von Verkehr ist diglich von einer Beschränkung der Massentierhaltung es notwendig, Tierhaltungsanlagen in der Nähe von im Außenbereich. In der Begründung zum Gesetzent- landwirtschaftlichen Betrieben anzusiedeln, in denen wurf wird dann auch richtigerweise ausgeführt – ich zi- Futter produziert und Gülle unschädlich abgefahren wer- tiere –, den kann. dass die vorgeschlagene Regelung nicht zu einem Ich möchte auf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen Totalverbot der Massentierhaltung führt. Vielmehr vom Bündnis 90/Die Grünen, zugehen und Sie zu einer (B) kann diese auch in Zukunft insbesondere dort zuläs- Diskussion einladen, in der es darum geht, wie wir ein (D) sig sein, wo die Gemeinden entsprechende bauleit- besseres Steuerungsinstrument im Planungsprozess für planerische Entscheidungen treffen. die Errichtung von Anlagen der Massentierhaltung fin- den können. Das ist aber bereits nach geltender Rechtslage weitestge- hend möglich. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können doch nicht jahrelang diskutieren! (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir müssen auch mal etwas tun!) Eben nicht!) – Wir wollen nicht jahrelang diskutieren. Eine solche Die Zielgenauigkeit und die praktische Wirksamkeit Regelung muss kommunalfreundlich sein und darf die Ihres Vorschlages zur Ergänzung des § 35 Abs. 1 Bauge- Möglichkeiten der Gebietskörperschaften nicht überstei- setzbuch werden nicht nur von Mitgliedern der SPD- gen. Bundestagsfraktion hinterfragt, sondern auch von unab- hängigen Fachexperten. Hinzu kommt: Die Positionen (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der Länder sind in dieser Frage ebenfalls unterschied- NEN]: 900 Anlagen sind beantragt!) lich. In einigen Ländern werden hygienerechtliche Vor- Eine solche Regelung, wie ich sie hier angemahnt schriften diskutiert und in den Bundesrat eingebracht; habe, muss kommunalfreundlich sein, und sie muss so- hier erinnere ich an den Vorschlag von Nordrhein-West- wohl baurechtliche Aspekte lösen wie auch Erforder- falen. Andere Länder lehnen eine Änderung des § 35 nisse der spezialgesetzlichen Regelungen einbeziehen. Baugesetzbuch hinsichtlich der Problematik der Massen- tierhaltung im Außenbereich jedenfalls zum gegenwärti- Die SPD-Bundestagsfraktion enthält sich bei der Ab- gen Zeitpunkt ab. stimmung über diesen Gesetzentwurf, In der Tat gibt es auch heute schon baurechtliche (Peter Götz [CDU/CSU]: Kraftvolle Möglichkeiten, um die Ansiedlung von gewerblichen Enthaltung!) Tierhaltungsanlagen zu steuern. Hierzu gehören die Auf- stellung von Bauleitplänen oder die Ausweisung von ge- weil mit diesem Gesetz die Balance zwischen den not- eigneten Standorten für solche Anlagen im Flächennut- wendigen Verbesserungen im Tierschutz und den Mög- zungsplan. lichkeiten zur Lebensmittelproduktion nicht hergestellt wird. Der Gesetzentwurf enthält Unschärfen – ich hatte Im Kern geht es aber nicht darum, Anlagen generell darauf hingewiesen – mit dem Begriff „in der Regel“, zu verhindern, sondern Standorte dort zu planen, wo sie mit denen wir dem Lösungsziel nicht näher kommen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10539

Hans-Joachim Hacker (A) Damit ist das Thema aber für uns längst nicht beendet. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE (C) Die Diskussion über die baurechtlichen Aspekte muss GRÜNEN]: Haben wir nicht! Wir sind schon fortgesetzt werden. ein Stück weiter!) Ich greife an dieser Stelle das Ergebnis der Berliner und bitte sie, sich auf den Weg der Diskussion mit den Gespräche zur Novelle des Baugesetzbuches auf; Herr anderen Fraktionen in diesem Haus zu begeben. Götz, Sie hatten das schon angesprochen. Das wird in Vielen Dank. der SPD-Bundestagsfraktion ernsthaft diskutiert. Wir werden die Vorlagen in den weiteren Diskussionsprozess (Beifall bei der SPD – Bettina Herlitzius einfließen lassen. Unter den Experten gab es bei dieser [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben Diskussion zum Thema Massentierhaltung keine einheit- eine Lösung! Wir sind schon weiter!) liche Auffassung dahin gehend, dass eine Änderung des § 35 Baugesetzbuch notwendig ist. Die Experten haben Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: gesagt, das bedarf einer ernsthaften Prüfung. Ich sage es Das Wort hat nun Kollegin Petra Müller für die FDP- noch einmal: Die SPD-Bundestagsfraktion verschließt Fraktion. sich solchen Überlegungen nicht. Wir müssen aber justi- ziable Regelungen finden, die nicht zu mehr Unklarheit (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) führen, als bisher besteht, und es den Kommunen ermög- lichen, hier effektiver zu arbeiten. Petra Müller (Aachen) (FDP): (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Peter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- Götz [CDU/CSU] – Bettina Herlitzius ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Ihrem Gesetz- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann legen entwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/ Sie die doch vor, wenn Sie meinen, das reicht Die Grünen, erzeugen Sie zunächst einen Widerspruch: nicht aus!) einen Widerspruch zwischen dem landwirtschaftlichen Raum einerseits und der industriellen Fleischproduktion Der Ort für weitere Diskussionen sind die Beratungen auf der anderen Seite. Hier eine krasse Grenze zu kon- über die bevorstehende Novelle des Baugesetzbuches. struieren, macht für uns Liberale keinen Sinn. Pflanzli- Herr Scheuer, ich fordere Sie als Staatssekretär auf, die cher Anbau, Tierhaltung, traditioneller extensiver Bau- Erkenntnisse aus den genannten Berliner Gesprächen ernhof oder Intensivtierhaltung – das alles sind wichtige und aus weiteren Expertengesprächen, die Sie in Ihrem und notwendige Bestandteile einer modernen und diffe- Hause ja durchgeführt haben, dem Parlament zugänglich renzierten Landwirtschaft. zu machen. Wir wollen, dass wir jetzt zu konkreten Lö- (B) sungen kommen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (D) Ich plädiere dafür, dass wir darüber eine sachliche Wir Liberale stehen zu allen, Diskussion führen – hier in Berlin, aber auch in den (Lachen bei Abgeordneten der SPD – Uwe Wahlkreisen. Damit meine ich insbesondere, dass wir Beckmeyer [SPD]: Das stimmt!) diese Diskussion fair führen und in den Wahlkreisen den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr versprechen als zu den Unternehmen, zu den Einzelbauern, zu den Ange- das, was wir hier schon gemeinsam als richtig erkannt stellten und auch zur modernen intensiven Tierhaltung. haben und als Lösungsmöglichkeit ansehen. Diese ist notwendig, (Beifall bei der SPD – Friedrich Ostendorff (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen GRÜNEN]: Aha!) wir mal versuchen!) weil der Fleischkonsum in Deutschland seit den 50er- Notwendig ist, alle Fragen zur Änderung des Bauge- Jahren kontinuierlich gestiegen ist. Gleichzeitig ist die setzbuches wie in den letzten Jahren oder gar Jahrzehn- Fleischwarenindustrie ein erfolgreicher mittelständi- ten im Paket zu beleuchten, und nicht, über Einzelan- scher Wirtschaftszweig. Mit Ihrer grünen Propaganda träge oder einzelne Gesetzentwürfe das Thema zu zum „traditionellen kleinbäuerlichen Betrieb“ ist keines zerfasern. Wir von der SPD-Bundestagsfraktion stehen von beidem machbar: einer Diskussion über die Massentierhaltung, ihrer Be- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) grenzung und rechtlichen Reglementierung – das will ich noch einmal unterstreichen – offen gegenüber, meinen Weder die Erzeugung sozialverträglich preiswerter Le- aber auch, dass weitere Regelungen in § 35 – ich denke bensmittel noch ein Wirtschaftszweig mit 85 000 Be- insbesondere an Abs. 1 Nr. 6 über Biogasanlagen – ebenso schäftigten in der Fleischproduktion ist damit möglich. in die Prüfung einbezogen werden sollten. Ich lade Sie (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zu einer solchen Diskussion ein. NEN]: Es geht nicht nur um Arbeitsplätze!) Ich glaube, die Begründung, warum wir uns bei der Für beides steht die christlich-liberale Koalition. Wir set- Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten – da- zen uns für jeden Arbeitsplatz in diesem Berufszweig bei haben wir uns ja insbesondere auf die juristischen ein. Unschärfen bezogen –, ist überzeugend rübergekommen. Ich werbe auch bei den Grünen um Verständnis (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) 10540 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Petra Müller (Aachen) (A) Worum geht es in Ihrem Gesetzentwurf? Sie wollen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) die Abschaffung der Intensivtierhaltung durch die Hin- der CDU/CSU – Widerspruch der Abg. Bärbel tertür Baugesetzbuch erreichen. Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von Bünd- NEN]: Richtig!) nis 90/Die Grünen, Sie müssen sich in die Pflicht neh- men lassen. Denn eines ist klar: Ihr Vorschlag macht Genehmigun- gen fast unmöglich. Sie gefährden Arbeitsplätze im Mit- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE telstand, und Sie sorgen dafür, dass in Deutschland die GRÜNEN]: Genau das machen wir!) Lebensmittelversorgung keinerlei Perspektive hat. Das Genehmigungsverfahren sind vor allem dazu da, Pro- werden wir nicht zulassen. jekte, Investitionen und unternehmerisches Handeln zu ermöglichen, nicht zu verhindern. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bettina Herlitzius [BÜND- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: NIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das wollen Also wollen Sie die Massentierhaltung! Das ist wir! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/ eine deutliche Aussage! Ja zur Massentierhal- DIE GRÜNEN]: Das haben Sie jetzt aber ver- tung!) standen!) Ich muss noch eines sagen: Packen Sie bitte die Fach- – Super! politiker aus und die Wahlkämpfer ein. Sie sind eine Verhinderungspartei. Deshalb lehnt die FDP Ihren Ge- Aus Sicht der Stadtplanung sind Eingriffe in Geneh- setzentwurf ab. migungsverfahren nicht notwendig. Die Kommunen ha- ben heute schon Möglichkeiten, die Errichtung von Tier- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) haltungsanlagen zu beeinflussen: entweder auf dem Weg der Bauleitplanung oder durch das Versagen des Einver- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: nehmens im Rahmen des Genehmigungsverfahrens. Das Wort hat nun Kollege Alexander Süßmair für die Fraktion Die Linke. Gerade von dem zweiten Fall fühlen sich viele Kom- munen abgeschreckt, weil sie Haftungsprobleme sehen. (Beifall bei der LINKEN) Dieses Problem ist bekannt und nicht neu. Hier würde ich mit Ihnen gemeinsam eine Lösung suchen. Der Kol- Alexander Süßmair (DIE LINKE): (B) lege von der SPD hat schon angedeutet, dass er diskussi- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten (D) onsbereit ist. Damen und Herren! Dann läute ich jetzt mal die Runde (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist Herr Ha- der Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker aus dem Aus- cker!) schuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher- schutz ein. – Danke, ich weiß. Aber er hat sich umgedreht und hört (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) mir im Moment nicht zu. Das finde ich nicht nett. Ein schöner Rücken kann zwar entzücken, aber nicht immer. Wir beraten heute abschließend den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zu dem Bereich Massentier- (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Ich bitte um haltung. Sie wollen eine Einschränkung der Privilegie- Entschuldigung, Frau Müller!) rung von forstwirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Wir können in diesem Hause zum Beispiel über stär- Betrieben. ker spezifizierte Planungsvorbehalte bei der gewerbli- (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- chen Tierhaltung diskutieren. Wir können auch über Zu- NEN]: Richtig! – Friedrich Ostendorff rückstellungen nach § 15 Abs. 3 Baugesetzbuch und [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gewerblich!) über die Verlängerung der Jahresfrist nachdenken. All das können wir sicher tun. Ihre Intention ist vollkommen nachvollziehbar. Ich möchte ganz klar sagen, dass wir von der Linken diese (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Intention unterstützen. NEN]: Aber jetzt reden wir über § 35!) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Wenn Sie Tierschutz wollen, dann muss es konsequente SES 90/DIE GRÜNEN – Hans-Joachim Ha- Regeln, hohe Standards und Kontrollen geben. Da kön- cker [SPD]: Auch die rechtliche Regelung?) nen wir zusammenarbeiten. Aber städtebaulich mithilfe Ich muss aber dennoch einschränkend sagen, dass ich des Baugesetzbuches Tierethik zu steuern, das kann Ihren Gesetzentwurf als Etikettenschwindel empfinde; nicht sein. denn er hält nicht das, was er verspricht. Im Titel Ihres (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Gesetzentwurfs steht unter anderem „Beschränkung der NEN]: Das ist auch nicht das Ziel!) Massentierhaltung im Außenbereich“. Damit ergibt sich für mich schon die erste ungeklärte Frage: Was ist Mas- Sie können damit keinen Skandal wie den Dioxinskandal sentierhaltung? Wir haben derzeit keine klare Definition verhindern. für Massentierhaltung. Diesen Begriff müssen wir aber Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10541

(A) klären, wenn wir diesbezüglich etwas ändern wollen. Sie Ihr Antrag taugt aber nicht, das zu verhindern; denn (C) drücken sich in Ihrem Gesetzentwurf aber um die Defi- Sie täuschen das nach außen nur vor. Selbst Sie schrei- nition des Begriffs Massentierhaltung. ben in der Begründung: (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE Hinzuweisen ist darauf, dass die vorgeschlagene GRÜNEN]: Nein!) Regelung nicht zu einem Totalverbot der Massen- tierhaltung führt. Sie sprechen nur davon, dass die Tierhaltung „ihrer Pro- duktionsweise nach eine landwirtschaftstypische“ sein Und weiter: muss. Aber was bedeutet das genau? Vielmehr kann diese auch in Zukunft insbesondere (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE dort zulässig sein, wo die Gemeinden entspre- GRÜNEN]: Zum Beispiel Fläche!) chende bauleitplanerische Entscheidungen treffen. Ich gebe ein Beispiel. Ist ein Ökobetrieb mit 30 000 Le- Diese Feststellung beschreibt für mich aber schon das gehennen in einer Stallanlage – solche Anlagen gibt es nächste gravierende Problem, das ich in diesem Antrag schon, zum Beispiel im brandenburgischen Wittstock – sehe. Sie wollen den Gemeinden bei der Ansiedlung von schon eine Massentierhaltung, die man aber akzeptieren großen Einheiten der Tierhaltung mehr Spielraum ein- könnte, weil sie unter ökologischen Gesichtspunkten be- räumen. Dabei verkennen Sie allerdings meiner Mei- trieben wird? nung nach folgende Gefahr: Wie wollen Sie denn ver- hindern, dass sich Betriebe, deren Bauten man im In vielen Regionen gibt es eine sehr große Anzahl Außenbereich dann nicht mehr haben will, in Gewerbe- landwirtschaftlicher Betriebe mit nach heutigen Maßstä- und Industriegebieten ansiedeln? Angesichts der chro- ben intensiver Tierhaltung – allerdings in kleiner Dimen- nisch leeren Kassen der Kommunen bin ich mir sicher, sion. Ein weiteres Beispiel: In einem Dorf in Westfalen dass sich genügend Gemeinden finden werden, die noch gibt es zehn Betriebe mit jeweils 2 000 Mastschweinen. Industrie- oder Gewerbegebiete haben, in denen Platz In dem Ort gibt es dann 20 000 Mastschweine. Nach An- ist. nahme der Grünen fällt das wohl nicht unter Massentier- haltung, da es sich um einzelne landwirtschaftliche Be- Die Massentierhaltung insgesamt können wir dadurch triebe – aber in einem einzigen Ort – handelt. aber nicht verhindern. Das Einzige, was eventuell pas- siert, ist, dass die Genehmigungsverfahren länger dau- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE ern; aber es wird eben nicht verhindert. Statt im Bau- GRÜNEN]: Mit Fläche!) recht sind unserer Meinung nach rechtliche Regelungen Wenn es nur ein Betrieb mit 20 000 Schweinen wäre, im Bereich der Bürgerbeteiligung, des Naturschutzes (B) wäre das Massentierhaltung, obwohl die Zahl der und vor allem des Emissionsschutzes gefragt, um kon- (D) Schweine in beiden Fällen gleich wäre. zentrierter industrieller Tierhaltung ein Ende zu setzen und unsere Nahrungsmittelproduktion wieder enger an (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- die Natur zu koppeln. NEN]: Ohne Fläche wäre es gewerblich!) (Beifall bei der LINKEN – Friedrich Osten- Wir müssen die Massentierhaltung definieren, um sie dorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! vor Ort regeln und verbieten zu können. Es ist aber für Also nicht im Außenbereich! Deshalb braucht uns von der Linken nicht nur eine rein quantitative man Fläche!) Frage, sondern auch eine qualitative Frage. Was noch viel entscheidender ist: Wir brauchen (Beifall bei der LINKEN) – zum Nutzen für Tiere, Umwelt und Menschen – einen Deshalb geht das meiner Ansicht nach nicht über das grundlegenden Ideologiewechsel in der Agrarpolitik. Baurecht, sondern zum Beispiel über Regelungen zu Vielen Dank. Emissionen, zu Haltungsformen der Tiere, zu ökologi- schen und kulturellen Auswirkungen und auch zu den (Beifall bei der LINKEN) Arbeitsbedingungen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollege Friedrich Ostendorff für Industrielle Tierhaltung ist keine Frage des Baugesetz- die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. buches, sondern Ergebnis eines marktradikalen Denkens und eines Willens zur Profitmaximierung des Kapitals. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE NEN): GRÜNEN]: Das hat Marx aber nicht aufge- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und schrieben!) Kollegen! Der § 35 des Baugesetzbuches mit der Privile- Produktionskosten werden – auf Kosten der Tiere, der gierung der Landwirtschaft im Außenbereich ist ein sehr Umwelt und des Menschen – auf das absolute Minimum gutes planerisches Instrument. Er schützt den Außenbe- gedrückt. Deshalb ist auch die Linke gegen die Industri- reich vor Zersiedelung und planloser Bebauung. Es gibt alisierung und Konzentration von Tierhaltung. jedoch durch den Ausnahmetatbestand in Abs. 1 Nr. 4 seit 1983 unter anderem die Möglichkeit der gewerbli- (Beifall bei der LINKEN) chen Tierhaltung – nur darum geht es – ohne Flächen- 10542 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Friedrich Ostendorff (A) bindung. Dies führte in den letzten Jahren oftmals zu Herr Götz, die Kommunen sind absolut machtlos: Es (C) krassen Fehlentwicklungen gibt keine Regelungsmechanismen für die Kommunen. Die Werkzeuge der Kommunen sind stumpf, ihre An- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wendung ist aufwendig und kostenintensiv. beispielsweise durch Schweinemäster, die ihre Flächen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hinsichtlich der Anzahl der Schweine bis zum Letzten ausgereizt haben. Als Bauernhof unterliegen sie der Flä- In der letzten Woche konnte ich im münsterländischen chenbindung. Billerbeck mit der Baudezernentin und der Bürgermeiste- rin sprechen. Wir haben uns angesehen, was es bedeutet, Sie bauen – oftmals viele Hundert Meter vom Hof in Billerbeck Gewerbebetriebe anzusiedeln, und welche entfernt in die freie Landschaft – 40 000er-Hühnchen- Planungsprozesse dabei in Gang gesetzt werden: bürger- ställe – 22 Hühnchen, je 1,6 Kilogramm schwer, auf ei- freundlich, langfristig angelegt, mit allen abgestimmt. nem Quadratmeter – und weitere Schweineställe nach Bei der Massentierhaltungsanlage, die 300 Meter von der § 35 Abs. 1 Nr. 4 gewerblich expansiv obendrauf. Allein Molkerei entfernt steht, hat die Kommune keine Mög- 900 dieser 40 000er-Hühnchenställe sind bundesweit lichkeit, einzugreifen. noch in der Planung. Die Nr. 4 des § 35 Abs. 1 Bauge- setzbuch wurde 1983 nicht für solche Massenställe (Sören Bartol [SPD]: Das stimmt doch nicht!) geschaffen, sondern für Anlagen, die nur in atypischen Fällen – wie Kompostanlagen – in den Außenbereich ge- Die Anlage steht im Landschaftsschutzgebiet, oben auf hören. Herr Hacker, wir brauchen deshalb eine Ände- dem Berg; jeder in der Gemeinde sieht sie, denn sie ist rung des § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch, um klarzustellen, von überall einzusehen. Hier ist die Kommune machtlos; dass die gewerbliche Massentierhaltung nicht zu den pri- der Investor hat die Planungshoheit, niemand sonst. Herr vilegierten Vorhaben beim Bauen im Außenbereich ge- Götz, dieser Zustand ist unhaltbar. Wir müssen diesen hört. Wildwuchs beenden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drei Motive leiten unseren Antrag: Wir liegen doch bei der Beurteilung der Lage gar nicht weit auseinander. Staatssekretär Ferlemann hat hier Erstens. Massentierhaltungen haben nichts mit Bau- in der Antwort auf unsere Frage bestätigt, dass § 35 ernhöfen zu tun. Abs. 1 Nr. 4 Baugesetzbuch „nach der Rechtsprechung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) des Bundesverwaltungsgerichts eher eng auszulegen“ ist. Ministerin Aigner kritisiert die Fehlentwicklung im (B) Diese Anlagen ohne eigene Futterfläche und ohne eigene ländlichen Raum. Staatssekretär Peter Bleser hat in der (D) Fläche für Gülle- und Mistverbringung dürfen im Au- Neuen Osnabrücker Zeitung vom 12. Februar Nachdenk- ßenbereich nicht genehmigungsfähig sein. Tierhaltung lichkeit hinsichtlich der Konzentration der Schweine- und muss an die Fläche des Bauernhofes gebunden sein. Hähnchenmast gezeigt. Viele von uns haben sich zu Hause klar positioniert. Wir müssen doch jetzt nur das, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) was wir zu Hause erklären, mit der Gesetzeslage im Zweitens. Die Riesenställe sind eine erhebliche Be- Bund in Einklang bringen. Das kann doch nicht so lastung für Tier, Umwelt und Natur und zerstören ganze schwer sein. Landschaften. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drittens. Die Großtierhaltungsanlagen produzieren Hans-Joachim Hacker [SPD]: Der Gesetzent- massive Ammoniakemissionen, Ausscheidungen wie wurf ist ungeeignet!) Bioaerosole und Gerüche. Sie beeinträchtigen die Le- Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns ver- bensqualität und Gesundheit der Anwohner und Nach- suchen, so wie das Parlament der Niederlande gemein- barn. sam vorzugehen. Das niederländische Parlament hat vor Herr Götz, die Bürgerinnen und Bürger wollen das wenigen Tagen einen Baustopp für industrielle Massen- nicht mehr hinnehmen. Sie engagieren sich landauf, tierhaltungsanlagen beschlossen. Intensive Viehhaltung landab in Hunderten von Bürgerinitiativen. Während der als ein System organisierter Verantwortungslosigkeit Grünen Woche haben über 20 000 Menschen ihren Pro- solle abgeschafft werden – so das niederländische Parla- test auf einer vom Netzwerk „Bauernhöfe statt Agrar- ment. Der Beschluss wurde mit großer Mehrheit gefasst; fabriken“ organisierten Demo unter dem Motto „Wir ha- auch die Sozialdemokraten in den Niederlanden haben ben es satt!“ nach Berlin getragen. Hier sind wir alle zugestimmt. gemeinsam gefordert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie uns durch eine kleine Weiterentwicklung Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Bürgerinnen und des Baugesetzbuches eine wichtige Weichenstellung für Bürger wollen wissen, wie wir den Fehlentwicklungen die weitere Entwicklung des ländlichen Raumes vorneh- auf dem Lande begegnen wollen. Wenn wir jetzt nicht men, für den Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft, für die Bremse ziehen, wird die freie Landschaft, die wir für eine nachhaltige regionale Entwicklung, für den Erhalt die Artenvielfalt und Naherholung so schätzen und brau- der Landschaften und der Lebensqualität im ländlichen chen, zum landwirtschaftlichen Gewerbegebiet. Raum. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10543

Friedrich Ostendorff (A) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Menschen in unserem Land mit Lebensmitteln zu ver- (C) SES 90/DIE GRÜNEN) sorgen. Die Bürgerinnen und Bürger draußen erwarten unser (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Handeln; sie werden es uns danken. Sie müssen bei der Wahrheit bleiben und die Dinge so Vielen Dank. nehmen, wie sie sind. Unverhältnismäßige Einschrän- kungen der Grundstückseigentümer und der Betriebsin- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haber in ihrem Grundrecht auf Eigentum und freies Un- ternehmertum sind hier kontraproduktiv und abzu- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: lehnen. Das Vorhaben der Opposition, vor allen Dingen Das Wort hat nun Max Lehmer für die CDU/CSU- der Grünen, ist allzu leicht zu durchschauen. Hier geht es Fraktion. nicht um Korrektur oder Beseitigung von Fehlentwick- lungen; die sehen wir auch in manchen Punkten. Bei Ih- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- rer beabsichtigten Beschränkung der sogenannten Mas- neten der FDP) sentierhaltung – die muss erst einmal definiert werden; das sagte die Kollegin schon – geht es um die Verhinde- Dr. Max Lehmer (CDU/CSU): rung der weiteren positiven Entwicklung eines wichtigen Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten großen Wirtschaftsbereiches im ländlichen Raum. Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben bei der Entwicklung der Landwirtschaft klare Ziele: Der gesamte Gesetzentwurf ist von einer ungerecht- fertigten Übertreibung und Polemik gekennzeichnet. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE Dies zeigt sich nicht nur an der Verwendung des Begriffs GRÜNEN]: Export! Ihr wollt Exportweltmeis- „Massentierhaltung“, der schon an sich unsachlich und ter werden!) abwertend ist, sondern auch an der Beschwörung des Wir wollen die Entwicklungsmöglichkeiten unserer – so heißt es im Text – unrealistischen Szenarios einer landwirtschaftlichen Betriebe erhalten. Wir wollen eine flächendeckenden industriellen Fleischproduktion im starke und wettbewerbsfähige Land- und Ernährungs- Außenbereich. wirtschaft in Deutschland erhalten und sie weiterentwi- Lassen Sie mich das anhand von Zahlen erläutern: Im ckeln. Wir wollen auch in Zukunft eine durch bäuerliche Durchschnitt gibt es in Deutschland 337 Schweine pro und unternehmerische Betriebsstrukturen gestaltete flä- Betrieb. Je nach Bundesland schwankt die durchschnitt- (B) chendeckende Landbewirtschaftung. liche Anzahl an Schweinen pro Betrieb zwischen 80 und (D) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) etwa 1 000 Stück. Damit liegt Deutschland zwar knapp über dem europäischen Schnitt, aber noch weit hinter den Wir wollen ausdrücklich keine Großinvestoren in der Niederlanden – diese Zahlen haben Sie richtig zitiert – mit tierischen Veredelung haben. 1 340 Schweinen pro Betrieb und Dänemark mit knapp 2 000 Schweinen pro Betrieb. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum lasst ihr das denn zu?) (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Durchschnitt steht doch gar nicht zur De- Dafür müssen wir aber auch die entsprechenden Ent- batte!) scheidungsspielräume für wirtschaftliche Betriebsfor- men erhalten. Die Entwicklung bleibt nicht stehen, Herr Auch bei der Legehennenhaltung sind die in Deutsch- Kollege Ostendorff. land durchschnittlich in einem Betrieb gehaltenen Hen- nen mit 700 Stück pro Betrieb zwar mehr als im europäi- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – schen Durchschnitt. Dennoch ist die Zahl der Lege- Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE hennen pro Betrieb – Frau Höhn, hören Sie zu – in sechs GRÜNEN]: Ohne Fläche wollt ihr!) anderen EU-Ländern erheblich größer als bei uns, näm- Nur so können sich die Landwirte am Markt behaupten lich in Belgien, Dänemark, Finnland, den Niederlanden, und die aufgrund des weltweiten Bevölkerungswachs- Schweden und Großbritannien. tums steigende Nachfrage nach Lebensmitteln decken. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE Herr Ostendorff, mit den Systemen, von denen Sie re- GRÜNEN]: Was ist denn das für eine Statis- den, können wir nicht einmal ansatzweise den Bedarf in tik?) Deutschland decken. Ich habe nachgeschaut: Der Beitrag In den Niederlanden werden im Schnitt sogar über der Biolandwirtschaft bei Rindfleisch beträgt 4,5 Pro- 25 000 Legehennen pro Betrieb gehalten. Darum neh- zent, bei Schweinen unter 1 Prozent. men sie dort jetzt Änderungen vor. Sie liegen aber um den Faktor 40 über unseren durchschnittlichen Betriebs- (Zuruf des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜND- größen. NIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) – Hören Sie doch einmal zu, Herr Kollege. – Bei der Eierproduktion sind es 3,5 Prozent und bei der Milch Diese Zahlen zeigen, dass es sehr große lokale und re- 2 Prozent. Sie sind weit davon entfernt, wenigstens die gionale Unterschiede gibt. Wir müssen dabei auch be- 10544 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Max Lehmer (A) rücksichtigen, dass unsere Landwirte im internationalen Wir müssen dafür sorgen, dass eine geradezu offen- (C) Wettbewerb stehen und die tierische Erzeugung an die sichtliche Tatsache weiterhin fest im Bewusstsein veran- 50 Prozent des Produktionswertes der deutschen Land- kert bleibt: Die Landwirtschaft ist nicht Gegner des länd- wirtschaft ausmacht. Die Tierhaltung erfolgt dabei fast lichen Raumes, sondern eine tragende Säule für die ausschließlich in familiengeführten Betrieben. Das ist Erwerbsmöglichkeiten und die Wertschöpfung im ländli- bitte unbedingt festzuhalten. chen Raum sowie die Erzeuger hochwertiger Nahrungs- mittel. Zur Landwirtschaft gehören aber auch gewerbli- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) che Tierhaltungsbetriebe. Tierhaltung in größeren Beständen kann darüber hin- Wenn durch den Gesetzentwurf der Grünen Entwick- aus nicht gleichgesetzt werden mit einer nicht artgerech- lungsmöglichkeiten durch Verbote eingeschränkt wer- ten Haltung; das tun Sie immer wieder. Die Beschrän- den, gefährdet das den ländlichen Raum als Produktions- kung bestimmter Haltungsformen in Deutschland führt standort sowie Arbeitsplätze, und zwar nicht nur in den zudem oft nur dazu – das bitte ich zu bemerken –, dass Landwirtschaftsbetrieben, sondern auch in den vor- und die Produktion ins Ausland verlagert wird. Dort können nachgelagerten Bereichen, die im ländlichen Raum er- wir die Haltungsbedingungen nicht mehr kontrollieren. hebliche Arbeitsplatzpotenziale beinhalten. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die Legehennenhaltung. Die Entwicklung zeigt, dass seit dem Verbot der Käfig- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) haltung in Deutschland der Selbstversorgungsgrad mit Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zu- Eiern von 70 Prozent auf unter 55 Prozent gesunken ist. sammenfassen: Im vorliegenden Gesetzentwurf ist die Die Haltung in dieser Produktion ist nicht tiergerechter. Thematik völlig überzeichnet. Es wird sogar die Be- Das Gegenteil ist der Fall; das bitte ich zu berücksichti- fürchtung geäußert, dass sich der Außenbereich – ich zi- gen. tiere – „… nahezu flächendeckend in einen Standort der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) industriellen Fleischproduktion“ verwandelt. Dies ist keineswegs der Fall. Außerdem ist die vorgeschlagene Ich verschweige nicht, dass es auch in Deutschland Regelung sehr pauschal und nicht ausreichend geprüft. Strukturen gibt, die wir kritisch beobachten müssen. Im Rahmen der bevorstehenden Novelle zum Baurecht werden wir uns der Thematik sach- und fachgerecht um- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE fassend annehmen und gewiss auch passende Lösungen GRÜNEN]: Ach!) finden. Obwohl die Strukturen in weiten Bereichen in Ordnung Vielen herzlichen Dank. sind, ist es uns bewusst, dass es in einigen Regionen Ent- (B) wicklungen gibt, bei denen Stallbauvorhaben an die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (D) Grenzen der gesellschaftlichen Akzeptanz stoßen; das ist richtig. Darauf wollen und werden wir reagieren; das hat Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Götz schon gesagt. Wir werden aber nicht mit pau- Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kol- schalen Verboten reagieren. Die helfen hier nicht weiter. legen Hans-Michael Goldmann von der FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir wollen im Rahmen der im Koalitionsvertrag ver- einbarten Novelle zum Baugesetzbuch eine ergebnisof- fene Diskussion über die zukünftige Steuerung der Be- Hans-Michael Goldmann (FDP): triebsentwicklung im Außenbereich führen. Es macht Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und keinen Sinn, jetzt den Teilbereich der Tierhaltung in grö- Kollegen! Der § 35 des Baugesetzbuches ist zweifellos ßeren Beständen vorab ohne ausreichende Prüfung kein ganz einfacher Paragraf. reglementieren zu wollen. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein guter!) Außerdem, Herr Ostendorff, haben Behörden und Ge- meinden bereits nach geltendem Recht – ich bin selbst Er leidet darunter, dass er im Grunde genommen eine seit 35 Jahren in Kommunalparlamenten tätig – vielfäl- bundesrechtliche Regelung beinhaltet, die vor Ort in völ- tige planerische Möglichkeiten, die Genehmigung ge- lig unterschiedlichen Situationen anzuwenden ist. Der werblicher Tierhaltungsanlagen sozial- und umweltver- § 35 des Baugesetzbuches ist ein guter Paragraf, träglich zu steuern. Beispiele sind die Aufstellung von Flächennutzungs- oder Bebauungsplänen. Insbesondere (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- durch positive Planung können die Verantwortlichen vor NEN]: Da sind wir uns einig!) Ort die Zulässigkeit von Vorhaben der gewerblichen weil er genau das schützt, was Sie, lieber Kollege Osten- Tierhaltung beeinflussen. dorff, im Grunde genommen im Sinn haben, nämlich die traditionelle bäuerliche Landwirtschaft. Aber das, was Darüber hinaus darf eine Genehmigung auch bei pri- Sie in Ihrem Antrag zum Ausdruck bringen, bedeutet ge- vilegierten Vorhaben ohnehin nur dann erfolgen, wenn rade das Ende der bäuerlichen Landwirtschaft, öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Über all diese bereits bestehenden Möglichkeiten sollten die Kommu- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten nen verstärkt informiert werden. der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜND- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10545

Hans-Michael Goldmann (A) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, der gewerbli- – Frau Höhn, es wäre schön, wenn Sie das im Ausschuss (C) chen!) zur Kenntnis bringen würden. – nein, nicht der gewerblichen –, weil Sie die Entwick- Ich komme aus einer Region, in der es sehr viel Inten- lung eines landwirtschaftlichen Betriebes unmittelbar an sivhaltung gibt. Ich will gerne sagen: Wir sind an der Fläche binden. Grenze angekommen. Darüber sind wir uns alle einig. Nur, wissen Sie, woran das liegt? Wir waren zu dumm, (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE um es einmal ganz ehrlich zu sagen. Als ich in den GRÜNEN]: Ja, das ist richtig!) Kreistag kam, habe ich gesagt: Wir müssen unsere Dazu ist ein einigermaßen aufwachsender Milchvieh- Räume besser ordnen. Aber nein, die Räume sollten betrieb heute aber gar nicht in der Lage, weil er aufgrund nicht geordnet werden. Wenn Sie das kommunale Instru- der schlechten Milchpreise und der explodierenden mentarium, das es heute schon gibt, Frachtkosten nicht die Fläche erwerben kann, die er (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE braucht, um auf dem Milchmarkt einigermaßen vernünf- GRÜNEN]: Gibt es nicht!) tig zurechtzukommen. – Entschuldigung, ich habe davon Ahnung, Sie nicht –, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜND- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie die Milch Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE auch noch gewerblich machen?) GRÜNEN]: Ich auch!) Mit der Regelung, die Sie vorschlagen, öffnen Sie ge- für die regionale Raumordnung und die kommunale Pla- nau den Anlagen Tür und Tor, die Sie scheinbar nicht nung nutzen, wenn Sie Keimgutachten, Brandschutzgut- wollen; denn diese Betriebe werden in die Vorrangge- achten und die gute fachliche Praxis bei Filteranlagen biete gehen, die die Kommunen werden ausweisen müs- nutzen, haben Sie mit diesem Sachverhalt überhaupt sen, kein Problem. Wir müssen das endlich anpacken und umsetzen. Dann können wir eine tierschutzgerechte in- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE tensive Haltungsform auch zukünftig in Deutschland GRÜNEN]: Fragen Sie doch mal die Kommu- realisieren. nen! Die wollen die doch gar nicht!) (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: – Herr Ostendorff, hören Sie doch zu –, um die Säule der Und das wird super in Niedersachsen reali- intensiven Produktion in Deutschland zu sichern. Ver- siert? Massentierhaltung en gros, oder was?) schiedene Kollegen haben schon gesagt, dass es nicht (B) Ihr Antrag taugt nichts, und das wissen Sie genau. Ih- (D) nur gilt, träumerische Ökolandwirtschaft zu realisieren, nen geht es nur um Stimmung, und das ist schlecht für sondern dass es gilt, alle Säulen agrarischer Produktion jemanden, der sonst so tut, als ob er Ahnung hätte. zu realisieren: (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: die ökologische, die konventionelle, die regionale und Ich schließe die Aussprache. natürlich auch die intensive. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent- Kollege Ostendorff, ich bin von der fachlichen Seite wurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung Ihres Antrags sehr enttäuscht, das will ich ganz deutlich des Baugesetzbuchs – Beschränkung der Massentierhal- sagen. Dieser Antrag beinhaltet einen fundamentalen tung im Außenbereich. Der Ausschuss für Verkehr, Bau Fehler. Er setzt Massentierhaltung mit Qualzucht gleich und Stadtentwicklung empfiehlt in seiner Beschlussemp- und sagt im Grunde genommen: Alle, die heute gegen fehlung auf Drucksache 17/4724, den Gesetzentwurf der diesen Antrag sind, stimmen dafür, dass Tiere in Ställen Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1582 gequält werden. abzulehnen. Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen na- (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE mentlich ab. GRÜNEN]: Das steht nicht drin!) Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Ihnen geht es überhaupt nicht um die Sache. Bei diesem vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle vorgese- Antrag geht es Ihnen allein um eine populistische Bot- henen Plätze von den Schriftführern besetzt? – Das ist schaft. der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Haben alle anwesenden Mitglieder des Hauses ihre Sie springen damit auf einen Zug auf. Das halte ich für Stimme abgegeben? – Das ist offensichtlich der Fall. die Produktionssituation in der Landwirtschaft insge- Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift- samt für gefährlich. führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: später bekannt gegeben. Inzwischen setzen wir die Bera- Das ist höchst gefährlich für Ihre Politik!) tung fort.1) Ich bitte die lieben Kolleginnen und Kolle- 10546 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse (A) gen, Platz zu nehmen, damit der kommende Redner auch Dieser Jahresbericht ist natürlich nicht nur den Solda- (C) Gehör finden kann. tinnen und Soldaten im Einsatz gewidmet, sondern allen Angehörigen der Bundeswehr. Sie nehmen eine für die Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 30 auf: Gesellschaft unverzichtbare und leider immer noch viel Beratung der Unterrichtung durch den Wehrbe- zu wenig gewürdigte Aufgabe wahr. Auch ihnen gelten auftragten mein Dank und meine Anerkennung. Mit der sehr früh- zeitigen Befassung mit diesem Jahresbericht macht die- Jahresbericht 2010 (52. Bericht) ses Hohe Haus deutlich, dass es den Streitkräften und ih- ren Anliegen eine herausragende Bedeutung beimisst. – Drucksache 17/4400 – Das ist, wie ich weiß, ein wichtiges Signal für die Überweisungsvorschlag: Truppe. Verteidigungsausschuss Der Jahresbericht enthält keine Anmerkungen zu den Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die zuletzt in der Öffentlichkeit diskutierten aktuellen Ereig- Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich nissen, die beispielsweise unter den Stichworten „Gorch höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Fock“ oder Feldpost erörtert wurden. Er behandelt eben Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem nicht jene Vorgänge, deren Bedeutsamkeit sich erst im Wehrbeauftragen des Deutschen Bundestages, Hellmut laufenden Jahr zeigte, auch wenn sie sich bereits im ver- Königshaus. gangenen Jahr, im Berichtsjahr, zutrugen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Dennoch will ich hier einige Worte zum Thema SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE „Gorch Fock“ anfügen, weil die öffentliche Diskussion GRÜNEN) dazu Veranlassung gibt. Viele in der öffentlichen Mei- nung und in den Medien sahen bereits in der Befassung mit den Vorgängen einen unzulässigen Angriff auf die Hellmut Königshaus, Wehrbeauftragter des Deut- hergebrachten Traditionen der Marine. Darum aber geht schen Bundestages: es hier ganz gewiss nicht. Tradition kann Gemeinschaft Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und stiften und Werte vermitteln. Tradition findet aber dort Herren! Bitte erlauben Sie mir eine kurze Vorbemer- ihre Grenzen, wo Rechte von Soldatinnen und Soldaten kung, bevor ich zum Jahresbericht komme. Wir werden verletzt werden. Allein der Rückzug auf Tradition ist morgen in Regen drei unserer Soldaten, die in Afghanis- keine gelebte Innere Führung. tan Opfer eines hinterhältigen Anschlages wurden, ge- (B) denken. Ich habe mit zweien von ihnen erst vor wenigen (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ (D) Wochen in Afghanistan gesprochen wie auch mit einigen DIE GRÜNEN) der jetzt Verwundeten. Ich bin daher in diesen Tagen mit meinen Gedanken vor allem bei den Hinterbliebenen, Das Grundgesetz und die Grundsätze der Inneren den Verwundeten und ihren Angehörigen. Ich wünsche Führung werden nicht durch die Tradition begrenzt, son- den Verwundeten natürlich eine baldige Genesung. dern umgekehrt. Genau um eine solche Grenzziehung geht es hier. Angehörige der Ausbildungscrew der Ereignisse wie dieses erinnern uns immer wieder da- „Gorch Fock“ haben von ihrem Recht Gebrauch ge- ran, welche Risiken unsere Soldatinnen und Soldaten im macht, sich an den Wehrbeauftragten zu wenden, weil Einsatz auf sich nehmen. Gerade im Angesicht dieses sie sich in ihren Rechten verletzt sahen. Ihr Vorbringen, tragischen Ereignisses möchte ich all denen, die jetzt lei- das aus meiner Sicht von Gewicht ist, habe ich meinem den, mein tief empfundenes Mitgefühl aussprechen. Ich gesetzlichen Auftrag entsprechend an das Parlament und möchte den Kameradinnen und Kameraden der Gefalle- an den Bundesminister der Verteidigung herangetragen. nen und Verwundeten, die auch nach diesem tragischen Damit ist natürlich keine abschließende Wertung ver- Geschehen weiter treu ihren Dienst und ihren Auftrag bunden und schon gar keine Vorverurteilung. Aber es ist ausführen, dafür meinen besonderen Dank und meine natürlich Anlass, in eine Prüfung der Praxis der Segel- Anerkennung aussprechen. ausbildung auf dem Schiff im Allgemeinen und des Füh- rungsverhaltens Einzelner im Besonderen einzutreten. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich würde es begrüßen, wenn die pflichtgemäße Er- Vor dem Hintergrund solchen Leides, vor dem Hinter- füllung meines gesetzlichen Auftrages nicht in den Ver- grund von Tod und Verwundung können Sie sicher nach- dacht parteipolitischer Motive gerückt würde. Als Wehr- vollziehen, weshalb ich mich als Wehrbeauftragter so beauftragter des gesamten Deutschen Bundestages bin nachdrücklich um Ausbildung, Ausstattung und Ausrüs- ich von der Verfassung zum Schutz der Rechte der Sol- tung, und zwar vor, nach und bei dem Einsatz, kümmere. daten und zur Unterstützung der parlamentarischen Kon- Es ist unsere gemeinsame Pflicht, ohne Rücksicht auf trolle der Streitkräfte berufen. Ich darf und werde mich Kosten oder sonstige Belange die Sicherheit unserer Sol- niemals instrumentalisieren lassen, schon gar nicht par- datinnen und Soldaten auf das bestmögliche Niveau zu teipolitisch. bringen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE 1) Ergebnis Seite 10548 C GRÜNEN]) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10547

Wehrbeauftragter Hellmut Königshaus (A) Meine Damen und Herren, der Jahresbericht 2010 hat (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der (C) drei Schwerpunkte. Besonders eingehend behandelt er SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Dienst“. Da- GRÜNEN) neben widmet er sich, wie schon in den Jahren zuvor, Besondere Aufmerksamkeit benötigt auch weiterhin eingehend den Einsätzen und den fortbestehenden Pro- der Sanitätsdienst. Der Mangel an Ärzten und Pflegeper- blemen im Bereich des Sanitätsdienstes. Mängel und sonal konnte noch nicht ausgeglichen werden. Ich habe Defizite in der Ausbildung und Ausrüstung reichen von auch schon darüber gesprochen, als wir den Jahresbe- den Defiziten bei der einsatzvorbereitenden Ausbildung richt 2009 erörtert haben. Ja, es hat in diesem Bereich über Mängel bei der persönlichen Ausstattung bis hin zwar Verbesserungen gegeben, aber wir sind noch lange zur Frage nach Bewaffnung und Eignung des eingesetz- nicht am Ziel. Der Mangel an Ärzten und Pflegepersonal ten Gerätes. Verbesserungen in diesem Bereich sind un- konnte nicht ausgeglichen werden. Seit mehreren Jahren verkennbar. Sie dürfen aber nicht über noch bestehende kann der Sanitätsdienst seinen Auftrag nicht mehr ohne Mängel und Defizite hinwegtäuschen. Ich werde Sie Rückgriff auf zivile Ressourcen erfüllen. Das macht mir hierzu demnächst erneut in einem Sonderbericht näher Sorge; das wird in der Zukunft ein immer drängenderes unterrichten. Problem werden. Wenn die Streitkräfte vom Einsatz her Zu den Problemen im Einsatz gehört allerdings auch gedacht werden, dann muss der Sanitätsdienst in der der Aspekt der Fürsorge. Insbesondere die Einsatzdauer Lage sein, die sanitätsdienstlichen Leistungen aus eige- und die Verlässlichkeit der Einsatzplanung, die Kommu- ner Kraft zu erbringen. nikation mit der Heimat sowie die Betreuung und Ver- Damit an dieser Stelle kein falscher Eindruck ent- sorgung während des Einsatzes und nach dem Einsatz steht: Unsere Streitkräfte sind insgesamt in einer guten sind Stichworte, die die Problemfelder leider noch im- Verfassung. Wenn es gelingt, die Bundeswehr zu einer mer kennzeichnen. neuen Struktur zu führen, die sie noch leistungsfähiger, aber auch noch lernfähiger macht und die auch eine Feh- Meine Damen und Herren, Sie haben heute Vormittag lerkultur herbeiführt, dann hat sie eine gute Zukunft. in erster Lesung die Aussetzung der Wehrpflicht beraten. Gerade jetzt wird die Verbesserung der Attraktivität des Lassen Sie mich an dieser Stelle abschließend noch Dienstes in den Streitkräften besonders dringlich. At- Dank sagen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in traktivität schließt übrigens die Frage nach der Absiche- meinem Amt, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in rung und Versorgung der Soldatinnen und Soldaten im den beteiligten Partnerdienststellen, im Ministerium, in Einsatz, aber auch ihrer Familien ein. Hier gibt es weiß den militärischen Strukturen. Einen letzten Dank möchte Gott noch viel zu tun, insbesondere bei der Versorgung ich auch an den Minister richten – an einem Punkt hat er (B) der Hinterbliebenen. das wirklich verdient –: (D) Ich bin sehr dankbar, dass der Deutsche Bundestag (Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE noch bestehende Versorgungslücken schließen will; das LINKE]) ist Beschlusslage. Es ist zu wünschen – das ist nämlich Immer dann, wenn es um problematische Einzelfälle noch nicht gesichert –, dass die Bundesregierung hierzu geht, ist er jederzeit ansprechbar, insbesondere auch die notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen vorbe- ohne Kamera und ohne Presse reitet. Darüber hinaus muss natürlich auch der tägliche Dienst mit den Erwartungen und Bedürfnissen der Fami- (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sagt er auch lien in Einklang gebracht werden. Insbesondere eine hei- die Wahrheit?) matnahe Stationierung und Ausbildung ist zu fordern. – dann sagt er sicher auch die Wahrheit –, Wir müssen die Chance der Strukturreform unbedingt nutzen, einzelne Truppengattungen regional zu konzen- (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Aber nicht trieren, um den Umfang des Wochenendpendelns zum immer, oder? – Gegenruf von der CDU/CSU: Dienstort – nur als Stichwort genannt – und lehrgangsbe- Also, Herr Kollege!) dingter Trennungen von der Familie so weit wie möglich und kümmert sich um diese konkreten Fälle. Für diese zu reduzieren. Form der Empathie muss man ihm, glaube ich, danken. Die Betroffenen haben das immer sehr geschätzt. Ein besonders dringendes Problem ist dabei übrigens nach wie vor die Kinderbetreuung. Ich begrüße es, dass (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hierzu erste Maßnahmen ins Auge gefasst sind. Es wird jetzt aber darauf ankommen, dass sie auch schnell umge- Damit möchte ich die Vorstellung meines Jahresbe- setzt werden. Denn die Vereinbarkeit von Familie und richts beenden. Dienst ist keine Frage von ein bisschen mehr oder weni- Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ger Fürsorge, sondern dieser Anspruch ist uns vom Grundgesetz aufgegeben: „Ehe und Familie stehen unter (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.“ Das dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gilt natürlich erst recht dann, wenn der Staat selbst der Dienstherr ist. Ich wiederhole das immer wieder. Ich Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: glaube, es ist auch wichtig, sich immer wieder daran zu Bevor wir in der Debatte fortfahren, möchte ich Ih- erinnern, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. nen, sehr geehrter Herr Königshaus, und Ihren Mitarbei- 10548 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (A) terinnen und Mitarbeitern im Namen des ganzen Hauses ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung (C) für die Vorlage des Berichts und für die Arbeit herzlich über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die danken. Grünen zur Änderung des Baugesetzbuchs – Beschrän- kung der Massentierhaltung im Außenbereich – bekannt (Beifall im ganzen Hause) geben: abgegebene Stimmen 534. Mit Ja haben ge- Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen zunächst stimmt 65, mit Nein 291. Es gab 178 Enthaltungen. Der noch das von den Schriftführerinnen und Schriftführern Gesetzentwurf ist damit abgelehnt.

Endgültiges Ergebnis davon Abgegebene Stimmen: 534; ja: 65 nein: 291 enthalten: 178

Ja Markus Kurth Michael Brand Ansgar Heveling Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Reinhard Brandl Ernst Hinsken CDU/CSU Agnes Malczak Helmut Brandt Peter Hintze Jerzy Montag Dr. Ralf Brauksiepe Christian Hirte Josef Göppel Kerstin Müller (Köln) Dr. Helge Braun Robert Hochbaum Beate Müller-Gemmeke Heike Brehmer Karl Holmeier SPD Dr. Konstantin von Notz Ralph Brinkhaus Franz-Josef Holzenkamp Gabriele Hiller-Ohm Omid Nouripour Cajus Caesar Anette Hübinger Dietmar Nietan Friedrich Ostendorff Gitta Connemann Thomas Jarzombek Silvia Schmidt (Eisleben) Lisa Paus Thomas Dörflinger Dieter Jasper Peer Steinbrück Tabea Rößner Marie-Luise Dött Dr. Franz Josef Jung Claudia Roth (Augsburg) Enak Ferlemann Andreas Jung (Konstanz) DIE LINKE Manuel Sarrazin Ingrid Fischbach Dr. Egon Jüttner Elisabeth Scharfenberg Hartwig Fischer (Göttingen) Bartholomäus Kalb Eva Bulling-Schröter Christine Scheel Dirk Fischer (Hamburg) Hans-Werner Kammer Jan Korte Dr. Gerhard Schick Dr. Maria Flachsbarth Steffen Kampeter Klaus-Peter Flosbach Bernhard Kaster BÜNDNIS 90/ Dorothea Steiner Herbert Frankenhauser Siegfried Kauder (Villingen- (D) (B) DIE GRÜNEN Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Dr. Hans-Peter Friedrich Schwenningen) Marieluise Beck (Bremen) Hans-Christian Ströbele (Hof) Volker Kauder Volker Beck (Köln) Dr. Harald Terpe Michael Frieser Dr. Stefan Kaufmann Cornelia Behm Markus Tressel Erich G. Fritz Eckart von Klaeden Birgitt Bender Jürgen Trittin Hans-Joachim Fuchtel Ewa Klamt Alexander Bonde Daniela Wagner Alexander Funk Vo l k m a r K l e i n Ekin Deligöz Wolfgang Wieland Ingo Gädechens Julia Klöckner Katja Dörner Dr. Valerie Wilms Dr. Thomas Gebhart Axel Knoerig Hans-Josef Fell Josef Philip Winkler Norbert Geis Jens Koeppen Dr. Thomas Gambke Alois Gerig Manfred Kolbe Kai Gehring Eberhard Gienger Dr. Rolf Koschorrek Nein Katrin Göring-Eckardt Michael Glos Hartmut Koschyk Britta Haßelmann Peter Götz Thomas Kossendey CDU/CSU Bettina Herlitzius Dr. Wolfgang Götzer Gunther Krichbaum Winfried Hermann Ilse Aigner Ute Granold Dr. Günter Krings Priska Hinz (Herborn) Peter Aumer Reinhard Grindel Rüdiger Kruse Ulrike Höfken Dorothee Bär Hermann Gröhe Bettina Kudla Dr. Anton Hofreiter Thomas Bareiß Michael Grosse-Brömer Dr. Hermann Kues Bärbel Höhn Norbert Barthle Markus Grübel Günter Lach Ingrid Hönlinger Günter Baumann Manfred Grund Dr. Karl A. Lamers Thilo Hoppe Ernst-Reinhard Beck Monika Grütters (Heidelberg) Uwe Kekeritz (Reutlingen) Karl-Theodor Freiherr Andreas G. Lämmel Katja Keul Manfred Behrens (Börde) zu Guttenberg Dr. Norbert Lammert Memet Kilic Veronika Bellmann Olav Gutting Katharina Landgraf Sven-Christian Kindler Dr. Christoph Bergner Florian Hahn Ulrich Lange Maria Klein-Schmeink Steffen Bilger Holger Haibach Dr. Max Lehmer Ute Koczy Clemens Binninger Jürgen Hardt Paul Lehrieder Tom Koenigs Peter Bleser Gerda Hasselfeldt Dr. Ursula von der Leyen Sylvia Kotting-Uhl Dr. Maria Böhmer Dr. Matthias Heider Ingbert Liebing Oliver Krischer Wolfgang Börnsen Frank Heinrich Matthias Lietz Agnes Krumwiede (Bönstrup) Rudolf Henke Dr. Carsten Linnemann Stephan Kühn Norbert Brackmann Michael Hennrich Patricia Lips Renate Künast Klaus Brähmig Jürgen Herrmann Dr. Jan-Marco Luczak Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10549

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (A) Dr. Michael Luther Christian Freiherr von Stetten Michael Kauch Willi Brase (C) Karin Maag Dieter Stier Pascal Kober Bernhard Brinkmann Andreas Mattfeldt Gero Storjohann Dr. Heinrich L. Kolb (Hildesheim) Stephan Mayer (Altötting) Stephan Stracke Gudrun Kopp Edelgard Bulmahn Dr. Michael Meister Max Straubinger Dr. h. c. Jürgen Koppelin Ulla Burchardt Maria Michalk Thomas Strobl (Heilbronn) Sebastian Körber Martin Burkert Dr. h. c. Hans Michelbach Lena Strothmann Holger Krestel Petra Crone Dr. Mathias Middelberg Michael Stübgen Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Peter Danckert Philipp Mißfelder Dr. Peter Tauber Heinz Lanfermann Elvira Drobinski-Weiß Dietrich Monstadt Antje Tillmann Sibylle Laurischk Sebastian Edathy Dr. Gerd Müller Dr. Hans-Peter Uhl Harald Leibrecht Siegmund Ehrmann Stefan Müller (Erlangen) Arnold Vaatz Lars Lindemann Petra Ernstberger Nadine Schön (St. Wendel) Volkmar Vogel (Kleinsaara) Dr. Martin Lindner (Berlin) Karin Evers-Meyer Dr. Philipp Murmann Stefanie Vogelsang Michael Link (Heilbronn) Elke Ferner Bernd Neumann (Bremen) Andrea Astrid Voßhoff Oliver Luksic Gabriele Fograscher Michaela Noll Dr. Johann Wadephul Gabriele Molitor Dr. Edgar Franke Dr. Georg Nüßlein Marco Wanderwitz Jan Mücke Dagmar Freitag Franz Obermeier Kai Wegner Petra Müller (Aachen) Peter Friedrich Eduard Oswald Marcus Weinberg (Hamburg) Burkhardt Müller-Sönksen Michael Gerdes Henning Otte Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Martin Neumann Martin Gerster Dr. Michael Paul Sabine Weiss (Wesel I) (Lausitz) Iris Gleicke Rita Pawelski Ingo Wellenreuther Hans-Joachim Otto Günter Gloser Ulrich Petzold Peter Wichtel (Frankfurt) Ulrike Gottschalck Dr. Joachim Pfeiffer Annette Widmann-Mauz Cornelia Pieper Angelika Graf (Rosenheim) Sibylle Pfeiffer Klaus-Peter Willsch Gisela Piltz Kerstin Griese Michael Groß Beatrix Philipp Elisabeth Winkelmeier- Dr. Christiane Ratjen- Hans-Joachim Hacker Ronald Pofalla Becker Damerau Bettina Hagedorn Christoph Poland Dagmar Wöhrl Dr. Birgit Reinemund Klaus Hagemann Ruprecht Polenz Dr. Matthias Zimmer Dr. Peter Röhlinger Michael Hartmann Eckhard Pols Wolfgang Zöller Dr. Stefan Ruppert (Wackernheim) Daniela Ludwig Willi Zylajew Björn Sänger Rolf Hempelmann Thomas Rachel Frank Schäffler Gustav Herzog Dr. Peter Ramsauer Christoph Schnurr SPD Petra Hinz (Essen) Eckhardt Rehberg Jimmy Schulz Holger Ortel Marina Schuster Frank Hofmann (Volkach) (B) Katherina Reiche (Potsdam) Dr. Eva Högl (D) Lothar Riebsamen Dr. Erik Schweickert FDP Werner Simmling Christel Humme Josef Rief Josip Juratovic Klaus Riegert Jens Ackermann Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Oliver Kaczmarek Dr. Heinz Riesenhuber Christian Ahrendt Joachim Spatz Johannes Kahrs Johannes Röring Christine Aschenberg- Dr. Max Stadler Dr. h. c. Susanne Kastner Dr. Norbert Röttgen Dugnus Torsten Staffeldt Ulrich Kelber Dr. Christian Ruck Daniel Bahr (Münster) Dr. Rainer Stinner Lars Klingbeil Erwin Rüddel Florian Bernschneider Stephan Thomae Hans-Ulrich Klose Albert Rupprecht (Weiden) Sebastian Blumenthal Florian Toncar Dr. Bärbel Kofler Anita Schäfer (Saalstadt) Claudia Bögel Serkan Tören Daniela Kolbe (Leipzig) Dr. Annette Schavan Nicole Bracht-Bendt Johannes Vogel Anette Kramme Dr. Andreas Scheuer Klaus Breil (Lüdenscheid) Nicolette Kressl Rainer Brüderle Karl Schiewerling Dr. Daniel Volk Angelika Krüger-Leißner Angelika Brunkhorst Norbert Schindler Dr. Claudia Winterstein Ute Kumpf Tankred Schipanski Marco Buschmann Dr. Volker Wissing Christine Lambrecht Georg Schirmbeck Sylvia Canel Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Christian Lange (Backnang) Patrick Schnieder Reiner Deutschmann Dr. Karl Lauterbach Dr. Andreas Schockenhoff Patrick Döring Steffen-Claudio Lemme Dr. Ole Schröder Mechthild Dyckmans Enthalten Burkhard Lischka Bernhard Schulte-Drüggelte Rainer Erdel Gabriele Lösekrug-Möller Uwe Schummer Jörg van Essen SPD Kirsten Lühmann Armin Schuster (Weil am Ulrike Flach Ingrid Arndt-Brauer Caren Marks Rhein) Otto Fricke Rainer Arnold Katja Mast Detlef Seif Dr. Edmund Peter Geisen Heinz-Joachim Barchmann Ullrich Meßmer Johannes Selle Dr. Wolfgang Gerhardt Dr. Hans-Peter Bartels Dr. Matthias Miersch Reinhold Sendker Hans-Michael Goldmann Klaus Barthel Franz Müntefering Dr. Patrick Sensburg Miriam Gruß Sören Bartol Dr. Rolf Mützenich Bernd Siebert Joachim Günther (Plauen) Bärbel Bas Manfred Nink Thomas Silberhorn Heinz-Peter Haustein Dirk Becker Heinz Paula Johannes Singhammer Manuel Höferlin Uwe Beckmeyer Johannes Pflug Jens Spahn Elke Hoff Lothar Binding (Heidelberg) Joachim Poß Carola Stauche Birgit Homburger Gerd Bollmann Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Frank Steffel Heiner Kamp Klaus Brandner Florian Pronold 10550 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (A) Dr. Sascha Raabe Christoph Strässer Dr. Diether Dehm Kornelia Möller (C) Mechthild Rawert Kerstin Tack Heidrun Dittrich Niema Movassat Gerold Reichenbach Dr. h. c. Wolfgang Thierse Werner Dreibus Wolfgang Nešković Dr. Carola Reimann Franz Thönnes Dr. Dagmar Enkelmann Jens Petermann Sönke Rix Wolfgang Tiefensee Wolfgang Gehrcke Richard Pitterle René Röspel Rüdiger Veit Nicole Gohlke Yvonne Ploetz Dr. Ernst Dieter Rossmann Ute Vogt Diana Golze Ingrid Remmers Karin Roth (Esslingen) Dr. Marlies Volkmer Annette Groth Paul Schäfer (Köln) Andrea Wicklein Marlene Rupprecht Dr. Gregor Gysi Dr. Ilja Seifert Dr. Dieter Wiefelspütz (Tuchenbach) Heike Hänsel Kathrin Senger-Schäfer Anton Schaaf Waltraud Wolff Dr. Rosemarie Hein Raju Sharma Axel Schäfer (Bochum) (Wolmirstedt) Inge Höger Dr. Petra Sitte Bernd Scheelen Dagmar Ziegler Andrej Hunko Sabine Stüber Werner Schieder (Weiden) Manfred Zöllmer Dr. Lukrezia Jochimsen Alexander Süßmair Carsten Schneider (Erfurt) Brigitte Zypries Katja Kipping Ottmar Schreiner Harald Koch Dr. Kirsten Tackmann Swen Schulz (Spandau) DIE LINKE Jutta Krellmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Ewald Schurer Jan van Aken Katrin Kunert Frank Schwabe Agnes Alpers Caren Lay Alexander Ulrich Dr. Martin Schwanholz Dr. Dietmar Bartsch Sabine Leidig Kathrin Vogler Rolf Schwanitz Herbert Behrens Ralph Lenkert Johanna Voß Stefan Schwartze Matthias W. Birkwald Ulla Lötzer Rita Schwarzelühr-Sutter Christine Buchholz Dr. Gesine Lötzsch Halina Wawzyniak Dr. Carsten Sieling Dr. Martina Bunge Ulrich Maurer Harald Weinberg Sonja Steffen Roland Claus Dorothee Menzner Katrin Werner Dr. Frank-Walter Steinmeier Sevim Dağdelen Cornelia Möhring Jörn Wunderlich

Nun können wir in der Debatte fortfahren. Ich erteile der Kollegin Anita Schäfer für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) tig, durch das die Beschäftigung mit der Truppe erleich- tert wird. (B) Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): Meine Damen und Herren, andererseits gibt es Gren- (D) Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen zen dafür, wie viele Details aus aktuellen Vorgängen in und Kollegen! Sehr geehrter Wehrbeauftragter! Vorweg die Öffentlichkeit getragen werden. Angesichts kürzli- möchte ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern, lieber Herr cher Debatten muss die Frage erlaubt sein, ob für politi- Königshaus, einmal ein ganz schlichtes Lob ausspre- sche Ziele, für die Auflage oder für die Quote noch zu- chen. Dieser erste von Ihnen verantwortete Jahresbericht sätzlich auf den Betroffenen herumgetrampelt werden besticht durch seine übersichtliche Gestaltung, die es muss, indem etwa mit Einzelheiten aus dem Feldjäger- dem Leser leichter macht. Das ist gar kein so unwichti- bericht operiert wird, Pauschalurteile über Marinebesat- ges Detail. Zwar verfassen Sie als Wehrbeauftragter des zungen gefällt werden oder ganz Deutschland über das Deutschen Bundestages Ihren Bericht zunächst für uns Körpergewicht einer tödlich verunglückten Kadettin dis- Parlamentarier – ich hoffe, dass wir uns alle mit der ge- kutiert. Dadurch werden in erheblichem und völlig un- botenen Sorgfalt seiner Lektüre widmen –, aber natür- nötigem Umfang die Familien von Opfern und von Sol- lich wirkt er auch in die weite Öffentlichkeit hinaus. Es daten belastet, die sich Ermittlungen ausgesetzt sehen. ist schließlich wünschenswert, dass sich möglichst viele Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben wir Menschen für den Zustand der Bundeswehr interessie- natürlich ein Recht auf Information über die Vorgänge in ren; denn der interessierte und informierte Staatsbürger der Parlamentsarmee Bundeswehr, und zwar sowohl durch ist ebenso wie der uniformierte Staatsbürger innerhalb das Verteidigungsministerium als auch durch den Wehrbe- der Truppe eine wesentliche Voraussetzung für die Ver- auftragten. Das gilt zwar nicht für jedes einzelne Diszipli- ankerung der Streitkräfte in der Gesellschaft. Wir wollen narproblem und jeden Dienstunfall – wofür es schließlich eine Gesellschaft, die Anteil an dem nimmt, was inner- den Bericht des Wehrbeauftragten gibt, in dem eine jährli- halb der Bundeswehr geschieht – auch an den Sorgen che Gesamtschau vollzogen wird –, aber für schwerwie- und Klagen der Soldaten, die für die Sicherheit dieser gende Vorfälle, über die wir schnellstmöglich, vollständig Gesellschaft in den Einsatz gehen. Wir wollen keine Ge- und unmittelbar informiert werden müssen, also nicht auf sellschaft, der die Bundeswehr egal ist oder die sie als Umwegen über die Presse. Als Berichterstatterin für den Fremdkörper betrachtet, Einzelplan 02 muss ich sagen, Herr Wehrbeauftragter, dass ich mir gelegentlich eine noch frühere Einbindung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gewünscht hätte. ebenso wie wir keine Bundeswehr wollen, die sich gerade Diese Medaille hat aber natürlich noch eine andere jetzt, da wir für den Übergang zur Freiwilligenarmee ste- Seite. Die Politik sollte auch die Disziplinarvorgesetzten hen, als Fremdkörper fühlt. Deswegen ist jedes Detail wich- und die zuständigen Ermittlungsbehörden ihre Arbeit Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10551

Anita Schäfer (Saalstadt) (A) machen lassen, bevor öffentliche Urteile abgegeben wer- nach Hause, und zwar zusätzlich zum Auslandsverwen- (C) den, auch wenn der mediale Druck groß ist, wobei ich dungszuschlag, der eigentlich Belastungen wie die teure mir von Medienseite ebenfalls etwas mehr Zurückhal- Kommunikation aus dem Einsatz bereits berücksichtigt. tung wünschen würde. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und So viel zum Formalen; nun komme ich zum Inhalt. der FDP) Meine Damen und Herren, in dem Bericht wird auf Der Hinweis des Wehrbeauftragten auf Ausbildungs- drei Schwerpunkte hingewiesen, die gegenüber den Vor- mängel gerade beim Gebrauch von Schusswaffen er- jahren gleich geblieben sind. Bei diesen sehen wir erneut scheint vor dem Hintergrund der derzeit öffentlich dis- einiges an Schatten, aber mittlerweile auch einiges an kutierten jüngsten Vorfälle bei der Bundeswehr Licht. besonders prägnant. Ausdrücklich betont der Bericht die Notwendigkeit drillmäßigen Übens. Eigentlich eine Erstens: die Attraktivität des Dienstes und die Verein- Selbstverständlichkeit: Nur ständige Wiederholung gibt barkeit von Familie und Dienst. Gerade mit Blick auf die beim Umgang mit gefährlichem Gerät und bei dem Aus- Nachwuchswerbung für eine künftige Freiwilligenar- üben gefährlicher Tätigkeiten die notwendige Sicherheit. mee, so stellt der Wehrbeauftragte richtig fest, stelle sich Das steht im Gegensatz zu der medialen Kritik an militä- die Frage der Attraktivität in allen Bereichen. Der Ent- rischem Drill, die etwa in der Berichterstattung über die wurf des Wehrrechtsänderungsgesetzes, den wir heute Vorgänge auf der „Gorch Fock“ zu lesen war. Dieser Morgen in erster Lesung behandelt haben, bildet hier die Drill ist kein Selbstzweck, sondern dient der Vorberei- Grundlage für weitere Verbesserungen. Ich begrüße es tung der Soldaten auf einen Dienst, in dem sie das Ge- sehr, dass der Bundesverteidigungsminister bereits ange- lernte buchstäblich im Schlaf beherrschen müssen. kündigt hat, 200 weitere Eltern-Kind-Arbeitszimmer Selbstverständlich findet dies aber seine Grenzen an den einrichten zu wollen. Grundsätzen der Inneren Führung, des Strafrechts und der Menschenwürde. Das Programm des Ministeriums zur Attraktivitäts- steigerung enthält viele weitere wertvolle Anregungen. Ich möchte zum Schluss noch ein aktuelles Ereignis Es liegt an uns, diese umzusetzen. Durch das Reformbe- ansprechen. Am vergangenen Freitag erreichte uns er- gleitgesetz, das bald vorliegen wird, wird uns die Mög- neut eine schlimme Meldung aus Afghanistan. Ein An- lichkeit dazu gegeben. Wir von der Union haben bereits greifer in afghanischer Armeeuniform erschoss heimtü- eine interne Unterarbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit ckisch drei Bundeswehrsoldaten innerhalb eines der Verbesserung der Attraktivität des Dienstes bei der Beobachtungspostens und verwundete sechs weitere, Bundeswehr befasst, zwei davon schwer. Leider ist das in der Berichterstat- (B) tung quasi nur als Fußnote erwähnt worden. Es war of- (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- fenbar wichtiger, über andere Fußnoten zu debattieren. neten der FDP) Ich möchte den Angehörigen der drei Gefallenen an nicht zuletzt hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der Fami- dieser Stelle unser Mitgefühl und Beileid aussprechen, lie. besonders angesichts der schweren Stunden, die ihnen Der zweite Punkt sind die fortbestehenden Probleme morgen mit dem Abschiednehmen bei der Trauerfeier bevorstehen. Zudem wünsche ich den Verwundeten eine im Sanitätsdienst. Hier geht es insbesondere um den er- rasche und vollständige Genesung. Es ist besonders bit- heblichen Mangel an Fachpersonal. Die dagegen ergrif- ter, dass dieser Angriff im Rahmen der Ausbildung für fenen Maßnahmen werden erst mittel- bis langfristig die afghanischen Sicherheitskräfte geschah, die in weni- vollständig umgesetzt werden können. Das ist umso gen Jahren die Verantwortung für ihr Land übernehmen wichtiger, als die Bundeswehr weiterhin im Wettbewerb sollen, damit wir uns zurückziehen können. mit dem zivilen Gesundheitssektor steht. Unsere Soldaten kämpfen dort in einem Konflikt, in Drittens können wir bei den Auslandseinsätzen erneut dem sich der Gegner an keinerlei Regeln des Völker- konstatieren, dass sich die Ausrüstungssituation laufend rechts hält, während wir diese peinlich genau befolgen verbessert. So ist die früher stets kritisierte Ausstattung und bereits beim bloßen Verdacht auf Verstöße staatsan- mit geschützten Fahrzeugen und Bewaffnung in Afgha- waltschaftliche Ermittlungsverfahren einleiten und Un- nistan mittlerweile zufriedenstellend. Aber noch immer tersuchungsausschüsse einrichten, wie es die Pflicht ei- sehen die Soldaten dieses Gerät vielfach erst im Einsatz- nes Rechtsstaates ist. Dennoch erfüllen unsere Soldaten land. Deswegen müssen und deswegen werden wir un- dort weiter den gefährlichen Auftrag, den wir ihnen ge- sere Anstrengungen in diesem Bereich fortsetzen. geben haben, auch um die Sicherheit Deutschlands zu Bei einem anderen leidigen Thema zeichnet sich gewährleisten. Dafür verdienen sie unseren Dank, unse- ebenfalls eine Verbesserung ab: Der neue Rahmenver- ren Respekt und unsere volle Unterstützung. trag zur Betreuungskommunikation sichert einen Verbin- Ich wünsche mir, dass sich das in der öffentlichen De- dungsumfang, der den gestiegenen technischen Mög- batte noch stärker zeigt. lichkeiten und Anforderungen entspricht, sodass beispielsweise trotz des erheblich gestiegenen Kontin- Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. gentumfangs künftig wieder das Skypen, also die Video- telefonie, nach Hause möglich wird. Zudem erhält jeder (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Soldat pro Woche 30 Freiminuten zum Telefonieren der FDP) 10552 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Beifall bei der SPD) (C) Nächste Rednerin ist die Kollegin Karin Evers-Meyer für die SPD-Fraktion. Natürlich kostet das auch Geld. Bisher gilt, dass Kin- derbetreuung kein zusätzliches Geld kosten darf. Aber mit diesem Ansatz wird es bestimmt nicht gehen. Wenn Karin Evers-Meyer (SPD): wir eine Bundeswehr wollen, die als Arbeitgeber wirk- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! lich attraktiv ist, dann werden wir alle miteinander so Auch meine Fraktion möchte den Familien und Angehö- ehrlich sein müssen und das dann auch so sagen. Ge- rigen der gefallenen Soldaten in Afghanistan sagen, dass nauso sage ich, dass nicht alles, was zur Familienfreund- wir mit ihnen fühlen in dem Wissen, dass in dieser Situa- lichkeit beiträgt, letztendlich mehr Geld kostet. Bei- tion nichts ihren Schmerz stillen kann und nichts ihrem spielsweise leiden Soldatinnen und Soldaten darunter, Schmerz gerecht wird. Den verwundeten Soldaten wün- dass bei der Personalerfassung oft nicht berücksichtigt schen wir baldige und vollständige Genesung. All unse- wird, dass der Partner oder die Partnerin auch Soldat ist. ren Soldaten im Einsatz wünschen wir, dass sie heil und Die Folge ist dann, dass bei Versetzungen eben nicht be- gesund zurückkommen. dacht wird, welche Verwendung für den Partner einge- plant ist. Das könnte man zum Beispiel durch einen Ein- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten trag in die Personaldaten verhindern. Ähnliches gilt für der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- die Planung von Fortbildungen. Hier könnte die Bundes- SES 90/DIE GRÜNEN) wehr recht kurzfristig ihren guten Willen zeigen und un- Ich danke dem Wehrbeauftragten und seinen Mitar- termauern. beitern für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Gerade in letzter Zeit haben wir erfahren müssen, dass wir mehr Kommen wir jetzt zum Thema Auslandseinsätze. wertvolle Informationen von ihm bekommen als von un- Noch wichtiger wird die Frage der Vereinbarkeit von Fa- serem Verteidigungsminister. milie und Beruf, wo Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz gehen. Der Bericht des Wehrbeauftragten räumt (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das ist doch diesem Punkt zu Recht besonders viel Platz ein. Das keine Kunst! Das ist glaubwürdiger!) fängt an bei der Einsatzdauer. Im Jahr 2010 gab es eine schleichende Verlängerung der Afghanistan-Mandate Aus dem Bericht des Wehrbeauftragten geht erfreu- über die eigentlich vorgesehenen vier Monate hinaus. Im lich klar hervor, dass die Bundeswehr nicht genug für Januar dieses Jahres ging ein Kontingent nach Afghanis- Soldatinnen und Soldaten und deren Familien tut. Die tan, dessen Soldaten schon vor der Abreise gesagt (B) Vereinbarkeit von Familie und Dienst ist ein „zentraler wurde, dass sie für sechs Monate eingesetzt seien, man- (D) Attraktivitätsfaktor“; so steht es im aktuellen Bericht des che sogar noch länger. Wir haben das hier vor einigen Wehrbeauftragten. Das kann ich hier und heute nur noch Wochen schon einmal angesprochen. Ich will es trotz- einmal mit Nachdruck unterstreichen. Wenn die Bundes- dem wiederholen: Das schadet unseren Soldaten, weil wehr zukünftig ohne Wehrpflichtige auskommen muss, die Anfälligkeit für psychische Erkrankungen mit jedem dann gilt das umso mehr. Die bessere Vereinbarkeit von zusätzlichen Tag im Einsatz steigt. Familie und Dienst ist nicht nur eine wesentliche Er- leichterung für Soldatinnen und Soldaten und ihre Fami- (Beifall bei der SPD) lien, sondern ist auch ein ganz wichtiges Argument für junge Leute, wenn sie vor der Entscheidung für oder ge- Der Wehrbeauftragte hat auch dazu im letzten Jahr ei- gen die Bundeswehr als Arbeitgeber stehen. nige Berichte bekommen. Es ist ebenfalls nicht einzuse- hen, dass auf einmal die breite Masse der Soldatinnen Vor vier Jahren hat die Bundeswehr eine Teilkonzep- und Soldaten zu Spezialisten geworden ist, für die wir tion zum Thema „Familie und Dienst“ vorgelegt. In der eine längere Einsatzdauer eigentlich vorgesehen haben. Folge gab es sogar einige hoffnungsvolle Pilotprojekte. Das sollten und sollen wirklich Ausnahmen bleiben. Aber insgesamt ist eigentlich viel zu wenig passiert. Ein Sonst müssen Sie so ehrlich sein und begründen, warum großes Problem ist die Kinderbetreuung. Es gibt genau ganze Kontingente ein halbes Jahr und länger in den Ein- einen einzigen Betriebskindergarten der Bundeswehr, satz gehen. und der ist ausgerechnet in Bonn, und zwar im Verteidi- gungsministerium. Das ist sicherlich gut und richtig für Was bei diesen Einsätzen oft unter den Tisch fällt: Die die Mitarbeiter im Ministerium. Aber das ist natürlich lange Abwesenheit hat spürbare Folgen für die Familien. weit entfernt von einem ernstzunehmenden Betreuungs- Da fehlt die Mama oder der Papa einfach mal für ein hal- angebot für die Truppe. Auch wenn man den Grundsatz bes Jahr, und zwar nicht, weil er mit einem Schirmchen- verfolgt, dass man zuerst die Kooperation mit Kinderta- drink auf den Malediven sitzt, sondern weil er in einen gesstätten vor Ort sucht, bleibt das Problem, dass der gefährlichen Einsatz geht. Das zehrt an den Nerven der Soldatenberuf und seine besonderen Anforderungen Angehörigen. Es ist nicht in Ordnung, dass sich viele eben nicht mit den Öffnungszeiten eines kommunalen Soldatinnen und Soldaten und ihre Familien nicht mehr Kindergartens in Einklang zu bringen sind. Deswegen ist auf das Wort ihres Dienstherrn verlassen können, wenn ganz klar: Bundeswehr und Verteidigungsministerium es um die Länge ihres Auslandseinsatzes geht. müssen die Kinderbetreuungsmöglichkeiten ausbauen und zu einem Teil ihres Attraktivitätsportfolios machen. (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10553

Karin Evers-Meyer (A) Verschlimmert wird das noch durch eine undurchsich- bisher um Nachwuchsgewinnung kümmern müssen. Das (C) tige Einsatzplanung. Im Bericht ist von Fällen zu lesen, wird für die Truppe zu einer wirklichen Herausforderung in denen es keine rechtzeitige Information über verscho- werden. bene In- und Out-Termine gab. Das betraf übrigens auch Die Nachwuchsgewinnung wird durch den demogra- Kontingente für das Kosovo, bei denen in der zweiten fischen Wandel noch erschwert. Unsere Bundeswehr Septemberwoche noch nicht feststand, wann in der zwei- wird in Zukunft also viel mehr mit der freien Wirtschaft ten Monatshälfte die Rückflüge stattfinden sollten. Dass um gute Köpfe konkurrieren müssen. Wenn ich mir die die Soldaten dann nach ihrer Ankunft in Deutschland Äußerungen aus der Bundeswehrführung der letzten noch durch die halbe Republik reisen müssen, um zu ih- Tage dazu vergegenwärtige, dann bin ich skeptisch, ob rem Heimatstandort zu kommen, das komplettiert das das schon überall erkannt worden ist. Ich glaube wirk- Bild eines Arbeitgebers, der solche Fragen offensichtlich lich, dass es ein falsches Signal ist, wenn die Bundes- nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit behandelt. wehrführung davon spricht, in Zukunft vor allem Ge- ringqualifizierte ansprechen zu wollen. Umgekehrt wäre Das sind natürlich Kleinigkeiten im Vergleich zu Tod es richtig: Sie sollten den Anspruch haben, die wirklich und Verwundung im Einsatz. Aber es sind wichtige gut Qualifizierten anzuwerben. Dazu braucht man natür- Dinge, die nicht nur das Leben der Soldatinnen und Sol- lich auch eine entsprechende finanzielle Ausstattung. In daten erleichtern, sondern auch der Bundeswehr helfen; Zukunft steigen also die Anforderungen an eine effizi- denn sie erhält als Gegenwert zufriedenere Mitarbeiter, ente Nachwuchsgewinnung. die sich wertgeschätzt fühlen. Die Bundeswehr sollte da- her nicht den Fehler begehen, Dinge wie Familienbe- Die Bundeswehr hat bei einer Stärke von rund treuung und Fürsorge während eines Auslandseinsatzes 185 000 Mann einen jährlichen Regenerationsbedarf von als Sozialdudelei zu verniedlichen. Ich glaube, viele 10 000 Kurzzeitdienern und 17 000 Zeit- und Berufssol- große Unternehmen in Deutschland haben mittlerweile daten. Wenn wir für die Zeit- und Berufssoldaten ein gelernt, dass das ein großer Fehler ist. Die meisten haben Verhältnis von drei Bewerbern auf eine Stelle und für dazugelernt, und das Verteidigungsministerium sollte Kurzzeitdiener ein Verhältnis von zwei zu eins ansetzen, sich diesem Lernprozess anschließen. dann können wir feststellen, dass die Bundeswehr jähr- lich mehr als 70 000 Bewerber benötigt. (Beifall bei der SPD) Legt man die Ausgaben anderer Armeen für die Ein weiterer Punkt in dieser Reihe ist das Thema Nachwuchswerbung zugrunde, müsste die Bundeswehr „Kommunikation aus dem Einsatzland“. Wir haben uns künftig pro Jahr deutlich über 1 Milliarde Euro aufwen- im Ausschuss wiederholt damit beschäftigt. Im Vergleich den, um neue Kräfte anzuwerben. Wie diese wirklich zu dem, was unsere Partnernationen den Soldatinnen und beträchtliche Summe von über 1 Milliarde Euro im Ver- (B) Soldaten anbieten, befindet sich unsere Bundeswehr im- teidigungshaushalt aufgebracht werden soll, ist noch im- (D) mer noch im letzten Jahrtausend. Neue Mobilfunkver- mer nicht klar. träge sollen bis Mitte des Jahres stehen. Aber es ist Auch die geplante Reduzierung der Zahl der Kreis- schon jetzt abzusehen, dass auch diese Verträge nicht wehrersatzämter macht uns große Sorgen. Damit sinken ausreichen werden. die Chancen der Bundeswehr, auch in der Fläche präsent (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten zu sein. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Natürlich spielt die Bezahlung eine wichtige Rolle; aber das ist nicht das Einzige. Fairness, Transparenz und Es ist doch eigentlich ganz einfach: Dinge wie Skype Verlässlichkeit dürfen nicht auf der Strecke bleiben. gehören heute einfach zur Alltagskommunikation, be- Dazu gibt es ein paar negative Beispiele: Die verspro- sonders wenn man über Tausende von Kilometern kom- chene Sonderzahlung, die Weiterzahlung des Weih- munizieren muss. Das sollte sich auch in den Vertrags- nachtsgeldes, ist nicht erfolgt. Das hat unsere Soldaten anforderungen niederschlagen; es fehlt aber bisher. Ich sehr enttäuscht. Ich hoffe, dass wir in dieser Frage wei- bitte, das noch einmal zu überprüfen. Alles andere führt terkommen. doch nur zu unnötiger Frustration. Unsere Soldatinnen und Soldaten warten dringend auf eine Verbesserung und Mir ist sehr wichtig, zu sagen, dass meine Fraktion er- vertrauen auf die Ankündigung des Ministeriums. Wenn wartet, dass uns hinsichtlich der Vorkommnisse auf dem es entgegen dieser Ankündigung bis Mitte des Jahres im- Schulschiff „Gorch Fock“ möglichst bald ein vollständi- mer noch keine Lösung für die Kommunikation aus den ger Bericht vorliegt. Wir erwarten mit Ungeduld die Er- Einsatzgebieten gibt, dann wird dieses Vertrauen ver- gebnisse der angekündigten Untersuchung. schenkt. Vielen Dank. Das führt mich zum nächsten Schwerpunkt im Jahres- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten bericht, zum Thema „Verlässlichkeit und Qualität“. Wir des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) haben heute Vormittag über den Entwurf zum Wehr- rechtsänderungsgesetz 2011 beraten. Zum 1. Juli 2011 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: soll die Wehrpflicht wegfallen. Was mir bei der Diskus- Das Wort hat nun der Kollege Christoph Schnurr für sion bisher zu kurz kommt, ist die Frage, wie die Bun- die FDP-Fraktion. deswehr in Zukunft eigentlich den Nachwuchs gewinnen will, den sie braucht. Die Bundeswehr wird sich nach (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten dem Wegfall der Wehrpflicht doch viel intensiver als der CDU/CSU) 10554 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Christoph Schnurr (FDP): weitere Betriebskindergärten, insbesondere vor dem Hin- (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! tergrund, dass der Frauenanteil in der Truppe mittlerweile Ich darf im Namen der FDP-Fraktion zu Beginn meiner bei knapp 9 Prozent liegt. Wir wollen diesen Anteil auf Ausführungen und meiner Berichterstattung zum Jahres- 15 Prozent steigern. Deswegen ist es begrüßenswert, dass bericht des Wehrbeauftragten zum Ausdruck bringen, der Bundesminister im letzten Jahr angekündigt hat, an dass auch unsere Gedanken bei den Hinterbliebenen der 200 Standorten weitere Eltern-Kind-Arbeitszimmer ne- bei den tragischen Ereignissen der letzten Woche in Af- ben denen zu schaffen, die bereits existieren. Das ist ein ghanistan Gefallenen sind. Wir hoffen, dass die Verwun- erster Schritt in die richtige Richtung. Ich bin mir sicher, deten schnellstmöglich genesen. Wir senden von dieser dass es nicht der letzte Schritt sein wird. Stelle – ich glaube, ich tue das auch im Namen des gan- zen Hauses – die besten Wünsche. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Wenn wir über die Auslandseinsätze und die vorhan- des Abg. Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]) dene Ausrüstung sprechen, dann dürfen wir nie verges- sen, dass Ausbildung und Ausrüstung die höchste Priori- Der Wehrbeauftragte hat dem Parlament Ende Januar tät haben müssen. Die haben sie auch. Das Training mit dieses Jahres den Jahresbericht für 2010 vorgelegt. Er den Handwaffen und den Fahrzeugen kann nicht oft ge- hat die Erkenntnisse, die er im Jahr 2010 bei unter- nug unter harten Bedingungen erfolgen, damit die Solda- schiedlichsten Truppenbesuchen, bei Gesprächen, bei di- tinnen und Soldaten dieses Material im Einsatz auch in versen anderen Gelegenheiten mit den Soldatinnen und schwierigen Situationen sicher beherrschen. Das ist ein Soldaten sowie Angehörigen der Bundeswehr, aber auch ganz wichtiger Punkt. mit unterschiedlichen Institutionen gewonnen hat, in dem Jahresbericht gebündelt und ihn dem Deutschen Wir sind hier auf dem richtigen Weg, wenngleich es Bundestag sehr zeitnah übergeben. Ich glaube, es ist der noch viel zu tun gibt. Deswegen ist es eine richtige Ent- erste Bericht, der dem Deutschen Bundestag so zeitnah scheidung gewesen, im Verteidigungsministerium eine übergeben wurde. Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, Ad-hoc-Arbeitsgruppe zu gründen, die aus den Erfah- dass wir die Gelegenheit haben, ebenfalls zeitnah über rungen im Einsatzkontingent Ausrüstungsmängel identi- diesen Bericht zu diskutieren. fiziert, damit diese dann abgestellt werden können. Es ist Herr Minister, ich setze auch in diesem Zusammen- auch richtig, dass wir als Parlamentarier den Haushalts- hang auf die Offenheit Ihres Hauses, darauf, dass Sie den ansatz für den einsatzbedingten Sofortbedarf im Jahr Inhalt des Berichts nicht nur prüfen werden, sondern 2011 auf 300 Millionen Euro angesetzt haben, der un- (B) dass Ihr Haus die Stellungnahme zu diesem Bericht nach mittelbar unseren Soldatinnen und Soldaten in den Aus- (D) Möglichkeit zeitnah dem Parlament übermittelt, damit landseinsätzen zugutekommt. wir dann hier über die Konsequenzen, die aus dem Jah- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten resbericht 2010 resultieren, angemessen diskutieren kön- der CDU/CSU) nen. Dass das richtig war, sehen wir daran, dass sich die An- Sie, Herr Königshaus, nehmen Ihre verantwortungs- zahl der geschützten Fahrzeuge insbesondere in Afgha- volle Aufgabe als Wehrbeauftragter sehr ernst. Dies nistan maßgeblich erhöht hat. zeigt sich insbesondere dadurch, dass Sie den Verteidi- gungsausschuss im Jahr 2010 bereits zweimal unterrich- Ein wichtiger Punkt, der nicht nur im letzten Bericht tet haben. Es ist gut, zu wissen, dass Sie uns nicht nur am erwähnt wurde, sondern auch immer wieder im Ge- Ende des Jahres mit dem komprimierten Jahresbericht spräch mit den Soldaten ein Soft Skill ist, ist die Mög- informieren, sondern dass Sie die Mitglieder des Vertei- lichkeit der Kommunikation mit der Heimat. Der ehema- digungsausschusses auch regelmäßig über Ergebnisse lige Anbieter hat einiges geleistet, wenngleich wir uns und Ereignisse unterrichten, die sich in der Truppe ab- alle erhofft haben, dass die Möglichkeiten der Soldatin- spielen. nen und Soldaten, mit ihren Angehörigen in Deutschland Auch der 52. Jahresbericht legt viele Missstände dar, zu kommunizieren, besser werden. Deswegen ist es rich- die jedoch zum Teil – das ist das Positive daran – wieder tig und gut, dass nicht nur eine Ausschreibung stattge- abgestellt sind. Der Jahresbericht 2010 hat im Wesentli- funden hat, sondern dass auch die Entscheidung getrof- chen drei Schwerpunkte: die Vereinbarkeit von Familie fen wurde, einen neuen Anbieter zu suchen und die und Dienst, die Situation in den Auslandseinsätzen und, damit verbundenen Leistungen für die Soldatinnen und damit verbunden, die Ausrüstung der Soldaten sowie die Soldaten im Auslandseinsatz wesentlich zu verbessern. Probleme im Sanitätsdienst. Hierzu gehört nicht nur, dass mehr Computerarbeits- plätze und höhere Geschwindigkeitsraten für Telefonie Im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Dienst und Internet zur Verfügung stehen, sondern auch, dass besteht Nachholbedarf. In der Kinderbetreuung gibt es das Ministerium zugesagt hat, den Soldatinnen und Sol- zwar erste Erfolge; ein flächendeckender großer Durch- daten 30 Telefonfreiminuten in der Woche zur Verfü- bruch ist aber noch nicht erzielt worden. Es ist darüber gung zu stellen. Das sind erste Schritte, um die Attrakti- nachzudenken, ob beispielsweise eine Kinderbetreuung vität der Bundeswehr zu steigern. an den Universitäten und an den Bundeswehrschulen sinnvoll erscheinen würde. Nachzudenken ist auch über (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10555

Christoph Schnurr (A) Der Sanitätsdienst ist selber zum Patienten geworden. che Missstände auf der „Gorch Fock“ und Waffenspiele (C) Das hat der Wehrbeauftragte bereits angeführt. Auch in Afghanistan. Das alles beunruhigte Soldaten, lange hier haben wir mit einem erhöhten Mittelumfang die Tal- bevor es die Bild-Zeitung aufgriff. Meinen Brief mit der fahrt beenden können. Im letzten Jahr fehlten noch rund Bitte um Aufklärung beantwortete das Verteidigungsmi- 600 Ärzte. Mittlerweile hat sich diese Zahl auf 360 redu- nisterium erst gut einen Monat später. Auch die erste Sit- ziert. Wir konnten sogar 85 Seiteneinsteiger aus der zung des Verteidigungsausschusses in diesem Jahr trug freien Wirtschaft für die Bundeswehr gewinnen. kaum zur Klärung bei. Dort erzählte der Staatssekretär Kossendey, der Soldat sei in Afghanistan beim Waffen- Wir müssen neue Anreize schaffen. Angesichts der reinigen gestorben. Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen, insbe- sondere der Umstrukturierung der Bundeswehr, müssen Auch der Minister redet zwar gerne mit ausgewählten wir die Bundeswehr noch attraktiver machen. Herr Medien, nimmt aber seine Auskunftspflichten gegenüber Wehrbeauftragter, ich wünsche Ihnen für die Arbeit in Abgeordneten nicht allzu ernst. diesem Jahr, die sicherlich vor dem Hintergrund der Strukturreform und der Aussetzung der Wehrpflicht, (Michael Brand [CDU/CSU]: Heucheln Sie aber auch vor dem Hintergrund der bestehenden Ein- doch kein Interesse an der Bundeswehr! – Flo- sätze äußerst interessant werden wird, alles Gute. rian Hahn [CDU/CSU]: So ein Schmarren!) Am Ende meiner Rede – Frau Präsidentin, ich sehe Ohne einen Wehrbeauftragten wären dem Verteidigungs- das Licht – möchte ich den Soldatinnen und Soldaten im ausschuss wohl wieder einmal wesentliche Informatio- Auslandseinsatz, aber auch ganz bewusst deren Fami- nen vorenthalten worden. Eine wirkliche parlamentari- lien, Angehörigen und den Freunden der Soldaten sowie sche Kontrolle der Armee ist so kaum möglich. den Soldatinnen und Soldaten in Deutschland danken. (Beifall bei der LINKEN) Vielen Dank. Ich bin dankbar für das Korrektiv des Wehrbeauftragten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Doch eigentlich ist es Aufgabe des Ministeriums, alle wesentlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Stattdessen wird vertuscht und verschleiert. So kann das Nächste Rednerin ist die Kollegin Inge Höger für die nicht weitergehen. Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der LIN- (Beifall bei der LINKEN) KEN: Kein Wunder bei dem Minister!) (B) (D) Der größte und gewichtigste Teil der Probleme der Inge Höger (DIE LINKE): Soldatinnen und Soldaten bezieht sich auf die Ausland- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu- seinsätze der Bundeswehr und ganz speziell auf den nächst einmal möchte ich meinen Dank an den Wehrbe- Kriegseinsatz in Afghanistan. Der Bericht des Wehrbe- auftragten für diesen wertvollen Bericht und seine wich- auftragten macht sichtbar, was es konkret bedeutet, dass tige Arbeit aussprechen. Solange es eine Bundeswehr Deutschland eine „Armee im Einsatz“ hat. Die verfah- gibt, ist die Institution des Wehrbeauftragten in jedem rene Lage in Afghanistan wird überdeutlich. Wir können Fall sinnvoll und notwendig. nachlesen, dass die „Intensität der Einsätze kontinuier- (Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: lich zugenommen“ hat, dass Soldaten „nahezu täglich in Danach auch!) Feuergefechte verwickelt“ sind, dass sie „durch zuneh- mend militärisch organisierte Hinterhalte und Angriffe Der Bericht zeigt aber auch, warum die Vorstellung einer bedroht“ sind. So steigt die Zahl der Soldatinnen und Bundesrepublik ohne Armee so attraktiv ist. Ein Teil der Soldaten ständig, die dies nicht mehr verkraften. Im Jahr aufgeführten Missstände und Exzesse wie Bedrohung 2010 wurden 40 Prozent mehr posttraumatische Erkran- von Untergebenen oder gar Körperverletzung oder ent- kungen festgestellt als im Vorjahr. Das ist nur die Spitze würdigende Behandlung ist wohl eher ein Zerrbild als des Eisberges; die Dunkelziffer ist hoch. Diese Erkran- ein Spiegel der Gesellschaft. kungen, aber auch die immer häufigeren und immer län- (Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie machen ein geren Kriegseinsätze belasten auch die Angehörigen. Zerrbild!) Deshalb wenden sich auch immer mehr Familienangehö- rige an den Wehrbeauftragten. Da helfen die jährlichen Berichte, wenigstens die Pro- bleme der real existierenden Bundeswehr zu beschrei- In dem Bericht des Wehrbeauftragten wird auch sehr ben. deutlich, dass es der Bundesregierung mehr um militäri- sche Interessen als um die Soldatinnen und Soldaten Wie wichtig die Arbeit des Wehrbeauftragten als An- geht. So dauern die Versorgungsverfahren zur Anerken- walt der Soldatinnen und Soldaten ist, zeigten die letzten nung von posttraumatischen Erkrankungen sehr lange, Monate schmerzlich. Besorgte Bundeswehrangehörige und nur etwa ein Drittel der Anträge auf Wehrdienstbe- haben sich über die Feiertage an mein Büro und wohl schädigung im Falle von PTBS wurde anerkannt. Das ist auch an viele andere Abgeordnete gewandt. Die Anlässe zynisch. sind in der Zwischenzeit hinlänglich bekannt, aber noch lange nicht aufgeklärt: geöffnete Briefe, lebensgefährli- (Beifall bei der LINKEN) 10556 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Inge Höger (A) Es kann nicht sein, dass Soldaten und ihre Angehörigen Sie nehmen eine für die Gesellschaft unverzicht- (C) den Preis für die Kriegspolitik der Regierung zahlen und bare und viel zu wenig gewürdigte Aufgabe wahr. dann auch noch mit den Folgen alleingelassen werden. Das ist, wenn man so will, der Schlüsselsatz in Ihrem (Florian Hahn [CDU/CSU]: Meine Güte!) Jahresbericht, der auch das gesamte Spannungsfeld auf- zeigt, in dem wir uns immer wieder befinden und das Kriege ohne Traumatisierung gibt es nicht; das gilt für letztlich auch bei den Soldaten sowie bei den Mitarbeite- Soldaten ebenso wie für die Zivilbevölkerung – ein wei- rinnen und Mitarbeitern der Bundeswehr vorzufinden terer Grund, warum die deutsche Kriegsbeteiligung so ist. Ich kann daher nur das unterstreichen, was Sie mit schnell wie möglich beendet werden muss. diesem Satz zum Ausdruck bringen, nämlich dass immer (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte noch viel zu wenig gewürdigt und wahrgenommen wird, [CDU/CSU]: Frau Höger, es reicht!) was an Dienst für unser Land – auch fern davon – geleis- tet wird. Daher haben unsere Soldaten Dank und nicht Es gibt nur einen wirklichen Schutz für die Soldatin- ein solches Pauschalurteil verdient. nen und Soldaten: Das ist ein Ende dieses Krieges. In den letzten zwölf Monaten starben elf deutsche Soldaten (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) in Afghanistan. Etwa 70 wurden verletzt. Jeder Einzelne Diese klare Aussage wird dann mit vielen Beispielen von ihnen ist einer zu viel. untermauert. Ich will dem Wehrbeauftragten für seine (Beifall bei der LINKEN) Tätigkeit danken. Er macht meinen Dienst nicht immer ruhiger; das liegt aber in der Natur der Sache. Ich glaube, Die Mehrheit in diesem Haus hat es in der Hand, we- dass wir eine sehr gute Form gefunden haben, die Pro- nigstens weitere Opfer zu verhindern. Holen Sie die bleme aufzugreifen, anzugehen und zu bearbeiten. Ich Bundeswehr zurück! Beenden Sie diesen Kriegseinsatz! bin überzeugt von der Richtigkeit der Einrichtung des (Beifall bei der LINKEN) Amts eines Wehrbeauftragten, weil es unsere Arbeit er- gänzt und weil wir Dinge oftmals erst über den Wehrbe- auftragten erfahren. Deshalb ist es eine wichtige und für Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Sie, Herr Königshaus, oft auch eine hoch emotionale Ar- Das Wort hat nun der Bundesminister der Verteidi- beit, die sicherlich nicht immer ganz einfach ist. Uns eint gung, Freiherr zu Guttenberg. das Ziel, dass wir die Sorgen, die Nöte und die Hoffnun- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gen der Soldatinnen und Soldaten nicht nur ernst neh- men, sondern sie aufgreifen und unsere Bemühungen letztlich in Ergebnisse münden lassen. Wir wollen ein Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundesmi- (B) klares Bild zeichnen, das die Realitäten wiedergibt. (D) nister der Verteidigung: Wenn Vorwürfe von Soldaten kommen oder Vorwürfe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und über einzelne Soldaten uns erreichen – manchmal errei- Herren! Frau Höger, das war wieder einmal eine bemer- chen sie uns erst über die Medien –, dann gehen wir ver- kenswerte Rede, nünftig und ruhig damit um und versuchen, Abhilfe zu (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Vor al- schaffen. len Dingen selbst geschrieben!) Die Einrichtung des Wehrbeauftragten macht sicht- die Sie mit den Worten „solange es eine Bundeswehr bar, wie eng der Dienst in unseren Streitkräften an das gibt“ eingeleitet haben. Grundgesetz gebunden ist. Der jährlich vorgelegte Be- richt ist immer auch willkommener Anlass, die Frage (Inge Höger [DIE LINKE]: Ja!) nach dem Zustand und nach dem inneren Gefüge unserer Ich kann nur sagen: Solange es die Linke gibt, wird es Streitkräfte zu stellen. auch die Bundeswehr geben. Die teilweise eher laute öffentliche Diskussion über (Inge Höger [DIE LINKE]: Das hängt von der einzelne Missstände der letzten Monate darf uns aller- Stärke der Linken ab!) dings nicht den Blick auf eine Sache verstellen: Es ist mir wichtig, dass wir keine voreiligen Schlüsse über die Gott sei Dank ist das der Fall. innere Gesamtlage der Bundeswehr ziehen. Wir müssen (Beifall bei Abgeordneten der FDP) uns immer wieder deutlich machen, dass es sich um Fehlverhalten Einzelner handelt und dass das nicht den Ich darf auch Ihr hartes Urteil über das Ministerium, Zustand der gesamten Bundeswehr widerspiegelt. das letztendlich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und alle Soldaten trifft, mit Nachdruck zurückweisen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das haben sie nicht verdient. Ein solches Urteil sollte Es ist und bleibt ein gefährlicher Dienst, den unsere man nicht fällen. Soldatinnen und Soldaten in unserem Auftrag leisten. Morgen Nachmittag – darauf wurde von fast allen Red- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nern hingewiesen – kommen wir zusammen, um in Re- Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten Herrn Kö- gen der drei in der vergangenen Woche gefallenen Sol- nigshaus ist „den Soldatinnen und Soldaten der Bundes- daten zu gedenken. Herr Königshaus, Sie haben mit zwei wehr sowie ihren Angehörigen gewidmet“. Weiter heißt der gefallenen Soldaten noch gesprochen. Ich selbst war es im Vorwort: einen Tag vor diesem schrecklichen Vorfall in dem Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10557

Bundesminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (A) OP North. Ich habe dort Soldaten getroffen und mit ih- lich ernst. Es wurde im letzten Jahr einiges erreicht, frag- (C) nen gesprochen. Dieser Vorfall hat mich daher in beson- los in den letzten Monaten. Der Bericht würdigt das derer Weise erschüttert. Wir denken an Hauptfeldwebel auch; aber wir können es nicht dabei belassen. Weitere Georg Missulia, wir denken an den Stabsgefreiten Verbesserungen müssen folgen, und sie werden auch fol- Konstantin Menz und an den Hauptgefreiten Georg gen. Wir haben uns dem mit aller Kraft anzunehmen. Kurat, alle aus der 4. Kompanie des Panzergrenadierba- taillons 112 in Regen. Wir sind mit unseren Gedanken Wir alle sind dabei in der Pflicht, ein jeder an seinem und Gebeten bei ihnen, bei den Angehörigen, insbeson- Platz: der Wehrbeauftrage, Sie, liebe Kolleginnen und dere aber auch bei den Verwundeten. Es waren zehn Ver- Kollegen des Deutschen Bundestages, der Bundesminis- wundete an diesem Tag. Es gab zwei unterschiedliche ter der Verteidigung und das Bundesministerium der Vorfälle. Wir wünschen uns baldige und beste Genesung Verteidigung. Vergessen wir nicht: Es geht um die Si- gerade für die Verwundeten. cherheit unseres Landes, es geht um unsere Soldatinnen und Soldaten. Von daher sage ich dem Wehrbeauftragten (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der noch einmal Danke. Wir alle müssen weiterhin die Kraft FDP) aufbringen, gemeinsam an der Aufarbeitung dessen zu Die öffentliche Anteilnahme ist in den letzten einein- arbeiten, was an Missständen gegeben ist. Wir müssen aber auch das aufgreifen, was in der Breite an Positivem halb bis zwei Jahren sehr gewachsen. Das ist trotz der in der Bundeswehr vorzufinden ist. Schrecklichkeit der Vorfälle ein positives Zeichen, da die Menschen aufnehmen und wahrnehmen, was unsere Herzlichen Dank. Soldaten leisten. Es zeigt, dass die Menschen in unserem Land hinter unseren Soldaten stehen. Ohne diesen Rück- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) halt könnten die Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst auch gar nicht in dieser Weise leisten. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wenn wir heute über diesen Bericht diskutieren, de- Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Omid battieren wir immer über Verantwortung, über die Ver- Nouripour für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. antwortung des Dienstherrn, über meine Verantwortung und die Verantwortung, die wir alle gegenüber der Bun- Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): deswehr und den Soldaten haben. Gleichwohl dürfen wir Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir uns auch durch Vorfälle wie am vergangenen Freitag, trauern um die getöteten Soldaten. Wir fühlen mit den durch Rückschläge, gerade was den Einsatz in Afghanis- Angehörigen. Wir wünschen den seelisch wie körperlich tan betrifft, nicht entmutigen lassen. Wegen eines sol- Versehrten schnellstmögliche und vollständige Gene- (B) chen Vorfalls dürfen wir unseren afghanischen Partnern (D) sung. Wir danken denjenigen, die wir als Parlament in nicht generell misstrauen. Auch das ist ein wichtiger den Einsatz geschickt haben. Punkt. Wenn wir jetzt ein pauschales, generelles Miss- trauen gegenüber unseren afghanischen Partnern an den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Tag legen würden, wäre das ein gänzlich falscher Schritt. bei der CDU/CSU und der SPD) Es entspricht unserer Verantwortung, dass wir an unserer Strategie des Aufbaus der afghanischen Sicherheits- Der Vorfall, der uns morgen nach Regen führen wird, kräfte und der engen Kooperation mit ihnen festhalten. zeigt nicht nur, wie gefährlich dieser Einsatz ist, sondern auch unsere Verantwortung als Parlament. In diesem Zu- Der Wehrbeauftragte kennt die Sorgen und Nöte un- sammenhang möchte ich auch Ihnen, Herr Wehrbeauf- serer Soldaten von vielen Reisen und Besuchen. Zu tragter, und Ihrem Stab herzlich danken. Sie üben eine Recht betont er in seinem Bericht die Bedeutung und wichtige Hilfsfunktion aus, damit wir eine Parlamentsar- Notwendigkeit der Solidarität und Unterstützung der Ge- mee haben können. Herzlichen Dank dafür. sellschaft. Neben den Auslandseinsätzen liegen weitere Schwerpunkte des Berichts auf der Situation des Sani- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tätsdienstes und vor allem auf der Attraktivität des sowie bei Abgeordneten der SPD und der Dienstes in der Bundeswehr, insbesondere bei der Ver- FDP) einbarkeit von Familie und Beruf. Diese Anregungen – allesamt wertvolle Anregungen – werden bei der be- Sie sind als Institution nicht nur international einma- vorstehenden Neuausrichtung der Bundeswehr in unsere lig, sondern gerade in diesen Zeiten deswegen besonders Überlegungen mit einfließen. Sie sind teilweise schon wichtig, weil es irgendeine Person geben muss, denen Bestandteil dessen, was konzeptionell vorliegt, was es an die Soldaten in diesen Zeiten tatsächlich vertrauen kön- Überlegungen gibt und worüber in den nächsten Wochen nen. Herr Minister, wenn Sie dem Wehrbeauftragten hier zu entscheiden ist. Deshalb verbessern wir mit einem danken, ihn an anderer Stelle aber eine wandelnde Defi- Maßnahmenpaket die Attraktivität des Dienstes in der zitanalyse nennen, ist das nicht nur ein unfreundlicher Bundeswehr insgesamt. Akt, sondern auch ein Zeugnis dafür, dass Sie die Ein- maligkeit und Wichtigkeit dieser Institution nicht erfasst Dort, wo in dem Bericht auf bestehende Mängel hin- haben. Natürlich macht er Ihnen Arbeit. Aber die Tatsa- gewiesen wird, gehen wir den Einzelfällen konsequent che, dass Sie ihn als Klotz am Bein empfinden, zeigt, nach. Wir werden, wo immer es möglich ist, auch Ab- dass es Ihnen nicht darum geht, die Verhältnisse zu ver- hilfe schaffen. Insbesondere die Kritik an Ausrüstung bessern, sondern darum, einen bequemen Job machen zu und Ausbildung der Streitkräfte nehme ich außerordent- können. 10558 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Omid Nouripour (A) (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Eindeutig falsch! werde 200 zusätzliche Eltern-Kind-Zimmer bereitstel- (C) Das stimmt nicht!) len. – Das zeigt, wie kurzsichtig Ihre Überlegungen sind. Ich habe viele Kasernen besucht. Die dortige Angebots- So geht es nicht. situation ist ambivalent. Viele Menschen wissen nicht so genau, was sie mit den Eltern-Kind-Zimmern machen Die Vorfälle auf der „Gorch Fock“ und bei der Feld- sollen. Die Bundeswehr braucht – wie der Rest der Ge- post sind nur zwei Beispiele für eine viel zu zäh verlau- sellschaft – echte Betreuungsangebote. Allerdings ist an fende Aufklärungsarbeit. Das hat etwas mit Ihrem Kri- dieser Front bisher Fehlanzeige. senmanagement zu tun, Herr zu Guttenberg. Am Fall der „Gorch Fock“ erkennt man exemplarisch, wie viele Ha- Uns wurde ein Katalog mit Vorschlägen vorgelegt, ken Sie geschlagen haben: Freitagvormittag haben Sie wie die Attraktivität der Bundeswehr gesteigert werden sich jede Vorverurteilung verbeten. Freitagnachmittag kann. Dabei war auch von Inländern ohne deutschen wurde der Kommandant geschasst. Pass die Rede. Herr Wehrbeauftragter, in diesem Zusam- (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben Sie Mitt- menhang möchte ich eine Bitte wiederholen: Ich glaube, woch schon gefordert, Herr Nouripour!) dass es den Realitäten und den Veränderungen unserer Gesellschaft entspräche, wenn Sie sich in Ihrem nächs- – Nein, habe ich nicht. – Am Samstag war von einer ten Bericht mit der Situation der Menschen mit Migrati- Suspendierung die Rede. Am Montag haben Sie dann onshintergrund in der Bundeswehr beschäftigen würden; gesagt, Sie hätten die Abkommandierung nur befohlen, denn sie haben, wie Sie dann erfahren würden, nicht nur um ihn zu schützen. Ich glaube, dass das sowohl der eigene Probleme, sondern bringen auch eigene Erfahrun- Kommandant als auch die Stammbesatzung der „Gorch gen mit. Es ist sinnvoll, sich mit dieser Thematik zu be- Fock“ anders empfunden haben und es bis heute tun. schäftigen. Herr Minister, an dieser Stelle haben Sie wiederum den Überblick verloren. Nach dem Katalog mit Vorschlägen, der uns vorgelegt wurde, soll es möglich sein, Menschen ohne deutschen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Pass bei der Bundeswehr zu beschäftigen. Ich spreche sowie bei Abgeordneten der SPD) hier von Inländern ohne deutschen Pass; damit wird der Unterschied zu Söldnern deutlich. Herr Minister, wir ha- Lassen Sie mich auf zwei Punkte aus dem Bericht des ben erfahren, dass Sie das abgelehnt haben; Sie wollen Wehrbeauftragten eingehen, zum einen auf den direkten das nicht. Mein Verdacht ist: Sie verfallen hier einer Lo- Draht der Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz yalitätsparanoia und sind nicht imstande, zu erkennen, zu ihren Familien; das ist von fast allen Rednern ange- dass wir hier über die Kinder dieses Landes reden; da (B) sprochen worden. Die Kollegin Evers-Meyer hat völlig gibt es keine Schwierigkeiten mit der Loyalität. (D) zu Recht gesagt, dass die Situation bisher desolat war. Der alte Vertrag – ich weiß, dass Sie das nicht zu verant- Lassen Sie mich zum Schluss einen weiteren Punkt worten haben – war alles andere als gut. Das Problem ansprechen, nämlich das von Ihnen beschriebene Part- ist: Der neue Vertrag ist es auch. Ich will ein paar Bei- nering. Natürlich müssen wir in dieser Situation in erster spiele nennen: Höchstens ein Drittel der Soldatinnen und Linie von den Afghanen fordern, dass sie das Vertrauen Soldaten wird skypen können, was gerade in Zeiten, in wieder herstellen; sie müssen uns erklären, wie sie das denen man sich nicht so ganz auf die Feldpost verlassen machen wollen. Da ist einiges zu tun. Es geht nicht da- kann, wahnsinnig wichtig ist. rum, die Intensität der Ausbildung der afghanischen Sol- daten durch die Bundeswehr grundsätzlich infrage zu (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) stellen. Die Frage ist nur, ob man das ganze Konzept für Die Peak-Zeiten, also die Hochzeiten, in denen die sakrosankt erklären sollte, ob man also sagen sollte: So, Rechner tatsächlich benutzt werden, nämlich nach dem wie es ist, ist es richtig; alles andere machen wir nicht. Abendessen, werden bei der Bereitstellung der Kapazitä- Ich glaube, dass die Verunsicherung in der Truppe viel ten nicht wirklich berücksichtigt. Besonders witzig ist: zu groß ist, um einfach zu sagen: Alles bleibt so, wie es Der Vertrag ist so gestrickt, dass die Gebühren für die ist; es gibt keinerlei Überprüfung des Konzepts. Sie soll- Soldatinnen und Soldaten im Einsatz steigen, wenn das ten da besser zuhören, um auch bei diesem Thema den eintritt, was die Bundesregierung verspricht, nämlich Überblick zu behalten. dass bereits zum Ende des Jahres Soldatinnen und Solda- Danke für die Aufmerksamkeit. ten abgezogen werden und das Kontingent verkleinert wird. Der Vertrag wurde ohne jeden Überblick abge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schlossen. Es wäre schön, wenn Sie bei der Lösung sol- und bei der SPD) cher Probleme einmal mit dem Wehrbeauftragten reden und ihm zuhören würden. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das zweite Beispiel: Vereinbarkeit von Familie und Ich schließe die Aussprache. Beruf. Natürlich ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einer der zentralen Bausteine im Hinblick auf die Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Attraktivität der Bundeswehr, gerade wenn die Wehr- Drucksache 17/4400 an den Verteidigungsausschuss vor- pflicht ausgesetzt wird. In dieser Situation stellen Sie geschlagen. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. sich hin und sagen: Ich mache etwas dafür; denn ich Dann ist die Überweisung so beschlossen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10559

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (A) Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 11 auf: (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der (C) CDU/CSU) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) Wenn man Ihren Antrag im Detail liest, wird sichtbar, wie suspekt er ist. Wir machen hier ein Recht für Groß- – zu dem Antrag der Abgeordneten Christine städte, das auch für alle anderen Bereiche in Deutsch- Lambrecht, Sören Bartol, Petra Ernstberger, land gilt. Wenn es in einer Großstadt aus verschiedenen weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Gründen zu einer Wohnungsnot kommt, die zu Markt- Maklerkosten gerecht verteilen verschiebungen führt, dann heißt das nicht, dass bei- spielsweise wir in Mecklenburg-Vorpommern dieselbe – zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Situation haben. In Mecklenburg-Vorpommern ist es Ingrid Hönlinger, Volker Beck (Köln), weiterer eher so, dass Vermieter Schwierigkeiten haben, Mieter Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE für ihre Wohnungen zu finden. Dort müssen die Mieter GRÜNEN nichts bezahlen, weil der Markt dafür sorgt, dass der Bestellerprinzip in die Mietwohnungsver- Vermieter die Maklerkosten trägt. Der Mieter hat eine mittlung integrieren wesentlich bessere Verhandlungsposition. Sie aber wol- len die Kosten des Maklers zur Hälfte auf den Mieter – Drucksachen 17/3212, 17/4202, 17/4614 – übertragen. Es ist völlig falsch, zu versuchen, ein Recht aufgrund Gerechtigkeits- und Verteilungserwägungen zu Berichterstattung: verschieben, nur weil man etwas, was in München, Abgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak Stuttgart oder Berlin gilt, auch auf das – ich darf das so Christine Lambrecht salopp formulieren – platte Land übertragen möchte. Dr. Stefan Ruppert Jens Petermann Dritter Punkt. Das, was Sie wollen, ist bereits gesetz- Ingrid Hönlinger lich geregelt. Wir haben das Wohnraumvermittlungsge- setz. Darin ist auch enthalten, was die Grünen wollen. In Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die diesem Gesetz steht, dass ein Makler bei der Wohnraum- Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Damit sind vermittlung nur dann tätig werden darf, wenn er vom Sie, wie ich sehe, einverstanden. Vermieter einen Auftrag hat. Das ist das Bestellerprin- Wenn die Kolleginnen und Kollegen, die der Debatte zip. Außerdem ist darin eine Begrenzung der Makler- nicht folgen wollen, ihre Gespräche außerhalb des Saa- courtage festgeschrieben, und zwar auf zwei Mieten. In- les führen, können wir mit der Aussprache beginnen. sofern wurde mittels dieses Gesetzes reagiert, um (B) ungerechte Marktentwicklungen zu verhindern, die für (D) Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der Verbraucher belastend sein können. Das ist ein weiterer Kollege Christian Ahrendt für die FDP-Fraktion das Punkt, der es nicht sinnvoll erscheinen lässt, auch nur Wort. annähernd über das, was Sie hier vorschlagen, nachzu- (Beifall bei der FDP) denken. (Beifall bei der FDP – Dr. Peter Danckert [SPD]: Christian Ahrendt (FDP): Nachdenken schadet aber nicht!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute Abend zwei An- – Nachdenken schadet nie, Herr Kollege Danckert. Aber träge abschließend zu beraten: den Antrag der SPD- manchmal ist es auch sinnvoll, nachzudenken, bevor Fraktion, die Maklerkosten gerecht zu verteilen, und den man einen Antrag vorlegt. Antrag über die Einführung eines Bestellerprinzips. Las- (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der sen Sie mich zu Beginn eines feststellen: Wir brauchen CDU/CSU) weder den einen noch den anderen Vorschlag; denn die derzeitigen gesetzlichen Regelungen sind völlig ausrei- Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir brauchen chend. keine Bevormundung im deutschen Recht. Unser deut- sches Recht, insbesondere unser Zivilrecht, gründet auf Zum einen haben wir einen Grundsatz in unserem Zi- Vertragsfreiheit. Die Menschen sind in der Lage, ihre vilrecht, der sich klar durch alle Regelungen zieht. Es Verträge selbst auszuhandeln. Sie sollen das nach den handelt sich dabei um den Grundsatz der Vertragsfrei- vorhandenen Marktsituationen auch selbst tun. Aus den heit. Die Menschen sollen, weil wir ihnen vertrauen, genannten Gründen lehnen wir Ihre Vorschläge ab. dass sie ihre Dinge am besten selbst regeln können, ihre Verträge selber schließen und die Preise, die im Rahmen Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. der Verträge zu verabreden sind, selber aushandeln kön- nen. Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers, darüber zu (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) befinden, wie das, was die Parteien aushandeln, gerecht verteilt werden soll. Das ist der erste Punkt: Wir brau- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: chen Vertragsfreiheit und keine Verteilung im Zivilrecht. Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Lamb- Schon aus diesem Grund ist das, was Sie vorschlagen, recht für die SPD-Fraktion. meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, abzulehnen. (Beifall bei der SPD) 10560 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Christine Lambrecht (SPD): werden darf, wenn der Vermieter ihn beauftragt. Aber (C) Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! was geschieht denn dann? Die Kosten der Beauftragung Herr Ahrendt, wenn Sie sagen, wir brauchen dieses Ge- werden auf denjenigen abgewälzt, der den Wohnraum setz nicht, weil die Menschen das alles selbst regeln kön- anmietet. Der Vermieter bestellt – da haben Sie recht –, nen, dann mag das vielleicht für Menschen wie Sie gel- aber bezahlen muss dann alleine der Mieter. Das hat ten, für die zwei Wohnungsmieten Maklergebühr keine nichts mehr mit dem Bestellerprinzip zu tun, und deswe- große Rolle spielen. Aber für eine ganze Reihe von gen wollen wir einen fairen Ausgleich bei dieser Belas- Menschen, die auch bedingt durch die Anforderungen tung erreichen. der Arbeitswelt häufiger umziehen müssen und viel- Ich sehe durchaus ein, dass auch ein Mieter etwas da- leicht nicht über das Einkommen eines Bundestagsabge- von hat, wenn ein Makler eingebunden wird, denn ordneten oder eines Anwalts verfügen, spielt es eine selbstverständlich koordiniert dieser Besuchs- und Be- ganz große Rolle, ob sie jedes Mal diese Maklergebühr sichtigungstermine usw. Deswegen ist uns der Antrag bezahlen müssen oder nicht. Deshalb glaube ich sehr der Grünen zu weitgehend, nach dem allein der Vermie- wohl, dass dieses Thema hierher gehört. ter oder Verkäufer die Maklergebühren tragen soll. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wir wollen einen Ausgleich, weil beide davon profi- DIE GRÜNEN) tieren und weil es in der jetzigen Situation, die sich noch Ich will das mit einigen Zahlen belegen. Wir haben in dramatisch verschlechtern wird – vielleicht nicht in je- Deutschland circa 23 Millionen Mietverhältnisse. Bei ei- dem Ort Mecklenburg-Vorpommerns, aber auch in ner Umzugsquote von 11 Prozent – sie ist so hoch auf- Kleinstädten und Dörfern, beispielsweise in der Rhein- grund der Anforderung, dass die Menschen flexibel sein Main-Region –, schwierig ist, an bezahlbaren und akzep- und den Wohnort wechseln müssen, wenn sie woanders tablen Wohnraum zu kommen. einen Arbeitsplatz bekommen können – haben wir jedes Für Sie mag das vielleicht nicht von Belang sein, aber Jahr 2,3 Millionen neue Mietverhältnisse. Davon ist fast für eine ganze Menge Menschen ist es sehr wohl wich- die Hälfte, nämlich 1 Million, mit Maklergebühren be- tig, ob sie zusätzlich zu Umzugs- und Renovierungskos- legt, Tendenz steigend. ten auch noch Maklergebühren zu entrichten haben, (Christian Ahrendt [FDP]: Und die andere wenn sie umziehen und ein neues Mietverhältnis einge- Million?) hen müssen. Springen Sie deshalb über Ihren Schatten, und unterstützen Sie unseren Antrag! Das würde zeigen, Angesichts dessen können Sie hier doch nicht sagen, das dass Sie die Lebensrealität der Menschen durchaus spiele alles keine Rolle, die Menschen müssten diese wahrnehmen. Verträge mit Maklerkosten ja nicht abschließen. Denn (B) (D) die Realität ist eine andere. Es ist nicht so, dass nur in Vielen Dank. Großstädten wie Berlin, Hamburg, München, Stuttgart (Beifall bei der SPD – Christian Ahrendt und Frankfurt die Situation vorherrscht, dass die Men- [FDP]: Weil wir sie wahrnehmen, wollen wir schen gar keine andere Möglichkeit mehr haben, an ge- es ja nicht!) eigneten Wohnraum zu kommen, als durch Verträge, die über Makler abgewickelt werden, Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Sebastian Körber [FDP]: Das stimmt über- Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege haupt nicht! Blödsinn!) Dr. Jan-Marco Luczak. sondern das gibt es durchaus auch in ganz anderen Be- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) reichen. (Christian Ahrendt [FDP]: Aber in Mecklenburg- Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Vorpommern gibt es viele Wohnungen!) Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolle- ginnen und Kollegen! Ich will gar nicht lange um den Beispielsweise findet man in einem riesigen Ballungsge- heißen Brei herumreden: Auch die Union wird diese bei- biet wie der Rhein-Main-Region so gut wie keine Woh- den Anträge, die von SPD und Grünen vorgelegt wur- nung mehr, wenn man keinen Makler einschaltet. den, ablehnen. Ich will Ihnen gerne erläutern, warum das Jetzt kann man natürlich sagen, man habe doch die so ist: Ihre Anträge gehen erstens von falschen Annah- Freiheit, einen Vertrag zu schließen, bei dem Maklerge- men aus, sie sind zweitens zum Teil kontraproduktiv, bühren anfallen, oder es zu lassen. Das bedeutet aber und drittens sind sie vom ganzen Ansatz her auf staatli- nichts anderes, als sich zu entscheiden, ob man eine che Interventionen ausgelegt und damit ordnungspoli- Wohnung bekommt oder nicht. Das ist eine ziemlich tisch verfehlt. zynische Auslegung der Vertragsfreiheit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Zunächst einmal zu den falschen Annahmen. Ich bin DIE GRÜNEN) selber gerade erst vor kurzem in Berlin umgezogen. Ich Deswegen ist es dringend erforderlich, das von Ihnen habe durchaus lange nach einer Wohnung suchen müs- eben angeführte, nach dem Wohnraumvermittlungsge- sen. Deswegen habe ich mich recht intensiv mit dem Im- setz geltende Bestellerprinzip kritisch zu hinterfragen. mobilienmarkt in Berlin, also in einer großen Stadt, wie Sie selbst haben gesagt, dass der Makler nur dann tätig Sie das in Ihrem Antrag schreiben, auseinandergesetzt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10561

Dr. Jan-Marco Luczak (A) Ich kann Ihnen also aus persönlicher Erfahrung – der Deswegen glaube ich, dass Sie Ihre Erfahrungen zurück- (C) Umzug liegt erst einige Monate zurück – berichten. stellen, um politisches Kapital aus der Sache zu schla- gen. Das hat mit politischer Seriosität an dieser Stelle (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE aber nur noch recht wenig zu tun. GRÜNEN]: Das ist das klassische Durch- schnittseinkommen in Deutschland! Das ist (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE doch total naiv!) GRÜNEN]: Zu „politischer Seriosität“ sollten Sie auch grundsätzlich schweigen!) Nach meiner Erfahrung ist das ganz eindeutig: Hier in Berlin haben Sie keinerlei Probleme, eine Wohnung zu Zugegebenermaßen mag die Wohnungsmarktsituation finden, die gänzlich ohne Provision vergeben wird. – Da in Berlin anders sein als in anderen Regionen. Das muss Sie dazwischenreden, sage ich: Es mag sein, dass es dar- man sich schon genau anschauen. In den neuen Bundes- auf ankommt, wo man sucht. ländern gibt es zum Beispiel aufgrund der demografi- schen Entwicklung, wohl auch, weil viele Menschen in (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE wirtschaftlich besser aufgestellte Regionen ziehen, Ge- GRÜNEN]: Vielleicht auch darauf, welches biete, in denen nach wie vor ein hoher Wohnungsleer- Einkommen man hat! Schon einmal darüber stand herrscht. Dort gibt es so wenig Nachfrage, dass die nachgedacht, dass nicht jeder unser Einkom- Vermieter im Grunde gezwungen sind, einen Makler ein- men hat? Das ist ja unglaublich!) zuschalten, wenn sie ihre Wohnung schnell wieder ver- mieten wollen. Weil die Nachfrage in diesen Gebieten so Dazu muss man aber sagen, dass man in seiner Freiheit gering ist, zahlt fast immer der Vermieter die Provision. nicht beschränkt ist, sich auf ein bestimmtes Gebiet zu Sonst würde er seine Wohnung nämlich überhaupt nicht beschränken. vermieten können. Dort herrscht also eine Situation, die Der Bundestag hat sich vor knapp anderthalb Jahren, die Grünen mit ihrem Antrag letztlich erreichen wollen. zu Beginn der 17. Legislaturperiode, neu zusammenge- Der Markt hat an dieser Stelle sozusagen das Besteller- setzt. Ich gehe davon aus, dass auch einige Kollegen von prinzip durchgesetzt. der SPD-Fraktion sich eine neue Wohnung in Berlin ge- Anders ist das zum Beispiel in Baden-Württemberg sucht haben, auch wenn aufgrund des Wahlergebnisses und Nordrhein-Westfalen. Soweit dort überhaupt eine vermutlich mehr von Ihnen aus Berlin weggezogen als Provision verlangt wird – das ist sehr unterschiedlich –, zugezogen sind. Das war ja auch nicht schlecht so. ist es vollkommen üblich, dass die Maklercourtage zwi- (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Toller schen Mieter und Vermieter gleichmäßig aufgeteilt wird. Witz!) (B) (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sprechen (D) – Ja, finde ich auch. – Jedenfalls dürften Sie in der Sache Sie eigentlich in eigener Sache? Sind Sie ei- keine anderen Erfahrungen gemacht haben als ich. gentlich befangen? Ihre Firma?) In Ihrem Antrag behaupten Sie aber das komplette Dort herrscht also eine Situation, die die SPD mit ihrem Gegenteil. Dort sagen Sie nämlich, dass Makler „regel- Antrag herbeiführen möchte. Einer gesetzlichen Rege- mäßig“ eingeschaltet werden. Das entspricht nicht mei- lung, eines staatlichen Eingriffs hat es in beiden Fällen ner Erfahrung. nicht bedurft. Bei den regionalen Unterschieden, die ich hier gerade (Christine Lambrecht [SPD]: Sie sind jetzt aufgezeigt habe, muss man auch beachten, dass es inner- vielleicht auch nicht das Maß aller Dinge! – halb der Regionen ganz unterschiedliche Marktsegmente Christian Lange [Backnang] [SPD]: Müssen gibt. Die Höhe der Maklerkosten ist sehr unterschied- wir uns an Ihrem persönlichen Schicksal aus- lich. Es gibt große und kleine Wohnungen. Es gibt eher richten?) einfach ausgestattete Wohnungen, und es gibt Wohnun- Ich bin nun ein bisschen verwirrt. Die Kollegin Lamb- gen mit gehobener Ausstattung. Es gibt Wohnungen, die recht hat nämlich in einer früheren Debatte zu diesem von Kleinvermietern angeboten werden, und es gibt Thema zu Protokoll ausgeführt, dass im Bundesdurch- Wohnungen, die von Wohnungsgesellschaften angebo- schnitt lediglich bei der Hälfte der Neuvermietungen ein ten werden. Manchmal ist die Nachfrage groß, manch- Makler eingeschaltet wird. Was gilt denn nun? Wird er mal ist sie gering. Manchmal wird eine Provision ver- regelmäßig eingeschaltet, in der Hälfte der Fälle oder langt und manchmal eben nicht. Wenn man sich das noch seltener? Sie scheinen sich bei Ihren Zahlen selber genau anschaut, stellt man also fest, dass sich die Situa- nicht so ganz sicher zu sein. tion bezüglich der Maklerprovisionen für Mietwohnun- gen in Deutschland regional ausgesprochen unterschied- (Christine Lambrecht [SPD]: Die Hälfte reicht lich darstellt und entwickelt hat. schon!) (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sind Sie Ich glaube eigentlich nicht, dass Sie unter kollektivem eigentlich deutschlandweit tätig mit Ihrem Un- Gedächtnisschwund leiden. ternehmen? (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE Jetzt stellt sich die entscheidende Frage: Ist das nun GRÜNEN]: Zu „Gedächtnisschwund“ sollte ein Grund, diese Unterschiede durch ein Gesetz, also Ihre Fraktion generell schweigen!) durch staatlichen Zwang aufzuheben? Ist das ein Grund, 10562 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Jan-Marco Luczak (A) alles über einen Kamm zu scheren, oder ist es nicht viel- Verwalter erfolgt. In diesen Fällen wäre es ohnehin un- (C) leicht klug, mal dahinter zu schauen und zu fragen, wo- zulässig, eine Maklerprovision zu verlangen. Das ist ja her diese Unterschiede kommen? Dazu findet man in Ih- auch richtig. Aber Sie nehmen das nicht zum Anlass, Ih- ren beiden Anträgen kein Wort. Ich sage, dass eine ren Antrag einmal kritisch zu hinterfragen, sondern Sie bundesweit einheitliche, staatlich festgelegte Regelung ignorieren diese Tatsache einfach. Da muss ich wieder den unterschiedlichen Interessenlagen und den bestehen- sagen, dass Sie mit diesem Antrag Schaufensterpolitik den regionalen Unterschieden in keiner Weise gerecht betreiben. wird. Das vermeintliche Problem, das Sie mit Ihrem Antrag (Christine Lambrecht [SPD]: Das haben wir aufgreifen, ist also, wenn es überhaupt je eines war, in doch jetzt auch! Zulasten der Mieter!) den letzten Jahren deutlich kleiner geworden. Es wird in Zukunft noch kleiner werden. Damit schwindet zugleich Im Übrigen ist die Wohnungssituation keineswegs sta- die Rechtfertigung für diesen erheblichen Eingriff in die tisch, sondern es gibt durchaus Veränderungen. Auf Privatautonomie, den Sie hier vornehmen wollen. Damit diese Veränderungen kann der Markt – Angebot und wir uns richtig verstehen: Ich bin bestimmt niemand, der Nachfrage – am flexibelsten, am schnellsten und damit immer sagt, der Markt regelt alles. auch am besten reagieren. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Nein, Man muss sich verdeutlichen – das hat Kollege Ah- nein!) rendt hier schon angesprochen –, was mit Ihren beiden Anträgen verfolgt wird. Es handelt sich dabei um einen An bestimmten Stellen ist es durchaus richtig, dass man ganz erheblichen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Par- gesetzgeberisch tätig wird, aber an dieser Stelle, wenn es teien. Es müsste schon bedeutende Gründe geben, um ei- um die Maklerprovision geht, zeigen uns die tatsächli- nen solchen Eingriff in ein immerhin auch grundrecht- chen Gegebenheiten: Der Markt funktioniert. Deswegen lich, nämlich durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes ist es ordnungspolitisch völlig verfehlt, hier staatlich in- geschütztes Recht zu rechtfertigen. Solche Gründe kann tervenieren zu wollen. ich aber nicht erkennen. Im Gegenteil: Man sieht an den (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – regionalen Unterschieden, dass der Markt tatsächlich Christian Lange [Backnang] [SPD]: Es geht funktioniert und den unterschiedlichen Gegebenheiten auch um Ihre konkrete Firma!) Rechnung trägt. Meine Damen und Herren von der SPD und von den Schauen wir einmal weiter: Ihr Antrag blendet völlig Grünen, eines kommt noch hinzu. Ihr Antrag ist – selbst die Entwicklungen und Veränderungen aus, die auf dem wenn man Ihr Anliegen teilen würde – in der Sache so- Immobilienmarkt durch neuere technische Entwicklun- (B) gar kontraproduktiv. Denn Sie lassen außer Acht, dass es (D) gen entstehen, zum Beispiel das Internet. Es gibt diverse nicht nur Außenprovisionen – über diese reden Sie hier –, Plattformen. Ich nenne nur das Beispiel Immobilien- sondern auch Innenprovisionen gibt. scout. Dort findet man 1,2 Millionen Immobilienange- bote, sowohl Miet- als auch Kaufwohnungen, und zwar (Christine Lambrecht [SPD]: Sie kennen sich pro Monat. aber aus!) (Christine Lambrecht [SPD]: Die sind doch Bei diesen geht es darum, dass ein Vermieter einen Mak- trotzdem beim Makler!) ler mit der Vermittlung beauftragt, aber die Provision selber, also im Innenverhältnis, zahlt. Dazu schreiben Diese Internetportale ermöglichen es sowohl Miet- als Sie in Ihrem Antrag, dass man auch hier hälftig teilen auch Kaufinteressenten, sich schnell und unkompliziert müsse. einen Angebotsüberblick zu verschaffen und eine geeig- nete Immobilie auszusuchen. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Das entbehrt doch jeder Realität! Diese Fälle gibt es doch gar Wer keine Maklercourtage zu zahlen bereit ist, kann nicht!) die entsprechenden Angebote mit einem einfachen Klick aussortieren. Er klickt einfach an, dass er nur die Ange- Das würde ja in der Konsequenz dazu führen, dass der bote sehen möchte, bei denen keine Provision zu zahlen Mieter, der vorher möglicherweise überhaupt keine Pro- ist. Kein Problem, dann bekommt er auch nur diese an- vision zahlen musste, auf einmal die Hälfte zahlen muss. gezeigt. Vor allen Dingen können auch Vermieter und Ich glaube, da geben Sie ihm Steine statt Brot. Das ha- Verkäufer mit nur wenigen Klicks ihre Immobilien sel- ben Sie bestimmt nicht damit gewollt. Das scheint erneut ber in diesen Portalen einstellen. Dazu brauchen sie kei- deutlich zu machen, dass Sie Ihren Antrag offensichtlich nen Makler. nicht bis zu Ende gedacht haben. Allein durch diese in den letzten Jahren stark zuneh- Wir haben bislang nur von Mietern und Vermietern mende Anbahnung und Abwicklung von Vertragsver- gesprochen, aber der Antrag der SPD ist durchaus wei- hältnissen über das Internet gibt es immer weniger Not- tergehend. Es geht nicht nur um Miete, sondern Sie wol- wendigkeit, überhaupt einen Makler einzuschalten. len ja auch bei Kaufimmobilien die Provision reglemen- Wenn man in die Zukunft denkt, geht Ihr Antrag tenden- tieren. Da wird es nun ganz absurd. Jeder Verkäufer ziell ohnehin ins Leere. Sie schreiben an anderer Stelle möchte für seine Immobilie natürlich einen bestimmten in Ihrem Antrag ja auch selbst, dass die Anbahnung des Kaufpreis erzielen. Wenn Sie jetzt aber den Verkäufer Vertrages häufiger direkt über den Vermieter oder den gesetzlich zwingen, die Hälfte der Provision selbst zu Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10563

Dr. Jan-Marco Luczak (A) zahlen, dann kann man sich doch an drei Fingern abzäh- steuerlich absetzen kann. Insofern findet an dieser Stelle (C) len, was dann passieren wird. Selbstverständlich wird gar keine Belastung der Mieter statt. Insofern geht Ihr der Verkäufer den zu tragenden Provisionsteil, also die Argument an dieser Stelle auch völlig ins Leere. Hälfte, schlicht auf den Kaufpreis aufschlagen. Zumin- Ich komme zum Schluss. Meine sehr verehrten Kolle- dest würde das jeder wirtschaftlich denkende Mensch so ginnen und Kollegen von den Grünen und von der SPD, tun. Eine Entlastung für den Käufer erreichen Sie damit normalerweise erwarte ich von Ihnen eigentlich kein also keineswegs. Im Gegenteil: Sie würden letztlich nur Verständnis. Da aber die Anträge, die Sie uns hier vorle- eine Kostenspirale in Gang setzen, die für alle Beteilig- gen, die tatsächlichen Gegebenheiten verkennen, ihr in- ten zu einer Erhöhung der Kosten führt. Deswegen ist haltliches Ziel zum Teil sogar konterkarieren, also in Ihr Antrag an dieser Stelle absolut kontraproduktiv. dieser Hinsicht nicht zu Ende gedacht sind, und auch Es gibt – zugegebenermaßen – vielleicht einen, der ordnungspolitisch insgesamt verfehlt sind, werden Sie, sich darüber freuen würde. Das ist nämlich der Makler glaube ich, vielleicht doch Verständnis dafür haben, dass selber, weil sich die Provision nach dem Kaufpreis rich- die Union diesen Anträgen beim besten Willen nicht fol- tet. Er kriegt dann, wenn der Kaufpreis deswegen höher gen kann. ist, auch eine höhere Provision. Auch die Notare werden Vielen Dank. das vielleicht ganz nett finden, weil sich auch deren Ge- bühren nach dem Kaufpreis richten. Aber ich glaube, Ihr (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Antrag ist nicht so zu verstehen, dass Sie den Maklern neten der FDP – Christian Lange [Backnang] und den Notaren hier etwas Gutes tun wollen, sondern [SPD]: Wo ist der Tellerrand geblieben?) Sie wollten eigentlich Mieter und Käufer entlasten. Das ist wieder einmal ein Beispiel dafür: Sie haben an dieser Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Stelle nicht bis zum Ende gedacht. Nächster Redner ist der Kollege Jens Petermann für Ihnen geht es vor allen Dingen um die Mieter, jeden- die Fraktion Die Linke. falls in Ihrer Antragsbegründung. Da heißt es immer nur: (Beifall bei der LINKEN) Im Übrigen gilt das entsprechend auch für Kaufimmobi- lien. – Aber vornehmlich fokussieren Sie sich auf die Mieter. Da verhält es sich im Kern auch nicht anders. Jens Petermann (DIE LINKE): Natürlich wird sich ein Vermieter, wenn er jetzt die Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Hälfte der Provision zahlen muss, auch fragen: Wie Herren! Worum geht es bei diesen Anträgen im Kern? Es kriege ich diese Provision wieder herein? Das heißt, er geht um soziale Gerechtigkeit bei der Anbahnung eines wird tendenziell eine höhere Miete verlangen, um das Mietverhältnisses; so könnte man das Thema der De- (B) (D) Geld über die Zeit wieder hereinzubekommen. Das führt batte überschreiben. Übrigens wird diese Debatte auf- aber dann dazu, dass ein Mieter nicht nur einmal mit ei- merksam verfolgt. Das haben mir Zuschriften bereits ner Provision belastet wird, sondern dauerhaft über eine nach der ersten Lesung gezeigt. Die Leute schauen also, höhere Miete. was wir hier treiben; das finde ich sehr interessant. SPD und Grüne haben mit ihren Anträgen zu einem großen Meine Damen und Herren, auch die von mir sonst Sprung angesetzt. Ob auch das Ziel damit erreicht wird, sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen von den das wird sich zeigen. Grünen haben ihren Antrag, so scheint mir, nicht ganz bis zum Ende gedacht. Zur Ausgangslage. In Großstädten und Ballungsräu- men mit geringen Leerständen erfolgt die Vermittlung (Christine Lambrecht [SPD]: Na ja! Wenn Sie von Wohnraum meist über einen Makler, der vom Eigen- es sagen!) tümer beauftragt wird. Der potenzielle Mieter hat bei Sie schreiben nämlich in Ihrem Antrag, dass gerade in derartigen Angeboten regelmäßig keinen Verhandlungs- Zeiten eines flexibilisierten Arbeitsmarktes, wo Arbeit- spielraum. Entweder zahlt er die Provision, oder er ist nehmer häufig umziehen müssen, die Maklercourtage außen vor. Gerade der stark zunehmende Flexibilisie- ein Preissteigerungsfaktor sei, der wirtschaftlich eine rungsdruck in unserer Gesellschaft führt zu einem rapi- spürbare und eine extreme Belastung darstelle. Meine den Anstieg der Umzugsraten. Kollegin Lambrecht, Sie Damen und Herren, das ist schlichtweg falsch. Sie soll- hatten die Zahlen geschildert; sie sind insoweit auch va- ten bei Ihren Anträgen auch einmal ein Stück weit über lide. den Tellerrand schauen. Die angespannte finanzielle Situation der Betroffenen wird durch diese Praxis noch verstärkt und führt nicht (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE selten zu einer weiteren Verschuldung. Das trifft übri- GRÜNEN]: Oh! Zu Ende denken soll man und gens verstärkt auch auf Studentinnen und Studenten zu, über den Tellerrand schauen soll man! Das die es doppelt so hart trifft, wenn sie auf den privaten sind ja richtig tiefschürfende Ratschläge, die Wohnungsmarkt angewiesen sind. Beispielsweise in der Sie da geben! Das ist ja eine Qualität! Kaum beliebten Thüringer Universitätsstadt Jena werden von zu glauben!) privat überwiegend Wohnungen über Makler angeboten. Wenn Sie auch einmal andere Rechtsgebiete in den Blick Zu den ohnehin schon überdurchschnittlich hohen Mie- genommen hätten, dann hätten Sie nämlich festgestellt, ten kommen neben den üblichen Kautionen noch die dass man die Maklerkosten, die beruflich veranlasst sind Provisionen, sodass ein Student, ohne auch nur einen – wenn man also beruflich bedingt umziehen musste –, Tag studiert zu haben, bereits mit 2 000 Euro in Vorkasse 10564 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Jens Petermann (A) gegangen ist, ohne überhaupt eine möblierte Unterkunft ben. Zeigen Sie doch einfach einmal Ihre soziale Seite, (C) zu bekommen; Geld, das übrigens oft nur geborgt ist. sofern davon noch etwas vorhanden ist! Man kann also durchaus von einer sozialen Schief- (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Haben sie lage sprechen, derer wir uns annehmen müssen und an- nicht!) nehmen sollen. Hier wird auch das Verständnis von Blenden Sie die unsoziale Lobbypolitik aus, damit Stu- sozialer Politik sehr deutlich. Ich sage Ihnen: Der Woh- dierwillige nicht auf der Strecke bleiben, nur weil sie nungsuchende ist eindeutig in der schwächeren Position nicht von wohlhabenden Eltern abstammen und sich eine und bedarf unseres besonderen Schutzes. solche Wohnung nicht leisten können! Die Linke sagt: (Beifall bei der LINKEN) Wer die Musik bestellt, soll sie auch bezahlen. Die Verhandlungsmacht liegt bei knappem Wohn- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- raum immer beim Vermieter. Damit kommt das im Bür- neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE gerlichen Gesetzbuch geschützte Privatrechtsverhältnis GRÜNEN) auf Augenhöhe, Kollege Ahrendt, zunehmend abhanden. Das gilt auch für Maklerkosten. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie versucht haben zu erläutern. Wir müssen also den Mieter, aber Danke für die Aufmerksamkeit. auch den Käufer vor einer Abwälzung der Maklerkosten (Beifall bei der LINKEN) schützen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das Wort hat nun die Kollegin Daniela Wagner für Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen setzt den die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. richtigen Schwerpunkt. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wir haben (Beifall des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜND- Sie gelobt!) NIS 90/DIE GRÜNEN]) Er stellt eine konsequente Umsetzung des Bestellerprin- Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): zips dar, indem der Besteller der Maklerleistung diese al- Ich habe es zur Kenntnis genommen, Herr Kollege. lein zu zahlen hat. Allerdings ist der Immobilienkauf au- Wir wollen aber auch noch steigerungsfähig sein. ßen vor geblieben. Wenn Sie diesen Punkt noch mit Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie ha- aufgenommen hätten, wäre Ihr Antrag perfekt gewesen. ben es schon in anderen Reden gehört: Die Grünen wol- (B) (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- len, dass die Umlagefähigkeit von Maklerkosten gestri- (D) NEN]: Perfekt wollen wir gar nicht sein!) chen und ein konsequentes Bestellerprinzip in das Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung integriert Meine Damen und Herren der Koalition, wenn das, wird. Unser Antrag zielt darauf ab, den im Dienstleis- was Sie meinen, eine Einschränkung der Privatautono- tungssektor übrigens eigentlich absolut üblichen Markt- mie und der Vertragsfreiheit ist, dann ist dies jedenfalls mechanismus auch für die Maklerprovision einzusetzen. an dieser Stelle gerechtfertigt. Worum es geht, hat be- Ich habe von Ihnen bisher noch nie gehört, dass das Be- reits Rousseau erklärt – den haben Sie beim Studium stellerprinzip falsch wäre, aber hier ist es ganz offen- vielleicht auch einmal kennengelernt –: sichtlich fehl am Platz. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie wissen, wenn jemand in unserem Land eine NEN]: Der steht nicht im Internet!) Dienstleistung bestellt, dann zahlt er diese in der Regel auch. Das Bestellerprinzip wird auch der Unterschied- Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es lichkeit unserer Wohnungsmärkte, die Sie zu Recht be- die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das nannt haben, am ehesten gerecht. Die Situation sieht in befreit. Kassel in der Tat anders aus als in Frankfurt. Sie sieht in (Beifall bei der LINKEN) Nordrhein-Westfalen auch anders aus als im Großraum Stuttgart. Im Übrigen ist der Hauptnutzer der Leistung Das Gesetz soll also den Schwächeren schützen. Dem natürlich in erster Linie der Eigentümer, also der Ver- sind wir verpflichtet. Darum ist die hier geforderte Rege- mieter. Er ist deswegen in aller Regel auch derjenige, der lung unseres Erachtens auch zulässig. bestellt. Denn für den Mieter ist es im Grunde genom- Das gesamte Wohnraummietrecht kennt Regelungen men vollkommen gleichgültig, ob er mit dem Hausei- mit Einschränkungen für den Eigentümer. Kein Mensch gentümer, mit dem Hausverwalter – was zunehmend der käme auf die Idee, die gesetzlichen Kündigungsfristen Fall ist – oder mit einem Makler die Verhandlungen und für Mietwohnungen mit dem Argument der Einschrän- Gespräche führt und die Wohnungsbesichtigung durch- kung der Privatautonomie zu streichen, führt. Er hat nichts davon. Und wenn er etwas davon hat und selber bestellen will, dann soll er es auch bezahlen. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das ist, denke ich, die richtige Herangehensweise. NEN]: Na ja! Da wäre ich vorsichtig!) Im Übrigen stellt die Maklerprovision insbesondere jedenfalls nicht in einem sozialen Rechtsstaat. Ich denke, in angespannten Mietwohnungsmärkten einen nicht zu die Koalition geht davon aus, dass wir einen solchen ha- unterschätzenden Preissteigerungsfaktor dar. Zum Bei- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10565

Daniela Wagner (A) spiel sind die Mieten in den Jahren von 2005 bis 2011 in (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Hausver- (C) Hamburg um 22 Prozent und in Berlin um 20 Prozent walter sind keine Makler! Das sind ja schon gestiegen. Ganz interessant ist in diesem Zusammen- Unterschiede!) hang das Frühjahrsgutachten des Jahres 2011, das diese Zahlen darstellt und gleichzeitig feststellt, dass diese Möglicherweise gibt es an dieser Stelle einen Interessen- Mietsteigerungen keineswegs auf Qualitätssteigerun- konflikt. gen, zum Beispiel durch umfassende Sanierungen, zu- Die jetzige Situation muss meines Erachtens dringend rückzuführen sind. Das heißt, diese Mietsteigerungen er- geändert werden. Momentan beauftragen die Vermieter geben sich aus den jeweiligen Wohnungsmärkten. den Makler, und es wird ein Vertrag zulasten Dritter ge- Deswegen wollen wir insbesondere auf diesen schwer schlossen. Das ist eine sehr unfaire Regelung. Deshalb angespannten Wohnungsmärkten die Mietwohnungsu- liegen heute hier zwei Anträge vor, die beide in die rich- chenden, die Mieterpartei bei der Maklerprovision etwas tige Richtung gehen. entlasten. Zum einen wird in dem Antrag der Grünen ganz klar (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gesagt: Wer den Auftrag erteilt, soll am Ende auch be- zahlen. Wir sagen an dieser Stelle: Der erste Schritt muss Sie haben auch im Ausschuss schon die Einwände er- sein, dass es einen fairen Kompromiss zwischen Vermie- hoben, das würde gegen die Privatautonomie und die ter und Mieter gibt. Beide haben einen Nutzen von die- Vertragsfreiheit verstoßen. Das verstehe ich nun über- ser Sache. haupt nicht. Es ist schon jetzt so, dass es natürlich auch (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE in diesem Geschäft begrenzende Regeln gibt. Nach dem, GRÜNEN]: Na ja!) was Sie sagen, wäre es auch ein Eingriff in die Vertrags- freiheit, wenn man diese Gebühren begrenzt; denn man Deshalb haben sie sich den Betrag für den Makler ge- kann nicht versuchen, beliebig hohe Maklergebühren recht zu teilen. von jemandem abzupressen, selbst dann nicht, wenn man den Eindruck haben kann, dass er genug Geld hat. Diese beiden Anträge gehen also in die richtige Rich- tung. Deshalb glaube ich, dass es richtig ist, unseren An- Deswegen sage ich Ihnen: Wir greifen keineswegs in trag zu unterstützen, damit wir für die Mieter, die in al- die Vertragsfreiheit ein. Nein, im Gegenteil: Wir schla- lererster Linie die Zeche bezahlen müssen, an dieser gen sogar vor, den schwächeren Marktteilnehmer mit ei- Stelle eine Erleichterung schaffen. Durch diesen Antrag nem klassischen Marktmechanismus – wer bestellt, be- kommt es zur Entlastung der Mieter, die bei der Beschaf- zahlt – auf geschicktere Art und Weise erfolgreicher zu fung von Wohnraum in eine schwierige Situation gera- (B) schützen und dem stärkeren Marktteilnehmer unter Um- ten. Ich bitte um Unterstützung unseres Antrages. (D) ständen mehr abzuverlangen. Das soll sich aber jeweils im Einzelfall regulieren. Wer bestellt, bezahlt! Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ und bei der LINKEN) DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Ich schließe die Aussprache. Dr. Peter Danckert für die SPD-Fraktion. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp- (Beifall bei der SPD) fehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 17/4614. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be- schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak- Dr. Peter Danckert (SPD): tion der SPD auf Drucksache 17/3212 mit dem Titel Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle- „Maklerkosten gerecht verteilen“. Wer stimmt für diese gen! Mein Auftrag von der Fraktion war, nachdem Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Enthaltun- meine Christine Lambrecht alles Wesentliche zu dem gen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit Antrag von unserer Fraktion gesagt hat, auf die Argu- den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion mente einzugehen, die aus dem Kreis der Kollegen hier Die Linke bei Gegenstimmen der SPD-Fraktion und Ent- gekommen sind. haltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Eines ist mir besonders aufgefallen, das ist die Tatsa- Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab- che, dass hier ein Kollege von der CDU/CSU gespro- lehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- chen hat, der Kollege Luczak, der nicht nur Rechts- nen auf Drucksache 17/4202 mit dem Titel „Besteller- anwalt, sondern nach der App, die man vom Bundestag prinzip in die Mietwohnungsvermittlung integrieren“. aufs iPhone geliefert bekommt, auch Inhaber der Firma Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist Luma Hausverwaltung ist. Ich finde es allerdings sehr dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung interessant, dass er sich hier als Experte auf diesem zu- ist ebenfalls angenommen, und zwar mit den Stimmen gegeben sehr schwierigen Terrain bewegt, eine Propa- der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Ge- gandarede für die Hausverwaltungen hält und sich damit genstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und ganz in der Nähe der Vermieter befindet. der Fraktion Die Linke. 10566 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt (A) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf: vorbildlicher Art und Weise zuallererst in Baden- (C) Württemberg. Das Land ist bundesweit Vorreiter, wenn – Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- es darum geht, erneuerbare Wärme zu fördern. regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/28/EG zur (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Förderung der Nutzung von Energie aus erneu- NEN]: Die Vorlage kam von den Grünen!) erbaren Quellen (Europarechtsanpassungs- Beide Gesetze sind die zentralen Säulen für eine Ent- gesetz Erneuerbare Energien – EAG EE) wicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland, die – Drucksachen 17/3629, 17/4233 – weltweit Anerkennung findet und inzwischen mehr als 340 000 Arbeitsplätze bei uns geschaffen hat. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- Wenn wir heute das Europarechtsanpassungsgesetz heit (16. Ausschuss) Erneuerbare Energien beschließen, geht es darum, den eingeschlagenen Weg konsequent weiter zu beschreiten. – Drucksache 17/4895 – Ich möchte zwei Punkte aus dem Gesetzentwurf nennen, Berichterstattung: die mir besonders wichtig sind. Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth Erstens. Wir wollen den Wärmemarkt durch eine Vor- Dirk Becker bildfunktion bei den öffentlichen Gebäuden stärken. Die Michael Kauch Richtlinie der Europäischen Union sieht vor, dass ab Dorothee Menzner dem nächsten Jahr alle bestehenden öffentlichen Ge- Hans-Josef Fell bäude eine Vorbildfunktion für die Nutzung erneuerbarer – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) Energien übernehmen müssen, wenn sie grundlegend re- gemäß § 96 der Geschäftsordnung noviert werden. – Drucksache 17/4896 – Dies ist ein wichtiger Schritt, die Nutzung erneuerba- rer Wärme weiter voranzubringen. Es geht darum, die Berichterstattung: Vorbildfunktion öffentlicher Gebäude zu stärken, wenn Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte beispielsweise ein Rathaus oder das Landratsamt vor Ort Sören Bartol durch Solarthermie oder aus einem lokalen Biomasse- Heinz-Peter Haustein heizkraftwerk beheizt wird. Dies kann andere dazu er- Michael Leutert muntern, ebenfalls auf erneuerbare Energien umzustei- Sven-Christian Kindler gen. Natürlich steigt der Anteil erneuerbarer Energien an (B) Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der Wärmeversorgung, wenn die öffentliche Hand kon- (D) Bündnis 90/Die Grünen vor. sequent erneuerbare Energien nutzt. Interfraktionell wurde vereinbart, eine halbe Stunde Wir nehmen bei dieser Vorbildfunktion aber auch zu diskutieren. – Ich sehe, damit sind Sie einverstanden. Rücksicht auf die finanzielle Situation der Städte und Dann können wir so verfahren. Gemeinden. Für überschuldete Gebietskörperschaften sehen wir eine Ausnahmeregelung vor. So verhindern Die Aufmerksamkeit für die Redner scheint gesichert wir, dass Kommunen überfordert werden, und so haben zu sein. Damit eröffne ich die Aussprache. Als erste wir einen guten Kompromiss zwischen den kommunalen Rednerin hat das Wort für die Bundesregierung Frau Interessen und dem Klimaschutz gefunden. Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche. Zweitens wollen wir die Kosten der Förderung für die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Stromverbraucher im Rahmen halten. Wenn die Kosten neten der FDP) der Förderung eines erneuerbaren Energieträgers nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis zu seinem Anteil Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bun- am Gesamtstromaufkommen der erneuerbaren Energien desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- stehen, wenn es also zu einer deutlichen Überförderung heit: kommt, dann gefährdet das die allseits große Akzeptanz Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! für die erneuerbaren Energien und das Erneuerbare-En- Der sperrige Titel „Europarechtsanpassungsgesetz Er- ergien-Gesetz insgesamt. Das kann niemand wollen. neuerbare Energien“ beschreibt nur unzureichend, Deshalb nehmen wir heute eine erneute Anpassung worum es heute Abend geht. Dahinter verbirgt sich: der Photovoltaikförderung vor, indem wir die Degres- Deutschland ist vorbildlich, wenn es um die Förderung sion teilweise vom 1. Januar 2012 auf den 1. Juli dieses erneuerbarer Energien geht. Jahres vorziehen. Die Degression in diesem Jahr kann in (Ulrich Kelber [SPD]: Das war es zumindest der Summe bis zu 24 Prozent – je nach Zubauraten – be- bisher!) tragen. Dieser Schritt war zwingend erforderlich. Wir verhindern so eine unverhältnismäßige Belastung der Unser nationales Recht entspricht bereits weitgehend Stromverbraucher durch zu stark steigende EEG-Kosten. dem, was die Europäische Union mit ihrer Erneuerbare- Energien-Richtlinie vorgibt. Mit dem Erneuerbare-Ener- Es ist erstaunlich, aber auch gut, dass dieser Schritt gien-Gesetz und dem Erneuerbare-Energien-Wärmege- diesmal auch von denen akzeptiert wird, die bei der An- setz haben wir die Weichen richtig gestellt, übrigens in passung vor gut einem halben Jahr noch den Niedergang Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10567

Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche (A) der deutschen Photovoltaikindustrie prophezeit haben. Der Normalfall für den Einsatz erneuerbarer Energien (C) Dafür gab es damals keinen Anlass. Es war ein Stück ist doch wohl dann gegeben, wenn die alte Heizungsan- weit Panikmache zulasten der Verbraucherinnen und lage ausfällt, wenn sie kaputt ist, wenn sie sozusagen fäl- Verbraucher. Wir müssen in diesem Jahr auf jeden Fall lig ist und sowieso repariert werden muss. Aber genau erneut korrigieren. Auch in Zukunft kann es hier zu wei- diesen Tatbestand lassen Sie nicht zu. Sie verkomplizie- teren Anpassungen kommen, wenn sich die Schere zwi- ren das Ganze. Zusätzlich müssen nämlich 20 Prozent schen sinkenden Anlage- und Modulkosten sowie den der Gebäudehülle erneuert werden, und das innerhalb ei- Vergütungssätzen weiter öffnen sollte. nes Zeitraums von zwei Jahren. Das heißt, für jeden, der erneuerbare Wärme nicht einsetzen will, wird es nach Mit der Begrenzung des Grünstromprivilegs ab dem der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs leicht, die 1. Januar 2012 auf 2 Cent je Kilowattstunde schränken Einsatzpflicht zu umgehen. So dienen Sie dem Klima- wir Mitnahmeeffekte zulasten der Stromverbraucher ein. schutz nicht. Mit Vorbildfunktion hat das rein gar nichts Auch das ist ein Beitrag zur Kostenbegrenzung. zu tun. Beide Maßnahmen, liebe Kolleginnen und Kollegen, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sind unverzichtbar und dringend notwendig. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Ulrich Kelber [SPD]: Sozusagen LINKEN) alternativlos!) Sie begründen Ihr Vorgehen zum Teil mit der Rück- Sie konnten nicht bis zur großen EEG-Novelle 2012 sicht auf die finanzielle Situation der Kommunen. An warten, die Ende des Jahres in Kraft treten soll. Wir ver- dieser Stelle bin ich bei Ihnen: Wir dürfen die Kommu- bessern so die Kosteneffizienz des EEG und geben nen, die in einer schwierigen finanziellen Lage sind, Anreize für Innovationen. Mit der EEG-Novelle 2012 nicht überfordern. Meine lieben Kolleginnen und Kolle- werden die nächsten Schritte folgen. Wir wollen die gen der Regierungskoalition, da gibt es auch andere In- Erfolgsgeschichte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes strumente. Man sollte den Kommunen ihre Steuerein- fortschreiben. Wir wollen die erneuerbaren Energien in nahmen lassen, anstatt unsinnige Steuergeschenke zu Deutschland weiter fit für die Zukunft machen und machen, mit der Folge, dass den Kommunen Geld fehlt. bauen dabei auf Ihre Unterstützung. (Oliver Luksic [FDP]: Sie haben elf Jahre Zeit Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. gehabt, das zu machen!) – Wir haben diese Steuergeschenke nicht beschlossen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Unsere Fraktion hat zusammen mit den anderen Fraktio- nen in dieser Woche die Bürgermeister der Großstädte (B) (D) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: angehört. Ihre Fraktion hat das als einzige nicht getan. Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Dirk Tun Sie jetzt nicht so, als wären Sie eine Kommunalpar- Becker. tei. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Oliver Luksic [FDP]: Sozial- Dirk Becker (SPD): kosten hochgeschraubt!) Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Der entscheidende Punkt ist in der Tat die finanzielle Si- Herren! Ja, Frau Staatssekretärin, es geht hier im We- tuation der Kommunen. sentlichen um die Vorbildfunktion öffentlicher Gebäude Allerdings: Ist es denn richtig, hier nur einen Umge- bei unserem Bestreben, den Anteil der erneuerbaren hungs- und Ausnahmetatbestand herzustellen, die Kom- Wärme bis zum Jahr 2020 in Deutschland von derzeit munen aber dauerhaft in der Falle zu belassen, hohe 7 auf 14 Prozent zu steigern, und zwar im Gesamtkon- Brennstoffkosten tragen zu müssen – wir erleben gerade text der Klimaschutzpolitik in der EU und in Deutsch- die Entwicklung des Ölpreises –, anstatt ihnen über den land. Warum eine Vorbildfunktion? Wir werden bis zum kommunalen Klimaschutz, über ein umfangreiches Jahr 2015 die Einsatzpflicht im Hinblick auf die erneuer- Marktanreizprogramm Wege zu eröffnen, Investitionen bare Wärme für alle Gebäude beschließen und ausgestal- zu tätigen, die sie nachhaltig entlasten? Das wäre der ten. Wichtig ist, dass wir schon heute sagen, wie man in richtige Weg gewesen. den Gebäuden auf allen staatlichen Ebenen die vorgege- benen Ziele erreichen kann, wie es gelingen kann, erneu- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten erbare Wärme einzusetzen. Da stellt sich in der Tat die des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frage, Frau Staatssekretärin: Was versteht man eigent- lich unter einer Vorbildfunktion? Über diese Fragestel- Ich will auf einen weiteren Punkt eingehen. Es wird lung wird in diesen Tagen auf unterschiedlichen politi- seit langem darüber gestritten, wie man Biogas, Bio- schen Ebenen diskutiert. Keine Sorge, es gelingt mir methan am sinnvollsten einsetzt. Wir haben in der Gro- auch bei diesem Thema, deutlich zu machen, dass die ßen Koalition die Pflicht zum Einsatz von Biomethan im Vorbildfunktion nicht gewahrt wird. Neubaubereich ganz bewusst an die Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung gebunden. Warum? Weil wir (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gesagt haben: Biogas ist eben kein erneuerbares Abfall- DIE GRÜNEN – Christian Lange [Backnang] produkt, nicht irgendein Produkt, das einfach so da ist, [SPD]: Wie überall mittlerweile!) sondern ein wertvolles Gut. Wir erleben doch zurzeit, 10568 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dirk Becker (A) wie über Biogas auf unterschiedlichsten Ebenen disku- strahlung prüft. Möglicherweise könnte man hier PV- (C) tiert wird und welche Akzeptanzprobleme damit verbun- Anlagen fördern. den sind. Auch um die Akzeptanz des Biogases nach Effizienzkriterien auszurichten, müssen wir bei der Ver- Letzter Punkt: das Grünstromprivileg. Frau Reiche, wendung von Biomethan darauf achten, dass es so effizi- an diesem Punkt darf ich der Koalition zunächst einmal ent, so klimaverträglich wie möglich eingesetzt wird. sagen: Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Sie von Ihrem ursprünglichen Vorhaben, was die Neuregelung des (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Machen Grünstromprivilegs anbelangt, abgewichen sind und wir ja!) jetzt sagen: Wir machen jetzt einen klaren Schritt – das sind die 2 Cent –, aber die Neuausrichtung erfolgt mit Dieser Einsatz ist eben nicht die schlichte Verwertung in der Novelle zum 1. Januar 2012. – Das ist richtig und der Therme, sondern die Verwertung bei der Kraft-Wärme- wichtig, um nicht in bestehende Verträge einzugreifen. Kopplung. Wenn eine Vorbildfunktion der öffentlichen Gebäude angestrebt wird, dann muss das Effizienzkrite- Aber eines müssen wir schon jetzt wissen: Wir müs- rium gerade in diesem Bereich vorbildlich berücksichtigt sen den Stromhändlern frühzeitig sagen, wie es in 2012 werden. Daher muss es hier bei der KWK-Verpflichtung weitergeht. Wir können damit nicht bis irgendwann nach bleiben, und es darf nicht der Verbrennung in der der Sommerpause warten; denn es geht darum, auch für Therme der Vorrang gegeben werden. den Strombezug aus erneuerbaren Energien im Jahr 2012 Verlässlichkeit herzustellen. Von daher die Bitte an (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Sie im Ministerium, möglichst frühzeitig gerade das des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Thema Grünstromprivileg zu regeln, einen Vorschlag zu Frau Reiche, ich will noch auf die Themen PV und unterbreiten und dabei nicht nur die schlichte Absen- Grünstromprivileg – auch Sie haben sich dazu geäußert – kung auf 2 Cent zu prüfen, sondern auch die wichtige eingehen. Dabei geht es nicht um die ureigenen Rege- Frage zu klären, wie sich die Reststrommenge zusam- lungstatbestände des Europarechtsanpassungsgesetzes mensetzen soll. Wir schlagen vor, die Reststrommenge Erneuerbare Energien; wir regeln diese Bereiche mit der ganz klar mit dem Gütesiegel „Ökostrom“ oder „KWK- Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes mit. Ich sage Strom“ zu versehen. ganz klar: Ja, auch wir wollen die Absenkung der PV- Das sind nur einige Punkte. Alles Weitere werden wir Vergütung im Markt. Warum? Weil die Marktentwick- im Rahmen der EEG-Novelle diskutieren. lung hier weitere Vergütungsabsenkungen zulässt. Es ist ein Erfolg, dass die Kosten durch die Nutzung erneuer- Noch einmal: Vorbildfunktion – gerade der Wärmebe- barer Energien wesentlich schneller als geplant gesun- reich ist der schlafende Riese, wie Herr Röttgen gesagt (B) ken sind. Das hilft uns allen. Die Zubauzahlen und die hat – in diesem Bereich sieht deutlich anders aus. (D) Entwicklungszahlen machen uns stolz. Es zeigt sich, dass das EEG das richtige Instrument ist und im Kern Vielen Dank. daher so bleiben muss, wie es ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: An einer Stelle haben wir eine andere Auffassung. Nächster Redner ist der Kollege Michael Kauch für Wir glauben, dass es der falsche Weg ist, wieder mit ei- die FDP-Fraktion. nem unterjährigen Schritt nur für 2011 dieses Preissen- kungspotenzial abzuschöpfen. Wir hätten uns vielmehr (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten gewünscht – auch für alle Investoren, für alle Anleger –, der CDU/CSU) über zwei Jahre Verlässlichkeit im Markt zu haben, in- dem wir jährlich in vier Absenkungsschritten bis zum Michael Kauch (FDP): 1. Januar 2013 dazu kommen, dass der Strom aus großen PV-Anlagen günstiger ist als der Strom aus Offshore- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der windparks. Wir hätten damit Verlässlichkeit und Plan- Tat: Wir setzen mit dem Europarechtsanpassungsgesetz barkeit. Wir glauben, das wäre besser gewesen. eine Richtlinie für die Vorbildfunktion öffentlicher Ge- bäude im Wärmemarkt um und stellen gleichzeitig die Jetzt ist wieder nicht klar, was zum 1. Januar 2012 Weichen dafür, dass es im Bereich der erneuerbaren kommt. Herr Fuchs sagt, dass es noch einmal einen kräf- Wärme weiter vorangeht. Wir wissen, wir sind in tigen Schlag werde geben müssen. Wichtig wäre hier ge- Deutschland ziemlich gut, was erneuerbare Energien wesen, auch um unterjährig keine neue Marktüberhit- beim Strom angeht, und wir sind ziemlich schlecht, zung zu provozieren, dass man dem Markt längerfristig, wenn es um die Wärme und um den Verkehr geht. Das für zwei Jahre, Sicherheit gegeben hätte. Wir haben Ih- muss sich ändern; denn wir haben bei der erneuerbaren nen das angeboten, aber Sie haben sich jetzt auf einen Wärme große Potenziale, nicht nur an CO2-Einsparung, anderen Vorschlag verständigt. sondern auch an kostengünstiger CO2-Einsparung. Das müssen wir mit unseren Förderinstrumenten stärker um- Wichtig bleibt für mich, dass wir, wenn wir dann im setzen und heben. Rahmen der EEG-Novelle über das Thema PV reden, auch noch andere Aspekte berücksichtigen wie zum Bei- Es macht einen Unterschied, ob die FDP regiert oder spiel die Frage, dass man auch regional nach Sonnenein- nicht. Das zeigt sich beispielsweise beim Thema Biogas. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10569

Michael Kauch (A) Seit vielen Jahren war es unser Anliegen, dass wir mehr Für bestimmte Prestigeprojekte ist immer Geld da. Für (C) Technologieoffenheit in das Wärmegesetz bekommen. die energetische Sanierung von Schulen fehlt es dann. Deswegen haben wir gesagt: Die Verwaltung darf nicht (Ulrich Kelber [SPD]: Das ist Verschleude- einfach unter dem Tisch entscheiden, das Gesetz fallen rung und nicht Technologieoffenheit!) zu lassen, weil man ja so überschuldet ist. Stattdessen Es ist unser Anliegen, dass wir diese Form von erneuer- haben wir geregelt, dass der Rat der Stadt als das demo- barer Wärme nicht weiter so diskriminieren, wie es die kratische Gremium entscheiden muss. Er muss sagen: alte Regierung gemacht hat. Liebe Bürger, uns ist das Prestigeprojekt wichtiger, als erneuerbare Wärme in die Gebäude zu bekommen. Das (Dirk Becker [SPD]: Die CDU hat bedeutet für die Kommunen einen politischen Druck. Sie diskriminiert!) sollen nicht so verfahren, wie es ihnen von Herrn Becker unterstellt wird, nämlich zu versuchen, diesem Gesetz Die Vorgabe, die Sie beim Biogas machen und die auszuweichen. Herr Becker hier angesprochen hat, nämlich das Biogas sei zu wertvoll, um es zu verheizen – im Übrigen nicht in (Beifall bei der FDP) der Therme; hier ist von effizientester Technik die Rede; das ist der Brennwertkessel –, müssten Sie mit der glei- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: chen Logik auch beim russischen Erdgas machen. Denn Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des es geht nicht um die Frage, welches Molekül – egal ob Kollegen Kelber? ein Biogasmolekül oder ein Erdgasmolekül – gerade in der ineffizienten Anlage ankommt. Das können Sie am Schluss im Gasnetz ohnehin nicht mehr unterscheiden. Michael Kauch (FDP): Vielmehr geht es darum, dass wir die Produktion und die Ja, klar. Verwendung effizient machen, aber bitte nicht nur bei denen, die Biogas verkaufen wollen, sondern auch bei Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: denen, die Erdgas verkaufen. Wir stehen hier insgesamt Bitte sehr. vor einer Effizienzfrage. (Zuruf von der FDP: Der soll sich auf die Red- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten nerliste setzen lassen!) der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch! – Ulrich Kelber [SPD]: Machen Sie ein Ulrich Kelber (SPD): Sie tun mir ja so leid. – Ich bin glücklicherweise ein Angebot!) (D) (B) Vertreter einer Stadt, die noch nicht im Haushaltssiche- Wir haben auf die Argumente reagiert, dass nämlich rungskonzept ist, aber da sie vor einiger Zeit kurz davor- der Einsatz von Biogas in der Tat eine sehr kostengüns- gestanden hat, haben wir uns natürlich mit den Regula- tige Lösung ist – was grundsätzlich für die Verbraucher rien eines Haushaltssicherungskonzepts sehr genau erst einmal nichts Schlechtes ist –, dass man hier hohe auseinandergesetzt. Teilen Sie meine Auffassung, dass Anfangsinvestitionen spart und dass wir deswegen beim eine Stadt wie die Ihre, die im Haushaltssicherungskon- Biogas auch etwas anspruchsvoller sein können als bei zept ist, gar keine freiwilligen Prestigeprojekte beschlie- anderen Formen erneuerbarer Wärme. Deshalb haben ßen kann, weil die Kommunalaufsicht ihr das als Aus- wir vorgesehen, dass das Biogas dort, wo die Solarther- gabe verbietet? mie nur 15 Prozent der Wärme erbringen muss, 25 Pro- zent erbringen muss. Das macht es gerade noch wettbe- werbsfähig, ermöglicht aber dem Bauherrn, selbst zu Michael Kauch (FDP): entscheiden, welche Technologie er wählt. Ich möchte Lieber Herr Kelber, ich kann Ihnen ein klassisches die Entscheidung, was für die Menschen gut ist, nicht Beispiel aus der Stadt Dortmund nennen, die seit unge- immer Beamten und Politikern überlassen. Sie sollen fähr 50 Jahren von der SPD geführt wird. selbst entscheiden, welche Technologie sie einsetzen (Ulrich Kelber [SPD]: Auch wiedergewählt wollen. mit großer Mehrheit!) (Beifall bei der FDP) – Auch nach einem Haushaltsbetrug wiedergewählt. – Meine Damen und Herren, wir haben mit diesem Ge- Ich kann Ihnen sagen, dass beispielsweise der U-Turm, setz vernünftige Regelungen für die Kommunen ge- das Museum, das Dortmund für die „Kulturhauptstadt schaffen, insbesondere für diejenigen, die überschuldet Europas 2010“ neu gebaut hat, ein sehr schönes Museum sind. Das sage ich als jemand, der aus einem Wahlkreis ist. Dem Radeberger-Konzern – das ist wohlgemerkt kommt, der sich seit Jahren in der Haushaltssicherung eine Tochtergesellschaft von Oetker, also nicht gerade befindet, wo sich die SPD-Kommunalführung trotzdem ein armes Unternehmen – wurde in diesem Zusammen- immer wieder schicke Leuchtturmprojekte gönnt, für die hang für 35 Millionen Euro die städtebauliche Verant- energetische Sanierung der Schulen aber kein Geld hat. wortung abgenommen. Das hat der Regierungspräsident Das ist nämlich auch die Wahrheit bei den ach so armen sanktioniert. Es ist also durchaus möglich, Prestigepro- Kommunen. jekte zu bauen und dafür die Schulen nicht energetisch zu sanieren. Das zeigt leider die Realität in unseren Städ- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) ten, gerade auch im Ruhrgebiet, wo die SPD herrscht. 10570 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Michael Kauch (A) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ul- Als Letztes, meine Damen und Herren, möchte ich sa- (C) rich Kelber [SPD]: Das war aber ein CDU-Re- gen: Wir haben der Bundesregierung mit einem Ent- gierungspräsident!) schließungsantrag auch eine Aufgabe mitgegeben. Wir wollen das nationale EEG erhalten, aber wir wollen Wenn Sie sagen, die Koalition tue nichts für die Kom- ebenso Brücken zu einem europäischen Strombinnen- munen, dann möchte ich Sie darauf hinweisen, dass al- markt auch für die erneuerbaren Energien bauen, und leine mit dem Hartz-IV-Kompromiss auf Initiative von zwar unter anderem deswegen, damit wir Projekte wie Union und FDP die Kommunen schrittweise bis zum Desertec an den deutschen Markt anbinden können. Des- Jahr 2014 um 3,5 Milliarden Euro jährlich durch die halb haben wir der Bundesregierung gesagt: Bis Mitte Übernahme der Grundsicherung im Alter entlastet wer- 2012 erwartet der Deutsche Bundestag ein Gesamtkon- den. zept für flexible Kooperationsmechanismen in der EU. (Ulrich Kelber [SPD]: Nicht erst, nachdem wir Das öffnet die Märkte anderer europäischer Länder. Wir das verlangt haben?) werden das in dieser Wahlperiode abschließen und den Investoren einen klaren Rahmen geben. Hier sind es wieder besonders die Städte mit einer schwierigen Sozialstruktur, die davon profitieren. Be- Vielen Dank. haupten Sie also nicht, Sie seien die Kommunalpartei. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir tun etwas für die Kommunen. Wir entlasten sie.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: chen bei der SPD – Ulrich Kelber [SPD]: Ihre Nächste Rednerin ist die Kollegin Dorothee Menzner Partei hat das doch in den Verhandlungen ab- für die Fraktion Die Linke. gelehnt!) (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, wir haben mit dem Gesetz für die erneuerbaren Energien auch noch andere wich- tige Dinge erreicht. Wir tun das, was wir immer gesagt Dorothee Menzner (DIE LINKE): haben, nämlich die erneuerbaren Energien aufzubauen, Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! die Verbraucher dafür aber nur so viel zahlen zu lassen, Die Energiepolitik der schwarz-gelben Koalition er- wie es unbedingt nötig ist. scheint mir einmal mehr wie eine Slalomfahrt bei Nebel. Eigentlich haben wir es hier mit der Anpassung nationa- (Ulrich Kelber [SPD]: Damit Sie noch genü- len Rechts an europäische Vorgaben zu tun, aber – das ist gend Geld für RWE übrig haben!) schon angesprochen worden – ganz verschämt und fast (B) (D) Sie von der SPD und Sie von den Grünen haben im letz- nebenbei werden die Vergütungen für Photovoltaikstrom ten Jahr Zeter und Mordio geschrien, als wir 15 Prozent weiter abgesenkt und ein erster Schritt zur Eliminierung bei der Photovoltaik abgesenkt haben. Sie haben gesagt, des Grünstromprivilegs gemacht. Das hat mit Europa- der Markt bricht zusammen, die Photovoltaikindustrie recht überhaupt nichts zu tun. Man hätte das hier nicht geht pleite. eben einmal so nebenbei abhandeln müssen. (Ulrich Kelber [SPD]: Stimmt nicht! – Hans- (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Ach, Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Menzner!) Haben wir nicht gesagt!) Aber wir Parlamentarier sind es ja schon fast gewohnt, Nichts davon ist passiert. Die Werte liegen um mehr als da wir uns immer öfter Ad-hoc-Aktionen gefallen lassen das Doppelte über dem Zielkorridor. Wir liegen bei müssen. Das ist allerdings das Gegenteil von dem, was 7 000 Megawatt. Sie hatten unter Gabriel noch Ihr Umweltminister immer propagiert, nämlich Pla- 1 900 Megawatt als Ziel. nungssicherheit für die Akteure. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Gezielte Falschinformationen schüren Ängste bei der NEN]: Warum schreien Sie so?) Bevölkerung, zum Beispiel davor, dass erneuerbare En- ergien den Strompreis verteuern würden. Ich merke, dass Die Photovoltaik boomt, und zwar trotz der Kürzungen. diese Angst teilweise sogar bis in die eigenen Reihen (Ulrich Kelber [SPD]: Trotz FDP!) geht. Deswegen sind wir verpflichtet, die Einsparungen, die Tatsache ist aber, dass der weitaus größte Teil des der Weltmarkt hergibt, auch an die Verbraucher weiter- Strompreises auf die Erstellung von Strom und nicht auf zugeben. das EEG bzw. staatliche Abgaben oder Steuern zurück- zuführen ist. Diese machen den geringsten Teil des (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Strompreises aus. Tatsache ist auch, dass der Strompreis der CDU/CSU) an der Börse in den letzten zwei Jahren um 1,5 Cent je Sie haben die Leute im letzten Jahr hinters Licht geführt, Kilowattstunde gesunken ist – also von wegen steigende und wir hatten recht mit unserer Politik. Strompreise. Tatsache ist auch, dass in den letzten bei- den Jahren die großen Stromversorger jeweils circa (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 35 Milliarden Euro an Gewinnen eingefahren haben. Da NEN]: Da müssen Sie nicht so schreien!) bleibt also das Geld. Darauf ist die Kostensteigerung zu- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10571

Dorothee Menzner (A) rückzuführen und nicht darauf, dass wir erneuerbare En- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (C) ergien so stark ausgebaut haben. Nichts davon ist zu sehen. (Beifall bei der LINKEN) Herr Kauch, Ihre Umsetzung ist auch nicht technolo- Oder haben Sie eine Mitteilung Ihres Stromlieferanten gieoffen. Noch immer wird die Windenergie im Wärme- bekommen mit dem Inhalt: „Wir freuen uns, Ihnen mit- gesetz diskriminiert. Dafür haben Sie das Biogas in die teilen zu können, dass der Strompreis gesunken ist und Wärmenutzung aufgenommen, womit verhindert wird, dass wir, obwohl es mehr erneuerbare Energien im Netz dass innovative Technologien tatsächlich auf den Markt gibt, den Preis nicht anheben müssen“? Nein, das findet kommen; denn das wirkt sich auf die Bestände der Ther- nicht statt. Erhöhungen werden sofort an den Kunden men aus. Das ist keine innovative Technologie. weitergegeben, aber keine Preissenkungen. (Ulrich Kelber [SPD]: Das meint er mit technolo- Was passiert denn nun praktisch? Stück für Stück gieneutral: keine neuen Technologien!) wird mittels Ad-hoc-Aktionen das EEG in seine Einzel- Insofern wurde eine große Chance für den Ausbau des teile zerlegt. Für dieses Jahr ist jedoch die Vorlage eines Wärmesektors vertan und die Technologie eben nicht Erfahrungsberichts über das EEG angekündigt. Diesen nach vorne getrieben. auszuwerten und daraus Schlüsse zu ziehen, ist mit uns durchaus machbar. Natürlich kann man darüber reden, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ob die Photovoltaikförderung weiterhin auf diesem ho- und bei der SPD) hen Niveau bleiben muss, aber bitte nach Evaluierung Statt dass sich die Regierungsfraktionen endlich ge- und nicht vor Vorlage der Ergebnisse. So weiß doch kein gen die Kampagne der Energiekonzerne und des BDEW Mensch, was demnächst kommt. stellen, bleiben die dreisten Verleumdungen gegen die Wenn Sie das umsetzen, was in Ihrem Koalitionsver- erneuerbaren Energien als Strompreistreiber unwider- trag steht, wird die Einspeisevergütung in wenig mehr sprochen. Sie sollten endlich Gesetze verabschieden, die als zwei Jahren um 40 oder gar 50 Prozent abgesenkt. einen Missbrauch verhindern. Anstatt den Ökostroman- teil zu erhöhen, setzen Sie einen Deckel und lassen sogar Das ist ein Nachsteuern im Hauruckverfahren. Das sorgt die EEG-Umlagebefreiung für Atomstrom zu. Das ist nicht für Verlässlichkeit. Das kaschiert die Probleme, die ein Beleg, dass Ihnen der Atomstrom wichtiger ist als Sie eigentlich haben. Das eigentliche Problem ist näm- der Ökostrom. So haben Sie das Grünstromprivileg nicht lich, dass Sie den Einfluss auf die Höhe des Stromprei- optimal umgesetzt und haben keinen optimalen Zustand ses und auf die Stromwirtschaft längst verloren haben, erreicht. dass Sie sich von den großen EVUs auf der Nase herum- (B) tanzen lassen, dass Sie die erneuerbaren Energien gegen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – (D) andere Energien ausspielen und den Lobbyisten der Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Stromwirtschaft die Gewinne hinterherwerfen. Ihre Poli- Quatsch!) tik hat den Namen Verbraucherschutz nicht verdient, und Zur Photovoltaik. Wir sind fraktionsübergreifend der das ist mit uns nicht zu machen. Meinung, dass die Photovoltaikvergütung in dem Um- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten fang gesenkt werden sollte, wie dies ohne Probleme für des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) die Photovoltaikbranche möglich ist. Darin sind wir uns in der Tat einig. Aufgrund der – von Schwarz-Gelb ab- gelehnten – Markteinführung der Photovoltaik durch das Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: rot-grüne EEG ist eine industrielle Erfolgsgeschichte Das Wort hat nun der Kollege Hans-Josef Fell für die entstanden, die wohl keine Parallele in der weltweiten Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Industriegeschichte hat. Die Produktionskosten befinden sich sensationell im steilen Sinkflug. Folglich ist es ein Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): richtiger Schritt, weitere marktabhängige Vergütungsab- Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- senkungen noch in diesem Jahr vorzunehmen. Aber statt gen! Die Regierungsfraktionen betonen immer wieder aus der Vergangenheit zu lernen, wiederholen Sie genau – Frau Staatssekretärin Reiche hat es vorhin ausdrück- den Fehler des letzten Jahres und konzentrieren die Ab- lich getan –, dass sie hinter dem Ausbau der erneuerba- senkung auf ein einziges Datum. Ein neuer Schlussver- ren Energien stünden. Das Europarechtsanpassungsge- kaufseffekt ist ebenso zu befürchten wie daraus resultie- setz wäre nun eine gute Gelegenheit, dies auch wirklich rende Attacken der erbitterten Photovoltaikgegner in Ihren Reihen. Ich kann nur an Sie appellieren: Wenn im unter Beweis zu stellen. Aber anstatt eines großen Wur- Juni der Markt wieder explodiert, dann geben Sie sich fes haben Sie die Vorgaben der EU verwässert und eine bitte selbst die Schuld und nicht der Solarbranche. Ge- Vielzahl von Ausnahmeregelungen gestreut. Dies ist stehen Sie dann endlich Ihren Fehler ein. wirklich kein Hinter-den-erneuerbaren-Energien-Stehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich nenne beispielsweise den Wärmebereich. Es wäre und bei der SPD) schön gewesen, wenn Sie die Gesetzesnovelle nun ge- nutzt hätten, um den Wärmesektor einmal richtig voran- Die Photovoltaik ist eine wichtige Zukunftstechnolo- zubringen und die EU-Vorgaben auch für den Altbau- gie. Die chinesische Regierung hat das begriffen und sektor endlich umzusetzen, damit wir dort eine vergibt zinsgünstige Kredite. Allein die Kredite an zwei Bauverpflichtung bekommen. chinesische Solarunternehmen sind höher als die ge- 10572 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Hans-Josef Fell (A) samte deutsche EEG-Vergütung für Photovoltaik. Die Photovoltaikvergütung, und auf der anderen Seite geht (C) Bundesregierung redet stattdessen lieber die Nutzung es um das Grünstromprivileg. der Solarenergie schlecht, redet von hohen Kosten und überlässt den Chinesen einen der größten Exportmärkte Die große Akzeptanz in der Bevölkerung für erneuer- der kommenden Jahre. Ich würde mich freuen, wenn ir- bare Energien ist ein großes Pfund, mit dem wir wuchern gendein Vertreter der Koalition endlich einmal das Wort können, da auch wir als Parlament insgesamt den Aus- Industriepolitik in den Mund nehmen würde, wenn es bau der erneuerbaren Energien wollen. Nichts anderes um erneuerbare Energien geht, und wenn nicht immer sieht auch das Energiekonzept der Bundesregierung vor. nur von der Strompreistreiberei gesprochen werden Deshalb müssen wir mit dieser Akzeptanz auch sehr würde. sorgsam umgehen und schauen, dass wir die Bürgerin- nen und Bürger, die Stromkunden, die über die Strom- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN preise letztendlich auch die Kosten für die erneuerbaren sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Maria Energien aufzubringen haben, nicht überfordern. Flachsbarth [CDU/CSU]: Das ist wider den Geist des EEG!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, Sie haben mit der zusätzli- Deshalb ist es doch vernünftig – wenn wir im Bereich chen Absenkung der Solarvergütung und auch mit der PV insgesamt 17 000 Megawatt installierter Leistung Korrektur beim Grünstromprivileg – ich erwähnte es haben, von denen mehr als 7 000 im Jahr 2010 installiert schon – wenigstens einige Trippelschritte in die richtige worden sind –, dass wir jetzt schon bezüglich der Vergü- Richtung gemacht. Das sehen wir ein. Wir werden des- tung des PV-Stroms nachsteuern. Ich glaube, es ist wegen Ihr Gesetz nicht ablehnen, sondern uns enthalten. durchaus erträglich, was wir da – für Dachanlagen zum Aber wir hätten uns eine wesentlich bessere Umsetzung 1. Juli und für Freiflächenanlagen zum 1.September – mit größeren Chancen gewünscht. Uns ist auch klar: Sie, vorgesehen haben. Das ist aber auch noch von der meine Damen und Herren von Union und FDP, haben Marktentwicklung in den Monaten März, April und Mai mit dem Nichtergreifen wichtiger neuer Maßnahmen er- 2011 abhängig. Diese Regelung findet auch in der Bran- neut bewiesen, dass Sie die Blockierer für einen schnel- che weite Akzeptanz. Deshalb kann ich, ehrlich gesagt, len Transformationsprozess unserer Energiewirtschaft einige Angriffe aus der Opposition überhaupt nicht hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien sind. Ihre nachvollziehen. Es ist doch kein Qualitätszeichen, dass Atomwünsche blockieren dies einfach. PV-Strom so teuer wie möglich ist, sondern im Gegen- teil, es ist ein Qualitätszeichen, dass er so preisgünstig (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wie möglich ist.

(B) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ul- (D) Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth rich Kelber [SPD]: Wann haben Sie das aufge- von der CDU/CSU-Fraktion. schrieben? Im September? – Weiterer Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Bei der Frage des Grünstromprivilegs haben wir auch Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die schon einmal eingegriffen; denn letztendlich können Sachverständigen haben uns in der Anhörung zu diesem nach derzeitiger Regelung Energieversorgungsunterneh- Gesetzesvorhaben bescheinigt: Deutschland ist bei der men von der Zahlung der EEG-Umlage ausgenommen Umsetzung dieser Erneuerbaren-Energien-Richtlinie werden, wenn sie mindestens 50 Prozent erneuerbaren weit fortgeschritten. Ob es das Erneuerbare-Energien- Strom am Markt vertreiben. Dann sind auch die restli- Gesetz ist, das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, die chen 50 Prozent des sogenannten grauen Stroms von der Biokraftstoffförderung oder auch die Nachhaltigkeits- EEG-Umlage befreit. Das führt aber eben auch dazu, verordnungen – wir sind europaweit vorbildhaft. Daher dass diejenigen, die dann noch als Umlagezahler blei- bedurfte es lediglich einiger kleinerer Anpassungen im ben, entsprechend mehr Umlage bezahlen müssen. Rahmen des EEG und auch des EEWärmeG, um diese Aufgrund der preislichen Entwicklung in diesem Jahr EG-Richtlinie umzusetzen. Beim EEG handelt es sich schien es geraten, dass wir diese Regelung schon vorzei- um kleine Anpassungen beim Herkunftsnachweisregis- tig in Angriff nehmen, bevor wir uns, wie gesagt, im ter. Das ist ein elektronisches Register für die Herkunfts- Sommer an eine Neuregelung begeben, um Mitnahmeef- nachweise für Strom aus erneuerbaren Energien. Das fekte zulasten der nichtprivilegierten Stromversorger zu soll demnächst beim UBA geführt werden. Weiterhin verhindern. Aber eines muss ganz klar sein: Die Frage, geht es um Informationspflichten bei einem Netzan- wie wir erneuerbare Energien besser in den Markt bzw. schlussbegehren für EEG-Anlagen. Das soll konkreti- ins Netz integrieren, wird die zentrale Frage sein, die wir siert, klargestellt und auch zügiger ausgestaltet werden. im Rahmen der EEG-Novellierung gemeinsam zu disku- Das alles sind kleine Schritte, die wir aufgrund dieser tieren haben. Es wird vorrangig nicht darum gehen, ob es Richtlinie noch gehen mussten. hier einen etwas höheren Bonus und da ein bisschen we- Wir haben dann allerdings noch zwei Bereiche – das niger Vergütung gibt – wie auch immer – oder welche haben auch verschiedene meiner Vorredner gesagt – im Degressionsschritte gewählt werden. Letztendlich müs- Rahmen des EEG novelliert, bevor wir dann im Sommer sen wir einen qualitativen Schritt in die richtige Rich- dieses Jahres die große Novelle in Angriff nehmen wer- tung machen: Die erneuerbaren Energien müssen er- den. Es geht auf der einen Seite um die Neuregelung der wachsen werden; sie müssen sich dem Markt noch mehr Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10573

Dr. Maria Flachsbarth (A) stellen und müssen ernstzunehmende Wettbewerber wer- Dritte Beratung (C) den. Dabei stellen wir die Bedeutung des EEG überhaupt und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem nicht infrage. Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit angenommen. Jetzt eine Bemerkung zum Erneuerbare-Energien- (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Anita Wärmegesetz. Wir haben da tatsächlich eine Tür geöff- Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]) net: Das Ordnungsrecht schreibt jetzt vor, dass bei einer grundlegenden Sanierung von Bestandsgebäuden der öf- Uns liegt eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsord- fentlichen Hand Anlagen zur Nutzung erneuerbarer En- nung vor, die wir zu Protokoll nehmen.1) ergien mit installiert werden. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Drucksache 17/4895 empfiehlt der Ausschuss, eine Ent- NEN]: Es wird nichts passieren!) schließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Be- schlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Hier geht es um die Vorbildfunktion der öffentlichen Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koa- Hand. Wir wissen aber, wie es unseren Kommunen der- litionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- zeit geht: Ihre Finanzen sind, um es zart auszudrücken, nen bei Gegenstimmen der SPD-Fraktion und Enthal- sehr knapp gestrickt. Deshalb haben wir Härtefallrege- tung der Fraktion Die Linke angenommen. lungen vorgesehen: Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf NEN]: Wir haben doch gerade aus Dortmund Drucksache 17/4897. Wer stimmt für diesen Entschlie- gehört, dass das kein Problem ist!) ßungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt. Bei akuter Haushaltsnotlage tritt die Nutzungspflicht nicht ein. Allerdings konnten wir im Rahmen der parla- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: mentarischen Beratungen Verfahrensregeln durchset- Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- zen, dass die Räte diese Problematik in aller Offenheit richts des Verteidigungsausschusses (12. Aus- thematisieren und darüber abstimmen müssen, damit der schuss) Bürger darüber informiert ist, wofür in seiner Stadt, in seiner Kommune Geld ausgegeben wird und wofür – zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joa- (B) nicht. chim Hacker, Dagmar Ziegler, Petra Ernstber- (D) ger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Ich bin sicher, dass wir einen ausgewogenen Entwurf der SPD eines Europarechtsanpassungsgesetzes vorgelegt haben, Zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide mit dem wir unsere Klimaschutzziele in einem ehrgeizi- nach Abzug der Bundeswehr gen, aber dennoch realistischen Rahmen umsetzen. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Lötzsch, Jan van Aken, Herzlichen Dank. weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Friedliche Zukunft der Kyritz-Ruppiner Heide und Interessen der Region sichern Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg), Agnes Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- Malczak, weiterer Abgeordneter und der Frak- desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umsetzung der Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen. Der Ausschuss Kyritz-Ruppiner Heide in ihrer Einheit er- für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit emp- halten – Voraussetzungen für eine chancen- reiche Regionalentwicklung schaffen fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/4895, den Gesetzentwurf der Bundesre- – Drucksachen 17/1961, 17/1972, 17/1989, 17/4276 – gierung – Drucksachen 17/3629 und 17/4233 – in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die Berichterstattung: dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen Abgeordnete Anita Schäfer (Saalstadt) wollen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent- Michael Groschek haltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung Elke Hoff mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Paul Schäfer (Köln) Stimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke Agnes Malczak bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an- genommen. 1) Anlage 24 10574 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die sprünglich geplanten Nutzung noch erheblich angewach- (C) Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi- sen wäre. Für die Region geht es nun darum, eine zivile derspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das Nachnutzung zu finden, die diese Pläne kompensiert. so beschlossen. Mittlerweile sind die ersten Schritte für eine Konversion des Truppenübungsplatzes Kyritz-Ruppiner Heide ein- Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- geleitet. Gegenwärtig befasst sich eine Arbeitsgemein- nerin der Kollegin Anita Schäfer von der CDU/CSU- schaft unter Beteiligung des Landes Brandenburg und Fraktion das Wort. der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mit diesem (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Thema. (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Siehe SPD- Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): Antrag!) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor sechs Wochen hat der offizielle Auflö- Deren zweite Sitzung soll im Frühjahr stattfinden. Ein sungsappell des Bundeswehrstandortes Wittstock statt- Gutachten zur Weiterverwertung, insbesondere im Hin- gefunden. Die letzten Soldaten werden bis zum 30. Sep- blick auf die Munitionsbelastung, befindet sich derzeit tember 2011 abziehen. Damit endet die militärische Nut- im Zulauf. – Herr Hacker, zuhören! zung der Kyritz-Ruppiner Heide. Drei verschiedene (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Ja, Frau Schä- Bundesregierungen haben den Bedarf gesehen, das ehe- fer, ich höre!) mals sowjetische Übungsgelände weiter zu nutzen, wenn auch in erheblich geringerem Umfang als vormals die Insofern sind zahlreiche Forderungen der vorliegenden Rote Armee. Zudem wäre mit zahlreichen Einschrän- Oppositionsanträge bereits überholt. kungen zugunsten der Anwohner und nicht mit scharfer Bei allen vorangegangenen Differenzen besteht kein Munition geübt worden. Dieser Bedarf hat sich in den Zweifel daran, dass jetzt allen Beteiligten daran gelegen letzten Jahren geändert. ist, sobald wie möglich zu einer Abgabe der Liegen- Was sich nicht geändert hat, ist die Notwendigkeit für schaft zu gelangen. Vor Oktober ist damit jedoch nicht ein umfassendes Training unserer Soldaten, gerade für zu rechnen. Zusätzlich wird die notwendige Altlastensa- das Zusammenwirken von Luft- und Bodenstreitkräften. nierung dazu beitragen, dass die zivile Nutzung der Ky- Der gegenwärtige Einsatz in Afghanistan unterstreicht ritz-Ruppiner Heide erst in einiger Zeit realisiert werden diese Notwendigkeit. Aber der damalige Verteidigungs- kann. Für die Nutzung durch die Bundeswehr wurde ein minister Jung ist zu dem Schluss gekommen, dass hier- finanzieller Bedarf von rund 220 Millionen Euro ermit- für künftig auf den Luft-Boden-Schießplatz Wittstock telt. Eine zivile Nutzung setzt aber ganz andere Stan- (B) verzichtet werden kann. Der durch seinen Nachfolger dards voraus. Hier muss man von einer deutlich höheren (D) angestoßene Umbau der Bundeswehr, der mit einer Re- Kostenbelastung ausgehen. duzierung einhergeht, bestätigt dies im Nachhinein. Was die in allen drei Anträgen geforderte teilweise (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wen meinen oder vollständige Eingliederung der Kyritz-Ruppiner Sie? Den Doktor?) Heide in das nationale Naturerbe betrifft, das in unserem Koalitionsvertrag mit 25 000 Hektar festgeschrieben ist: – Ich meine Freiherrn zu Guttenberg. Für tragfähige Entscheidungen müssen der Bund, die Länder und die Bundesanstalt ausreichend Zeit für die Eines muss klar sein: Die Ausbildung für alle Einsatz- Klärung noch offener Fragen haben. arten, auch unter mitteleuropäischen Bedingungen, bleibt unverzichtbar. Wir sind daher aufgefordert, diese (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Sehr gut! SPD- auch nach dem Verzicht auf Wittstock sicherzustellen. Antrag!) Das bedeutet im Sinne der Lastenteilung im Bündnis auch weiterhin Übungsbetrieb in Deutschland. Weder Daher werden voraussichtlich zunächst 12 000 Hektar in können wir Deutsche die damit einhergehende Belastung diesem Projekt für die Kyritz-Ruppiner Heide reserviert. einfach vollständig auf unsere Partner abwälzen, noch Nach Auswertung der derzeitigen Gespräche wird man können wir uns in ein Luftschloss zurückziehen und alle dann sehen, welche Flächen entsprechend überführt wer- Übungsplätze schließen, wie es im Antrag der Linken den können. einmal mehr durchklingt. (Hans-Joachim Hacker [SPD]: SPD-Antrag!) (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Wir wollen Sosehr ich der Region eine touristische Weiterentwick- heute über Wittstock sprechen!) lung durch die Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide wün- sche: Quasi im Schnellwaschgang, wie die drei vorlie- Für die Stadt Wittstock genden Anträge dies suggerieren, (Heiterkeit bei der SPD – Hans-Joachim Ha- (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Nein, Frau cker [SPD]: Sehr gut! Das war doch gut, Frau Schäfer! Das stimmt nicht!) Schäfer!) wird man dies nicht erreichen können. war die mit dem Schießplatz verbundene Garnison über viele Jahre lang eine Grundlage für stabile und sichere Viel wichtiger ist es, hierfür eine sichere rechtliche Arbeitsplätze, die nicht der Abhängigkeit von verschie- und finanzielle Basis zu schaffen. Zeitliche und inhaltli- densten Faktoren unterlagen und deren Zahl mit der ur- che Festlegungen, wie sie ganz konkret in den Anträgen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10575

Anita Schäfer (Saalstadt) (A) gefordert werden, sind aber derzeit nicht glaubhaft Mit der Entscheidung des Bundesverteidigungsministe- (C) machbar. Der Antrag der Linken taugt schon wegen der riums vom Juli 2009, den Luft-Boden-Schießplatz auf- erwähnten sicherheitspolitischen Luftschlösser darin zugeben, haben sich für die Region neue Chancen für die nicht als Grundlage. zivile Nutzung und natürlich auch für den Naturschutz eröffnet. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Gott sei Dank!) (Beifall der Abg. Agnes Malczak [BÜNDNIS 90/ Bei dem Antrag der Fraktion der SPD ist zwar anzu- DIE GRÜNEN]) erkennen, dass man sich bei ihm sehr viel mehr um Damit endet die Verantwortung der Bundeswehr und Sachlichkeit bemüht hat, gleichwohl ist auch er abzuleh- der Bundesregierung aber nicht; denn nach einer jahr- nen. zehntelangen militärischen Nutzung müssen deren Fol- (René Röspel [SPD]: Also! Nicht so hart!) gen bewältigt werden. Munition und andere Altlasten müssen beseitigt werden, um die Heide nicht nur von der Denn ihm ist mit dem Antrag von Bündnis 90/Die Grü- militärischen Nutzung zu befreien, sondern um sie vor nen und dem Antrag der Linken gemein, dass er vor allen allen Dingen für die Menschen in der Region, aber auch notwendigen Prüfungen weitgehende Festlegungen des für Besucher aus Nah und Fern zu öffnen. Bundes fordert. (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Darauf komme (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ich noch zu sprechen!) Für diese strukturschwache Region können Potenzi- – Ich warte darauf. Ich bin auf die Rede gespannt. ale für den sanften Tourismus, aber auch für Windparks und andere erneuerbare Energien erschlossen werden. Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Genau dies ist Gegenstand des Antrages der SPD-Bun- Vielen Dank. destagsfraktion, liebe Kollegin Schäfer. Der zentrale Ge- danke ist der Ausgleich zwischen wirtschaftlicher Nut- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- zung und Naturschutz. neten der FDP) Die Zukunft der Kyritz-Ruppiner Heide kann aber nur Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: gemeinsam mit den Menschen in dieser Region gestaltet Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Joachim Hacker werden. Die Bürgerinitiativen waren erfolgreich. Jetzt von der SPD-Fraktion. müssen sie auch an der Zukunftsplanung für diese Re- gion beteiligt werden. Die SPD-Fraktion hat deswegen (B) (Beifall bei der SPD) in ihrem Antrag gefordert, die lokalen Akteure mit ein- (D) zubeziehen. Unsere Forderungen richten sich aber auch Hans-Joachim Hacker (SPD): ganz klar an den Bund. Er ist in der Pflicht, mit seiner ei- Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen genen Koordinierungsstelle für Konversionsfragen an und Kollegen! Es ist eigentlich schade, dass wir heute Nachnutzungskonzepten zu arbeiten und die Altlasten zu erst zu vorgerückter Stunde über eine so wichtige The- beseitigen. Das kann nicht allein Angelegenheit des Lan- matik für den Landkreis Ostprignitz, für die Region des Brandenburg sein. Ich habe gehört – Frau Schäfer, Kyritz-Ruppiner Heide sprechen. Wenn ich Ihre Rede Sie sind ja auch dafür –, dass das im gegenseitigen Ein- richtig verstehe, Frau Schäfer, dann hätten Sie dem SPD- vernehmen zwischen dem Bund und dem Land Branden- Antrag eigentlich zustimmen können; denn genau das, burg geschehen soll. Die Entwicklung der Kyritz-Ruppi- was Sie hier vorgetragen haben, haben wir in unserem ner Heide war seit Jahren ein parteiübergreifendes Antrag gefordert. Genau das war Gegenstand unseres Anliegen. Nach Vorlage der auf der Tagesordnung ste- Antrages. Wir haben unseren Antrag mit dem Land henden Anträge gab es Bemühungen, einen fraktionsü- Brandenburg abgestimmt, und wir haben auch den Bund bergreifenden Antrag zu entwickeln. Ein solcher Antrag nicht über Gebühr in die Verantwortung drängen wollen, – das muss hier gesagt werden – ist am Starrsinn der weil der Bund nur bestimmte Aufgaben hat. Er hätte Unionsfraktion im vorigen Jahr gescheitert. aber gemeinsam mit dem Land und natürlich auch mit den Akteuren vor Ort dieses Verfahren gestalten können. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Cornelia Behm [BÜND- „Die Heide ist frei!“ – dieser Aufkleber ist auf Schil- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Trauerspiel!) dern in vielen Orten im Norden Brandenburgs zu lesen, mit denen sich Bürgerinnen und Bürger in diesen Städten Er ist, um das konkret zu benennen, am Starrsinn der und Gemeinden in der Ostprignitz gegen den geplanten Landesgruppe Brandenburg der CDU/CSU-Fraktion ge- Luft-Boden-Schießplatz der Bundeswehr zur Wehr ge- scheitert, die nicht bereit war, einen solchen fraktionsü- setzt hatten. Dieser Aufkleber ist Ausdruck des jahrelan- bergreifenden Antrag zu gestalten. Frau Behm, ich ent- gen und am Ende erfolgreichen Bemühens von Bürgeri- sinne mich noch gut an unsere Gespräche. Wir hätten das nitiativen, aber auch der Bemühungen aus dem hier gemeinsam gestalten können. Frau Schäfer, wir wa- politischen Bereich; wir haben das Thema in den letzten ren auch bereit, auf die Belange und Forderungen Ihrer Jahren zum Teil auch hier im Bundestag begleitet. Fraktion einzugehen. Wir wollen, dass für diese Region eine Perspektive (Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Vor zur Entwicklung des sanften Tourismus geschaffen wird. 20 Jahren haben Sie das nicht gemacht!) 10576 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Hans-Joachim Hacker (A) Wir haben aber nicht ein Signal bekommen, dass Sie (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) zum Zusammenwirken bereit sind. der CDU/CSU) Wenig hilfreich – auch das muss an dieser Stelle ge- sagt werden – war der Antrag der Linken. Sie haben von Joachim Spatz (FDP): vornherein reine Kritik an der Bundeswehr geübt. Sie Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol- haben mit dieser blassen Kritik lege Hacker, dass wesentliche Forderungen, die in Ihrem Antrag stehen, bereits jetzt in der Umsetzungsphase (Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Was sind, ist kein Grund dafür, dem Antrag zuzustimmen; heißt blass? Die war nicht blass!) (Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: von vornherein einen Kompromiss ausgeschlossen. Das Richtig!) war offenbar Ihre Absicht. das ist vielmehr ein Beleg dafür, dass die Koalition und (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist die Bundesregierung in Partnerschaft mit den lokalen nicht wahr!) und den Landesautoritäten auch ohne Ihren Antrag hand- lungsfähig sind. Sie wollten sich vermutlich vor Ort entsprechend präsen- tieren. Sie haben nichts dazu beigetragen, dass wir hier (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Warum haben Sie einen fraktionsübergreifenden Kompromiss erreichen. in der ersten Lesung dagegen gestimmt?) (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sie haben Bundesminister Jung hat entgegen dem, was vom doch gar nicht verhandelt mit uns!) Verteidigungsministerium jahrelang als notwendig er- achtet worden ist, auf die Nutzung verzichtet. Wir sind – Sie haben einen Antrag gestellt, der von vornherein froh darüber. Als neuer Abgeordneter kann ich dem vor- nicht kompromissfähig war, Frau Tackmann. Lesen Sie behaltlos zustimmen. Andere Kollegen, die jahrelang die doch Ihren eigenen Antrag! andere Richtung vertreten haben, haben sich damit ein bisschen schwerer getan. Auch das sei hier einmal er- (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist wähnt. doch einfach Unsinn!) Natürlich muss jetzt durch die BImA in Partnerschaft Wir sagen klar: Wir wollen einen Nutzungsmix. Ne- mit den lokalen und Landesgebietskörperschaften ein ben Flächen für die touristische Nutzung soll es unter Nachnutzungskonzept gefunden werden. Seit dem Naturschutz gestellte Flächen geben, aber auch Flächen 5. November 2010 gibt es einen Lenkungskreis, dem die für die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen. Allein Betroffenen angehören. Unter Leitung der BImA und (B) (D) dieser Mix kann die Region voranbringen. Beteiligung des Landes Brandenburg, des Landkreises Wenn der Antrag heute nochmals von der Koalition und des Bundesministeriums der Verteidigung wird ein abgelehnt wird, wenn nochmals der Versuch unternom- abgestimmtes Konversionskonzept gesucht. Eines ist men wird, sich aus der Verantwortung zu stehlen, sagen aber schon klar: Die weitgehenden Festlegungen, die wir: Frau Schäfer, diese Fahnenflucht kann nicht erfolg- von diesem Lenkungskreis getroffen werden, sind für reich sein. „Die Heide ist frei“ bedeutet eben nicht, dass den Bund ein bisschen schwierig; denn die Kosten der die Bundesregierung und die Bundeswehr frei von Ver- Dekontaminierung sind natürlich noch nicht genau zu antwortung sind. Die Heide ist erst dann frei, wenn sie beziffern. Schließlich geht es hier nicht um ein kleines frei von Munition und Altlasten ist, wenn Tier und Areal, sondern um ein Riesenareal. Natürlich muss man Mensch das Gelände gefahrlos betreten können erst einmal wissen, über welche Größenordnung man verhandelt, bevor man letztendlich Festlegungen trifft. (Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Das hätte alles schon sein können! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) und eine vernünftige Balance zwischen wirtschaftlicher Die Einbindung der lokalen Autoritäten ist, wie ge- Nutzung und Naturschutz erreicht wurde. Genau das ist sagt, gewährleistet. Auch wir sind für ein gemischtes der Inhalt unseres Antrages. Frau Schäfer, ich lade Sie Nutzungskonzept. Die Einbeziehung der Kyritz-Ruppi- und die CDU/CSU-Fraktion noch einmal ein: Stimmen ner Heide in das nachhaltige Energiekonzept für Bran- Sie unserem Antrag zu. denburg ist vorgesehen. Ferner ist eine touristische Ent- (Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: wicklung vorgesehen. Auch die Stiftung „Nationales Danke!) Naturerbe“ und ähnliche Dinge sollen eine Rolle spielen. Ein großes, einheitliches Konzept ist auch aus unserer Sie haben gleich die Chance dazu. Sicht relativ unwahrscheinlich. Vielen Dank. Im Übrigen sind wir dafür, dass verschiedene Eigen- tumsformen in diesem Gebiet möglich sind; auch private (Beifall bei der SPD) Investoren sollen erlaubt sein. Deswegen ist es nicht vertretbar, dass, wie von Linken und Grünen gefordert, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: bereits zum jetzigen Zeitpunkt private Investoren gene- Das Wort hat jetzt der Kollege Joachim Spatz von der rell ausgeschlossen werden. Wer in anderen Städten lebt FDP-Fraktion. – auch in meiner Heimatstadt Würzburg gibt es ein gi- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10577

Joachim Spatz (A) gantisches Konversionsprogramm –, der weiß, dass das märkischen Boden; vielmehr geht es bei der Kyritz-Rup- (C) nur mit privaten Investoren funktionieren kann. Andern- piner Heide um ein Symbol für eine lebendige Bürgerde- falls ist es für die beteiligten Kommunen überhaupt nicht mokratie. Der Verzicht auf das Bombodrom war formal zu stemmen. eine Entscheidung von Regierenden; aber erzwungen wurde sie durch ein breites überparteiliches Bündnis in (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Cornelia der Region mit überregionaler Unterstützung. Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt aber nicht, dass man die Heide auseinan- (Beifall bei der LINKEN) derreißen muss!) Die Bürgerinitiativen „Freie Heide“ und „Freier Him- Das ist Fakt. Natürlich kann man sich die Welt schönma- mel“ waren neben „Pro Heide“ und vielen anderen Initi- len, aber mit Realität hat das dann nichts zu tun. ativen Motor dieses Widerstandes. Die Linke war immer an ihrer Seite. Wir haben gemeinsam gekämpft, auch Zu den Linken kann man in dem Fall keine ernstzu- wenn die Ziele im Einzelnen unterschiedlich waren: ge- nehmende Stellungnahme abgeben. Es ist wie bei jedem gen Kriegsübungen, gegen Naturzerstörungen oder ein- Thema, das mit der Bundeswehr zu tun hat – wir haben fach nur gegen die Blockade der regionalen Wirt- das heute bei der Wehrrechtsreform gesehen –: An al- schaftspotenziale. Fast 20 Jahre lang hat die Bundeswehr lem, was eine funktionierende Armee benötigt, in die- versucht, eine Nutzung des Geländes als Bombodrom zu sem Fall die Möglichkeit, Luft-Boden-Übungen durch- erzwingen, und zwar gegen eine übergroße demokrati- zuführen, wird Generalkritik geübt. Dies wird auch an sche Mehrheit in der Region und mit rechtsstaatswidri- anderer Stelle kritisiert. Das geht natürlich überhaupt gen Mitteln, wie in dem Urteil des Oberverwaltungsge- nicht. Sie verabschieden sich völlig von der seriösen richts Berlin-Brandenburg festgestellt wird. Am Ende Diskussion über den vorliegenden Fall, die Umnutzung war es die Hartnäckigkeit des politischen und juristi- der Kyritz-Ruppiner Heide, und üben Generalkritik an schen Widerstands, die zum Erfolg geführt hat. der Bundeswehr. Damit haben Sie ein Stück weit – da gebe ich dem Kollegen von der SPD recht – die Anträge (Beifall bei der LINKEN) der anderen Oppositionsparteien kontaminiert. Das sage Das sollte auch denen Mut machen, die in Nordhorn und ich ganz deutlich. Siegenburg für die Schließung von Übungsplätzen (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: kämpfen. Kontaminiert?) Wieso erzähle ich das? Weil die Bundespolitik gegen- – Ja, in der Tat, kontaminiert mit Ihrer Fundamentalkri- über der Region in ganz besonderer Verantwortung steht, tik an der Bundeswehr und ihren Übungsmöglichkeiten. nach diesem sehr langen, sehr steinigen Weg zu einer (B) friedlichen Zukunft in der Kyritz-Ruppiner Heide zu (D) (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der kommen. CDU/CSU) (Cornelia Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir wollen für die Zu- NEN]: Das sehe ich auch so!) kunft bei der Bundeswehr bestimmte Fähigkeiten erhal- ten. Dazu gehören Luftfähigkeiten. Das betrifft auch die Angesichts des breiten überparteilichen Bündnisses vor anderen Übungsplätze, die Sie apostrophiert haben. Wir Ort wäre es ein wichtiges Signal gewesen, einen gemein- wollen diese erhalten und nicht schließen. Wir achten samen überfraktionellen Gruppenantrag zu erarbeiten. darauf, dass auch bei diesen Übungsplätzen ein ausge- Das ist leider gescheitert – das wurde hier schon gesagt –, wogenes Verhältnis zwischen militärischen Notwendig- aber es ist nicht an den Linken gescheitert. keiten und den berechtigten Interessen der Anwohner er- (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abge- halten bleibt. Wie gesagt: Dieser Fundamentalkritik ordneten der FDP) können wir uns nicht anschließen. In unserem Antrag haben wir ausdrücklich den Dis- Wir wünschen, dass die Kooperation zwischen Land, kussionsstand in der Region aufgegriffen, weil uns das Bund und Kommune in unserem konkreten Fall zu einer besonders wichtig ist. Unsere Kernforderungen lauten: positiven Entwicklung vor Ort führt. Erstens. Wir fordern den rechtssicheren und unum- Danke schön. kehrbaren Verzicht auf eine militärische Nutzung des (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Geländes und die Streichung aus dem Standortkonzept. der CDU/CSU) Es gibt nach wie vor viel Misstrauen in der Region. Ich finde, dass man hier wirklich eine klare Entscheidung treffen muss. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann (Beifall bei der LINKEN) von der Fraktion Die Linke. Zweitens. Wir fordern einen Zeitplan für den Abzug (Beifall bei der LINKEN) der Bundeswehr. Es wurde hier schon gesagt: Der Abzug hat bereits begonnen. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Drittens. Wir fordern die Übernahme aller Verpflich- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es tungen nach Art. 14 Grundgesetz durch den Eigentümer geht heute Abend nicht um irgendwelche 12 000 Hektar Bund. Das heißt, er muss dieses Eigentum zum Gemein- 10578 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Kirsten Tackmann (A) wohl verwenden. Dazu müssen die Region und die Lan- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten (C) desregierung eng in alle Entscheidungen einbezogen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) werden. Das ist mit der Schaffung verschiedener Ar- Ich denke, dass die Linke einen sehr wichtigen Antrag beitsgremien unterdessen auf den Weg gebracht worden. vorgelegt hat, der von der Region, von denen, die die Allerdings wurde der Antrag der Linken zur finanziellen Unterstützung der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Kyritz-Ruppiner Heide freigekämpft haben, in ganz gro- ßer Breite befürwortet wird. Schon der Respekt vor die- Kyritz-Ruppiner Heide durch den Bund abgelehnt. Ich ser Bewegung sollte Sie eigentlich dazu bringen, den finde, das ist nicht richtig. Antrag zu unterstützen. (Beifall bei der LINKEN) Vielen Dank. Viertens fordern wir, unverzüglich mit einer nut- (Beifall bei der LINKEN) zungsorientierten Kampfmittel- und Altlastenbeseiti- gung zu beginnen und sie bedarfsgerecht zu finanzieren. Niemand will die gesamte Heide sofort beräumen; aber Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: es sollte zumindest bedarfsgerecht und nutzungsorien- Das Wort hat die Kollegin Cornelia Behm vom Bünd- tiert geschehen. nis 90/Die Grünen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Joa- chim Spatz [FDP]: Was Sie wollen, ist ein Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Blankoscheck!) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass der Weg in die zivile Zukunft der Kyritz- Das ergibt sich nach Auffassung der Linken vor allen Ruppiner Heide ein langer und steiniger werden würde, Dingen daraus, dass der Bund nach jahrzehntelanger das ahnte man seit langem, ist doch das Gelände, das Blockade der Region zur Wiedergutmachung aufgefor- Anfang der 50er-Jahre zwangsenteignet worden ist, von dert ist. den Sowjets genutzt worden, um diverse international im Einsatz befindliche militärische Geräte, unter anderem (Beifall bei der LINKEN) Bomben, zu prüfen und zu testen; daher kam auch der Es ist auch inakzeptabel, dass für diese Beräumung nach Name „Bombodrom“. Dass aber so schwer eine Eini- wie vor kein Geld zur Verfügung steht und auch nicht in gung darüber zu erzielen ist, wie mit den kostenträchti- Aussicht gestellt wurde. gen Altlasten auf der einen Seite und den verständlichen Ansprüchen der Region und der Anrainer auf der ande- Unsere fünfte Forderung lautet, auf die Privatisierung ren Seite umzugehen ist, das ist in der Tat ein Trauer- der gesamten Fläche zu verzichten; das wurde bereits be- (B) spiel. (D) tont. Ich finde, das ist richtig. Das Bemühen um einen Gruppenantrag blieb erfolg- Sechstens. Dem Naturschutz soll auf dem Gelände ein los – es ist hier schon erwähnt worden –, weil sich die besonderer Stellenwert eingeräumt werden. Dazu soll Union sperrte. Das ist ein Armutszeugnis, wird doch den die Option der Aufnahme des Geländes in das Nationale Menschen vor Ort von allen Parteien – ich wiederhole: Naturerbe ernsthaft geprüft werden. von allen Parteien – immer wieder versprochen, dass sie (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist doch sich für eine zivile Nutzung des Geländes einsetzen. längst erfolgt!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Über das Nationale Naturerbe gibt es sehr intensive Dis- sowie bei Abgeordneten der SPD) kussionen, nicht nur in der Region, sondern auch darüber Die Bevölkerung in den 14 Anliegergemeinden hat hinaus. Als Linke teilen wir ausdrücklich die Position im Übrigen schon 1990, als die Sowjets abzogen, Pläne der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Kyritz-Ruppiner zur Nutzung der Heide gemacht. So wurde damals bei- Heide. Das heißt, wir könnten uns die Aufnahme in das spielsweise ein Wegenetz für die touristische Erschlie- Nationale Naturerbe vorstellen, wenn dabei eine sanfte ßung konzipiert. Diese Pläne wurden aber zu Makulatur, touristische Nutzung möglich bleibt. als die Bundeswehr 1992 ankündigte, das Gelände als Bei dieser Frage gehen aber zwei Dinge ganz be- Truppenübungsplatz nutzen zu wollen, und zwar als stimmt nicht: Luft-Boden-Schießplatz. Erstens. Diese Entscheidung darf nicht über die Re- Nun ist die Heide frei. Doch noch immer gibt es poli- gion und die Landesregierung hinweg entschieden wer- tisches Gezerre um Zuordnung, Zuständigkeit und Ver- den, schon gar nicht im Haushaltsausschuss des Bundes- antwortung. Man könnte vom Glauben abfallen. Denn tages. am 11. November des vergangenen Jahres hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages mit der Mehrheit Zweitens. Die bereits für das Nationale Naturerbe der Regierungskoalition beschlossen, die Kyritz-Ruppi- vorgesehenen 25 000 Hektar an anderen Orten müssen ner Heide in das Nationale Naturerbe zu übertragen, und um die Kyritz-Ruppiner Heide aufgestockt werden. Sie zwar nicht, wie wir es in unserem Antrag fordern, zu- darf nicht Bestandteil dieser 25 000 Hektar sein; denn sätzlich zu den im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und diese 25 000 Hektar stehen bereits in einer Liste und FDP vereinbarten 125 000 Hektar. Die 13 000 Hektar wurden nach einem Kompromiss verteilt. Sie müssen sollten vielmehr auf die sogenannte zweite Tranche von absolut „on top“ kommen; sonst geht das gar nicht. 25 000 Hektar, die noch nicht übertragen worden sind, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10579

Cornelia Behm (A) angerechnet werden. Nicht einmal mit den eigenen licherweise überhaupt nicht auf dem Weg zu einem (C) Fachpolitikern hatten die Haushälter das abgesprochen. „Heide 21“, Ich habe danach mit ihnen geredet: Die eigenen Leute (Zuruf von der CDU/CSU: Da hat er recht!) waren entsetzt. Da blockiert der Bund mit seinen Schießplatzplänen sondern Bund und Land, Kreis, BImA und die betroffe- erst 17 Jahre lang die Entwicklung einer Region, nen Menschen vor Ort sind mittlerweile in sehr kon- struktiven Gesprächen über die Zukunft der Kyritz-Rup- (Zuruf von der CDU/CSU: Was? 17 Jahre?) piner Heide. Das sollten wir alle begrüßen verbrennt Tausende Euro in zig verlorenen Gerichtspro- (Cornelia Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zessen – Steuergelder und Geld der klagenden Kommu- NEN]: Das tun wir auch!) nen –, und dann versucht er, sich auf Kosten von zahlrei- chen anderen Regionen in Deutschland, die darauf und nicht das Gegenteil davon tun. Die Gespräche brau- warten, dass wertvolle Naturschutzflächen durch den chen Zeit; denn es soll einen gesellschaftlichen Konsens Status Nationales Naturerbe dauerhaft geschützt werden, über die Zukunft dieser Fläche geben. der Verantwortung für die Heide zu entledigen. (Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Joachim (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hacker [SPD]: Dagegen steht der Haushalts- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- ausschuss!) KEN) – Dagegen steht eben nicht der Haushaltsausschuss. Der Ist denn hier kein Bewusstsein dafür vorhanden, dass der Haushaltsausschuss hat etwas beschlossen, weil es für Bund in der Bringpflicht ist? bestimmte große Entscheidungen nur ganz bestimmte Zeitfenster gibt. Es handelt sich hier nicht um ir- Diese sogenannte zweite Tranche darf nicht beschnit- gendeine zusammenhängende Fläche mit einer Größe ten werden. Ich fordere Sie auf, liebe Kolleginnen und von 11 900 Hektar, sondern um eine Fläche, von der Kollegen aus Union und FDP – ich richte mein Wort ins- über 9 000 Hektar als FFH-Gebiet ausgewiesen sind und besondere an die Haushälter –: Nehmen Sie den Be- die damit allerhöchsten Naturschutzwert hat. Der Haus- schluss des Haushaltsausschusses zurück! Beschließen haltsausschuss hat diese Fläche nur im Gesamtzusam- Sie meinetwegen eine dritte Tranche, die nur natur- menhang gesichert, um sie nicht zerbröseln zu lassen. schutzfachlich wertvolle ehemalige Militärflächen ent- Denn wir machen Umweltschutz nach Umweltgesichts- hält. Im Zuge der Reform der Bundeswehr wird zusätz- punkten und nicht nach Länderquoten. lich zur Kyritz-Ruppiner Heide noch eine ganze Menge an Flächen anfallen. Aber stellen Sie endlich die Wei- (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. (B) (D) chen für eine zivile Nutzung des ehemaligen Bombo- Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) droms! Deswegen haben wir auch keine Chancen für die Zu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kunft „gebaut“; denn wir wissen, dass in allen Ländern sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- hochwertigste Umweltflächen angeboten werden und KEN) zur Verfügung stehen. Das Stichwort ist ja schon gefal- len. Man mag zu gegebener Zeit über eine dritte Tranche Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: reden können; Das Wort hat jetzt der Kollege Norbert Brackmann (Cornelia Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- von der CDU/CSU-Fraktion. NEN]: Ja!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) aber heute ist es erst einmal an der Zeit, das zu entschei- den, was wir entscheiden können, nämlich diese zusam- Norbert Brackmann (CDU/CSU): menhängende, höchst wertvolle Naturschutzfläche dau- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und erhaft für den Naturschutz zu sichern. Damit haben wir Kollegen! Zunächst einmal zu den Regelkreisläufen, als Haushaltsausschuss einen deutlichen Hinweis gege- über die wir heute zu sprechen haben: Das Gelände, über ben. das wir heute sprechen – ein naturbelassenes Gebiet –, (Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: ist der Natur für eine besondere staatliche Aufgabe ent- Sehr gut!) zogen worden. Heute sind wir in der glücklichen Lage, dass diese militärische Nutzung aufgegeben werden Das ist auch keine Frage, die nur den betroffenen kann. Deswegen ist es doch geradezu ein Gebot der Landkreis betrifft. Das ergibt sich schon daraus, dass das Nachhaltigkeit, in einem solchen Moment zu sagen: Wir gesamte Gebiet, wenn man es der Natur tatsächlich weg- müssen das, was wir der Natur vor einiger Zeit vorüber- nehmen und komplett für andere, touristische Zwecke gehend entzogen haben, der Natur auch wieder zuführen. nutzen wollte Genau dieses Ziel verfolgen wir mit Blick auf die Zu- (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Partiell!) kunft der Kyritz-Ruppiner Heide. – partiell, aber wir reden hier ja auch über Geld –, für (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) rund 600 Millionen Euro dekontaminiert werden müsste. Von daher ist diese neue Nutzung ein Glücksfall für Das übersteigt mit Sicherheit die Leistungsfähigkeit ei- Natur und Mensch gemeinsam. Wir befinden uns glück- nes Landkreises. 10580 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Norbert Brackmann (A) Wir sind doch schon viel weiter, als Sie hier glauben beschlossen wurde, eine eklatante Spanne gibt. Nur da- (C) machen. Selbst wenn wir dort nur die partielle Nutzung mit wir wissen, worüber wir hier debattieren, will ich sicherstellen und die entsprechenden Flächen dekonta- den zweiten Punkt, der im Haushaltsausschuss beschlos- minieren wollen, kommen wir immer noch, je nachdem, sen wurde, noch einmal zitieren: wie man es macht, auf einen Preis von bis zu 81 Millio- Der Haushaltsausschuss fordert die Bundesregie- nen Euro. Auch die wollen erst einmal aufgebracht wer- rung auf, in der o. g. Gesamtumsetzung die noch den. ausstehende Übertragung der Liegenschaft Witt- Sie haben hier gehört, dass wir von der Regierungs- stock … mit rund 11.900 Hektar vollständig zu be- koalition in Verantwortung für die Natur einstehen. Ich rücksichtigen. glaube, das ist auch für die betroffene Region ein ganz Ich lege hier Wert auf das Wort „vollständig“. wertvolles und wichtiges Signal. (Norbert Brackmann [CDU/CSU]: Das kennen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wir, Kollegin Ziegler! – Hans-Joachim Hacker Vor diesem Hintergrund geht es darum, diese Fläche [SPD]: Hört! Hört! – Omid Nouripour ganz konkret zu sichern und die Möglichkeit für eine [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie Mischnutzung zu eröffnen. jetzt richtig zitiert?) Ich zitiere einmal Frau Schäfer, in deren Rede am (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Jetzt kommt 10. Juni 2010 im Bundestag es heißt: die Katze aus dem Sack!) Daher ist auch die zum Beispiel von der SPD gefor- Ich habe darauf hingewiesen, dass über 9 000 Hektar derte Einbeziehung in den Flächenpool des Natio- FFH-Gebiet sind. Damit bleiben immer noch 3 000 Hek- nalen Naturerbes nicht angebracht. … Wichtig ist tar übrig, die, wenn Sie so wollen, im Konsens mit den es, dass nun die verschiedenen Stellen des Bundes Menschen vor Ort für eine andere Nutzung bereitgestellt gemeinsam mit dem Land Brandenburg sämtliche und als andere Naturschutzflächen ausgewiesen werden Modalitäten der Eigentumsübertragung klären und können. hinsichtlich künftiger Nutzungsüberlegungen früh- (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Da werden wir zeitig auch die Interessenträger vor Ort in die ent- Sie aber stellen!) sprechenden Verfahren einbinden. – Ja, stellen Sie sich dieser Diskussion. Herr Brackmann, Sie kann ich auch gleich zitieren: (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Nein, Sie Bevor diese Schritte abschließend erfolgt sind, werden wir stellen!) kommt die Opposition mit der Forderung daher, ge- (B) eignete Flächen in das Nationale Naturerbe zu über- (D) Sie sind herzlich eingeladen. Die Diskussion wird ja ge- führen. führt. (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Hört! Hört!) Um für all dies einen Konsens zu erzielen, braucht Wir verschließen uns keinesfalls einer solchen man Zeit. Ein altes afrikanisches Sprichwort lautet: Das Überlegung, jedoch ist dies der zweite Schritt vor Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. – dem ersten. Ob und in welcher Form die Liegen- Man könnte auch sagen: Gut Ding will Weile haben. schaft dem Nationalen Naturerbe zugeführt werden (Dagmar Ziegler [SPD]: Viele Köche kann, ist abhängig von der Ermittlung der Muni- verderben den Brei!) tions- und Altlastenbelastung und der Feststellung der naturfachlichen Eignung. Geben Sie uns für die Diskussion also die erforderliche Zeit. Wir sind davon überzeugt, dass das Ganze ein gutes Ich frage mich: Wo sind wir hier? In der Rede von Ende nehmen wird. Wir haben die entsprechenden Vor- Herrn Ackermann von der FDP heißt es – Zitat –: kehrungen getroffen. Dazu bedarf es nicht der Unterstüt- Es gilt nun, das Verfahren für die umfassende zivile zung durch Ihre Anträge. Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide mit den betrof- fenen Kommunen eng zu verzahnen und den Willen Herzlichen Dank. der Bürger vor Ort zu berücksichtigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das war am 10. Juni letzten Jahres. Im November letzten Jahres hat der Haushaltsausschuss dann die voll- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ständige Übertragung dieser Flächen in das Naturerbe Als letzter Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt definitiv beschlossen. Heute reden Sie wiederum so, als erteile ich das Wort der Kollegin Dagmar Ziegler von wäre dieser Haushaltsbeschluss nicht relevant; man der SPD-Fraktion. könne noch einmal vor Ort über eine Mischnutzung und alle möglichen Modalitäten reden. (Beifall bei der SPD) Vor Ort fühlt man sich mittlerweile wirklich vergack- Dagmar Ziegler (SPD): eiert. Man wird den Initiativen, die sich seit Jahren um eine zivile Nutzung bemüht haben, nicht gerecht. Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mich wundert, dass es zwi- Deshalb kann ich Sie nur bitten, Ihr Reden und Tun schen Ihren Reden und dem, was im Haushaltsausschuss miteinander in Einklang zu bringen und dem Antrag der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10581

Dagmar Ziegler (A) SPD-Fraktion zuzustimmen. Denn sonst verspielen Sie Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus- (C) das Vertrauen vor Ort. Das Hü und Hott der Koalition schusses (4. Ausschuss) bringt uns in der Sache nicht voran; es verunsichert viel- mehr die Menschen. Überall wird gesagt: Wir wissen – Drucksache 17/4893 – nicht, was dabei herauskommt. Berichterstattung: Alles, was jetzt vor Ort an Kommunikation stattfin- Abgeordnete Clemens Binninger det, kommt uns vor wie eine Beschäftigungstherapie. Es Gerold Reichenbach stand von vornherein fest, was die Koalition will. Das Manuel Höferlin andere ist nur noch Schauwerk vor Ort. Dagegen ver- Jan Korte wahren wir uns. Dr. Konstantin von Notz Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu. Dadurch kön- Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion nen Sie beweisen, dass Sie wirklich das meinen, was Sie Bündnis 90/Die Grünen vor. hier immer vortragen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Vielen Dank. Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- ner dem Kollegen Clemens Binninger von der CDU/ CSU-Fraktion das Wort. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Verteidigungsausschusses auf Druck- Clemens Binninger (CDU/CSU): sache 17/4276. Der Ausschuss empfiehlt unter Buch- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! stabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des E-Mail und Internet sind mittlerweile Massenkommuni- Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/1961 kationsmittel geworden. Wir alle nutzen täglich E-Mail. mit dem Titel „Zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Bürgerinnen und Bürger senden uns täglich E-Mails. Heide nach Abzug der Bundeswehr“. Wer stimmt für Auch Behörden versenden E-Mails. diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent- Trotzdem muss uns eines immer bewusst sein: Eine haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen E-Mail hat kein besonders hohes Sicherheitsniveau. Sie mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die hat etwa das Sicherheitsniveau einer Postkarte, die Sie (B) Stimmen von SPD und Linken bei Enthaltung von (D) Bündnis 90/Die Grünen. an das schwarze Brett hängen, mit dem Text nach außen. Sie ist also alles andere als sicher. Ein jährliches Volu- Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab- men von etwa 17 Milliarden Briefsendungen in Deutsch- lehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf land macht deutlich, dass durchaus ein großes Potenzial Drucksache 17/1972 mit dem Titel „Friedliche Zukunft für sicheren E-Mail-Verkehr besteht. Genau dieses der Kyritz-Ruppiner Heide und Interessen der Region si- Potenzial wollen wir ausschöpfen, indem wir heute in chern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – zweiter und dritter Lesung das De-Mail-Gesetz verab- Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp- schieden und damit einen Rahmen für eine sichere, kom- fehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koaliti- fortable und vertrauensvolle Kommunikation mit E-Mail onsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen schaffen. Das ist ein wichtiger Baustein für eine mo- der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/ derne Verwaltung und eine moderne Gesellschaft. Die Grünen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags Lassen Sie mich die Kerninhalte des Gesetzes ganz der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck- kurz darlegen, weil sie von Bedeutung sind. Mit dem sache 17/1989 mit dem Titel „Kyritz-Ruppiner Heide in De-Mail-Gesetz schaffen wir den rechtlichen Rahmen ihrer Einheit erhalten – Voraussetzungen für eine chan- dafür, dass ein Provider, der diese Technik anbieten will, cenreiche Regionalentwicklung schaffen“. Wer stimmt vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstech- für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – nik zertifiziert sein und hohe Sicherheitsanforderungen Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenom- erfüllen muss. Ich füge hinzu: Es kann bis heute noch men mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Ent- keinen zertifizierten De-Mail-Provider geben. Aber so- haltung der SPD-Fraktion und Gegenstimmen der Frak- bald das Gesetz in Kraft tritt, können die Zertifizierungs- tion Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. maßnahmen anlaufen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 14 auf: Wer De-Mail als Nutzer in Anspruch nimmt, muss sich beim ersten Mal zweifelsfrei identifizieren. Das Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- heißt, man weiß, wer hinter der De-Mail-Adresse steht. regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Das weiß man heute bei der E-Mail-Adresse nicht. Wir zur Regelung von De-Mail-Diensten und zur Änderung weiterer Vorschriften regeln in diesem Gesetz auch, dass der Versand von De- Mails verschlüsselt erfolgen muss, und zwar auf zwei – Drucksachen 17/3630, 17/4145 – unterschiedlichen Niveaus: Transportverschlüsselung 10582 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Clemens Binninger (A) auf dem gesamten Weg und als zusätzliche Option bei E-Mail-Postfach erhält man nur seine normalen E-Mails. (C) hohem Sicherheitsbedürfnis eine Ende-zu-Ende-Ver- De-Mails sind sicher. Eine Verwechslungsgefahr ist aus- schlüsselung. Wir regeln des Weiteren, dass eine Ver- geschlossen, weil man nur dort De-Mails empfangen sandbestätigung gesendet wird, wenn De-Mails ver- kann, wo man auch dafür registriert ist. Es ist deshalb schickt werden. Eine solche Bestätigung schafft nicht notwendig, anhand des Namens eine Unterschei- Rechtssicherheit und ermöglicht es Unternehmen, insbe- dung zu treffen. Es wäre sogar gefährlich, wenn man den sondere kleinen Unternehmen und mittelständischen Be- Bürgern suggerieren würde: Sie müssen nicht mehr trieben, ihre Kommunikation mehr über De-Mail rechts- schauen, wo eine E-Mail ankommt; Hauptsache, die sicher abzuwickeln. Adresse ist eindeutig gekennzeichnet; dann ist sie sicher. So wenig wie die Sicherheit eines Autos oder eines Aus- Wir schaffen noch etwas anderes Wichtiges: Wir weisdokumentes an der Farbe festzumachen ist, so we- verbinden Sicherheit und Komfort. Machen wir uns nig gilt dies für den Namen einer Domain bei einer Mail. nichts vor: Es gibt schon immer Methoden, mit denen Deshalb war es ordnungspolitisch, aus Sicherheitsgrün- man E-Mails verschlüsseln kann. Auch die elektronische den und technisch nicht notwendig, hier eine staatlich Signatur gibt es schon seit einigen Jahren. Nichts davon verordnete E-Mail-Adresse vorzugeben. Wir haben als konnte sich durchsetzen, weil es offensichtlich zu kom- Kriterien festgelegt, dass die entsprechenden Adressen pliziert, zu anspruchsvoll und zu technisch für den Nut- nur für De-Mails genutzt werden dürfen. Ich wiederhole: zer war. Deshalb ist unser Ziel, mit dem De-Mail-Gesetz Eine einheitliche, staatlich vorgegebene Domain war einen Rahmen zu schaffen, der beides gewährleistet: Si- nicht notwendig. cherheit und Komfort. Ich glaube, das ist uns mehr als geglückt. Es wird sicher sein, und es wird komfortabel Zweiter Punkt: Warum gibt es nicht nur Ende-zu- sein. Ende-Verschlüsselungen, sondern auch Transportver- schlüsselungen? Es stimmt natürlich – das werden wir (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sicherlich nachher von der Opposition hören –, dass Ich will noch ein paar Sätze zum Verfahren sagen; das Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen ein etwas höheres Si- ist mir wichtig. Die Koalition hat sich ausreichend Zeit cherheitsniveau als die Transportverschlüsselung auf für dieses Gesetz genommen. Wir haben keinen Punkt, dem gesamten Weg gewährleisten. Aber schon die der an uns herangetragen wurde, beiseitegewischt, nach Transportverschlüsselung wird den Bedürfnissen der dem Motto „Wir wissen es besser“. Wir haben viele Ge- Nutzer mehr als gerecht und hebt das Sicherheitsniveau spräche mit Vertretern der Wirtschaft und von Verbän- einer De-Mail. den, mit den Kollegen der Opposition und mit Länder- vertretern geführt. Wir haben wirklich versucht, auf (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Nein!) (B) jeden Punkt einzugehen. Wir haben eine Sachverständi- Wir haben Folgendes gesagt: Wenn der Nutzer es will (D) genanhörung durchgeführt. Wie es für Sachverständi- – Stichwort „Eigenverantwortung“ –, dann muss er die genanhörungen üblich ist, gab es Lob und Kritik. Wir Möglichkeit haben, zwischen Transportverschlüsselung haben aber auch Anregungen, die wir erhalten haben, und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu wählen. Eine umgesetzt. In dem von uns vorgelegten Änderungsantrag staatliche Vorgabe darf es aber nicht geben. Genau in haben wir viele Punkte, die wir für bedenkenswert hal- diesem Sinne haben wir uns entschieden: Transportver- ten, aufgegriffen. So haben wir es am Ende geschafft, ein schlüsselung als Standardsicherheit; wer dies will, kann Gesetzeswerk zu etablieren, das nach meiner Meinung von der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung Gebrauch ma- nicht nur einen ersten Schritt, sondern einen wichtigen, chen. soliden Schritt hin zu einer digitalen Raumordnung dar- stellt. Es schafft Sicherheit für alle Beteiligten und ist ein Was würde denn passieren, wenn wir nur die höchste echter Fortschritt für unser Land. Verschlüsselungsform vorgeben würden? Das würde für den Nutzer mehr Aufwand nach sich ziehen. Er bräuchte (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mehr technisches Know-how. Ich garantiere Ihnen: Trotzdem gibt es noch immer Kritikpunkte. Ich Dann würde das De-Mail-Gesetz den gleichen Weg ge- nehme an, dass wir nachher einiges dazu hören werden. hen wie die elektronische Signatur und andere kompli- Auch ich will auf die Kritikpunkte eingehen, die in der zierte Anwendungen. Es gäbe keine Massenanwendung, Ausschussberatung deutlich wurden und mit denen wir sondern es entstünde eine Nische. Das war nicht unser uns sehr lange befasst haben. Ziel. Wir wollten den Rahmen dafür schaffen, dass De-Mails zu einem Massenkommunikationsmittel wer- Erster Punkt. Warum gibt dieses Gesetz keinen ein- den – sicher und komfortabel. heitlichen Domainnamen vor? Warum gibt es keine staatlich verordnete E-Mail-Adresse? Anfangs wurde (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gesagt, man brauche das, weil sonst die Gefahr der Ver- Ich glaube, dass wir auch an einem anderen wichtigen wechslung von normalen E-Mails mit sicheren De-Mails Punkt sehr gute Arbeit geleistet haben, nämlich bei der bestehe. Wir wissen aber nun – davon haben wir uns Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern. Wenn mehrfach überzeugt –, dass es sich um getrennte Sys- ein Bürger mit einer Behörde per De-Mail kommuni- teme handelt. zieren will, muss er das der Behörde eröffnen. Das ist Die Gefahr, dass man eine E-Mail versehentlich als schon einmal ein Beitrag zum Verbraucherschutz. Eine De-Mail erhält, geht gegen null, weil man in seinem De-Mail gilt erst dann als zugestellt, wenn dieser Bürger E-Mail-Postfach gar keine De-Mails empfangen kann. Im sich an seinem Postfach angemeldet hat, unabhängig Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10583

Clemens Binninger (A) vom jeweiligen Tag. Und nur für den Fall, dass er aus- (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE (C) schließlich per De-Mail mit seiner Behörde kommuni- GRÜNEN]: Lesen Sie doch unseren Entschlie- zieren will, den Postweg also ausgeschlossen hat, gilt die ßungsantrag!) Zustellfiktion, dass das zugesandte Schriftstück dem – Herzlichen Dank für diesen Zwischenruf, Kollege Empfänger nach drei Tagen als zugestellt gilt, wie im Winkler. Ich habe Ihren Entschließungsantrag gelesen. normalen Briefverkehr. Daran gibt es wirklich nichts zu kritisieren. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und werden zustimmen!) Gestatten Sie mir, auch ein paar Sätze zur Opposition zu sagen. Gestatten Sie mir, dass ich den zahlreichen interessierten Kollegen nur drei Punkte – bitte kurz zuhören, es lohnt Bei der Linkspartei bin ich mir nicht ganz sicher, ob sich! – aus Ihrem Entschließungsantrag dazu vorstelle, sie an diesem Thema überhaupt interessiert ist. Die was die Grünen gerne hätten. Wenn es bei De-Mail nach Form, wie Sie in den letzten Monaten im Ausschuss und den Grünen ginge, dann würde der Staat vorgeben, dass auch in der Anhörung Ihre Beiträge dazu geleistet haben, es nur eine Verschlüsselungstechnik gibt, wirkte relativ uninspiriert und gelangweilt. Wahrschein- lich kommt nachher wieder die einzige Nummer, die Sie (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE können: Wir schaffen angeblich das Briefgeheimnis ab. GRÜNEN]: Die sicherste!) Das ist völlig falsch: Im Gesetzentwurf steht eindeutig, nämlich die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, selbst wenn dass am Briefgeheimnis nicht gerüttelt wird. Es gilt das damit für den Bürger ein Mehraufwand verbunden ist Gleiche wie für den gedruckten Brief. Ohne Richtervor- und er es daher vielleicht gar nicht anwendet. behalt gibt es keinen Zugriff auf den Inhalt. Da ist bei den De-Mails nicht anders. Von der Linkspartei gab es Wenn es nach den Grünen ginge, dann gäbe es eine also wenige Beiträge. staatlich verordnete E-Mail-Adresse, die staatliche Ein- heitsadresse. Auch das steht in Ihrem Antrag. Zur SPD muss ich sagen: Ich verstehe sie nicht. Die- ser Gesetzentwurf hatte ja einen Vorläufer: das Bürger- (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) portalgesetz. Dadurch wäre im Wesentlichen das Gleiche Wenn es nach den Grünen ginge, dann würde nicht nur geregelt worden. Seine Ausarbeitung haben wir in der die staatliche Einheitsadresse vorgegeben, sondern dann Großen Koalition begonnen, konnten sie aber wegen würden vom Staat einheitlich auch das Porto und der Ablaufs der Legislatur nicht mehr zu Ende bringen. Da- Preis vorgegeben. mals war die SPD dafür, heute ist sie gegen den vorlie- genden Gesetzentwurf, obwohl wir den damaligen Ge- (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE (B) setzentwurf weiterentwickelt haben. GRÜNEN]: Nein! Die Höchstgrenzen!) (D) (Gerold Reichenbach [SPD]: Eben!) All das steht in Ihrem Antrag. Das ist nicht modern und nicht innovativ. Das, was Sie da machen, ist Internetso- Ich glaube, das macht es Ihnen ein bisschen schwie- zialismus, nichts anderes! rig, Herr Kollege Reichenbach. Der Bürger weiß bei Ih- nen nicht so richtig, woran er ist. Gestern waren Sie (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – La- noch dafür, heute sind Sie schon dagegen oder vielleicht chen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jo- auch beides am gleichen Tag. Auf jeden Fall haben Sie sef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- keine konstante Meinung. Das ist zu wenig, um einen NEN]: Das ist ja abstrus! – Dr. Konstantin von wichtigen Beitrag zu diesem wichtigen Thema zu leis- Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es hat ten. sich gelohnt, dass wir diese Debatte führen! Internetsozialismus!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) – Wenn ich gewusst hätte, dass Sie so darauf anspringen, dann hätte ich es gleich zu Beginn meiner Rede gesagt; Ich wiederhole: Bei Ihnen weiß man nicht, woran man das hätte sich gelohnt. ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bei den Grünen weiß man, woran man ist: Es reicht, zu wissen, welche Punkte in Ihrem Antrag ste- (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hen. NEN]: Danke!) Ich glaube, wir haben hier einen wichtigen Schritt Sie sind, wie bei allen anderen Themen, dagegen. So wie zum Thema digitale Raumordnung sowie für einen si- es sich gehört, sind sie auch gegen dieses Gesetz. cheren und komfortablen E-Mail-Versand gemacht. Die Koalition wird das weiterentwickeln. Wir werden Ende (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE des Jahres ein E-Government-Gesetz vorlegen und bei GRÜNEN]: Sehr fantasievoll diese Ankündi- diesem Thema einen Baustein auf den anderen setzen. gung!) Ich darf mich zum Schluss ganz herzlich bei den Mit- Sie sind zwar schon ein bisschen für E-Government, und arbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesministerium ein bisschen modern wären Sie schon gern, aber wenn es des Innern bedanken, die uns über viele Monate hinweg dann konkret wird, dann verlässt Sie der Mut. fachlich sehr kompetent unterstützt haben. Herr Staatsse- 10584 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Clemens Binninger (A) kretär, wenn Sie den Dank bitte an die Mitarbeiterinnen Es gibt keine erleichterte Portabilität, und bei der ein- (C) und Mitarbeiter in der Abteilung von Herrn Schallbruch heitlichen Kennung geht es nicht um Sicherheitsfragen. weitergeben. Die Portabilität kennen wir heute bereits von der Mobil- telefonnummer, die man, wenn man den Provider wech- Die christlich-liberale Koalition hat heute einen guten selt, mitnehmen kann. Diese Situation ist mit der Situa- Beitrag für ein wichtiges und modernes Thema vorge- tion bei E-Mails nicht vergleichbar. Wie wir wissen, legt. ändert sich, wenn man den Provider wechselt, auch die Herzlichen Dank. E-Mail-Adresse. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Hier geht es darum, einen rechtsverbindlichen Schriftverkehr zu organisieren, der mit Behörden, Ver- sicherungen oder wichtigen Geschäftspartnern geführt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: werden soll. Das ist so, als müssten Sie, wenn Sie im Das Wort hat der Kollege Gerold Reichenbach für die normalen Briefverkehr aus Kostengründen zu einem an- SPD-Fraktion. deren Diensteanbieter wechseln, allen Beteiligten – den (Beifall bei der SPD) Behörden, den Versicherungen usw. – mitteilen, dass Sie jetzt eine neue Adresse haben. Gerold Reichenbach (SPD): Wie das zu mehr Wettbewerb auf dem Markt insbe- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und sondere für den kleinen Kunden führen soll, das wissen Kollegen! Sie haben recht: Grundsätzlich sind die Idee nur CDU und FDP. Sie haben die Verbraucherinteressen und das Vorhaben De-Mail zu begrüßen. Sie haben es den Marketinginteressen der großen Unternehmen geop- angesprochen: Wir haben uns mit dem Vorschlag eines fert. Das ist doch der Hintergrund. Bürgerportalgesetzes – damals noch gemeinsam in der Großen Koalition – auf den Weg gemacht. Ziel war: Der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Bürger soll schnell, bequem, sicher und rechtssicher DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der online mit der Behörde auch vertrauliche Daten kommu- LINKEN) nizieren können. Vertrauenswürdige und sichere Kom- Es fehlt eine verbindlich angebotene sichere Ende-zu- munikation, die Verbindlichkeit und Rechtssicherheit Ende-Verschlüsselung, die dem Gesetzeszweck einer gewährt, war das Ziel. vertrauenswürdigen und zuverlässigen Kommunika- Das Projekt gelingt nur dann, wenn De-Mail von den tionsform gerecht wird. Wenn ich eine wirklich sichere Bürgerinnen und Bürgern angenommen wird, wenn es Ende-zu-Ende-Verschlüsselung will, dann muss ich (B) für den Bürger, für den Verbraucher einen Mehrwert gibt mich laut Ihrem Entwurf nach wie vor selbst darum (D) bzw. wenn es einen Vorteil für ihn hat. Zu dieser Idee kümmern, so wie ich es jetzt auch schon kann und so, stehen wir noch immer. wie ich auch jetzt schon eine E-Mail mit einer sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und einer Signatur aus- (Manuel Höferlin [FDP]: Dann stimmen Sie statten kann. Es gibt nur einen Unterschied: Dann darf doch zu!) ich dafür bezahlen. Ihre Frage, Kollege Binninger, warum wir jetzt nicht zu- Sie verschärfen die Zustellungsfiktion im digitalen stimmen, haben Sie selbst beantwortet, nämlich weil Raum faktisch zulasten des Verbrauchers. Die Beweis- Schwarz-Gelb es weiterentwickelt hat. Wie so vieles, last für den Empfang bzw. Nichtempfang von Nachrich- was Schwarz-Gelb weiterentwickelt hat, hat sich auch ten wird auf die Bürgerinnen und Bürger abgewälzt, und dies nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren ent- dies in einem hochkomplizierten technischen System. wickelt. Nach den Änderungen im Verwaltungszustellungsgesetz soll der Bürger nicht mehr wie bisher nur glaubhaft ma- (Manuel Höferlin [FDP]: Sie stehen nicht für chen, sondern einwandfrei beweisen müssen, dass er Weiterentwicklung!) nicht auf sein Postfach zugreifen konnte oder die Abhol- Genau das wurde Ihnen doch von der Mehrheit der bestätigung fälschlicherweise generiert wurde, weil etwa Sachverständigen – übrigens auch von den wohlwollen- nach dem Einloggvorgang die Verbindung abgebrochen den Sachverständigen, die von CDU und FDP benannt ist und er sich nicht erneut einloggen konnte. worden sind – in der Anhörung bestätigt. Sie haben dem Diese Verschärfung führen Sie ohne Not herbei, und Gesetzentwurf nach wie vor erhebliche Schwächen und zwar nicht mehr in der normalen Welt wie früher bei der Mängel bescheinigt, die Sie mit den von Ihnen jetzt ein- Post, sondern in einem hochtechnischen System, bei gebrachten Änderungsanträgen und mit der kleinen dem ich es unter Umständen mit mehreren Diensteanbie- nachgereichten Änderung nicht wirklich beheben. tern zu tun habe. Das ist eindeutig eine Verschiebung zu- (Manuel Höferlin [FDP]: Doch!) lasten der Nutzer und Verbraucher. Die Mängel, die der Gesetzentwurf nach wie vor vor- (René Röspel [SPD]: Pfui!) weist, sind gravierend, und sie gehen überwiegend zulas- ten des Verbrauchers. Bei der Aufhebung der Pseudonymisierung, der Heraus- gabe von Namen und Anschriften, soll der Provider ab- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wägen, ob das Verlangen rechtsmissbräuchlich ist oder DIE GRÜNEN) schutzwürdige Interessen des Nutzers überwiegen. In Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10585

Gerold Reichenbach (A) anderen Bereichen stellen wir eine solche Abwägung un- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) ter einen Richtervorbehalt. Hier wird die Abwägung ei- Das Wort hat der Kollege Manuel Höferlin von der nem Provider überlassen, wogegen sich sogar die Provi- FDP-Fraktion. der selbst gewehrt haben. (Beifall bei der FDP) Mit den Identitätsbestätigungsdiensten, die Sie in § 6 Ihres Gesetzentwurfs planen, werden Sie Ihr Sicherheits- Manuel Höferlin (FDP): versprechen nicht einlösen, weil nicht überprüft werden Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Meine kann, ob jemand, der seine Identitätsbestätigung durch Damen und Herren! Mit dem De-Mail-Gesetz schafft die Anmeldung in einem De-Mail-Dienst bekommen hat, christlich-liberale Koalition die Rahmenbedingungen für nicht anschließend mit dieser Bestätigung als ein ver- eine moderne digitale Kommunikation. Bürgerinnen und meintlich sicheres Unternehmen De-Mails verschickt Bürger haben jetzt endlich die Möglichkeit, mit Behör- und etwa für Kaffeefahrten oder Ähnliches wirbt nach den, mit Unternehmen, aber auch untereinander verbind- dem Motto: Sie haben gewonnen. lich Informationen digital auszutauschen. Es gab bisher Wie soll sich der Bürger unter diesen Bedingungen immer Schwierigkeiten bei der Frage, welche Verbind- für das De-Mail-Verfahren entscheiden, wenn er dabei lichkeit E-Mails in der Kommunikation haben. Es konnte schlechter gestellt ist als bei der normalen Briefpost? nur schlecht nachgewiesen werden, dass eine E-Mail zu- Der Vertreter des Anwalts- und Notarvereins hat in der gestellt wurde. Anhörung gesagt: Ich kann keinem meiner Klienten das Herr Reichenbach, nachdem ich Ihre Ausführungen De-Mail-System empfehlen. gehört habe, muss ich feststellen, dass Sie offensichtlich Wieso soll sich aufgrund Ihres Gesetzes der Bürger in bestimmte Eigenschaften von De-Mail immer noch nicht den De-Mail-Verkehr begeben? Weil es ein Geschäfts- begriffen haben. Es geht nämlich darum, dass bei einer modell ist? Weil es den Behörden und Versicherungen E-Mail nicht nachgewiesen werden kann, ob sie zuge- Kosten erspart? Weil sich für die Behörden und Unter- stellt wurde, aber bei der De-Mail eben doch. nehmen im Gegensatz zum Briefverkehr die Beweislast (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE zulasten des Bürgers verschiebt? Weil es zwar etwas si- GRÜNEN]: Wen trifft denn die Beweislast? – cherer ist als E-Mails, aber nicht wirklich sicher? Oder Gerold Reichenbach [SPD]: Ja, wen trifft denn weil der Bürger im Gegensatz zu einer sicheren Ver- die Beweislast?) schlüsselung, die er mit wenig Aufwand und ohne Kos- ten selbst vornehmen kann, dafür Gebühren zahlen Das zweite Problem der E-Mails war und ist immer muss? noch, dass die Nutzer nicht mit Sicherheit wissen, mit (B) wem sie kommunizieren. Genau das ändern wir jetzt mit (D) Genau das ist der Mangel an Ihrem Gesetz. Sie haben der Einführung von De-Mail. nicht versucht, dieses Gesetz verbraucherfreundlich aus- zugestalten, sondern Sie haben versucht, dieses Gesetz (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten behördenfreundlich, unternehmensfreundlich und provi- der CDU/CSU) derfreundlich auszugestalten. Das wird leider dazu füh- ren, dass die Akzeptanz beim Bürger nicht herbeigeführt De-Mails sind eben rechtsverbindlich und können vor Gericht dann auch als Beweismittel eingesetzt werden, werden kann. wenn es um die Frage der Zustellung geht. Die Zustel- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ lung wird mithilfe einer Übermittlungsbestätigung er- DIE GRÜNEN) bracht. Das kann nachgewiesen werden. Das ist rechtssi- cher. Das ist auch ein Nutzen für die Bürgerinnen und Nebenbei sind Sie noch nicht einmal sicher, ob Ihr Bürger, wenn sie De-Mails verschicken. De-Mail ist an Gesetzentwurf überhaupt mit EU-Normen und den dieser Stelle einfacher E-Mail überlegen. neuen Post-DIN-Normen kompatibel ist. Deswegen ist es kein Zufall, dass jetzt auch die Europäische Union an Diese neue Verbindlichkeit – das ist richtig – stellt die Bundesregierung Fragen hinsichtlich der europa- auch gesteigerte Anforderungen an die Sicherheit von rechtskonformen Ausgestaltung Ihres De-Mail-Gesetzes De-Mail. Die christlich-liberale Koalition hat im Aus- richtet. Die Antwort liegt auf der Hand: Das Projekt ist tausch mit zahlreichen Sachverständigen und dem Bun- gut, aber Sie sind gerade dabei, es in den Sand zu setzen. desamt für Sicherheit in der Informationstechnik hohe Deswegen können wir diesem Gesetz nicht zustimmen. Sicherheitsstandards für De-Mail entwickelt. Wir haben auch in der Anhörung mit zahlreichen Experten gespro- Weil viele von diesen Kritikpunkten, die ich eben vor- chen. De-Mails müssen beim Transport auf jeden Fall getragen habe, auch in dem Entschließungsantrag der verschlüsselt sein. Das ist die Mindestanforderung an die Grünen enthalten sind, werden wir diesem Entschlie- Sicherheit, die bei dieser digitalen Korrespondenz gebo- ßungsantrag zustimmen. ten ist. Nehmen Sie die Kritik an, ziehen Sie das Gesetz zu- Daneben können De-Mails, wenn gewünscht, eben rück, und versuchen Sie, es zu verbessern! Denn im auch mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung versehen Grundsatz ist De-Mail eine vernünftige Sache, aber nicht werden oder mit einer Unterschrift nach dem Signatur- in der Form, wie Sie es jetzt hier probieren. gesetz oder auch mit einer Verschlüsselung nach dem (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Signaturgesetz. De-Mail und Signaturgesetz stehen eben des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nicht im Widerspruch zueinander, sie ergänzen sich ge- 10586 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Manuel Höferlin (A) genseitig. Genau das haben wir so in der christlich-libe- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (C) ralen Koalition auch gewollt und ins De-Mail-Gesetz ge- Mit Ihrem Wunsch nach Portabilität verhält es sich schrieben. genauso. Auch das haben Sie, Herr Reichenbach, nicht (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten verstanden. Wenn man keine Domäne einheitlich festlegt der CDU/CSU) und jeder eine Domäne benutzen kann, so wie er es möchte – das haben wir mit den Domänennamen im In- Das hat auch einen einfachen Grund; denn eine zen- ternet erreicht –, dann ist es ein portables System. tral vorgegebene Ende-zu-Ende-Verschlüsselung würde auch der Verbreitung von De-Mail entgegenstehen. Das (Gerold Reichenbach [SPD]: Sie haben nicht haben die Erfahrungen mit dem Signaturgesetz gezeigt. zugehört! Typisch FDP!) Es gibt schon seit über 15 Jahren die Möglichkeit, Ende- Wenn wir alle nur eine Domäne benutzen würden, wie zu-Ende-Verschlüsselung bei E-Mails anzuwenden. Sie das fordern, dann würde es sich um eine Staats-De- Diese hat sich deshalb nicht durchgesetzt, weil sie für Mail handeln, wie es der Kollege Binninger schon rich- den einzelnen Nutzer schwer umzusetzen ist, weil es für tig gesagt hat. Genau das wollten wir eben nicht. ihn umständlich ist, weil er nicht überall von unterwegs mailen kann. Alle Verfahren, die uns in der Anhörung (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) von den Experten genannt wurden, bieten keine echte Ein solches Monopol bei der digitalen Kommunikation Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Wir wollten nicht gene- und eine Sammlung von Kommunikationsdaten können rell solche Verfahren vorschreiben; denn das würde die wir Liberale jedenfalls nicht unterstützen. Verbreitung von De-Mail verhindern bzw. ihr nicht för- derlich sein. Zugleich wollten wir aber den Nutzern, die Unser Entwurf für die De-Mail bietet jedoch nicht nur es möchten, die Möglichkeit zur Ende-zu-Ende-Ver- Sicherheit und hohe Standards. Er schafft auch neue schlüsselung geben. Dieses Ziel wollten wir erreichen, Möglichkeiten für Verbraucher und Unternehmen. Es und das ist uns auch gelungen. zeichnet sich schon jetzt ein intensiver Wettbewerb zwi- schen verschiedenen Anbietern im De-Mail-Bereich ab. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dadurch können sich auch die Sicherheitsstandards wei- terentwickeln. Außerdem gibt es einen Wettbewerb um Meine Damen und Herren, die christlich-liberale Ko- günstige Tarife. Letztlich profitieren davon die Nutzerin- alition hat mit dem De-Mail-Gesetz einen Rahmen ge- nen und Nutzer. schaffen, in dem im freien Wettbewerb verschiedene An- bieter ein modernes Produkt entwickeln können, das Mit dem De-Mail-Gesetz in der jetzt von uns geän- diesen Sicherheitsanforderungen Genüge tut. derten Fassung haben wir es geschafft, einen vernünfti- (B) gen und nutzerfreundlichen Rahmen für moderne digi- (D) Die Kollegen von den Grünen dagegen haben einen tale Kommunikation zu schaffen. Die De-Mail ist sicher, Entschließungsantrag gestellt, der einmal mehr beweist, rechtsverbindlich, schnell und preiswert. In diesem Rah- dass sie teilweise sehr viel und sehr lautstark fordern men können die Anbieter nun ihre Dienste anbieten. Ge- können, dass das aber nicht immer mit Sachverstand und nau das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns. Augenmaß zu tun hat. Ich bitte alle Fraktionen um die Zustimmung zu diesem (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Gesetz. der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür be- kommen Sie sogar Herrn Grindel zum Klat- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) schen!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: – Da kann man auch klatschen, sehr geehrter Herr Kol- Das Wort hat die Kollegin Halina Wawzyniak von der lege. – Die Grünen fordern zum Beispiel ein definiertes Fraktion Die Linke. Höchstporto für De-Mails. Wir lehnen dies ab. Wir wol- len keinen Preis für die De-Mail festsetzen. Wir wollen, (Beifall bei der LINKEN) dass darüber der Wettbewerb entscheidet. Deswegen müssen wir Wettbewerb schaffen. Wir tun dies mit dem Halina Wawzyniak (DIE LINKE): De-Mail-Gesetz, was letztendlich verbraucherfreund- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- lich ist. ren! Wir Linken begrüßen es, wenn elektronische Kom- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) munikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Ver- waltung einer höheren Vertraulichkeit und Authentizität Sie wollen, dass De-Mail nicht verpflichtend für die unterliegt. Mit diesem Gesetzentwurf wird dieses Ziel Bürgerinnen und Bürger ist. Das haben wir aber ins Ge- allerdings nicht erreicht. Deshalb wird die Linke diesen setz geschrieben. Die christlich-liberale Koalition hat je- Gesetzentwurf ablehnen. dem Bürger freigestellt, die De-Mail zu nutzen. Er muss (Beifall bei der LINKEN) sogar erst den Kommunikationsweg öffnen. Noch nicht einmal das Veröffentlichen im Verzeichnis reicht aus. Sie verkaufen De-Mail als große Vereinfachung für Nein, der Nutzer muss wirklich bewusst sagen, er Bürgerinnen und Bürger. Wenn Ihnen aber tatsächlich möchte die De-Mail benutzen. Genauso wollten wir es daran gelegen wäre, neue, gute und sichere Kommunika- haben. Auch das ist verbraucherfreundlich. tionswege zu schaffen, hätten Sie nach der Anhörung im Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10587

Halina Wawzyniak (A) Innenausschuss am 7. Februar Anregungen aufgenom- – „Es ist nicht auszuschließen“: Das ist wirklich über- (C) men und Änderungen an Ihrem Entwurf vorgenommen, zeugend. Für mich klingt das nicht nach einer sicheren und zwar Änderungen, die in der Anhörung angespro- Bank. chen worden sind, und nicht die, die Sie tatsächlich vor- (Beifall bei der LINKEN) genommen haben. Ein weiterer Grund für unsere fehlende Zustimmung Sie fahren aber lieber eingleisig und halten an Ihrem ist das Fehlen einer einheitlichen, verbindlichen und pro- Entwurf fest, der – einmal vorausgesetzt, die Verbrau- viderunabhängigen Kennzeichnung der De-Mail-Adresse. cher machen mit; das sehe ich bei Ihrem angeblich bür- Nur so kann tatsächlich eine Unterscheidbarkeit zu nor- gerfreundlichen Gesetz aber noch nicht – eher dem Staat malen E-Mail-Adressen erreicht werden. Vor allem ist dient und der Wirtschaft ermöglicht, Kosten zu soziali- nur so für den Verbraucher und die Verbraucherin die Si- sieren, Profite zu maximieren und Kontrollmechanismen cherheit gegeben, dass sie im Rahmen des Wettbewerbs auszubauen. den Anbieter wechseln können. Und wenn Sie schon (Beifall bei der LINKEN) nicht auf mich hören wollen, dann hören Sie wenigstens auf den Deutschen Landkreistag, der ausdrücklich kriti- Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass Sachver- siert, dass die Festschreibung einer einheitlichen Kenn- ständigenanhörungen zu Alibiveranstaltungen verkom- zeichnung fehlt. men. Im Rahmen der Anhörung spielte die fehlende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung beispielsweise eine zen- (Beifall bei der LINKEN) trale Rolle. Solange eine solche Ende-zu-Ende-Ver- Herr Binninger, die Mitglieder des Landkreistages schlüsselung fehlt oder nicht verbindlich festgeschrieben sind genauso wenig wie die Grünen Sozialisten. Für de- ist, können wir diesem Gesetz nicht zustimmen. Da sind mokratischen Sozialismus war, ist und bleibt die Linke wir tatsächlich Fundamentalisten. zuständig, und das ist auch gut so. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN – Lachen beim Wir wollen eine durchgehende Inhalteverschlüsse- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gerold Rei- lung und nicht lediglich eine Verschlüsselung vom Ab- chenbach [SPD]: Das war jetzt Etiketten- sender zum Provider und dann vom Provider zum Emp- schwindel!) fänger. Solange das nicht passiert, sehen wir tatsächlich Mit diesem Gesetz leisten Sie leider einen Beitrag, die – da hat Herr Binninger recht – das Post- und Fernmel- vielfältig noch anzutreffende und nicht immer von der degeheimnis als nicht gesichert an. Hand zu weisende Kritik in Bezug auf elektronische Ver- (B) (Manuel Höferlin [FDP]: Das stimmt doch fahren zur Verwaltungsvereinfachung zu bestätigen. Da- (D) nicht!) mit erreichen Sie genau das Gegenteil von dem, was be- absichtigt war. Das Gesetz schadet mehr, als es nutzt. Es gibt im Übrigen, wie in der Anhörung vorgetragen, Und das machen wir nicht mit. auch keine kollidierenden Verfassungsgüter, die eine Außerkraftsetzung dieser Grundrechte begründen könn- (Beifall bei der LINKEN) ten; es sei denn, es gibt einen Generalverdacht. Ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist es so, als würde bei- Vizepräsidentin Petra Pau: spielsweise die Post des Finanzamtes an den Bürger und Als letzter Redner zu dem Tagesordnungspunkt hat die Bürgerin und umgekehrt grundsätzlich vorher geöff- der Kollege Dr. Konstantin von Notz vom Bündnis 90/ net – ich sage: geöffnet, nicht gelesen –, bevor sie an den Die Grünen das Wort. Empfänger weitergeleitet wird. In der analogen Welt (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Er hat eine wäre dies unvorstellbar; in der digitalen Welt halten Sie neue Homepage: www.internetsozi.de!) es offensichtlich für vertretbar. Wir tun das aber nicht, und das macht den kleinen, aber feinen Unterschied aus. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der LINKEN) GRÜNEN): Sie werden hier auch selbst unlogisch; denn der Ge- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und setzentwurf soll angeblich Kosten sparen. Sie müssen Kollegen! Einig sind wir uns darin: De-Mail könnte eine mir einmal erklären, wie Sie Kosten sparen wollen, gute und attraktive Anwendung sein. Gut gemacht wenn das BSI zusätzliches Personal für jährlich eine könnte sie für Rechtssicherheit bei der Onlinekommuni- halbe Million Euro und der Bundesdatenschutzbeauf- kation sorgen. Sehr gut gemacht – das haben Sie, Herr tragte Personal für eine Viertelmillion Euro einsetzen Kollege Binninger, vorhin ja angedeutet – könnte sie so- soll. gar den Ausbau von Open-Government-Strukturen stär- ken. Aber leider erfüllt das Gesetz die Anforderungen an Oder sehen wir uns die Prognose der Bundesregie- eine erfolgreiche Einführung nicht. Wenn Sie so wollen: rung bezüglich der Endpreise für die Verbraucher und Es ist nicht wirklich sicher und auch nicht komfortabel, Behörden an. Ich zitiere aus dem Gesetzentwurf: Herr Kollege Binninger. Deswegen lehnen wir Grünen diesen Gesetzentwurf ab. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass der Preis pro De-Mail-Nachricht unter den heute üblichen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Portokosten liegen wird. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) 10588 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Konstantin von Notz (A) Unsere Befürchtung bleibt: De-Mail wird floppen, bittlich: Spätestens alle drei Tage muss nachgeschaut (C) denn es handelt sich um einen freiwillig zu nutzenden werden, Service. Und der muss – gerade die FDP ist doch so (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Nein!) wettbewerbsorientiert – attraktiv sein. ob beispielsweise ein Gerichtsurteil oder ein Strafman- (Manuel Höferlin [FDP]: Deswegen haben wir dat zugestellt worden ist. Ich sage es Ihnen: Die Angst das Gesetz so geschrieben!) vor dem Bagger vor dem Haus nach der versäumten In der vorgelegten Form ist De-Mail eben nicht attraktiv, Kenntnisnahme einer Abrissverfügung via De-Mail wird sondern hat vor allem gegenüber dem Hauptkonkurrenz- die Menschen verunsichern. produkt, nämlich dem traditionellen Brief, massive Ihr gedanklicher Kardinalfehler bei dem gesamten Nachteile. Davon möchte ich einige aufzählen. Gesetzentwurf ist: Sie tun so, als ob der traditionelle Mit der Transportverschlüsselung bringt De-Mail Briefkasten und das elektronische Postfach dasselbe wä- letztlich nichts Neues auf den Markt. Das hat heute ren. Aber die ganzen tradierten Sorgfaltspflichten, die praktisch jeder Mailanbieter als Standard im Angebot. wir bei der traditionellen Briefpost für den Krankheits- Innovativ wäre es gewesen, eine Vorgabe für eine an- fall oder den Urlaub entwickelt haben – die Nachbarin, wendungsfreundliche Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu die den Briefkasten kontrolliert –, können Sie nicht auf machen. Das haben Sie aber explizit – gegen das Anra- das elektronische Postfach übertragen. ten fast aller unbefangenen Fachleute, die in der Anhö- Schließlich verstößt Ihr Gesetzentwurf – Herr Binnin- rung waren – nicht gewollt. ger, jetzt wird es noch einmal ganz interessant – gegen (Manuel Höferlin [FDP]: Oder Ihrer das Gebot der Technik- und Wettbewerbsneutralität. Ihre Fachleute!) Vorlage ist eine deutsche Insellösung. Wenn die Bundesnotarkammer erklärt, ein Umstieg (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Jedes Ge- auf De-Mail sei für sie der Tausch einer schusssicheren setz, das wir hier beschlossen haben, gilt nur in Kevlarweste gegen einen römischen Lederharnisch, Deutschland!) dann sind Sie einfach im falschen Film, wenn Sie hier Dieses wettbewerbsrechtliche Problem hat inzwischen versuchen, die Bundesnotarkammer und den Landkreis- auch die EU-Kommission erkannt. Mich interessieren tag in die Sozialismusecke zu schieben. Die haben hand- Ihre Antworten auf die Fragen, die die EU-Kommission feste Argumente, und damit müssen Sie sich auseinan- schon zu diesem Bereich gestellt hat. dersetzen. Insgesamt ist der Gesetzentwurf einfach zu stark von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) Unternehmensinteressen geprägt. (D) und bei der LINKEN) (Manuel Höferlin [FDP]: Eben nicht!) Gerade wenn es darum gehen soll, den analogen Briefverkehr zu digitalisieren – das ist ja das Ziel, wenn Wir befürchten, dass das Gesetz die Bildung eines Oligo- ich es richtig verstehe –, ist es doch dringend geboten, pols einiger weniger Anbieter begünstigen würde. Was die Erfolgsgaranten des traditionellen Kommunikations- Oligopole für den Wettbewerb bedeuten, können Sie je- verkehrs, nämlich das Grundrecht des Brief-, Post- und den Tag am deutschen Strommarkt verfolgen. Fernmeldegeheimnisses, auch in den digitalen Raum zu übertragen. Wer von Ihnen will eigentlich ein Einschrei- Ich komme zum Schluss. Geben Sie sich einen Ruck, ben egal welchen Inhalts verschicken oder bekommen, besinnen Sie sich! Wir alle wollen, dass De-Mail gut von dem man weiß, dass es an einer Stelle des Transport- funktioniert. Dafür muss der Gesetzentwurf aber überar- weges aufgemacht wird? Die fehlende Ende-zu-Ende- beitet werden; sonst floppt De-Mail wie die digitale Si- Verschlüsselung ist eben – wie hier so getan wird – keine gnatur oder der E-Perso. Sie haben nicht mehr viele Petitesse, sondern sie ist der Kardinalfehler Ihres Ge- Chancen, die Kompetenzen des Bundes in Sachen IT- setzentwurfs. Projekte unter Beweis zu stellen. Es hilft der Sache nicht, das Gesetz jetzt schnell durchzupeitschen, um auf (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der CeBIT ein für die PR verwertbares Projekt vorwei- sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE sen zu können. LINKE]) Herzlichen Dank. Das Gesetz bringt aber auch Nachteile hinsichtlich der Verbraucherfreundlichkeit oder, Herr Kollege Bin- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ninger, wenn Sie so wollen, hinsichtlich des Komforts mit sich. Als Verbraucher bin ich doch nicht in der Lage, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: den Beweis für den Empfang oder Nichtempfang einer Ich schließe die Aussprache. E-Mail anzutreten – Sie sollen mir einmal erklären, wie das in der Praxis gehen soll –, aber genau das verlangen Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- Sie in Ihrem Gesetzentwurf. desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Regelung von De-Mail-Diensten und zur Änderung weiterer Vor- Die harten Rechtsfolgen bei der Nutzung von De- schriften. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Be- Mail werden die Menschen verunsichern; das sage ich schlussempfehlung auf Drucksache 17/4893, den Gesetz- Ihnen heute voraus. Einmal eingewilligt, wird es uner- entwurf der Bundesregierung – Drucksachen 17/3630 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10589

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) und 17/4145 – in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich UNO: Ist der Goldstone-Bericht tot? Zwei Jahre sind seit (C) bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus- der israelischen Offensive „Gegossenes Blei“ auf dem schussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Gazastreifen vergangen und Gerechtigkeit für die Opfer Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist steht immer noch aus. Politische Interessen wiegen of- in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfrak- fenkundig stärker. Gibt es einen Weg aus der vorherr- tionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen an- schenden Kultur der Straflosigkeit? genommen. Die Goldstone-Kommission hat Kriegsverbrechen auf Dritte Beratung israelischer und palästinensischer Seite dokumentiert. Die Zusammenarbeit mit der Goldstone-Kommission und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem wie auch Untersuchungen dieser Verbrechen durch un- Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – abhängige Kommissionen lehnt die israelische Regie- Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf rung bis heute ab. Nach zweimaliger Fristverlängerung ist mit gleichem Stimmenverhältnis angenommen. für nationale Untersuchungen muss jetzt die internatio- Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- nale Strafgerichtsbarkeit eingeschaltet werden. ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bei dem israelischen Überfall auf Gaza wurden Drucksache 17/4894. Wer stimmt für diesen Entschlie- 850 palästinensische Zivilistinnen und Zivilisten getötet, ßungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der darunter 350 Kinder und 200 Frauen. Über 5 000 Men- Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koaliti- schen wurden verletzt. Für Hina Jilani, Mitverfasserin onsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfrakti- des Goldstone-Berichts, waren die Zeugnisse über das onen abgelehnt. bewusste Zielen auf Kinder das Schlimmste, was sie je- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: mals gehört hat. Frau Jilani war UN-Sonderberichterstat- terin in Darfur. Die Kommission untersuchte Vorfälle, Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette bei denen Familien mit weißer Flagge ein Haus verlie- Groth, Jan van Aken, Christine Buchholz, weite- ßen und die trotzdem gezielt beschossen wurden. Das ist rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE ein gravierender Verstoß gegen das humanitäre Völker- Forderungen des Goldstone-Berichts nach un- recht und gehört bestraft. abhängigen Untersuchungen des Gaza-Kriegs (Beifall bei der LINKEN) unterstützen Yehuda Shaul, Direktor der israelischen Menschen- – Drucksache 17/2418 – rechtsorganisation „Das Schweigen brechen“ befürchtet, Überweisungsvorschlag: dass zukünftige Kriege wieder mit den gleichen Mitteln (B) Auswärtiger Ausschuss (f) (D) Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe oder sogar noch schlimmer geführt werden, wenn die Armee sich keinen unabhängigen Untersuchungen stel- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die len muss und Schuldige nicht bestraft werden. Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi- derspruch? – Das ist nicht der Fall. Im 9. Menschenrechtsbericht der Bundesrepublik heißt es: Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- nerin der Kollegin Annette Groth von der Fraktion Die Die Verhinderung der Straflosigkeit für schwere Linke das Wort. Völkerrechtsverbrechen bleibt ein wichtiges Anlie- gen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Annette Groth (DIE LINKE): Der jüdische Widerstandskämpfer Stéphane Hessel Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! schreibt in seinem Bestseller-Büchlein „Empört Euch“: Liebe Freunde auf der Tribüne! Letzte Nacht haben isra- Der Gaza-Bericht von Richard Goldstone vom Septem- elische Kampfjets und Hubschrauber die schwersten An- ber 2009 sollte Pflichtlektüre sein. griffe auf den Gazastreifen seit dem Krieg 2008/2009 Was den Gaza-Streifen betrifft, so ist er für andert- durchgeführt. In den letzten Wochen und Monaten halb Millionen Palästinenser ein Gefängnis unter wurde Gaza immer wieder bombardiert. Die meisten freiem Himmel. Dass Juden Kriegsverbrechen be- dieser Angriffe fanden in der von Israel festgelegten Puf- gehen können, ist unerträglich. ferzone statt, die 17 Prozent der Fläche von Gaza ein- nimmt. Die meisten Opfer sind Bauern und Kinder. Seit den Diskussionen um den Goldstone-Bericht ste- 13 Schulen gibt es in der Pufferzone. Weil es zu gefähr- hen Menschenrechtsverteidiger in Israel unter großem lich ist, dürfen Rettungswagen und Mitarbeiter internati- Druck. Undemokratische Gesetzesinitiativen boomen. onaler Organisationen nicht in diese Zone. Aber Schul- Damit sollen Aussagen vor internationalen Untersu- kinder müssen jeden Tag dahin. Sie leben in ständiger chungskommissionen verboten werden, wenn sie zu ei- Angst. Viele leiden an Depressionen, Bettnässen und an- nem Strafverfahren gegen israelische Staatsbürger we- deren psychischen Krankheiten. gen Kriegsverbrechen führen könnten. In einem Brief vom 4. Februar 2011 fragten 13 israe- Die israelische Friedensbewegung „Gush Shalom“ lische und palästinensische Menschenrechtsorganisatio- veröffentlichte in der Tageszeitung Haaretz am nen die Hochkommissarin für Menschenrechte der 18. Februar 2011 folgendes Inserat: Das ägyptische Volk 10590 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Annette Groth (A) kämpft tapfer für die Menschenrechte. Die israelische Was ist der Hintergrund? Das Gesetz, das wir heute (C) Knesset kämpft tapfer darum, die Menschenrechte abzu- ändern, nämlich das Steinkohlefinanzierungsgesetz aus schaffen. dem Jahr 2007, stellt eine Landmarke in der Geschichte der deutschen Steinkohlenförderung dar. Europaweit (Zuruf von der FDP: Mein Gott! Das kann ja einzigartig ist der Vorgang, dass im Wege eines Kompro- wohl nicht wahr sein! Das ist doch nicht zu misses ein wirtschaftliches und sozialverträgliches Ge- fassen!) samtkonzept zum Auslaufen des subventionierten Berg- Wenn gravierende Verstöße gegen das Völkerrecht baus in einem Staat der Europäischen Union vorgelegt nicht angeklagt werden, führt dies zu einer Legitimie- wird. Es war ein gut austariertes Konzept, das das Jahr rung von Kriegsverbrechen und einem allgemeinen 2018 als anvisierten Endpunkt der heimischen Kohlen- Klima der Straflosigkeit. Die Einhaltung des humanitä- förderung vorsah. Im Zuge einer Revisionsklausel sollte ren Völkerrechts und internationaler Menschenrechts- 2012 noch einmal darüber beraten werden, ob der Zeit- normen ist eine wesentliche Voraussetzung für Frieden punkt 2018 endgültig ist oder ob es die Möglichkeit ei- in der Region. nes Sockelbergbaus in Deutschland geben wird. Es war ein gutes Konzept; denn es war wirtschaftlich, so- (Beifall bei der LINKEN) zialverträglich und mit dem Enddatum 2018 vor allem Als Mitglied im Weltsicherheitsrat kann die deutsche verlässlich. Regierung den Goldstone-Bericht auf die Tagesordnung setzen. Im Namen vieler Menschenrechtsaktivisten for- Wieso also beschäftigen wir uns überhaupt heute mit dere ich Sie auf, dies zu tun und dafür zu sorgen, dass einer Änderung? Kurz gesagt: um Schlimmeres abzu- Schuldige bestraft werden. wenden. Schlimmeres drohte in dem Fall von der EU; denn Beihilfegenehmigungen und auch die entspre- (Beifall bei der LINKEN) chende Kontrolle obliegen der EU. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Kohlenbeihilfe war bisher die Ver- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ordnung (EG) NR. 1407/2002 des Rates. Diese läuft zum Da alle übrigen Redner ihre Reden zu Protokoll1) ge- Ende des Jahres aus. Im Juli vergangenen Jahres wurde ben, schließe ich jetzt die Aussprache. nun von der Kommission ein Vorschlag für eine „Verord- nung des Rates über staatliche Beihilfen zur Erleich- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf terung der Stilllegung nicht wettbewerbsfähiger Stein- Drucksache 17/2418 an die in der Tagesordnung aufge- kohlenbergwerke“ vorgelegt. Die darin enthaltenen führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- Bestimmungen hätten für Deutschland das Ende des verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung subventionierten Bergbaus schon im Jahre 2014 bedeu- (B) so beschlossen. tet. Wäre die Verordnung entsprechend diesem Vor- (D) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: schlag in Kraft getreten, hätte dies massive Auswirkun- gen auf Deutschland gehabt: Der Kohlenkompromiss Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- hätte nicht eingehalten werden können. gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes Damit wäre – dieser Punkt wird in der Öffentlichkeit kaum genannt – der im Kohlenkompromiss vereinbarte – Drucksache 17/4805 – Zeitraum zum Aufbau eines Kapitalstocks der RAG-Stif- Überweisungsvorschlag: tung zur Übernahme der Ewigkeitslasten massiv ver- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales kürzt worden. Dies hätte Auswirkungen auf die Über- Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO nahme der Ewigkeitskosten gehabt, die in einem Bergwerk, wie der Name schon sagt, auch noch Jahr- Die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt sollen laut zehnte nach der Schließung anfallen, etwa zur Wasserer- Tagesordnung zu Protokoll genommen werden. haltung und zur Versorgung der Flächen.

Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Der Beschluss hätte auch der Zulieferindustrie die Wir beraten heute den Gesetzentwurf der Bundesre- benötigte Zeit genommen, sich im Ausland neue Märkte gierung zur Änderung des Steinkohlefinanzierungsge- für die hochtechnisierten Produkte zu suchen. setzes. Es ist ein kleiner, ein kurzer Gesetzentwurf; denn er beinhaltet lediglich die Aufhebung eines einzelnen Schließlich haben Experten für Ende 2014 technische Absatzes, nämlich des § 1 Abs. 2 des Steinkohlenfinan- und praktische Probleme in den betroffenen Bergwerken zierungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vorhergesagt. vom 27. Dezember 2007. Ein kurzes Gesetz, aber sehr Die schlimmste Folge aber wären die Auswirkungen bedeutend für den Steinkohlenbergbau in Deutschland auf die Beschäftigten gewesen: Mit einem Ausstieg 2014 und insbesondere für die Revierländer Nordrhein-West- wäre ein sozialverträglicher Personalabbau kaum mög- falen und Saarland. Denn mit diesem Gesetz beschreiten lich gewesen. Dies hätte als unmittelbare Folge be- wir den Weg des endgültigen sozialverträglichen Aus- triebsbedingte Kündigungen nach sich gezogen. Viele stiegs aus der subventionierten Steinkohlenförderung in der jetzt noch 25 000 Kumpels stünden vor der Arbeits- Deutschland. losigkeit mit entsprechenden Auswirkungen auf die Fa- milien – und auch auf die Allgemeinheit, die ja die Kos- 1) Anlage 15 ten der Arbeitslosigkeit zahlen muss. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10591

Nadine Schön (St. Wendel) (A) Als saarländische Abgeordnete kann ich sagen, dass send, dass das Unterfangen keine Chance hat, auf eine (C) der Vorschlag der Kommission die saarländischen Berg- Fortsetzung über 2018 hinaus zu hoffen. Ein Festhalten leute tief erschüttert hat. In den vergangenen Jahren gab an der Revisionsklausel hätte das Ende des Bergbaus es mehrfach Phasen, in denen sie und ihre Familien schon in den nächsten Jahren bedeutet. Deshalb sollten massiven Existenzängsten ausgesetzt waren. Gleich drei wir heute gemeinsam den Verzicht auf die Revisions- Mal in wenigen Jahren mussten sie um ihre Existenz klausel beschließen und unseren vereinbarten Weg des fürchten: Ausstiegs bis 2018 gemeinsam beschreiten. Zum einen waren die Verhandlungen zum Kohlen- Diese Lösung gibt den Bergleuten in den Revierlän- kompromiss 2007 eine harte Zeit voller Unsicherheit für dern, vor allem in NRW, die Möglichkeit, sich in den die Bergleute. Doch hier konnte – wie bereits erwähnt – nächsten sieben Jahren umzuorientieren. Im Saarland eine für alle tragfähige Lösung erzielt werden. haben wir gesehen, dass es durchaus möglich ist, für gut ausgebildete Bergleute Ersatzarbeitsplätze zu finden. Einschneidend war dann ein Ereignis von genau ges- Das Auslaufen bis 2018 gibt allen die Möglichkeit, die- tern vor drei Jahren, am 23. Februar 2008. Nach schlim- sen Prozess sukzessive zu gestalten. Die Sozialverträg- men, bergbaubedingten Erderschütterungen in Saar- lichkeit ist damit sichergestellt. wellingen beschloss das Unternehmen den sofortigen Abbaustopp in der Primsmulde, unserem größten und Diese Lösung ist auch dem Steuerzahler zumutbar. profitabelsten Abbaugebiet. Mehrere Tausend Bergleute Die Steinkohlensubventionen von etwa 2 Milliarden wurden freigestellt. Viele fürchteten um ihre Existenz. Euro pro Jahr machen nach wie vor einen großen Teil Dank einer unglaublich effektiven Gemeinschaftsaktion des Bundeshaushalts aus. Es ist nicht abzusehen, dass unter Führung der saarländischen Landesregierung ist sich an der Notwendigkeit zur Subventionierung etwas es gelungen, allen davon betroffenen Bergleuten eine ändern wird; denn wir bauen weiterhin deutlich über Perspektive zu geben. Als Mitglied des Ausschusses für dem Weltmarktpreis ab. Steinkohle für unsere Wirtschaft Wirtschaft und Grubensicherheit habe ich diesen Pro- kann zu wesentlich günstigeren Preisen aus sicheren Ab- zess mitbegleitet und weiß um die Bedeutung eines baugebieten im Ausland mit geologisch günstigeren Ab- solchen Transformationsprozesses für alle Beteiligten. baubedingungen importiert werden. Daher ist eine dau- Elementarer Bestandteil dieses Prozesses ist die Mög- erhafte Subventionierung nicht nur EU-rechtlich lichkeit für 1700 Bergleute, für einige Jahre in Ibben- unmöglich, sondern auch wirtschaftspolitisch nur bühren in NRW zu arbeiten. Auch wenn es für die betrof- schwer zu begründen. Er sieht also ein Ende der Sub- fenen Familien hart ist, 500 km von zu Hause arbeiten zu ventionen vor, ohne gleichzeitig hohe Kosten zur Bewäl- müssen, so ist dennoch die Verlässlichkeit ein hohes Gut. tigung von Arbeitslosigkeit zu generieren. Und so können Sie sich vorstellen, dass es ein Schock für (B) (D) die Bergleute war, als die Kommission Mitte letzten Jah- Der Kompromiss gibt außerdem der Zulieferindustrie res den Zeitpunkt 2018 wieder infrage gestellt hat und die Möglichkeit, neue Märkte im Ausland zu erschlie- damit zum dritten Mal in kurzer Zeit ihr Arbeitsplatz in ßen. Ein wichtiger Punk; denn deutsche Zulieferer ste- Gefahr war. hen weltweit für Qualität und Innovation, und diese In- novationen und damit die Arbeitsplätze sollten wir Das Jahr 2018 ist somit ein maßgeblicher Zeitpunkt weiter in Deutschland zu halten versuchen, auch wenn für Bergleute in beiden Revierländern. Ein frühzeitiges wir keinen eigenen Absatzmarkt dafür haben. An der Auslaufen im Jahr 2014 wäre fatal gewesen. saarländischen Zulieferindustrie können sie sehen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich deshalb mit diese Umorientierung auf neue Märkte machbar ist. großem Einsatz für eine Modifikation des Kommissions- Der sozialverträgliche Ausstieg aus dem subventio- vorschlags eingesetzt. Ihrem Verhandlungsgeschick und nierten Steinkohlenbergbau kann nicht von heute auf Einfluss auf europäischer Ebene ist es zu verdanken, morgen geschehen. Er braucht Zeit und einen klaren dass der Bergbau in Deutschland wie vereinbart noch Ausstiegsplan. Im Einvernehmen mit der EU wollen wir bis 2018 weitergeführt werden kann. Der Kompromiss- diesen Weg bis 2018 gehen. Gehen wir ihn gemeinsam, vorschlag sieht vor, dass Beihilfen für die Bergwerke nur schaffen wir heute die rechtlichen Voraussetzungen, da- weitergewährt werden dürfen, wenn für jedes Bergwerk mit kein Bergmann ins Bergfreie fallen wird. ein definitiver, irreversibler Stilllegungszeitpunkt und ein entsprechender Stilllegungsplan festgelegt wird. Dieser Kompromiss ermöglicht also ein Festhalten am Michael Gerdes (SPD): Jahr 2018 als Ausstiegsdatum, er lässt aber keinen Basierend auf der nun vorliegenden Änderung des Raum für einen subventionierten Sockelbergbau nach Steinkohlefinanzierungsgesetzes wird der subventio- 2018 und macht somit die Revisionsklausel obsolet. nierte deutsche Steinkohlenbergbau ab dem Jahr 2018 beendet werden. Damit verschwindet die Kohle aber Indem wir heute den § 1 Abs. 2, nämlich die Revi- nicht aus Deutschland. Mittelfristig ist die Abkehr vom sionsklausel, aus dem Gesetz streichen, kommen wir der Rohstoff Kohle falsch und nicht machbar. Forderung der EU nach einem ernsthaften und endgülti- gen Ausstiegsszenario nach. Jeder, der meint, ein sub- Auch wenn das Ziel, die Energieversorgung unseres ventionierter Sockelbergbau hätte auch nur den Hauch Landes bis zum Jahr 2050 vollkommen auf erneuerbare einer Chance auf Genehmigung der EU, der irrt. Darum Energien umzustellen, nicht aus den Augen verloren ist es besser, heute ein klares Ausstiegsszenario vorzule- werden darf, ist unbestritten, dass Steinkohle bis dahin gen, auf das sich alle einstellen können, als wohl wis- eine wichtige Rolle spielen wird. Besonders vor dem

Zu Protokoll gegebene Reden 10592 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Michael Gerdes (A) Hintergrund der aktuellen Preisentwicklung und der gefährdet wurde. Die Revisionsklausel wurde geopfert (C) Verfügbarkeit auf dem Weltmarkt wird der Rohstoff und damit eine objektive Bewertung über die Zukunft Kohle ein wesentlicher Faktor des Energie- und Che- des Bergbaus in Deutschland aufgegeben. Es steht fest, miestandortes Deutschland bleiben. Niemand glaubt dass die Bundesregierung auf EU-Ebene schlecht ver- ernsthaft daran, dass insbesondere die für die Stahlpro- handelt hat. duktion so wichtige Kokskohle nicht mehr gebraucht wird. Jede Tonne heimische Kohle wird durch Export- Zwar konnte damit der Kernbestandteil des Steinkoh- kohle ersetzt. Niemand glaubt ernsthaft daran, dass das lefinanzierungsgesetzes (bis 2018) gehalten werden. Je- heutige Preisniveau bei steigender Weltmarktnachfrage doch wird uns dies in Zukunft schwer zu schaffen ma- so bleibt. Die Preise werden in die Höhe schnellen. Dazu chen. Für den deutschen Steinkohlenbergbau bedeutet es, reicht ein Blick auf die Ölpreisentwicklung. Deshalb ist dass Beihilfen an die verbliebenen Bergwerke ab 1. Ja- es aus meiner Sicht unverantwortlich, den Zugang zu nuar 2011 nur dann weitergewährt werden, wenn für je- heimischen Lagerstätten aufzugeben. Hinzu kommt, des Bergwerk ein definitiver, irreversibler Stilllegungs- dass große Teile der Exportkohle unter fragwürdigen zeitpunkt in einem Stilllegungsplan festgelegt ist. Das Bedingungen gefördert werden. von der EU und Brüderle noch ins Spiel gebrachte Aus- laufen des Bergbaus 2014 widersprach selbst kommis- Im Übrigen steckt im Rohstoff Kohle mehr als die Ener- sionseigenen Abschätzungen hinsichtlich der sozialen gie zur Stromerzeugung. Kohle ist ein wichtiger Rohstoff und regionalen Folgen. Laut einer Prognos-Studie er- für die chemische Industrie. Sie wird unter anderem bei gäbe ein früherer Ausstieg keinerlei Einsparung für öf- der Herstellung von Kunststoffen oder Medikamenten fentliche Haushalte, sondern eine Mehrbelastung durch gebraucht. Darauf können wir nicht verzichten. Deshalb Folgekosten der Arbeitslosigkeit von 2,5 Milliarden macht auch die sogenannte Revisionsklausel weiterhin Euro für den deutschen Steuerzahler. Ebenso wäre kein Sinn. Sie ermöglicht eine sachliche Prüfung der dann bestehenden Weltmarktbedingungen. ökologischer Vorteil feststellbar, da heimische Stein- kohle durch Importkohle ersetzt würde. Noch bietet die In den Bergwerken steckt Zukunft: So suchen die RAG Zeche in Marl 4 000 Menschen Arbeit und 400 jungen und auch der Evonik-Konzern derzeit nach Lösungen Leuten qualifizierte Ausbildung. Dazu kommen zahlrei- zur Nutzung erneuerbarer Energien. Tiefengeothermie, che Beschäftigte in abhängigen Unternehmen und Schachtturbinen oder Methangasnutzung sind nur ei- Dienstleistungsbetrieben. Kohleförderung brachte bis- nige wenige Beispiele. In der Stadt Bottrop bietet sich her Umsätze und sicherte Aufträge an Dritte. Heute sind die Zusammenarbeit mit der dortigen Fachhochschule weitere Arbeitsplatzverluste durch fehlende Kaufkraft geradezu an. Forschung, Wissenschaft und Technologie und Investitionen absehbar. (B) sind eng mit dem Bergbau verbunden. (D) Bisher war deutsche Bergbautechnologie weltweit Der deutsche Bergbau bietet eine praxisnahe Ausbil- führend, gefragt und ein Exportschlager. Nun werden dung und gute Forschungsbedingungen. Noch sind rund wir mit Technologie- und Innovationsabwanderung zu 29 000 Arbeitsplätze im deutschen Steinkohlenbergbau kämpfen haben. Hightechunternehmen lassen sich nicht vorhanden. Diese sollten nicht ohne Not aufgegeben an jedem beliebigen Ort ansiedeln. Materielle Standort- werden. Neben diesen Arbeitsplätzen sind auch weitere faktoren, qualifizierte Arbeitskräfte, anwendungsorien- in der Zulieferbranche und im Umfeld der Bergwerks- tierte Forschung und günstige sozioökonomische und standorte gefährdet. kulturelle Faktoren sind entscheidend. Der erforderliche Strukturwandel in der Kohleregion hängt von materiel- Bergbautechnologie „Made in “ – hinter diesem Titel verbirgt sich immer noch eine weltweit füh- len Faktoren wie Strukturhilfen und insbesondere auch rende Spitzentechnologie. Diese Chancen dürfen nicht von den jeweils prägenden gesellschaftlichen Struktu- ungenutzt bleiben. Der Zugang zu deutschen Lagerstät- ren, der Partizipation der Betroffenen und den Mitbe- ten und eine (gewisse) Unabhängigkeit hinsichtlich der stimmungsmöglichkeiten ab. Ich erwarte jetzt konkrete Verfügbarkeit von Rohstoffen müssen erhalten bleiben. Aussagen zu Strukturhilfen für die Bergbauregionen von Deshalb bedarf es der weiteren Unterstützung des deut- der Bundesregierung. schen Steinkohlenbergbaus. Die Möglichkeit eines nicht Nicht zuletzt hat die Bundesregierung die Tür für ei- subventionierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland nen beihilfefreien Steinkohlenbergbau zugeschlagen. muss erhalten bleiben. Dafür müssen entsprechende Sollten Zechen nach 2018 subventionsfrei weiterbetrie- Rahmenbedingungen geschaffen werden. ben werden können, was bei der derzeitigen Preisent- wicklung nicht unwahrscheinlich erscheint, müssen die Michael Groß (SPD): Subventionen zurückgezahlt werden. In einer marktwirt- Der 2007 mühsam errungene Steinkohlenkompromiss schaftlich orientierten Europäischen Union wäre zu er- war ein ausgewogenes Gesamtpaket für sozialverträgli- warten gewesen, unternehmerische Entscheidungen zu che Lösungen und die Sicherstellung der Finanzierung fördern, einen subventionsfreien und gewinnorientierten der anfallenden Ewigkeitskosten durch die RAG-Stif- Bergbau weiterzuführen. Gerade vor dem Hintergrund tung. Es ist schon ein einmaliger Vorgang, dass ein Ge- der aktuellen Preisentwicklung für Kohle und Koks auf setz, auf das sich eine ganze Region verlassen hat, durch dem Weltmarkt und dem enorm ansteigenden Energiebe- verschleppte Verhandlungsführung und Uneinigkeit zwi- darf wäre das eine Chance, die man sich für die Zukunft schen den Regierungsparteien von CDU/CSU und FDP nicht verbauen dürfte.

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10593

(A) Claudia Bögel (FDP): Ulla Lötzer (DIE LINKE): (C) Seit mehr als zwei Jahrzehnten tritt die FDP im Deut- Heute beraten wir wieder einmal über ein Versagen schen Bundestag für ein Auslaufen der Subventionie- der Großen Koalition. Nach zähem Hin und Her kam es rung des deutschen Steinkohlenbergbaus ein. Nach er- 2006 zum sogenannten Kohlekompromiss zwischen al- folgreichen Verhandlungen zwischen dem Bund, den len Beteiligten mit folgenden Eckpunkten: Auslaufen der Ländern Nordrhein-Westfalen und Saarland sowie der Steinkohlensubventionierung bis 2018, Gründung der RAG AG und der IG BCE wurde im Jahr 2007 eine trag- RAG-Stiftung und Überprüfung der Vereinbarungen im fähige und ausgewogene Einigung erzielt, die diesem Jahr 2012. Doch während sich insbesondere die SPD im Ziel Rechnung trägt. Inland von den Kohlekumpel als Retterin ihrer Arbeits- Mit Ihrem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über plätze feiern ließ, hat sie es in der Regierung versäumt, die Gewährung staatlicher Beihilfen zur Erleichterung der das Steinkohlefinanzierungsgesetz auch auf europäi- Stilllegung nicht wettbewerbsfähiger Steinkohlenberg- scher Ebene bestandsfest zu machen. werke vom 20. Juli 2010 hat die Europäische Kommission Zehntausende Bergleute in NRW und im Saarland diesen vereinbarten Kompromiss weitgehend bestätigt. hatten sich auf das Gesetz verlassen. Im Herbst letzten An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich die Verhand- Jahres mussten sie miterleben, wie wenig Vertragstreue lungsführung der Bunderegierung auf europäischer und Verlässlichkeit in der Demokratie wert sind. Nicht Ebene loben. Durch ihren konsequenten Einsatz für den nur, dass die EU-Kommission versuchte, die Regelungen bereits gefundenen Konsens haben die geschlossenen zu kippen; auch der deutsche EU-Kommissar Oettinger Verträge auch weiterhin Bestand, und es bleibt bei ei- und Wirtschaftsminister Brüderle taten alles, das Gesetz nem sozialverträglichen Übergang in die Zeit nach Ende über die EU-Ebene zu Fall zu bringen. Minister Brü- der Steinkohlenförderung. Unverkennbar stellt dies die derle hat dabei zum wiederholten Male seine Ignoranz politische Verlässlichkeit dieser Bundesregierung unter gegenüber dem wirtschaftlichen Strukturwandel und der Beweis. Bedeutung von Industriearbeitsplätzen bewiesen. Nur den Protesten der Bergleute im letzten Herbst ist es zu Auch in meinem Wahlkreis, nämlich in der Stadt Ib- verdanken, dass die Steinkohlensubventionierung nun benbüren, wird Steinkohle abgebaut. Die Bürgerinnen doch bis 2018 sozialverträglich beendet werden kann, und Bürger in dieser Region bereiten sich seit 2007 auf allerdings mit dem Wermutstropfen, dass im Gegenzug den Strukturwandel vor. Der notwendige Veränderungs- mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Revi- prozess wird dort aktiv gestaltet, zielgerichtet gefördert. sionsklausel aus dem Steinkohlefinanzierungsgesetz ge- Der Übergang in neue Beschäftigungsfelder gelingt so strichen werden soll. schrittweise und für den Einzelnen verträglich. Eine Ab- (B) kehr von den bisherigen Planungen hätte diesen Prozess Wir halten diese Streichung für falsch. Es darf auf (D) empfindlich gestört, erhebliche Verunsicherung hervor- keinen Fall passieren, dass man damit gleichzeitig den gerufen und zu einem finanziellen Desaster der RAG Erhalt des technologischen Know-hows in Deutschland Stiftung geführt. Deshalb war es richtig und wichtig, am zu den Akten legt. Ob man das nun „Sockelbergbau“ Zukunftsfahrplan 2018 festzuhalten. oder „Referenzbergwerk“ nennt, ist einerlei. Wichtig ist Mit dem uns nun vorliegenden Gesetzentwurf zur Ände- doch nur eines: Die Technologiesparte der Kohlewirt- rung des Steinkohlefinanzierungsgesetzes endet auch ein schaft beschäftigt mehr als 15 000 Menschen in NRW. langjähriges Kapitel deutscher Wirtschaftsgeschichte. Nur mit dem Erhalt eines Sockel- oder Referenzberg- Der subventionierte Abbau von Steinkohle wird, wie im werks können ein moderner Maschinen- und Anlagen- Kohlekompromiss 2007 vereinbart, im Jahr 2018 ver- bau und hochqualifizierte Stellen erhalten werden. bindlich auslaufen. Seit dem Beginn der Subventionie- An die Adresse der Grünen sei gesagt: Eine Beendi- rung werden bis zu diesem Zeitpunkt mehr als 140 Milli- gung der heimischen Steinkohlenförderung hat nichts arden Euro unwiederbringlich in dunklen Zechen mit einem Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohlever- vergraben worden sein, zulasten unserer Bürgerinnen stromung zu tun. Natürlich ist die Verstromung von und Bürger, die sprichwörtlich die Zeche dafür zahlen Kohle eine der Hauptursachen für Treibhausgasemissio- mussten. nen bei der Energieerzeugung. Wir teilen auch das Nein Die klare Absage an diese Politik eröffnet in den zum Bau neuer Kohlekraftwerke in NRW. Kohle- und nachfolgenden Jahren neue Spielräume für die Bewälti- Atomkraftwerke blockieren den auch in NRW dringend gung essenzieller und drängender Zukunftsfragen, bei- benötigten Umstieg auf erneuerbare Energien. Aber mit spielsweise für Investitionen in Bildung und Forschung der Beendigung der heimischen Steinkohlenförderung oder die notwendige Konsolidierung der öffentlichen wird nicht ein Kohlekraftwerk abgeschaltet, sondern nur Haushalte. Eines möchte ich an dieser Stelle kritisch an- die heimische Kohle durch Importkohle ersetzt. Die Ent- sprechen. Auch wenn uns mit dem vorliegenden Gesetz- scheidung an diesem Punkt heißt nicht „Kohle, ja oder entwurf ein großer Schritt in Richtung Subventions- nein?“, sondern „Aktive Industriepolitik oder Wirt- abbau gelungen ist, das süße Gift der Subvention ist schaftsliberalismus?“. Wir treten ein für eine aktive In- deshalb noch lange nicht sicher verwahrt. Allein die dustriepolitik, für den Erhalt von Industriearbeitsplät- Beihilfen im Bereich der erneuerbaren Energien nähern zen durch einen sozial-ökologischen Umbau und nicht sich bereits heute dem Zweifachen derer, die in der für eine Verbesserung der CO2-Bilanz durch die Ver- Spitze für die Förderung der Steinkohle aufgebracht nichtung von qualifizierten Arbeitsplätzen in der Indus- werden mussten. trie.

Zu Protokoll gegebene Reden 10594 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): habe, was Deutschland beschließt. Dass dies nicht funk- (C) Wir beraten heute über den Gesetzentwurf der Bun- tioniert hat, merken Sie, meine Kolleginnen und Kolle- desregierung zum Streichen der Revisionsklausel im gen von der CDU/CSU und FDP, anscheinend erst jetzt. Steinkohlefinanzierungsgesetz. Im Jahr 2007 hatten sich Ansonsten hätten Sie einen solchen Gesetzentwurf zur die damalige Große Koalition im Bund, die Länder, RAG Streichung der Revisionsklausel hier nicht jetzt vorge- und IG BCE auf eine Beendigung des subventionierten legt, sondern bereits im vergangenen Jahr unseren An- Steinkohlenbergbaus bis zum Jahr 2018 geeinigt, mit der trägen zugestimmt. Vorgabe, durch eine Revisionsklausel im Jahr 2012 dies noch einmal zu überprüfen. Doch die damalige Große Denn mit dem Streichen der Revisionsklausel kann Koalition im Bund und auch die damalige schwarz- Deutschland den berechtigten Sorgen seiner europäi- gelbe Landesregierung in NRW hatten es dabei ver- schen Partner durch konkrete politische Initiativen ver- säumt, das deutsche Steinkohlefinanzierungsgesetz von deutlichen, dass Deutschland 2018 endgültig seine Bei- 2007 auch europarechtlich abzusichern – obwohl es hilfen für den Steinkohlenbergbau beenden wird. Damit vonseiten der EU-Kommission eine Zustimmung für ein wird zudem dokumentiert, dass absurde Forderungen Fortführen der Subventionen nur bis 2011 gab. von SPD und Linken nach einem steuerfinanzierten, dauerhaften nationalen Steinkohlensockel oder Ähnli- Die Haltung – die EU wird schon tun, was Deutsch- chem über keine politische Mehrheit verfügen. land sagt – hatte sich spätestens im Juli 2010 gerächt. Denn die EU-Kommission machte einen Vorschlag für Aber die Streichung der Revisionsklausel hätte be- eine Verordnung des Rates, die Steinkohlenbeihilfen be- reits viel früher geschehen müssen. Mehr noch: Die reits im Oktober 2014 einzustellen. Dieses Enddatum Klausel war von Anfang überflüssig. Diese Regelung 2014 sorgte auch in der Bundesregierung – wie es bei war und ist bis heute die Ursache dafür, dass alle Betei- Schwarz-Gelb nicht ungewöhnlich ist – für Streit. War ligten sich nicht langfristig auf ein definitives Ende des Bundeswirtschaftsminister Brüderle anfangs vehement Bergbaus einstellen können oder wollen. Denn es war für ein Auslaufen der Steinkohlenbeihilfen bis 2014, be- bereits 2007 bei der Verabschiedung des Steinkohle- tonte Bundeskanzlerin Merkel in ihrer letzten Presse- finanzierungsgesetzes und ist auch heute in keiner Weise konferenz vor der Sommerpause, dass sie sich persön- absehbar, dass die Steinkohlenförderung in Deutschland lich für die Beibehaltung des Ausstiegsdatums 2018 in auch nur in die Nähe der Wirtschaftlichkeit kommen Brüssel einsetzen werde. Erst später wurde Wirtschafts- wird. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Si- minister Brüderle einkassiert und sprach sich auf einmal tuation des Bundeshaushaltes ist es geboten, die im ebenfalls für das Auslaufen 2018 aus. Dies passt in das Steinkohlenfinanzierungsgesetz verankerte Revisions- Bild der FDP. Zuerst populistische Forderungen erhe- klausel schnellstmöglich zu streichen und so Planungs- (B) ben, wenn es aber konkret wird, knickt sie ein. sicherheit für alle zu schaffen. Es muss Schluss sein, (D) Milliarden in schwarzen Löchern zu versenken, die dann Das Zugeständnis der Bundesrepublik, das die Bun- bei der Bewältigung des Strukturwandels fehlen. Dabei desregierung in Brüssel dann letztlich machen musste, steht die Sozialverträglichkeit der Beendigung des Stein- war, die Revisionsklausel zu streichen. Im deutschen kohlenbergbaus nicht infrage. Bis allerspätestens 2018 Steinkohlefinanzierungsgesetz heißt es dazu in § 1 ist nun Zeit, alles sauber zu beenden und, wo immer Abs. 2, dass die Bundesregierung dem Deutschen Bun- möglich, in der Zeit das Entstehen neuer Ewigkeitslas- destag bis spätestens 30. Juni 2012 einen Bericht zulei- ten zu vermeiden. tet, auf dessen Grundlage der Deutsche Bundestag unter Beachtung der Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit, Eine lange Bergbaugeschichte an Saar und Ruhr hat der Sicherung der Energieversorgung und der übrigen beträchtliche Altlasten und Ewigkeitskosten hinterlas- energiepolitischen Ziele prüft, ob der Steinkohlenberg- sen. So müssen zum Beispiel Tausende einsturzgefähr- bau weiter gefördert wird. Die EU-Kommission und die dete Schächte saniert und durch den Bergbau abge- Regierungen verschiedener Mitgliedstaaten werten den senkte und dichtbesiedelte Flächen auf Hunderten aktuellen Absatz im Gesetz zu Recht als Versuch Quadratkilometern dauerhaft entwässert und vor Über- Deutschlands, ein endgültiges Ende des subventionier- flutungen geschützt werden. Ob die Einnahmen der ten Steinkohlenbergbaus erneut hinausschieben zu wol- RAG-Stiftung aus dem Verkauf der Evonik für solche len. Ewigkeitskosten ausreichen, ist zumindest fraglich. Da werden wir noch sehr genau hinschauen müssen, damit Wir begrüßen die Entscheidung der Bundesregie- nicht am Ende die öffentliche Hand für die Berg- rung, nun endlich einen Gesetzentwurf zur Streichung bauschäden geradesteht. Von der Bundesregierung und der Revisionsklausel einzubringen. Nur hätte sie dies den Koalitionsfraktionen erwarten wir daher, dass sie viel früher tun können und hätte damit die Verunsiche- die deutsche Rechtslage schnell in Übereinstimmung mit rung Zehntausender Bergbaukumpel verhindert. Die den Rechtsgrundlagen der Europäischen Union bringt. schwarz-gelbe Koalition kommt mit ihrem Gesetzent- Das heißt: Streichung der Revisionsklausel und ein end- wurf unseren Anträgen „Steinkohlesubventionen jetzt gültiger Schluss bis spätestens 2018. Vielleicht geht es überprüfen“ und „Subventionierten Steinkohlenbergbau am Ende ja sogar noch schneller und günstiger für den sozialverträglich beenden“ endlich nach. Diese Anträge Bundeshaushalt. hatten wir bereits im Juni und Oktober 2010 in den Deutschen Bundestag eingebracht. Leider hatte die Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion des Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt noch immer die vorliegenden Gesetzentwurfes in den Ausschüssen des herablassende Haltung, dass die EU das zu akzeptieren Deutschen Bundestages mit Ihnen.

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10595

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Armutsgrenze leben müssen. Das entspricht nicht der (C) Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent- Würde des Hauses. wurfs auf Drucksache 17/4805 an die in der Tagesord- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es und bei der SPD sowie der Abg. Kathrin Vog- anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ler [DIE LINKE]) ist die Überweisung so beschlossen. Schlimm finde ich es auch, wenn solche Fakten an die Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Öffentlichkeit kommen und das Ansehen des Deutschen Beratung des Antrags der Abgeordneten Beate Bundestags darunter leidet. Der Bundestag hat auch eine Müller-Gemmeke, Volker Beck (Köln), Katja Vorbildfunktion als Arbeitgeber, und die sollten wir alle Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion ernst nehmen. Aus diesem Grunde bringe ich heute un- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seren Antrag ein. Wir wollen, dass in einem ersten Schritt die Wach- und Sicherheitskräfte wieder direkt an- Wach- und Sicherheitspersonal beim Bundes- gestellt und nach TVöD bezahlt werden. tag beschäftigen Die Sicherheitskräfte sollen Löhne erhalten, von de- – Drucksache 17/4741 – nen sie und ihre Familien auch leben können. Aber es Überweisungsvorschlag: geht auch darum, dass wir ihnen soziale Sicherheit ge- Ältestenrat (f) ben, indem sie unbefristete Beschäftigungsverhältnisse Ausschuss für Arbeit und Soziales erhalten. Jetzt müssen sich die Sicherheitskräfte schon Für die Aussprache ist eine halbe Stunde vorgesehen. wieder Sorgen machen, ob sie im Juni, nach der neuen Gibt es Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist Ausschreibung, noch einen Job haben oder ob sie ar- das so beschlossen. beitslos werden. Gerade Ältere wissen ganz genau: Ge- winnt eine andere Firma die Ausschreibung, droht Ar- Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin beitslosigkeit bis zur Rente. Beate Müller-Gemmeke von Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Ich hoffe sehr, dass der Antrag nicht nur von der Op- position, sondern auch von den Regierungsfraktionen Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- unterstützt wird. Bei solch einem Thema könnten meiner NEN): Meinung nach alle Abgeordneten durchaus an einem Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- Strang ziehen, und wir könnten den Sicherheitskräften nen und Kollegen! Ich weiß, dass es spät ist. Aber den- gemeinsam unsere Wertschätzung deutlich machen. (B) noch möchte ich diese Rede nicht zu Protokoll geben, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie (D) weil mir das Thema sehr wichtig ist. Ich bedanke mich der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) bei der SPD dafür, dass sie als einzige andere Fraktion nachher noch das Wort ergreifen wird. Die Redner aller Das Problem ist nur, dass die Ausschreibung zur Ver- übrigen Fraktionen haben ihre Reden schon zu Protokoll gabe der Wach- und Sicherheitsdienstleistungen bereits gegeben. läuft. Deswegen bitte ich alle Gremien, die sich mit die- sem Antrag befassen müssen, zügig zu handeln, bevor es Es ist allseits bekannt, dass die Bundestagsverwaltung zu spät ist. etliche Dienstleistungen an Dritte vergeben hat und dies nicht nur Vorteile hat, sondern auch Probleme mit sich Natürlich gibt es auch noch andere Beschäftigten- bringt. Ausdrücklich hervorheben möchte ich, dass die gruppen, die auch nicht direkt beim Bundestag beschäf- Bundestagsverwaltung vieles versucht hat, damit die ex- tigt sind. Diese Beschäftigten haben wir auch im Blick. ternen Anbieter soziale und tarifliche Standards einhal- Deshalb soll die Bundestagsverwaltung noch einmal in- ten. So wird beispielsweise verlangt, dass bestehende tensiv prüfen, welche ausgegliederten Dienstleistungser- Tarifverträge eingehalten werden. Das ist gut so, und ich bringer wieder direkt beim Bundestag angestellt werden möchte dies noch einmal ausdrücklich anerkennen. können. Dabei müssen natürlich die Belange der Be- schäftigten in Bezug auf Arbeitsentgelt und Arbeitsbe- Wenn aber Sicherheitskräfte hier im Bundestag, die dingungen sorgfältig mit betrieblichen Überlegungen nicht aufstockendes Arbeitslosengeld II beantragen wol- wie zum Beispiel im Hinblick auf Qualität und Sicher- len, 220 Stunden im Monat arbeiten müssen, um gerade heit abgewogen werden. einmal 1 000 Euro netto zu verdienen, dann ist das mei- ner Meinung nach ein unhaltbarer Zustand. Ich weiß, dass die Struktur des Bundestages mit Sit- zungswochen und sitzungsfreien Zeiten nicht einfach ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dennoch muss es doch Wege geben, möglichst viele Be- bei der SPD und der LINKEN) schäftigte fair und sicher beim Bundestag anzustellen. Die Abgeordneten werden hier im Bundestag auf Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitglieder des Händen getragen. Es wird alles für unsere Sicherheit ge- Ältestenrates, der Inneren Kommission und des Aus- tan, und wir werden immer freundlich und respektvoll schusses für Arbeit und Soziales, ich bitte Sie, sich mög- behandelt. Der Alltag im Deutschen Bundestag ent- lichst zeitnah mit dem Antrag zu beschäftigen und ihn spricht der Würde des Hauses, und das schätze ich sehr. dem Plenum so schnell wie möglich zur Abstimmung Umso mehr geht es mir unter die Haut, dass manche, die vorzulegen. Bitte geben Sie sich einen Ruck und ent- all das ermöglichen, so wenig verdienen, dass sie an der scheiden Sie sich für bessere Arbeitsbedingungen und 10596 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Beate Müller-Gemmeke (A) bessere Löhne für das Sicherheitspersonal. Die Beschäf- Ein entsprechender Gesetzentwurf der SPD sieht eine (C) tigten haben diese Wertschätzung verdient. Lohnuntergrenze von 8,50 Euro vor. Wer Leistungsge- rechtigkeit will, wer also will, dass es gute und anstän- Vielen Dank. dige Löhne für gute Arbeit gibt, der weiß, dass wir die- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland brauchen; (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Ernstberger. Die denn ein gesetzlicher Mindestlohn verhindert Lohndum- Kollegen der anderen Fraktionen werden ihre Reden zu ping, sorgt für einen fairen Wettbewerb zwischen den Protokoll1) geben. Unternehmen, entlastet den Bundeshaushalt und stärkt nicht zuletzt die Binnennachfrage in diesem Land. Petra Ernstberger (SPD): Der Antrag besagt ganz konkret, dass die Wach- und Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- Sicherheitskräfte wenig Planungssicherheit haben, da gen! Es ist wirklich schon ein bisschen spät. Heute bin die Dienstleistungen durch den Bundestag alle sechs ich einmal die letzte Rednerin. Da mir der Antrag relativ Jahre neu ausgeschrieben werden. Auch diesem Aspekt wichtig ist, in Ihrem Antrag können wir zustimmen. Nur ein gesi- chertes und möglichst unbefristetes Arbeitsverhältnis (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Uns ja bietet ein geeignetes Fundament, um gute Arbeitsbedin- auch!) gungen einfordern zu können. Nur ein gesichertes Ar- finde ich es aber bedeutsam, heute Abend noch hierzu zu beitsverhältnis bietet die Grundlage für ein Leben ohne sprechen. Schließlich geht es – diesbezüglich stimme ich Existenzangst. Gerade ältere Arbeitnehmerinnen und dem Antrag der Fraktion der Grünen voll zu – um die Arbeitnehmer brauchen diese Planungssicherheit. Wir Glaubwürdigkeit unseres Parlaments und die Vorbild- alle wissen aus unzähligen Debatten hier im Hohen funktion des Gesetzgebers, was die Arbeitsbedingungen Haus, wie schwierig es vor allem für Ältere ist, nach und die Bezahlung der Beschäftigten in diesem Hohen Eintritt der Arbeitslosigkeit wieder Fuß auf dem Arbeits- Hause betrifft. markt zu fassen. Weil wir für faire Löhne und für sichere Arbeitsverhältnisse sind, stimmen wir überein mit den Zweitens – lassen Sie mich das an dieser Stelle auch Forderungen, dass der Bundestag seiner Verantwortung sagen – geht es darum, einfach einmal all denjenigen ein gerecht wird und die Arbeitsbedingungen und die Ent- herzliches Dankeschön zu sagen, die täglich dafür sor- gelte der Wach- und Sicherheitskräfte verbessert. (B) gen, dass unser Umgang hier miteinander geregelt ist. (D) Dabei geht es nicht nur um das Wach- und Sicherheits- Dennoch gibt es einige weitere Punkte, die ich erwäh- personal, sondern auch um die Personen, die an den Gar- nen möchte. Wir müssen uns, wenn wir faire Bedingun- deroben, den Fahrstühlen und den Pforten arbeiten, so- gen für die Wach- und Sicherheitskräfte fordern, auch wie um das Reinigungspersonal und die im Bereich der mit den Bedingungen der anderen Beschäftigten befas- Haustechnik Beschäftigten. sen, die bei externen Dienstleistern angestellt sind und ihren Dienst hier im Bundestag verrichten. (Beifall) (Beifall bei der SPD) Ihnen allen gehört der Applaus und das Lob dafür, dass sie den parlamentarischen Betrieb aufrechterhalten und Ich meine die Garderobenfrauen und -männer, den Pfor- wir unsere Arbeit hier verrichten können. tendienst und die Fahrstuhlführerleistungen. Die Situa- tion dieser Beschäftigten sollte in die gesamte Diskus- Nun aber zum Antrag, der zunächst grundsätzlich be- sion einbezogen werden. Weiterhin müssen wir uns sagt, dass möglichst alle Vollzeitbeschäftigten von ihrem selbstverständlich damit auseinandersetzen, was das für Einkommen leben können sollen, ohne dass sie zusätzli- die Ausgabenseite des Bundestages bedeutet. Wenn die che Sozialleistungen erhalten. Das ist sozialdemokrati- Dienstleistungen nicht mehr extern ausgeschrieben, son- sche Politik. Wir sind der Meinung, dass generell in al- dern vom Bundestag intern wahrgenommen würden, len Bereichen der Arbeitswelt faire Löhne gezahlt müssten wir damit rechnen, dass sich die Kosten mehr werden müssen. Es geht um faire Löhne, die sicherstel- als verdoppeln. Dieser Aspekt kommt in dem Antrag et- len, dass Frau oder Mann nicht auf dem Amt zu einem was zu kurz. Bittsteller gegenüber dem Staat wird, um faire Löhne, die ausreichen, um monatlich wirklich über die Runden (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE kommen zu können. GRÜNEN]: Vier Millionen!) Gerade weil wir das wollen, haben wir vor zwei Wo- Noch etwas ist zu beachten: Können alle der derzeiti- chen hier im Deutschen Bundestag einen neuen Anlauf gen externen Dienstleister problemlos wieder in ein für einen flächendeckenden existenzsichernden Mindest- Dienstverhältnis intern im Bundestag übernommen wer- lohn unternommen. den, oder sind die Anforderungen, die der TVöD an die Qualifikationen der Beschäftigten stellt, nicht in man- (Beifall bei der SPD) chen Teilen so hoch, dass es gegebenenfalls Beschäftigte geben wird, die der Bundestag nicht intern beschäftigen 1) Anlage 26 kann? Das würde bedeuten, dass sie wegen dieser hohen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10597

Petra Ernstberger (A) Anforderungen eventuell in die Arbeitslosigkeit ge- Namen der Redner sind schriftlich aufgeführt und wer- (C) schickt werden. den im Protokoll festgehalten. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Bundestags- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf: verwaltung bereits heute sehr genau darauf achtet, dass Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ die Dienstleistungen nicht immer an den Billigsten ver- CSU und FDP geben werden. Es wird sehr wohl darauf geachtet und bestanden, dass das Vergaberecht in seinen Möglichkei- Die Demokratische Republik Kongo stabilisie- ten ausgeschöpft wird, zum Beispiel hinsichtlich der ren Vergütung, der Überstunden, der Ausbildung, der Fort- – Drucksache 17/4691 – bildung und auch der Frauenquote. Zudem wurde die Überweisungsvorschlag: Verwaltung vom Ältestenrat verpflichtet, bei Ausschrei- Auswärtiger Ausschuss (f) bungen eine Tariftreueklausel aufzunehmen. Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Abschließend möchte ich anmerken, dass die Ent- Entwicklung scheidung darüber, ob eine Dienstleistung extern einge- kauft wird oder nicht, vom Präsidium des Deutschen Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Bundestages getroffen wird. Die aktuelle Ausschreibung Die Demokratische Republik Kongo ist ein Schwer- und der entsprechende Vertragsentwurf sehen vor, dass punkt des Engagements der Vereinten Nationen. Mit sich die Vergütung der Sicherheitsmitarbeiter an dem 20 000 VN-Blauhelmsoldaten im Kongo ist dies die Entgelttarif für das Wach- und Sicherheitsgewerbe Ber- größte Blauhelmmission weltweit. Die VN haben hier lin und Brandenburg in der Fassung vom 22. November ein umfassendes und robustes Mandat zum Schutz der 2010 orientiert. In diesem ist vorgesehen, dass der Stun- Bevölkerung und der Stabilisierung und dem Wiederauf- denlohn in der Zukunft auf 7,50 Euro erhöht wird. bau der Region geschaffen. Doch trotz eines breiten und (Zuruf von der LINKEN: 10 Euro!) tiefgehenden multilateralen Einsatzes der VN, der EU und anderer internationaler Institutionen sowie vielfäl- – Das war netto, 7,50 Euro netto. – Zusätzlich sind sei- tigen bilateralen Engagements durch die USA, Deutsch- tens der externen Unternehmer umfangreiche Schu- land und weitere Länder, hat sich die Menschenrechts- lungsmaßnahmen sowie Investitionen für Ausrüstung lage, die politische und die wirtschaftliche Situation im und Ausstattung in eigener Verantwortung zu überneh- Kongo seit den Wahlen 2006 nur wenig verbessert. Die men. Menschen im Kongo und die Bundesrepublik mit ihrer Unterstützung haben großes Vertrauen in die Zeit nach (B) Wie so oft steckt der Teufel im Detail. Deshalb appel- den Wahlen gesetzt. Die Lage heute ist sehr ernüchternd. (D) liere ich, über das Thema in der Inneren Kommission, Zwar ist die Bedeutung des vielfältigen Einsatzes im der Unterkommission des Ältestenrates, ausführlich zu Kongo für die Sicherheit der Menschen und die Verbes- diskutieren, damit wir diese Punkte klären. Der Bundes- serung ihrer Lebenslage klar erkennbar. Doch passiert tag hat diese Vorbildfunktion. Wenn es um Arbeitsbedin- leider immer noch zu wenig, um einen nachhaltigen gungen und Löhne geht, muss er dieser Vorbildfunktion Fortschritt anzustoßen. Dies wird einem umso deutli- auf diese Art und Weise gerecht werden. Der Kernpunkt cher bei Betrachtung des Human Development Index, in ist doch: Wir müssen politisch entscheiden, was uns dem die Demokratische Republik Kongo den Platz 177 wichtiger ist, die Kostenersparnis für den Bundeshaus- von 179 betrachteten Ländern belegt. Das BIP pro Kopf halt oder die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen der liegt bei 178 US-Dollar, was einmal mehr die prekäre Beschäftigten, die uns hier das Leben erleichtern. Lage der Menschen verdeutlicht. Wenn ich hier fordere, Ich bedanke mich und wünsche allen noch einen dass Deutschland sich stärker engagieren muss, dann ist schönen Abend. dies aber kein einseitiges Anliegen. Es ist für alle offen- sichtlich, dass die Regierung der Demokratischen Repu- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ blik Kongo sich aus der Verantwortung stiehlt und es DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der fast so wirkt, als bestünde kein Interesse der Eliten des FDP) Landes, die Lage der über 60 Millionen anderen Ein- wohner ihres Staates zu verbessern. Die verbreitete Kor- ruption, die Vettern- und Misswirtschaft treten als Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Symptome offen zutage. Auf dem Korruptionsindex von Ich schließe die Aussprache. Transparency International belegt die Republik Kongo Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf einen besorgniserregenden 162. von 180 Plätzen. Hier Drucksache 17/4741 an den Ältestenrat und an den Aus- müssen wir als Bundesrepublik die Demokratische Re- schuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen. Sind Sie publik Kongo zur Einhaltung von Rechtsstaatsprinzipien damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die drängen. Auch unsere Zusammenarbeit muss von der Überweisung so beschlossen. Erfüllung verbindlicher Ziele abhängig gemacht wer- den. Dies sollte sogar bis zur Verhängung von Sanktio- Zu den nächsten Tagesordnungspunkten wurden alle nen führen. Es kann nicht sein, dass die Bundesrepublik Reden zu Protokoll gegeben. Trotzdem bitte ich Sie, mit ihren Trägern der Entwicklungszusammenarbeit ge- noch mit mir gemeinsam die formalen Dinge abzuwi- radezu verhöhnt wird, wie es kürzlich bei dem Vorgehen, ckeln, damit das ordentlich ins Protokoll kommt. Die bar jeder Grundlage, der kongolesischen Justiz gegen 10598 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Hartwig Fischer (Göttingen) (A) die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit der Zertifizierung der Rohstoffe sichert, dass alle Staaten zu (C) Fall war. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist Weltmarktpreisen die für die Hightechindustrie wichti- wertegebunden. Daher muss es in Zukunft möglich sein, gen Rohstoffe kaufen können. Gleichzeitig wird damit die Zusammenarbeit mit korrupten Regionen vollständig erreicht, dass die Wertschöpfung aus der Rohstoffförde- einzustellen. Zum Kampf gegen die Korruption gehört rung in den kongolesischen Haushalt fließen kann und die Einrichtung einer unabhängigen Behörde, die über damit für die wesentlichen Staatsaufgaben nutzbar ist. Antikorruptionsmaßnahmen wacht. Ebenso muss eine Doch durch die Kontrolle von illegalen Minen durch die vernünftige Bezahlung der Beamten und Richter ange- Milizen sprudelt weiter eine Geldquelle, die den Konflikt strebt werden, damit der Anreiz zu bestechlichem Ver- am Laufen hält. Diese Quelle gilt es zum Versiegen zu halten minimiert wird. bringen. Nur so kann ein wichtiger Schritt hin in Rich- tung einer Verbesserung des Lebens der Menschen im Die im Januar beschlossene Verfassungsänderung, Ostkongo gemacht werden. die die Machtposition des Präsidenten Kabila ausbaut, ist ein Auswuchs der Korruption und Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien. Die in der Verfassung fest- Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): geschriebene Dezentralisierung wird eingeschränkt. In den letzten Tagen und Wochen gab es viele ermuti- Dabei ist gerade die Stärkung der Provinzen für ein gende Nachrichten aus Nordafrika. Die Menschen Land, das über sechsmal so groß wie Deutschland ist, demonstrieren dort für ihre Freiheitsrechte und versu- unabdingbar. Nur so kann sich an der Lage der Men- chen, sich ihrer korrupten Herrschaftscliquen zu entle- schen fernab der Hauptstadt Kinshasa etwas ändern. digen. Diese guten Nachrichten hören wir aus der De- Die gewollte Machtakkumulation in der Hauptstadt ver- mokratischen Republik Kongo, der rohstoffreichsten stärkt vielmehr den Kontrollverlust, der sich nicht nur in Region Afrikas, nicht. Wir hören oder lesen in den Me- der Desertion und dem Überlaufen der eigenen Soldaten dien in der letzten Zeit kaum einmal etwas über das, was zu verschiedensten Rebellenmilizen im Osten des Landes in diesem Land zurzeit passiert, und das vielleicht des- äußert. Die Reform des Sicherheitssektors muss drin- halb, weil sich die Öffentlichkeit an die Berichte über gend angegangen werden. Dazu werden die EUSEC und die grauenhaften Zustände, die dort seit vielen Jahren die EUPOL einen wichtigen Beitrag leisten können und herrschen, gewöhnt hat. Ob Mord, Vertreibung, Verge- müssen. Dennoch gibt es auch hier noch große Pro- waltigung, Missbrauch von Kindern, Korruption, feh- bleme. Beispielsweise fehlende Soldzahlungen, die die lende oder mangelhafte Grundversorgung mit sauberem Loyalität der kongolesischen Armee beeinträchtigen. Trinkwasser oder Gesundheitsversorgung – all das kennzeichnet die Situation in weiten Teilen dieses Lan- Es sind gerade auch die eigenen Soldaten der kongo- des seit vielen Jahren. lesischen Armee Forces Armées de la République Démo- (B) (D) cratique du Congo, FARDC, die für massive Menschen- Wie schlimm die Situation vor Ort ist, vermag sich ein rechtsverletzungen verantwortlich sind. In diesem Sinne Außenstehender kaum vorzustellen. Gerade ich als Frau ist es nicht nachvollziehbar, warum die DRC nicht längst fühle mich betroffen, wenn ich von Massenvergewalti- die in der Verfassung vorgeschriebene nationale Men- gungen und Gewaltexzessen gegen Frauen und Mäd- schenrechtskommission einberufen hat. Zwar hat die chen höre. Die offiziellen Zahlen, die der Antrag zu die- kürzliche Verurteilung von ranghohen kongolesischen sen Gräueltaten zitiert, sind für sich genommen schon Soldaten für Massenvergewaltigungen ein wichtiges Si- schrecklich – doch die Dunkelziffer wird noch unvor- gnal gesetzt, doch befindet sich der Kongo auch hier stellbar höher sein. Nicht jede Frau ist so mutig wie noch am Beginn eines langen und steinigen Weges. Hier Anna Mburano aus dem Dorf Luvungi im östlichen müssen wir als Bundesrepublik mehr Mittel und Projekte Kongo und berichtet darüber, wie sie am 30. Juni letzten bereitstellen, um die Opfer von Massenvergewaltigun- Jahres als 80-Jährige nacheinander von vier Milizionä- gen zu betreuen. ren vergewaltigt wurde – quasi vor den Augen untätiger Blauhelmsoldaten. Solche Schicksale machen einem das Beunruhigend ist auch, dass die MONUSCO mit unendliche Leid hinter den Statistiken deutlich, das un- 20 000 Soldaten den Ostkongo noch nicht wirklich befrie- zählige Menschen in der Demokratischen Republik den konnte. Es darf nicht sein, dass die UN-Blauhelmsol- Kongo tagtäglich aushalten müssen. Menschen wie daten auch in Vorwürfe der Massenvergewaltigung ver- Anna Mburano schulden wir es, trotz aller Misserfolge strickt werden. So verlieren die Vereinten Nationen ihre nach Mitteln und Wegen zu suchen, dieses Land zu stabi- Glaubwürdigkeit. Die Bestrebungen, den Anführer der lisieren und den Menschen eine Zukunft ohne Gewalt Lord’s Resistance Army, Joseph Kony, dem Internationa- und Angst zu ermöglichen. len Strafgerichtshof in Den Haag zu überstellen, müssen vorangetrieben werden. Die FARDC kann hier ihrem Der Antrag, über den wir heute beraten, listet viele Auftrag gerecht werden und die vielen zerstreuten Mili- der Missstände in der Demokratischen Republik Kongo zen wirksam bekämpfen. Unter diesem Zeichen steht klar und ehrlich auf. Allein das Wort „katastrophal“ auch das DDRRR-Programm, Disarmament, Demobili- wird sechsmal benutzt, um die Situation in einzelnen Be- zation, Repatriation, Resettlement and Reintegration, reichen zu beschreiben! Diese Form der ehrlichen der MONUSCO, das versucht, ausländischen Kombat- Bestandsaufnahme brauchen wir, wenn wir darüber dis- tanten ihre Anreize zum Kampf zu nehmen. Zusätzlich kutieren, was wir anders machen können, um die Lage brauchen wir ein Zertifizierungssystem für die Rohstoffe dort zu verbessern, und wer für das Elend zuständig ist. aus dem Ostkongo. Hier liegen zum Beispiel über Zu allererst ist dafür der korrupte und selbstsüchtige 80 Prozent der weltweiten Coltan-Vorkommen. Nur die Machtapparat um Präsident Kabila verantwortlich.

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10599

Sibylle Pfeiffer (A) Durch die von uns unterstützten Präsidentschaftswahlen gungen zu verbessern und der Bevölkerung ein men- (C) 2006 ist er an die Macht gelangt, und er lässt bis heute schenwürdiges und gewaltfreies Dasein ermöglicht. fast jedes Bemühen um gute Regierungsführung vermis- sen. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD): Aber es werden auch offen die Versäumnisse der Die Positionen im Antrag der CDU/CSU und FDP UN-Mission MONUSCO angesprochen. Sie ist mit stimmen in weiten Punkten mit unseren Überzeugungen 20 000 Blauhelmen und einem robusten Mandat ausge- überein, sodass die Möglichkeit besteht, einen gemein- stattet und die größte UN-Mission derzeit. Doch es fehlt samen Berichtsbeschluss des Auswärtigen Ausschusses ihr an Disziplin, Ausbildung, geeigneter Ausrüstung wie für den Bundestag zu erreichen. Für die Debatte möchte Hubschraubern und offensichtlich auch an Truppen- ich folgende Bereiche herausgreifen: stärke, um ihrem Auftrag, dem Schutz der Zivilbevölke- Die Sicherheitslage im Kongo verschlechtert sich zu- rung, gerecht zu werden. Schlimmer noch: Es gibt sehends. Besonders betroffen sind Frauen und Mäd- glaubwürdige Berichte darüber, dass selbst Blauhelm- chen, die neben alltäglicher Diskriminierung in ihren soldaten an schlimmen Menschenrechtsverletzungen be- Menschenrechten massiv verletzt werden. Sexuelle teiligt sind. Das ist ein Desaster für die nach Sicherheit Übergriffe in Form von Massenvergewaltigungen wer- suchenden Menschen, aber auch für die Glaubwürdig- den von Gewaltgruppen im Osten des Kongos gezielt keit der Blauhelmsoldaten insgesamt. Leider sind auch eingesetzt, um die Zivilbevölkerung zu terrorisieren. Seit die nationale Armee und Polizei nicht in der Lage, im Mitte der 90er-Jahre wurden mehr als 200 000 Verge- Land für Ruhe und Ordnung zu sorgen und die Bevölke- waltigungen registriert. Damit gehört die Demokrati- rung vor Übergriffen zu schützen. Weder scheinen die sche Republik Kongo zu den Ländern mit der größten se- Sicherheitskräfte militärisch in der Lage zu sein, effektiv xuellen Gewalt weltweit. Der UN-Sicherheitsrat hat in gegen Rebellengruppen und Milizen vorgehen zu kön- einer Resolution festgestellt, dass Massenvergewalti- nen, noch schaffen es Polizei und Justiz, dem Rechts- gungen, die in Konflikten als Kriegswaffe eingesetzt staat Geltung zu verschaffen. Sie sind zu einem Teil der werden, Kriegsverbrechen sind. Demnach ist die kongo- Probleme in diesem Land geworden. lesische Regierung aufgefordert, derartige Kriegsver- brechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im ei- Dabei ist gerade die Reform des Sicherheitssektors genen Land zu verurteilen. Hilfe beim Aufbau von Justiz und dessen Unterstützung ein großes Anliegen der inter- und rechtsstaatlichen Strukturen soll von der internatio- nationalen Gemeinschaft und der Bundesregierung ge- nalen Gemeinschaft schwerpunktmäßig vorangebracht wesen. Trotz einiger kleiner Teilerfolge muss man heute werden. Wenn die kongolesische Regierung ihre Ver- ernüchtert feststellen, dass uns die Unterstützung und (B) pflichtungen nicht einlöst, ist die internationale Gemein- (D) Begleitung dieser Reformbemühungen insgesamt nicht schaft verpflichtet, die Verbrecher und ihre Namen zu er- gelungen ist. Hauptsächlich liegt das an der zu schwa- mitteln und vor den Internationalen Strafgerichtshof in chen, korrupten und offensichtlich unwilligen Exekutive, Den Haag zu bringen. den Versprechungen und Verpflichtungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft nachzukommen. Daher 80 Prozent der weltweiten Vorkommen von Coltan, müssen wir den politischen Druck erhöhen und im Zwei- das für die Handyproduktion benötigt wird, befinden felsfall auch bereit sein, die notwendigen Konsequenzen sich im Kongo. Zudem läuft ein Kupfergürtel durch das zu ziehen. Lange Zeit war der Begriff „Konditionalisie- Land, der ein Zehntel der weltweiten Kupferreserven rung“ in der Entwicklungspolitik verpönt. Doch wir darstellt. Es gibt ein eklatantes Missverhältnis zwischen müssen einsehen, dass eine Kooperation ohne diese dem Ressourcenreichtum des Landes und der krassen Form der Sanktionsandrohung mit der Regierung Armut der Bevölkerung. Von den Rohstoffen des Landes Kabila kaum mehr möglich scheint. Daher unterstützt profitieren meist ausländische Unternehmen, die sich die Unionsfraktion auch ausdrücklich die Bundesregie- durch entsprechende Vertragsregelungen beträchtliche rung darin, Programme der bilateralen Entwicklungs- Erträge sichern – zum Nachteil der kongolesischen politik bei ausbleibendem Erfolg entsprechend zu sank- Wirtschaft und der dort lebenden Menschen. Bei einer tionieren. Das ist nicht nur für die Glaubwürdigkeit Änderung der Verträge stünde ein Vielfaches dieser Mit- tel für die Armutsbekämpfung zur Verfügung. unseres Engagements, sondern auch für die langfristige Ausrichtung der Zusammenarbeit mit der Demokrati- Die Offenlegung von Gewinnung, Ex- und Import von schen Republik Kongo dringend nötig. Wir müssen die Rohstoffen sowie der damit zusammenhängenden Ver- Regierung dieses Landes in die Pflicht und Verantwor- träge und Finanzflüsse wäre ein wichtiger Schritt in tung nehmen und dürfen nicht zulassen, dass Korruption Richtung mehr Transparenz. Es muss eine bessere Zerti- und Misswirtschaft folgenlos bleiben. Und wenn nicht fizierung von Handelsketten im Bereich mineralischer nur die Bundesregierung, sondern auch andere natio- Rohstoffe geben. Die Verpflichtung zur Transparenz darf nale und internationale Geber diesem Beispiel folgen dabei nicht nur im Herkunftsland der Rohstoffe beste- und wir der illegalen Rohstoffökonomie Herr werden hen, sondern muss auch bei den beziehenden Unterneh- würden, dann dürfte das für Präsident Kabila und seine men und Staaten liegen. Ein Meilenstein für mehr Trans- Regierung mittel- und langfristig spürbare Folgen ha- parenz im Ressourcenbereich ist ein Gesetz der USA. ben. Nur so können wir es schaffen, dass die Menschen Demnach sind amerikanische Unternehmen ab 2012 der Demokratischen Republik Kongo eine Regierung be- nach der sogenannten Cardin-Lugar-Klausel verpflich- kommen, die bereit ist, die katastrophalen Lebensbedin- tet, ihre Zahlungen an ausländische Regierungen auf

Zu Protokoll gegebene Reden 10600 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Heidemarie Wieczorek-Zeul (A) Länder- und Projektbasis detailliert offenzulegen. Rund undisziplinierte und schlecht ausgerüstete Truppe. In ih- (C) 90 Prozent aller international operierenden Ölfirmen ren Reihen finden sich international gesuchte Kriegsver- sind von dieser Regelung betroffen. brecher, und ihre Mitglieder beteiligen sich in zahlrei- chen Fällen an Vergewaltigungen und anderer Gewalt Wir fordern die Bundesregierung daher auf, auf euro- gegen die Zivilbevölkerung. Die Sicherheitssektorre- päischer Ebene eine ähnliche gesetzlich verpflichtende form hatte trotz europäischer und internationaler Pro- Regelung zu entwickeln, damit Unternehmen ihre Zah- gramme von Anfang an Probleme: den mangelnden lungsströme an Regierungen offenlegen müssen. Reformwillen der kongolesischen Regierung, die gras- sierende Korruption, aber auch fehlende Abstimmung Marina Schuster (FDP): der Programme untereinander. Die Sicherheits- und Menschenrechtslage in der De- mokratischen Republik Kongo bleibt auch fünf Jahre Nicht nur im sicherheitspolitischen Bereich ist die Bi- nach den ersten freien Wahlen im Land katastrophal. Im lanz schlecht, auch bei eher zivilen, innenpolitischen Osten des Landes sind – man muss es leider so drastisch Themen gibt es kaum Fortschritte zu berichten. Die formulieren – Vergewaltigungen an der Tagesordnung. Menschenrechtssituation im Land bleibt katastrophal. Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ hat allein in Dies betrifft nicht nur die schon geschilderten Fälle von diesem Jahr bereits mehr als 200 Vergewaltigungsopfer Vergewaltigungen, sondern auch die Lage von Journa- behandelt. Zuletzt wurden am Montag dieser Woche listen und Menschenrechtsaktivisten. Die Ermordung 56 Frauen und Männer nach einer Massenvergewalti- des über die Landesgrenzen hinaus bekannten Aktivisten gung medizinisch versorgt. An den Vergehen sind keines- Floribert Chebeya Bahizire im Juni 2010 macht deut- wegs nur marodierende Banden beteiligt: An Neujahr lich, welchen Gefahren Regimekritiker in der Demokra- vergewaltigten Mitglieder der kongolesischen Armee tischen Republik Kongo ausgesetzt sind. Eine Kommis- mehr als 50 Frauen in der Ortschaft Fizi in der Provinz sion zur Aufklärung des Falls wurde erst auf massiven Südkivu. Der einzige kleine Lichtblick in dieser Angele- internationalen Druck hin ins Leben gerufen. Ob der genheit: Erstmals wurde anschließend ein hochrangiger mittlerweile vor einem Militärgericht eröffnete Prozess Angehöriger der Streitkräfte nach einer solchen Tat vor rechtsstaatlichen Kriterien genügt, muss bezweifelt wer- Gericht gestellt und zu einer 20-jährigen Haftstrafe ver- den. urteilt. Nach wie vor sehen wir ein Klima der Straflosigkeit. Die geschilderten Beispiele sind keine Einzelfälle. Eine unabhängige Justiz, die solche Fälle unabhängig Die Vereinten Nationen haben allein im vergangenen aufklären und zur Anklage bringen würde, fehlt. Das be- Jahr rund 11 000 Vergewaltigungen registriert. Die trifft nicht nur aktuelle Fälle, sondern auch die systema- tische Aufarbeitung der Verbrechen, die in den Konflik- (B) Dunkelziffer dürfte noch weit darüber liegen. Seit Mitte (D) der 90er-Jahre sind über 200 000 Vergewaltigungen im ten seit Mitte der 90er-Jahre und zuvor unter der Land registriert worden, auch hier liegt die Dunkelziffer Herrschaft Mobutus begangen wurden. Korruption ist wohl deutlich höher. Vergewaltigungen und andere For- ein zentrales Merkmal des öffentlichen Lebens. Dies be- men sexualisierter Gewalt, die mit der VN-Sicherheits- weist auch der Korruptionsindex von Transparency. Die ratsresolution 1820 als Kriegsverbrechen und Verbre- Demokratische Republik Kongo landet hier regelmäßig chen gegen die Menschlichkeit besonders geächtet sind, in der Gruppe der korruptesten Staaten dieser Erde. werden von bewaffneten Gruppen in der Demokrati- Auch hier hat die kongolesische Regierung viel verspro- schen Republik Kongo systematisch als Einschüchte- chen, passiert ist wenig. Trotz mehrerer groß angekün- rungs- und Herrschaftsstrategie eingesetzt. digter Kampagnen hat sich nämlich nichts geändert: Die Aktionsprogramme der Regierung Kabila 2008 und Die internationale Gemeinschaft hat sich in unter- 2009 dienten der Entfernung unbequemer und der In- schiedlicher Form im kongolesischen Friedensprozess stallation regimetreuer Beamter. Denn der Vorwurf der stark engagiert, auch bei den Präsidentschafts- und Korruption kann dabei gezielt als Waffe eingesetzt wer- Parlamentswahlen 2006. Schon damals hatte meine den, um missliebige Provinzgouverneure zu entfernen. Fraktion zu Recht angemahnt, dass zwar Wahlen ein wichtiger Schritt sind, dass es aber ein Follow-up-Kon- Was aber besonders schwer wiegt, ist die Tatsache, zept geben muss. Schon damals haben wir eine bessere dass die kongolesische Regierung ihre eigenen zentralen und koordinierte Unterstützung von EUSEC und Reformaufträge der neuen Verfassung nicht umgesetzt EUPOL gefordert, gerade im Nachgang der Wahlen. hat. So hat sie weder die von der Verfassung geforderte Nationale Menschenrechtskommission eingesetzt, noch In diesem Jahr stehen wieder Wahlen an im Kongo. die geforderte föderale Neugliederung des Staatsgebie- Man sollte dann auch einen Blick darauf werfen, wie die tes vorgenommen. Die Politik der Regierung lässt den Situation vor Ort aussieht. Leider muss man feststellen: Schluss zu, dass es ihr eher daran gelegen ist, weitere Es hat sich nicht viel verändert in fünf Jahren. Die Si- Macht zu akkumulieren, als dem in der Verfassung durch cherheits- und Menschenrechtslage im Land ist nach wie eine Ewigkeitsklausel geschützten Auftrag zur dezentra- vor katastrophal. Teile des Ostkongo sind nach wie vor len Neustrukturierung des Landes nachzukommen. Hin- nicht befriedet, Rebellengruppen treiben ihr Unwesen, weise hierfür liefert die von der Regierung eingesetzte und Vergewaltigungen sind dort alltägliches Geschehen. Verfassungskommission, die unter anderem für eine Aus- Auch bezüglich der versprochenen Reformen der maro- dehnung der Amtszeit und mehrmalige Wiederwahl des den Strukturen von Polizei und Armee fällt das Fazit Präsidenten sowie für eine Kürzung des Anteils der Pro- nicht gut aus. Presseberichte beschreiben die Armee als vinzen an den Steuereinnahmen plädiert.

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10601

Marina Schuster (A) Mit unserem Antrag wollen wir da ansetzen, wo nach Verfolgungen, Drohanrufen und wiederholten Vorladens (C) den letzten Wahlen 2006 leider nicht energisch genug bei den Geheimdienststellen beobachtet haben“. nachgesetzt wurde. Unser Antrag hat daher zum Ziel, eine wirksamere Politik gegenüber der Demokratischen Sowohl dem Rat der Europäischen Union als auch Republik Kongo zu formulieren, die mehr von der kon- der Bundesregierung ist bekannt, dass die allermeisten golesischen Regierung einfordert und der dortigen Be- Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen Re- völkerung zugutekommt. Bereits viel zu lange hat die publik Kongo auf die Polizei und das Militär zurückge- kongolesische Regierung die Umsetzung der von ihr ver- hen, die seit Jahren von Deutschland und der EU ausge- langten Reformschritte lustlos schleifen lassen und stief- rüstet und ausgebildet werden. Und da kommen Sie mit mütterlich als technische Lästigkeiten behandelt. Es ist diesem Antrag und fordern „eine spürbare finanzielle an der Zeit, dass die Regierung das klare, eindeutige po- und personelle Verbesserung der EUSEC- und EUPOL- litische Signal der internationalen Gemeinschaft erhält, Missionen“. Im Rahmen der Mission EUPOL Kinshasa dass Kinshasa den politischen Willen entfaltet und die wurden für 10 Millionen Euro sogenannte Integrierte dringend notwendigen Schritte entschlossen, zügig und Polizeieinheiten in der Hauptstadt aufgebaut. Das sind nachhaltig umsetzen muss. Daher werden wir insbeson- Einheiten, die dazu da sind, Demonstrationen aufzulö- dere für eine stärkere Konditionalisierung bei der Ver- sen. Das sind letztendlich Einheiten, die dazu da sind, gabe von Mitteln und Programmen der bilateralen Ent- Menschenrechte zu verletzen. Diese Einheiten wurden wicklungshilfe sorgen. Diese müssen vor allem auf im Rahmen der EUPOL-Mission mit „Schutzschilden, Fortschritte bei der Durchsetzung und dem Schutz der Helmen, Schlagstöcken und Tränengas sowie Maschi- Menschenrechte abzielen. Außerdem müssen die bereits nenpistolen der Marke UZI“ ausgestattet. Und die laufenden Sicherheitssektorreformen auf ihre Wirksam- Hälfte dieses Geldes stammte zudem noch aus dem keit hin überprüft und stärker mit den internationalen Europäischen Entwicklungsfonds. Das ist ein Skandal! Partnern abgestimmt werden. Bei all dem muss klar Das ist ein Skandal, der sich hervorragend einpasst sein, dass die kongolesische Regierung die Verantwor- in die aktuellen Ereignisse in Nordafrika und auf der tung für die Politik in ihrem Land trägt. arabischen Halbinsel, wo sich vom Westen unterstützte Diktatoren mit Waffen aus Europa gegen ihre eigene Be- Während die Weltöffentlichkeit derzeit ihren Blick in völkerung zur Wehr setzen, wo von Deutschland und der Afrika besonders auf Sudan und die anhaltende Krise in EU ausgebildete Soldaten und Polizisten auf Demonst- der Elfenbeinküste richtet, darf nicht vergessen werden, ranten losgehen. Der heutige Staatspräsident der Demo- dass der Friedens- und Konsolidierungsprozess in der kratischen Republik Kongo, Kabila, wurde unter dem Demokratischen Republik Kongo von zentraler Bedeu- Schutz einer EU-Militärmission „gewählt“. Anschlie- tung für die Stabilität und die Entwicklung der gesamten ßend ließ er den unterlegenen Kandidaten und Opposi- (B) Region ist. Dabei bleibt viel zu tun. Hierzu leistet unser (D) tionsführer Bemba von seiner Armee aus dem Land Antrag einen wichtigen Beitrag. jagen. Belgien ließ den Oppositionsführer dann festneh- men, und heute sitzt Bemba in Den Haag in Haft. Mag Sevim Dağdelen (DIE LINKE): sein, dass er dorthin gehört. Dass Deutschland und die Vor genau einer Woche, am 17. Februar 2011, haben EU aber tolerieren, dass andere Kriegsverbrecher in der 50 kongolesische Menschenrechtsorganisationen einen kongolesischen Armee ungestört ihren Dienst tun und dramatischen Appell unterzeichnet. Sie berichten darin sogar – wie Bosco Ntaganda – in führende Posten der von systematischen Einschüchterungen und Morddro- Armee befördert werden, ist unerhört. Diese Armee, die hungen durch die kongolesische Polizei und das Militär. auch Kindersoldaten umfasst, wird im Rahmen der Diese Drohungen müssen ernst genommen werden. Der EUSEC-Mission beraten und unterstützt und erhält Waf- bekannteste kongolesische Menschenrechtsaktivist, fen und Ausrüstung – teilweise kostenlos – aus Europa. Floribert Chebeya, wurde im vergangenen Juni getötet Dass der vorliegende Antrag den EU-Militäreinsatz aufgefunden, nachdem er einer Aufforderung des Poli- zur Absicherung der Wahl Kabilas als Beitrag zu den zeipräsidenten Folge leistend das Hauptquartier der Po- „bisher erzielten Erfolgen“ lobt, ist grotesk. Dieser Ein- lizei in Kinshasa aufgesucht hatte. Ende September letz- satz war ein militärischer Einsatz zur Absicherung einer ten Jahres wurden die Menschenrechtsanwältin Nicole der schlimmsten Diktaturen in ganz Afrika. Vieles wird Bondo Mwaka, der Leiter eines belgischen Hilfsprojek- ja richtig benannt in Ihrem Antrag, dass die Menschen- tes, Armand Tungulu, und eine weitere Juristin von der rechtslage unter Kabila „katastrophal“ ist, dass sich der Präsidentengarde festgenommen und verprügelt. Ar- Krieg in einigen Regionen intensiviert hat und auf an- mand Tungulu wurde dann am 2. Oktober 2010 tot in dere Regionen übergegriffen hat. Vor diesem Hinter- seiner Zelle aufgefunden. Dies sind nur einige wenige grund fordern Sie mehr Geld für die kongolesische Poli- Beispiele, die ich hier nennen möchte, weil es diese mu- zei und das kongolesische Militär, mehr Geld, das tigen Menschen verdient haben, dass man sie würdigt. eigentlich für Entwicklungshilfe und humanitäre Not- Das Europäische Parlament hat aber festgestellt, dass hilfe gedacht ist, das bei der Versorgung der über 2 Mil- es sich hier um einen eindeutigen Trend handelt, dass lionen Binnenvertriebenen fehlt. „viele nichtstaatliche Organisationen im vergangenen Jahr eine zunehmende Unterdrückung von Menschen- Entlarvend ist auch der einzige tatsächliche „Erfolg“ rechtsaktivisten, Journalisten, Oppositionsführern, Op- des deutschen und des europäischen Engagements am fern und Zeugen in der Demokratischen Republik Kongo Kongo, den Sie in Ihrem Antrag nennen: die Annahme einschließlich Tötungen, rechtswidriger Verhaftungen, und Verabschiedung einer neuen Verfassung im Jahre

Zu Protokoll gegebene Reden 10602 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Sevim DaDaðdelenğdelen (A) 2005. An dieser Stelle ist der Antrag nämlich schon wie- mission der Vereinten Nationen weltweit. Leider konnte (C) der veraltet, denn die Verfassung wurde kürzlich durch auch die MONUC in der Vergangenheit nicht verhin- Kabila und seine geschmierten Anhänger im Parlament dern, dass es immer wieder zu unvorstellbaren Grau- wieder geändert, um dessen Wiederwahl zu sichern. samkeiten gegen die Zivilbevölkerung kam. Zu den Künftig soll der Präsident nur noch in einem Wahlgang schlimmsten zählen die Massenvergewaltigungen, Täter gewählt werden. In einem Land, in dem jegliche Opposi- gibt es dabei auf allen Seiten. Der Ausschuss für wirt- tion mit Militär und Polizei unterdrückt wird, ermöglicht schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat im dies eine Wiederwahl schon mit 20 Prozent der Stimmen, November die Massenvergewaltigungen aufs Schärfste die sich auch kaufen lassen. verurteilt. Die Bundesregierung muss sich gegenüber der kongolesischen Regierung dafür einsetzen, dass Wie die Repression gegen die Opposition aussieht, diese Form der sexualisierten Gewalt verhindert wird. konnte man etwa am 15. Dezember 2010 in Goma beob- Das Mandat der MONUSCO muss angepasst und vor al- achten. Damals wollte einer der aussichtsreichsten Prä- lem präzisiert werden. Bei sexualisierter Gewalt gegen sidentschaftskandidaten außer Kabila, Vital Kamerhe, Frauen und Kinder darf die internationale Gemein- in der wichtigen Provinzhauptstadt Goma eine Rede hal- schaft nicht wegschauen. ten. Die Regierung untersagte diese Veranstaltung, und die Polizei trieb seine Anhänger mit Tränengas und Die Befriedung des Kongo ist eine Herkulesaufgabe. Warnschüssen auseinander. Auch in Goma unterhält die 40 Jahre Krieg, 30 000 Kindersoldaten, Millionen Tote, EUPOL einen Stützpunkt, und sie ist an der Ausbildung Vertriebene und Traumatisierte. Langfristig braucht der der Polizei beteiligt. Angehörige der EUPOL-Mission Kongo einen funktionierenden Sicherheitssektor, um seien aber bei den Vorfällen nicht anwesend gewesen. selbstständig für die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Das behauptet die Bundesregierung zu wissen. Zugleich Bürger Sorge tragen zu können. Allein am Willen der Be- aber behauptet sie, dass sie nicht wüsste, welche Poli- teiligten hat es in der Vergangenheit allzu oft gemangelt. zeieinheiten an der Verhinderung der Wahlkampfveran- Vor allem die kongolesische Regierung muss sich da staltung beteiligt waren. Offensichtlich ist es ihr auch noch sehr weit bewegen. Ich begrüße es, dass die deut- egal, oder sie will es gar nicht wissen, was die von ihr sche Regierung die Reform des Sicherheitssektors unter- ausgebildeten und ausgestatteten Polizisten im Dienste stützt, indem sie den Aufbau der kongolesischen Polizei Kabilas anrichten. durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenar- beit, also die neue GIZ, unterstützt und darüber hinaus Was uns an Libyen dieser Tage schockiert, dass Sol- zur Demobilisierung und Reintegration von ehemaligen daten aus Hubschraubern auf Zivilisten feuern, ist am Soldaten und Kindersoldaten beiträgt. Allerdings kann Kongo fast schon Alltag. Es muss endlich Schluss sein die internationale Gemeinschaft hier noch viel mehr (B) mit der polizeilichen und militärischen Unterstützung tun – und sie muss es tun. Denn die international ge- (D) von Despoten. Die Einsätze EUPOL und EUSEC stehen wünschten Rohstoffe wirken für die Konflikte im Kongo symbolisch für diese Politik und müssen deshalb sofort als Brandverstärker. beendet werden – und nicht etwa ausgeweitet, wie es der vorliegende Antrag fordert. Die Demokratische Republik Kongo ist ein Parade- beispiel für das „paradox of plenty“. Das Land ist ex- trem reich an Rohstoffen – gleichzeitig lebt die Bevölke- Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): rung in extremer Armut. Wie geht es zusammen, dass Als Partnerland der deutschen Entwicklungszusam- 80 Prozent der weltweiten Reserven an Coltan und menarbeit ist Deutschland in vielfältiger Weise im 10 Prozent der Kupferreserven im Kongo liegen und Kongo aktiv und unterstützte das Land im Jahr 2009 in dennoch über 80 Prozent der Bevölkerung von weniger einer Höhe von 82,2 Millionen Euro. Das Riesenland als 0,20 US-Dollar am Tag leben? Die Herausforderun- Kongo hat viele Schätze. Es geht im Kongo nicht nur um gen sind doch: Wie können die Einnahmen aus der Menschenrechte, mehr Demokratie, Kampf gegen Kor- Rohstoffgewinnung erhöht werden und in eine breite ruption und mehr Rechtsstaatlichkeit, sondern auch um Entwicklung für die Menschen fließen? Wie können Un- den Erhalt der Artenvielfalt. ternehmen zur Verantwortung gezogen werden? In wel- chen Bereichen bedarf es verpflichtender Mechanis- Ich bin alarmiert, weil die kongolesische Regierung men? Wie kann die Bevölkerung mitentscheiden, was plant, die Erlaubnis zu geben, Öl im Virunga-National- passiert? Welche Gesetze müssen implementiert werden, park zu fördern. Das wäre ein grotesker Rückschritt für damit sich nicht wenige auf Kosten vieler bereichern? all die Bemühungen, diesen Park zu erhalten. Dieser einzigartige Park gehört zum Weltkulturerbe der Die Aktivitäten der Bundesanstalt für Geowissen- UNESCO. Hervorzuheben ist, dass dort die seltenen schaften und Rohstoffe in Kooperation mit der Internati- Berggorillas leben, die letzten ihrer Art. Wir müssen un- onalen Region der Großen Seen, ICGLR, zum Aufbau seren ganzen Einfluss geltend machen, um zu verhin- von Zertifizierungsmechanismen halte ich für wegwei- dern, dass dieses wertvolle Stück Erde von kurzfristig send: Denn nur durch den Aufbau eines legalen Han- denkenden Ölkonzernen zerstört wird. Vor allem im Hin- delsnetzes können illegal operierende Militärs aus dem blick auf die Wahlen im November 2011 muss die Mineralienhandel gedrängt werden. Und nur so erhal- Chance genutzt werden, die Öffnung des Parks für eine ten die Minenbetriebe und vielen Kleinschürfer die Ölförderung zu verhindern. Mit der MONUC, die ab Juli Möglichkeit, ihre Waren direkt auf dem Weltmarkt zu als MONUSCO weiter präsent sein wird, steht in der verkaufen. Sie auf diesem Weg zu begleiten, das ist eine Demokratischen Republik Kongo die größte Friedens- zentrale Aufgabe.

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10603

Ute Koczy (A) Dennoch ist es mit dem Aufbau von Zertifizierungs- Ute Granold (CDU/CSU): (C) systemen und der Unterstützung der Transparenzinitia- Wir beraten heute abschließend das Gesetz zur weite- tive EITI – die Aktivitäten, auf die sich das BMZ im Roh- ren Gleichstellung nichtehelicher Kinder im Bereich des stoffsektor so gerne bezieht – nicht getan. Erbrechts. Bis 1970 waren nichteheliche Kinder im rechtlichen Sinne nicht mit ihrem Vater verwandt und Zum Antrag der Koalition: Der Antrag der Koalition hatten im Verhältnis zu diesem auch kein Erbrecht. Erst ist in der Sache sehr begrüßenswert. Er benennt die mit dem Gesetz über die rechtliche Gleichstellung der wichtigsten Probleme und Herausforderungen und geht nichtehelichen Kinder wurde ihnen für Erbfälle, die sich in die richtige Richtung. Ich finde, er hat Lücken. Ent- nach Inkrafttreten besagten Gesetzes 1970 ereigneten wicklungszusammenarbeit wird von der Koalition bzw. ereignen, ein Erb- und Pflichtteilsrecht zuerkannt. scheinbar vor allem als Sanktionsinstrument verstanden. Explizit ausgenommen waren aber jene Kinder, die vor Da ist immer wieder die Rede von Kürzungen der Ent- dem 1. Juli 1949 geboren und deshalb bei der Gesetzes- wicklungsgelder; ein umfassendes Konzept, was die Ent- reform älter als 21 Jahre waren. wicklungszusammenarbeit im Kongo leisten soll, sucht man vergebens. Diese Stichtagsregelung stellt unzweifelhaft einen Anachronismus dar, den wir mit dem vorliegenden Ge- Und wir müssen auf die aktuellen Entwicklungen im setz beenden wollen. Eine Abschaffung der Stichtagsre- kongolesischen Rohstoffsektor reagieren – diese igno- gelung wurde bereits in der Vergangenheit mehrfach dis- riert Ihr Antrag leider völlig: Obwohl Sie den Punkt Bi- kutiert. Unter Verweis auf das vermeintliche Vertrauen odiversität behandeln, findet sich nichts zur geplanten der ehelichen Verwandten des Vaters in den Fortbestand Ölförderung im UNESCO-Weltnaturerbe Virunga-Na- der geltenden Rechtslage wurde bisher aber von einer tionalpark. Sie gehen auch nicht auf die aktuelle Lizenz- weiteren Gleichstellung abgesehen. Das ist bedauerlich vergabe und geplante massive Steigerung der Ölproduk- und stellt uns deshalb heute vor besondere Herausforde- tion durch die kongolesische Regierung ein. rungen. Offensichtlich gab und gibt es vereinzelt immer noch eine gesellschaftliche Vorstellung, wonach eine Außerdem greifen Sie nicht das aktuelle Problem Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Uran auf – weder den illegalen Abbau, für den es trotz Kindern gerechtfertigt sei. Das ist nicht akzeptabel. Der offiziellem Verbot Hinweise gibt, noch die anvisierte Ausschluss nichtehelicher Kinder vom gesetzlichen Er- Uranförderung in der DRC durch AREVA. Wenn Sie wis- brecht nach ihrem Vater und dessen Verwandten wird sen wollen, welche Konsequenzen eine solche Förderung heute zu Recht einhellig als Unrecht angesehen. Das ist für die DRC hätte, dann schauen Sie sich die Situation im der Ausgangspunkt des vorliegenden Gesetzentwurfs. Niger an – dort werden laut Menschenrechtsgruppen und (B) Umweltverbänden Sicherheits-, Arbeitsschutz- und Um- Die jetzt vorgeschlagene Änderung sieht vor, dass (D) weltauflagen durch den französischen Konzern ignoriert. auch vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kin- Daher muss ein solcher Antrag diesen kommenden Pro- der, die bisher nicht gesetzliche Erben ihres Vaters und blemen Rechnung tragen und darf im Interesse des Lan- seiner Verwandten waren, künftig den ehelichen Kindern des nicht dazu schweigen. gleichgestellt werden. Dazu soll der bisherige Stichtag 1. Juli 1949 rückwirkend für Erbfälle aufgehoben wer- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: den, die nach dem 28. Mai 2009 eingetreten sind, also dem Tag, an dem der Europäische Gerichtshof für Men- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf schenrechte entschieden hatte, dass die bisherige Un- Drucksache 17/4691 an die in der Tagesordnung aufge- gleichbehandlung gegen die Europäische Menschen- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- rechtskonvention verstößt. In allen Erbfällen ab dem verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung 29. Mai 2009 sind somit eheliche und nichteheliche Kin- so beschlossen. der erbrechtlich gleichgestellt. Tagesordnungspunkt 19: Für die Union ist es ein wichtiges Anliegen, jegliche Diskriminierung nichtehelicher Kinder ein für alle Mal Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre- zu beseitigen. In diesem Sinne haben wir, um nur ein gierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Beispiel zu nennen, in der letzten Legislaturperiode die Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelichen Kinder auch im Bereich des Unterhalts- nichtehelicher Kinder rechts gleichgestellt. Von diesem Gedanken lassen wir – Drucksache 17/3305 – uns auch jetzt leiten. Unser Ziel ist daher, die Ungleichbehandlung nichte- Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus- helicher Kinder nicht nur für die Zukunft, sondern so schusses (6. Ausschuss) weit wie möglich auch im Hinblick auf schon eingetre- – Drucksache 17/4776 – tene Erbfälle zu beseitigen. Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: Auch aus Sicht der Union wäre eine uneinge- Berichterstattung: schränkte Rückwirkung auf die Zeit vor dem 29. Mai Abgeordnete Ute Granold 2009 wünschenswert gewesen. Die nichteheliche Geburt Sonja Steffen rechtfertigt keinerlei Ungleichbehandlung. In den Aus- Stephan Thomae schussberatungen haben wir vor diesem Hintergrund in- Jörn Wunderlich tensiv die Frage einer weitergehenden Rückwirkung ge- 10604 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Ute Granold (A) prüft. Dieser Punkt war auch ein Schwerpunkt der angeregt. Im Ergebnis bestand hierfür jedoch aus unse- (C) Gespräche, die wir mit externen Experten im Rahmen ei- rer Sicht kein Bedarf. Sofern der Erblasser noch lebt, nes erweiterten Berichterstattergesprächs geführt ha- kann er durch Verfügungen unter Lebenden für Gerech- ben. tigkeit sorgen. In den Fällen, in denen der Erblasser be- reits tot ist, erscheint eine solche Regelung ebenfalls Wir haben in diesem Zusammenhang auch intensiv nicht erforderlich, da eine Regelungslücke in den weni- alternative Lösungen geprüft und diskutiert. Ein vermit- gen zu erwartenden Problemfällen durch richterliche telnder Vorschlag bestand beispielsweise darin, dem Rechtsfortbildung geschlossen werden kann. nichtehelichen Kind nachträglich einen Anspruch gegen die Erben in Höhe des gesetzlichen Pflichtteils einzuräu- In den Ausschussberatungen haben wir noch ein an- men. Ein alternativer Vorschlag sah vor, den neuen deres Gesetz mit behandelt, und zwar konkret einen Vor- Stichtag einige Jahre vorzuziehen. Im Ergebnis wurden schlag der Bundesregierung zur Änderung der ZPO. Die diese Überlegungen jedoch dann insbesondere aus Ergänzung, die wir in das Gesetz eingefügt haben, be- praktischen Erwägungen verworfen. trifft die sogenannte Monatsanfangsproblematik beim Pfändungsschutzkonto. In der Praxis gibt es in diesem Denn die nachträgliche Einbeziehung von Erbfällen, Zusammenhang ganz offenbar Anwendungsschwierig- die teilweise schon viele Jahre zurückliegen, wäre mit keiten. Es geht dabei um die Auszahlung von nicht erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden. pfändbaren Beträgen, die dem Konto des Schuldners Die betroffenen Erbfälle sind oftmals bereits rechtskräf- zum Monatsende gutgeschrieben werden, aber eigent- tig entschieden und auch abgewickelt. Diese Fälle nach lich erst für den Folgemonat bestimmt sind. Unklar ist in einer langen Zeit nachträglich wieder aufzurollen, wäre der Praxis, ob diese Beträge im Monat der Gutschrift rechtlich höchst kompliziert und, wenn überhaupt, nur oder erst im darauffolgenden Monat angerechnet wer- äußerst schwer zu realisieren. Dabei ist auch zu berück- den. sichtigen, dass sich die Ansprüche in den meisten Fällen nicht mehr durchsetzen ließen, da die Vermögenswerte Um weitere Unsicherheiten zulasten der betroffenen nicht mehr vorhanden sein dürften und daher die Erben Schuldner zu vermeiden, ist nunmehr eine gesetzliche den Einwand der Entreicherung erheben könnten. Auf Präzisierung vorgesehen. Demzufolge soll die Bank den dieses Problem haben auch die Sachverständigen hinge- überwiesenen Betrag zunächst bis zum Ende des auf den wiesen. Im Übrigen stehen einer weitergehenden Rege- Zahlungseingang folgenden Kalendermonats zurückhal- lung verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf ten und gegebenenfalls erst dann an den Gläubiger aus- das Rückwirkungsverbot und den Vertrauensschutz der kehren. Damit soll sichergestellt werden, dass Beträge, Erben entgegen. Darauf wurde auch von der Bundesre- die der Existenzsicherung in einem bestimmten Monat dienen, den Empfängern auch in diesem Monat zur Ver- (B) gierung in der Gesetzesbegründung ausführlich hinge- (D) wiesen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns im Er- fügung stehen und nicht durch eine Weiterleitung an den gebnis gegen eine weitergehende Rückwirkung auf die Gläubiger entzogen werden. Insofern handelt es sich um Zeit vor dem 29. Mai 2009 entschieden. eine technische Modifizierung, die im Interesse der Be- troffenen Klarheit schafft. Umso wichtiger ist es daher für uns gewesen, dass zu- mindest bei Erbfällen nach der Entscheidung des Euro- Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass wir mit päischen Gerichtshofs für Menschenrechte die nichtehe- dem vorliegenden Gesetzentwurf und den Änderungs- lichen Kinder vollständig gleichgestellt werden. In vorschlägen des Rechtsausschusses einen guten Weg ge- diesem Sinne sieht die Beschlussempfehlung des Rechts- funden haben, um nichteheliche Kinder im Bereich des ausschusses vor, dass die im Regierungsentwurf vorgese- Erbrechts endlich gleichzustellen. Aus praktischen und hene Ausnahmeregelung, wonach erbrechtliche Ansprü- verfassungsrechtlichen Gründen war eine weiterge- che zwischen den weiteren Verwandten ausgeschlossen hende Rückwirkung leider nicht möglich. Insgesamt ha- sein sollen, wenn am 29. Mai 2009 das nichteheliche ben wir in guter und konstruktiver Zusammenarbeit eine Kind, der Vater und die Mutter schon verstorben waren, überzeugende Lösung gefunden. Ich hoffe daher heute ersatzlos gestrichen wird. Aus unserer Sicht gibt es für auf breite Zustimmung. eine solche Ausnahme keinen sachlichen Grund. Es wäre nicht nachzuvollziehen, wieso die Abkömmlinge Sonja Steffen (SPD): des nichtehelichen Kindes in den beschriebenen Fall- Recht und Gesetz müssen laufend an die gesellschaft- konstellationen vom Erbrecht abgeschnitten und inso- liche Weiterentwicklung und an die aktuelle Lebenswirk- fern gegenüber den Abkömmlingen der ehelichen Kinder lichkeit angepasst werden. Leider mangelt es dem Ge- benachteiligt sein sollten. Das würde die bisherige Dis- setzgeber dabei immer einmal wieder an der notwen- kriminierung der nichtehelichen Kinder lediglich perpe- digen Konsequenz. Ein Beispiel hierfür ist die erbrecht- tuieren. Ich denke, hier hat der Rechtsausschuss eine liche Gleichstellung nichtehelicher Kinder. richtige und wichtige Änderung beschlossen. Im Verlauf der Einführung des Gesetzes über die Wir haben uns im Rechtsausschuss auch mit der rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder, NEhelG, Frage befasst, ob das Gesetz zusätzlich um eine flankie- vom 19. August 1969 wurde eine Ausnahmeregelung ge- rende Regelung erweitert werden soll, die eine nach- schaffen, die dazu führte, dass vor dem 1. Juli 1949 ge- trägliche Anrechnung von Zuwendungen des nichteheli- borene nichteheliche Kinder bis heute mit ihren Vätern chen Vaters auf das Erbe des nichtehelichen Kindes als nicht verwandt gelten und daher auch kein gesetzli- ermöglicht. Dies wurde von einigen Sachverständigen ches Erbrecht haben. Bis heute wurde es versäumt, diese

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Sonja Steffen (A) Gruppe umfassend gleichzustellen. Die damit verbun- eingefordert haben, mit der jetzigen Regelung leider (C) dene erbrechtliche Problematik ist seit langem bekannt, nicht erreichen. Sie werden zu Recht enttäuscht sein. wie die hierzu eingereichten Petitionen belegen. Aller- dings war erst eine Entscheidung des Europäischen Ge- Abschließend möchte ich die Gelegenheit nutzen, richtshofs für Menschenrechte nötig, um ein Gesetzge- darauf hinzuweisen, dass mit diesem Gesetzgebungsver- bungsverfahren in Gang zu setzen. fahren ein Weg gefunden wurde, um auch eine wichtige Weiterentwicklung im Bereich des Pfändungsschutzkon- Wir, die SPD-Bundestagsfraktion, begrüßen es aus- tos schnell vorzunehmen. Die ersten Erfahrungen mit drücklich, dass mit dem heute zur Abstimmung stehen- dem sogenannten P-Konto haben Anwendungsschwie- den Gesetzentwurf die vor dem 1. Juli 1949 geborenen rigkeiten bei der Auszahlung von Beträgen gezeigt, die nichtehelichen den ehelichen Kindern für die Zukunft am Monatsende gutgeschrieben, aber für den Folgemo- auch erbrechtlich gleichgestellt werden. Wir werden nat bestimmt waren. Durch die gesetzliche Klarstellung dem Gesetz daher zustimmen. Im Zuge der parlamenta- werden nun im Interesse der Betroffenen bestehende Un- rischen Beratungen wurde eine wichtige Korrektur vor- sicherheiten ausgeräumt. genommen: Das ab dem 29. Mai 2009 geltende Erbrecht wurde auch auf Verwandte des nichtehelichen Kindes Stephan Thomae (FDP): und des Vaters ausgedehnt. Die Diskriminierung wegen Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein weiterer nichtehelicher Geburt wird damit zumindest ab dem Schritt auf dem von Art. 6 Abs. 5 GG vorgegebenen Weg. Stichtag der Urteilsverkündung durch den EGMR um- Darin wird dem Gesetzgeber aufgetragen, für nichtehe- fassend beseitigt. liche Kinder die gleichen Bedingungen für ihre leibliche Der Stichtag ist allerdings der Knackpunkt des Geset- und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Ge- zes. Hier hätte ich mir ein mutigeres Datum als den sellschaft zu schaffen wie für ehelich geborene Kinder. 29. Mai 2009 gewünscht. Natürlich darf bei bereits ein- Diesem Ziel kommen wir im Erbrecht mit der Verab- getretenen und abgewickelten Erbfällen der Vertrauens- schiedung des Gesetzentwurfes bedeutend näher. Rück- schutz, den die gesetzlichen Erben genießen, nicht außer wirkend ab dem 29. Mai 2009 werden nun nichtehelich Acht gelassen werden. Eine weiterreichende Rückwir- geborene Kinder und auch deren Abkömmlinge im Er- kung hätte zu erneuten Auseinandersetzungen bei schon brecht mit ehelich geborenen Kindern gleichgestellt. abgewickelten Erbengemeinschaften führen können. Be- Dies ist nicht nur eine deutliche Verbesserung der Posi- sonders schwierig wäre es zum Beispiel bei Fällen ge- tion unehelich geborener Kinder. Wir beheben damit worden, bei denen der Nachlass bereits verbraucht auch den Verstoß gegen Art. 8 und Art. 14 der Europäi- wurde. Dem Gesetzgeber sind hier aufgrund des Ver- schen Menschenrechtskonvention, den der Europäische (B) trauensschutzes auch verfassungsrechtlich sehr enge Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung (D) Grenzen gesetzt. vom 28. Mai 2009 festgestellt hatte. Ich habe bewusst In den unterschiedlichen Berichterstattergesprächen gesagt, dass wir uns dem Ziel des Art. 6 Abs. 5 GG nä- wurde aber aus meiner Sicht deutlich, dass zumindest hern. Eine Gleichstellung unehelicher Kinder auch für eine Rückwirkung auf den 1. April 1998, dem Tag des In- die Zeit vor dem 29. Mai 2009 ist aus Praktikabilitäts- krafttretens des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes, mög- gründen und aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht lich und umsetzbar gewesen wäre. Erst seit 1998 wird möglich. Dies hätte nämlich zur Folge, dass zahlreiche ein nichteheliches Kind grundsätzlich Mitglied der Er- bereits auseinandergesetzte Erbengemeinschaften wie- bengemeinschaft. Bei vorhergehenden Erbfällen galt der zusammentreten müssten, um sich erneut auseinan- nur ein Erbersatzanspruch. derzusetzen. Ein Weg wäre gewesen, bei Erbfällen zwischen April Dabei würde sich dann die Frage stellen, was ge- 1998 und Mai 2009 einen Anspruch in Anlehnung an schieht, wenn die Erbmasse im Falle einer Neuauseinan- den Pflichtteilsanspruch einzuräumen. Leider haben dersetzung bereits verbraucht ist. Hier wurde teilweise sich die Koalitionsfraktionen und das Bundesjustizmi- vorgeschlagen, es könne eine Art Entreicherungseinrede nisterium mit einer solchen, meiner Meinung nach ge- eingeführt werden. Dies würde jedoch zu einem weiteren rechteren Lösung nicht anfreunden können. Gerechtigkeitsproblem führen: Derjenige, der den Nach- lass bereits verschwendet hat, wäre dann besser gestellt Auch zukünftig werden alle nichtehelich geborenen als der Erbe, der eigentlich für seine eigene Familie vor- Menschen, die vor dem 1. Juli 1949 geboren sind und sorgen wollte. deren Väter bis zum 29. Mai 2009 verstorben sind, eben nicht erbrechtlich den ehelichen Kindern gleichgestellt. Würde man den Ansatz einer vollständigen Gleich- Noch ist nicht absehbar, wie der EGMR in dieser Frage stellung konsequent zu Ende denken, müsste man dann zukünftig entscheiden wird. Zumindest in Fällen, in de- auch die Frage klären, ob Erbansprüche vererbbar sind. nen wie bei dem verhandelten Erbfall aus dem Jahr Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die bisherigen 1998 keine näherstehenden gesetzlichen Erben vorhan- Erben auf den Schutz ihrer gewonnen Rechtsposition den sind, könnte der EGMR auch nach Verabschiedung vertrauen durften. Zuletzt hatte das Bundesverfassungs- dieses Gesetzes eine Konventionswidrigkeit feststellen. gericht dies in seiner Entscheidung vom 20. November 2003 bestätigt. Eine Gleichstellung nichtehelicher Kin- Alles in allem werden wir einige Menschen, die mit der auch für die Zeit vor dem 29. Mai 2009 würde diesen Petitionen oder sogar vor dem Europäischen Gerichts- Vertrauensschutz zunichte machen. Vor diesem Hinter- hofs für Menschenrechte ihr Recht auf Gleichstellung grund haben wir uns nach intensiven Diskussionen da-

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Stephan Thomae (A) für entschieden, den 29. Mai 2009 als Stichtag für die das nur ab dem Stichtag der Verkündung der Entschei- (C) Gleichstellung zu wählen. dung des Europäischen Gerichtshofs für Menschen- rechte gelten soll. Wieder mal umgefallen! Deshalb blei- Der vorliegende Gesetzentwurf behandelt neben der ben, dank des Stichtages 29. Mai 2009, doch noch Gleichstellung unehelich geborener Kinder im Erbrecht Ungerechtigkeiten, weshalb die deutlichen Verbesserun- noch ein weiteres Thema. Die sogenannte Monatsan- gen im Gesetz nicht ausreichen, um dem Gesetz zustim- fangsproblematik war eine Folge des am 1. Juli 2010 in men zu können. Kraft getretenen Gesetzes zur Reform des Kontopfän- dungsschutzes. Sie tritt insbesondere dann auf, wenn ei- Nach wie vor wird bei Kindern, welche in der DDR nem Pfändungsschutzkonto eines Schuldners unpfänd- geboren sind, unterschiedlich gehandelt, soweit es das bare Beträge zum Monatsende gutgeschrieben werden Erbrecht angeht. Denn nur, wenn der nichteheliche Va- und für den Folgemonat bestimmt sind. ter seinen Aufenthalt auf dem Hoheitsgebiet der DDR hatte, war das Kind von ihm auch erbberechtigt. Dazu Ein Pfändungsschutzkonto sichert einem Schuldner möchte ich zitieren: gegenüber seinen Gläubigern einen monatlichen Min- destbetrag, den er zum Bestreiten seiner Existenz benö- Der Vater des nichtehelichen Kindes hatte am tigt. Nach dem 1. Juli 2010 waren vermehrt Fälle aufge- 2. Oktober 1990 (24 Uhr) seinen gewöhnlichen treten, in denen Beträge, die zum Monatsende auf einem Aufenthalt im Gebiet der ehemaligen DDR. Dann Pfändungsschutzkonto eingegangen und für den Folge- ist auch auf einen späteren Erbfall das Erbrecht monat bestimmt waren, dem Schuldner letztlich nicht zur der DDR anzuwenden, wonach das nichteheliche Verfügung standen. Kind und der Vater gegenseitig erb- und pflicht- teilsberechtigt sind, Art. 235 § 1 EGBGB; §§ 365, Das neue Gesetz regelt nun explizit, dass unpfänd- 367, 396 DDR-ZG. Der Aufenthalt des Kindes ist bare Beträge, die dem Pfändungsschutzkonto eines dabei nicht maßgeblich. Schuldners zum Monatsende zufließen und für den Fol- gemonat bestimmt sind, von der Bank erst nach Ablauf Ich finde es schade, dass die ursprüngliche Mehrheit des auf den Zahlungseingang folgenden Monats an den der Berichterstatter sich nicht durchsetzen konnte, die Gläubiger des Schuldners weitergeleitet werden dürfen. Stichtagsregelung entfallen zu lassen, um wirklich alle Diese Regelung schafft für alle Beteiligten Klarheit und Kinder zu erfassen. ist ein wirksames Mittel gegen die Monatsanfangspro- blematik. Die FDP-Bundestagsfraktion wird den Ge- Dass hier der Vertrauensschutz seitens des Ministeri- setzentwurf vor diesem Hintergrund befürworten. ums in den Vordergrund gespielt wurde, lässt Fragen of- fen, die auch nicht dadurch ausgehebelt werden, dass es (B) bei Aufhebung des Stichtages zu neuen Ungerechtigkei- (D) Jörn Wunderlich (DIE LINKE): ten kommen könnte. Insgesamt kann die Argumentation Ungleichbehandlung beenden! Das war die Forde- der Koalition meine Fraktion und mich nicht restlos rung des Europäischen Gerichtshofs für Menschen- überzeugen. Mit dem eingebrachten Änderungsantrag rechte vor nunmehr knapp zwei Jahren. Dies bezog sich wurde zwar die erbrechtliche Gleichstellung auch auf auf die bis dahin im deutschen Erbrecht vorgesehene die Nachkommen nichtehelicher Kinder erstreckt, wenn Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen der nichteheliche Erblasser zum Zeitpunkt des Stichta- Kindern, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden. Nach ges bereits verstorben war, und auch die sogenannte dem überarbeiteten Gesetzentwurf soll dies korrigiert Monatsanfangsproblematik wurde durch die weiteren werden und sollen alle vor dem 1. Juli 1949 geborenen Ergänzungen beseitigt. Ob allerdings auch weiterhin ge- nichtehelichen Kinder künftig auch gesetzliche Erben gen das Diskriminierungsverbot verstoßen wird und wie ihrer Väter werden. hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass es zu weiteren Ver- urteilungen Deutschlands durch den EGMR kommen An der kuriosen Erbrechtsgeschichte hat sich nichts kann, müssen gegebenenfalls die Gerichte prüfen. geändert; ich möchte sie nochmals anführen: Nichtehe- liche Kinder, die vor dem 01. Juli 1949 geboren sind, Bei all den positiven Änderungen, welche durch das hatten nach der bislang gültigen Rechtslage grundsätz- Gesetz eingeführt werden, können wir dem Gesetz aber lich kein Erbrecht nach ihrem Vater und dessen Ver- aus den vorgenannten Gründen nicht zustimmen. wandten. Umgekehrt genauso: Auch der Vater des ver- storbenen nichtehelichen Kindes konnte nicht dessen Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erbe sein. Beide galten als nicht verwandt, Art. 12 § 10 Nichtehelichengesetz. Dies ist jetzt leider nicht umfas- Heute beraten wir abschließend über den Gesetzent- send, wie von der Linken gefordert, sondern nur teil- wurf der Bundesregierung zu einem zweiten Gesetz zur weise geändert worden. erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder. Die Bundesregierung hat diesen Gesetzentwurf vorge- Zunächst bestand die Hoffnung – da in den Bericht- legt, weil der Europäische Gerichtshof für Menschen- erstattergesprächen sich fast alle Beteiligten fraktionsü- rechte in seiner Entscheidung vom 28. Mai 2009 festge- bergreifend einig waren –, nichteheliche Kinder und stellt hat, dass das geltende deutsche Erbrecht gegen die eheliche Kinder erbrechtlich umfassend gleichzustellen. Menschenrechtskonvention verstößt. Denn nichteheliche Diese Hoffnung schwand, als die FDP dann wieder um- Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren sind, sind im fiel und sich gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner Erbrecht ehelichen Kindern nicht vollständig gleichge- darauf einigte, die Fälle derart zu beschränken, dass stellt. Deutschland wurde deshalb vom Europäischen

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Ingrid Hönlinger (A) Gerichtshof für Menschenrechte zu einer Entschädi- braucht hat, nicht mehr zur Auszahlung oder Rückzah- (C) gungszahlung an das betroffene nichteheliche Kind ver- lung verpflichtet ist. pflichtet. Der Entscheidung lag ein Erbfall aus dem Jahre 1998 zugrunde. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der CDU/CSU, Sie begründen die kurze Rückwirkung bis Für uns Grüne ist die Gleichstellung von nichteheli- zum 28. Mai 2009 damit, dass der Vertrauensschutz be- chen Kindern seit Jahren ein zentrales Anliegen. Wir be- rücksichtigt werden müsse, der mit der Festlegung des grüßen die – nach den Gesprächen im Rechtsausschuss – Stichtags für die Gleichbehandlung ehelicher und durchaus vorgenommenen kleinen Änderungen an dem nichtehelicher Kinder auf den 1. Juli 1949 geschaffen Gesetzentwurf. Sie stellen zumindest eine Verbesserung wurde. Das ist sicher richtig. Allerdings muss auch dies des ursprünglichen Entwurfs dar. Die Bundesregierung im Rahmen einer Abwägung erfolgen. Dabei müssen wir sieht in ihrem Entwurf aber lediglich eine erbrechtliche berücksichtigen, dass der Europäische Gerichtshof für Gleichstellung von nichtehelichen Kindern vor, wenn Menschenrechte in seinem Urteil ausgeführt hat – ich zi- der Erbfall nach dem 28. Mai 2009 eintritt. Somit wer- tiere –: den nichteheliche Kinder, deren Väter vor dem 28. Mai 2009 verstorben sind, erbrechtlich nicht berücksichtigt. Der Gerichtshof ist insbesondere der Auffassung, dass … der Gesichtspunkt des Schutzes des „Ver- Uns Grünen erschließt sich die Argumentation der trauens“ des Erblassers und seiner Familie dem Bundesregierung nicht. Aus grüner Sicht gibt es keinen Gebot der Gleichbehandlung nichtehelicher und sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung. Wir ehelicher Kinder unterzuordnen ist. fragen uns: Wieso soll eine Gleichbehandlung nur ein- treten, wenn der Erbfall nach dem 28. Mai 2009 einge- Das bedeutet: Der Europäische Gerichtshof stellt die treten ist? Die FDP begründet die Ungleichbehandlung Gleichbehandlung der Kinder über den Vertrauens- mit angeblich bestehenden praktischen Problemen. schutz des Erblassers und seiner Erben. Zahlreiche bereits abgewickelte Erbfälle müssten neu aufgerollt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat der Fraktion der FDP, es geht um die Gleichstellung der in seiner Entscheidung eine umfassende Abwägung zwi- nichtehelich geborenen Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 schen den Interessen des nichtehelichen Kindes und den geboren sind, also um Personen, die heute 62 Jahre und Interessen des Erblassers bzw. seiner Familie vorge- älter sind. Es geht somit nicht um eine unüberschaubare nommen. Damit hat er dem deutschen Gesetzgeber viele Anzahl von Fällen, die neu aufgerollt werden müssten. Anhaltspunkte für eine mögliche Abwägung vorgegeben. Alle jüngeren nichtehelichen Kinder sind bereits er- Diese Anhaltspunkte müssen wir im Gesetzgebungsver- brechtlich gleichgestellt. fahren berücksichtigen. Wir können uns nicht zurückleh- (B) (D) nen und zuschauen, wie der nächste Einzelfall von den In der Praxis des Erbrechts ist das Aufrollen von be- höchsten Gerichten entschieden wird, um eine endgül- reits abgewickelten Erbfällen auch nichts Neues. Das tige Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen gibt es immer wieder. Anwaltschaft und Gerichte sind Kindern zu erreichen. Hier ist auch entscheidend, dass gewohnt, damit umzugehen. Ganz abgesehen davon darf der Erbfall, den der Europäische Gerichtshof zu beurtei- der Arbeitsaufwand an Gerichten auch kein Argument len hatte, lange vor dem Stichtag lag, den die Bundesre- sein, die grundrechtlich geschützte Gleichbehandlung gierung in ihrem Gesetzentwurf zugrunde legen will, ehelicher und nichtehelicher Kinder einzuschränken. nämlich bereits im Jahr 1998. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der FDP, Sie führen weiter an, dass Gerechtig- Abschließend ist festzuhalten: Das Erbrecht ist si- keitsungleichgewichte aufträten, wenn derjenige, der cherlich keine einfache Materie. Gleichwohl darf die den Nachlass verschwendet hat, bessergestellt wird als Bundesregierung sich nicht ihrer Verantwortung entzie- ein sparsamer Nachkomme. Der verschwenderische hen, eine wirklich gerechte und ausgleichende Regelung Erbe könne sich nämlich auf die Einrede der Entreiche- für nichteheliche Kinder zu schaffen, zumal diese Kinder rung berufen. Der sparsame Erbe müsste sein Erbe tei- ihre personenstandsrechtliche Situation in keiner Weise len. mit verursacht haben. Der Gesetzentwurf der Bundesre- gierung geht in die richtige Richtung, er geht jedoch Über dieses Argument kann man nachdenken. Aller- nicht weit genug. Wir werden uns bei der Abstimmung dings sollte immer der Gesamtkontext im Blick behalten daher enthalten. werden. Die Möglichkeit eines Erben, sich darauf zu be- rufen, dass er erbrechtliche Ansprüche nur aus einer noch vorhandenen Erbmasse erfüllen muss und nicht Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: aus seinem sonstigen Privatvermögen, ist Ausdruck des Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss Vertrauensschutzes des Erben. Der Vertrauensschutz ist empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck- ein Umstand, den wir bei der Abwägung berücksichtigen sache 17/4776, den Gesetzentwurf der Bundesregierung müssen. Hinzu kommt, dass die Einrede der Entreiche- auf Drucksache 17/3305 in der Ausschussfassung anzu- rung bereits für das gesamte Zivilrecht und damit auch nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in für das Erbrecht gilt. Somit sind nicht nur Fälle der der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand- Gleichstellung nichtehelicher Kinder betroffen. Viel- zeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ge- mehr ist es ein allgemeiner zivilrechtlicher Ausdruck, setzentwurf ist in zweiter Lesung mit den Stimmen der dass derjenige, der das Vermögen gutgläubig ver- Koalitionsfraktionen und der Fraktion der SPD bei Ent- 10608 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) haltung der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die selbstverständlich auch für die Leistungen der Integra- (C) Grünen angenommen. tionsfachdienste zur Vermittlung schwerbehinderter Menschen – mit Ausnahme von Rehabilitationsleistun- Dritte Beratung gen, welche nach den §§ 111 und 113 SGB IX ausgenom- und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu- men sind. stimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – Nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ist ein gleicher Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit gleichem Zugang aller privaten Dienstleister zu öffentlichen Auf- Stimmverhältnis angenommen. trägen im Rahmen wettbewerblicher Vergabeverfahren Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf: zu gewährleisten. Das Vergaberecht ist ein geeignetes Instrumentarium, um den erforderlichen Anforderungen Beratung des Antrags der Abgeordneten Silvia an die zu erbringenden Dienste flexibel gerecht zu wer- Schmidt (Eisleben), Anette Kramme, Petra Ernst- den. Wir brauchen Dienstleister für diese bedeutungs- berger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion volle Aufgabe, die zuverlässig sind und die fachkundige der SPD und leistungsfähige Dienste anbieten. Und entscheidend Ausschreibungspflicht für Leistungen der In- hier ist nicht primär der Preis der Dienstleister. Ent- tegrationsfachdienste stoppen – Sicherstel- scheidend ist die im Interesse der schwerbehinderten lung von Qualität, Transparenz und Effizienz Menschen erforderliche Qualität der Dienstleistung. – Drucksache 17/4847 – Doch natürlich gibt es auch Sonderfälle. Kommt etwa Überweisungsvorschlag: für die Leistung aus besonderen Gründen nur ein Unter- Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) nehmen in Betracht, wäre eine freihändige Vergabe auch Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ohne die Ermöglichung von Wettbewerb selbstverständ- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend lich zulässig. Daraus wird auch ersichtlich, dass beim Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Vergaberecht lediglich der Prozess der Vergabe festge- legt ist, nicht jedoch die Qualität der Leistung. Paul Lehrieder (CDU/CSU): Zudem erfolgt dadurch eine präzise Struktur der zu Die SPD fordert in ihrem Antrag die Aufhebung der erbringenden Leistung. Eine Dynamik, Flexibilität und Ausschreibungspflicht für Leistungen der Integrations- ein gewisser Druck an den ausführenden Dienstleister, fachdienste. Im Folgenden möchte ich Ihnen, liebe Kol- eine zeitgemäße und dem aktuellen Forschungsstand ge- legen, darlegen, dass Sie mit Ihren Ausführungen zu die- mäße Leistung anzubieten, ist zentral für eine erfolgrei- ser Forderung falsch liegen. che Integration schwerbehinderter Menschen. (B) (D) Aufgrund der prognostizierten demografischen Ent- Demnach ist der Träger verpflichtet, mit Angebotsab- wicklung in unserem Land und dem daraus hervorge- gabe ein detailliertes inhaltliches Konzept vorzulegen, henden Fachkräftemangel ist es unser Ziel, das Arbeits- in welchem eventuelle behinderungsspezifische Beson- kräftepotenzial von schwerbehinderten Menschen zu derheiten der Teilnehmer zu berücksichtigen sind. Dazu aktivieren. Bisher ungenutzte Potenziale müssen intensi- gehört es, erstens eine Analyse und Aufarbeitung der ver für den Arbeitsmarkt genutzt werden, und nicht nur Bewerberprofile durchzuführen, zweitens ein Bewerber- deshalb, sondern auch aufgrund unserer moralischen coaching-Konzept und Strategien zur Aktivierung von Verpflichtung, alle Menschen in unsere Gesellschaft zu Eigenbemühen darzulegen, drittens Methoden aufzuzei- integrieren und dafür zu sorgen, dass jeder die Möglich- gen, wie Teilnehmern ermöglicht werden kann, Teile der keit hat, sich an unserem Gemeinwohl zu beteiligen und Maßnahmen bei einem Arbeitgeber zu absolvieren, und einen möglichen Beitrag dazu zu leisten und für diesen viertens ein Konzept zur Nachbetreuung vorzulegen. Zu- auch Wertschätzung zu erfahren. dem erfolgt eine weitere Systematisierung durch die Festlegung einer Präsenzzeit der Teilnehmer auf 15 Stun- Die Bundesregierung prüft gerade in Abstimmung mit den; diese sind notwendig, um einen angemessenen den Ländern, wie vorhandene Bundesmittel aus der Aus- Raum zu bieten, die komplexen inhaltlichen Anforderun- gleichsabgabe zur Verbesserung der Ausbildungs- und gen vermitteln zu können. Beschäftigungssituation schwerbehinderter Menschen genutzt werden können. Aber nicht nur inhaltlich werden wichtige Maßstäbe festgesetzt, sachgerechte Anforderungen werden auch Ein zentrales Element zur Eingliederung schwerbe- an die technische Ausstattung gestellt. So muss der hinderter Menschen sind die Integrationsfachdienste, Stand der Technik den gesetzlichen Vorgaben, beispiels- deren Leistung die Kolleginnen und Kollegen der SPD weise nach der Arbeitsstättenverordnung oder Bild- in ihrem Antrag zu Recht als eine „kontinuierliche schirmarbeitsverordnung, entsprechen. hervorragende Arbeit in einer verlässlichen bundesein- heitlichen Struktur“ bewerten. Die CDU/CSU-Bundes- Der Antragsteller bemängelt eine fehlende Kontinui- tagsfraktion unterstützt auch weiterhin die Arbeit der tät durch das Vergaberecht. Eine Laufzeit der Verträge Integrationsfachdienste und erkennt deren zentrale Be- über einen Zeitraum von 33 Monaten gewährt durchaus deutung an. eine verlässliche Planungssicherheit für die beauftrag- ten Träger. Grundsätzlich muss gesagt werden, dass die Bun- desagentur für Arbeit Arbeitsmarktdienstleistungen im Nach § 46 SGB III hat der Gesetzgeber in Abs. 4 Satz 1 Rahmen des Vergaberechts beschafft, und dies gilt vorgegeben: „Das Vergaberecht findet Anwendung.“ Im Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10609

Paul Lehrieder (A) Antrag wird eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Rahmen wettbewerblicher Vergabeverfahren zu gewähr- (C) Dienstes zitiert, in welcher behauptet wird, dass der Ab- leisten. satz nur mit der Formulierung „Das Vergaberecht ist Die vergaberechtliche Rechtsprechung stellte klar, anzuwenden“ zwingendes Recht sein würde. Das vom dass Freihandvergaben nur an Einrichtungen möglich Bundesministerium der Justiz herausgegebene „Hand- sind, die unmittelbarer Teil der staatlichen Verwaltung buch der Rechtsförmlichkeit“ geht im Gegenteil davon und daher vom Wettbewerb mit gewerblichen Unterneh- aus, dass die beiden Formulierungen eine identische Be- men ausgeschlossen sind. Da Integrationsfachdienste deutung haben. Ein Ermessen wird in der Regel durch keine staatlichen Regiebetriebe, sondern Dienste Dritter das Wort „kann“ ausgedrückt, was hier nicht der Fall sind, stand die freihändige Vergabe für Auftragsverga- ist. ben der Bundesagentur für Arbeit an Integrationsfach- Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass § 46 dienste nicht mehr länger zur Verfügung. Schließlich Abs. 4 Satz 1 SGB III einen deklaratorischen Verweis auf wurden die entsprechenden Regelungen bei der Novel- das Vergaberecht beinhaltet, welcher besagt, dass das lierung der VOL/A im Jahre 2009 gestrichen, weil sie Vergaberecht dann anwendbar ist, wenn die Vorausset- mit großen rechtlichen Unsicherheiten behaftet waren zungen des Vergaberechts vorliegen. Diese liegen dann und ihren Zweck, Wettbewerbsverzerrungen zu vermei- vor, wenn Verträge der Integrationsämter mit privaten den, nicht mehr erfüllten. Dritten abgeschlossen werden, sofern es sich nicht um Von der geänderten Rechtslage ist aber nur ein Teil Rehabilitationsleistungen handelt. der Integrationsfachdienste betroffen. Nur in Baden- Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen haben Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg einer bisher Integrationsfachdienste nahezu flächendeckend Integrationsmaßnahme ist fachlich qualifiziertes und Leistungen zur Vermittlung schwerbehinderter Men- geschultes Personal. Durch die existierenden hohen An- schen erbracht. In Hamburg, Hessen, Niedersachsen forderungen an die Qualifikation des in der Maßnahme und Rheinland-Pfalz waren bzw. sind sie nur teilweise eingesetzten Personals in den Ausschreibungsunterla- beauftragt. In anderen Ländern, in Berlin, Brandenburg, gen wird ein ausreichend hoher Qualitätsstandard für Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt die Durchführung festgelegt. Den besonderen Bedürf- und Thüringen, werden diese Leistungen durch andere nissen schwerbehinderter Menschen wird damit Rech- Dienstleister am Markt erbracht. nung getragen – nicht jedoch mit dem vorliegenden An- trag. Das Vergaberecht ist nur ein Instrument zur Beschaf- fung der erforderlichen Ressourcen für die Erbringung der Sozialleistungen. Im Vordergrund steht daher die (B) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Frage, welche Leistungen benötigt werden und angebo- (D) In ihrem Antrag plädiert die SPD für die Abschaffung ten werden müssen. der Ausschreibungspflicht für Integrationsfachdienste. Die Qualitätskriterien spielen unter den Ausschrei- Dem Antrag liegen dabei zwei Grundannahmen zu- bungsbedingungen eine herausragende Rolle. Im Rah- grunde, deren Beweis die Sozialdemokraten aber schul- men der Wertung der Angebote erhält die Qualität eine dig bleiben, erstens dass die Art der Vergabe über die hohe Gewichtung im Verhältnis zum Preis, sodass die Qualität der Integration von behinderten Menschen ent- Position bewährter und kompetenter Maßnahmeträger scheidet und zweitens dass Integration von behinderten im Ausschreibungsverfahren gestärkt wird. Vergleich- Menschen ausschließlich über die Integrationsfach- bare Ausschreibungen zur Unterstützten Beschäftigung, dienste geleistet werden könne. bei denen bereits umfangreiche Qualitätsanforderungen Sozialrecht und Vergaberecht stehen meines Erach- an die Bieter gestellt worden sind, wurden auch von Ver- tens nicht im Widerspruch zueinander. Mit dem Vergabe- bänden, die Ausschreibungen tendenziell kritisch gegen- recht steht uns ein Instrumentarium zur Verfügung, um überstehen, inhaltlich grundsätzlich positiv gewürdigt. auch den Anforderungen beim Einkauf von Diensten zur Es kann auch nicht gesagt werden, dass Integrations- Erbringung von Sozialleistungen gerecht zu werden. fachdienste in ihrer Existenz bedroht sind, wenn sie bei Dies trifft sowohl auf die notwendigen Anforderungen einer Ausschreibung einmal nicht den Zuschlag bekom- an die Eignung bei der Auswahl fachkundiger, leistungs- men. Im Übrigen bieten die komplexen Maßnahmepa- fähiger und zuverlässiger Dienstleister als auch auf die kete nach § 46 SGB III den Diensten die Chance, ein Ermittlung des im Hinblick auf die Qualität der Leis- weit größeres Geschäftsfeld zu erschließen, als dies bei tungserbringung wirtschaftlichsten Angebots zu. Der den reinen Vermittlungsleistungen der Fall war. Preis allein ist dabei nicht entscheidend. Das Vergabe- Eine Evaluation sowohl der Ausschreibungen als recht regelt lediglich den Prozess der Vertragsan- auch der Umsetzung der Maßnahmen ist vorgesehen. bahnung. Um die Qualität auch bei der Ausführung der Die Maßnahmen der beruflichen Eingliederung schwer- Leistung sicherzustellen, sind entsprechende vertrags- behinderter Menschen wurden erstmalig und unabhän- rechtliche Regelungen, zum Beispiel Zielesteuerung, gig voneinander mit regional unterschiedlichen Zeit- Kontrolle, Rückkopplung und Nachjustierung vorzuse- schienen im Herbst 2010 ausgeschrieben. Als Beginn hen. Entscheidend sollte für uns alle sein, dass Integra- der Maßnahmen war der 3. Januar 2011 vorgesehen. tion gelingt, und nicht, durch wen. Nicht zuletzt haben Eine erste inhaltliche Auswertung der Durchführungs- wir nach Art. 3 Grundgesetz allen privaten Dienstleis- qualität, insbesondere Analyse der Eingliederungsquo- tern den gleichen Zugang zu öffentlichen Aufträgen im ten, wird dann frühestens Ende 2012 erfolgen können.

Zu Protokoll gegebene Reden 10610 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Matthias Zimmer (A) Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der beit vermittelt. Insgesamt stieg die Zahl der unterstütz- (C) Integrationsmaßnahmen ist fachlich qualifiziertes und ten Menschen mit Behinderungen von 2005 bis 2009 geeignetes Personal. Zwar ist es vor dem Hintergrund sogar um 29 Prozent – von 77 600 auf rund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der- 100 000 Personen. Dabei ist besonders zu beachten, zeit vergaberechtlich nicht möglich, Vorgaben an die dass es sich bei den Klienten der IFD um eine sehr Dienstleister zur Entlohnung ihrer Fachkräfte zu stellen, schwer vermittelbare Zielgruppe handelt: Es sind über- doch kann auch durch die Anforderungen an die Quali- wiegend Menschen mit einer schweren seelischen, geis- fikation des in der Maßnahme eingesetzten Personals im tigen oder körperlichen Behinderung, seh- oder hörge- Rahmen der Ausschreibungsunterlagen ein ausreichend schädigte schwerbehinderte Menschen sowie Menschen hoher Qualitätsstandard für die Durchführung bestimmt mit mehrfachen Behinderungen. und damit den besonderen behinderungsbedingten Be- Die Integrationsfachdienste leisten somit seit Jahren dürfnissen der Teilnehmer Rechnung getragen werden. kontinuierlich hervorragende Arbeit in einer verlässli- Darüber hinaus unterstützen sachgerechte Anforderun- chen bundeseinheitlichen Struktur, auch wenn die Leis- gen an die technische Ausstattung, die dem Stand der tungen regional sehr unterschiedlich und durchaus aus- Technik und den gesetzlichen Vorgaben entsprechen baufähig sind. Eine Weiterentwicklung des Systems ist muss, die erfolgreiche Durchführung der Maßnahmen jedoch einer Öffnung und Zerschlagung vorzuziehen. zur beruflichen Eingliederung schwerbehinderter Men- Eine Zerschlagung ist zu befürchten, da die Integra- schen. tionsfachdienste seit vergangenem Jahr Aufträge für Lassen sie uns nun gemeinsam die Evaluation der Vermittlungsleistungen durch die Bundesagentur für Ar- Ausschreibungspflicht abwarten! Uns eint das Ziel einer beit nicht mehr freihändig erhalten, sondern sich dafür qualitativ hochwertigen und nachhaltigen Integration mit anderen Anbietern an Ausschreibungen beteiligen behinderter Menschen. Lassen sie uns dabei offen sein müssen. Die Anwendung der Ausschreibung für die Ver- für neue Lösungen und Wege! Es geht um Integration gabe von IFD-Leistungen wird vom zuständigen Bun- und nicht um Ideologie. Entscheidend für uns ist, dass desministerium für Arbeit und Soziales fälschlicher- Integration gelingt, und nicht, durch wen. weise für verbindlich und alternativlos gehalten. Ausschreibungen sind nicht grundsätzlich abzuleh- Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD): nen – das sage ich ganz bewusst –; sie sind uns ja zum Die Integrationsfachdienste wurden geschaffen, da- Teil auch durch europäische und nationale Wettbe- mit in dem Bereich der Vermittlung und Begleitung werbspolitik verordnet. Das gilt hier aber nicht, denn schwerbehinderter Menschen auf dem ersten Arbeits- der Sozialbereich ist ausnahmsweise von Ausschreibun- markt eine qualitativ hochwertige Dienstleistung und gen auszunehmen; es herrscht hier kein freier Wettbe- (B) (D) eine einheitliche und regional vernetzte Struktur ge- werb in einem freien Markt. Ökonomen sprechen von ei- währleistet werden können. Verantwortung dafür tragen nem sogenannten Marktversagen. Der Sozialmarkt die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter ge- erfordert eigene Steuerungsformen. meinsam. Nach unserer Auffassung lässt das Vergaberecht un- Menschen mit Behinderung sind auch selbst in diesen ter Beachtung des EU-Rechts grundsätzlich eine Aus- Diensten mitbeschäftigt und sorgen dafür, dass die nahme zu, denn die Staaten haben im Rahmen des EU- Chancen auf Teilhabe am Arbeitsleben insgesamt stei- Rechts nach wie vor die Verantwortung zur Steuerung gen. Dabei arbeiten die IFD sehr erfolgreich: Sie bieten und Gestaltung des Angebots und können begründete kompetente und individuell passgenaue Unterstützung Ausnahmeregelungen setzen, wie dies in einzelnen Be- für die Betroffenen und auch für die Arbeitgeber. Die reichen innerhalb der VOL/A auch vorgenommen wurde. IFD haben hervorragende Kontakte zu Arbeitgebern und können diesen erklären, wie man am besten einen Eine einfache Übertragung aus anderen Wirtschafts- schwerbehinderten Arbeitnehmer einstellt, können ihnen bereichen ist nicht sachgerecht, und das wird hier kon- die Berührungsängste nehmen und sie bei der Einrich- kret auch keinen Erfolg bringen. tung von barrierefreien Arbeitsplätzen unterstützen – das Ausschreibungen, wie wir sie aus der Praxis der Bun- Erfolgsgeheimnis der IFD! desagentur für Arbeit im Bereich der beruflichen Reha- So unterstützten die Integrationsfachdienste im Jahr bilitation kennen, treiben seit Jahren Anbieter in einen 2007 rund 89 800 besonders betroffene schwerbehin- Preiskampf und zerstören die Qualität, anstatt das vor- derte Menschen. Im Jahr 2005 waren es noch 77 600. handene, nachgewiesenermaßen erfolgreiche System Bei 30 400 in 2007 schwerbehinderten Menschen ge- beruflicher Teilhabe weiterzuentwickeln. Die Ausschrei- nügte eine qualifizierte Beratung bzw. eine kurzzeitige bung von Leistungen in dem Bereich der individuellen Intervention, um den Integrationserfolg zu erzielen. Dienstleistungen für schwerbehinderte Menschen ist 2005 waren es noch 26 500. Bei knapp 69 300 Personen völlig ungeeignet, erfolgreich die Vermittlung und Be- war hingegen eine umfangreichere und auch längerfris- gleitung am Arbeitsmarkt zu organisieren. Häufige Trä- tige Begleitung erforderlich, um ein bestehendes Ar- gerwechsel, die den Vermittlungserfolg durch Über- beitsverhältnis zu stabilisieren oder sie in ein neues zu gangszeiten und neu zu knüpfende Kontakte zu vermitteln. 2005 waren das noch 51 000 Personen. Unternehmen und Verwaltung behindern, sind für die In- tegration von Menschen mit Behinderungen auf dem all- Im Jahr 2009 haben die Integrationsfachdienste auf gemeinen Arbeitsmarkt kontraproduktiv. Erforderlich ist diesem Wege 7 324 schwerbehinderte Menschen in Ar- vielmehr eine kontinuierliche und verlässliche Leistung –

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10611

Silvia Schmidt (Eisleben) (A) beginnend von der ersten Kontaktaufnahme über die sich hier Bahn bricht und uns ein bewährtes System ka- (C) Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bis hin puttmacht. zu den begleitenden Hilfen. Es gibt keinen Nachweis – und auch das zuständige Gabriele Molitor (FDP): Ministerium konnte ihn bisher nicht erbringen –, dass Die Frage, wie Menschen mit Behinderung einen für Ausschreibungen generell und so, wie von der BA im sie passenden Arbeitsplatz finden, ist zentral. Selber Speziellen durchgeführt, tatsächlich zu einer gesteiger- Geld zu verdienen, davon leben zu können und selber be- ten Ergebnisqualität führen. Solange dieser Nachweis stimmen zu können, wie das Leben gestaltet sein soll, nicht da ist und immer nur beschworen wird, lehnt die macht unabhängig. Jeder Mensch soll unabhängig von SPD-Bundestagsfraktion Ausschreibungen im Bereich seinem Handicap entscheiden können, wie er sein Leben der Rehabilitation ab. Lassen Sie uns gemeinsam darü- gestalten möchte. Für mich als Liberale ist das ein zen- ber diskutieren, wie das Rehasystem weiterzuentwickeln traler Ansatz unserer Politik für Menschen mit Behinde- rung. ist, anstatt weiter der Ausschreibungsideologie anzu- hängen! Gerade Menschen mit Behinderung müssen beson- dere Anstrengungen unternehmen, um ihr Leben so ge- Die Ausschreibung ist somit nicht nur ein System- stalten zu können, wie sie es sich selber wünschen. Einen bruch, sondern, was mindestens genauso schwer wiegt: Arbeitsplatz zu haben, auch außerhalb des geschützten Die Ministerialbürokratie versucht mindestens seit Raumes einer Werkstatt, ist ein wesentlicher Teil eines 2009, das Parlament in dieser Frage auszuklammern. selbstbestimmten Lebens. Ich weiß aus vielen Gesprä- Wie unser Antrag aufzeigt, wurde der Gesetzgeber we- chen, dass Menschen mit Behinderung arbeiten wollen der durch die Berichte zur Rehabilitation oder zur Lage und hochmotiviert sind. Sie dabei zu unterstützen, einen der Menschen mit Behinderung noch durch Informatio- für sie passenden Arbeitsplatz zu finden, muss bereits in nen für den Ausschuss oder Berichterstattungen infor- der Schule beginnen. Beratung und Betreuung ist dann miert. Erst im März 2010, als die Änderung der Verga- effizient, wenn sie die individuelle Behinderung berück- beordnung durch das BMAS längst beschlossen war und sichtigt und Möglichkeiten aufzeigt, ein Arbeitsverhält- das Inkrafttreten zum 1. Mai nicht mehr aufgehalten nis aufzunehmen oder fortzuführen, zum Beispiel durch werden konnte, hat man eine nachträgliche Rechtferti- technische Hilfsmittel oder durch die Anpassung des Ar- gung ausgearbeitet. beitsplatzes. Theoriereduzierte Ausbildungsgänge sowie modulare Ausbildungsgänge bieten zum Beispiel lernbe- Dieses Verhalten kann für den Gesetzgeber nicht ak- hinderten Menschen die Möglichkeit, eine Ausbildung zeptabel sein – das sage ich auch in Richtung meiner zu absolvieren und einen Abschluss zu erlangen. Auch (B) Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktio- Unternehmen könnten durch gezieltes Jobcoaching er- (D) nen –; denn es hebelt eine gesetzlich verankerte Struktur mutigt werden, Menschen mit Behinderung einzustellen. auf dem Verordnungswege aus – ohne jede Chance der politischen Steuerung durch das Parlament. Was wird Integrationsfachdienste haben die Aufgabe übernom- die Folge sein? Fachlich wird die Qualität in der Ver- men, Menschen mit Behinderung bei Eingliederung und mittlung sinken, weil sich künftig viele andere, nicht Teilhabe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu unter- qualifizierte Anbieter mitbewerben dürfen. stützen. Sie sitzen an der Schnittstelle von Unternehmen und zukünftigen Arbeitnehmern und haben somit eine Die IFD sind aber nur der Anfang – es kommen nach wichtige Mittlerrolle. und nach alle ambulanten Leistungen unter Beschuss, und es besteht die Gefahr, dass bisher stationäre Leis- Im Jahr 2009 erfolgte die Anpassung des deutschen tungen zu ambulanten umgewidmet und für die Aus- Vergaberechts an europarechtliche Vorgaben. Die Ände- rungen in der Vergabeordnung für Leistungen haben schreibung geöffnet werden. Das nehmen wir nicht hin dazu geführt, dass die freihändige Vergabe von Integra- und werben mit unserem Antrag dafür, hier einen ande- tionsfachdiensten nicht mehr möglich ist. Bisher wurde ren Weg zu gehen und die Einheitlichkeit des SGB IX zu dieser Ausnahmetatbestand durch die Vergabeordnung stärken. für Leistungen gestützt. Das bedeutet, dass künftige Das Beste kommt wie immer zum Schluss: Es gibt ei- Maßnahmen zur Eingliederung von Menschen mit Be- nen einstimmigen Beschluss der Arbeits- und Sozial- hinderung grundsätzlich nach § 46 SGB III von der Bun- minister, der das Anliegen unseres Antrages unterstützt. desagentur für Arbeit öffentlich ausgeschrieben werden Ich rate daher, sich in dieser Sache nicht Äpfel für Bir- müssen. nen verkaufen zu lassen. In dem Beschluss und in unse- Eine große Diskussion wurde mit dieser gesetzlichen rem Antrag steht es richtig: Freihändige Vergabe muss Neuregelung ausgelöst. Die Kritiker befürchten, dass wieder ermöglicht werden, die Ausschreibungspflicht durch die Ausschreibung der qualitativ hohe Standard muss gestoppt werden. der Arbeit der Integrationsfachdienste leidet und viele sich nicht behaupten können. Diese Befürchtung ist Jeder Abgeordnete sollte die IFD im Wahlkreis auch nicht haltbar. Eine Ausschreibung muss durchaus kein einfach mal besuchen und sich anschauen, wie da gear- Nachteil sein, wie es aber auch der vorliegende Antrag beitet wird und was da an Kompetenz zur Arbeitsmarkt- der SPD-Fraktion suggeriert. integration vorhanden ist. Die Diskussion im Ausschuss wird zeigen, ob wir gemeinsam das bestehende System Ich möchte kurz daran erinnern, was der Sinn und weiterentwickeln können oder ob die Marktideologie das Ziel öffentlicher Ausschreibungen ist. Eine Aus-

Zu Protokoll gegebene Reden 10612 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Gabriele Molitor (A) schreibung ist ein Teil des Verfahrens zur Vergabe von nicht geringer sein wird als zuvor. Das ist schließlich der (C) Aufträgen im Wettbewerb. Ihr Ziel ist es, eine möglichst entscheidende Punkt. Ganz grundsätzlich begrüßt die passgenaue, qualitativ gute oder hochwertige Leistung FDP das Mehr an Wettbewerb. Gute und kompetente zu bekommen. Leistung wird sich durchsetzen. Dies ist in jedem Fall im Sinne der Menschen, die einen Arbeitsplatz suchen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales steht zu dem Grundsatz der Ausschreibung. Im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik gibt es drei Zielsetzungen, die eine Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Ausschreibung erfüllen muss: Effektivität, Qualität und Der vorliegende Antrag versucht, zu verhindern, dass Wirtschaftlichkeit. Damit wird gewährleistet, dass der ein seit langem bestehendes Problem größer wird: die Kunde, in diesem Fall ein Mensch mit Behinderung, der Vermittlung von schwerbehinderten Menschen auf den arbeiten möchte und hierbei Unterstützung braucht, regulären Arbeitsmarkt. bestmöglich beraten wird. Wenn Anbieter an einem Ort gute Beratung leisten, dann werden sie dies auch zu- Die Linke spricht sich seit langem gegen den Wettbe- künftig tun können. Entscheidend ist dabei auch der werb im Bereich Arbeitsvermittlung, Weiterbildung und Aspekt der Nachhaltigkeit. Nicht der kurzfristige Ver- Arbeitsplatzsicherung aus. Vor diesem Hintergrund be- mittlungserfolg zählt, sondern das langfristige Arbeits- fürwortete die Linke die freihändige Vergabe von Mitteln verhältnis eines Unternehmens mit einem Arbeitnehmer durch die Arbeitsagentur an die Integrationsfach- mit Behinderung. dienste. Dafür gibt es gute Gründe: Die erfolgreiche und dauerhafte Vermittlung von Menschen mit schweren Be- Und Integrationsfachdienste leisten in der Tat gute hinderungen auf den regulären Arbeitsmarkt bleibt Arbeit. Das belegen die Vermittlungszahlen. Insofern schwierig. Die Krise hat bestehende Hindernisse noch sind die Befürchtungen der Integrationsfachdienste, bei verschärft und vermehrt. Die UN-Konvention jedoch öffentlichen Ausschreibungen nicht mehr berücksichtigt schreibt ausdrücklich soziale Teilhabe als individuelles zu werden, nicht zutreffend. Gute Leistung wird sich Recht von Menschen mit Behinderung fest. In Art. 27 auch weiterhin durchsetzen. „Arbeit und Beschäftigung“ schreibt sie vor, staatlich zu sichern und zu fördern, dass behinderte Menschen in ei- Die Kritik an der Ausschreibung berücksichtigt über- nem offenen, inklusiven und für Menschen mit Behinde- dies nicht, dass das Vergabeverfahren nicht willkürlich rungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld erfolgt, sondern anhand festgelegter Prüfkriterien. Die frei wählen können. Diese Gleichstellung gilt auch hin- Anbieter müssen nachweisen, dass sie über umfassende sichtlich des Entgelts. aktuelle fachliche Erfahrungen, Kenntnisse und Fertig- keiten für die zu erbringende Leistung verfügen. Dies Das für dieses Ziel in den letzten Jahren entwickelte (B) heißt beispielsweise: Um einen Zuschlag zu erhalten, Instrument sind die Integrationsfachdienste. Sie sichern (D) müssen entweder innerhalb der letzten drei Jahre ver- Kontinuität in der Vermittlung. Hier ist Sachverstand gleichbare Leistungen durchgeführt worden sein oder versammelt. Hier wuchsen in den letzten Jahren vertrau- muss das Personal bereits solche Beratungen durchge- ensvolle Kontakte. Integrationsfachdienste begleiten führt haben. behinderte Menschen von der Schule bis in die Unter- nehmen. Durch öffentliche Ausschreibung entsteht die Ich möchte noch auf einen weiteren Aspekt eingehen: Gefahr, dass Leistungsangebote mit nur befristet ange- die regionale Ausprägung. Damit Menschen mit Behin- stellten Fachkräften gewinnen, weil kein Anbieter weiß, derung eine kompetente Beratung erhalten, bewertet die wie lange er sich am Markt behaupten wird. Es wird der örtliche Agentur bzw. der Träger der Grundsicherung billigste Anbieter dominieren, der wahrscheinlich Dum- die vorliegenden Angebote. Es ist sehr sinnvoll, diese pinglöhne zahlt, und es besteht die Gefahr, dass Men- Bewertung nicht zentral vorzunehmen, da ein Vertreter schen mit Behinderungen in nur arbeitnehmerähnlichen vor Ort die lokalen Besonderheiten kennt und beurteilen Verhältnissen an den regulären Arbeitsmarkt ausgelie- kann, ob das unterbreitete Angebot passend ist. hen werden. Schließlich ist auch jedes Bundesland mit seinen Inte- Dr. Richard Auernheimer, ehemaliger Staatssekretär grationsfachdiensten unterschiedlich aufgestellt. In in Rheinland-Pfalz, schätzt in einer öffentlichen Anhö- Nordrhein-Westfalen sind sie sehr häufig bei der Ver- rung von Sachverständigen in Berlin am 3. Mai 2010 zur mittlung von Menschen mit Behinderung einbezogen, Drucksache 16/13829 gegenüber der Bundesregierung genauso auch in Baden-Württemberg oder Bayern. Ge- ein: nerell lässt sich aber festhalten, dass die Unterschiede in der Vermittlung nicht davon abhängen, ob ein Inte- Die Ausschreibung führt zu einer neuen Struktur grationsfachdienst eingeschaltet ist oder nicht. Damit ist von Anbietern, die wirtschaftlich in der Lage sind, die Aussage, die gerne in diesem Zusammenhang ins überall in der Bundesrepublik anzubieten und auf- Feld geführt wird, widerlegt: dass allein und ausschließ- zutreten. Das Sozialraum-Prinzip wird damit aufge- lich ein Integrationsfachdienst, der langjährig in der hoben, bevor es überhaupt umgesetzt werden kann. Region tätig ist und über entsprechende Strukturen ver- Was vermieden werden sollte, entsteht neu. Nämlich fügt, der richtige Arbeitsvermittler für Menschen mit Be- ein von den Anbietern vorbestimmtes Geschehen. hinderung ist. Wir sollten alles vermeiden, was die Integrations- Mir ist wichtig, festzuhalten, dass die Qualität der fachdienste schwächt oder über marktwirtschaftliche Vermittlung unter den geänderten Vergabebedingungen Mechanismen abschafft. Die Gefahr, dass über öffentli-

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10613

Dr. Ilja Seifert (A) che Ausschreibungen mehr zerstört als produktiv ge- 4. die schwerbehinderten Menschen, solange erfor- (C) macht wird, ist groß. Wenn Sachverstand, Fachkenntnis derlich, am Arbeitsplatz oder beim Training der be- und vertrauensvolle Beziehungen erst einmal zerstört rufspraktischen Fähigkeiten am konkreten Arbeits- sind, wird es sehr schwer, sie wieder zusammenzubrin- platz zu begleiten, gen. Das beweisen die Änderungen in den rechtlichen Regelungen zur Arbeitsvermittlung der letzten Jahre. 5. mit Zustimmung des schwerbehinderten Men- schen die Mitarbeiter im Betrieb oder in der Der vorliegende Antrag versucht, eine solche Auflö- Dienststelle über Art und Auswirkungen der Behin- sung gewachsener Strukturen zu verhindern. Deshalb derung und über entsprechende Verhaltensregeln wird die Fraktion Die Linke den vorliegenden Antrag in zu informieren und zu beraten, den Ausschüssen konstruktiv diskutieren. 6. eine Nachbetreuung, Krisenintervention oder psychosoziale Betreuung durchzuführen sowie Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute sprechen wir über ein sehr erfolgreiches In- 7. als Ansprechpartner für die Arbeitgeber zur Ver- strument zur Vermittlung und Begleitung von behinder- fügung zu stehen, über die Leistungen für die Ar- ten Menschen mit besonderen Problemlagen in den ers- beitgeber zu informieren und für die Arbeitgeber ten Arbeitsmarkt: die Integrationsfachdienste, IFD. diese Leistungen abzuklären, Integrationsfachdienste arbeiten träger- und schnitt- 8. in Zusammenarbeit mit den Rehabilitationsträ- stellenübergreifend und bieten eine Komplexleistung an, gern und den Integrationsämtern die für den die ein ganzes Bündel am Unterstützungsmaßnahmen schwerbehinderten Menschen benötigten Leistun- beinhaltet. Der Gesetzgeber hat mit der Verankerung gen zu klären und bei der Beantragung zu unter- der IFDs in das SGB IX im Jahr 2000 einen umfassen- stützen. den Auftrag beschrieben, den es sich lohnt, nochmals Für die Beauftragung der Integrationsfachdienste genau vor Augen zu führen. So heißt es gemäß § 110 sind gemäß § 111 SGB IX die Integrationsämter oder die SGB IX wie folgt: zuständigen Rehabilitationsträger verantwortlich. Der (1) Die Integrationsfachdienste können zur Teil- Jahresbericht 2009/2010 der Bundesarbeitsgemeinschaft habe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, BIH, (Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer mög- zeigt, dass die Nachfrage bei den Integrationsämtern lichst dauerhaften Beschäftigung) beteiligt werden, kontinuierlich steigt. So stieg die Zahl der unterstützten indem sie Menschen mit Behinderungen von 2005 bis 2009 um 29 Prozent, von etwa 77 600 auf rund 100 000 Perso- (B) (D) 1. die schwerbehinderten Menschen beraten, unter- nen. Weiter heißt es in dem Bericht, dass die Vermitt- stützen und auf geeignete Arbeitsplätze vermitteln, lungsquote in eine Beschäftigung bei durchschnittlich 2. die Arbeitgeber informieren, beraten und ihnen 31,7 Prozent liegt, somit konnten im Jahr 2009 Hilfe leisten. 7 324 schwerbehinderte Menschen vermittelt werden. 450 waren hierbei Schulabgänger oder Mitarbeiter ei- (2) Zu den Aufgaben des Integrationsfachdienstes ner Werkstatt für behinderte Menschen. Die Zahl der zu gehört es, sichernden Arbeitslätze ist in den letzten vier Jahren an- 1. die Fähigkeiten der zugewiesenen schwerbehin- gestiegen. Im Jahr 2009 wurden 11 027 Menschen in derten Menschen zu bewerten und einzuschätzen Arbeit betreut, rund 75 Prozent konnten erfolgreich ge- und dabei ein individuelles Fähigkeits-, Leistungs- sichert werden. Dass auch Arbeitgeberinnen und Arbeit- und Interessenprofil zur Vorbereitung auf den all- geber den Integrationsfachdienst in den letzten Jahren gemeinen Arbeitsmarkt in enger Kooperation mit immer mehr zu schätzen wissen, zeigt die Zahl der un- den schwerbehinderten Menschen, dem Auftragge- mittelbaren Nachfragen aus den Betrieben und Dienst- ber und der abgebenden Einrichtung der schuli- stellen. So besagt der BIH-Jahresbericht, dass diese schen oder beruflichen Bildung oder Rehabilitation Zahl von 5 557 Fällen im Jahr 2005 auf 7 332 Fälle im zu erarbeiten, Jahr 2009 gestiegen ist. 1a. die Bundesagentur für Arbeit auf deren Anfor- Die Bundesagentur für Arbeit, BA, ist im Gegensatz derung bei der Berufsorientierung und Berufsbera- zu den Integrationsämtern nur noch für den Bereich der tung in den Schulen einschließlich der auf jeden Vermittlung zuständig. Im Rückblick war es allerdings einzelnen Jugendlichen bezogenen Dokumentation ein Fehler, dass der Gesetzgeber die Leistung aufgeteilt der Ergebnisse zu unterstützen, und die BA nicht mehr als Auftraggeber eines umfassen- den Integrationsfachdienstes vorgesehen hat. Problema- 1b. die betriebliche Ausbildung schwerbehinderter, tisch blieb in all den Jahren zudem die Beauftragung insbesondere seelisch und lernbehinderter Jugend- und Finanzierung durch die Bundesagentur für Arbeit, licher zu begleiten, BA, sowie durch die SGB-II-Träger. Der in der Produkt- 2. geeignete Arbeitsplätze (§ 73) auf dem allgemei- information zu § 37 SGB III bzw. § 16 SGB II verein- nen Arbeitsmarkt zu erschließen, barte monatliche Grundbetrag reichte in der Vergangen- heit kontinuierlich nicht aus, um kostendeckend zu 3. die schwerbehinderten Menschen auf die vorge- wirtschaften. Nichtsdestotrotz hob nicht zuletzt der Be- sehenen Arbeitsplätze vorzubereiten, richt der Bundesregierung über die Lage behinderter

Zu Protokoll gegebene Reden 10614 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Markus Kurth (A) Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe vom Arbeit und Soziales, BMAS, aus dem Mai 2010 hervor. (C) 17. Juli 2009 (Drucksache 16/13829) die guten Arbeits- Nach Auffassung des Ministeriums seien die Integra- ergebnisse der Integrationsfachdienste hervor. Dies sei tionsfachdienste bei der Vermittlung schwerbehinderter insbesondere „angesichts der Tatsache, dass zum 1. Ja- Menschen in Arbeit schon heute regional unterschied- nuar 2005 die Strukturverantwortung für die Integra- lich erfolgreich. Daher sei der Einwand nichtig, eine of- tionsfachdienste von der Bundesagentur für Arbeit auf fene Ausschreibung „bedeute den Abschied vom Gedan- die Integrationsämter übergegangen ist und organisato- ken des einheitlichen IFD“ und gefährde somit letztlich rische Änderungen die Folge waren“, bemerkenswert. die Qualität. Das Bundesministerium für Arbeit und So- ziales geht sogar davon aus, dass offene Ausschreibun- Anstatt nun jedoch kontinuierlich an einer weiteren gen, sofern die Ausschreibungsunterlagen eine gute Verbesserung der Rahmenbedingungen zu arbeiten, kün- Qualität der Maßnahmen sicherstellten, mittelfristig digte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor „eher zu einem besseren Dienstleistungsniveau führen“. einigen Monaten an, die Integrationsfachdienste fortan nicht mehr über die sogenannte freihändige Vergabe, Nicht nur aufgrund der aktuellen Ereignisse rund um sondern über den Weg der öffentlichen Ausschreibung die Vergabe der Leistungen der Integrationsfachdienste zu beschaffen. Als Folge dieser Ankündigung brach im ist es erforderlich, noch einmal grundlegend über die vergangenen Jahr ein regelrechter Sturm der Entrüstung Ausschreibungspraxis der Bundesagentur für Arbeit zu und Empörung aufseiten der Träger der Integrations- sprechen und unter sachlichen Gesichtspunkten zu ent- fachdienste, Integrationsämtern und der Verbände der scheiden: Menschen mit Behinderungen los. Während in den 90er-Jahren arbeitsmarktbezogene Dies war nicht verwunderlich, zeigten doch Erfah- Maßnahmen grundsätzlich freihändig vergeben wurden, rungen mit öffentlichen Ausschreibungen durch die Bun- werden seit dem Sommer 2003 Arbeitsmarktdienstleis- desagentur für Arbeit, dass diese in den vergangenen tungen vermehrt über den Weg der öffentlichen Auf- Jahren viel zu häufig negativ waren. Nicht nur in Einzel- tragsvergabe beschafft. Der Anteil der im Bereich Ar- fällen ist es etwa zu erheblichen Einbußen insbesondere beitsmarktdienstleistungen durchgeführten öffentlichen bei der Vergütung des Personals, aber auch bei der Qua- Ausschreibungen lag im Jahr 2009 bei rund 80 Prozent. lität und Verlässlichkeit gekommen. Aus diesem Grunde Neben Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen bewerten auch Bündnis 90/Die Grünen seit Jahren die Eingliederung nach § 46 SGB III werden derzeit etwa Ausschreibungspraxis durch die Bundesagentur kritisch. Maßnahmen im Bereich der beruflichen Rehabilitation Das Instrument der öffentlichen Ausschreibung kann – Diagnose Arbeitsmarktfähigkeit, DIA-AM, nach § 33 zwar – vernünftig angewendet – durchaus sinnvoll sein, SGB IX und Unterstützte Beschäftigung nach § 38 a um Wirtschaftlichkeit und Vergleichbarkeit der Leis- (B) SGB IX – oder Fördermaßnahmen für Jugendliche (D) tungserbringer sicherzustellen. Es bestehen aber be- – BvB, abH, BaE, AQJ – öffentlich ausgeschrieben. gründete Zweifel, ob gerade die Ausschreibungen im Bereich der Weiterbildung, Rehabilitation und Beschäf- Die fünf Regionalen Einkaufszentren, REZ, in Deutsch- tigungsförderung vorrangig der Qualitätssicherung und land schreiben hierfür die Leistungen anhand sogenannter nicht nur der Kostenreduzierung dienen. Verdingungsunterlagen aus. Letztere umfassen alle verga- Mit der Ankündigung der Bundesregierung, künftig öf- berelevanten Aspekte des Leistungsumfangs, der Bieter- fentlich auszuschreiben, gingen sodann viele Auseinan- auswahl, der laufenden Berichterstattung während der dersetzungen und Unterrichtungen im federführenden Beauftragungen usw. Die Arbeitsagenturen vor Ort be- Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales einher, die stellen bei den REZ ihre Maßnahmen. Ziel der öffentli- Bündnis 90/Die Grünen initiierten. Ich habe in diesem Zu- chen Auftragsvergabe war und ist eine höhere Wirt- sammenhang mehrere Aufträge an den Wissenschaftlichen schaftlichkeit und Qualität in der Leistungserbringung Dienst des Deutschen Bundestages vergeben, um heraus- sowie Transparenz bei der Auftragsverteilung. zufinden, ob die öffentliche Ausschreibung aus vergabe- Bündnis 90/Die Grünen haben wie bereits beschrie- und europarechtlichen Gründen alternativlos sei, wie ben den Prozess der Beschaffung von arbeitsmarktpoli- die Bundesregierung stets behauptete. Eine Ausarbei- tischen Maßnahmen über die öffentliche Auftragsver- tung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen gabe stets kritisch begleitet. Auch wenn wir die Ziele Bundestages zur Anwendung des Vergaberechts nach einer öffentlichen Ausschreibung nach mehr Wirtschaft- § 46 SGB III bestätigte hierbei unsere Rechtsauffassung, lichkeit, Qualität und Transparenz – verbunden mit der wonach eine öffentliche Ausschreibung von Leistungen Hoffnung nach Einbindung kleiner, regionaler Anbieter, Dritter – hier die Integrationsfachdienste – keineswegs „alternativlos“ sei. Zwar ist die öffentliche Ausschrei- zielgruppenspezifischer Angebote und hoher Planungs- bung von Rehabilitationsdienstleistungen nicht verbo- sicherheit für die Träger – stets unterstützten und für ten. Sie ist aber auch in keinem Fall zwingend geboten richtig erachten, haben wir mögliche Alternativen der und bedarf der sorgfältigen Abwägung und Prüfung im Auftragsbeschaffung nie aus den Augen verloren. Ein Einzelfall. Grünes Fachgespräch „Optimierung der Vergabepraxis arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen – Das aktuelle Ver- Unabhängig von dieser rechtlichen Frage scheint die gabeverfahren der Bundesagentur für Arbeit auf dem öffentliche Ausschreibung schlichtweg politisch gewollt. Prüfstand“ vom 10. Mai 2006 offenbarte immer wieder Das geht unzweideutig aus der von uns Grünen angefor- die Schwachstellen der öffentlichen Ausschreibung. derten Unterrichtung durch das Bundesministerium für Diese scheinen nunmehr auch fünf Jahre nach diesem

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Markus Kurth (A) Fachgespräch nicht ausgeräumt, sodass wir über Alter- verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung (C) nativen sprechen sollten. so beschlossen. Ich bin der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e. V., Tagesordnungspunkt 21: bag arbeit, dem Zusammenschluss von fast 400 Beschäf- Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- tigungs- und Qualifizierungsunternehmen in Deutsch- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der land, dankbar für ihre Reforminitiative zum Vergabe- Vereinbarung vom 16. April 2009 über die Än- recht. Die bag arbeit schlägt vor, die öffentliche derungen des Übereinkommens vom 5. Sep- Ausschreibung durch ein Mix aus Präqualifizierungs- tember 1998 zwischen der Regierung der Bun- verfahren, beschränkter Ausschreibung und freihändi- desrepublik Deutschland, der Regierung des ger Vergabe zu ersetzen. Voraussetzung für alle Vergabe- Königreichs Dänemark und der Regierung der verfahren sollte nach Ansicht der bag arbeit die Republik Polen über das Multinationale Durchführung eines vorgeschalteten Zulassungsverfah- Korps Nordost rens zur Zertifizierung der Träger – sogenanntes Prä- qualifizierungsverfahren – sein. Hierdurch könnten die – Drucksache 17/4809 – Verwaltungsaufwendungen reduziert und Qualitätsstan- Überweisungsvorschlag: dards verbessert werden. Außerdem möchte die bag ar- Verteidigungsausschuss beit, dass die Trennung zwischen Besteller – Arbeitsa- gentur – und Einkäufer – Einkaufszentren – wieder Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU): aufgehoben wird und die Federführung an den lokalen Wir beraten heute die Vereinbarung vom 16. April Bedarfsträger übergeht, da dieser am besten die Förder- 2009 zwischen Deutschland, Dänemark und Polen, die bedarfe der Teilnehmer berücksichtigt und die Leis- Veränderungen der Aufgaben dieses Stabes „Multinatio- tungsfähigkeit der Anbieter kennt. Für die Vergabe der nales Korps Nordost“ in Stettin und Veränderungen des Maßnahmen selbst schlägt die bag arbeit eine Zweitei- Status dieses Hauptquartiers im Rahmen der NATO- lung vor: Für Maßnahmen, die abschließend beschreib- Kommandostruktur festschreibt. bar sind, sollte ein beschränktes Ausschreibungsverfah- ren zur Anwendung kommen. Maßnahmen jedoch, die Erlauben Sie einen Rückblick auf die Entstehungsge- nicht abschließend beschreibbar sind – dies betrifft ins- schichte dieses Korpsstabes: Er entstand 1999 aus dem besondere Maßnahmen mit innovativen Elementen – deutsch-dänischen Korpsstab Jütland, COMLANDJUT, werden über die freihändige Vergabe beschafft. Hierbei der bis dahin in Rendsburg, Schleswig-Holstein, statio- sollen in der Regel drei geeignete Träger aufgefordert niert gewesen war. Dieser Stab hatte im Rahmen der werden, ein Angebot abzugeben. Zwar sieht die bag ar- Bündnisverteidigung die Aufgabe, im Verteidigungsfall (B) beit ihren Vorschlag im Einklang mit der VOL/A 2009, die Halbinsel Jütland als gemeinsame deutsch-dänische (D) damit gemäß Vergaberecht aber nicht in jedem Einzel- Aufgabe zu verteidigen. fall eine Begründung für die Wahl einer beschränkten Nach den weltgeschichtlichen Umwälzungen der Ausschreibung erfolgen muss, empfehlen sie jedoch eine 90er-Jahre des vorigen Jahrhunderts und nach der Auf- Klarstellung des Verordnungsgebers in einer Neufas- lösung des Warschauer Pakts war klar, dass die NATO- sung der VOL/A 2011. Planungen für den Verteidigungsfall nicht unverändert Ich denke, dass wir auf der Grundlage der Reform- fortgeführt werden konnten. Zwar war Deutschland nun initiative der bag arbeit in den kommenden Monaten mit – wie sich der damalige Verteidigungsminister Rühe allen relevanten Akteuren ins Gespräch kommen sollten, ausdrückte – nur noch von Freunden umgeben, aber um gemeinsam über mögliche Alternativen zu diskutie- trotzdem blieb die Bündnisverteidigung als Hauptauf- ren. gabe der NATO bestehen. Gerade dieser Stabilitätsraum der NATO übte ja sehr große Anziehungskraft auf die Die Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Behin- ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten und einen Teil der derungen ist weiterhin prekär. Es ist besorgniserregend, Nachfolgestaaten der Sowjetunion aus, und es gab ein dass vor diesem Hintergrund die Integrationsämter mit sehr großes Bedürfnis dieser Länder, Teil dieses Stabili- der Veränderung des Vergabeverfahrens keine Grund- tätsraumes zu werden. lage mehr sehen, Vermittlungskräfte wie bisher bei den Integrationsfachdiensten vorzuhalten. Ich habe die Daher war es nicht verwunderlich, dass die Regierun- große Sorge, dass wir hier ein Instrument kaputtmachen, gen Deutschlands, Dänemarks und Polens am 5. Septem- das doch vorweisbar erfolgreich und ermutigend war ber 1998 eine Übereinkunft schlossen über die Transfor- und ist. In unruhigen schwarz-gelben Zeiten, in der der mation des bisherigen Hauptquartiers LANDJUT in ein Bundesagentur Milliarden gekürzt werden und eine Kür- trinationales Hauptquartier der drei Ostsee-Anrainer- zung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen unter dem staaten. Wohlgemerkt: Polen war zu diesem Zeitpunkt Stichwort „Evaluation“ droht, heißt es, ganz besonders noch nicht NATO-Mitglied, und so ist diese Vereinba- wachsam zu sein. rung zu einem Meilenstein der Integration dieses ehe- maligen Mitgliedstaates des Warschauer Pakts in den Sicherheitsraum der NATO geworden. Gewiss bedeutete Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dies nicht, dass von dieser Vereinbarung schon eine Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf volle Schutzwirkung des Bündnisses für Polen entstand. Drucksache 17/4847 an die in der Tagesordnung aufge- Aber die Gründung dieses Korpsstabes in der pommer- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- schen Metropole Stettin, Polen, war so etwas wie ein Si- 10616 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (A) gnal für die im Jahr darauf vollzogene Aufnahme Po- Stabes rotiert zwischen Deutschland, Dänemark und (C) lens, Tschechiens und Ungarns in die NATO. Der neue Polen. Deutschland hat im Gegensatz zu Dänemark und Korpsstab war zunächst nicht Teil der Kommandostruk- Polen die Vereinbarung von 2009 noch nicht ratifiziert. tur der NATO. Aber er entwickelte sich weiter. 2004 ka- Es ist nun höchste Zeit, dass wir dem Beispiel der beiden men neue Aufgaben auf den Stab zu, als im Rahmen der anderen Partnerländer folgen und diesen mit der Unter- zweiten Erweiterungsrunde der NATO die ehemaligen zeichnung das Gefühl vermitteln, dass uns die Angele- Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen dem genheit des MNCNE nach wie vor sehr wichtig ist. Bündnis beitraten. Nun suchte das Bündnis nach Mög- lichkeiten, diese und andere der neuen Mitglieder in das Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt dem Ge- Bündnis zu integrieren. setz der Bundesregierung zu. In dieser Lage schlugen Deutschland, Dänemark und Polen der NATO vor, den Multinationalen Korpsstab Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Nordost, MNCNE, als Hauptquartier für Kräfte niederer Frieden ist nach Karl Jaspers nur in Kooperation und Verfügbarkeit in die Kommandostruktur des Bündnisses nicht in abgegrenzter Koexistenz. Außen- und sicher- zu integrieren. Der NATO-Rat fasste daraufhin am heitspolitisch beispielhaft belegt dies die multinationale 26. August 2004 den Beschluss, das MNCNE in die Einbindung der Bundeswehr in die EU und die NATO. NATO-Streitkräftestruktur einzubinden. Der Korpsstab Das Zusammenwirken unterschiedlich leistungsfähiger in Stettin erhielt damit den Status eines internationalen Verbände in multinationalen Strukturen, die sich in Aus- militärischen Hauptquartiers. bildung, Ausrüstung, Tradition, Sprache und vor allem Die Aufgaben, die der Stab MNCNE nun im Rahmen auch in den Führungsphilosophien unterscheiden, ist der NATO zu erfüllen hatte, waren und sind die Befähi- ein wertvoller und richtiger Schritt zu mehr Synergie gung zur Führung von multinationalen Großverbänden und auch haushalterisch gebotener europäischer sicher- im Rahmen von Operationen der NATO, die Beteiligung heitspolitischer Zusammenarbeit. Nach dem Wegfall der an friedenserhaltenden Operationen und zur Hilfeleis- Bedrohung durch den Warschauer Pakt wurden erhebli- tung bei Katastrophen größeren Ausmaßes. Vielleicht che Streitkräftereduzierungen erreicht, sodass allein die wichtigste Funktion war und ist jedoch die Integra- dadurch mehr Zusammenarbeit geboten war, um alle mi- tion neuer Mitglieder in die Bündnisstrukturen und die litärischen Aufgabenfelder wahrzunehmen. Darüber hi- Stabilisierung der Nord- bzw. Nordostflanke der NATO. naus dürfen aber auch die friedenspolitischen Aspekte Die drei Gründerstaaten waren nun nicht mehr allein: nicht übersehen werden; so ist die Aufstellung multina- Estland, Lettland und Litauen traten 2004 bei, die Slo- tionaler Streitkräfte auch ein Beitrag zur gemeinsamen wakische und die Tschechische Republik 2005, die Verei- Sicherheit zur Vertrauensbildung zwischen Völkern und (B) (D) nigten Staaten von Amerika 2006, Rumänien 2008 und Staaten. Slowenien 2009. Das Multinationale Korps Nordost, MNK NO, ist ei- Die am 16. April 2009 zwischen Deutschland, Däne- nes der Hauptquartiere der NATO zur Führung von mark und Polen in Stettin gezeichnete Vereinbarung Operationen und ist heute ein wichtiger Bestandteil der nahm all diese Veränderungen der letzten Jahre in den NATO-Kommandostruktur in Europa. Der Korpsstab, Blick und schaffte einen Rechtsrahmen für die künftige der im Frieden keine Truppen führt, ist befähigt zur Füh- Arbeit des Korpsstabes Nordost in Stettin. Deutschland, rung multinationaler Großverbände im Rahmen der Dänemark und Polen fungieren weiterhin als Rahmen- Bündnisverteidigung der NATO, zur Beteiligung an frie- staaten, die wesentliche Beiträge zur Führung, Organi- denserhaltenden Operationen und zur Hilfeleistung bei sation und Finanzierung des Hauptquartiers Nordost Naturkatastrophen. Das MNK NO hat sich eine Schlüs- leisten. Die übrigen bereits genannten Staaten sind Teil- selrolle bei der Integration neuer Mitglieder im Rahmen nehmerstaaten und leisten ihre Beiträge, sind jedoch der NATO-Osterweiterung erarbeitet. Nachdem beim nicht für die Führung und Organisation des Hauptquar- NATO-Gipfel in Madrid 1997 den vormaligen Ostblock- tiers zuständig. staaten Polen, Ungarn und Tschechien ein NATO-Bei- Das NATO-Hauptquartier MNCNE hat in all den tritt angeboten worden war, einigten sich die Verteidi- Jahren seit der Gründung 1999 wichtige Beiträge zum gungsminister Dänemarks, Deutschlands und Polens am Funktionieren und Zusammenwachsen des Bündnisses 16. April 1998 auf die Aufstellung eines gemeinsamen geleistet. Der multinationale Stab, in dem heute elf Nati- Korps. Ausgehend vom deutsch-dänischen Korps onen vertreten sind, hat bereits in zwei Einsätzen jeweils LANDJUT wurden Truppen aus Polen nach dessen ein halbes Jahr lang im Rahmen der ISAF in Afghanis- NATO-Beitritt in das Korps integriert. Bereits am tan seine Einsatz- und Führungsfähigkeit unter Beweis 5. September 1998, noch vor dem auf den 12. März 1999 gestellt. Dabei hat er sich auch unter kriegsmäßigen terminierten Beitritt, unterzeichneten sie in Stettin das Einsatzbedingungen als Kommandobehörde der NATO Übereinkommen zur Bildung des Korps, in dem dessen voll und ganz bewährt. Grundlagen festgelegt wurden. Deutschland als größter Partner in diesem Stab leis- Neben dieser militärpolitischen Integrationsfunktion tete von Anfang an wichtige Beiträge. Deutschland stellt des Korps steht es grundsätzlich für NATO-Einsätze zur 58 Offiziere und Unteroffiziere in diesem Stab; weitere Verfügung. Der Korpsstab wurde bereits zweimal erfolg- 20 Soldaten und Beamte der Wehrverwaltung sind zu de- reich im Rahmen der Internationalen Sicherheits- und ren Unterstützung in Stettin tätig. Das Kommando des Unterstützungstruppe für jeweils sechs Monate in Af-

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Roderich Kiesewetter (A) ghanistan eingesetzt und konnte so seine besondere Eig- schen der Regierung der Republik Polen, der Regierung (C) nung für Einsätze unter Beweis stellen. des Königreichs Dänemark und der Regierung der Bun- desrepublik Deutschland über die Änderungen des In dem Übereinkommen vom 5. September 1998 zwi- Übereinkommens zwischen der Regierung der Republik schen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, Polen, der Regierung des Königreichs Dänemark und der Regierung des Königreichs Dänemark und der Re- der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über gierung der Republik Polen über das Multinationale das Multinationale Korps Nordost in englischer Sprache Korps Nordost sind die Aufgaben und Aufträge des Mul- unterzeichnet. In dieser Änderungsvereinbarung werden tinationalen Korps Nordost in Stettin geregelt. Gemein- die Regelungen zum Rechtsstatus des Hauptquartiers sames Verständnis und Ziel der Vertragsstaaten seiner- angepasst, die Aufgaben und Aufträge des Multinationa- zeit im Jahr 1998 war es, das Hauptquartier des Korps len Korps Nordost neu gefasst sowie die Bestimmungen als multinationales Hauptquartier außerhalb der NATO- zum Haushalt des Multinationalen Korps Nordost geän- Kommandostruktur zu errichten. Nach über 20 Jahren dert. Ferner werden Begriffe deutlicher gefasst, damit muss das Übereinkommen aber jetzt an neue Gegeben- durch die Multinationalität des Korps jetzt klarer zwi- heiten angepasst werden. schen den Rahmenstaaten und den Teilnehmerstaaten Die neue Streitkräftestruktur der NATO, die im Juli unterschieden werden kann. 2002 vom Nordatlantikrat gebilligt worden ist, besteht Im Verlauf seiner zehnjährigen Geschichte hat sich aus aktiven und mobilmachungsfähigen Land-, Luft- und die Anzahl der am MNK NO beteiligten NATO-Staaten Seestreitkräften, die sich in unterschiedlichen Bereit- kontinuierlich erhöht. Heute leisten Soldaten aus elf Na- schaftsstufen befinden, um auf das gesamte Spektrum tionen ihren Dienst im Stab des MNK NO: Die Grün- möglicher Bedrohungen und Risiken reagieren zu kön- dungsnationen des Korps – Deutschland, Dänemark und nen. Vor dem Hintergrund dieser strategischen Neuaus- Polen – nahmen im Verlauf der letzten Jahre zunächst richtung der NATO wurde im April 2004 durch die Ver- die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, tragsstaaten entschieden, das Hauptquartier des Korps später Tschechien, die Slowakei und die USA sowie in in Stettin weiterzuentwickeln. Durch Beschluss des der jüngsten Vergangenheit Rumänien und Slowenien Nordatlantikrats vom 26. August 2004 wurde das Haupt- auf. Am Stab des Korps sind neun NATO-Bündnispart- quartier des Multinationalen Korps Nordost in die ner beteiligt, federführende Truppensteller sind aber die NATO-Streitkräftestruktur eingebunden. Zudem wurde drei Gründungsnationen Deutschland, Dänemark und ihm durch diesen Beschluss mit Wirkung zum 31. August Polen. Damit hat sich das Korps in den vergangenen 2004 der Status eines internationalen militärischen 13 Jahren seit seiner Gründung als Integrationsinstru- NATO-Hauptquartiers unter Anwendung des Protokolls ment in außergewöhnlichem Maße bewährt und (B) vom 28. August 1952 über die Rechtsstellung der auf- Deutschlands außen- und sicherheitspolitische Rolle im (D) grund des Nordatlantikvertrags errichteten internatio- unmittelbaren europäischen Umfeld gefestigt, für Ver- nalen militärischen Hauptquartiere verliehen. trauen gesorgt und auch die Zusammenarbeit unter un- seren Nachbarstaaten spürbar verbessert. Maßgeblich prägend für die Neuausrichtung des Korps ist das Kriterium der Multinationalität. Es fordert 20 Jahre nach der Wiedervereinigung freut es mich, die Öffnung des Korps für Beteiligungen anderer NATO- feststellen zu können, dass die europäische Integration Staaten, ohne dass diese zwingend als Rahmenstaaten, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sicherheitspoli- sogenannte Framework Nations, dem Übereinkommen tisch, auch dank des Multinationalen Korps Nordost, er- vom 5. September 1998 beitreten. Diese Staaten als Teil- hebliche Fortschritte gemacht hat. Mit Blick auf die nehmerstaaten, sogenannte Participating Nations, leis- künftig notwendige weitergehende sicherheitspolitische ten ihre Beiträge durch die Bereitstellung von Personal Integration Europas ist Deutschland durch seine Beteili- und Finanzmitteln und sind im Gegensatz zu den Rah- gung an multinationalen Korps, zum Beispiel auch mit menstaaten nicht für Struktur, Funktionsfähigkeit und dem Eurokorps und dem Deutsch/Niederländischen Finanzierung des Hauptquartiers und nicht für die Füh- Korps gut vorbereitet für eine weitere, noch tiefere si- rung des Korps verantwortlich. Als Teilnehmerstaaten cherheitspolitische Zusammenarbeit auf europäischem beteiligen sich bereits acht weitere Staaten am Multina- Boden. Und darum geht es uns. Nicht zuletzt aufgrund tionalen Korps Nordost: Estland, Lettland und Litauen seiner geografischen Lage als derzeit einziges Haupt- seit 2004, die Slowakei und die Tschechische Republik quartier ostwärts des ehemaligen Eisernen Vorhanges seit 2005, die Vereinigten Staaten seit 2006, Rumänien kommt dem Stettiner Korps eine Schlüsselfunktion bei seit 2008 und Slowenien seit 2009. Durch die Erfüllung der Integration neuer NATO-Mitglieder zu. verschiedenster Kriterien konnte mit dem Beschluss des Nordatlantikrats im Februar 2006 das Hauptquartier Neben den Einsätzen, die das MNK NO zum Beispiel des Multinationalen Korps Nordost als Hauptquartier zweimal im Rahmen von ISAF leistete, ist der wichtigere für Kräfte niedriger Verfügbarkeit im Rahmen der Auftrag die Integration der neuen östlichen NATO- NATO-Streitkräftestruktur anerkannt werden. Partner und deren Heranführung an die NATO-Kom- mandostruktur und -verfahren, sowie die glaubhafte Sta- Das sind erfreuliche Entwicklungen, die die Erfolgs- bilisierung der NATO-Nordostflanke. Darum ist es not- geschichte des MNK NO aufzeigen und wiederum ver- wendig und richtig, den Gründungsvertrag zwischen deutlichen, dass auch der gesetzliche Rahmen von 1998 Dänemark, Deutschland und Polen von 1998 entspre- angepasst werden muss. Deshalb wurde am 16. April chend zu ändern. Deutschland hat als einziger Vertrags- 2009 in Stettin die uns vorliegende Vereinbarung zwi- partner den Vertrag noch nicht ratifiziert. Die CDU/

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Roderich Kiesewetter (A) CSU-Bundestagsfraktion stimmt dem Gesetzentwurf der die Förderung demokratischer Prozesse sowie die Si- (C) Bundesregierung zu, weil es notwendig ist. Das MNK cherung des Friedens, der Freiheit und des Wohlstandes NO braucht eine verlässliche und aktualisierte Rechts- der Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten. Seit grundlage für die gewachsenen Herausforderungen. der Wiedervereinigung unseres Landes haben wir auf Schaffen wir diesen Rahmen! dem internationalen Parkett verstärkt Verantwortung übernommen und sind damit auch den Erwartungen un- serer europäischen und transatlantischen Partner nach- Lars Klingbeil (SPD): gekommen. Das Multinationale Korps Nordost ist seit elf Jahren ein vorbildliches Beispiel für gelungene militärische Grundlegendes Merkmal einer gemeinsamen Vertei- Zusammenarbeit. Die ursprüngliche Idee, das Haupt- digungsarchitektur sind multinationale Hauptquartiere, quartier des Korps als multinationales Hauptquartier denen im Ernstfall die Truppen aus verschiedenen Mit- außerhalb der NATO-Kommandostruktur zu etablieren, gliedstaaten unterstehen. Das Multinationale Korps ist durch die strategische Neuausrichtung der NATO Nordost in Stettin wurde 1998 durch das Königreich Dä- hinfällig geworden. Seither wurde das Hauptquartier nemark, die Republik Polen und die Bundesrepublik des Korps zu einem sogenannten Hauptquartier für Deutschland aus der Taufe gehoben. Es sollte den drei Kräfte niedriger Verfügbarkeit weiterentwickelt und in Ländern die Möglichkeit einer engeren militärischen die NATO-Streitkräftestruktur eingegliedert. Hierfür Kooperation auch als vertrauensbildende Maßnahme wurden technische Veränderungen im Übereinkommen bieten. vom 5. September 1998, welches die Bundesrepublik Deutschland zusammen mit dem Königreich Dänemark Im Jahr 2004 wurde vor dem Hintergrund der strate- und der Republik Polen unterzeichnet hatte, nötig. Die- gischen Neuausrichtung der Allianz beschlossen, das sen Änderungen können wir so zustimmen. Korps der NATO als einen weiteren Bestandteil der ge- meinsamen Streitkräftearchitektur anzubieten. Gleich- Durch die Änderungen wurde auch die Multinationa- zeitig wurde es im Zuge der NATO-Osterweiterung auch lität des Korps möglich gemacht. Somit können sich nun für neue Mitgliedsländer geöffnet. Die baltischen Staa- andere NATO-Staaten am Korps beteiligen, ohne dass ten sind genauso vertreten wie die Tschechische Repub- sie zwingend als Rahmenstaaten dem Übereinkommen lik und die Slowakei, Rumänien, Slowenien. Damit liegt beitreten müssen. Diese Teilnehmerstaaten leisten ihre der Fokus des Multinationalen Korps Nordost auf Ost- Beiträge durch Personal und Finanzmittel. In jeder Hin- und Südosteuropa. Deutschland als zentraleuropäische sicht also ein gelungenes Beispiel für multinationale Zu- Nation kommt dabei seiner Mittlerfunktion nach und sammenarbeit! So beteiligten sich seit 2004 Estland, schafft so die Voraussetzung für eine Einbindung der (B) Lettland, Litauen, die Slowakei, die Tschechische Repu- noch jungen NATO-Mitgliedstaaten in das bestehende (D) blik, die Vereinigten Staaten von Amerika, Rumänien Verteidigungsbündnis. und Slowenien am Korps. Darüber hinaus war der Korpsstab bereits zweimal im Rahmen von ISAF über je- Das Hauptquartier ist dabei im Rahmen von Einsät- weils sechs Monate in Afghanistan im Einsatz. Unser zen innerhalb der NATO, der Vereinten Nationen oder Dank und Respekt gilt allen Soldatinnen und Soldaten, regionaler Kooperationen flexibel einsetzbar. Angehö- die sich daran beteiligt haben. rige des Stettiner Hauptquartiers waren im Rahmen der International Security Assistance Force sowohl 2007 als Es muss unser Ziel sein, die erfolgreiche multinatio- auch 2010 im ISAF-Hauptquartier in Kabul eingesetzt. nale Zusammenarbeit über das operative Level hinaus Damit sammelte das Personal die notwendigen Erfah- zu intensivieren. Die verschiedenen Streitkräfte der rungen, um auch in Zukunft schnell und flexibel auf NATO-Staaten stehen allen ähnlichen Herausforderun- komplexe und sich verändernde sicherheits- und vertei- gen gegenüber. Wir müssen uns also in anderen Berei- digungspolitische Herausforderungen reagieren zu kön- chen besser koordinieren und so Synergieeffekte möglich nen. machen. Ich denke hierbei zum Beispiel an die Beschaf- fung oder an eine bessere und langfristige Aufgabentei- Im Falle Deutschlands ist dabei die Befassung des lung. Lassen Sie uns das erfolgreiche Konzept des Mul- Parlamentes die notwendige Voraussetzung, deutsche tinationalen Korps Nordost als Anlass nehmen, um die Soldaten in einen Auslandseinsatz entsenden zu können. multinationale Zusammenarbeit zu intensivieren! Aufgrund der geschilderten Entwicklungen der letzten Jahre wurde es erforderlich, das Übereinkommen aus dem Jahr 1998 gemäß dem vorliegenden Gesetzentwurf Elke Hoff (FDP): anzupassen. Dabei lässt sich konstatieren, dass dies Seit Ende des Zweiten Weltkrieges war es Westeuropa ohne eine Mehrbelastung des Haushaltes gelingen wird. vergönnt, in Frieden und Stabilität zu leben. Die Ursa- che für diese Entwicklung liegt im Willen zur europäi- Die Nordatlantische Allianz bleibt auch in Zukunft schen Integration und in dem klaren Bekenntnis zur die wichtigste Säule deutscher Sicherheits- und Verteidi- transatlantischen Partnerschaft. Eine der wichtigsten gungspolitik. Internationale Kooperationen wie das Säulen deutscher Sicherheitsarchitektur ist die Mitglied- Multinationale Korps Nordost schaffen dabei Vertrauen, schaft in der NATO. Seit 1955 ist Deutschland in dieses und sie sparen langfristig Ressourcen. Daher ist dem Verteidigungsbündnis eingebunden, das darüber hinaus vorliegenden Gesetzentwurf aus Sicht der FDP-Bundes- auch einen gemeinsamen Wertekanon besitzt. Dies sind tagsfraktion zuzustimmen.

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(A) Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) Das neue Strategische Konzept der NATO, das im Wir diskutieren heute über das sogenannte Multinati- letzten Herbst in Lissabon verabschiedet wurde, lässt onale Korps Nordost, einen multinationalen Streitkräfte- keinen Zweifel: Die NATO soll als eine Art selbster- verband der NATO mit einem Stabshauptquartier im nannter Weltpolizist überall auf der Welt vor allem die polnischen Szcezcin bzw. Stettin. sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interessen Lassen Sie mich zunächst sagen, dass das Multinatio- der NATO-Staaten durchsetzen. Dafür sollen jetzt die nale Korps Nordost aus meiner Sicht ein hervorragen- Strukturen des Militärbündnisses optimiert werden. Die des Beispiel für den positiven Wandel der Sicherheitspo- heute vorliegende Regierungsvereinbarung zwischen litik in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges ist. Dänemark, Deutschland und Polen zur Änderung der 1962 wurde das erste und einzige multinationale Korps 1998 vereinbarten Arbeitsgrundlage des Multinationa- der NATO, das deutsch-dänische Korps LANDJUT ins len Korps Nordost dient genau diesem Zweck. Im Rah- Leben gerufen. 1998 wurde beschlossen, diesen Verband men des NATO-internen Zulassungsprozesses für ein zu einem trinationalen Korps unter Beteiligung Polens solches Hauptquartier ist es unter anderem erforderlich, weiterzuentwickeln und das Hauptquartier des Stabes die bisherigen Kooperationsbeziehungen zu den ande- nach Szcezcin, Stettin, zu verlegen. ren elf NATO-Streitkräften, die derzeit das Personal für die Stäbe stellen, auf eine andere Arbeits- und Rechts- Wenngleich Polen, Dänemark und Deutschland die grundlage zu stellen. Das Korps soll geöffnet werden für Truppensteller dieses integrierten Verbandes sind, so andere NATO-Staaten, um damit auch eine verbesserte beteiligen sich mittlerweile elf Staaten, darunter Slowe- Einsatzfähigkeit als verlegbares Hauptquartier für In- nien und die baltischen Staaten, an der laufenden Stabs- terventionseinsätze zu erreichen. arbeit in Stettin. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiges Signal und Symbol für den europäischen Integrations- Im Klartext gesprochen: Es könnte sein, dass bei der prozess auch im Bereich der Sicherheitspolitik. Auf der nächsten Militärintervention à la Afghanistan das Mul- anderen Seite diskutieren wir ja heute über die Anpas- tinationale Korps Nordost die Koordination im Einsatz sung des Korps, die aus Sicht der Bundesregierung nötig übernimmt. Quasi als Probelauf wurden 2007 und 2010 ist, weil sich die Vertragsstaaten im April 2004 entschie- jeweils für sechs Monate bereits Teile des Korpsstabes den haben, das Hauptquartier des Korps in ein soge- in die Führungsstrukturen im ISAF-Hauptquartier Ka- nanntes Hauptquartier für Kräfte niedriger Verfügbar- bul integriert. 2014 ist wohl eine erneute Beteiligung ge- keit weiterzuentwickeln. plant. Hier gibt es aus meiner Sicht erheblichen Klärungs- Die Linke lehnt dies ab. Deutschland bzw. die Bun- bedarf. Diese Entscheidung ist nicht nur sieben Jahre deswehr wäre gut beraten, sich aus dieser militärischen (B) her. Sie wurde auch auf der Grundlage des damaligen (D) Integration zurückzuziehen. Hier werden Sachzwänge Strategischen Konzepts aus dem Jahr 1999 sowie der und Automatismen geschaffen, hinter denen sich die Re- 2002 gebilligten neuen Streitkräftestruktur getroffen. gierung im Zweifelsfall bequem verstecken kann – denn Seitdem ist in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ohne das Bundeswehrpersonal, das etwa 80 Personen in Europa und darüber hinaus viel geschehen: Der umfasst, wäre der Korpsstab kaum einsetzbar. Krieg in Afghanistan – militärisch durch die NATO ge- Was der Einsatz eines solchen Korpsstabes bedeuten führt – ist in seinem zehnten Jahr. Gleichzeitig hat sich kann, wurde und wird in Afghanistan vorexerziert. Ob- die NATO auf dem Gipfel in Lissabon im vergangenen wohl bis 2009 gegenüber der deutschen Öffentlichkeit Jahr ein neues Strategisches Konzept gegeben. NATO- noch die Illusion eines Stabilisierungseinsatzes in Af- Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat wieder- ghanistan gepflegt wurde und sich die Bundeswehr offi- holt betont, dass die NATO effizienter und strukturell ziell auf den Norden als Einsatzgebiet beschränkte, war schlanker werden soll. Stäbe, Ausschüsse und Haupt- man im Hauptquartier in Kabul auch mit deutschen Of- quartiere sollen reduziert werden. fizieren vertreten. Und es war und ist das ISAF-Haupt- Vor diesem Hintergrund frage ich mich dann aber quartier, das die Listen für die gezielten Tötungen erar- schon, inwiefern das Multinationale Korps Nordost in beitet, das das Vorgehen bei Einsätzen der Kampf- der jetzigen Form und Ausgestaltung in der künftigen flugzeuge und bei Hausdurchsuchungen koordiniert. Vor Struktur der NATO seinen Platz hat. Wir reden hier allem aber symbolisiert der vorliegende Gesetzentwurf heute quasi über die Nachwehen einer Entscheidung aus das ungebrochene Festhalten der Bundesregierung an dem Jahr 2004! der allgemeinen strategischen Ausrichtung der NATO. Die negativen Erfahrungen der letzten zehn Jahre, nicht Deshalb fordere ich die Bundesregierung dringend nur mit dem ISAF-Einsatz, sondern auch mit dem US- auf, hier Klarheit zu schaffen. Dem Deutschen Bundes- geführten globalen Krieg gegen den Terrorismus oder tag wurde bisher nicht schlüssig auseinandergesetzt, mit der gewaltsamen Kontrolle internationaler Seewege, welche Teile der 2002 gebilligten Streitkräftestruktur werden ausgeblendet. Geht es nach dem Willen der Bun- der NATO weiter Bestand haben sollen. Welche militäri- desregierung, soll das Multinationale Korps Nordost schen, multinationalen Verbände sollen künftig beste- auch in Zukunft für solche Aufgaben Gewehr bei Fuß hen, und wie sollen sie organisiert werden? Und vor al- stehen – ungeachtet der ernsten Konsequenzen für die lem: Welche Aufgaben sollen ihnen zukommen? Das internationale Sicherheit. Dies ist der falsche Weg. Mehr Strategische Konzept der NATO schweigt sich hier mit Frieden und mehr Sicherheit wird es nur mit weniger Blick auf die wirklich wichtigen Details aus. Ich hoffe, NATO geben. dass wir in den weiteren Beratungen in den Ausschüssen

Zu Protokoll gegebene Reden 10620 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Omid Nouripour (A) bis zur zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfes tiges Element für die Teilhabe von Menschen mit (C) noch informiert werden und diesen Klärungsbedarfen Behinderungen am gesellschaftlichen Leben. Rechnung getragen wird. Ansonsten hielte ich eine Zu- Wie Sie sehen, engagiert sich die Bundesregierung stimmung zum Vorschlag der Bundesregierung hierzu bereits in vielfältiger Weise für die Förderung des soge- für schwierig. nannten Sozialtourismus, der in einzelnen Ländern im Übrigen durchaus unterschiedlich interpretiert wird und Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nicht einheitlich definiert ist. Zudem unterstützen auch Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur- die Bundesländer Familien mit relativ geringem Ein- fes auf Drucksache 17/4809 an den Verteidigungsaus- kommen bei der Finanzierung gemeinsamer Ferien in schuss vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – einer gemeinnützigen Familienferienstätte mit Individu- Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so be- alzuschüssen. schlossen. Auf lokaler Ebene gibt es weitere Programme zur Tagesordnungspunkt 22: Kinder- und Jugenderholung, etwa in Ferienlagern, die über Jugendämter, von freien Trägern und aus öffentli- Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja chen Mitteln finanziert werden. Seifert, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE Ein möglicher Nutzen einer Mitgliedschaft Deutsch- LINKE lands in der bisher relativ unbekannten Internationalen Organisation für Sozialtourismus ist nur schwer erkenn- Mitgliedschaft in der International Organisa- bar. So sind etwa Praxisbeispiele anderer Staaten oder tion of Social Tourism Perspektiven des Sozialtourismus auf europäischer Ebene schon Gegenstand des Projektes „Calypso“ der – Drucksache 17/4844 – Europäischen Kommission, auf das auch ausdrücklich Überweisungsvorschlag: auf der Internetseite der OITS hingewiesen wird. Ausschuss für Tourismus (f) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ziel von „Calypso“ ist die Förderung des grenzüber- Haushaltsausschuss schreitenden Austausches für Touristen benachteiligter Zielgruppen in Europa außerhalb der Saison. Dabei sol- Marlene Mortler (CDU/CSU): len mit staatlichen Mitteln finanzierte Urlaubsreisen be- Mit dem vorliegenden Antrag soll die Bundesregie- stimmter Bevölkerungsgruppen in andere Mitgliedstaa- rung aufgefordert werden, dass Deutschland umgehend ten organsiert werden. (B) einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Internationalen Mit diesem Projekt haben wir uns im vergangenen (D) Organisation für Sozialtourismus, OITS, stellt und dort Monat intensiv im Tourismusausschuss beschäftigt. Eine auch aktiv mitarbeitet. Begründet wird das mit der damit Bestandsaufnahme der sogenannten bewährten Prakti- verbundenen Möglichkeit der direkten Einflussnahme ken in den zunächst 21 teilnehmenden Mitgliedstaaten auf die Fortentwicklung des Sozialtourismus auf euro- kam aber zu dem Schluss, dass sich die Praktiken weder päischer Ebene, dem Kennenlernen guter Praxisbei- vergleichen noch bewerten lassen, weil sie sehr unter- spiele in anderen Staaten sowie der möglichen Nutzung schiedlich ausgestaltet sind und auch sehr unterschied- dieser Beispiele auf nationaler Ebene. lichen touristischen Traditionen unterliegen, insbeson- Der Antrag weist zu Recht darauf hin, dass die Teil- dere in den südeuropäischen Mitgliedstaaten. In dieser habe aller Bevölkerungskreise am Tourismus erklärtes Studie konnte nicht belegt werden, wie die dargestellten Ziel der Bundesregierung ist. In den Tourismuspoliti- Praktiken oder daraus abgeleiteten möglichen europäi- schen Leitlinien der Bundesregierung vom Dezember schen Programme sich wirtschaftlich auswirken. Die ge- 2008 heißt es: Auch Menschen mit gesundheitlichen, so- plante Ausgestaltung von „Calypso“ lässt die Entste- zialen oder finanziellen Einschränkungen sollen reisen hung eines Subventionswettlaufs zwischen den Mit- können. – Dazu stehen wir. gliedstaaten befürchten mit der Gefahr, dass sich finan- ziell selbsttragende Angebotsstrukturen zugunsten sub- Deshalb fördert die Bundesregierung bereits in er- ventionsabhängiger Strukturen verdrängt würden. Eine heblichem Umfang den Bau und die Einrichtung von Fa- solche mögliche Entwicklung lehnen wir strikt ab. milienferienstätten, Jugendbildungs- und Begegnungs- Die Bundesregierung hat zu Recht darauf hingewie- stätten, Jugendherbergen, die internationale Jugend- sen, dass es sich haushaltspolitisch nicht rechtfertigen arbeit im Rahmen des Kinder- und Jugendplans des ließe, mit staatlichen Mitteln den Urlaub bestimmter Be- Bundes sowie den gezielten bilateralen Jugendaus- völkerungsgruppen in anderen Mitgliedstaaten zu finan- tausch über das Deutsch-Französische Jugendwerk und zieren. Mit anderen Worten: Wollen wir wirklich, dass das Deutsch-Polnische Jugendwerk. Darüber hinaus deutsche Steuerzahler den Urlaub beispielsweise däni- fördert die Bundesregierung Projekte der Nationalen scher Rentner in Spanien finanzieren, um dort im Winter Koordinierungsstelle Tourismus für Alle, NatKo, und die dortigen Hotels besser auszulasten? Das kann doch der Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien, abm. wohl nicht wahr sein! Mit dieser Projektförderung soll ein Beitrag zur aktiven Freizeitgestaltung einschließlich des Reisens für Men- Wir sind der Bundesregierung daher sehr dankbar, schen mit chronischer Erkrankung und Behinderung ge- dass sie in einem Bericht für den Tourismusausschuss leistet werden. Denn: Barrierefreies Reisen ist ein wich- diese Initiative abgelehnt hat, da sie weder unter sozia- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10621

Marlene Mortler (A) len noch unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten oder geografischer Schwierigkeiten ganz oder teilweise (C) zu rechtfertigen sei. Wir stimmen der Bewertung zu, dass unfähig sind, ihr Recht auf Tourismus wahrzunehmen. ein solches Austauschprogramm weder wünschenswert noch praktikabel, umsetzbar oder finanzierbar wäre, Die Teilhabe aller Bevölkerungskreise am Tourismus ganz zu schweigen von der Ausgrenzung der betroffenen ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, wie sie auch in Menschen, die sich als Reisende zweiter Klasse fühlen ihren Tourismuspolitischen Leitlinien festgestellt hat. müssten. Deutschland wird sich deshalb auch in Zukunft Diesem Ziel fühlt sich auch die CDU/CSU-Fraktion ver- nicht an diesem EU-Projekt beteiligen. pflichtet. Der von den Linken geforderte Weg ist aber nicht zielführend. Er vernachlässigt, dass wir bereits Es gibt auch formale Gründe, die gegen das Ziel des eine Fülle von Familien-, Jugend-, Studenten- und Senio- vorliegenden Antrags sprechen. So sind Mitglieder der rentourismus und Tourismus für Behinderte haben. Vor OITS bisher fast ausschließlich private und öffentliche allem im öffentlichen Bereich wird derzeit ein breiter Organisationen, die meist gemeinnützige Ziele verfol- Zugang zu Erholung, Urlaub und Freizeiten angeboten. gen. Dazu gehören nach Aussage der OITS nationale Gern möchte ich an dieser Stelle zur Erinnerung ein- Tourismusorganisationen, Urlaubszentren, Jugendher- mal die wichtigsten Anbieter nennen und dabei auch die bergsnetzwerke, Gewerkschaftsorganisationen, Koope- Arbeit meiner Fraktionskollegen ausdrücklich loben, die rativen, Nichtregierungsorganisationen und Bildungs- sich hier im Rahmen ihrer Arbeit für die Förderung sol- einrichtungen. Dies ist also eigentlich eine klassische cher Angebote einsetzen. internationale Nichtregierungsorganisation. Aus dem Haushalt des Bundesministeriums für Fami- Nur wenige Länder sind offensichtlich über einzelne lie, Senioren, Frauen und Jugend werden allein für das Ministerien oder staatliche Organisationen Mitglied, Jahr 2011 insgesamt 42,343 Millionen Euro für die För- zum Beispiel Frankreich oder Spanien, wo der soge- derung des Jugendtourismus eingesetzt: 20,317 Millio- nannte Sozialtourismus eine lange historische Tradition nen Euro für die Förderung der internationalen Jugend- hat. Damit erscheint es formal und inhaltlich sehr frag- arbeit im Rahmen des Kinder- und Jugendplan des lich, ob Deutschland als Land Mitglied werden soll oder Bundes, KJP, 10,226 Millionen Euro für das Deutsch- kann. Neben den aus öffentlichen Mitteln und von ge- Französische Jugendwerk, 5 Millionen Euro für das meinnützigen Organisationen unterstützen Urlaubsan- Deutsch-Polnische Jugendwerk und 5 Millionen Euro geboten sollten wir aber auf gar keinen Fall die vielfäl- für Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätten so- tigen Möglichkeiten aus den Augen verlieren, die der wie Jugendherbergen. Tourismusstandort Deutschland schon heute für die ge- nannten Zielgruppen bietet. Die Bundesregierung fördert bereits Familienferien- (B) stätten, Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätten, (D) So gibt es in vielen ländlichen Regionen durchaus Jugendherbergen sowie die Nationale Koordinierungs- preiswerte und attraktive Urlaubsformen wie Urlaub auf stelle Tourismus für Alle e. V., NatKo. dem Bauernhof. Zuweilen sind diese so günstig, dass selbst ich als Agrar- und Tourismusexpertin stutze und Zu nennen wäre auch der Katholische Arbeitskreis mich frage, wie sich das für den Anbieter rechnen kann. für Familienerholung, deren Vorsitzende meine Kollegin Viele familiengeführte Bauernhöfe bieten nicht nur Frau Winkelmeier-Becker ist. Zusammen mit dem evan- Familien in der Hauptsaison, sondern auch älteren Rei- gelischen Arbeitskreis Familienerholung und mit dem senden oder Personen mit geringem Einkommen eine paritätischen Arbeitskreis für Familienerholung bildet persönliche, individuelle Betreuung in familiärer Atmos- er die Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung. phäre. Diese und andere Urlaubsangebote im ländlichen Zentrales Anliegen dieser Organisationen ist es, Fa- Raum wollen wir mit der im Koalitionsvertrag festgeleg- milien mit vielen Kindern einen preiswerten Urlaub in ten Tourismuskonzeption für den ländlichen Raum för- familienfreundlichen Unterkünften anzubieten und den dern. Mit solchen Schritten können wir den sogenannten Zusammenhalt in den Familien zu stärken. Dafür gibt es Sozialtourismus sicherlich besser fördern als mit einer in Deutschland 120 gemeinnützige Familienferienstät- Mitgliedschaft in dieser internationalen Organisation, ten, die seit den 50er-Jahren entstanden sind. die wir ausdrücklich ablehnen. Diese Einrichtungen stellen 3 000 Arbeitsplätze und erwirtschaften bei circa 3 Millionen Übernachtungen Ingbert Liebing (CDU/CSU): pro Jahr 100 Millionen Euro Umsatz. Sie befinden sich Wir diskutieren heute über den Antrag der Fraktion meist in strukturschwachen Gebieten und geben wirt- Die Linke, die die Bundesregierung zur Mitgliedschaft schaftliche Impulse für ländliche Räume. Familienerho- in der International Organisation of Social Tourism, lung wendet sich an alle Familien, doch werden finan- OITS, auffordert. ziell benachteiligte und kinderreiche Familien, Alleiner- ziehende sowie Familien mit behinderten Kindern oder Was bedeutet eigentlich „Sozialtourismus“? Die Or- behinderten Angehörigen besonders berücksichtigt. ganisation OITS und die Fraktion Die Linke haben selbst keinen eindeutigen Begriff dafür. „Sozialtouris- Aus dem Bundeshaushalt werden Bau und Renovie- mus“ wird umschrieben als Tourismus von Personen, rung von Familienferienstätten gegenwärtig mit 1,8 Mil- die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse, einer lionen Euro pro Jahr gefördert, BMFSFJ-Titel, in Kofi- körperlichen oder geistigen Behinderung, persönlicher nanzierung mit den Bundesländern und den Trägern oder familiärer Isolation, eingeschränkter Mobilität (jeweils ein Drittel).

Zu Protokoll gegebene Reden 10622 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Ingbert Liebing (A) Angebote für Familienberatung, zur Stärkung der Fa- gesundheitlichen, sozialen und finanziellen Einschrän- (C) milienkompetenz und zur gesundheitlichen Prävention kungen sollen reisen können. Klar ist: Dazu bedarf es spielen dabei heute eine große Rolle. Solche Angebote in vielfältiger Anstrengungen. Der Vorstoß der Fraktion Verbindung mit einem Urlaub gibt es bei der kommer- Die Linke, dass Deutschland sich stärker in der Interna- ziellen Konkurrenz nicht. Familienerholung befindet tionalen Organisation für Sozialtourismus, OITS, enga- sich damit an einer Schnittstelle von Familienpolitik, giert, kann dabei ein Baustein sein. Das BundesForum Sozialpolitik und Tourismuspolitik. Kinder- und Jugendreisen ist in der OITS bereits als deutsches Mitglied vertreten. Die Fraktion Die Linke Dies alles zeigt: Es gibt vielfältige, auch niederprei- sige Angebote, um allen Bevölkerungskreisen Urlaub schreibt in ihrem Antrag etwas lapidar, dass Staaten vom Alltag zu ermöglichen. Dafür brauchen wir keine Mitglied sind und die Bundesregierung beitreten soll. Mitgliedschaft in einer internationalen Organisation; Das müsste konkreter gefasst werden. Das Referat für davon hätte keine einzige Familie, die wir im Blick ha- Tourismuspolitik im Bundeswirtschaftsministerium wäre ben, etwas. Statt also Neues zu fordern, sollten wir lieber aus meiner Sicht der richtige Adressat. die bewährten Strukturen fördern! Bislang ist die OITS den deutschen Tourismusakteu- Wichtig ist hierbei eine bessere Vermarktung bei- ren kaum bekannt. Das sollte die Regierung aber nicht spielsweise der Familienferienstätten, die zurzeit ledig- davon abhalten, zu prüfen, inwiefern die Mitgliedschaft lich über einen eigenen Katalog erfolgt, der auf Anfrage des Tourismusreferats einen Mehrwert verspricht, zum verschickt wird. Gegenwärtig erstellt die Bundesarbeits- Beispiel durch das Sammeln guter Praxisbeispiele zur gemeinschaft unter Federführung des Evangelischen Förderung von Sozialtourismus, genauso aber auch, in- Arbeitskreises einen Antrag auf Förderung eines drei- wieweit sich andere Akteure im Deutschlandtourismus jährigen Projektes, in dem aufgearbeitet werden soll, zur Förderung des sozialen Aspekts einbringen könnten. was Familienerholung leistet und wie das Marketing Gerade das Thema Barrierefreiheit, das die OITS in ih- verbessert werden kann. Die Kosten würden insbeson- rer Arbeit aufgreift, könnte Deutschland durch eine Be- dere aus Personalkosten in Höhe von 200 000 Euro pro teiligung der Nationalen Koordinierungsstelle Touris- Jahr bestehen, wobei der größte Anteil vom BMFSFJ fi- mus für Alle, NatKo, international voranbringen. nanziert werden soll. Vonseiten der Regierung wäre es ein gutes Signal, wenn sie für diesen Fall die – überschaubare – finanzielle Un- Auch diese konkreten Projekte helfen mehr als die terstützung gewährleisten würde. Forderungen der Linken. Lassen Sie mich abschließend auf einen Aspekt hin- Festzustellen ist jedenfalls, dass einige unserer EU- (B) weisen, der mir besonders am Herzen liegt. Die Linken Nachbarn in der OITS gut vertreten sind, allen voran (D) schreiben in ihrem Antrag vom „Recht auf Tourismus“. Frankreich mit der Tourismusdirektion des Wirtschafts- Welche Dreistigkeit steckt hinter dieser Haltung der Lin- ministeriums und über 20 Organisationen. Insgesamt ken! Sie sind die direkten Nachfolger der SED. Ihre Par- sind in dem internationalen Forum 35 Länder mit rund teivorsitzende träumt schon wieder offen vom Kommu- 165 öffentlichen und privaten Organisationen beteiligt. nismus. Sie stehen in direkter Tradition derer, die ihr Die Förderung des Sozialtourismus hat die EU mit der Volk in der damaligen DDR mit Mauer und Stacheldraht 2009 gestarteten Initiative „Calypso“ aufgegriffen. Mit eingesperrt haben, in einem Land, in dem es kein „Recht dem Projekt wurde ausgelotet, wie benachteiligten Ziel- auf Tourismus“ gab, kein freies Reisen, sondern Reise- gruppen grenzüberschreitende Reisen ermöglicht wer- beschränkungen und Ausreiseverbote. Tourismus war den können. Dazu zählen Menschen mit Behinderungen, staatlich organisiert und reglementiert. Und gerade sie einkommensschwache Familien, Ältere ab 65 Jahren so- reden jetzt vom „Recht auf Tourismus“? Sie sind die Al- wie junge Erwachsene. lerletzten in diesem Hause, die diese Forderung in den Mund nehmen dürfen! Die Idee: Der Tourismus in der Nebensaison soll da- bei befördert werden. Nicht nur in Deutschland wissen wir, wie schwierig es für die Tourismusbranche ist, Gabriele Hiller-Ohm (SPD): durch die Zeiten fernab der Ferien zu kommen. Viele Wahrscheinlich ist es den Regierungsfraktionen ganz Saisonarbeitskräfte stehen dann immer wieder aufs recht, dass die Reden zum heutigen Tagesordnungspunkt Neue ohne Arbeit da. Leider hat sich die Bundesregie- zum Sozialtourismus zu Protokoll gegeben werden. Ich rung – im Gegensatz zu 21 Mitgliedstaaten – nicht an finde das schade, denn der Antrag der Fraktion Die „Calypso“ beteiligt. Die Debatte dazu im Tourismus- Linke, den wir heute beraten und den wir im Ausschuss ausschuss hat deutlich gemacht, wie sehr Schwarz-Gelb für Tourismus noch genauer zu bewerten haben, bietet allein marktordnungspolitische Bedenken herausstellt – eine gute Möglichkeit, über die politische Unterstützung nach dem Motto: zuerst der freie Markt, dann die be- von Menschen zu sprechen, die sich alleine keinen Ur- dürftigen Menschen. Natürlich muss die Idee des EU-Pi- laub leisten können. lotprojekts weitergedacht werden. So ist es gerade für Die SPD setzt sich seit langem dafür ein, dass alle Familien mit Schulkindern kaum möglich, außerhalb der Menschen am Tourismus teilhaben können. Dieses Ziel Hauptferienzeiten zu verreisen. Geklärt werden müsste haben wir in unserer Regierungszeit 2009 auch in den zudem, wer genau von – zumindest teilweise – bezu- Tourismuspolitischen Leitlinien der Bundesregierung schussten Austauschangeboten profitieren soll, auch wie beschlossen. Wir haben festgelegt: Auch Menschen mit alle Länder möglichst gerecht beteiligt werden.

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10623

Gabriele Hiller-Ohm (A) Die Regierung sollte hier aber nicht vergessen, dass ser, die preiswerte Angebote für Kinder, Jugendliche und (C) es bei dem EU-Projekt auch um die Förderung des euro- Familien vorhalten, sind für viele Regionen unverzicht- päischen Gedankens geht. Es könnte ein weiterer wichti- bar. Nun kommen die Jugendherbergen durch die ger Schritt hin zu mehr europäischer Verständigung, To- schwarz-gelbe Hotelsteuer in Bedrängnis, weil Kommu- leranz und Miteinander sein, wenn gerade Menschen, nen wie meine Heimatstadt Lübeck Bettensteuern erhe- die kein Geld zum Reisen übrig haben, Möglichkeiten ben müssen, um die Steuerausfälle zu kompensieren. erhalten, unsere Nachbarländer einmal kennenzulernen. Wenn man über den Tellerrand schaut, sollte die Bun- Thema „Barrierefreies Reisen“: Für Menschen mit desregierung beim Thema Sozialtourismus auch direkt Behinderungen ist das vordringliche Ziel die Herstel- in der Welttourismusorganisation ihren Einfluss wahr- lung von Barrierefreiheit in der gesamten touristischen nehmen. Leider besteht daran wohl wenig Interesse, Servicekette. Die Potenziale eines barrierefreien Touris- wenn man die Bewertung zu „Calypso“ zugrunde legt. mus in Deutschland sind groß und mit einem Umsatz von fast fünf Milliarden Euro und rund 90 000 zusätzlichen Interessant an der OITS ist der breite thematische An- Vollzeitarbeitsplätzen laut der 2003 vom Bundeswirt- satz. Aktuell gibt es drei Arbeitsgruppen für Jugendtou- schaftsministerium in Auftrag gegebenen Barrierefrei- rismus, Tourismus für Menschen mit Behinderungen so- heitsstudie längst bekannt. Trotzdem hakt es an allen wie fairen Tourismus. Ich finde es hierbei gut, die Ecken und Enden der touristischen Servicekette: bei Zü- Belange von Menschen mit Handicap, die vor den größ- gen, Bahnhöfen, Flugzeugen, dem Zugang zu öffentlich ten Problemen beim Reisen stehen, mit einzubeziehen. genutzten Gebäuden oder Leitsystemen durch die Stadt. Selbst in Hotels, die angeblich barrierefrei sind, ist für Letztlich zeigt die Debatte um eine Mitgliedschaft in Reisende mit Handicap nicht selten spätestens bei der der OITS, die im Übrigen auch UNWTO-Mitglied ist, Inneneinrichtung der Zimmer Schluss, weil Rollstühle dann auch: Internationaler Austausch ist das eine, die nicht durch Türen passen, oder sich die Menschen nicht nationalen Hausaufgaben zu erledigen, das andere. So- zurechtfinden. Wer sich ernsthaft um Barrierefreiheit wohl der Bund als auch die Länder stehen in vielen kümmern will, dem muss klar sein: Jede Lücke in der Punkten in der Pflicht. barrierefreien Reisekette kann schon das Aus der Reise Thema Familienerholung: Wir alle wissen: Das ist bedeuten. Zugleich muss sich die Erkenntnis durchset- wichtiger denn je. Warum geben dann immer weniger zen: Barrierefreiheit ist für 10 Prozent der Bevölkerung Bundesländer Zuschüsse für die Erholungseinrichtun- zwingend erforderlich, für über 30 Prozent hilfreich und gen der Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung? für 100 Prozent komfortabel. Ob Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Hessen oder Sachsen – hier sparen CDU und FDP die Unter- Es besteht allerdings wenig Hoffnung, dass die Regie- (B) stützung für bedürftige Familien einfach ein. Auch in rung im März einen Aktionsplan vorlegen wird, der die (D) NRW und Hamburg ist das bislang der Fall. Wie gut, Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ernst- dass dort nun endlich wieder die SPD regiert! haft in Angriff nimmt. Ich befürchte, dass der Aktions- plan für mehr Barrierefreiheit nicht über die bisherigen Zum Thema „Kinder- und Jugendreisen“: Warum Maßnahmen hinausgeht. Die SPD wird in enger Abstim- weigert sich die Bundesregierung, den Aktionsplan Kin- mung mit den Behindertenverbänden ebenfalls ihre Po- der- und Jugendtourismus weiterzuführen? 2002 hatte sitionen veröffentlichen und die Regierung auch auf die- Rot-Grün diese wichtige Initiative gestartet. Nach neun sem Feld antreiben. Jahren ist eine Evaluierung und Fortschreibung drin- gend nötig. Die Studie des BundesForums zu Kinder- und Jugendreisen 2008 zeigt, dass Kinder und Jugendli- Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): che aus einkommensschwachen Haushalten deutlich we- Die Linke fordert die Bundesregierung mit dem vor- niger am Tourismus teilhaben. Sie stellt auch fest, dass liegenden Antrag auf, die Mitgliedschaft in der Interna- bei öffentlich geförderten Kinder- und Jugendreisen tionalen Organisation für sozialen Tourismus zu bean- deutliche Kürzungen geplant sind. Bund und Länder tragen und dort aktiv mitzuarbeiten. Warum? sind in der Pflicht, ausreichend Angebote zu finanzieren. Erfreulich ist, dass es Regierung und SPD gelungen ist, In der aktuellen 27. Deutschen Tourismusanalyse der mit dem Bildungs- und Teilhabepaket im Rahmen der Stiftung für Zukunftsfragen heißt es: Regelsatzneubemessung jetzt auch einkommensschwa- Die Reiselust kennt keine Grenzen, das Urlaubs- chen Familien Zuschüsse zu ein- und mehrtägigen Klas- budget schon. ... So verreisten in der abgelaufenen senfahrten zu gewähren. Urlaubssaison vier von fünf Besserverdienenden Kinder- und Jugendreisen machen rund 30 Prozent (79 %). Dagegen stagnierte die Zahl der reisenden des Deutschlandtourismus aus. Dieses Standbein muss Geringverdiener in Deutschland auf niedrigem Ni- gezielt gestärkt werden. Problematisch ist allerdings die veau – nicht einmal jeder Dritte dieser Einkom- Situation der Unterkünfte: Die Regierung spricht selbst mensgruppe (31 %) konnte sich 2010 eine Urlaubs- von einem Renovierungsstau. Auch hier muss Bewegung reise von fünf Tagen Dauer leisten. reinkommen. Hier wird deutlich, dass das vorhandene – und leider An der Förderung der deutschen Jugendherbergen nicht wachsende – Instrumentarium an Förderungen als gemeinnützig anerkannter Träger der Jugendhilfe von bezahlbaren Reisen für alle, zum Beispiel über ge- darf hingegen nicht gerüttelt werden. Die rund 550 Häu- meinnützige Familienferienstätten, die Angebote der Ju-

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Dr. Ilja Seifert (A) gendherbergen, die von Vereinen organisierten Ferien- sollten über den Tellerrand schauen. Dafür gibt es eine (C) lager usw., nicht ausreicht. hervorragende Möglichkeit: Die Bundesrepublik Deutschland wird Mitglied der 1963 gegründeten Inter- Ein zweites Zitat möchte ich anführen. In den Touris- national Organisation of Social Tourism, OITS. muspolitischen Leitlinien der Bundesregierung heißt es: Der Organisation gehören weltweit 140 staatliche Ziel der Bundesregierung ist die Teilhabe aller Be- und nichtstaatliche Mitglieder aus dem Bereich des Tou- völkerungskreise am Tourismus. Auch Menschen rismus an, darunter die Staaten Belgien, Frankreich, mit gesundheitlichen, sozialen oder finanziellen Griechenland, Italien, Mexiko, Polen, Portugal, Einschränkungen sollen reisen können. Schweiz, Spanien, Türkei. Diese Staaten machen gute Deshalb fragte ich am 6. Oktober 2010 in der Frage- Erfahrungen mit ihrem Engagement im Sozialtourismus. stunde des Bundestages, wie die Bundesregierung dieses Deutschland, der „Reiseweltmeister“, fehlt. Lediglich Ziel für auf Hartz IV angewiesene Familien mit Kindern das BundesForum Kinder- und Jugendreisen e. V., realisieren will, da in den Regelsätzen Gelder für Reisen BuFo, ist von deutscher Seite Mitglied in der OITS. Das und Erholung nicht vorgesehen sind. Die Antwort des ist angesichts der Bedeutung des Themas nicht ausrei- Parlamentarischen Staatssekretärs Peter Hintze, CDU: chend. Vorrangiges Ziel der Grundsicherung für Arbeitsu- Eine Mitgliedschaft in der International Organisa- chende ist nicht in erster Linie die Umsetzung der tion of Social Tourism eröffnet der Bundesrepublik die tourismuspolitischen Leitlinien, sondern die Möglichkeit der direkten Einflussnahme auf die Fortent- schnellstmögliche Eingliederung der erwerbsfähi- wicklung des Sozialtourismus auf internationaler und gen Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt … europäischer Ebene, das Kennenlernen guter Praxisbei- spiele sowie deren Nutzung auf nationaler Ebene. Bei der Entscheidung, welche einzelnen Ver- brauchspositionen als regelsatzrelevant einzustu- Mein Kollege Jörn Wunderlich hatte im September fen sind, wurde in der Abteilung 11 „Beherber- 2010 die Möglichkeit, an der OITS-Konferenz in Rimini gungs- und Gaststättendienstleistungen“ die teilzunehmen und dort auch zu sprechen. Von dieser Position „Übernachtungen“ nicht als regelbedarfs- Konferenz gibt es die Botschaft, dass man sich auf eine relevant berücksichtigt. Diese Ausgaben sind dem Mitgliedschaft der Bundesrepublik freut. Deswegen ist Bereich Urlaub zuzuordnen, der als nicht existenz- es auch kein Zufall, dass der OITS-Vorstand seine sichernd anzusehen ist und folglich für den Regel- nächste Tagung während der ITB im März dieses Jahres bedarf nicht zu berücksichtigen ist. in Berlin durchführt. (B) Es muss davon ausgegangen werden, das auch Fa- Bleibt die Frage, ob die Bundesrepublik Mitglied in (D) milien mit niedrigem Einkommen, die keine Leis- einer internationalen Organisation werden muss, um tungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende er- dort aktiv mitzuarbeiten, oder ob dies eher unüblich ist. halten, nicht durchgängig Urlaube finanzieren Ende 2010 bat ich den Wissenschaftlichen Dienst des können. Bundestages um eine Übersicht, in welchen internatio- nalen Organisationen die Bundesrepublik Deutschland Diese aus meiner Sicht skandalöse Antwort zeigt, wie Mitglied ist. Die Antwort wäre sicher eine gute Grund- ernst die Bundesregierung eigene Zielstellungen nimmt. lage für eine wissenschaftliche Arbeit eines Doktoran- Gerade auch geringverdienende Familien mit Kindern, den, denn die Bundesregierung gestand, keine Übersicht Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Behinderun- über diesbezügliche Mitgliedschaften zu haben. Es sind gen oder Angehörige von zu pflegenden Menschen brau- aber – dies verdeutlichten die Zuarbeiten aus den einzel- chen den Urlaub für ihre Erholung, Gesundheit und Bil- nen Ministerien – nicht wenige. Das für Tourismus zu- dung. Und wer glaubt, dass es hier um Almosen geht und ständige Wirtschaftsministerium ist laut Haushaltsplan nicht um Menschenrechte, sollte sich Art. 24 „Recht auf in 22 internationalen Organisationen vertreten, darun- Erholung und Freizeit“ der Allgemeinen Erklärung der ter in der Welttourismusorganisation UNWTO. Der Menschenrechte von 1948 oder die UN-Behinderten- jährliche Mitgliedsbeitrag an diese 22 Organisationen rechtskonvention, Art. 30 „Teilhabe am kulturellen Le- beträgt rund 23 Millionen Euro. Der Mitgliedsbeitrag in ben sowie an Erholung, Freizeit und Sport“, ansehen. der Internationalen Organisation für Sozialen Touris- In seiner Stellungnahme zum „Sozialtourismus in Eu- mus beträgt 4 090 Euro. Das sollten wir uns wohl leisten ropa“ (2006/C 318/12) stellt der Europäische Wirt- können. schafts- und Sozialausschuss im Amtsblatt der Europäi- schen Union vom 23. Dezember 2006 (C 318/67) unter Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): anderem fest: In der alltäglichen Debatte der Tourismuspolitik gibt Alle Menschen, selbst die am stärksten benachtei- es einen Bereich, der in Deutschland nur selten explizit ligten, benötigen in täglichen, wöchentlichen und Beachtung findet. Das ist der Sozialtourismus, über den jährlichen Abständen Erholung, Freizeit und Zeit wir heute beraten, wenn auch leider nur am Rande in- zur Regeneration von der Arbeit, und sie haben ei- haltlich. Ich finde es aber außerordentlich wichtig, dass nen Anspruch darauf. wir das Thema heute überhaupt auf der Agenda des Ho- hen Hauses haben. Ich möchte das Thema Sozialtouris- Wir müssen also mehr tun, um Reisen für alle zu er- mus mal etwas von der abstrakten, institutionellen möglichen. Wir sollten dabei auch von anderen lernen, Ebene runterbrechen. Denn der Beitritt zur OITS kann

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Markus Tressel (A) nur ein erster Schritt sein. Vielmehr muss es darum ge- internationalen Vergleich hohe Urlaubsreiseintensität (C) hen, politische Ansätze und sogar eine neue Kultur für bei Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren. Kinder das Thema Sozialtourismus zu finden. Die OITS wird mit und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien seinen zahlreichen Experten sicher viele Impulse geben (70,4 Prozent) nehmen allerdings deutlich weniger am können. Genau diese sind vonnöten. Was jedoch muss Tourismus teil. das Ziel sein? Ich möchte auf die Stellungnahme des Eu- Öffentlich geförderte Kinder- und Jugendreisen sind ropäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum dabei sowohl im Kontext von Kinder- und Jugenderho- „Sozialtourismus in Europa“, die am 13./14. September lung als auch bezogen auf die internationale Jugend- 2006 beschlossen worden ist, verweisen. Hier finden arbeit seit den 90er-Jahren rückläufig. Laut Experten sich einige äußerst interessante Ansätze. Zwei davon sind staatliche Förderungen im Kinder- und Jugendrei- möchte ich in diesem Zusammenhang hervorheben: sebereich um 30 Prozent und somit auch Zuschüsse an Erstens. Unter Punkt 4.2.1 wird die Agence nationale die Träger gesunken. So besteht nicht nur die Gefahr, pour les chèques-vacances, ANCV, mit einem Geschäfts- dass Kinder- und Jugendreisen teurer werden. Auch volumen von circa einer Milliarde Euro beschrieben. wird dieses Arbeitsfeld nach einer dynamischen Ent- Dieses Beispiel sollte uns ein Vorbild sein. Weiter heißt wicklung in den 80er- und 90er-Jahren weiterhin von er- es – daraus möchte ich direkt zitieren –: heblichem Ressourcenabbau und Einsparungen betrof- fen sein. Während die Zahl der außerschulischen Sozial und wirtschaftlich ist das Programm eindeu- Bildungsmaßnahmen in den Jahren 2000 und 2004 wei- tig rentabel, denn einerseits konnten dadurch viele testgehend konstant geblieben ist, hat sich die Zahl der ältere Menschen erstmals in Urlaub fahren, andere Kinder- und Jugenderholungen um 23 Prozent reduziert. Städte und Gegebenheiten kennen lernen, gleichbe- Kinder von Hartz-IV-Empfängern bekommen zwar die rechtigte soziale Kontakte knüpfen und ihren kör- Kosten für mehrtägige Klassenfahrten von den Jobcen- perlichen Zustand verbessern, wobei eine vernünf- tern erstattet – siehe § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II –. tige Qualität und die Akzeptanz durch die Nutzer Familien, die über geringes Einkommen verfügen, je- gewährleistet ist; und andererseits werden für je- doch keine Leistungen nach dem SGB II beziehen, wer- den in das Programm investierten Euro 1,70 EUR den nicht unterstützt. wieder eingenommen. Wir sehen in allen Punkten: Der politische Weg kann Zweitens. Es heißt in den Empfehlungen unter nur ein integrativer sein. Wir brauchen auch die Reise- Punkt 9.3: veranstalter. Die OITS bietet da mit seinen 140 Mitglie- Den Touristikunternehmen sei empfohlen, sich ent- dern, von denen einige Unternehmen sind, ein geeigne- tes Forum. (B) schlossen an den Sozialtourismusaktivitäten zu be- (D) teiligen, Der Sozialtourismus vertritt Werte, die mit Mein Fazit: Ich denke, nach all dem ist es sinnvoll, einer korrekten Unternehmensführung, Wettbe- dass wir uns an der International Organisation of Social werbsfähigkeit und Rentabilität vereinbar sind … Tourism beteiligen. Allerdings reicht eine Beteiligung an Etwas anderes, was mich in diesem Zusammenhang einer internationalen Organisation nicht aus, um die an- besonders bewegt: Am heutigen Tag findet der Kinder- gestrebten Ziele zu erreichen. Dazu muss auch ein poli- und Jugendreisegipfel statt. Gerade für diese Zielgruppe tischer Wille in einer wenig sozialpolitisch orientierten ist es von außerordentlichem Interesse, Ansätze zu fin- Regierung, wie wir sie momentan haben, erkennbar den, wissen wir doch alle um die außerordentlich positi- sein. Wir müssen in Deutschland eine Kultur des Sozial- ven Effekte des Reisens in jungem Alter. Nicht umsonst tourismus entwickeln, die es in dieser Form bisher noch heißt es: Reisen bildet. Was ist jedoch das Problem? Ei- nicht gegeben hat. ner Statistik der Bundesagentur für Arbeit zufolge be- steht für circa 2,2 Millionen Kinder und Jugendliche in Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär beim Bun- Deutschland die Gefahr, nicht an Kinder- und Jugend- desminister für Wirtschaft und Technologie: tourismus teilnehmen zu können. Betroffen von Armut Die Bundesregierung hat den Antrag der Fraktion sind oft junge Menschen, die in Familien leben, in denen Die Linke zur Kenntnis genommen. Dem Antrag liegt die die Eltern arbeitslos sind oder sehr wenig verdienen, Idee zugrunde, den Tourismus allen Bürgern Deutsch- welche einen Migrationshintergrund haben, welche kin- lands zugänglich zu machen, unabhängig von deren Al- derreich sind oder die Alleinerziehende sind. ter, sozialem und wirtschaftlichem Status oder einer möglichen Behinderung. Das entspricht auch dem An- Die Teilhabe am Reisen unterstützt eine gesunde Ent- liegen der Bundesregierung. Die Bundesregierung setzt wicklung von Kindern und Jugendlichen. Während die sich für die Teilhabe aller am Tourismus ein. Barriere- Urlaubsintensität der Deutschen ab 14 Jahren zunimmt, freiheit ist ein wichtiger Teil unserer Politik. ergaben Urlaubsreisen mit Kindern bis zu 13 Jahren im Jahr 2008 mit lediglich 17 Prozent den niedrigsten Wert Einige Beispiele, die die Unterstützung der Teilhabe seit seiner Erfassung im Jahr 1996, als der Wert noch aller am Tourismus dokumentieren: bei 22 Prozent lag. Diese Zahlen stammen übrigens aus Die Bundesregierung engagiert sich seit Jahren – und einem Papier des Wirtschaftsministeriums mit dem Titel mit Erfolg – für das barrierefreie Reisen in Deutschland. „Kinder- und Jugendreisen 2009“. Wie uns die Studie „Deutsche Kinder- und Jugendreisen 2008“ verrät, gibt Im Rahmen des Kinder- und Jugendplans des Bundes es in Deutschland zwar mit 82,2 Prozent eine auch im unterstützt die Bundesregierung internationale Begeg-

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Parl. Staatssekretär Ernst Burgbacher (A) nungen und andere Reiseformen für Kinder und Jugend- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) liche. Die Bundesregierung fördert Maßnahmen der Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf internationalen Jugendarbeit aus dem Kinder- und Ju- Drucksache 17/4844 an die in der Tagesordnung aufge- gendplan des Bundes mit jährlich rund 35 Millionen führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie einverstan- Euro. den? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be- schlossen. Seit über fünfzig Jahren fördert die Bundesregierung, BMFSFJ, den Bau und die Einrichtung gemeinnütziger Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 23 auf: Familienferienstätten in Deutschland. Deren Dienstleis- Erste Beratung des von den Abgeordneten Jerzy tungen richten sich ganz besonders an kinderreiche Fa- Montag, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, weite- milien, Alleinerziehende und Familien mit behinderten ren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- Angehörigen sowie Familien mit niedrigem Einkommen, NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs die auf dem touristischen Markt häufig keine geeigneten eines Gesetzes zu einer menschenrechtskonfor- Angebote finden. Die gemeinnützigen Familienferien- men Reform der Sicherungsverwahrung stätten sind verpflichtet, während der bundesweiten Schulferien keine Saisonaufschläge zu erheben. Wirt- – Drucksache 17/4593 – schaftlich unterstützungsbedürftige Familien, Menschen Überweisungsvorschlag: mit Behinderungen und ältere Menschen können in den Rechtsausschuss (f) meisten dieser Einrichtungen von Preisnachlässen profi- Innenausschuss tieren. Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit In 13 Bundesländern werden Familien mit relativ ge- Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ringem Einkommen bei der Finanzierung gemeinsamer Ferien in einer gemeinnützigen Familienferienstätte Ansgar Heveling (CDU/CSU): – zum Teil auch in familiengeeigneten Jugendherbergen Bündnis 90/Die Grünen treten hier heute mit dem An- oder auf familiengeeigneten Bauern- und Winzerhöfen – spruch an, einen Gesetzentwurf zu einer menschen- mit einem Zuschuss des Landes unterstützt. rechtskonformen Reform der Sicherungsverwahrung – so die selbst gewählte Überschrift für die Drucksache Auf lokaler Ebene gibt es zum Beispiel Programme 17/4593 – vorzulegen. Meine lieben Kolleginnen und zur Kinder- und Jugenderholung. Damit sind Aufenthalte Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, mit dem Gesetz- von Kindern und Jugendlichen in Ferienlagern usw. entwurf, der dann dieser Überschrift folgt, sind Sie al- ebenso gemeint wie Naherholungsaufenthalte in der re- lerdings krachend am selbst gesetzten Anspruch ge- gionalen Umgebung. Der überwiegende Teil dieser Maß- scheitert. Der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf ist (B) nahmen wird von freien Trägern organisiert und aus öf- weder eine Reform, noch ist er ein Gesetzentwurf für (D) fentlichen Mitteln finanziert. Die Maßnahmen kommen in eine menschenrechtskonforme Reform. Es ist schlicht erster Linie solchen Kindern zugute, deren Eltern keinen und ergreifend der Entwurf eines Aufhebungsgesetzes. Urlaub finanzieren können. Meinen Sie das wirklich ernst? Sind Sie wirklich der An- sicht, dass man bloß die Vorschriften für die nachträgli- Sowohl Bund als auch Länder und Regionen widmen che Sicherungsverwahrung zu streichen brauche, und der Teilhabe aller am Tourismus große Aufmerksamkeit. schon seien alle Probleme gelöst? Leben Sie im Wolken- Dafür bedarf es keiner Mitgliedschaft der Bundesregie- kuckucksheim? rung in einer internationalen Organisation, die im Übri- gen den Steuerzahler Geld kosten würde. Das würde Der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf ist nun wirk- auch deshalb wenig Sinn machen, weil die Kompetenz für lich zu kurz gesprungen. Ich erinnere mich noch sehr gut die Entwicklung des Tourismus – auch unter dem Aspekt an die Einlassungen des Kollegen Montag während der der Teilhabe aller – in unserem föderalen System eindeu- Debatte um das von der christlich-liberalen Koalition tig bei den Ländern liegt. eingebrachte Gesetz zur Neuordnung der Sicherungs- verwahrung. Sie haben sinngemäß gesagt, Ihre Fraktion Die Organisation lnternationale du Tourism Social werde sich nicht konstruktiv an der Debatte beteiligen. – abgekürzt: OITS –, um die es in dem Antrag geht, ist Offen gestanden: Dass Sie Ihr Wort durch einen so des- affiliertes Mitglied der Welttourismusorganisation, truktiven Gesetzentwurf wahr machen würden, damit UNWTO, und arbeitet eng mit dem Sekretariat und den hätte ich nicht gerechnet. Es ist doch nun wirklich jedem Mitgliedstaaten der UNWTO – also auch mit Deutsch- klar, dass wir uns bei der derzeitigen Diskussion um die land – zusammen. Insofern hat die Bundesregierung als Sicherungsverwahrung in einem ausgesprochen schwie- Mitglied der UNWTO natürlich Kenntnis von den Akti- rigen Spannungsfeld bewegen: hier unsere Konzeption vitäten der OITS. Auch unter diesem Aspekt ist eine der Maßregeln der Besserung und Sicherung, die nach Mitgliedschaft der Bundesregierung in dieser Organi- der Tradition der Zweispurigkeit des deutschen Straf- sation nicht erforderlich. rechts systematisch nicht als Strafen angesehen wurden, was im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht Im Übrigen ist das BundesForum Kinder- und Ju- stets so gesehen hat – und im Ergebnis die entsprechen- gendreisen seit 2001 Mitglied in der OITS und arbeitet den nachträglichen gesetzlichen Regelungen immer hat im Vorstand der Organisation aktiv mit. Auch anderen passieren lassen –, und dort die Auffassung des Europä- Verbänden und Organisationen, die sich mit der Teil- ischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der auf der habe aller am Tourismus befassen, steht es jederzeit frei, Grundlage der EMRK zum Ergebnis kommt, dass das Mitglied zu werden. bisher angewandte System der Sicherungsverwahrung Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10627

Ansgar Heveling (A) den Anforderungen von Art. 7 und Art. 5 der Europäi- getreten ist, davon auszugehen, dass die Sicherungsver- (C) schen Menschenrechtskonvention nicht genügt. wahrung ein aktuelles Thema bleibt. Denn es war klar, dass es weitere Entscheidungen deutscher Gerichte wie Dieses Spannungsverhältnis müssen wir auflösen. auch des Europäischen Gerichtshofs dazu geben würde. Das ist ohne Zweifel eine knifflige Herausforderung, vor Wenig überraschend ist deshalb, dass zu dem Streit- der wir stehen, vor der wir im Übrigen nicht alleine ste- thema Sicherungsverwahrung nun auch eine parlamen- hen. Erkennbar steht auch das Bundesverfassungsge- tarische Initiative von der Fraktion Bündnis 90/Die richt vor der Frage, wie dieses Spannungsverhältnis Grünen vorliegt. Wenig überraschend ist allerdings aufzulösen ist. Davon konnte man sich bei der mündli- auch der Inhalt der Initiative, denn die Vorschläge sind chen Verhandlung in Sachen Sicherungsverwahrung vor bereits bei den Beratungen im Gesetzgebungsverfahren gut zwei Wochen in Karlsruhe überzeugen. Oder: Man zu dem Neuregelungsgesetz diskutiert worden. hätte sich davon überzeugen können; aus den Reihen der Opposition hat dem Verfahren jedenfalls niemand Das gilt zunächst für das Problem der nach wie vor gelauscht. Wenn man sich die vermeintlich einfache Lö- unverändert existierenden nachträglichen Sicherungs- sung, die Bündnis 90/Die Grünen hier vorlegen, an- verwahrung im Jugendstrafrecht. Freilich war es die schaut, kann man das auch verstehen. Zu viel Auseinan- SPD-Bundestagsfraktion, die bereits in der ersten Le- dersetzung mit der Sache hätte sich für dieses Ansinnen sung des Gesetzes zur Neuregelung der Sicherungsver- als schädlich erwiesen. Denn vielleicht hätte man ja ins wahrung explizit angemahnt hatte, dass die in der Ent- Nachdenken kommen können. wurfsbegründung geäußerten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der nachträglichen Sicherungsverwah- Faktum ist doch, dass es auch Schutzpflichten des rung bei Erwachsenen konsequenterweise zu einer Neu- Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern regelung der Sicherungsverwahrung auch im Jugendge- gibt. Der Staat muss die Menschen vor gefährlichen richtsgesetz führen müssen. Deshalb haben wir sowohl Straftätern wirksam schützen können. Diese Schutz- in den Ausschussberatungen als auch bei der abschlie- pflicht blenden Sie mit Ihrem Gesetzentwurf vollkommen ßenden Plenarberatung einen Änderungsvorschlag un- aus. Das hat noch nicht einmal der Europäische Ge- terbreitet, der den Wegfall der nachträglichen Siche- richtshof für Menschenrechte getan. Er hat die Schutz- rungsverwahrung mit entsprechenden Anpassungen im pflichten, die ihrerseits ihren Ausdruck in der EMRK fin- Jugendgerichtsgesetz nachzeichnen sollte. Bedauerli- den, immerhin gesehen. Aus unserer Sicht hat er sie cherweise ist unser Vorschlag nicht aufgegriffen wor- dann allerdings nicht oder nicht ausreichend in die Ab- den. Von den Koalitionären wurde aber eine Regelung wägung gegenüber Art. 5 und Art. 7 einbezogen. Das ist zugesagt. Deshalb erwarten wir jetzt von der Koalition, aus unserer Sicht ein Versäumnis des EGMR. dass sie zu ihren Ankündigungen steht und einen ent- sprechenden Gesetzentwurf vorlegt, und zwar zügig vor- (B) Ihr Versäumnis ist, dass die Schutzpflichten im Ge- (D) legt. setzentwurf auf Drucksache 17/4593 überhaupt keinen Niederschlag finden. Das ist zu wenig für einen disku- Im Gesetzgebungsverfahren intensiv diskutiert wor- tablen Gesetzentwurf. Will man das Spannungsfeld wirk- den sind auch die beiden weiteren Vorschläge von Bünd- lich auflösen, so steht man natürlich scheinbar vor der nis 90/Die Grünen, nämlich die Abschaffung der nach- Quadratur des Kreises. Eine echte Reform muss das träglichen Sicherungsverwahrung nicht nur für aber für sich in Anspruch nehmen. Wir haben mit dem Neufälle, sondern für alle Fälle. Diskutiert wurde auch Gesetz zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung und das Problem, dass im Jahre 1998 unter der damaligen dem Therapieunterbringungsgesetz einen ersten Schritt schwarz-gelben Regierung die Zehnjahreshöchstfrist für dazu unternommen. Dem haben Sie sich von Bündnis 90/ die Sicherungsverwahrung abgeschafft wurde. Die Grünen seinerzeit bereits verweigert. Hätten Sie ein echtes Alternativkonzept dazu vorgelegt, so hätte man Selbstverständlich gelten auch für Täter, die schwere die Verweigerung ja noch verstehen können. Heute stel- Straftaten verübt haben, rechtsstaatliche Grundsätze. len Sie mit dem Gesetzentwurf auf Drucksache 17/4593 Zugleich galt und gilt es, einen gangbaren Weg zu fin- allerdings unter Beweis, dass Sie keine Alternative vor- den, um das Problem zu lösen. Nach dem Urteil des Eu- legen können. Ihr Gesetzentwurf ist damit nur eins: ein ropäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von De- Dokument des Scheiterns. Uns wird das nicht beirren. zember 2009 zur Sicherungsverwahrung galt es, dafür Wir haben mit dem Gesetz zur Neuordnung der Siche- zu sorgen, die Sicherungsverwahrung zu einem rechtlich rungsverwahrung unter Beweis gestellt, dass wir uns haltbaren Instrument zu gestalten, um gefährliche Täter daranmachen, das Spannungsfeld aufzulösen, nicht bloß sicher unterbringen und die Bevölkerung vor ihnen – wie Sie – aufzuheben. Damit werden wir fortfahren. schützen zu können. Der nationale Gesetzgeber durfte Denn für uns ist die Schutzpflicht des Staates gegenüber und darf die Antwort auf die Frage nicht schuldig blei- den Bürgerinnen und Bürgern ebenso wichtig wie die ben, auf welche Weise der berechtigte Anspruch der Ge- Folgerungen aus Art. 5 und Art. 7 der EMRK. Ihren Ge- sellschaft auf adäquaten Schutz vor gefährlichen Straf- setzentwurf, der nicht einmal im Ansatz ein Reforment- tätern und Rückfalltätern zu realisieren ist. Vor dem wurf ist, lehnen wir ab. Hintergrund der bereits erfolgten Entlassungen von als gefährlich angesehenen Sicherungsverwahrten ist die Beunruhigung in der Bevölkerung gewachsen. Es geht Christine Lambrecht (SPD): aber nicht nur um ein subjektives Sicherheitsgefühl in Selbstverständlich war bei der Neuregelung der Si- der Bevölkerung. Wir müssen die Tatsache akzeptieren, cherungsverwahrung, die am 1. Januar 2011 in Kraft dass es eine zahlenmäßig sehr kleine Gruppe von Tätern

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Christine Lambrecht (A) gibt, die tatsächlich eine permanente Gefahr für die Ge- in Karlsruhe die mündliche Verhandlung statt, die end- (C) sellschaft darstellen. In diesen begründeten Einzelfällen gültige Entscheidung steht allerdings noch aus. Ob sie muss es die Möglichkeit geben, die Gesellschaft vor die- im Sinne der Vorschläge ausfallen wird, die jetzt von der sen Menschen und diese Menschen vor sich selbst zu Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt wurden, darf schützen. immerhin bezweifelt werden, denn anders als die Straß- burger Richter, die bei ihrer Rechtsprechung den Aspekt Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich deshalb der ge- der staatlichen Schutzpflichten des Staates nicht im Fo- setzgeberischen Verantwortung gestellt, dafür zu sorgen, kus hatten, müssen die Karlsruher Richter dem Recht dass einerseits die Rechte der Verurteilten gewahrt wer- des Einzelnen auf Freiheit und dem Verbot rückwirken- den und andererseits die Gesellschaft vor gefährlichen der Bestrafung sowie dem Bedürfnis der Allgemeinheit Straftätern geschützt wird. Diesem Abwägungsprozess auf Schutz vor weiterhin gefährlichen Tätern Rechnung Rechnung tragend haben wir uns entschieden, in einer tragen. konstruktiven Auseinandersetzung mit der Bundesjustiz- ministerin und den Vertretern der Koalition um eine Lö- sung in diesem Sinne zu ringen. Wir haben uns das nicht Christian Ahrendt (FDP): leicht gemacht und es ist uns gelungen, wichtige Ände- Den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die rungen an den ursprünglichen Plänen zu erreichen. Er- Grünen, weitere Änderungen im Anordnungsrecht der gebnis ist das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Ge- Sicherungsverwahrung vorzunehmen, lehnt die FDP ab. setz zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung. Der Gesetzentwurf enthält drei Forderungen: erstens Abschaffung der nachträglichen Sicherungsverwahrung Wie schon Ende Dezember 2009 hat der Europäische für alle Fälle, zweitens Beseitigung der rückwirkenden Gerichtshof für Menschenrechte – allerdings nach wie Streichung der Zehnjahreshöchstfrist, drittens Abschaf- vor mit Blick auf das alte Recht – in seinen Entscheidun- fung der nachträglichen Sicherungsverwahrung im Ju- gen am 13. Januar 2011 noch einmal im Wesentlichen gendstrafrecht. einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot gerügt. In drei Fällen ging es um die Verlängerung der Sicherungs- Lassen Sie mich zu Beginn ein paar Worte zu dem am verwahrung über die seinerzeit zulässige Höchstdauer 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Reform der Siche- von zehn Jahren hinaus. Für dieses Problemfeld ist je- rungsverwahrung sagen: Mit der Neuordnung wurde er- doch letztendlich entscheidend, ob es sich bei der Siche- reicht, dass die Sicherungsverwahrung als schärfste rungsverwahrung, so wie sie ausgestaltet ist, um eine Sanktion, die das deutsche Strafrecht kennt, nur noch Strafe handelt. In seiner Entscheidung von Dezember dort verhängt wird, wo sie zum Schutz der Bevölkerung 2009 hielt der Europäische Gerichtshof für Menschen- auch wirklich nötig ist. Dabei wurden die Regelungen (B) rechte die Sicherungsverwahrung in der deutschen Pra- der Sicherungsverwahrung besser aufeinander abge- (D) xis für kaum vom Strafvollzug unterscheidbar und be- stimmt und damit auch für die Rechtsanwender, also wertete sie deshalb als Strafe, die rückwirkend eben Richter und Staatsanwälte, wieder übersichtlicher und nicht verhängt werden dürfe. Auch in seinen Entschei- nachvollziehbarer. Darauf kann die christlich-liberale dungen vom 13. Januar 2011 kam der Europäische Ge- Koalition wahrlich stolz sein. richtshof für Menschenrechte zu dem Ergebnis, dass durch Sicherungsverwahrung der Beschwerdeführer Nun zu den einzelnen Forderungen des hier vorlie- über die Zehnjahresfrist hinaus eine Verletzung sowohl genden Gesetzentwurfs: Im Rahmen der Reform wurde des Art. 5 Abs. 1 EMRK wie auch des Art. 7 Abs. 1 die nachträgliche Sicherungsverwahrung für Neufälle EMRK vorliegt bzw. in einem Fall vorlag. abgeschafft. In der Praxis hatte sich gezeigt, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei der verfas- Ihrer Konzeption nach ist die Sicherungsverwahrung sungsrechtlich gebotenen restriktiven Auslegung dieser eigentlich eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Regelungen nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht An diesem Konzept hat der Gesetzgeber festgehalten kam, insbesondere weil es fast immer daran fehlte, dass und nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für sich die Gefährlichkeit des Täters erst im Strafvollzug Menschenrechte im Zusammenhang mit der Neurege- aufgrund erheblicher neuer Tatsachen ergab. Der BGH lung der Sicherungsverwahrung ein neues Gesetz erlas- hat seit Sommer 2004 lediglich in gut einem Dutzend sen, das Therapieunterbringungsgesetz, ThUG. Es hat Verfahren entsprechende Anordnungen bestätigt, wäh- zum Ziel, die Allgemeinheit vor psychisch gestörten Se- rend bereits bis Mitte 2008 in knapp 100 Fällen die An- xual- und Gewaltstraftätern zu schützen, indem solche ordnung abgelehnt wurde. Die nachträgliche Siche- Täter eine zielgerichtete intensive Behandlung in geeig- rungsverwahrung war als Instrument schlichtweg neten Einrichtungen erfahren. Dabei steht die Therapie untauglich, um die wirklich gefährlichen Straftäter zu im Vordergrund, und die Unterbringung in Spezialein- identifizieren. richtungen soll gerade keine zweite Haft darstellen. Für die sogenannten Altfälle, das heißt die Anlasstat Jetzt muss sich das Bundesverfassungsgericht mit der geschah vor Inkrafttreten der Neuregelung, müssen die Frage beschäftigen, wie mit den Entscheidungen des Eu- Möglichkeiten zur Anordnung der nachträglichen Siche- ropäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzuge- rungsverwahrung jedoch unverändert bestehen bleiben. hen ist, dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der Das Instrument der nachträglichen Sicherungsverwah- zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neuregelung der rung auf Altfälle auszudehnen, wäre nicht nur unbe- Sicherungsverwahrung, die die Straßburger Richter dacht, sondern auch leichtfertig. Der Gesetzentwurf der nicht zum Maßstab gemacht hatten. Am 8. Februar fand Fraktion Bündnis 90/Die Grünen liefert dafür entspre-

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Christian Ahrendt (A) chend eine ungenügende Begründung. Mit der Regelung sind. Im Jugendstrafrecht gelten Eigenheiten, die einer (C) solle verhindert werden, dass es in Zukunft auch auf besonderen Berücksichtigung bedürfen. Hier ist aber viele Jahre zu einem Nebeneinander der alten und der auf die bereits benannten Verfassungsbeschwerden hin- neuen Regelungen der Sicherungsverwahrung komme. zuweisen, von denen ein Verfahren einen solchen Fall Dabei wird der entscheidende Grund, weshalb der Ge- betrifft. Mit der Entscheidung ist erst im Sommer zu setzgeber genau dies nicht wollte, offenbar übersehen. rechnen, weshalb voreiliges Handeln nicht angebracht Eine solche Regelung würde im Recht der Sicherungs- erscheint. Stellt sich also heraus, dass gesetzgeberischer verwahrung eine erneute Lücke reißen, da das neue Sys- Handlungsbedarf besteht, werden die Vorgaben des tem wegen des Rückwirkungsverbotes auf die Altfälle Bundesverfassungsgerichts maßgeblich sein. Mit der nicht erstreckbar ist. Das mögen die Kollegen von der Reform der Sicherungsverwahrung wurden die beste- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen endlich zur Kenntnis henden Rechtsunsicherheiten beseitigt und zugleich der nehmen. Die Behauptung, die neue Rechtslage führe Schutz der Bevölkerung vor schweren Gewaltstraftätern dazu, dass auf unabsehbare Zeit die nachträgliche Si- verbessert. Dabei wurden zugleich Verstöße gegen die cherungsverwahrung bei Vorliegen der Voraussetzungen Europäische Menschenrechtskonvention vermieden. verhängt werden müsse, trifft nicht zu. Die Altfälle wer- Weitere Änderungen hält die FDP daher für nicht ange- den die Praxis noch in den nächsten fünf bis zehn Jahren bracht. beschäftigen, weil so lange noch Entlassungen aus dem Strafvollzug anstehen werden. Diese Dauer ist wegen Halina Wawzyniak (DIE LINKE): der genannten Gründe hinzunehmen. Im Vergleich zu dem Instrument der nachträglichen Sicherungsverwah- Es ist bedauerlich, dass wir erneut über das Thema rung insgesamt, das Rot-Grün zu verantworten hat, be- Sicherungsverwahrung sprechen müssen. Der von den deuten die neuen Regelungen endlich Rechtssicherheit. Grünen vorgelegte Gesetzentwurf ist zu begrüßen. Laut des hier zu beratenden Gesetzentwurfs werde Wir hätten uns diese Debatte und den Gesetzentwurf die Beseitigung der rückwirkenden Streichung der Zehn- der Grünen sparen können, hätte die Koalition aus der jahreshöchstfrist für erforderlich erachtet. Es wird ge- im letzten Jahr stattgefundenen Anhörung zur Neurege- fordert, dass das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualde- lung der Sicherungsverwahrung gleich die richtigen likten und anderen gefährlichen Straftaten vom Konsequenzen gezogen. Aber dazu fehlte ihr der nötige 26. Januar 1998 auf alle Taten Anwendung finden solle, Wille. Statt tatsächlich europarechtskonform die nach- über deren Taten bis zum Stichtag des 31. Januar 1998 trägliche Sicherungsverwahrung nicht nur für Neufälle noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Dieser abzuschaffen, hat die Koalition aus Rücksicht auf die Forderung darf keineswegs gefolgt werden. Um es ein- Stammtische die Sicherungsverwahrung für Altfälle ein- (B) mal deutlich zu machen: Diese Forderung, würde man fach beibehalten. Dass dies bedenklich ist, ist mehrfach (D) sie tatsächlich gesetzlich umsetzen, käme einem Freilas- ausgeführt worden. sungsgesetz gleich. Vor dem Hintergrund des Schutzes In der Anhörung und auch hier im Plenum ist mehr- der Bevölkerung wäre dies ebenfalls unverantwortlich. fach darauf hingewiesen worden, dass bei Beibehaltung Einen Freilassungsautomatismus darf es nicht geben. der Sicherungsverwahrung für Altfälle die nicht uner- Jeder einzelne Fall muss gesondert gewürdigt und unter hebliche Gefahr besteht, dass der Europäische Gerichts- Berücksichtigung aller Interessen gerichtlich entschie- hof für Menschenrechte diese Regelung für nicht mit der den werden. In der mündlichen Verhandlung des Bun- Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar desverfassungsgerichts am 8. Februar 2011, die vier hält. Und tatsächlich haben diejenigen, die eine solche Verfassungsbeschwerden zum Gegenstand hatte, hat Vermutung aufgestellt haben, recht behalten. Das Urteil Präsident Voßkuhle als Berichterstatter für zwei der Ver- des EGMR vom 13. Januar 2011 hat nun ausdrücklich fahren in seiner Einführung angemerkt, dass der EGMR die Unvereinbarkeit der nachträglichen Sicherungsver- bei seiner Entscheidung zur Unvereinbarkeit rückwir- wahrung mit Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a EMRK festge- kender Sicherungsverwahrung mit der EMRK die Siche- stellt. Der Art. 5 b Abs. 1 verlangt für eine rechtmäßige rungsinteressen der Allgemeinheit „nur ganz am Freiheitsentziehung einen Kausalzusammenhang zwi- Rande“ in den Blick genommen habe. Die Rechtspre- schen Verurteilung – Schuldfeststellungen durch das chung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs geht Strafgericht – und der späteren Anordnung der Siche- sogar soweit, dass die vom EGMR als unzulässig beur- rungsverwahrung – Gefährlichkeitsfeststellungen durch teilte rückwirkende Sicherungsverwahrung gleichwohl die Strafvollstreckungskammer. Und genau der fehlt bei dort fortzusetzen sei, wo ein ganz besonders hohes Maß der Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwah- an Gefahr für die Allgemeinheit bestehe. rung. Die FDP fühlt sich darin bestätigt, die Betroffenen der rückwirkenden Streichung der Zehnjahresfrist auf Nach einem alten Sprichwort könnte ich mich jetzt den Rechtsweg zu verweisen, weil nur so die gegen- hier hinstellen und sagen: Wer nicht hören kann, muss einander abzuwägenden Belange angemessen berück- fühlen. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sichtigt werden können. müssen nun fühlen. Sie müssen sich ganz schnell auf ih- ren Hosenboden setzen und eine europarechtskonforme Das Recht der Sicherungsverwahrung im Jugend- Neuregelung schaffen. Das „fühlen“ ist allerdings nicht strafrecht konnte nicht zusammen mit der nun abge- so schwierig. Sie können nämlich an diesem Punkt ein- schlossenen Reform der Sicherungsverwahrung behan- fach den Gesetzentwurf der Grünen übernehmen und delt werden, weil es zwei verschiedene Rechtsmaterien vermutlich in dieser Frage Einstimmigkeit im Hohen

Zu Protokoll gegebene Reden 10630 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Halina Wawzyniak (A) Haus erzielen. Sie müssen dazu nur einmal über Ihren als „schärfstes Mittel der Kriminalpolitik“ einlässt, (C) Schatten springen und den Stammtischen Widerspruch nicht gerecht. entgegensetzen. Beweisen Sie einmal Mut und zeigen Sie, dass nicht die Stammtische, sondern das Recht Ihr Mithin enthält der Gesetzentwurf der Grünen bloß Handlungsmaßstab ist. eine wegen des jüngsten EGMR-Urteils zwingend erfor- derliche Minimalkorrektur. Wesentliche Ungerechtigkei- Wenn Sie das an sich fragwürdige Instrument der Si- ten im Rahmen der Sicherungsverwahrung bleiben auf- cherungsverwahrung wenigstens rechtskonform machen rechterhalten und eine grundsätzliche Kritik am Institut wollen, dann sollten Sie auch einen weiteren Aspekt be- der Sicherungsverwahrung – wie potenzielles Wegge- rücksichtigen. Ein Verstoß gegen die EMRK ist nämlich sperrtsein auf Lebenszeit aufgrund unsicherer Gefah- auch die rückwirkende Aufhebung der Zehn-Jahres- renprognose, Abkoppelung des Strafrechts vom Schuld- Höchstfrist. Und damit Sie Argumentationsmaterial ha- prinzip und Hinwendung zum Präventivstrafrecht, ben, nenne ich Ihnen auch noch den genauen Paragra- Doppelbestrafungsverbot, Abkehr von Resozialisie- fen, gegen den die rückwirkende Aufhebung der Zehn- rungsgedanken und kontraproduktive Wirkungen auf die Jahres-Höchstfrist verstößt. Es handelt sich hierbei um Therapie während der Strafhaft – wird vom Gesetzent- Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a und Art. 7 Abs. 1 EMRK. Auch wurf nicht aufgenommen. Wir glauben, dass es an der für Sie gilt, was jeder Jurastudentin und jedem Jurastu- Zeit wäre, die Debatte um das Thema Sicherungsver- denten von Anfang an beigebracht wird: Ein Blick ins wahrung noch einmal grundsätzlich aufzumachen. Wir Gesetz erhöht die Kompetenz. Es ist jedenfalls für die fordern die Bundesregierung auf, eine Expertenkommis- Linke ein unhaltbarer Zustand und eine Beschädigung sion einzurichten und externen Sachverstand einzuho- des Rechtsstaates, dass Menschen trotz festgestellten len. Lassen Sie die Fakten sprechen und nicht die Verstoßes gegen die EMRK weiterhin in Sicherungsver- Stammtische. Dann – und da bin ich mir sicher – können wahrung bleiben. Deshalb ist es richtig, dass mit dem wir das Thema seriös behandeln und lassen uns nicht vorgelegten Gesetzentwurf gefordert wird, dass auf all von Emotionen treiben. Die Chance wäre mit dem Urteil diejenigen Gefangenen, die wegen Taten, über die bis des EGMR gegeben. Lassen Sie uns diese Chance nut- zum 31. Januar 1998 noch nicht rechtskräftig entschie- zen. den worden war, die Rechtslage Anwendung findet, die bei Begehung ihrer Tat aktuell war. Deshalb fordern wir Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): die Einhaltung des Rechts und damit, dass all jene, die Die schuldangemessene Bestrafung von Straftätern, bereits länger als zehn Jahre in der Sicherungsverwah- aber auch der Freiheitsentzug für nach der Verbüßung rung sitzen, obwohl zur Tatzeit die Höchstdauer auf zehn weiterhin hochgefährliche Menschen können notwen- Jahre begrenzt war, unverzüglich aus der Sicherungsver- (B) dige Maßnahmen sein, zu denen der Staat als äußerstes (D) wahrung zu entlassen sind. Besonders wichtig erscheint Mittel greifen darf und muss. Diese Einsicht folgt der uns die Aufhebung der nachträglichen Sicherungsver- unabweisbaren Erfahrung, dass es wenige Menschen wahrung für Jugendliche und Heranwachsende. Aller- gibt, die wegen einer Krankheit, aus Veranlagung oder dings, liebe Freunde von den Grünen, sind Sie hier ein fehlender innerer Hemmung eine so große und gegen- wenig inkonsequent. Die Sicherungsverwahrung für Ju- wärtige Gefahr für Dritte sind, dass kein anderes Mittel gendliche und Heranwachsende an sich gehört abge- als die Freiheitsentziehung zur Abwendung dieser Ge- schafft, sie ist mit dem System des JGG einfach unver- fahren möglich ist. Der Schutz der Bürgerinnen und einbar. Bürger vor Gewalt und Willkür ist eine staatliche Kern- aufgabe, der wir uns zu stellen haben. Der Gesetzentwurf der Grünen insgesamt kann aber nicht unsere Zustimmung finden, wir werden ihn aller- Die Sicherungsverwahrung ist aber auch der schwer- dings auch nicht ablehnen. So löblich es ist, das Urteil wiegendste Eingriff in das Freiheitsgrundrecht, der in des EGMR zum Anlass zu nehmen, das Thema Siche- einem demokratischen Rechtsstaat möglich ist. In der rungsverwahrung erneut aufzugreifen, so sträflich ist es, Sicherungsverwahrung wird Menschen die Freiheit ge- die grundlegenden Kritikpunkte am Recht der Siche- nommen, weil von ihnen in der Zukunft eine Gefahr für rungsverwahrung nicht zu thematisieren. Ich will hier ihre Mitmenschen ausgeht, der nicht anders als eben nur nur kurz die Themen benennen: Therapieunterbrin- durch Freiheitsentziehung begegnet werden kann. Der gungsgesetz, die durch § 66 b StGB beibehaltene Mög- Rechtsstaat darf daher nur als absolute Ausnahme und lichkeit, die nachträgliche Sicherungsverwahrung für nur bei Gefahr schwerster zukünftiger Straftaten zum alldiejenigen anzuordnen, bei denen aufgrund eines Mittel der Sicherungsverwahrung greifen. nicht mehr vorliegenden pathologischen Zustandes im Sinne der §§ 20 und 21 StGB die Unterbringung in einer Seit dem 1. Januar 2011 haben wir neue Regelungen psychiatrischen Klinik für erledigt erklärt worden ist, zur Sicherungsverwahrung. Warum legen wir heute, Beibehaltung der Raub- und Erpressungsdelikte – auch nach nur acht Wochen, einen neuen Gesetzentwurf zur der gewaltanwendungsfreien –, Betäubungsmittel- so- Reform der Sicherungsverwahrung vor? Weil es unab- wie Brandstiftungsdelikte als Anlasstaten für die Anord- weisbar notwendig ist! Der Europäische Gerichtshof für nung der Sicherungsverwahrung. Menschenrechte hat Deutschland am 13. Januar 2011 – zum wiederholten Male – wegen eines Verstoßes gegen All dies wird – und darauf haben wir als Linke bereits die Europäische Menschenrechtskonvention verurteilt. mehrfach hingewiesen – dem Institut der Sicherungsver- Der Gerichtshof hat die Regelungen, wonach die Siche- wahrung, wenn man sich überhaupt auf dieses Institut rungsverwahrung nicht nur zugleich mit dem Strafurteil,

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Jerzy Montag (A) sondern noch viele Jahre später zum Ende der Strafhaft Menschenrechtskonvention, die Rechtsprechung des Ge- (C) verhängt werden kann, als einen Verstoß gegen Men- richts offensichtlich ignoriert und missachtet. schenrechte beanstandet. Die jetzige schwarz-gelbe Koalition hat diesen fort- Die sogenannte nachträgliche Sicherungsverwah- währenden Menschenrechtsverstoß durch deutsche rung ist zwar – für die Zukunft – in Teilbereichen und gesetzliche Regelungen nicht beseitigt. Das neue Therapie- halbherzig abgeschafft worden. Aber nach dem Urteil unterbringungsgesetz schafft neue verfassungsrechtliche des EGMR muss dringend nachgebessert werden. Denn Probleme und für die Länder enorme Umsetzungspro- das Straßburger Gericht hat recht. Auch nach der neuen bleme, statt den Menschenrechtsverstoß zu beseitigen. Reform verstößt Deutschland gegen die Menschen- Das wollen wir ebenfalls grundlegend ändern und si- rechte. Und ich prophezeie Ihnen weitere Verurteilungen cherstellen, dass es im Recht der Sicherungsverwahrung durch den Gerichtshof, wenn Sie das Gesetz nicht so än- keinerlei rückwirkende Verschlechterungen mehr gibt. dern, dass es zu einer menschenrechtskonformen Reform der Sicherungsverwahrung kommt. Einige hoffen ja, dass sich das Bundesverfassungsge- richt, dem gegenwärtig ebenfalls einige Beschwerden in In der Presse sind Stellungnahmen des Bundesjustiz- Sachen Sicherungsverwahrung vorliegen, von der unbe- ministeriums zu lesen, wonach das Urteil nur die frühere quemen menschenrechtlichen Rechtsprechung aus Rechtslage betreffe, die ja inzwischen durch die Koali- Straßburg absetzt. Ich sehe das nicht so. Für die Siche- tion geändert wurde. Das ist falsch. Die Koalition hat rungsverwahrung gilt das, was das Bundesverfassungs- die nachträgliche Sicherungsverwahrung mit der letzten gericht bereits zur lebenslangen Freiheitsstrafe gesagt Reform nicht abgeschafft, sondern nur für die Zukunft hat. Der frühere Verfassungsrichter Professor eingeschränkt. Es wurde verbreitet, dass das Urteil letzt- Dr. Hassemer hat es einmal so formuliert: lich nicht mehr als 20 Personen betreffe. Auch das ist falsch. Bei Straftaten vor dem 1. Januar 2011 bleibt es Der Mensch muss eine Perspektive haben. Eine auf Jahrzehnte und für Tausende von Menschen dabei, Perspektive von Freiheit. dass sie – bei Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Vor- aussetzungen – in die nachträgliche Sicherungsverwah- Das ist eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit, rung gelangen können. Darin liegt ein tausendfacher aber die schwarz-gelbe Koalition weigert sich weiterhin und auf Jahrzehnte fortdauernder Menschenrechtsver- beharrlich, sie auszusprechen. Genauso weigern Sie stoß. Der vielleicht noch größere Skandal liegt aber da- sich, auf Frau Dr. Renate Jaeger, die frühere deutsche rin, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung für Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschen- Täter, die nach Jugendrecht verurteilt wurden und auch rechte, zu hören, die letzte Woche zur Sicherungsver- wahrungsdebatte klar und deutlich gesagt hat: „Auch (B) in Zukunft werden, uneingeschränkt fortbesteht. Damit (D) werden junge Straftäter schlechtergestellt als schon Er- Mörder haben Rechte“. Diese richtige Grundhaltung wachsene. hat nichts mit angeblichem Täterschutz zu tun, der erns- ter als der Opferschutz genommen werde. Um ein für alle Mal mit Verstößen gegen die Europä- ische Menschenrechtskonvention Schluss zu machen, Wir wollen Opfer und gefährdete Menschen schützen fordern wir mit unserem Gesetzentwurf – wie bereits mit und haben dazu viele konkrete und umfassende Vor- unserem Änderungsantrag zur Reform – die nachträgli- schläge gemacht. Aber Prävention und Strafverfolgung che Sicherungsverwahrung nicht nur für Neufälle, son- können nur gelingen und Bestand haben, wenn sie sich dern für alle Fälle abzuschaffen. Zwischen 1974 und im Rahmen der Grundrechte und Menschenrechte bewe- 1998 galt eine Zehnjahreshöchstfrist für die Sicherungs- gen, die allen Menschen zustehen, auch solchen, die ge- verwahrung. Sicherungsverwahrte wurden spätestens fehlt haben und von denen möglicherweise Gefahren für nach zehn Jahren Vollzug der Maßnahme aus dieser ent- andere ausgehen. lassen. Eingeführt wurde diese Befristung übrigens aus Wir appellieren an Sie, unseren Gesetzentwurf ernst- dem nach wie vor geltenden Gedanken, dass unter Gel- haft zu beraten und unsere Vorschläge zur menschen- tung der Grundrechte des Grundgesetzes keine Frei- rechtlichen Ausrichtung der Regelungen zur Siche- heitsentziehung endlos vollstreckt werden darf, und rungsverwahrung aufzugreifen. zwar unter dem SPD-Justizminister Gerhard Jahn.

Die letzte schwarz-gelbe Koalition hat diese Befris- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: tung im Januar 1998 aus dem Gesetz gestrichen, ohne Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur- Übergangsbestimmungen und somit rückwirkend auch fes auf Drucksache 17/4593 an die in der Tagesordnung für Menschen, die zur Sicherungsverwahrung verurteilt aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es ander- wurden, als für sie noch die Zehnjahresfrist galt. Der weitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits Überweisung so beschlossen. im Dezember 2009 festgestellt, dass diese Rückwirkung dem menschenrechtlichen Verschlechterungsverbot un- Tagesordnungspunkt 24: terfällt, und Deutschland deswegen verurteilt. In neuen Entscheidungen vom 13. Januar 2011 hat der Men- Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald schenrechtsgerichtshof seine Auffassung bekräftigt und Weinberg, Dr. Martina Bunge, Andrej Hunko, seine Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE dass Deutschland, ein Signatarstaat der Europäischen LINKE 10632 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) zu der legislativen Entschließung des Europäi- im Ausland bei seiner heimischen Krankenversicherung (C) schen Parlaments vom 19. Januar 2011 zu dem Kostenerstattung bis zu der Höhe verlangen zu können, Standpunkt des Rates in erster Lesung im wie für eine vergleichbare Behandlung im Inland ange- Hinblick auf die Annahme einer Richtlinie des fallen wäre. Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der Allerdings ergeben sich aus der Richtlinie für grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung Deutschland in dieser Hinsicht keine grundlegenden (11038/2/2010 – C7-0266/2010 – 2008/ Veränderungen. Denn wir halten uns schon lange an die 0142[COD]) Vorgaben der EU-Rechtsprechung und haben diese be- Ratsdok. 11038/10 und KOM(2008) 0414 endg. reits im Jahr 2004 mit dem GKV-Modernisierungsgesetz in § 13 Abs. 4 und 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch in hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- nationales Recht umgesetzt. Die deutschen Versicherten regierung gemäß Art. 23 Abs. 3 des können daher seit Jahren ambulante Leistungen und Grundgesetzes i. V. m. § 9 Abs. 4 des Ge- – bei vorheriger Genehmigung – auch Krankenhausbe- setzes über die Zusammenarbeit von handlungen im EU-Ausland auf Basis von Kostenerstat- Bundesregierung und Deutschem Bun- tung in Anspruch nehmen. destag in Angelegenheiten der Europäi- schen Union Leider haben viele andere Mitgliedstaaten die Recht- sprechung des Europäischen Gerichtshofs unzureichend EU-Richtlinie über die Ausübung der Patien- oder gar nicht berücksichtigt. Deshalb bestand dringen- tenrechte in der grenzüberschreitenden Ge- der Handlungsbedarf im Interesse der Patientinnen und sundheitsversorgung fördert gesundheitliche Patienten der Europäischen Union. Denn es ist unzu- Ungleichheit mutbar, den einzelnen Patienten notfalls auf den Klage- weg zu verweisen. Gerade für schwer kranke Patienten – Drucksache 17/4717 – stellt dies keine echte Alternative dar. Im Extremfall könnte der Patient verstorben sein, bevor das Urteil ge- Stephan Stracke (CDU/CSU): sprochen wurde. Deshalb war unstreitig, die Ausgestal- Nach fast dreijährigen Verhandlungen hat das Euro- tung der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung päische Parlament am 19. Januar 2011 die „Richtlinie nicht länger der Rechtsprechung des Europäischen Ge- zur Ausübung der Patientenrechte in der grenzüber- richtshofs zu überlassen. Die Richtlinie stärkt die Rechte schreitenden Gesundheitsversorgung“ angenommen. der Patientinnen und Patienten bei der grenzüberschrei- Hierbei handelt es sich um einen Kompromiss, den das tenden Versorgung. Das ist aus deutscher Sicht aus- (B) Europäische Parlament, die EU-Kommission und der drücklich zu begrüßen. (D) Rat der EU-Gesundheitsminister ausgehandelt haben. Dieser Kompromiss stellt auch aus deutscher Sicht eine Hervorzuheben ist, dass die Richtlinie nicht zu einer ausgewogene Lösung dar. Die Richtlinie gewährleistet Aushöhlung der nationalstaatlichen Kompetenzen im den Rahmen für eine sichere, hochwertige und effiziente Gesundheitsbereich geführt hat. In den ersten Entwürfen grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung in der wollte die EU-Kommission nämlich hier ihre Kompeten- Europäischen Union. Sie sorgt für ein höheres Maß an zen ausweiten. Deutschland wollte dies nicht. Die deut- Rechtssicherheit für die Patienten, die eine grenzüber- sche Gesundheitsversorgung ist eine der besten in der schreitende Gesundheitsversorgung in Anspruch neh- Welt. Deshalb war es von Anfang an breiter Konsens in men wollen. Die Krankenkassen werden grundsätzlich diesem Hohen Haus, dass es hier keiner Vergemein- verpflichtet, die Kosten für Behandlungen im EU-Aus- schaftung bedarf. Der Deutsche Bundestag hat deshalb land in der Höhe zu erstatten, wie sie auch im Inland an- seine Kritik in einem Entschließungsantrag vom Novem- gefallen wären. ber 2008 deutlich gemacht und die Bundesregierung ge- beten, die autonome Zuständigkeit der Mitgliedstaaten Bereits jetzt gibt es Regelungen für Notfallbehandlun- für ihre Gesundheitssysteme in den Verhandlungen zu gen im EU-Ausland. Auch gibt es bereits Regelungen für erhalten. Nicht zuletzt hat die christlich-liberale Koali- Personen, die zwar in einem EU-Mitgliedstaat versi- tion diesen Standpunkt auch in einem Gespräch des Ge- chert sind, jedoch in einem anderen Mitgliedstaat leben sundheitsausschusses mit dem EU-Kommissar für Ge- und dessen Gesundheitsversorgung in Anspruch neh- sundheit, John Dalli, am 4. Oktober 2010 nochmals men. Dies stellt die Mehrzahl der Fälle der grenzüber- betont. Dabei haben wir herausgestellt, dass die natio- schreitenden Gesundheitsversorgung dar. Die vorlie- nale Kompetenz von der Kommission unangetastet blei- gende Richtlinie betrifft daher nur die Fälle, in denen ben muss. Dies ist uns letztlich auch gelungen. Daher sich Patienten zielgerichtet für eine Behandlung im Aus- bedanke ich mich auch an dieser Stelle ausdrücklich bei land entscheiden. Damit ergänzt sie sinnvoll den beste- unserem Gesundheitsminister Dr. Rösler und seinem Mi- henden EU-Rechtsrahmen zur Koordinierung der Sys- nisterium für das beachtliche Engagement in dieser Hin- teme der sozialen Sicherheit. sicht. Ihre Grundlage hat die Richtlinie in der Rechtspre- Weitere Forderungen aus dem Entschließungsantrag chung des Europäischen Gerichtshofs, die dieser seit wurden ebenfalls durchgesetzt. So werden Leistungen der 1998 zur Dienstleistungsfreiheit der Patienten entwi- Pflegeversicherung rechtsklar aus dem Anwendungsbe- ckelt hat. Er hat seitdem in ständiger Rechtsprechung reich der Richtlinie ausgenommen und die Zuständigkeit das Recht der Patienten anerkannt, für eine Behandlung der Mitgliedstaaten für die Festlegung von Qualitäts- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10633

Stephan Stracke (A) und Sicherheitsstandards ausdrücklich festgeschrieben. Nicht zuletzt bietet die Richtlinie große Chancen für (C) Außerdem werden die Vorschriften zur Kostenerstattung die deutschen Leistungserbringer. Nach Schätzungen strikt nach der Rechtsprechung des Europäischen Ge- betrifft das europaweite Volumen an grenzüberschrei- richtshofs ausgerichtet. Bürokratische Regelungen sind tender medizinischer Versorgung jährlich rund 10 Mil- zudem auf das sachlich Notwendige beschränkt. liarden Euro. Da unser Gesundheitssystem international einen hervorragenden Ruf hat, ist mit einer erhöhten Vorteile und Rechtssicherheit für die Patienten erge- Nachfrage durch ausländische Patienten zu rechnen. ben sich aus den folgenden Regelungen der Richtlinie: Diese Entwicklung sollten wir aktiv begleiten. Die Argu- Die Leistungen der grenzüberschreitenden Gesund- mente, mit der die Linke ihren vorliegenden Antrag zu heitsversorgung werden gemäß den Rechtsvorschriften begründen versucht, verfangen allesamt nicht. und den Qualitätsstandards des Staates erbracht, in dem die Behandlung stattfindet. Der Staat, in dem der Patient Die befürchtete europaweite Zwei-Klassen-Medizin versichert ist, hat diesem auf Anfrage Informationen ist abwegig. Im Gegenteil: Die Richtlinie führt zur Stär- über seine Rechte, sich im Ausland behandeln zu lassen, kung der Rechte aller Patienten in der grenzüberschrei- zur Verfügung zu stellen. Besondere Bedeutung haben tenden Versorgung, und zwar unabhängig von ihrer fi- hierfür die nationalen Kontaktstellen, die jeder Mit- nanziellen Situation. Das sieht auch das Europäische gliedstaat einrichten muss. Sie sind Anlaufstelle für Pa- Parlament so. Denn die Richtlinie soll den Patienten zu- tienten und stellen diesen alle wichtigen Informationen gutekommen, die die Versorgung benötigen, und nicht über die Behandlung im Ausland zur Verfügung. bloß den Patienten, die über die entsprechenden finanzi- ellen Mittel verfügen. Genau dieser Zielsetzung wird die Die Kosten für die Behandlung im ausländischen Richtlinie gerecht. Staat werden bis zu der Höhe erstattet, die die Behand- lung in dem Staat gekostet hätte, in dem der Patient ver- Auch die beschworene Gefahr, dass in ärmeren EU- sichert ist. Es werden jedoch nur Behandlungen bezahlt, Mitgliedstaaten Wohlhabende aus reicheren EU-Mit- die auch im Heimatstaat im Leistungskatalog der Kran- gliedstaaten bevorzugt behandelt werden, ist absurd. kenkassen enthalten sind. Darüber hinausgehende Be- Hier würde alleine ein Blick in die Richtlinie zur Er- handlungen und Kosten muss der Patient selbst bezah- kenntnis beitragen. Denn Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie len. schreibt ausdrücklich vor, dass alle Patienten mit den gleichen inländischen Gebührensätzen abzurechnen Für bestimmte Behandlungen können die Mitglied- sind. Der von der Linken wieder einmal an die Wand ge- staaten ein System der Vorabgenehmigungen einführen. malte Klassenkampf wird in der Realität nicht stattfin- Dies ist ein Schutzinstrument insbesondere zugunsten den. der solidarisch finanzierten Krankenversicherungssys- (B) (D) teme, da dieses vor allem bei hochspezialisierten und Wenn die Linken davon sprechen, dass es ein „Prinzip kostenintensiven medizinischen Behandlungen gilt. Um- des gleichen Zugangs für alle grenzüberschreitenden Ge- gekehrt wird auch der Patient geschützt, da eine Geneh- sundheitsdienstleistungen“ gebe, dann wird klar, was mit migung verweigert werden kann, wenn der Patient ei- dem Antrag eigentlich bezweckt wird, nämlich ein EU- nem zu großen Risiko ausgesetzt sein würde. weit vereinheitlichtes Gesundheitssystem. Wer wie die Linke sozialisieren will, der wird die medizinische Ver- Ebenso nimmt die Richtlinie auch Rücksicht auf ethi- sorgung der Menschen in Deutschland nicht verbessern, sche Fragen. So entscheiden die Mitgliedstaaten selbst, sondern deutlich verschlechtern. Denn eine Vereinheitli- welche Behandlungen sie aus ethischen Gründen nicht chung wäre nur deutlich unterhalb des deutschen Stan- erlauben wollen. Behandlungen, die in dem Heimatstaat dards möglich. Das wird die christlich-liberale Koalition des Versicherten aus ethischen Gründen nicht erlaubt niemals tun. Wir stehen dazu, dass jeder Mitgliedstaat und damit auch nicht erstattungsfähig sind, müssen von für die Gesundheitsversorgung seiner Bürgerinnen und diesem auch dann nicht erstattet werden, wenn sie im Bürger selbst verantwortlich bleiben soll. Unser Gesund- Ausland vorgenommen werden. Als ein Beispiel ist hier heitssystem ist spitze und soll auch spitze bleiben. Und die Präimplantationsdiagnostik zu nennen. natürlich polemisiert die Linke wieder einmal gegen jede Ganz praktisch bedeutet dies alles aus Sicht der Pati- Art von Wettbewerb. Wer Wettbewerb nicht will, will of- enten: fenbar Staatsmedizin. Die geschichtliche Erfahrung ge- rade in Deutschland hat jedoch gezeigt, dass dies nicht Für Personen, die auf einer Warteliste stehen, kann der richtige Weg ist. Wettbewerb stellt auch Qualität im sich die Zeit bis zur Behandlung wesentlich verkürzen. Gesundheitsbereich sicher. Wer Wettbewerb nicht will, ist In Großbritannien gibt es zum Beispiel lange Listen für ein Qualitätsrisiko für die Patientinnen und Patienten in Hüftoperationen. Diese können nun durch Behandlun- Deutschland. Und genau das ist die linke Opposition. gen in Deutschland schneller abgearbeitet werden. Ebenso können vornehmlich Patienten profitieren, die in Zum Schluss bekräftige ich noch einmal: Die Richtli- Grenzgebieten wohnen oder die sich aus privaten Grün- nie gibt den Patientinnen und Patienten ebenso wie den den, zum Beispiel weil Familienangehörige dort woh- Leistungserbringern in der Europäischen Union Rechts- nen, in einem anderen Mitgliedstaat behandeln lassen klarheit und Rechtssicherheit über die Voraussetzungen wollen. Besondere Vorteile ergeben sich auch für Pati- der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung. Den enten, die beispielsweise wegen einer seltenen Erkran- Patientinnen und Patienten wird ein individuelles Ent- kung einer hochspezialisierten Behandlung bedürfen, scheidungsrecht an die Hand gegeben, ob sie sich im EU- die aber nicht in jedem Land angeboten wird. Ausland behandeln lassen möchten oder nicht. Dieses

Zu Protokoll gegebene Reden 10634 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Stephan Stracke (A) Recht wollen wir und werden wir nicht verweigern. Die Gefahr ist, aber für die europäische Politik sind die von (C) CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt daher den Antrag Ihnen aufgestellten Prinzipienforderungen und Schluss- der Linken ab. Wir werden ihm nicht zustimmen. folgerungen vollkommen untauglich oder realitätsfern. Was Sie mit „Bestimmungslandprinzip“ meinen, bleibt in Bezug auf die Finanzierung nebulös und würde unter Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): anderem zur Folge haben, dass die gesundheitlichen Zu später Stunde kommen wir heute aufgrund eines Einrichtungen in Deutschland auf Kosten sitzen bleiben Antrags der Linken zu einer EU-Vorlage zusammen und oder die Versichertengemeinschaft die Kosten überneh- beschäftigen uns mit der europäischen Gesundheitspoli- men müsste. tik. Die infrage stehende Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates über die Aus- Wenn Sie wollen, dass die Versicherten des jeweiligen übung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Landes, dessen Infrastruktur genutzt wird, die Differenz Gesundheitsversorgung hat eine längere Geschichte, bezahlen, müssen Sie das auch so offen sagen! Wenn die und ich begrüße ausdrücklich, dass wir nun endlich auf gute Versorgungsstruktur in Deutschland für alle EU- dem Weg sind, Verbesserungen für die Menschen in Bürger gelten soll, aber die deutschen Versicherten die Europa zu erreichen. Versicherte müssen den Zugang zu Differenz zahlen müssen, dann würden die jüngst von der gesundheitlichen Versorgung erhalten, egal wo in der schwarz-gelben Bundesregierung erhöhten Kran- Europa sie sich gerade befinden. Dies ist ja auch eine kenversicherungsbeiträge in Deutschland weiter stei- Forderung des Europäischen Gerichtshofes, die nun gen. Dann sagen Sie das bitte auch direkt den Arbeitneh- endlich umgesetzt werden muss. merinnen und Arbeitnehmern mit kleinem Einkommen sowie den Rentnerinnen und Rentner, die ja, wenn es Wir sind uns hier alle einig, dass wir die grenzüber- nach Schwarz-Gelb geht, die zukünftig steigenden Kos- schreitende Patientenmobilität brauchen. Differenzen ten übernehmen sollen. Oder alternativ wird eben im gibt es allerdings um die Frage, wie wir diese regeln Gesundheitssystem an Leistungen oder auch Löhnen von wollen. Die unterschiedlichen Vorstellungen über die zum Beispiel Krankenhauspersonal gespart, um die zu- Umsetzung waren ja bereits der Grund dafür, dass sich sätzlichen Kosten zu stemmen. Sie machen es sich zu der Umsetzungsprozess so lange verzögert hat. Die leicht, wenn Sie sich mit den finanziellen Folgen Ihrer Richtlinie ist für uns politisch von einiger Bedeutung, Forderungen nicht beschäftigen. zum einen weil einige von uns Nutznießer dieser Rege- lung sein werden und andererseits weil unsere europäi- Auch die Frage, inwiefern mit Ihren Forderungen ein schen Nachbarn leichter als bisher unsere Kliniken und Gesundheitstourismus und damit vielleicht auch eine Behandlungsmöglichkeiten aufsuchen können. Überforderung der Gesundheitssysteme der EU-Länder (B) mit hoher medizinischer Versorgungsqualität verbunden (D) Die Linksfraktion versucht mit ihrem Antrag den Ein- ist oder der Kurtourismus ins Ausland zulasten der GKV druck zu erwecken, diese Richtlinie öffne Tür und Tor für und hiesiger Einrichtungen geht, blenden Sie aus. Zu all eine Verschärfung der Zweiklassenmedizin. Ich ver- dem sagen sie nichts. Es ist notwendig, die Patientenmo- kenne die Gefahr nicht, dass unterschiedliche Preisge- bilität in Europa auszubauen. Es ist aber auch notwen- füge innerhalb der EU auch im medizinischen Bereich dig, hierbei sicherzustellen, dass keine finanzielle Über- dazu führen können, dass Menschen aus reichen Län- forderung der jeweiligen Gesundheitssysteme erfolgt dern sich Gesundheitsdienstleistungen in Niedrigpreis- und keine ungelenkten Versichertenströme entstehen, die ländern kaufen können und andere Menschen aus ärme- zu Engpässen in manchen Ländern führen werden. Sie ren Ländern sich nicht so frei in Europa bewegen denken nicht zu Ende, aber wir kennen es nicht anders werden. Das ist bereits jetzt so. Trotzdem kann ich der bei der Linksfraktion. pessimistischen Sichtweise der Linken nur bedingt fol- gen. Jens Ackermann (FDP): Wenn man die Richtlinie liest, wird sehr schnell deut- lich, dass das Europäische Parlament und der Europäi- Transparenz, Bürgernähe und Rechtsicherheit: Kei- sche Rat auf die jeweiligen Situationen in den jeweiligen ner wird an diesen Begriffen und den sie füllenden Ei- Ländern eingehen mussten und den Ländern keine Vor- genschaften etwas kritisieren können. Es sind die Ziele schriften machen, die den Patienten konkret schlechter der EU-Kommission, welche sie mit ihrer Richtlinie zur stellen. Denn machen wir uns doch nichts vor: Bereits Patientenmobilität verfolgt. Künftig können Gesund- jetzt ist es doch so, dass de facto nur Menschen, die über heitsdienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat in ein entsprechendes Einkommen verfügen und nicht Anspruch genommen werden, ohne dass die eigene durch Sprachbarrieren davon abgehalten werden, ins Krankenkasse vorher um Erlaubnis gefragt werden Ausland gehen, um sich dort gesundheitliche Dienstleis- muss. Der EU-Bürger ist frei, zu reisen, und er solle es tungen zu kaufen. Die Richtlinie versucht lediglich, die- auch dann sein, wenn es darum geht, sich im europäi- sen Sachstand aufzugreifen und für gewisse Mindest- schen Ausland ambulant behandeln zu lassen. Die Men- standards bei der Kostenübernahme und bei den schen in der EU können das zentrale Recht auf Frei- Vorabgenehmigungen zu erreichen, und lässt den Län- zügigkeit nun auch in der Gesundheitsversorgung dern hier weiterhin freie Hand. einfacher in Anspruch nehmen. Klare Regeln schenken den Bürgerinnen und Bürgern mehr Freiheit und stärken Sie haben ja recht, dass mit der unsozialen schwarz- den wichtigen Wert der Freizügigkeit. Transparenz, Bür- gelben Gesundheitspolitik das Sachleistungsprinzip in gernähe, Rechtsicherheit und eben Freiheit.

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10635

Jens Ackermann (A) Doch wenn ich eingangs – natürlich rhetorisch – die Herzoperationsangebote für Reiche in Luxuskliniken (C) Vermutung geäußert habe, dass diesen Zielen niemand von Bahrein und Co. Nochmals: Wer gesetzlich versi- etwas entgegenzusetzen haben kann, dann habe ich die chert ist, bekommt die Kosten für die gleichen Arztter- Rechnung ohne die Linke gemacht. Denn wir beraten mine nun auch in anderen EU-Ländern erstattet. Inso- heute den Antrag dieser Fraktion, dass die Bundesregie- fern wird kein Bürger, der nach Paris zum Arzt geht, rung der genannten Richtlinie im Rat nicht zustimmen besser dastehen, als einer, der nach Magdeburg geht – solle. Leider zeigt sich mit diesem Antrag wieder einmal, mit der Ausnahme, dass er sich natürlich nach Gene- dass die Linke Freiheit als Ungleichheit begreift. Es sung noch den Eiffelturm ansehen kann. wird leider wieder einmal deutlich, dass die Linke Frei- zügigkeit als Gefahr verkennt. Umgekehrt haben wir in Deutschland ein Gesund- heitssystem, um das uns andere Länder beneiden. Die Das mag auf den ersten Eindruck vielleicht nicht ver- Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung um- wunderlich sein. Ist doch die Linke in weiten Teilen die fasst eine sehr gute medizinische Versorgung, die höher Nachfolgerin jener Staatspartei, die alle gleichmachen liegt als in den meisten EU-Mitgliedstaaten. Wir verfü- wollte und der Masse Freiheit vorenthielt. Freizügigkeit gen hier über hochqualifizierte Ärzte, wir müssen nicht war schließlich eine Gefahr, und in der Doktrin der SED zwingend unser Land für einen Arzttermin verlassen. mussten die eigenen Bürger ja auch durch die Mauer ge- Aber wir können es künftig tun. Davon werden die Men- schützt werden. Zum Glück ist die Zeit des Stacheldrahts schen profitieren – im Urlaub, wie aber auch all jene, auf deutschem Boden vorbei. Zum Glück sterben keine die im Grenzgebiet zu anderen Staaten wohnen. Deren Menschen mehr aus politischen Gründen, nur weil sie Auswahl wird steigen, deren Aussichten, einen Termin zu von einem Ort an einen anderen möchten. Die Wende hat erhalten, vielleicht sogar wachsen. den Menschen schließlich diese neuen Freiheiten ge- schenkt, sie hat sie dabei doch nicht nur auf Deutsch- Diese Richtlinie eröffnet zunächst mehr Chancen, land beschränkt, sondern ganz Europa mit eingeschlos- aber sie verringert doch keine. Eine Zwei-Klassen-Me- sen. Und so ist das größte Glück für die Europäer heute dizin ist ausgeschlossen, da der Umfang der ambulanten Freiheit. Davon machen die Bürgerinnen und Bürger Leistungen durch diese Richtlinie nicht über jene im Gebrauch, sie bewegen sich zu Recht frei innerhalb der Heimatland hinausgeht. Würde man die Linken-Argu- EU. mentation übernehmen, dann sind generell Reisen unge- Doch die Menschen werden eben auch leicht zu Pati- recht, da sich einige mehr leisten können als andere. enten – in der Heimat, wie im Ausland. Dann ist es wich- Dann ist der Geburtsort eine soziale Frechheit, da in ei- tig, dass sie unbürokratisch und direkt die nötige medizi- nem Dorf vielleicht ein Bäcker ist und im anderen nicht. nische Hilfe bekommen und einen Arzt ihrer Wahl Im Übrigen hat die Mauer, die ja auch einige von den (B) (D) aufsuchen können – hier, wie in anderen Staaten der EU. Linken direkt oder indirekt verteidigt haben, nicht zu ei- Im Notfall ist dies ja schon heute möglich; Reisende sind ner klassenlosen Gesellschaft geführt. hier schon länger über ihre Europäische Krankenversi- Aber aus vergangenen Diskussionen wissen wir ja cherungskarte geschützt. leidvoll, dass die Linken zur Vereinfachung neigen. Mit der Richtlinie über die Ausübung der Patienten- Doch die Tage der Spruchbänder sind zum Glück ge- rechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversor- zählt. Denn, meine Damen und Herren von der Links- gung wird nun eine Lücke geschlossen, um medizinische fraktion: Unsere Welt ist komplexer, als Sie denken. Gute Versorgung nicht ausschließlich in Notfällen zu ermögli- Politik erfordert Differenzierung. Sachverhalte müssen chen, ohne dass die Krankenkasse dies genehmigen erkannt und richtig eingeordnet werden. Das gelingt Ih- müsste. Die Linke wittert nun aber bei mehr Freiheits- nen mit diesem Argument nicht. rechten Gefahr. Wenn man sich aber die Begründung an- sieht, wird hier wahrscheinlich eher ein historischer Re- Weiter: Menschen werden auf hohen Kosten sitzen flex bedient: Da taucht im Antrag wieder das Mantra bleiben, schreiben Sie. Dies ergebe sich dadurch, dass einer Zwei-Klassen-Medizin auf, die dadurch drohe. Ja, sich Patienten nicht vorab ambulante Leistungen geneh- Sie haben richtig gehört: Mehr Freiheitsrechte führen zu migen lassen müssen. Auch hier verweise ich gern wie- einer Zwei-Klassen-Medizin, sagen die Linken. Das Ar- der auf den Anfang meines Beitrags. Da war von Rechts- gument lautet, dass nur Menschen, die über ein ausrei- sicherheit die Rede, da die Bürgerinnen und Bürger das chendes Einkommen verfügten, von der Richtlinie profi- erstattet bekommen, was auch im Heimatland Kassen- tieren würden. Gut, es ist natürlich klar, dass all jene, leistung ist. Da bleibt man nicht auf den Kosten sitzen. die sich irgendwo innerhalb der EU behandeln lassen Natürlich ist es sinnvoll, sich vorher zu informieren, was wollen, auch zunächst dorthin reisen müssen. Klar, das Kassenleistung ist. Gut, aber wir müssen ja hier nicht kostet auch Geld. Doch wer wird denn extra Geld für über wesentliche Grundzüge gesellschaftlichen Zusam- eine Reise als Patient drauflegen, um beispielsweise in menlebens diskutieren. Oder ist es etwa so, Kolleginnen Rumänien eine Wurzelbehandlung durchführen zu las- und Kollegen von der Linken, dass Sie in einem Restau- sen, welche die Leistungen nicht übersteigen darf, die rant erst einmal fröhlich die gesamte Speisekarte rauf auch die heimische Krankenkasse übernimmt? Es wird und runter essen und dann nach den Preisen fragen? Ist auch mit dieser Richtlinie nur das von den Kassen er- es etwa so, dass Sie einen Mietvertrag unterzeichnen stattet, was im Heimatland erstattungsfähig ist. Nicht und dann nach den monatlichen Kosten fragen? Sich in- mehr und nicht weniger. Hier geht es um die ambulante formieren ist ein wesentlicher Bestandteil unseres tägli- Versorgung im EU-Ausland und nicht um besondere chen Lebens. Ich kann jedem nur empfehlen, immer

Zu Protokoll gegebene Reden 10636 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Jens Ackermann (A) Dinge zu hinterfragen – erst recht bei diesen Argumen- gen Ärzte und Zahnärzte zunehmend Versicherte aus den (C) ten der Linken zu dem Thema. westeuropäischen Ländern behandeln und für die ein- heimische Bevölkerung nicht mehr oder nur gegen Auf- Die Richtlinie, welche die Patientenrechte stärkt, ihre preis zur Verfügung stehen. So wird in den ärmeren Län- Mobilität leichter ermöglicht, lässt Europa mehr und dern die Versorgung gestört. Umgekehrt können die stärker zusammenwachsen. Was Adenauer und Monet Menschen aus den ärmeren Ländern jedoch auch nicht begonnen haben, was Genscher und Horn weitergeführt die Ärzte in Westeuropa in Anspruch nehmen, weil dafür haben, ist die europäische Einheit. Wir sind froh, nicht das Geld fehlt. Wie war das? Die Starken stehen für die mehr durch Kriege und Mauern getrennt zu sein. Wir Schwachen ein? Genau das Gegenteil passiert mit die- wollen dieses Europa der Menschen und Freiheiten. Wir ser Richtlinie. wollen Rechtsicherheit für die Menschen – auch und ge- rade, wenn sie als Patienten Gast in unserer Heimat Auch innerhalb eines Mitgliedstaates das gleiche sind. Diese Richtlinie leistet so einen wichtigen Beitrag Bild: Nur die Wohlhabenden profitieren von dieser Re- und ist ein Geschenk für die Freiheit aller Europäer. Das gelung. Nur Menschen mit ausreichendem Vermögen ist wahrer Internationalismus, den die Linke verkennt, oder Einkommen können es sich leisten, die Fahrt, den die Linke schlechtredet. Wir wollen keine neuen Übernachtung und die Behandlung im Ausland samt Be- Mauern aufbauen. Wir wollen den Menschen Chancen ratung vorzufinanzieren. Nur diejenigen mit dem nöti- geben und unterstützen ganz klar die Richtline über die gen Know-how wissen überhaupt von diesen Möglich- Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschrei- keiten. Nur wer über ausreichende Sprachkenntnisse tenden Gesundheitsversorgung. Die Kolleginnen und verfügt und obendrein noch gesund genug ist, um zu sei- Kollegen der Linken sollten wenigstens heute die ner Behandlung zu fahren, wird diese neuen Möglichkei- Chance wahrnehmen und helfen, endlich einmal Mau- ten nutzen können. Und wer aus einem armen Mitglieds- ern einzureißen. Dieser Antrag ist leider ein Beispiel staat kommt, der kaum etwas erstattet, muss dafür umso großer ideologischer Scheuklappen, der an der Wirk- reicher sein. Ein kranker Geringverdiener aus Deutsch- lichkeit weit vorbeigeht. Diesen Antrag lehnen wir ab, land oder ein Hartz-IV-Betroffener wird nicht die billige da wir die Freiheit wollen! Zahnbehandlung am Balaton mitsamt Urlaub vorfinan- zieren können. Das Nachsehen haben die akut Kranken Harald Weinberg (DIE LINKE): und die Armen. Solidarität der Starken mit den Schwa- chen? Die steht hier noch nicht einmal auf dem Papier. Eine übergroße Mehrheit von etwa 80 Prozent der Be- völkerung will, dass bei der Gesundheitsversorgung Rei- Weshalb aber wird dieses Projekt der Gesundheits- che solidarisch mit Armen sind. Die Qualität der Ge- richtlinie, die aus der Bolkestein-Richtlinie erwachsen sundheitsversorgung soll nicht vom Geldbeutel ist, dann so von der Mehrheit des Europäischen Parla- (B) (D) abhängen. Das will die Bevölkerung, das will die Linke ments der Kommission und auch der europäischen Re- und das wollen, zumindest verbal, auch alle anderen im gierungen gefördert? „It’s the economy, stupid!“ könnte Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. man darauf antworten. Nach dem festen Willen der vor- herrschenden marktliberalen Kräfte in der EU und ihrer Doch genau das Gegenteil möchte die Bundesregie- Mitgliedstaaten soll die Gesundheitsversorgung ver- rung nun im Europäischen Rat beschließen. Diese Ein- marktlicht werden. Die „Gesundheitswirtschaft“, das schätzung will ich Ihnen gerne begründen: „EU-Richtli- liebste Kind nicht zuletzt auch unseres Gesundheitsmi- nie über die Ausübung der Patientenrechte in der nisters, soll gefördert werden. Herr Rösler hält zum Bei- grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung“ – um spiel die deutschen Krankenhäuser für sehr gut aufge- diese Richtlinie geht es im Rat; klingt bürokratisch bis stellt in dem sich abzeichnenden Wettbewerb und nett. Schließlich hat niemand etwas gegen Patienten- begrüßt daher die neue Freiheit des Gesundheitsmark- rechte, und auch die Linke will, dass eine Gesundheits- tes. versorgung in anderen EU-Staaten stattfindet – zum Nutzen der Patientinnen und Patienten. Das ist aber Diese Richtlinie will den liberalisierten Gesundheits- auch jetzt schon möglich. Nach der geplanten Richtlinie markt. Falls sich diese Ideologie durchsetzt, dann haben sollen in der EU Versicherte das Recht haben, sich in an- diejenigen Krankenhäuser und Ärzte gute Chancen auf deren Staaten gegen Vorkasse versorgen zu lassen, und dem Gesundheitsmarkt, die sich möglichst nicht an den die Krankenversicherung zu Hause zahlt dem Versicher- Kranken, sondern am Geld orientieren. Die Linke will ten das zurück, was sie auch im Herkunftsland erstattet keine gewinnsüchtigen Gesundheitsdienstleister im hätte. Das ist eine höchst problematische Regelung. Wettbewerb um die europaweit lukrativsten Patientinnen Denn wer profitiert davon? Es profitieren fast aus- und Patienten, sondern eine gute medizinische Versor- schließlich Versicherte in wohlhabenden EU-Ländern; gung von allen Menschen in Europa unabhängig von die Menschen in den armen Ländern Europas gehen leer Einkommen und Vermögen. Die Richtlinie, wie sie vor- aus. Beispiel Rumänien: Bei den niedrigen Erstattungs- liegt, schafft also eine Menge Probleme und ist unsozial. sätzen, die dort existieren, wird kaum ein Rumäne zu- Sie ist aber auch unnötig: Alle Fragen der Übernahme künftig eine Behandlung in Deutschland attraktiv fin- von Behandlungskosten in der EU-weiten Patientenmo- den. Umgekehrt aber könnten viele Deutsche sich in bilität können und sollten im Rahmen der bestehenden Osteuropa behandeln lassen, weil die Kostenerstattung EU-Verordnung zur Koordinierung der Sozialschutzsys- der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung dort teme gelöst werden. Hier gelten das Bestimmungsland- eine Luxusbehandlung ermöglicht. Die osteuropäischen und das Sachleistungsprinzip. Patientinnen und Patien- Patienten haben das Nachsehen, weil die dort ansässi- ten aus dem EU-Ausland werden nach den gleichen

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10637

Harald Weinberg (A) Leistungs- und Qualitätsstandards behandelt wie inlän- Gerade diese Menschen könnten zukünftig von ihren (C) dische, ohne in Vorkasse gehen zu müssen. Die Abrech- Krankenkassen unter Druck gesetzt werden, sich bei nung erfolgt zwischen den zuständigen Stellen der Mit- aufwendigen Therapien in Nachbarländern behandeln gliedstaaten. Die Linke begrüßt die europäische zu lassen. Denn auch Krankenkassen haben mitunter ein Integration. Wir wollen sie in Richtung einer europäi- Interesse daran, auf diesem Wege Geld zu sparen. Ich schen Sozialunion befördern und setzen uns für ein de- hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung diese mokratisches, soziales, ökologisches und friedliches Eu- Gefahr in der Debatte angesprochen und entsprechende ropa mit guten Lebenschancen für alle ein. Wir wollen, Schutzmechanismen eingezogen hätte, damit eine Aus- dass alle in Europa lebenden Menschen eine Gesund- landsbehandlung wirklich immer einer autonomen Ent- heitsversorgung auf dem Stand der Wissenschaft erhal- scheidung des Patienten entspringt. ten. Wir wollen nicht, dass der Füllstand des Portemon- naies den Ausschlag dafür gibt, welche Versorgung man Das geringe Interesse der Bundesregierung an den bekommt. Deshalb fordern wir die Bundesregierung mit Bedürfnissen der Patienten sieht man auch bei einem dem vorliegenden Antrag auf, die Gesundheitsrichtlinie anderen Punkt: Wer sich im EU-Ausland behandeln las- im Europäischen Rat abzulehnen. Das wäre ein Signal sen will, wird hierzulande weiterhin kaum Möglichkeiten gegen den Markt und für die Patientinnen und Patien- haben, sich über diese Behandlung genauer zu informie- ten. ren. Die nach der Richtlinie einzurichtende nationale Kontaktstelle soll auch nach Ihrem Willen nur Informa- tionen über Versorgungsangebote im Inland bereitstel- Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): len. Wer eine Beratung über Behandlungsmöglichkeiten, Der Antrag der Linken spricht eine wichtige Frage Qualitätsstandards oder rechtliche Fragen wie etwa an, schießt dabei aber über das Ziel hinaus. In der Tat Schadensersatzansprüche in einem anderen Mitglied- kann man das Verhalten der schwarz-gelben Bundesre- staat sucht, bleibt weiterhin auf die dortigen Kontakt- gierung in den abschließenden Verhandlungen zur EU- stellen verwiesen. Diese Kontaktstellen sind allerdings Patientenrichtlinie kritisieren. Wie so oft hat sie nicht nur verpflichtet, Informationen in ihrer jeweiligen Lan- nach der Lösung gesucht, die für die Patienten am bes- dessprache zur Verfügung zu stellen. Ein zusätzliches In- ten ist, sondern nach der, die die Interessen bestimmter formationsangebot, beispielsweise in Englisch, wurde Berufsgruppen oder Branchen bedient. Ich kann mir durch den Rat abgelehnt. Daher wird absehbar sein, nicht vorstellen, dass sich ein FDP-geführtes Gesund- dass eine umfassende Aufklärung von Patienten vor An- heitsministerium ernsthaft gegen das Prinzip der Koste- tritt oder im Nachgang einer Behandlung kaum gewähr- nerstattung gewehrt hat. Im Gegenteil: Der Vorschlag leistet ist. kam Ihnen wahrscheinlich ganz gelegen. (B) Genauso wenig Unterstützung erhalten gesetzlich (D) Und die Union hat dies leider auch nicht getan. Wir versicherte Patientinnen und Patienten, wenn sie wissen hätten es begrüßt, wenn sie zumindest die Idee ihres wollen, bis zu welchem Betrag ihnen die Behandlungs- Unionskollegen Dr. Peter Liese aus dem Europäischen kosten von ihrer Krankenversicherung erstattet werden Parlament aufgegriffen hätten. Er hatte vorgeschlagen, und ob sie gegebenenfalls einen Anteil privat zu tragen dass Krankenkassen planbare Behandlungen im Aus- haben. Auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion konnte land, für die sie eine Vorabgenehmigung erteilen müs- die Bundesregierung nicht sagen, wie diese Information sen, über ein Gutscheinsystem direkt mit den Leistungs- zukünftig sichergestellt werden soll. erbringern abrechnen. Damit hätte man zumindest bei sehr aufwendigen und entsprechend teuren Behandlun- Es gibt also weitere drängende Fragen, die wir im gen verhindern können, dass Patienten in Vorleistung Zusammenhang mit der Richtlinie diskutieren sollten. gehen müssen. Die Bundesregierung hat bislang noch Der Antrag der Linken scheint mir da eher wie ein nicht klar gesagt, warum sie diesen Vorschlag abgelehnt Schuss ins Blaue zu sein. Wir wissen nicht, wie sich die hat. Natürlich kann man immer argumentieren: Wir wol- Gesundheitsversorgung in den kommenden Jahren in len ja gar nicht, dass Patienten abwandern. Wir wollen Europa entwickeln wird. Ich gehe nicht davon aus, dass, auch im Interesse der grenznahen strukturschwachen wie die Linke behauptet, die Richtlinie dazu führt, dass Regionen die Patientinnen und Patienten möglichst im sich die Gesundheitsversorgung in einigen EU-Staaten Land halten, damit dort die Versorgungsstrukturen nicht dadurch verschlechtern wird, dass vorrangig ausländi- noch mehr ausgedünnt werden. Das ist auch grundsätz- sche Patienten behandelt werden. Aber die Gefahr eines lich nachvollziehbar. Nur gehe ich angesichts Ihrer zö- Türöffners für ökonomische Erwägungen, hinter denen gerlichen Herangehensweise bei der Verbesserung der die Interessen der Patienten zurückstehen müssen, be- Versorgungsstrukturen im Inland kaum davon aus, dass steht. dieser Aspekt für Sie handlungsleitend war. Eine Befragung von Patienten durch die Techniker Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Krankenkasse hat ergeben, dass es in erster Linie Rent- Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der ner und Personen mit kleinen Einkommen sind, die eine Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4717. Wer stimmt Behandlung im EU-Ausland in Anspruch nehmen – und für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält dies oft, um auf diese Weise Zuzahlungen und andere sich? – Der Antrag ist bei Zustimmung der Fraktion Die privat zu tragende Kosten zu vermeiden. Diese Men- Linke, Enthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen und schen können oft keine hohen Vorauszahlungen leisten. Ablehnung durch die anderen Fraktionen abgelehnt. 10638 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: schutz und Reaktorsicherheit auf die Aufnahme von bila- (C) teralen Konsultationen mit Tschechien. Beratung des Antrags der Abgeordneten Doro- thea Steiner, Stephan Kühn, Undine Kurth (Qued- Nach meinem aktuellen Kenntnisstand kann anhand linburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der vorgelegten Umweltverträglichkeitsprüfungsunter- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lagen für die tschechische Staustufe nicht zweifelsfrei belegt werden, dass im Falle der Realisierung des Pro- Elberaum entwickeln – Nachhaltig, zukunfts- jektes die Ziele der europäischen Wasserrahmenrichtli- fähig und naturverträglich nie für die Elbe auf deutschem Gebiet erreicht werden – Drucksache 17/4554 – können. Dies betrifft insbesondere den „guten Zustand“ nach der Wasserrahmenrichtlinie. Obwohl die einzelnen Überweisungsvorschlag: Elemente des ökologischen und chemischen Gewässer- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zustands in den vorliegenden Unterlagen betrachtet Ausschuss für Tourismus wurden, wurde von tschechischer Seite zu den Zielset- zungen der Wasserrahmenrichtlinie nicht explizit Stel- Josef Göppel (CDU/CSU): lung genommen. Die Vereinbarkeit der geplanten Maß- nahmen mit den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie Flüsse sind Lebensadern für Kultur, Wirtschaft und ist eine wesentliche Zulassungsvoraussetzung. Ohne die Natur. Sie müssen deshalb viele Funktionen gleichzeitig Einbeziehung deutscher Natura-2000-Gebiete entspre- erfüllen. Als Wasserstraßen ermöglichen sie den effi- chend dem europarechtlichen Verfahren gemäß Art. 6 zienten und umweltfreundlichen Transport von Massen- FFH-Richtlinie ist von der Möglichkeit von Beeinträch- gütern. Naturbelassene Flusslandschaften wie das tigungen dieser Gebiete und somit dem mangelnden Elbsandsteingebirge, Kulturlandschaften wie das Welt- Nachweis der europarechtlichen Zulässigkeit dieses kulturerbe Wörlitzer Gartenreich oder Kunst- und Kul- Vorhabens auszugehen. turmetropolen wie Dresden locken Tausende von Touris- ten an und schaffen gerade in wirtschaftsschwachen Neben den wasserwirtschaftlichen bestehen erhebli- Regionen Arbeitsplätze im Gastgewerbe und Tourismus. che naturschutzfachliche Bedenken gegen die Staustufe Zugleich gehören Flüsse und naturnahe Auen zu den ar- bei Decin: Es ist zum Beispiel von der Gefährdung der tenreichsten Naturräumen in unserer Heimat. geschützten Fischotterpopulationen auf sächsischer Seite auszugehen. Neben der fehlenden Durchgängigkeit Als Koalition bekennen wir uns ausdrücklich zur Na- für Wanderfische und dem Verlust natürlicher Laich- türlichkeit der Flüsse und Flusslandschaften, nicht nur und Aufwuchshabitate schafft eine Staustufe in Tsche- auf Bundesebene, sondern auch in den Bundesländern, chien ein zweites ganz wesentliches Problem für die (B) (D) in denen wir Verantwortung tragen. Ich möchte Ihnen Elbe auf der deutschen Seite: Die Notwendigkeit der Ge- das an zwei Beispielen belegen: erstens am Koalitions- schiebebewirtschaftung. Durch die Staustufe wird der vertrag zwischen CDU, CSU und FDP im Bund. Hier natürliche Transport von Schutt und Geröll auf der heißt es: „Frei fließende Flüsse haben einen hohen öko- Flusssohle unterbrochen. Dieses fehlende Geschiebe logischen Wert. Die Durchgängigkeit der Flüsse für führt zur weiteren Eintiefung der Elbe mit allen bekann- wandernde Fische muss wiederhergestellt werden. Für ten negativen Folgen für die Grundwasserhaltung und den Natur- und Hochwasserschutz sollen natürliche die Landwirtschaft. Hintergrund für den Antrag von Auen reaktiviert und Flusstäler, wo immer möglich, re- Bündnis 90/Die Grünen ist die Ablehnung der Staustufe naturiert werden.“ Zweitens. Im Koalitionsvertrag zwi- in Decin. schen der sächsischen CDU und der FDP ist folgende eindeutige Formulierung enthalten: „Wir bekennen uns Als Mitglied der Parlamentarischen Gruppe Frei flie- zur Bewahrung der Natürlichkeit der Elbe. Wir wollen ßende Flüsse befürworte ich eine ganze Reihe von Posi- keinen Ausbau der Elbe beispielsweise mit Staustufen“. tionen aus dem Antrag. Es ist sinnvoll, der Elbe durch Eine zukunftsfähige nachhaltige Entwicklung der gro- die Förderung von Ufer- und Auenrenaturierung, Flut- ßen deutschen Flusslandschaften – nicht nur an der rinnen- und Altarmanbindung mehr Raum zu geben. Sol- Elbe, sondern auch an Donau und Rhein – setzt voraus, che Maßnahmen schaffen einen wertvollen Beitrag zum dass eine tragfähige Balance zwischen wirtschaftlichen, Schutz der biologischen Vielfalt, denn Auen gehören zu sozialen und ökologischen Werten und Interessen ge- den gefährdetsten Naturräumen. schaffen wird. An der Elbe stehen wir vor einer besonde- Deichrückverlegungen schaffen mehr Raum für die ren Herausforderung. Unser Nachbarland Tschechien dynamische Entwicklung des Flusslaufes und sind der plant in Decin kurz hinter der deutschen Grenze den beste natürliche Hochwasserschutz. Ich unterstütze aus- Ausbau der Elbe mit einer Staustufe, die uns große Sorge drücklich die Förderung einer flussangepassten Binnen- bereitet. Am 28. Februar läuft die Einspruchsfrist beim schifffahrt. Die Entwicklung hin zur Containerschiff- tschechischen Umweltministerium ab. Der sächsische fahrt benötigt weit geringere Ausbautiefen als bisher. Staatsminister Frank Kupfer, CDU, wird fristgerecht Auf Staustufen kann verzichtet werden. eine Stellungnahme übergeben. Der Inhalt der Stellung- nahme wird Gegenstand einer Pressekonferenz von Einige der Forderungen aus dem Antrag halte ich im Staatsminister Kupfer am 1. März 2011 sein. Dieser Stel- Sinne einer Balance zwischen Wirtschaft, Ökologie und lungnahme möchte ich an dieser Stelle nicht vorgreifen. sozialen Aspekten nicht für konsensfähig. Auch eine Unabhängig davon setzt der Freistaat Sachsen gemein- flussangepasste Binnenschifffahrt braucht Unterhalts- sam mit dem Bundesministerium für Umwelt, Natur- maßnahmen am Fluss. Sollte die Staustufe in Tschechien Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10639

Josef Göppel (A) realisiert werden, wird man an zusätzlichen flussbauli- eine Monstranz vor sich hertragen. Im Sommer 1991 (C) chen Unterhaltsmaßnahmen und einer Geschiebebe- war ich gemeinsam mit dem letzten Verkehrsminister der wirtschaftung kaum vorbeikommen. Ich sehe keine akute DDR und späteren Bundestagskollegen Horst Gibtner in Gefahr für den Lebensraum Elbe und halte es nicht für der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost. Bereits zu erforderlich, die grundsätzliche Einstellung des Bundes diesem Zeitpunkt war klar, dass auf dem deutschen Elb- zu verändern. Insgesamt sind wir an der Elbe im Ver- abschnitt keine einzige Staustufe gebaut würde und die gleich zu den anderen großen Flussgebieten in Deutsch- schon damals angepeilte Fahrrinnentiefe von 1,60 Me- land wie Rhein und Donau im Bezug auf nachhaltige ter sich mit der Rekonstruktion der vorhandenen, aber Entwicklung auf einem sehr guten Weg. teilweise stark schadhaften Flussbauwerke erreichen lassen würde. Ausbau, Kanalisierung, Staustufen, das Ulrich Petzold (CDU/CSU): sind alles Gespenster, mit denen Sie friedliche Bürger schrecken und für sich mobilisieren wollen. Diesen Un- Wenn der vorliegende Antrag einen Zweck haben soll, sinn lassen wir Ihnen nicht durchgehen. dann kann es nur Wahlpropaganda im Vorfeld der Land- tagswahlen in Sachsen-Anhalt sein. Er konstruiert einen Sie behaupten, dass mit fortschreitendem Klimawan- künstlichen Gegensatz zwischen Schifffahrt und Natur- del die Pegelstände keinen wirtschaftlichen Güterver- schutz, der so in der Praxis nicht existiert. Dazu bedient kehr zulassen. Die Niederschläge des Jahres 2010 ha- er sich leider falscher Unterstellungen und unrichtiger ben das Grundwasser gerade auch in der Elbregion so Behauptungen, und gerade das hat die Elbe nicht ver- ansteigen lassen, dass das Landesamt für Hochwasser- dient. schutz des Landes Sachsen-Anhalt damit rechnet, dass wir noch bis zum Jahr 2013 mit dem Abfluss dieses Schon der erste Satz des Antrages ist nachweislich Grundwassers zu tun haben werden. Wir werden allein falsch. Es wird behauptet: durch die Niederschläge des Jahres 2010 noch in den Die Ober- und Mittelelbe bis Geesthacht ist für ei- nächsten Jahren höhere Wasserstände als normal und nen verlässlichen Gütertransport nach Fahrplan dadurch bessere Schifffahrtsbedingungen haben. Außer- nicht geeignet. dem ist für die Wirtschaftlichkeit der Schifffahrt längst nicht mehr die Tonnage und damit die Abladetiefe das Nur ein Blick ins Internet hätte zum Beweis des Ge- Entscheidende. Sehen Sie sich die Transporte im Hafen genteils gereicht. Am 1. März 1995 startete die erste re- Aken an! Der Maschinenbaustandort Erfurt ist von Aken gelmäßige Elbe-Container-Linie als Kooperationspro- abhängig, weil er dort große sperrige Anlagenteile ver- jekt der Elbehäfen Magdeburg, Aken, Riesa, Dresden, laden und sicher nach Hamburg zum Überseehafen Decin und Usti. Wir feierten deren 15-jähriges Bestehen transportieren kann. ENERCON in Magdeburg verlädt (B) und konnten in der vorigen Woche erfreut feststellen, die Rotorblätter großer Windkraftanlagen für den Ex- (D) dass die Linie zwischen Hamburg und Riesa nicht mehr port längst auf das Binnenschiff. Die Containerum- nur zweimal, sondern dreimal in der Woche, also mit schlagszahlen haben sich vom Jahr 2009 auf das Jahr drei Berg- und drei Talfahrten, verkehrt. Wenn Sie dann 2010 in Torgau/Riesa/Dresden um 35 Prozent und in eine flexible Transportkette im Elberaum fordern, haben Roßlau/Aken um 54 Prozent gesteigert. Vielleicht regist- sie verpennt, dass es die mit „Albatros“ längst gibt. rieren Sie auch: Im Winter 2010/2011 war die Elbschiff- Dann behaupten Sie: fahrt eindeutig zuverlässiger als die Bahn, und die Elbe war schiffbar, als auf den Kanälen schon längst nichts Alle bisherigen Versuche, eine ganzjährige Fahr- mehr lief. Die eingesetzten flachgehenden Schubeinhei- rinnentiefe von 1,60 Meter … zu garantieren, sind ten haben auch andere Tauchtiefen. gescheitert. Sie fordern flachgehende Schiffstypen für den Güter- Wenn Ihr glorreicher Umweltminister Trittin nach transport. Die ehemalige grüne sachsen-anhaltische dem Hochwasser 2002 an der Elbe nicht die Weiterfüh- Umweltministerin Heidecke hatte als Korrespondenz zur rung der Unterhaltungsarbeiten gestoppt hätte und so- Weltausstellung in Hannover viel Geld ausgegeben für gar die Beseitigung der Hochwasserschäden an den die Entwicklung eines flach gehenden Elbschiffes. Doch Flussbauwerken verboten hätte, wäre es wohl möglich, kaum war der Medienrummel um die EXPO 2000 verflo- den Unterhaltungsstand so zu verbessern, dass solche gen, krähte kein Hahn mehr nach diesem Schiff und dem Schadstrecken wie bei Coswig, Anhalt, ohne Behinde- dafür ausgegebenen Geld. Weder Frau Heidecke noch rung passiert werden könnten. Doch auch ohne Ab- Herr Trittin hat jemals wieder danach gefragt. Sie kön- schluss dieser Unterhaltungsmaßnahmen war im Jahr nen sich die verstaubten Konstruktionsunterlagen und 2010 nur an 21 Tagen die Fahrrinnentiefe von 1,60 Me- das Modell noch gern in der Werft ansehen. Wenn Sie ter unterschritten. Wenn Sie sich der Mühe unterziehen sich heute scheinheilig Sorgen machen um das Geld, würden, einmal nachzurechnen: Das Unterhaltungsziel was für den umweltverträglichen Ausbau der Elbe aus- von 1,60 Meter Fahrrinnentiefe an 345 Tagen war damit gegeben wird, sollten Sie sich wenigstens selbstkritisch so gut wie erreicht. Im Gegenteil, auf der Strecke Ham- auch mit der Zeit beschäftigen, wo sie Verantwortung burg–Dresden war in der Hälfte des Jahres eine Fahr- trugen für das Geld, was Sie in Ihrer Regierungszeit in rinnentiefe von mehr als 2,50 Meter vorhanden. der Elbe versenkt haben. Wenn Sie in diesem Zusammenhang von einem kanal- Immer wieder kommen Sie dann auch auf die Frage artigem Ausbau mit einer Kette von Staustufen sprechen, der Kosten für die Unterhaltung der Schifffahrt auf der so ist das die bewusste Unwahrheit, die Sie seit 1990 wie Elbe. Die Elbe ist ein Strom in einer Kulturlandschaft.

Zu Protokoll gegebene Reden 10640 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Ulrich Petzold (A) Ihre Unterhaltung ist allein zur Landschaftspflege und Ersatzstrecke durch das Erzgebirge – da bin ich mir si- (C) für den Hochwasserschutz unumgänglich. Was würde cher – würden Sie genauso bekämpfen wie die Eisen- denn passieren, wenn wir die Elbe aus ihrem definierten bahnstrecke parallel zur A 71 durch den Thüringer Flussbett ausbrechen ließen, wie es in den Jahrhunder- Wald. ten vor uns immer wieder geschehen ist? Wenn Sie jetzt in Ihrem Antrag die Behauptung aufstellen, dass die seit Ist den Antragstellern aber auch bewusst, welche 20 Jahren laufenden Unterhaltungsmaßnahmen zur Ver- Probleme sie mit ihrem Antrag im Verhältnis zu unserem schlechterung des ökologischen Erhaltungszustandes Nachbarland Tschechien aufwerfen? Bereits die Überle- und zur Sohleneintiefung geführt hätten, ist das die vor- gungen des Bundesministeriums für Verkehr, die Unter- sätzliche Unwahrheit. Die Sohleneintiefung auf der Ero- haltung der Elbe an das Verkehrsaufkommen anzupas- sionsstrecke zwischen Torgau und Roßlau hat sich nach sen, hat in der tschechischen Regierung für erheblichen den Begradigungsmaßnahmen um 1900 verschärft und Unmut gesorgt und auf tschechischer Seite die Befürch- hält seitdem an. tung aufkommen lassen, dass Deutschland Tschechien absichtlich schädigen will. Die Grünen haben in ihrer Die Bundesrepublik ist mit den Unterhaltungsmaß- Verantwortung im Außen- und Umweltministerium ge- nahmen erstmalig fundiert gegen diese Erosion vorge- nau das grenzüberschreitende Güterverkehrskonzept gangen und führt seit der Wiedervereinigung Geschiebe- nicht zustande gebracht, was sie jetzt mit großer Pose versuche auf dieser Strecke durch, um damit eine einfordern. Nicht Anträge mit Paukenschlag, sondern wissenschaftliche Grundlage für die Sohlenstabilisie- ruhige, sachliche internationale Zusammenarbeit ist un- rung zu haben. Die von Ihnen geforderten Forschungs- sere Sache und wird sicherlich in einem europäischen projekte laufen also längst. Ihr damaliger Minister Trit- Verkehrskonzept zu besseren Ergebnissen führen, als es tin war es, der die Forschung und mit einem plakativen Antrag möglich ist. Sohlenstabilisierungsarbeiten 2002 einstellen ließ und damit dem weiteren Eingraben der Elbe Tür und Tor ge- Wenn Sie in Ihrem Antrag fordern, gewässerökologi- öffnet hat. sche Belange bei Unterhaltungsmaßnahmen durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost in deutlich stärke- Die Behauptung der Verschlechterung des ökologi- rem Maß zu berücksichtigen, kann ich Ihnen nur zuru- schen Erhaltungszustandes der Elbe ist bösartig und fen: Auch schon ausgeschlafen?! Seit vielen Jahren ist spricht den Menschen entlang der Elbe das Ergebnis ih- mir bekannt, dass die Baudirektoren Finke und Kautz rer 20-jährigen Bemühungen um die Elbe ab. Mit dieser des Wasser- und Schifffahrtsamtes Dresden regelmäßige Behauptung bestreiten Sie, dass das Wasser der Elbe Beratungen mit dem Biosphärenreservat „Flussland- wieder sauberer geworden ist und Fauna und Flora sich (B) schaft Elbe“ pflegen, dass der NABU in diese Gesprä- (D) erholt haben. Viele Menschen haben sich darum bemüht. che mit einbezogen wird und dass diese Gespräche Denen sagen sie jetzt: Eure Mühe hat nichts gebracht. – durchaus fruchtbar zu signifikanten Ergebnissen führen. Das ist unanständig. Seit einigen Jahren kann man in der Elbe wieder ohne Angst um die eigene Gesundheit Ihrem Antrag merkt man an, dass er leider, wie so vie- schwimmen. Fischarten sind zurückgekehrt, sodass jetzt les von Ihnen, am sprichwörtlichen grünen Tisch fernab an einigen Stellen der Kormoran der größte Feind der der Realität entworfen wurde. Naturschutz und Elbun- Fische ist. Für uns ist es eine Sache der Ehre, den Men- terhaltung sind heute längst keine Gegensätze mehr. Ein schen für ihre Bemühungen zu danken und sie nicht zu sinnvolles Miteinander ist schon lange dem Gegen- beleidigen. einander oder dem Nebeneinander gewichen. Ich kann nur allen die Einbindung in diese Beratungen empfehlen. Wenn Sie den Wasserabfluss durch die Elbe verrin- Sie sind beispielhaft. Und ich kann hier nur dem Bio- gern wollen, müssen Sie den Menschen in der Elbniede- sphärenreservat unter Leitung von Herrn Puhlmann rung dann auch ehrlicherweise sagen, dass bei Vermin- danken, dass hier zukunftsweisend gearbeitet wird. Nur derung der Abflussverhältnisse an der Elbe sich die so können sinnvolle Maßnahmen wie Deichrückverle- derzeitige Grundwassersituation entlang der Elbe auf Dauer verfestigen wird. Sie müssen dann den dort leben- gungen in Bereichen mit wenig Hochwasserstauraum, den Menschen sagen, dass sie ihre Keller nicht mehr Neukonstruktion der Buhnenfüße zur besseren Durch- wasserfrei und die Fundamente ihrer Häuser nicht mehr strömung der Buhnenzwischenräume, Schaffung von trocken kriegen und dass das Ihre politische Absicht ist. ökologisch wertvollen Stillwässern hinter Leitschüttun- gen oder die Öffnung der Elb-Altarme erreicht werden. Sie fordern auch, die Bahnstrecken parallel zu Elbe Dieses ist erreicht worden ohne Demonstrationen, ohne stärker zu nutzen. Ich weiß nicht, wann das letzte Mal je- Krawall und ohne Ihr Zutun. Deshalb muss ich Ihren mand von den Grünen sich nach Bad Schandau in das Antrag in aller Deutlichkeit zurückweisen. Wer solche Elbtal getraut hat. Wir haben dort allmählich Verhält- Klischees bedient und so schäbig mit der Wahrheit um- nisse, die an St. Goar am Mittelrhein erinnern. Mit stei- geht, schädigt gerade das, wofür er sich einzusetzen vor- gender Wirtschaftsleistung der Tschechischen Republik gibt. Durch den Antrag wird nicht der Naturschutz ge- nimmt der Bahnverkehr dort stetig zu. Sie sagen jetzt stärkt, sondern die wunderbare Elbelandschaft ins diesen Menschen: Wir wollen, dass ihr noch mehr Ver- Zwielicht einer Naturzerstörung gerückt, die niemand kehr auf der Schiene durch eure Ortschaften kriegt. – beabsichtigt. Für Ihre Wahlpropaganda ist mir meine Ich glaube nicht, dass Sie sich mit einer solchen Aussage Heimat, mein Fluss Elbe zu schade. Wir werden uns da- zu den Menschen nach Bad Schandau trauen. Eine mit sicher noch in den Ausschüssen beschäftigen.

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10641

(A) Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): gend, noch zu wenig im Fokus, aber zunehmend ernst- (C) Die Elbe, sie gilt als einer der letzten frei fließenden haft problematisiert. Flüsse Deutschlands. Sie durchfließt verschiedenartige Es geht aus meiner Sicht darum, die Elbe in einem Naturräume, die allein aufgrund der geringen Besied- lungsdichte zum Teil einmalige Pflanzen- und Tierwelten Zustand zu sichern, der nicht über ein klar definiertes hervorgebracht haben. Tourismus zu Wasser und zu Maß an Schiffbarkeit hinausgeht. Dieses müssen wir Lande ist daher ein wichtiger Standortfaktor entlang der klar definieren. Es geht genauso darum, die Naturland- Elbe. Ich selbst lebe nördlich von Magdeburg an der schaften zu erhalten. Es geht darum, die Lebensräume Elbe und habe seit meiner Kindheit das ökologische Ab für die Kraniche, Störche und andere Populationen, die und Auf erlebt, und nicht nur wir Sachsen-Anhaltiner in Größenordnungen wieder zurückgekehrt sind, zu er- setzen uns für eine zukunftsfähige Elbe, deren Bedeu- halten. Auch das muss in einer Zieldefinition klar ent- tung für Ökologie und Tourismus zunehmend steigt, ein. halten sein. Ich weiß um den Spagat, der notwendig ist, Dies ist auch der Aspekt, auf den in diesem Antrag abge- die Binnenschifffahrt zu erhalten und gleichermaßen die stellt wird. Gleichzeitig ist die Elbe eine überregional Naturlandschaften zu schützen. Seit 1998 versuche ich bedeutende Wasserstraße. Sie ist eine Wasserstraße, in mich in dieser Disziplin. Ich weiß, dass es ganz sicher zu die viele auch die Hoffnung auf wirtschaftlichen Auf- einer Grenze bei der Binnenschifffahrt führen wird. Es schwung stecken. Politik darf sich aber nicht an Utopien bedeutet auch, dass die erforderlichen wasserbaulichen ausrichten. Die Elbe soll ein natürlicher Fluss bleiben; Wiederherstellungs- und Unterhaltungsarbeiten zum Er- niemand wünscht sich einen zweiten Rhein. In Sachsen- halt der Schiffbarkeit und für den Hochwasserschutz Anhalt hat sich die SPD daher explizit gegen den Bau nach neuesten ökologisch verträglichen Methoden erfol- des Saale-Seitenkanals ausgesprochen. gen müssen. Dieser Spagat ist nicht einfach. Er ist aber notwendig und muss von der Mehrheit getragen werden. Bündnis 90/Die Grünen gehen in ihrem Antrag davon Lassen Sie uns im Ausschuss darüber ausführlich disku- aus, dass der Versuch, einen wirtschaftlichen Güterver- tieren. kehr auf der Elbe zu ermöglichen, gescheitert ist. Es stimmt, die reine Menge der transportierten Güter auf der Elbe nimmt ab. Gleichzeitig ändert sich aber auch Horst Meierhofer (FDP): die Art der Güter, die transportiert werden. Neben Mas- In meiner Funktion als Vorsitzender der parlamenta- sengüter- und Containerumschlägen nehmen zuneh- rischen Gruppe „Frei fließende Flüsse“ habe ich große mend hochwertige Transporte von Sperrgütern einen Sympathie für den Schutz von Flüssen und Auen. Aus hohen Stellenwert ein. Turbinen, Transformatoren, Ge- diesem Grund begrüße ich grundsätzlich auch die Ini- neratoren, Kompressoren, Schiffskörper von Küstenmo- tiative der Grünen. (B) torschiffen und Teile für Windkraftanlagen sind als Son- (D) dertransporte kaum anders zu bewegen als über den Die Elbe ist in Deutschland einer der ökologisch Verkehrsträger Wasserstraße. Welche Bedeutung die wertvollsten Flüsse – und das, obwohl vor 1990 die Elbe Elbe hat, erkennt man beispielsweise an den Häfen in mit der Saale im Wettbewerb um den Titel „dreckigster Magdeburg, in Roßlau und Bernburg. Ich sehe es vor al- Fluss Mitteleuropas“ stand. Mittlerweile bestehen ge- lem daran, dass dort Arbeitsplätze entstanden sind. Die rade entlang der Mittelelbe wieder zahlreiche Biosphä- Binnenschifffahrt und die Häfen sind für die Elbe-Re- renreservate, Naturparks oder Naturschutzgebiete. Und gion ein Wirtschaftsfaktor, ohne Zweifel. trotzdem: Die Klassifizierung der mittleren Elbe in mä- ßig und stark veränderte Flussabschnitte zeigt auf, dass Das heißt: Auch wenn wir – und da gebe ich Ihnen noch viel zu tun ist. recht – über die Ziele der Schiffbarkeit diskutieren müs- sen: Die gewerbliche Schifffahrt auf der Elbe brauchen Die Probleme aus Sicht des Umweltschutzes sind da. wir weiterhin, dies umso mehr, als wir im Sinne einer Zwischen Saale und Mulde sind viele Altwässer nur un- nachhaltigen und umweltschonenden Verkehrspolitik zureichend an das Elbwasser angebunden. In der Folge Transporte so weit wie möglich von der Straße auf droht vielen Feuchtgebieten die Verlandung. Gerade in Schiene und Wasserstraßen verlagern müssen. Dazu den Sommermonaten droht der Sauerstoffgehalt der müssen die Bundeswasserstraßen eben auch für die ge- Elbe oftmals zu kippen, mit verheerenden Folgen. Ein werbsmäßige Binnenschifffahrt nutzbar bleiben. Es ist weiteres Problem stellte auch die 1960 errichtete Stau- aber auch klar: Der Ausbau der Elbe zur Anpassung an stufe Geesthacht dar. Die Durchlässigkeit der Staustufe größere Schiffseinheiten ist nicht notwendig. Das lehnen für Fische war und ist umstritten. Mit der neuen zweite wir ab. Wir müssen klar definieren, welche Ziele wir mit Fischtreppe, die im September des letzten Jahres fertig- der Binnenschifffahrt auf der Elbe verfolgen und was gestellt wurde, könnte kann nun theoretisch sogar der möglich ist, wenn wir die Naturlandschaften an der Elbe Stör wieder heimisch werden. Erfolgsmeldungen sind al- erhalten wollen. Wir müssen uns klarmachen, welche Al- lerdings noch verfrüht, wir müssen die weitere Entwick- ternativen es gibt, welche Folgen diese Alternativen hät- lung sehr genau beobachten. ten und wo die Vorteile des Schiffes liegen. Ich will nur ein Problem anführen: Wir diskutieren oft und heftig Wir wollen wie Sie ebenfalls keine weiteren Staustu- über den Lärmschutz an Bahnstrecken. Die Bahntras- fen in der Elbe. Die FDP hat sich bereits in ihrem Wahl- sen, die Alternativen zur Binnenschifffahrt auf der Elbe programm von 2009 dazu klar geäußert. Auch die ge- sein können, verlaufen direkt durch Städte und Dörfer. plante Staustufe in Tschechien ist nicht im Interesse Wie gehen wir damit um? Lärm ist gesundheitsschädi- Deutschlands und der Elbe insgesamt.

Zu Protokoll gegebene Reden 10642 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Horst Meierhofer (A) Auch hinsichtlich des Auenschutzes sind wir ähnli- im Westen der Republik aus Flüssen tatsächlich Wasser- (C) cher Meinung. Dies ist nicht nur im Interesse des Natur- straßen gemacht worden sind: Straßen für immer grö- schutzes, auch der Schutz der Menschen vor Hochwas- ßere Schiffe zum Preis immer geraderer Ufer, zum Preis sern erfordert gezielte Renaturierungsmaßnahmen. der unwiederbringlichen Hergabe komplexer großer Dazu gehören Deichrückverlegungsmaßnahmen – wohl Landschaften mit ihrer flusstypischen Flora und Fauna, wissend, dass dies nur gemeinsam mit den Anwohnern unter Preisgabe auch eines sinnvollen naturnahen möglich ist. Sie sehen, in vielen Punkten sind wir uns Hochwasserausgleiches zur Katastrophenvermeidung nahe. und schließlich unter Preisgabe von Landschaftsschön- heit, die nichts anderes ist als die Preisgabe qualitäts- An einigen Stellen erscheint mir der Forderungskata- voller Lebenswelten für die Menschen. Wer meint, die log allerdings nicht ganz stimmig. Ihrem Antrag ist zu Umwelt müsse nun mal zurückstehen, wenn es um Wirt- entnehmen, dass Sie eine Verbesserung der Schiffbarkeit schaftlichkeit geht, dem muss entgegengehalten werden, generell mit Argwohn verfolgen. Meines Erachtens kann dass erstens längst erwiesen ist, dass das, was aus be- eine Verbesserung der Schiffbarkeit in engem Rahmen triebswirtschaftlichem Einzelinteresse heraus als wirt- durchaus ermöglicht werden, allerdings nur durch Un- schaftlich gelten mag, sich unter dem Gesichtspunkt der terhaltungsmaßnahmen. Wenn die Schifffahrt sich dem volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung oft genug als Fluss anpasst, ist dies begrüßenswert. Der Fluss sollte höchst ineffizient herausstellt, und dass zweitens alle sich nur nicht immer der Schifffahrt anpassen müssen. Prognosen, die im Zusammenhang mit den verschiede- Die kategorische Kritik an der Schifffahrt ist aus unserer nen auf die Binnenschifffahrt bezogenen Verkehrspro- Sicht übertrieben. jekten „Deutsche Einheit“ über die Entwicklung dieser Auch an anderer Stelle möchte ich auf eine Ungenau- Schifffahrt erstellt worden sind, sich als höchst unrealis- igkeit hinweisen. Sie sprechen einerseits davon, dass das tisch herausgestellt haben. Problem Wasserknappheit angegangen werden sollte, Also: Alles spricht dagegen, immer und immer wieder Ihres Erachtens durch den Stopp von Bau- und Unter- den Versuch zu unternehmen, die Ideen von vorgestern haltungsmaßnahmen. Wasserknappheit ist für die mitt- in den Beton von gestern zu gießen. lere Elbe ein massives Problem. So weit gestehe ich Ih- nen diese Position zu. Nur, was dann? Das sage ich als Abgeordneter aus Sachsen-Anhalt mit Blick nicht nur auf die Elbe selbst, sondern auch auf Sie fordern gleichzeitig, eine durchgehende Mindest- ihren Nebenfluss Saale. Die Pläne zum Ausbau der tiefe von 1,60 Metern zwischen Geesthacht und Dresden Saale gehören ebenso in den Papierkorb wie die zum zu erreichen, ohne dafür zur Verfügung stehende Mittel Ausbau der Elbe. Niemand braucht einen Saale-Seiten- zu benennen. Hinzu kommen die Deichrückverlegungen kanal bei Tornitz, niemand braucht weitere überflüssige (B) (D) und die Ausweitung der bestehenden Auen. Hafenbauten. Was Sie fordern, entspricht in etwa der Quadratur des Wenn wir von der Linken dennoch dem vorliegenden Kreises: mehr Wasser in der Elbe, mehr Wasser in den Antrag der Grünen nicht vorbehaltlos zustimmen, dann Auen, den Wasserentzug der umgebenden Flussland- deshalb, weil wir der Auffassung sind, dass einige Fra- schaft minimieren. Ich halte das alles für wünschens- gen einer weiteren Präzisierung bedürfen. So sehen wir wert, nur an heißen Sommern können wir leider nichts Diskussionsbedarf in der Frage, wie mit dem Elbe-Ab- ändern. Wir müssen uns voraussichtlich darauf einstel- schnitt zwischen Geesthacht und dem 20 Kilometer wei- len, dass die Elbe nicht dauerhaft einen Mindestwasser- ter flussauf liegenden Lauenburg umgegangen werden stand erreichen wird. Mir fehlt an dieser Stelle die Ehr- soll. Dem Antrag folgend soll dieser Abschnitt nicht für lichkeit im Antrag, sich einzugestehen, dass nicht alle dauerhafte Schiffbarkeit eingerichtet sein. Er schließt gut gemeinten Ziele miteinander vereinbar sind. aber die Abzweigungen zum Elbe-Lübeck- und zum Elbeseitenkanal ein und besitzt daher für die Aufnahme Das Bundesverkehrsministerium hat vor wenigen Wo- von Warenströmen aus dem Hamburger Hafen heraus- chen einen Bericht erstellt, wonach Bundeswasserstra- ragende Bedeutung. ßen nach Kategorien eingeteilt werden und diese nach ihrem Verkehrsaufkommen bewertet werden. Eine Kana- Diskussionsbedarf sehen wir auch hinsichtlich der lisierung der Elbe steht demnach ganz sicher nicht an; konkreten künftigen Ausgestaltung jener Schiffsver- und das ist eine gute Nachricht. Die Maßnahmen der kehre, die heute auf der Elbe bis nach Dresden und Usti Bundesregierung deuten in die richtige Richtung. Viele nad Labem hinauf stattfinden. Hier ist Fantasie gefragt: Ihrer Punkte sind oder werden bereits aufgegriffen. Des- Fantasie in grenzüberschreitender Zusammenarbeit, halb und angesichts der genannten Unstimmigkeiten Fantasie der Anrainerkommunen, Fantasie der Schiff- kann ich Ihrem Antrag in dieser Form nicht zustimmen. fahrtsbetriebe. Die Elbe ohne Schiffsverkehr ist für mich ebenso unvorstellbar wie eine verbetonierte Elbe. Der Roland Claus (DIE LINKE): Antrag bietet mit seiner Forderung nach Ermöglichung einer an die natürlichen Wasserstände angepassten Bin- Das Anliegen der Antragsteller, die Elbe als letzten nenschifffahrt gute Ansätze für die diesbezügliche wei- großen, noch relativ wenig verbauten und naturnahen tere Debatte, an der wir uns gern mit dem Ziel der Stär- frei fließenden Fluss in Mitteleuropa zu erhalten, findet kung des Anliegens des Antrages beteiligen wollen. die volle Zustimmung der Linken. In der Tat wäre es eine sowohl umwelt- als auch wirtschaftspolitische Torheit, Im Fazit gilt: Die Entscheidung darüber, wie mit an der Elbe all jene Sünden zu wiederholen, mit denen Flüssen und Flusslandschaften umgegangen wird, wird

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10643

Roland Claus (A) immer ein Prozess der Abwägung zwischen verkehrs- Tonnen Gütern, die hier jährlich transportiert werden, (C) und anderen wirtschaftlichen Interessen und Vorhaben ist die Elbe in der Kategorie „Nebennetz“ eingestuft. auf der einen sowie ökologischen Interessen und Vorha- ben auf der anderen Seite sein. In diesem Abwägungs- Das ist auch gut, denn die Elbe ist nicht für die Güter- prozess hat für uns der sozial-ökologische Umbau schifffahrt geeignet. Eine ganzjährige Schiffbarkeit ist oberste Priorität. nicht sicherzustellen, denn nicht berechenbare Wasser- stände sind typisch für die Elbe. Die benötigten 1,60 Me- ter Tiefe für die Schifffahrt sind nicht auf der ganzen Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Flusslänge herzustellen. Der Bau der Staustufe bei De- Die Elbe ist der letzte große Fluss Europas, der auf cin wäre ökonomische Verschwendung und auf deut- circa 600 Kilometern natürlich fließt. Hier gilt es, ver- scher Seite nur durch einen kanalartigen Ausbau mit ei- stärkt Maßnahmen zu ergreifen, die die einzigartige Au- ner Kette von Staustufen sinnvoll. enlandschaft bewahren. Rückbau- und Renaturierungs- maßnahmen müssen stattfinden, um Lebensräume für Die Stärke der Binnenschifffahrt liegt zweifelsohne Tiere und Pflanzen zu schaffen und zu bewahren. Die beim kostengünstigen Transport von Massengütern wie Elbe stellt ein wunderschönes Naturerlebnis für den etwa Baustoffe, Erze, Kohle und Stahl; sie dominieren Menschen dar; darauf muss der Tourismus in der Re- mit einem Anteil von rund 70 Prozent an der Gesamt- gion aufbauen. Seit 20 Jahren laufen Bau- und Unter- menge nach wie vor das Geschäft der Binnenschifffahrt. haltungsmaßnahmen, die zu keiner wesentlichen Güter- Genau diese Verkehre sind aber grundsätzlich auch ver- verkehrssteigerung auf der Elbe geführt haben. Aber der lagerungsfähig auf den Verkehrsträger Bahn. Unterneh- ökologische Zustand der Elbe würde sich bei einem wei- men der Grundstoff- und Montanindustrie besitzen auch teren Ausbau zur Schiffbarmachung erheblich ver- Gleisanschlüsse. Die Elbtalstrecke hat nach Angaben schlechtern – und das, obwohl die Ober- und Mittelelbe der DB Netz AG eine Kapazität von 144 Zügen pro Tag ein wahres Naturparadies ist. und Richtung. An einem Werktag sind derzeit neun Fern- verkehrszüge, 36 Nahverkehrszüge und 37 Güterzüge Der Ausbau der Elbe würde schützenswerte Elbauen, pro Tag und Richtung unterwegs. Es gibt also noch aus- die wichtige Hotspots der Biodiversität darstellen, ge- reichend Kapazität für zusätzlichen Güterverkehr. fährden. Eine konstante Mindesttiefe der Elbe könnte nur mit massiven Eingriffen in das Ökosystem Elbe er- Bei einem Verkehrsaufkommen von 900 000 Tonnen, möglicht werden. Die sich seit einigen Jahren ansie- 2009, auf der Elbe würde bei unterstellter vollständiger delnde Fischerei würde wieder eingehen, weil die Fisch- Verkehrsverlagerung auf die Schiene eine zusätzliche bestände durch Betonierung und Begradigung ihre Belastung von rechnerischen 2,5 Güterzügen pro Tag (B) Laichplätze verlieren und durch Staustufen an der Wan- auf die Elbtalstrecke zukommen; bei 1,5 Millionen Ton- (D) derung gehindert würden. Der Fischbestand, der seit nen wären es 4,1 Güterzüge bei einer angenommenen der Wende von 12 Arten in der DDR auf 42 Arten heute Auslastung von 1 000 Nettotonnen je Güterzug. Ange- angewachsen ist, würde wieder verringert. Um die Bin- sichts der derzeitigen Auslastung der Elbtalstrecke, die nenschifffahrt auf der Elbe zu gewährleisten, soll die noch erhebliche freie Kapazitäten aufweist, ist eine Ver- Elbe eine Fahrrinnentiefe von 1,60 Meter zwischen lagerung kapazitiv kein Problem. Einer derartigen Ver- Geesthacht und Dresden und von 1,50 Meter oberhalb kehrsverlagerung sind explizit auch keine Infrastruktur- von Dresden an mindestens 345 Tagen aufweisen. Die investitionen zuzurechnen. dazu seit 20 Jahren laufenden Bau- und Unterhaltungs- maßnahmen – 2010 allein 31 Millionen Euro – haben Die hochsubventionierten Binnenhäfen sind auch das Ziel, mehr Verkehr auf die Elbe zu verlagern, nicht ohne Ausbau der Elbe gesichert. Häfen sind heute Lo- erreicht. Sie führten zur Sohleneintiefung und damit zur gistik- oder Güterverkehrszentren und Gewerbestand- Absenkung der Grundwasserstände. orte, bei denen nur ein geringer Umschlag über Kai er- folgt. Wir fordern, durch die Förderung von Ufer- und Au- enrenaturierungen mehr Raum für die Elbe zu schaffen Der Güterverkehr auf der Mittel- und Oberelbe ist und Maßnahmen zur Deichrückverlegung mit den Län- angesichts der Transportmengen ökonomisch bedeu- dern zu ergreifen. Eine nationale Biodiversitätsstrategie tungslos. Hingegen würde der Tourismus durch den Aus- entlang der Elbe muss endlich umgesetzt werden. An der bau des Flusses erheblichen wirtschaftlichen Schaden Elbe zeichnen sich gerade zwei gegensätzliche Entwick- nehmen. Der Elberadweg ist seit Jahren Deutschlands lungen ab: Auf der tschechischen Seite soll mit EU-Mit- beliebtester Fernradweg. Radtourismus ist eine Chance teln eine Staustufe bei Decin gebaut werden, auf deut- für kleine Orte. Jeder Radler gibt im Schnitt 60 Euro pro scher Seite hingegen sollen zukünftig keine Investitionen Tag aus; 155 000 Fernradler pro Jahr, die im Schnitt mehr in Ausbaumaßnahmen fließen. neun Tage auf dem Elberadweg unterwegs sind. Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich mit jährlich 1,1 Millio- Die vom Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtent- nen Besuchern, 700 festen Arbeitsplätzen und bis zu wicklung angekündigte Strukturreform der Wasser- und 900 Saisonkräften braucht Elbewasser. Nach Schätzun- Schifffahrtsverwaltung sieht vor, dass zukünftig die In- gen einer Studie der Martin-Luther-Universität Halle- vestitionsmittel bei den Bundeswasserstraßen nur noch Wittenberg, Professor Dr. Hans-Ulrich Zabel, würden dort eingesetzt werden, wo auch ein hohes Güterver- durch einen kompletten Ausbau der Elbe 20 000 Arbeits- kehrsaufkommen stattfindet. Die Elbe kann diese Vorga- plätze verloren gehen, vor allem im Tourismus, aber ben glücklicherweise nicht erfüllen. Mit unter 1 Million auch in der Land- und Forstwirtschaft.

Zu Protokoll gegebene Reden 10644 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Stephan Kühn (A) Wir fordern die Bundesregierung auf, gemeinsam mit der Frauen ist, in Deutschland zu bleiben, dem Land, in (C) den Landesregierungen und den Kommunen ein Konzept das sie in aller Regel gegen ihren Willen verbracht wor- zum Ausbau der wirtschaftlichen Potenziale der Elbe- den sind? Es ist ja wohl lebensnäher, dass die Frauen region zu entwickeln. Die grenzüberschreitende Zusam- zunächst überhaupt erst einmal aus ihrer Zwangslage menarbeit mit der Tschechischen Republik ist notwen- befreit werden wollen. Dazu haben wir mit den ver- dig, um die Elbe auf deutscher Seite nicht zu gefährden. pflichtenden Deutschkenntnissen vor dem Ehegatten- Es ist notwendig, dass mit der Tschechischen Republik nachzug eine Grundlage geschaffen, indem jetzt alle ein gemeinsames Güterverkehrskonzept und auch ein Frauen zumindest sprachlich in der Lage sind, sich Hilfe gemeinsames Tourismuskonzept entwickelt wird. Hier zu holen, und auch auf das Leben in Deutschland und müssen klare Abstimmungsverfahren geschaffen wer- die Rechte, die Frauen in unserem Land haben, besser den. Die Planungen für den Bau einer Elbestufe bei De- vorbereitet sind. Es ist gerade Die Linke gewesen, die cin müssen dringend verhindert werden. Ich fordere die gegen diese verpflichtenden Deutschkenntnisse Sturm Bundesregierung ausdrücklich auf, hier tätig zu werden. gelaufen ist. Insofern ist es die reine Heuchelei, wenn Sie sich jetzt als Wahrer der Interessen der zwangsver- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: heirateten Frauen profilieren wollen. Das Gegenteil ist Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf richtig: Sie verweigern den Frauen das menschenrecht- Drucksache 17/4554 an die in der Tagesordnung aufge- liche Rüstzeug, um sich selbst gegen die Zwangslage führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie einverstan- wehren zu können. den? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be- Außerdem erwähnen Sie selbst in Ihrem Antrag die schlossen. Härtefallregelung nach § 31 Abs. 2 des Aufenthaltsge- Tagesordnungspunkt 26: setzes. Das ist der Widerspruch schlechthin. Auch bei ei- ner dreijährigen Mindestehebestandszeit kann einer Beratung des Antrags der Abgeordneten Sevim Frau zur Vermeidung einer besonderen Härte schon weit Dağdelen, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, wei- vor dem Ablauf von drei Jahren ein eigenständiges Auf- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE enthaltsrecht gewährt werden. Der Schutz des Gesetzge- Für ein wirksames Rückkehrrecht und eine bers verringert sich also in keiner Weise. Dies sei auch Stärkung der Rechte der Opfer von Zwangs- den Wohlfahrtsverbänden ins Stammbuch geschrieben, verheiratungen die sich mit Briefen in diesen Tagen an uns wenden und die Frage der Härtefallregelung bei ihrer Kritik völlig – Drucksache 17/4681 – außen vor lassen. Ich will an dieser Stelle schon deutlich Überweisungsvorschlag: machen, dass es mich wundert, wie falsch die beste- (B) Innenausschuss (f) hende und künftige Rechtslage von Verbandsvertretern (D) Rechtsausschuss dargestellt wird, die schließlich auch in der Beratung Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe von Ausländern tätig sind. Zu einer integrationspolitisch notwendigen Steue- Reinhard Grindel (CDU/CSU): rung der Zuwanderung gehört auch, dass wir effektive Der Antrag der Fraktion Die Linke zum Rückkehr- Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen ergreifen. recht für Opfer von Zwangsverheiratung ist ein neuerli- Wir haben das Thema schon bei der ersten Lesung des cher Beleg für Ihre Absicht in der Ausländerpolitik, je- Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsrechts eingehend den Hebel zu nutzen, um für eine völlig unkontrollierte erörtert. Insofern sage ich es noch einmal: Gerade die Zuwanderung in unser Land zu sorgen. Sie gefährden Fraktion Die Linke erwähnt in ihrem Antrag die Zahl damit die Integration der bei uns lebenden Ausländer der festgestellten Scheinehen und verweist darauf, dass und öffnen im Übrigen auch jede Menge Missbrauchs- die Zahl heute – bei einer zweijährigen Mindestehebe- möglichkeiten für Schleuser und Schlepper, die sich Ihre standszeit – niedriger ist als im Jahre 2000, als wir noch überaus weitgehenden Gesetzesformulierungen zunutze eine vierjährige Mindestehebestandszeit hatten. Es ist machen könnten. Die Bundesregierung und die Koaliti- doch wohl einsichtig, dass die Ausländerbehörden mehr onsfraktionen haben mit dem hier bereits in erster Le- Scheinehen nachweisen können, je länger Zeit sie haben, sung debattierten Gesetzespaket zur Bekämpfung der entsprechenden Verdachtsmomenten nachzugehen. Inso- Zwangsheirat und zu anderen Änderungen des Aufent- weit sind die Hinweise der Linken eher ein Plädoyer, zur haltsrechts überzeugende Lösungen vorgelegt, wie alten Rechtslage zurückzukehren. zwangsverheirateten und verschleppten Frauen wirk- Richtig wäre Ihre Argumentation dann, wenn uns aus sam geholfen und wie gleichzeitig durch eine Verlänge- den Visastellen unserer Auslandsvertretungen, in denen rung der Mindestehebestandszeit Scheinehen wirksam hochprofessionelle Mitarbeiter tätig sind, die sich seit begegnet werden kann. Jahren mit dieser Problematik befassen, berichtet Eine Behauptung muss gleich zurückgewiesen wer- würde, dass es heute signifikant weniger Anzeichen für den, die auch durch Wiederholung nicht richtiger wird. eine Scheinehe geben würde als im Jahre 2000. Das Ge- Sie kritisieren, dass mit der Verlängerung der Mindest- genteil ist aber richtig. Mir haben erst im letzten Jahr ehebestandszeit von zwei auf drei Jahre sich die Opfer Mitarbeiterinnen des Generalkonsulats in Istanbul ge- von Zwangsheirat länger in ihrer Zwangslange befinden sagt, dass sie davon ausgehen, dass es sich bei rund müssten, um ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu er- 30 Prozent der Antragsteller um Fälle von Scheinehen halten. Woher wissen Sie überhaupt, dass es die Absicht handelt. In Ankara und Izmir dürften wegen der beson- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10645

Reinhard Grindel (A) deren Gebiete, für die diese Visastellen zuständig sind, wiederhole es: Sie spielen damit Schleppern und Schleu- (C) die Zahlen nicht geringer sein, nur um einmal das Land sern in die Hände. mit den meisten Fällen von Ehegattennachzug zu erwäh- nen. Ebenso absurd ist es, dass Sie auch geduldete Perso- nen in den Schutzbereich des Rückkehrrechts einbezie- Aus den Visastellen ist gerade die Klage zu hören, hen wollen. Wer nie einen legalen Aufenthaltsstatus in dass die Ausländerbehörden in Deutschland wegen an- Deutschland gehabt hat, kann nicht in unserem Land geblichen Personalmangels nur sehr zögerlich bereit verwurzelt sein und kann deshalb nicht ein Rückkehr- sind, parallele Anhörungen der Ehegatten vorzuneh- recht beanspruchen. Mit diesem Vorschlag verwirken men. Insofern bleibt nur die Möglichkeit, nach der Ein- Sie den Anspruch, in der ausländerrechtlichen Debatte reise des jeweiligen Ehegatten dem Scheineheverdacht noch ernst genommen zu werden. nachzugehen. Dafür wollen wir eine längere Zeit ein- räumen. Nur ein letztes Wort zur Frage des EUGH-Urteils, auf das Sie in Ihrem Antrag eingehen. Wenn überhaupt, Außerdem können Sie nicht bestreiten, dass es natür- kann dieses nur auf solche Ehegatten Anwendung fin- lich die Fälle gibt, bei denen nach Deutschland gezo- den, die zum Zeitpunkt der Aufhebung der Ehe erwerbs- gene Ehegatten unmittelbar nach dem Ablauf von zwei tätig waren. Nur weil möglicherweise eine sehr kleine Jahren sich scheiden lassen und Partner heiraten, mit Gruppe in den Wirkungsbereich der längeren Mindest- denen sie in ihrem Heimatland bereits in erster Ehe ver- ehebestandszeit nicht einbezogen werden kann, gibt es heiratet waren. Natürlich erhoffen wir uns von der Ver- keinen Grund, von dieser richtigen Regelung Abstand zu längerung der Mindestehebestandszeit auch einen ge- nehmen. wissen Abschreckungseffekt, damit es gar nicht erst zu einer Scheinehe kommt. Rüdiger Veit (SPD): Integrationspolitisch abwegig sind auch Ihre Anträge Vor gut einem Monat haben wir an dieser Stelle an- zum Thema Rückkehrrecht. Wir haben in dem Gesetzent- lässlich des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur wurf der Bundesregierung als Koalition dazu eine sehr Bekämpfung von Zwangsverheiratungen schon einmal sachgerechte Lösung angeboten. Wir lösen vor allem über das Thema eines erweiterten Rückkehrrechtes für zwei große Probleme, die der tatsächlichen Inanspruch- Opfer von Zwangsehen gesprochen. Positiv ist sowohl nahme des Rückkehrrechts bisher im Wege standen. Wir bei diesem Antrag als auch bei dem vorliegenden Antrag verlängern die Frist, innerhalb derer zurückgekehrt der Fraktion Die Linke auf jeden Fall das Grundanlie- werden kann, von bisher sechs Monaten auf bis zu zehn gen, Menschen, die Opfer von Zwangsverheiratung ge- Jahre, und wir verzichten auf den Nachweis der Unter- worden sind, die Möglichkeit zu geben, nach einer Be- (B) haltssicherung. Wie zum Beispiel der Anwaltsverein an- freiung aus dieser Zwangssituation wieder nach (D) gesichts dieser weitreichenden Regelung davon spre- Deutschland zurückzukehren. chen kann, dass das alles ohne praktische Bedeutung Wir als SPD-Fraktion haben schon unter der Großen bleibt, ist mir schleierhaft. Da soll starke Polemik die Koalition für ein erweitertes Rückkehrrecht gestritten, Schwäche der Argumentation überdecken. und schon damals wollte die Union einem solchen Tatsächlich geht es beim Rückkehrrecht doch darum, Recht, das allein die Opfer schützt und stärkt, nur unter dass unser Rechtsstaat seiner sozialen Verantwortung der Bedingung zustimmen, dass wir im Gegenzug einer einem ausländischen Mitbürger gegenüber gerecht wird, Anhebung der Mindestehebestandszeit von zwei auf vier dessen ursprünglicher Aufenthalt zu einer gewissen Ver- Jahre zustimmen. Das wollten und konnten wir nicht und wurzelung in unserem Land geführt hat, sodass es dem haben wir auch nicht getan. Heute sind sich im Grunde Ausländer nicht zumutbar ist, in dem ihm fremd gewor- alle im Parlament vertretenen Parteien einig: Wir brau- denen ursprünglichen Heimatland zu verbleiben. Inso- chen ein erweitertes Rückkehrrecht für die Opfer von fern muss es doch aber einen Unterschied machen, ob Zwangsverheiratungen. Auch die Union hat erfreuli- eine junge Frau in Deutschland aufgewachsen ist, hier cherweise eingesehen, dass sie nur so glaubwürdig er- zur Schule ging und eine Ausbildung gemacht hat und scheint in ihrer Kampfansage zur Bekämpfung von dann in den Ferien in der Türkei zwangsverheiratet Zwangsehen. wurde oder ob sie sich nur wenige Monate bei uns auf- gehalten hat und dann in ihr Heimatland verschleppt Leider hält sie bislang allerdings an ihrer schon vor wurde. Insofern ist es integrationspolitisch zwingend, Jahren praktizierten unsittlichen Verknüpfung der Ein- dass man die Frage, wie lange und unter welchen Bedin- führung eines erweiterten Rückkehrrechts mit der Anhe- gungen ein Rückkehrrecht in Anspruch genommen wer- bung der Mindestehebestandszeit von bisher zwei auf den kann, von dem Tatbestand abhängig macht, wie zukünftig drei Jahre fest. In der Beschreibung der Pro- lange sich die betroffene Frau vorher in Deutschland bleme und des Ziels, dem mit der Anhebung der Min- aufgehalten hat und ob sie in unserem Land verwurzelt destehebestandszeit begegnet werden soll, heißt es im war oder nicht. Gesetzentwurf der Bundesregierung, dass durch die im Jahre 2000 erfolgte Verkürzung der Ehebestandszeit auf Nach dem Antrag der Linken wäre es denkbar, dass zwei Jahre der Anreiz für ausschließlich zum Zwecke der eine Frau mit 18 in die Türkei verschleppt wurde und mit Erlangung eines Aufenthaltstitels beabsichtigte Ehe- 65 ein Rückkehrrecht geltend macht. Das ist absurd, und schließungen erhöht worden sei. Einfach so. Ich kenne deshalb ist Ihr Antrag absurd. Es liegt auf der Hand, keine einzige Erhebung oder Untersuchung, die das be- dass damit dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet ist. Ich legen könnte. Die Union sagt, sie verfolge mit der Anhe-

Zu Protokoll gegebene Reden 10646 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Rüdiger Veit (A) bung der Mindestehebestandszeit das Ziel, Scheinehen Zwangsheiraten sind dabei kein Einzelphänomen – (C) zu verhindern. Tatsächlich verdammt sie aber Frauen, auch nicht in Deutschland. Erfahrungen zum Beispiel die sich in einer schrecklichen Lage befinden und dies aus Berlin, aber auch aus Flächenländern wie Baden- vielleicht nicht beweisen können, weil sie Beweise wie Württemberg zeigen, dass es leider viel zu viele junge Fotos, Zeugen und Ähnliches nicht beibringen können, Frauen gibt, die in einer Zwangsehe leben müssen. Der dazu, noch ein weiteres Jahr in dieser unerträglichen Si- besondere psychische Druck, der auf Mädchen und jun- tuation zu verharren aus Angst, ansonsten auch noch gen Frauen in der Zwickmühle zwischen familiärer Soli- durch den Verlust des Aufenthaltsrechts gestraft zu wer- darität und eigener Selbstbestimmung lastet, ist hier den. sehr groß. Auch wenn die Zwangsheirat bereits jetzt im Rahmen der Nötigung strafbar ist, ist den betroffenen Wie wir lehnt auch die Fraktion Die Linke in ihrem Familien meist nicht bewusst, daß die elterliche oder ge- Antrag eine Anhebung der Mindestehebestandszeit ab. schwisterliche Vorschrift des Ehepartners in der deut- Das ist richtig! Ebenso wie wir in dem von uns vorgeleg- schen Rechtsordnung nicht toleriert wird. Den Eltern ten Gesetzentwurf für ein erweitertes Rückkehrrecht ist und Familienangehörigen muss ausdrücklich die krimi- auch die Fraktion Die Linke der Meinung, dass ein sol- nelle Dimension solchen Tuns klar sein. Die selbstbe- ches Recht auch dann gewährleistet sein muss, wenn das stimmte Lebensgestaltung, die Freiheit, einen Ehepart- Opfer seinen Lebensunterhalt in Deutschland nicht al- ner selbst aussuchen zu können, braucht den besonderen leine sichern kann. Unter menschenrechtlichen Ge- Schutz eines eigenen Straftatbestandes. sichtspunkten darf die Befreiung aus einer Zwangsehe nicht an der Lebensunterhaltssicherungspflicht schei- Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion ist allerdings tern. auch die Verbesserung des Opferschutzes besonders Sehr weitgehend ist allerdings der Vorschlag des vor- wichtig. Wir werden eben nicht nur die Täter bestrafen, liegenden Antrags, ein erweitertes Rückkehrrecht auch sondern auch den Opfern wieder eine Perspektivchance für Geduldete und Illegale zu fordern. Ich kann zwar das geben. Es muss ein eigenständiges Wiederkehr- bzw. Anliegen, ins Ausland verschleppten Geduldeten die Rückkehrrecht für ausländische Opfer von Zwangsver- Rückkehr zu ermöglichen, gut nachvollziehen, halte es heiratungen geben. Gerade die Verschleppung in ein aber kaum für systematisch durchsetzbar. Eine Duldung fremdes Land verschärft diese Zwangslage noch. beruht ja in den meisten Fällen darauf, dass die Einreise Die bisherige Regelung, wonach der Aufenthaltstitel in das Herkunftsland nicht möglich ist. Nach dem Ge- auch für verschleppte junge Frauen nach sechs Monaten setzentwurf sollen Geduldete jedoch gerade vom Aus- automatisch erlischt, ermöglichte es, diese Zwangslage land her, in das ihre Ausreise eigentlich ja nicht möglich noch stärker auszunutzen und Frauen jede Fluchtper- war/ist, einen Titel für die Wiedereinreise nach Deutsch- (B) spektive zu nehmen. Nachdem das Rückkehrrecht nun (D) land erhalten. schon sehr lange diskutiert wird und es weder Rot-Grün Und: Die Einführung eines Rückkehrrechts für Ille- noch Rot-Schwarz gelungen ist, dieses Problem anzupa- gale würde einer Legalisierung gleichkommen. Auch cken, ist es der christlich-liberalen Koalition nun zu ver- das kann ich vom Ansinnen her verstehen, geht es doch danken, dieses wichtige Opferschutzrecht für die Betrof- vor allem um den Schutz der Opfer, halte es aber den- fenen geschaffen zu haben. Jetzt erhalten Opfer von noch für zu weitgehend. Zusammenfassend möchte ich Zwangsheirat und Verschleppung wieder eine Chance, noch einmal betonen, wie gut es vor allem für die Betrof- sich zu befreien. Dem dient auch die Verlängerung der fenen ist, dass es nun so aussieht, als würde es dem- Antragsfrist für die Aufhebung der Ehe. nächst ein erweitertes Rückkehrrecht für Opfer von Zwangsehen geben. Sie gestatten mir, unseren eigenen Der Gesetzentwurf ist ein Signal für eine Abkehr von Gesetzentwurf diesbezüglich allerdings am besten zu ideologischer Zuwanderungs- und Integrationspolitik. finden! Die Koalition aus FDP und CDU/CSU geht ohne Scheu- klappen die bestehenden Defizite der Integrationspolitik an, um die Chancen der Zuwanderung für unser Land Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): besser zu nutzen. Dazu gehört auch, die Grundwerte un- Zu diesem Thema habe ich bereits im Januar ausge- serer Rechtsordnung gegenüber Praktiken aus Her- führt, was ich, da sich die Sachlage und unsere Haltung kunftsländern durchzusetzen, die mit deutschem Recht zu ebendiesem Thema nicht geändert hat, gerne noch nicht vereinbar sind. einmal bekräftige: Zwangsheirat ist kein Kavaliersde- likt. Oft hat sie schreckliche Folgen für die Betroffenen. Im Zuge dieser Verbesserungen haben wir der Verlän- Die Gleichberechtigung der Frau ist einer der wesentli- gerung der Mindestehebestandszeit auf drei Jahre zur chen Bestandteile unserer Rechts- und Werteordnung, Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltstitels zuge- deren Vermittlung auch eine der entscheidenden Inte- stimmt. Das ist auf Kritik bei Opferverbänden, Kirchen grationsaufgaben ist. Integration funktioniert nur bei und Nichtregierungsorganisationen gestoßen. Wir neh- Respekt vor dieser Werteordnung. In großfamiliären men diese Besorgnis sehr ernst und werden auch in Zu- Strukturen mit altertümlichen Bräuchen bestehen zu- kunft auf die Wirkung dieser Regelung genau achten. sätzliche Zwangslagen für junge Menschen. Falsche Leider hat die im Jahre 2000 von Rot-Grün durchge- Traditionen oder intolerante kulturelle Konventionen setzte Absenkung der Ehemindestbestandszeit von vier verhindern eine unabhängige Lebensgestaltung – viel- auf zwei Jahre die Möglichkeit für Scheinehen erweitert. fach lebenslänglich. Dem will die Koalition entgegensteuern.

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Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (A) Opfern von Gewalt, insbesondere auch häuslicher Ausnahme hierfür ausgesprochen hatten. Auch dies lässt (C) Gewalt, die es leider in viel zu großer Anzahl gibt und sich nachlesen. Und zwar im Ausschussprotokoll 16/13 die als Argument gegen die Anhebung der Ehemindest- und in der Ausschussdrucksache 16(13)91g. bestandszeit angeführt werden, kann durch die Härte- Die Linke stand damals an der Seite der Frauen- fallregelung geholfen werden. Dies wird auch nochmals rechtsorganisationen und tut dies auch heute. klargestellt. Wir mahnen die Ausländerbehörden zu ei- ner großzügigen Handhabung im Sinne der Opfer. Im aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung will sie nun die Mindestehebestandszeit von zwei auf drei Wir lockern die Residenzpflicht für Geduldete und Jahre unter dem Vorwand verlängern, Scheinehen zu be- Asylbewerber, um ihnen die Aufnahme einer Beschäfti- kämpfen. Diese Behauptung ist abwegig, und dieser Be- gung, Ausbildung oder eines Studiums bzw. den Schulbe- hauptung widersprechen eklatant die vorliegenden Daten such zu erleichtern. Damit steigern wir die Chancen von zur Zahl polizeilich erfasster Scheinehe-Verdachtsfälle, jungen Migranten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen die im Jahr 2009 mit 1 698 nicht einmal ein Drittel des und sich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Werts aus dem Jahr 2000 erreichte, und 2000 gab es Die Koalition wird durch Fördern und Fordern die noch eine Mindestehebestandszeit von vier Jahren. Chancen der Zuwanderung für unser Land besser er- Die Erhöhung der Ehebestandszeit ist ein Skandal, schließen. Ziel bleibt, den Zusammenhalt unserer durch und das weiß auch die Bundesregierung. Sie ist nicht zu- Zuwanderer bereicherten Gesellschaft zu stärken. Die- letzt deshalb ein Skandal, weil sie auch gegen Europa- ses Ziel verliert der Linken-Antrag völlig aus den Augen. recht verstößt. Wie die Bundesregierung einräumen Wir lehnen ihn daher ab. musste, ist die geplante Verlängerung der Mindestbe- standszeit einer Ehe für die Erlangung eines eigenstän- Sevim Dağdelen (DIE LINKE): digen Aufenthaltsrechts von nachgezogenen Ehegatten In der ersten Beratung des von der Bundesregierung bei türkischen Staatsangehörigen aus europarechtlichen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung Gründen nur bedingt anwendbar. So hat der Europäische der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer Gerichtshof mit dem „Toprak“-Urteil vom 9. Dezember von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufent- 2010 entschieden, dass die geplante Verlängerung der halts- und asylrechtlicher Vorschriften gerierte sich die Mindestehebestandszeit von zwei auf drei Jahre auf die Regierungskoalition als Vertreter der Frauenrechte. So größte Gruppe der Migrantinnen und Migranten aus eu- würden sie Zwangsverheiratungen, Scheinehen und ge- roparechtlichen Gründen nur sehr bedingt anwendbar nerell Gewalt gegen Frauen – seien sie nun physischer ist. Denn das Assoziationsrecht sieht ein Verschlechte- oder psychischer Natur – energisch bekämpfen. Doch rungsverbot für türkische Arbeitnehmerinnen und Ar- (B) wie Frauen aus leidvoller Erfahrung aus den letzten beitnehmer und ihrer Familienangehörigen vor: Einmal (D) Jahrzehnten wissen, stehen CDU/CSU und FDP nicht gewährte Erleichterungen im Aufenthalts- und Arbeits- als frauenpolitische Avantgarde für die Rechte der recht dürfen nicht wieder zurückgenommen werden. Frauen ein, schon gar nicht, wenn es um Migrantinnen Wider besseres Wissen versucht die Bundesregierung geht. Deshalb überrascht es auch nicht, dass gerade die Verschlechterungen beim Schutz der Opfer von Frauenorganisationen und Beratungsstellen kein gutes Zwangsverheiratungen dadurch zu verschleiern, dass Haar am Gesetzentwurf der Bundesregierung hinsicht- ein eigenständiger Straftatbestand geschaffen und das lich der Bekämpfung von Zwangsverheiratungen lassen. Rückkehrrecht erweitert wird. Ersteres ist lediglich Sym- Denn es ist unglaubwürdig, wenn die Bundesregierung bolpolitik und hat mit einer realen Verbesserung nichts vorgibt, vor allem im Interesse der Opfer von Zwangs- zu tun. Diejenigen, die sich bisher nicht mit dem Strafge- verheiratungen zu handeln. Ginge es der Bundesregie- setzbuch beschäftigt bzw. es ignoriert haben, werden es rung tatsächlich um die Opfer von Zwangsverheiratun- auch weiterhin tun. Da spielt es keine Rolle, ob Zwangs- gen, hätte sie bereits vor Jahren Verbesserungen für die verheiratung nun in § 240 des Strafgesetzbuches als be- betroffenen Frauen und im geringeren Umfang auch für sonders schwerer Fall der Nötigung oder in einem eige- betroffene Männer geschaffen. Zur Stärkung der Opfer nen § 237 Abs. 4 des Strafgesetzbuches geregelt wird. von Zwangsheiraten hätte man in Bezug auf flächende- Und die einzige wirkliche Verbesserung – nämlich die ckende, niedrigschwellige Beratungsangebote und Not- Einführung eines Rückkehrrechts – ist entsprechend nur fallunterbringungen oder in Bezug auf verfahrensrecht- halbherzig angegangen worden. liche Änderungen zur Gewährleistung der Sicherheit und Anonymität der Opfer im Gerichtsverfahren aktiv Das vorgeschlagene Wiederkehrrecht für Opfer von werden können und müssen. Die umfassenden Forderun- Zwangsverheiratungen, die von einer Rückkehr nach gen der Fraktion Die Linke lassen sich in unserem da- Deutschland abgehalten werden, ist unzureichend. § 37 maligen Antrag mit der Bundestagsdrucksachennummer Abs. 2 a des Aufenthaltsgesetzes ist im Entwurf zunächst 16/1564 nachlesen. Entsprechende Vorschläge der nur als eine bloße Ermessensregelung ausgestaltet. Er- Fraktion Die Linke aus dem Jahr 2006 wurden in der schwerend kommt hinzu, dass dieses Ermessen eine mit 16. Wahlperiode des Bundestages jedoch von der Gro- dem Gedanken eines effektiven Opferschutzes unverein- ßen Koalition abgelehnt. Genauso wurde die Forderung, bare Nützlichkeitsprüfung enthält. So ist Bedingung für ein effektives Rückkehrrecht im Aufenthaltsgesetz zu eine Rückkehr, dass sich die Betroffenen aufgrund „der schaffen, abgelehnt; abgelehnt, obwohl sich im Rahmen bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die einer Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland Frauen und Jugend alle Sachverständigen mit einer einfügen“ können. Ein Regelanspruch auf Rückkehr

Zu Protokoll gegebene Reden 10648 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Sevim DaDaðdelenğdelen (A) ohne eine solche Prüfung der „Integrationsfähigkeit“ Sie ist offenbar nicht gewillt, für adäquaten Schutz der (C) ist nur nach achtjährigem rechtmäßigem Aufenthalt und Betroffenen zu sorgen. sechsjährigem Schulbesuch in Deutschland vorgesehen. Die geplante Regelung wird wegen dieser Restriktionen Wir haben daher als Alternative einen eigenen Antrag nach Einschätzung des Deutschen Anwaltvereins nur „Opfer von Zwangsverheiratungen wirksam schützen „ein plakatives Signal gegen Zwangsehe“ setzen und durch bundesgesetzliche Reformen und eine Bund-Län- wegen seiner unzureichenden Ausgestaltung „wenig der-Initiative“ in den Bundestag eingebracht. Unser An- trag sieht einen umfassenden Aktionsplan vor, der von Praxisrelevanz haben“, wie ihrer Stellungnahme zu ent- den Betroffenenverbänden ausdrücklich unterstützt nehmen ist. Auch die nur dreimonatige Bedenkzeit wird. Kernforderungen unseres Antrags sind die Gewäh- „nach Wegfall der Zwangslage“ zur Stellung eines rung eigenständiger Aufenthaltsrechte und wirksamer Rückkehrantrags wird sich sicher angesichts der beson- Rückkehrrechte für Migrantinnen und Migranten, die deren Ausnahmesituation und Belastungen der Betroffe- von Zwangsverheiratungen betroffen sind. So soll jun- nen als viel zu kurz erweisen. Regelungen für ver- gen Ausländerinnen und Ausländern, die seit fünf Jah- schleppte Personen ohne gefestigten Aufenthaltsstatus ren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, von Amts in Deutschland wie zum Beispiel Geduldete fehlen in wegen und unabhängig von der Sicherung des Lebens- dem Gesetzentwurf völlig. unterhalts eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Die Linke fordert deshalb ein wirksames Rückkehr- Die Niederlassungserlaubnis erlischt auch dann nicht, recht für zwangsverheiratete und verschleppte Perso- wenn sich die betreffende Person – zum Beispiel auf- nen. Zwangsverheirateten oder von Zwangsverheiratun- grund einer Zwangsverheiratung – länger als sechs Mo- gen bedrohten oder gegen ihren Willen ins Ausland nate im Ausland aufhält. Des Weiteren wollen wir ins verschleppte Personen, die rechtmäßig ihren gewöhnli- Ausland verschleppten Opfern von Zwangsverheiratun- chen Aufenthalt im Bundesgebiet hatten und an einer gen ein umfassendes Rückkehrrecht gewähren, und zwar Rückkehr nach Deutschland gehindert werden, muss ein unabhängig von einer bestimmten Voraufenthaltsdauer unbeschränktes Recht auf Wiederkehr eingeräumt wer- oder der Sicherung des Lebensunterhalts. den. Grundsätzlich darf der Aufenthaltstitel nicht durch Daneben schlagen wir die Gründung einer dauerhaf- einen längeren Auslandsaufenthalt erlöschen. Die Frist ten Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zwangsverheiratun- des Erlöschens muss vorsorglich auf drei Jahre verlän- gen“ vor, um mit den Ländern verbindliche Regelungen gert werden. Und Die Linke fordert auch, dass für für das regelmäßig notwendige länderübergreifende zwangsverheiratete und ins Ausland verschleppte Perso- Handeln zu vereinbaren, damit den Opfern von Zwangs- nen mit gewöhnlichem Aufenthalt, aber ohne rechtmäßi- verheiratungen schnell, unbürokratisch und langfristig gen Aufenthaltstitel in Deutschland ein Rückkehrrecht (B) geholfen werden kann. Frauen, die vor einer Zwangs- (D) und Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verheiratung flüchten, befinden sich in einer physischen aus humanitären Gründen geschaffen wird. und psychischen Extremlage. Für langwierige, bürokra- tische Zuständigkeitsstreitigkeiten, insbesondere bei Eine weitere zentrale Forderung der Linken bleibt, jungen Volljährigen, haben sie keine Zeit. dass auf die geplante Verlängerung der Mindestehebe- standszeit verzichtet wird. Wir brauchen vielmehr eine Die Bund-Länder-AG soll im Rahmen einer Koopera- Härtefallregelung für ein eigenständiges Aufenthalts- tionsvereinbarung für einen flächendeckenden Ausbau recht von Ehegatten. Das muss durch entsprechende von niedrigschwelligen Schutzeinrichtungen und Bera- Klarstellungen so ausgestaltet werden, dass sie insbe- tungsstellen sorgen. Daneben soll sie Aufklärungskam- sondere von Opfern von Gewalt und Zwangsheirat ohne pagnen entwickeln und finanzieren und hierbei insbe- Angst vor einer Abschiebung jederzeit effektiv in An- sondere darauf hinwirken, dass an Schulen die Themen spruch genommen werden kann. Das wäre dann auch Zwangsverheiratung und häusliche Gewalt in die Lehr- frauenfreundlich. pläne aufgenommen werden, dass Lehrerinnen und Leh- rer entsprechend fortgebildet und sensibilisiert werden und dass Anlaufstellen geschaffen werden, an die sich Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schülerinnen und Schüler wenden können, wenn sie di- Bündnis 90/Die Grünen haben mit ihrer Anhörung rekt oder indirekt von Zwangsverheiratungen betroffen „Zwangsverheiratung ist keine Ehrensache“ im Juli sind. 2003 als erste Fraktion im Deutschen Bundestag auf diese Menschenrechtsverletzung hingewiesen. Im Jahr Schließlich fordern wir Änderungen im Ehe-, Unter- 2005 hat die rot-grüne Koalition Zwangsverheiratungen halts- und Erbrecht, um die Aufhebung der Ehe zu er- als einen Fall „besonders schwerer Nötigung“ im Straf- leichtern und die betroffenen Frauen finanziell abzusi- gesetzbuch ausdrücklich verankert. Seit dem Ende der chern. rot-grünen Koalition hat die Bundesregierung keine ad- Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist skanda- äquaten Versuche unternommen, um Migrantinnen, die lös und ein falsches Signal. Hier möchte ich nur zwei Re- von Zwangsverheiratungen bedroht oder betroffen sind, gelungen hervorheben, die dringend einer Änderung be- zu helfen. dürfen, um die Situation der Opfer von Zwangsehen zu verbessern. Was die Bundesregierung nun in ihrem Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Zwangsheirat und zum besseren Es ist zwar positiv, dass die Bundesregierung endlich Schutz der Opfer von Zwangsheirat vorlegt, ist schäbig. erkannt hat, dass den betroffenen Frauen ein Rückkehr-

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10649

Memet Kilic (A) recht gewährt werden muss. Diese Rückkehrmöglichkeit kannt zu geben, sodass man die innere Widersprüchlich- (C) macht die Bundesregierung allerdings von einer positi- keit des Antrags erst im letzten Moment erfährt. Gemäß ven Integrationsprognose abhängig. Sie lässt also der Überschrift geht es der Fraktion der Linken um hö- Frauen mit einem niedrigen Bildungsgrad oder solche here Löhne für die Beschäftigten des öffentlichen Diens- ohne finanzielle Absicherung in ihrer prekären Lage im tes der Länder. Der Hintergrund ist klar: Es gibt dort Stich. Ein unterschiedliches Schutzniveau lässt sich derzeit wieder Tarifverhandlungen, in denen wie immer nicht begründen, insbesondere wenn man immer wieder, hart gerungen wird. Erst im Antragstext offenbart sich wie die Bundesregierung, zu Recht betont, welch dann das eigentliche Thema: nämlich die Finanzsitua- schwerwiegende Straftat die Zwangsheirat ist. Wir sind tion der Länder. dafür, allen Opfern von Zwangsheirat ein umfassendes Rückkehrrecht einzuräumen ohne Prüfung der Vorauf- Ich zitiere: „Der Deutsche Bundestag fordert die enthaltsdauer, der Sicherung des Lebensunterhalts oder Bundesregierung auf: gesetzliche Vorschläge für die anderweitiger Integrationsprognosen. dauerhafte Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Länder vorzulegen, zum Beispiel durch Veränderung Die zweite Regelung, von der die Bundesregierung der Aufteilung der Gemeinschaftssteuern. Die Länder Abstand nehmen sollte, ist die Verlängerung der Min- müssen so in die Lage versetzt werden, einen erfolgrei- destehebestandszeit von zwei auf drei Jahre für ein chen Tarifabschluss für die Angestellten im öffentlichen eigenständiges Aufenthaltsrecht. Anstatt wie vom Ge- Dienst der Länder zu gewährleisten.“ setzentwurf angeblich vorgesehen, die Opfer von Zwangsehen besser zu schützen, führt die Verlängerung Ja, die Finanzsituation der Länder ist angespannt. der Mindestehebestandszeit zu einer gravierenden Ver- Allerdings war sie dies auch schon in früheren Tarifrun- schlechterung der Situation der Opfer. Schon heute blei- den. Und es geht auch nicht nur den Ländern so: Der ben viele misshandelte Migrantinnen aus Angst vor ei- Bund und die Kommunen müssen ebenso seit Jahren mit ner Abschiebung in einer ungewollten und gewalttätigen einer angespannten Kassenlage leben, müssen sich der Ehe. In Zukunft sollen sie noch ein Jahr länger in dieser Aufgabe der Haushaltskonsolidierung stellen. Tatsäch- Lebenssituation ausharren. Auch die Härtefallregelung lich sind wir mit einer Rekordverschuldung der Länder kann hier nicht ausreichend weiterhelfen, sie entfaltet konfrontiert, aber auch hier muss man die Lage differen- aus verschiedenen Gründen in der Praxis leider nicht ziert betrachten: die erhoffte Wirkung. Um Mädchen und junge Frauen stark genug zu machen, um sich aus ihrer Zwangslage Erstens. Es gibt Länder, die durchaus sparsam haus- befreien zu können und ihnen die notwendige Unterstüt- halten und sich mit einer ernsthaften Haushaltskonsoli- zung und den notwendigen Schutz zu bieten, bitte ich um dierung finanzielle Spielräume erarbeiten. Und es gibt (B) Zustimmung zu unserem Antrag. eben Länder, die dies nicht tun, und für die schreien Sie (D) hier um Hilfe. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zweitens. Die aktuell angespannte Finanzlage ergibt Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf sich bekannterweise größtenteils aus der zurückliegen- Drucksache 17/4681 an die in der Tagesordnung aufge- den Finanz- und Wirtschaftskrise. Auch diese wird von führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie einverstan- den Ländern unterschiedlich gut und kompetent bewäl- den? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be- tigt. schlossen. Drittens. Der erkennbare Wirtschaftsaufschwung Tagesordnungspunkt 27: wird allen öffentlichen Kassen nutzen: den kommunalen Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael genauso wie denen in Bund und Ländern. Deutschland Schlecht, Dr. Barbara Höll, Dr. Dietmar Bartsch, kommt gut aus der Krise, viel besser übrigens als die weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE meisten anderen EU-Staaten. Aber auch hier gilt: Die LINKE Länder sind ihres eigenen Glückes Schmied. Die einen nutzen den Aufwind zur strikten Konsolidierung, andere Tarifverhandlungen für Beschäftigte im öf- Länder wie NRW haben nicht nur nicht verstanden, was fentlichen Dienst der Länder – Höhere Löhne jetzt beim Thema Schuldenabbau zu tun ist. Nein, dort absichern wird noch kräftig draufgepackt. Diese Suppe muss die – Drucksache 17/4841 – Regierung NRW schon alleine auslöffeln. Es kann doch niemand von uns verlangen, dass wir groben haushalte- rischen Unfug von hier aus noch unterstützen. Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Dies ist eine merkwürdige und in jedem Fall überflüs- Viertens. Das zurückliegende Finanz- und Wirt- sige Debatte. Ich möchte kurz etwas zur Art und Weise schaftskrisenmanagement des Bundes, zum Beispiel in sagen, wie dieser Antrag eingebracht wurde. Wir kennen Form der Kurzarbeiterregelungen und der Qualifizie- den Tagesordnungspunkt schon seit etwa einer Woche, rungsprogramme, war eine Milliardeninvestition und allerdings nur seine Überschrift. Den Antragstext selbst somit die größte Unterstützungsleistung, die wir den haben wir erst vor zwei Tagen erhalten. Leider stimmen Kommunen und Ländern angedeihen lassen konnten. Überschrift und Inhalt nicht im Mindesten überein. Es Wir haben Massenarbeitslosigkeit verhindert, wir haben gehört wohl zu den parlamentarischen Gepflogenheiten Jugendarbeitslosigkeit in der Krise reduziert, wir haben der Linken, Texte von Anträgen erst sehr kurzfristig be- Firmenpleiten abgewendet. Aber auch diese Startvo- 10650 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

Armin Schuster (Weil am Rhein) (A) raussetzungen wurden in den Ländern leider sehr unter- die Absenkung der Unternehmensbesteuerung bei Funk- (C) schiedlich genutzt. tionsverlagerungen und Finanzierungsdienstleistungen zu Mindereinnahmen von mindestens 650 Millionen Nehmen wir zu dieser Krisenbewältigungsleistung Euro geführt. Das kann man in diesem Zusammenhang jetzt auch noch die Segnungen des Länderfinanzaus- nicht oft genug erwähnen. Gemeindefinanzreformkom- gleichs für die Nehmerländer, dann ist Ihre Forderung, mission, Finanzkrise und Staatsverschuldung, Schulden- meine sehr verehrten Damen und Herren von den Lin- bremse und Länderfinanzausgleich – nur diese wenigen ken, grotesk. Selbst beim Verhandlungsergebnis um Stichwörter genügen, damit klar wird: Das Thema Hartz IV haben wir auf die finanziellen Belange von Finanzverfassung ist und bleibt ein echtes Bohren dicker Ländern und Kommunen in besonderem Maße geachtet. Bretter. Der Antrag aber schafft nicht mehr, als auf die- Gerne führe ich mit Ihnen als baden-württembergi- sem Brett oberflächtlich herumzukratzen. scher Abgeordneter auch eine Debatte über Haushalts- disziplin und den Willen einzelner Landesregierungen zu Dr. Stefan Ruppert (FDP): großen Sparanstrengungen. Vielleicht können Sie dabei Die Fraktion Die Linke hat dem Bundestag einen An- etwas lernen. Wenn die Linke sich ernsthaft für die Be- trag vorgelegt, der den Bund auffordert, sich über eine schäftigten der Länder einsetzen will, dann kann sie es Verbesserung der finanziellen Ausstattung der Länder in in den Ländern tun, wo sie politische Verantwortung die Tarifverhandlungen einzumischen. Mit der Födera- trägt. Wie alle im Bundestag vertretenen Parteien ist lismusreform wurde das öffentliche Dienstrecht in den auch die Linke zumindest in einigen Landesparlamenten Kompetenzbereich der Bundesländer verlagert. Auch vertreten und in mehreren Ländern Teil einer Landesre- für die Angestellten des öffentlichen Dienstes kam es zu gierung. Das wären die richtigen Orte, um die hier for- einer Trennung der Tarifverhandlungen zwischen Bund mulierten politischen Ziele umzusetzen. So stellt die und Kommunen auf der einen und den Bundesländern Linke beispielsweise in Brandenburg den Finanzminis- auf der anderen Seite. Der Vorschlag der Fraktion Die ter. Über diesen Weg könnten Sie Einfluss nehmen und Linke ist daher aus meiner Sicht ein systemwidriger Ein- gleichzeitig den Landesparlamenten und der Öffentlich- griff. keit erklären, wie Sie Ihr Ansinnen – oder soll ich sagen: Ihre sozialen Wunschkonzerte – zu finanzieren geden- Der Bund hat Anfang letzten Jahres die Tarifverhand- ken. Auch ich wünsche mir ausreichend Geld für drin- lungen für die Angestellten des Bundes und der Kommu- gende Investitionen, für die finanzielle Anerkennung an nen geführt. Der Weg zu einer Einigung zwischen Ar- die Beschäftigten, für Bildung und Forschung. Dies beitgebern und Arbeitnehmern war steinig und konnte funktioniert aber nur, wenn alle Beteiligten ernsthafte letztendlich nur über die Einschaltung von Schlichtern Anstrengungen unternehmen, um Einnahmen und Aus- (B) erreicht werden. Am 4. Februar 2011 hat nun die Ein- (D) gaben ins Gleichgewicht zu bringen. Ansonsten gilt: Die kommensrunde für die Bundesländer begonnen. Auch Tarifpartner werden angemessene Ergebnisse herbei- hier zeichnet sich kein schnelles Übereinkommen ab. Zu führen. So haben sie es auch in der Vergangenheit gehal- weit liegen die Forderungen der Gewerkschaften und ten. Und so wie wir es in der Vergangenheit gehalten ha- der Vertreter der Länder auseinander. Verdi oder der ben, so wird sich der Bundestag nicht in die Deutsche Beamtenbund dbb fordern insgesamt rund Verhandlungen einmischen. Wir halten an der Tarifauto- 5 Prozent mehr Lohn, aufgeteilt auf 50 Euro Sockelbe- nomie fest. trag plus 3 Prozent lineare Erhöhung. Die Forderung Dieser Antrag ist also juristisch wie politisch verfehlt nach einer Beteiligung der Arbeitnehmer am Auf- und indiskutabel. Man fragt sich abschließend, ob es ein schwung ist verständlich. Die angespannte finanzielle eklatanter Mangel an Kenntnissen in Haushalts-, Fi- Situation der Länder muss jedoch in den Tarifverhand- nanzpolitik und Tarifrecht ist oder lediglich politische lungen ebenfalls berücksichtigt werden. Schaustellerei. Der Antrag ist natürlich abzulehnen. An dieser Stelle sei jedoch auf das Prinzip der Tarif- autonomie verwiesen. In Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes Dr. Carsten Sieling (SPD): ist das Recht vereinbart, Tarifverträge frei von staatli- Der vorliegende reichlich dürre, unvollständige und chen Eingriffen zu schließen. Der Bund hat nicht das dem Problem wirklich nicht angemessene Antrag der Recht, sich in irgendeiner Form in die laufenden Ver- Fraktion Die Linke führt uns wieder einmal eindrucks- handlungen zwischen den Ländern und den Arbeitneh- voll vor Augen, was der Unterschied zwischen „gut“ merorganisationen einzuschalten. Beide Parteien müs- und „gut gemeint“ ist: Denn der Bund und damit auch sen über den Weg der Verhandlungen miteinander zu der Deutsche Bundestag sind weder für die Tarifver- einem fairen Tarifabschluss kommen. handlungen der Länder noch für die knapp 600 000 ta- rifbeschäftigten Landesbeschäftigten zuständig. Die Die Fraktion Die Linke erkennt die Unmöglichkeit finanzielle Lage vieler Länder erfordert mehr, als nur der Lohnforderungen aufgrund der finanziellen Situa- mit den Personalkosten zu argumentieren. tion der Länder an. Sie fordert daher ihre finanzielle Unterstützung durch den Bund. Ein Blick auf die Situa- Im Übrigen ist es schon mehr als enttäuschend, dass tion des Bundes jedoch zeigt, dass auch dieser nicht die der Antrag die Kommunen mit keinem Wort erwähnt. finanziellen Kapazitäten hat. Die Neuverschuldung Die Gemeinden und Kreise sind aber von der schädli- konnte dank der günstigen Konjunkturlage Anfang die- chen Politik von Schwarz-Gelb genauso betroffen. Ne- ses Jahres weiter reduziert werden. Der Bundesfinanz- ben dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat allein minister Dr. Wolfgang Schäuble strebt eine Aufnahme

Zu Protokoll gegebene Reden Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10651

Dr. Stefan Ruppert (A) von Neuschulden in Höhe von rund 40 Milliarden Euro daher für deutliche Lohnerhöhungen plädiert. Zugleich (C) an. So positiv diese Entwicklung ist, so wichtig ist es je- betonte er, Lohnerhöhungen lägen in der Verantwortung doch, weiterhin am Abbau von Schulden festzuhalten. der Tarifpartner. Die Bundesregierung weiß natürlich, Die im Grundgesetz vorgeschriebene Schuldenbremse, dass dies angesichts der Agenda 2010 und der Hartz-IV- die eine Begrenzung der Nettokreditaufnahme auf maxi- Gesetzgebung ein schlechter Witz ist. Denn diese Ge- mal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab 2016 setze wurden ja zu dem Zweck gemacht, die Löhne zu vorsieht, kann nur durch intensive Sparbemühungen ein- drücken. Denn wer Angst vor dem sozialen Abstieg hat, gehalten werden. Eine konjunkturelle Komponente ist der streikt nicht. Aber nehmen wir den Wirtschaftsminis- übrigens bei der Schuldenbremse bereits integriert. In ter dennoch beim Wort: Wenn höhere Löhne in der Ver- konjunkturell schlechteren Zeiten ist zwar eine höhere antwortung der Tarifparteien liegen, dann ist bei der Ta- Neuverschuldung erlaubt, in konjunkturell besseren und rifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder die guten Zeiten wird aber eine stärkere Rückführung der Politik gefragt. Denn die Politik sitzt nun am Verhand- Neuverschuldung durch verschärfte Sparanstrengungen lungstisch als Arbeitgeber. oder Mehreinnahmen verlangt. Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Als möglichen Weg zu einer finanziellen Besserstel- Länder sind ein wichtiges Signal für die Lohnforderun- lung der Länder fordern die Antragsteller eine verän- gen der Beschäftigten in der privaten Wirtschaft. Die derte Aufteilung der Gemeinschaftssteuern. Lassen Sie mich zunächst unterstreichen, dass der Bund mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordert für die Tarif- Hartz-IV-Regelung die Kommunen deutlich entlastet beschäftigten der Länder 50 Euro Sockelbetrag plus hat. Der Bund nimmt ihnen ab 2012 in drei Schritten die 3 Prozent lineare Erhöhung. Die Laufzeit des neuen Ta- Kosten für die Grundsicherung im Alter ab, bis sie ab rifvertrages soll 14 Monate betragen, und das entspricht 2014 vollständig beim Bund liegen soll. Damit hat die einer Anhebung der Bezüge um 5 Prozent. Dies ent- schwarz-gelbe Bundesregierung bereits ein deutliches spricht laut Niedersachsens Finanzminister Hartmut Zeichen zur finanziellen Entlastung der Kommunen ge- Möllring, CDU, einem Mehrbedarf der Bundesländer setzt. von 4,5 Milliarden Euro jährlich. Die Bundesregierung ist daher gefordert, gesetzliche Vorschläge für die dau- Eine veränderte Verteilung der Gemeinschaftssteuern erhafte Verbesserung der finanziellen Ausstattung der hingegen ist nur möglich, wenn eine strukturelle Verän- Länder vorzulegen, zum Beispiel durch Veränderung der derung des Verhältnisses zwischen Ein- und Ausgaben Aufteilung der Gemeinschaftssteuern. von Bund und Ländern stattfindet. Eine regelmäßig so- wohl auf Länder- als auch auf Bundesebene stattfin- Die Länder müssen so in die Lage versetzt werden, ei- (B) dende Tarifrunde im öffentlichen Dienst erfüllt dieses nen erfolgreichen Tarifabschluss für die Angestellten im (D) Kriterium nicht. Die Tarifverhandlungen sind nicht auf öffentlichen Dienst der Länder zu gewährleisten. Das ist die Beseitigung struktureller Lohndefizite, sondern im gerecht: Feuerwehrleute, Polizisten, Lehrer und Richter Wesentlichen auf die Teilhabe am konjunkturellen Auf- leisten unverzichtbare und harte Arbeit für unsere Ge- schwung gerichtet. Außerdem würde eine Veränderung sellschaft. Sie arbeiten am Anschlag und pfeifen auf dem des Anteils an den Gemeinschaftssteuern das Ergebnis letzten Loch. Und es ist finanzierbar: Höhere Löhne sind der Verhandlungsrunde gewissermaßen vorwegnehmen: machbar, wenn die Bundesregierung ihre unsinnige Würden aufgrund der zu erwartenden Personalmehr- Steuerpolitik korrigiert. Durch die Änderungen der Steu- ausgaben Veränderungen im Verteilungsschlüssel be- ergesetze seit 1998 sind für die Länder jährlich Steuer- schlossen, so entstünde daraus der politische Druck, die einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe weggebro- „bereits finanzierten“ Forderungen der Gewerkschaft chen. Für das letzte Jahr beziffern Steuer- und Finanz- entsprechend zu erfüllen. Dies widerspräche aber so- experten die so entstandenen Mindereinnahmen auf wohl der Unabhängigkeit der Tarifpartner in den Ver- 25 Milliarden Euro. Durch die Auswirkungen des soge- handlungen als auch der Finanzhoheit der Länder und nannten Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom De- ihrer föderalen Unabhängigkeit vom Bund. Den vorlie- zember 2009 sind die Haushalte der Länder mit weiteren genden Antrag lehnen wir aus den genannten Gründen 2 Milliarden Euro belastet worden. Deutschland ist in ab. Europa Schlusslicht beim Anteil der Beschäftigten im öf- fentlichen Dienst. Selbst in den USA liegt er höher. Nur Michael Schlecht (DIE LINKE): im kleinen Luxemburg sind es noch weniger öffentliche Der zarte Aufschwung nach der schwersten Wirt- Beschäftigte im Vergleich zu allen Beschäftigten. Aber: schaftskrise seit 80 Jahren kommt bei der Mehrheit der In Luxemburg ist die Entlohnung besser. Menschen nicht an. Die Bevölkerungsmehrheit hat für die Krise gezahlt, aber die Beschäftigten haben nichts Diese Entwicklung muss umgekehrt werden, und hier vom Aufschwung. Auch die Bundesregierung weiß, dass liegt die Verantwortung der Bundesregierung. Wer den dies nicht lange gut gehen kann. Der Export wird die Aufschwung durch höhere Löhne sichern und gute öf- deutsche Wirtschaft nicht auf Dauer tragen, weil in ganz fentliche Dienste für die Bevölkerung will, muss die Europa Kürzungspakte gegen die Bevölkerungsmehrheit Lohnforderungen von Verdi unterstützen. Dazu müssen anstehen. Wenn unsere Handelspartner aber sparen, den Ländern die erforderlichen finanziellen Mittel be- werden unsere Unternehmen nicht dauerhaft vom Aus- reitgestellt werden. Wer es ernst meint mit der Forde- landsgeschäft leben können. Selbst die Bundesregierung rung von Herrn Brüderle nach höheren Löhnen, der streitet dies nicht länger ab. Der Wirtschaftsminister hat sollte den Antrag meiner Fraktion unterstützen.

Zu Protokoll gegebene Reden 10652 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): BA-Haushalts in gleicher Höhe gegenüber. Damit wird (C) Heute morgen meldete das Statistische Bundesamt die Handlungsfähigkeit dieser zentralen Sozialversiche- das staatliche Finanzierungsdefizit Deutschlands im rung infrage gestellt. Die Wirtschafts- und Finanzkrise Jahr 2010: 82 Milliarden Euro. Aufgeteilt auf die staat- haben wir auf dem Arbeitsmarkt so gut überstanden, lichen Ebenen betrugen die Defizite des Bundes weil die BA eine Rücklage in Höhe von deutlich über 57,9 Milliarden Euro, der Länder 17,2 Milliarden Euro 10 Milliarden Euro hatte und so die Kurzarbeit erfolg- und der Gemeinden 10 Milliarden Euro. Wenn man sol- reich finanziert werden konnte. Jetzt steckt in der BA che Zahlen betrachtet, dann ist es ausgesprochen unver- schon ein Milliardendefizit, das sich durch diese Ent- ständlich, wenn aus den Reihen der Koalition schon wie- scheidung im Vermittlungsausschuss heftig verschärft. der Steuersenkungspläne für 2013 geäußert werden. Da Die BA selbst rechnet bis 2015 mit einem Defizit von wird so lange mit dem Feuer gespielt, bis unser Gemein- knapp 10 Milliarden Euro – bei einem unterstellten, kon- wesen vollständig abgebrannt ist. Schon jetzt beträgt die stant guten Konjunkturverlauf. staatliche Verschuldung fast 2 Billionen Euro. Wir müssen in der Haushalts- und Finanzpolitik drin- Daher ist das Anliegen richtig, die finanzielle Aus- gend umsteuern. Dies muss sich konkret in der Ausga- stattung der Länder zu verbessern. Eine Veränderung ben- und Einnahmenstruktur auf allen Ebenen wider- der Aufteilung der Gemeinschaftsteuern halte ich aber spiegeln. Wichtige Zukunftsaufgaben müssen finanziert nicht für den richtigen Weg. Wir haben für eine bessere werden, gleichzeitig aber müssen die Gesamtausgaben finanzielle Ausstattung aller staatlichen Ebenen in unse- maßvoll bleiben. Das ist der Anspruch, den die Bürge- rem Haushaltskonzept einen Weg vorgelegt: Durch den rinnen und Bürger zu Recht an die Politik stellen. Steu- Abbau von Subventionen und durch selektive Steuerer- ersenkungen sind darauf keine Antwort; sie würden die höhungen für diejenigen mit starken Schultern könnten bereits dramatische Lage der Staatsfinanzen weiter ver- wir auch Länder und Kommunen entscheidend entlas- schärfen. ten. Mit dem im Vermittlungsausschuss zu den Hartz- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Reformen ausgehandelten Kompromiss zur Übernahme Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der der Kosten für die Grundsicherung im Alter wird auf den Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4841. Wer ersten Blick zumindest die Finanzsituation der Kommu- stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer nen verbessert. Ab 2015 sollen diese Kosten nach dem enthält sich? – Der Antrag ist gegen die Stimmen der vorliegenden Vorschlag ausschließlich vom Bund getra- Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller anderen Frak- gen werden. Grundsätzlich ist es auch nicht verkehrt, tionen abgelehnt. wenn der Bund die Kosten der Grundsicherung im Alter (B) (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Schon (D) von den Kommunen übernimmt. Aber der jetzt verein- wieder knapp!) barte Kompromiss ist ein Geschäft zulasten Dritter, nämlich zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- mer, aber auch zulasten der Unternehmen, die ja paritä- ordnung. tische Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahlen. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- Derzeit wenden die Kommunen für die Grundsiche- destages auf morgen, Freitag, den 25. Februar 2011, rung im Alter rund 3,5 Milliarden Euro auf – mit stark 9 Uhr, ein. steigender Tendenz. Der Bund beziffert die Entlastung Die Sitzung ist geschlossen. der Kommunen bis 2015 auf 12,24 Milliarden Euro netto. Dieser Nettoentlastung steht eine Belastung des (Schluss: 23.00 Uhr) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10653

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Barnett, Doris SPD 24.02.2011* Dr. Ott, Hermann BÜNDNIS 90/ 24.02.2011 DIE GRÜNEN Binder, Karin DIE LINKE 24.02.2011 Dr. Röttgen, Norbert CDU/CSU 24.02.2011 Burgbacher, Ernst FDP 24.02.2011 Schieder (Schwandorf), SPD 24.02.2011 von Cramon-Taubadel, BÜNDNIS 90/ 24.02.2011* Marianne Viola DIE GRÜNEN Schlecht, Michael DIE LINKE 24.02.2011 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 24.02.2011 Schmidt (Eisleben), SPD 24.02.2011 Daub, Helga FDP 24.02.2011 Silvia

Dr. Djir-Sarai, Bijan FDP 24.02.2011* Schmidt (Bochum), BÜNDNIS 90/ 24.02.2011 Frithjof DIE GRÜNEN Ernst, Klaus DIE LINKE 24,02.2011 Scholz, Olaf SPD 24.02.2011 Ernstberger, Petra SPD 24.02.2011 Steinke, Kersten DIE LINKE 24.02.2011 Friedhoff, Paul K. FDP 24.02.2011 Wellmann, Karl-Georg CDU/CSU 24.02,2011* Golombeck, Heinz FDP 24.02.2011 (B) Dr. Westerwelle, Guido FDP 24.02,2011 (D) Groschek, Michael SPD 24.02.2011* Zapf, Uta SPD 24.02.2011* Dr. Höll, Barbara DIE LINKE 24.02.2011 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 24.02.2011 Hörster, Joachim CDU/CSU 24.02.2011*

Karl, Alois CDU/CSU 24.02.2011* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der OSZE Klimke, Jürgen CDU/CSU 24.02.2011*

Kretschmer, Michael CDU/CSU 24.02.2011 Anlage 2

Liebich, Stefan DIE LINKE 24.02.2011* Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Wolfgang Tiefensee (SPD) Lindner, Christian FDP 24.02.2011 zur namentlichen Abstimmung über die 19 An- Lutze, Thomas DIE LINKE 24.02.2011 träge der Fraktion Die Linke zu Korrekturen bei der Überleitung der Alterssicherungen der Dr. de Maizière, Thomas CDU/CSU 24.02.2011 DDR in das bundesdeutsche Recht (Tagesord- nungspunkt 5) Meierhofer, Horst FDP 24.02.2011 Ich stelle fest, dass meine Enthaltungen bedeuten, dass ich es weiterhin für dringend geboten halte, in der Meinhardt, Patrick FDP 24.02.2011 Thematik der Beseitigung der renten- und versorgungs- Merkel (Berlin), Petra SPD 24.02.2011 rechtlichen Nachteile verschiedener Berufs- und Perso- nengruppen in der ehemaligen DDR nach Lösungen zu Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/ 24.02.2011 suchen, ich teile aber ausdrücklich die Lösungsansätze DIE GRÜNEN der Antragsteller nicht. Im Übrigen schließe ich mich dem folgenden Forde- Niebel, Dirk FDP 24.02.2011 rungskatalog der ostdeutschen Bundestagsabgeordneten an. 10654 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Wir fordern einen Fahrplan für die Vereinheitlichung deswehr, die mit DDR-Beschäftigungszeiten nach vor- (C) der Rentensysteme. Darüber hinaus fordern wir, dass heriger Überprüfung durch die Bundesbehörde für Stasi- alle sonstigen Sachverhalte in einem „Rentenüberlei- Unterlagen ihre Tätigkeit in der Bundesrepublik tungsabschlussgesetz“ geregelt werden. Hierfür haben Deutschland fortgesetzt haben. wir ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten einen Forderungskatalog beschlossen, der unter anderem fol- 8. Schließlich muss künftige Armutsvermeidung ein gende Punkte berücksichtigen muss: weiterer Schwerpunkt sein. Noch immer sind 40 Prozent der Ostdeutschen im unteren Lohnbereich angesiedelt. 1. Wir verlangen eine abschließende Regelung zur Deshalb fordern wir Regeln, die beschäftigungslose Zei- Vereinheitlichung der Rentensysteme in Ost und West. ten bzw. geringe Verdienste ab sofort und auch rückwir- Das Angleichungsgebot nach Art. 30 Abs. 5 Satz 3 des kend rentenrechtlich höher bewerten. Diese müssen aber Einigungsvertrages vom 31. August 1990 verlangt die im gesamten Bundesgebiet Anwendung finden: Angleichung der Renten in den alten und neuen Ländern und damit die Herstellung einheitlicher Lebensverhält- a) So sollen Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit künf- nisse für die Rentnerinnen und Rentner. tig als beitragsgeminderte Zeiten gewertet werden: Bei Versicherten, die bei Renteneintritt weniger als 30 Ent- 2. Wir orientieren uns bei der Umsetzung am Zeit- geltpunkte erworben haben, sollen Hartz-IV-Zeiten mit punkt des Auslaufens des Solidarpaktes II im Jahr 2019. dem Wert an Entgeltpunkten berücksichtigt werden, der Gleichzeitig kämpfen wir gemeinsam mit den Gewerk- dem durchschnittlichen Wert ihrer Beitragszeiten ent- schaften dafür, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Löhne spricht. Dabei soll eine Begrenzung auf 50 Prozent des und Gehälter angeglichen sind. Wir verlangen außerdem Durchschnittseinkommens erfolgen, sodass sie mit ma- die Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen ximal 0,5 Entgeltpunkten pro Jahr berücksichtigt wer- mit einem Anteil von Zahlungen an die Rentensysteme, den. Damit werden unter dem Strich die Zeiten in Ar- der Anwartschaften oberhalb des Niveaus der Grundsi- beitslosigkeit besser bewertet, ohne jedoch die bei- cherung im Alter begründet. tragsorientierte Rentensystematik – nach der die Renten 3. Sollte die Angleichung der Löhne bis zum Auslau- den Löhnen folgen – auszuhebeln. fen der Solidarpaktes II nicht vollständig vollzogen wor- b) Die Rente nach Mindestentgeltpunkten soll für den sein, fordern wir, dass per „Stichtag“ 1. Januar 2020 Beitragszeiten über das Jahr 1992 hinaus verlängert wer- bei der Rentenberechnung gleiche Rechengrößen gelten, den. Hintergrund ist, das diese Regelung nur bis zum die sich an den Westrechengrößen orientieren. Das heißt, 31. Dezember 1991 bestand. Niedrige Löhne aufgrund für alle Rentnerinnen und Rentner Deutschlands gilt von Teilzeit- bzw. Leiharbeit hat es aber – nicht nur in dann ein einheitlicher Rentenwert. Gleichzeitig wird für Ostdeutschland – vor allem ab Mitte der 90er-Jahre bis (B) die Berechnung der Rentenanwartschaft ein einheitliches in die heutige Zeit gegeben. Durch die Regelung würden (D) Durchschnittsentgelt zugrunde gelegt. auch ostdeutsche Versicherte nach Wegfall des Hoch- 4. Die Beitragsbemessungsgrenze Ost sollte an die wertungsfaktors Mindestentgeltpunkte für niedrige Bei- Beitragsbemessungsgrenze West angeglichen werden. tragszeiten erhalten, indem die Entgeltpunkte mit dem Pauschal bewertete Versicherungszeiten, beispielsweise Faktor 1,5 multipliziert werden. Eine Kappung soll er- für pflegende Angehörige sowie Erziehungs- und Wehr- folgen, wenn die Entgeltposition 75 Prozent des Durch- dienstzeiten, sollten ebenfalls mit einem einheitlichen schnittsverdienstes ausmacht. Rentenwert bewertet werden. 5. Zudem sollte die Bundesregierung prüfen, ob bei Anlage 3 der Schaffung eines einheitlichen gesamtdeutschen Ren- tenrechts ein teilweiser Ausgleich für weiterhin beste- Erklärung nach § 31 GO hende Einkommensdisparitäten geschaffen werden kann der Abgeordneten Iris Gleicke, Daniela Kolbe und soll. Dieser Ausgleich und die armutsvermeidenden (Leipzig), Steffen-Claudio Lemme, Andrea Leistungen sind als gesamtgesellschaftliche Aufgaben Wicklein, Sonja Steffen, Burkhard Lischka, An- nicht von den Beitragszahlern, sondern aus Steuermit- gelika Krüger-Leißner, Silvia Schmidt (Eisle- teln zu finanzieren. ben), Mechthild Rawert, Dr. Marlies Volkmer, 6. Wir fordern, die noch offenen Rentenüberleitungs- Wolfgang Gunkel, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), fragen endlich abschließend in einem „Rentenüberlei- Rüdiger Veit, Dr. h. c. Wolfgang Thierse und tungsabschlussgesetz“ zu klären. Dafür soll ein „Härte- Dagmar Ziegler (alle SPD) zur namentlichen fallfonds“ mit einem Budget von mindestens Abstimmung über die 19 Anträge der Fraktion 500 Millionen Euro jährlich aufgelegt werden, aus dem Die Linke zu Korrekturen bei der Überleitung Beziehern von Altersrenten, die nicht umfassend in das der Alterssicherungen der DDR in das bundes- AAÜG mit einbezogen wurden und auf Grundsicherung deutsche Recht (Tagesordnungspunkt 5) im Alter angewiesen sind, mit einer monatlichen Zu- Wir – die Unterzeichner dieser Erklärung – stellen schlagsrente geholfen wird. Dies wäre auch aus verfas- fest, dass unsere heutigen 13 Enthaltungen zu den unter sungsrechtlichen Gründen eine unbedenkliche Alterna- Tagesordnungspunkt 5 a) stattfindenden namentlichen tive. Abstimmungen nicht bedeuten, dass die beantragten 7. Wir fordern darüber hinaus die Angleichung der Sachverhalte gänzlich falsch sind; jedoch teilen wir de- Zuverdienstgrenzen für ehemalige Angehörige der Bun- ren Lösungsansätze nicht. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10655

(A) Wir stimmen dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/ sungsrechtlichen Gründen eine unbedenkliche Alterna- (C) Die Grünen zu, die zur Erarbeitung einer sachgerechten tive. Lösung für die DDR-Geschiedenen eine Bund-Länder- Arbeitsgruppe einrichten wollen. 7. Wir fordern darüber hinaus die Angleichung der Zuverdienstgrenzen für ehemalige Angehörige der Bun- Wir fordern einen Fahrplan für die Vereinheitlichung deswehr, die mit DDR-Beschäftigungszeiten nach vorheri- der Rentensysteme. Darüber hinaus fordern wir, dass ger Überprüfung durch die Bundesbehörde für Stasi-Un- alle sonstigen Sachverhalte in einem „Rentenüberlei- terlagen ihre Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland tungsabschlussgesetz“ geregelt werden. Hierfür haben fortgesetzt haben. wir ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten einen Forderungskatalog beschlossen, der unter anderem fol- 8. Schließlich muss künftige Armutsvermeidung ein gende Punkte berücksichtigen muss: weiterer Schwerpunkt sein. Noch immer sind 40 Prozent der Ostdeutschen im unteren Lohnbereich angesiedelt. 1. Wir verlangen eine abschließende Regelung zur Deshalb fordern wir Regeln, die beschäftigungslose Zei- Vereinheitlichung der Rentensysteme in Ost und West. ten bzw. geringe Verdienste ab sofort und auch rückwir- Das Angleichungsgebot nach Art. 30 Abs. 5 Satz 3 des kend rentenrechtlich höher bewerten. Diese müssen aber Einigungsvertrages vom 31. August 1990 verlangt die im gesamten Bundesgebiet Anwendung finden: Angleichung der Renten in den alten und neuen Ländern und damit die Herstellung einheitlicher Lebensverhält- a) So sollen Zeiten der Langzeitarbeitslosigkeit künf- nisse für die Rentnerinnen und Rentner. tig als beitragsgeminderte Zeiten gewertet werden: Bei Versicherten, die bei Renteneintritt weniger als 30 Ent- 2. Wir orientieren uns bei der Umsetzung am Zeit- geltpunkte erworben haben, sollen Hartz-IV-Zeiten mit punkt des Auslaufens des Solidarpaktes II im Jahr 2019. dem Wert an Entgeltpunkten berücksichtigt werden, der Gleichzeitig kämpfen wir gemeinsam mit den Gewerk- dem durchschnittlichen Wert ihrer Beitragszeiten ent- schaften dafür, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Löhne spricht. Dabei soll eine Begrenzung auf 50 Prozent des und Gehälter angeglichen sind. Wir verlangen außerdem Durchschnittseinkommens erfolgen, sodass sie mit ma- die Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen ximal 0,5 Entgeltpunkten pro Jahr berücksichtigt wer- mit einem Anteil von Zahlungen an die Rentensysteme, den. Damit werden unter dem Strich die Zeiten in Ar- der Anwartschaften oberhalb des Niveaus der Grundsi- beitslosigkeit besser bewertet, ohne jedoch die cherung im Alter begründet. beitragsorientierte Rentensystematik – nach der die Ren- 3. Sollte die Angleichung der Löhne bis zum Auslau- ten den Löhnen folgen – auszuhebeln. fen der Solidarpaktes II nicht vollständig vollzogen wor- b) Die Rente nach Mindestentgeltpunkten soll für den sein, fordern wir, dass per „Stichtag“ 1. Januar 2020 (B) Beitragszeiten über das Jahr 1992 hinaus verlängert wer- (D) bei der Rentenberechnung gleiche Rechengrößen gelten, den. Hintergrund ist, das diese Regelung nur bis zum die sich an den Westrechengrößen orientieren. Das heißt, 31. Dezember 1991 bestand. Niedrige Löhne aufgrund für alle Rentnerinnen und Rentner Deutschlands gilt von Teilzeit- bzw. Leiharbeit hat es aber – nicht nur in dann ein einheitlicher Rentenwert. Gleichzeitig wird für Ostdeutschland – vor allem ab Mitte der 90er-Jahre bis die Berechnung der Rentenanwartschaft ein einheitliches in die heutige Zeit gegeben. Durch die Regelung würden Durchschnittsentgelt zugrunde gelegt. auch ostdeutsche Versicherte nach Wegfall des Hoch- 4. Die Beitragsbemessungsgrenze Ost sollte an die wertungsfaktors Mindestentgeltpunkte für niedrige Bei- Beitragsbemessungsgrenze West angeglichen werden. tragszeiten erhalten, indem die Entgeltpunkte mit dem Pauschal bewertete Versicherungszeiten (beispielsweise Faktor 1,5 multipliziert werden. Eine Kappung soll er- für pflegende Angehörige sowie Erziehungs- und Wehr- folgen, wenn die Entgeltposition 75 Prozent des Durch- dienstzeiten) sollten ebenfalls mit einem einheitlichen schnittsverdienstes ausmacht. Rentenwert bewertet werden. 5. Zudem sollte die Bundesregierung prüfen, ob bei der Schaffung eines einheitlichen gesamtdeutschen Ren- Anlage 4 tenrechts ein teilweiser Ausgleich für weiterhin beste- Erklärung nach § 31 GO hende Einkommensdisparitäten geschaffen werden kann und soll. Dieser Ausgleich und die armutsvermeidenden des Abgeordneten Rolf Schwanitz (SPD) zur na- Leistungen sind als gesamtgesellschaftliche Aufgaben mentlichen Abstimmung über die 19 Anträge nicht von den Beitragszahlern, sondern aus Steuermit- der Fraktion Die Linke zu Korrekturen bei der teln zu finanzieren. Überleitung der Alterssicherungen der DDR in das bundesdeutsche Recht sowie über die Be- 6. Wir fordern, die noch offenen Rentenüberleitungs- schlussempfehlung zu dem Antrag der Fraktion fragen endlich abschließend in einem „Rentenüber- Bündnis 90/Die Grünen: Verbesserung der Ver- leitungsabschlussgesetz“ zu klären. Dafür soll ein „Här- sorgung der im Beitrittsgebiet vor dem 1. Ja- tefallfonds“ mit einem Budget von mindestens nuar 1992 Geschiedenen (Tagesordnungspunkt 5) 500 Millionen Euro jährlich aufgelegt werden, aus dem Beziehern von Altersrenten, die nicht umfassend in das Die hier vorliegenden Anträge wurden in den meisten AAÜG mit einbezogen wurden und auf Grundsicherung Fällen auch schon in früheren Legislaturperioden des im Alter angewiesen sind, mit einer monatlichen Zu- Deutschen Bundestages eingebracht, fachlich beraten schlagsrente geholfen wird. Dies wäre auch aus verfas- und von der Mehrheit des Parlaments abgelehnt. Meine 10656 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) fachliche Bewertung dieser Anträge richtet sich nicht da- Reichsbahn der DDR, bei der Alterssicherung für Ange- (C) nach, ob ich Mitglied einer Koalition bin oder der Oppo- hörige der Deutschen Post der DDR und beim fehlenden sition angehöre. Deshalb gibt es zwischen meinem Anspruch auf Hinterbliebenenrente für bis zum 31. De- Stimmverhalten in der 16. und in der 17. Legislaturpe- zember 1991 im Beitrittsgebiet Geschiedene ergeben. riode des Deutschen Bundestages keinen Unterschied. Deshalb habe ich mich bei den Anträgen 17/3882 und Neue inhaltliche Aspekte haben sich für mich lediglich 17/3883 der Stimme enthalten sowie dem Antrag 17/4195 bei der Alterssicherung für Angehörige der Deutschen zugestimmt.

Anlage 5 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Korrektur der Überleitung von DDR-Alterssicherungen in bun- desdeutsches Recht (Drucksachen 17/1631 und 17/4769 Buchstabe a) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Sabine Leidig Peter Aumer Alexander Funk Abgegebene Stimmen: 581; Ralph Lenkert Dorothee Bär Ingo Gädechens davon Michael Leutert Thomas Bareiß Dr. Thomas Gebhart Ulla Lötzer Norbert Barthle Norbert Geis ja: 70 Dr. Gesine Lötzsch Günter Baumann Alois Gerig nein: 501 Ulrich Maurer Ernst-Reinhard Beck Eberhard Gienger enthalten: 4 Dorothee Menzner (Reutlingen) Michael Glos ungültig: 6 Cornelia Möhring Manfred Behrens (Börde) Josef Göppel Kornelia Möller Veronika Bellmann Peter Götz Niema Movassat Dr. Christoph Bergner Dr. Wolfgang Götzer Ja Wolfgang Nešković Peter Beyer Ute Granold Thomas Nord Steffen Bilger Reinhard Grindel DIE LINKE Petra Pau (B) Clemens Binninger Hermann Gröhe (D) Jan van Aken Jens Petermann Peter Bleser Michael Grosse-Brömer Agnes Alpers Richard Pitterle Dr. Maria Böhmer Markus Grübel Yvonne Ploetz Dr. Dietmar Bartsch Wolfgang Börnsen Manfred Grund Ingrid Remmers Herbert Behrens (Bönstrup) Monika Grütters Paul Schäfer (Köln) Matthias W. Birkwald Wolfgang Bosbach Karl-Theodor Freiherr Dr. Ilja Seifert Heidrun Bluhm Norbert Brackmann Kathrin Senger-Schäfer zu Guttenberg Steffen Bockhahn Klaus Brähmig Olav Gutting Raju Sharma Michael Brand Christine Buchholz Dr. Petra Sitte Florian Hahn Dr. Reinhard Brandl Eva Bulling-Schröter Kersten Steinke Holger Haibach Helmut Brandt Dr. Martina Bunge Sabine Stüber Dr. Stephan Harbarth Roland Claus Alexander Süßmair Dr. Ralf Brauksiepe Jürgen Hardt Sevim Dağdelen Dr. Kirsten Tackmann Dr. Helge Braun Gerda Hasselfeldt Dr. Diether Dehm Frank Tempel Heike Brehmer Dr. Matthias Heider Heidrun Dittrich Dr. Axel Troost Ralph Brinkhaus Mechthild Heil Werner Dreibus Alexander Ulrich Cajus Caesar Ursula Heinen-Esser Dr. Dagmar Enkelmann Kathrin Vogler Gitta Connemann Frank Heinrich Wolfgang Gehrcke Johanna Voß Alexander Dobrindt Rudolf Henke Nicole Gohlke Halina Wawzyniak Thomas Dörflinger Michael Hennrich Diana Golze Harald Weinberg Dr. Thomas Feist Jürgen Herrmann Annette Groth Katrin Werner Enak Ferlemann Ansgar Heveling Dr. Gregor Gysi Jörn Wunderlich Ingrid Fischbach Ernst Hinsken Heike Hänsel Sabine Zimmermann Hartwig Fischer (Göttingen) Peter Hintze Dr. Rosemarie Hein Dirk Fischer (Hamburg) Christian Hirte Inge Höger BÜNDNIS 90/ Axel E. Fischer (Karlsruhe- Robert Hochbaum Andrej Hunko DIE GRÜNEN Land) Karl Holmeier Ulla Jelpke Daniela Wagner Dr. Maria Flachsbarth Franz-Josef Holzenkamp Dr. Lukrezia Jochimsen Klaus-Peter Flosbach Anette Hübinger Katja Kipping Herbert Frankenhauser Thomas Jarzombek Harald Koch Nein Dr. Hans-Peter Friedrich Dieter Jasper Jan Korte (Hof) Dr. Franz Josef Jung Jutta Krellmann CDU/CSU Michael Frieser Andreas Jung (Konstanz) Katrin Kunert Ilse Aigner Erich G. Fritz Dr. Egon Jüttner Caren Lay Peter Altmaier Hans-Joachim Fuchtel Bartholomäus Kalb Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10657

(A) Hans-Werner Kammer Eckhard Pols Elisabeth Winkelmeier- Dr. Bärbel Kofler (C) Steffen Kampeter Thomas Rachel Becker Daniela Kolbe (Leipzig) Bernhard Kaster Dr. Peter Ramsauer Dagmar Wöhrl Fritz Rudolf Körper Volker Kauder Eckhardt Rehberg Dr. Matthias Zimmer Anette Kramme Siegfried Kauder (Villingen- Katherina Reiche (Potsdam) Wolfgang Zöller Nicolette Kressl Schwenningen) Lothar Riebsamen Willi Zylajew Angelika Krüger-Leißner Dr. Stefan Kaufmann Josef Rief Ute Kumpf Roderich Kiesewetter Klaus Riegert SPD Christine Lambrecht Eckart von Klaeden Dr. Heinz Riesenhuber Ingrid Arndt-Brauer Christian Lange (Backnang) Ewa Klamt Johannes Röring Rainer Arnold Dr. Karl Lauterbach Volkm ar K le in Dr. Norbert Röttgen Heinz-Joachim Barchmann Steffen-Claudio Lemme Jürgen Klimke Dr. Christian Ruck Dr. Hans-Peter Bartels Burkhard Lischka Julia Klöckner Erwin Rüddel Klaus Barthel Gabriele Lösekrug-Möller Axel Knoerig Albert Rupprecht (Weiden) Sören Bartol Kirsten Lühmann Jens Koeppen Anita Schäfer (Saalstadt) Bärbel Bas Caren Marks Dr. Rolf Koschorrek Dr. Annette Schavan Sabine Bätzing-Lichtenthäler Katja Mast Hartmut Koschyk Dr. Andreas Scheuer Dirk Becker Hilde Mattheis Thomas Kossendey Karl Schiewerling Uwe Beckmeyer Ullrich Meßmer Gunther Krichbaum Norbert Schindler Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Matthias Miersch Dr. Günter Krings Tankred Schipanski Gerd Bollmann Franz Müntefering Bettina Kudla Georg Schirmbeck Klaus Brandner Dr. Rolf Mützenich Dr. Hermann Kues Christian Schmidt (Fürth) Willi Brase Dietmar Nietan Günter Lach Patrick Schnieder Bernhard Brinkmann Manfred Nink Dr. Karl A. Lamers Dr. Andreas Schockenhoff (Hildesheim) Thomas Oppermann (Heidelberg) Nadine Schön (St. Wendel) Edelgard Bulmahn Holger Ortel Andreas G. Lämmel Dr. Kristina Schröder Ulla Burchardt Aydan Özoğuz Dr. Norbert Lammert (Wiesbaden) Martin Burkert Heinz Paula Katharina Landgraf Dr. Ole Schröder Petra Crone Johannes Pflug Ulrich Lange Bernhard Schulte-Drüggelte Martin Dörmann Joachim Poß Dr. Max Lehmer Uwe Schummer Elvira Drobinski-Weiß Dr. Wilhelm Priesmeier Paul Lehrieder Armin Schuster (Weil am Garrelt Duin Florian Pronold Dr. Ursula von der Leyen Rhein) Sebastian Edathy Dr. Sascha Raabe Ingbert Liebing Detlef Seif Siegmund Ehrmann Mechthild Rawert Matthias Lietz Johannes Selle Karin Evers-Meyer Gerold Reichenbach (B) Dr. Carsten Linnemann Reinhold Sendker Elke Ferner Dr. Carola Reimann (D) Patricia Lips Dr. Patrick Sensburg Gabriele Fograscher Sönke Rix Dr. Jan-Marco Luczak Bernd Siebert Dr. Edgar Franke René Röspel Daniela Ludwig Johannes Singhammer Dagmar Freitag Dr. Ernst Dieter Rossmann Dr. Michael Luther Jens Spahn Peter Friedrich Karin Roth (Esslingen) Karin Maag Carola Stauche Michael Gerdes Michael Roth (Heringen) Hans-Georg von der Marwitz Dr. Frank Steffel Martin Gerster Marlene Rupprecht Andreas Mattfeldt Erika Steinbach Iris Gleicke (Tuchenbach) Stephan Mayer (Altötting) Christian Freiherr von Stetten Günter Gloser Axel Schäfer (Bochum) Dr. Michael Meister Dieter Stier Ulrike Gottschalck Bernd Scheelen Dr. Angela Merkel Gero Storjohann Angelika Graf (Rosenheim) Werner Schieder (Weiden) Maria Michalk Stephan Stracke Kerstin Griese Ulla Schmidt (Aachen) Dr. h. c. Hans Michelbach Max Straubinger Michael Groß Silvia Schmidt (Eisleben) Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Wolfgang Gunkel Carsten Schneider (Erfurt) Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) Hans-Joachim Hacker Ottmar Schreiner Dietrich Monstadt Lena Strothmann Bettina Hagedorn Swen Schulz (Spandau) Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Klaus Hagemann Ewald Schurer Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Michael Hartmann Dr. Martin Schwanholz Dr. Philipp Murmann Antje Tillmann (Wackernheim) Rolf Schwanitz Bernd Neumann (Bremen) Dr. Hans-Peter Uhl Hubertus Heil (Peine) Stefan Schwartze Michaela Noll Arnold Vaatz Rolf Hempelmann Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Dr. Barbara Hendricks Dr. Carsten Sieling Franz Obermeier Stefanie Vogelsang Gustav Herzog Sonja Steffen Eduard Oswald Andrea Astrid Voßhoff Gabriele Hiller-Ohm Peer Steinbrück Henning Otte Dr. Johann Wadephul Petra Hinz (Essen) Dr. Frank-Walter Steinmeier Dr. Michael Paul Marco Wanderwitz Frank Hofmann (Volkach) Christoph Strässer Rita Pawelski Kai Wegner Dr. Eva Högl Kerstin Tack Ulrich Petzold Marcus Weinberg (Hamburg) Christel Humme Dr. h. c. Wolfgang Thierse Dr. Joachim Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen) Josip Juratovic Franz Thönnes Sibylle Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Oliver Kaczmarek Wolfgang Tiefensee Beatrix Philipp Ingo Wellenreuther Johannes Kahrs Rüdiger Veit Ronald Pofalla Peter Wichtel Dr. h. c. Susanne Kastner Ute Vogt Christoph Poland Annette Widmann-Mauz Ulrich Kelber Dr. Marlies Volkmer Ruprecht Polenz Klaus-Peter Willsch Hans-Ulrich Klose Andrea Wicklein 10658 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Lutz Knopek Torsten Staffeldt Oliver Krischer (C) Dr. Dieter Wiefelspütz Pascal Kober Dr. Rainer Stinner Agnes Krumwiede Waltraud Wolff Dr. Heinrich L. Kolb Stephan Thomae Fritz Kuhn (Wolmirstedt) Gudrun Kopp Florian Toncar Stephan Kühn Dagmar Ziegler Dr. h. c. Jürgen Koppelin Serkan Tören Renate Künast Manfred Zöllmer Sebastian Körber Johannes Vogel Markus Kurth Brigitte Zypries Holger Krestel (Lüdenscheid) Undine Kurth (Quedlinburg) Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Daniel Volk Monika Lazar FDP Heinz Lanfermann Dr. Claudia Winterstein Agnes Malczak Sibylle Laurischk Dr. Volker Wissing Jerzy Montag Jens Ackermann Harald Leibrecht Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Kerstin Müller (Köln) Christian Ahrendt Sabine Leutheusser- Beate Müller-Gemmeke Christine Aschenberg- Schnarrenberger BÜNDNIS 90/ Dr. Konstantin von Notz Dugnus Lars Lindemann DIE GRÜNEN Omid Nouripour Daniel Bahr (Münster) Dr. Martin Lindner (Berlin) Friedrich Ostendorff Florian Bernschneider Michael Link (Heilbronn) Kerstin Andreae Lisa Paus Sebastian Blumenthal Dr. Erwin Lotter Marieluise Beck (Bremen) Brigitte Pothmer Claudia Bögel Oliver Luksic Volker Beck (Köln) Tabea Rößner Nicole Bracht-Bendt Gabriele Molitor Cornelia Behm Claudia Roth (Augsburg) Klaus Breil Jan Mücke Birgitt Bender Krista Sager Rainer Brüderle Petra Müller (Aachen) Alexander Bonde Manuel Sarrazin Angelika Brunkhorst Burkhardt Müller-Sönksen Ekin Deligöz Elisabeth Scharfenberg Marco Buschmann Dr. Martin Neumann Katja Dörner Christine Scheel Sylvia Canel (Lausitz) Hans-Josef Fell Dr. Gerhard Schick Reiner Deutschmann Hans-Joachim Otto Dr. Thomas Gambke Dorothea Steiner Patrick Döring (Frankfurt) Kai Gehring Dr. Wolfgang Strengmann- Mechthild Dyckmans Cornelia Pieper Katrin Göring-Eckardt Kuhn Rainer Erdel Gisela Piltz Britta Haßelmann Hans-Christian Ströbele Jörg van Essen Dr. Christiane Ratjen- Bettina Herlitzius Dr. Harald Terpe Ulrike Flach Damerau Winfried Hermann Markus Tressel Otto Fricke Dr. Birgit Reinemund Priska Hinz (Herborn) Jürgen Trittin Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Peter Röhlinger Ulrike Höfken Dr. Valerie Wilms Dr. Wolfgang Gerhardt Dr. Stefan Ruppert Dr. Anton Hofreiter Josef Philip Winkler Hans-Michael Goldmann Björn Sänger Bärbel Höhn Miriam Gruß Ingrid Hönlinger (B) Frank Schäffler Enthalten (D) Joachim Günther (Plauen) Christoph Schnurr Thilo Hoppe Dr. Christel Happach-Kasan Jimmy Schulz Uwe Kekeritz CDU/CSU Heinz-Peter Haustein Marina Schuster Katja Keul Manfred Kolbe Manuel Höferlin Dr. Erik Schweickert Memet Kilic Elke Hoff Werner Simmling Sven-Christian Kindler SPD Birgit Homburger Judith Skudelny Maria Anna Klein-Schmeink Dr. Werner Hoyer Dr. Hermann Otto Solms Ute Koczy Dr. Peter Danckert Heiner Kamp Joachim Spatz Tom Koenigs Anton Schaaf Michael Kauch Dr. Max Stadler Sylvia Kotting-Uhl Frank Schwabe

Anlage 6 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Alterseinkünfte für Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR (Drucksachen 17/3871 und 17/4769 Buchstabe b) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Ja Dr. Dietmar Bartsch Sevim Dağdelen Abgegebene Stimmen: 581; Herbert Behrens Dr. Diether Dehm davon FDP Matthias W. Birkwald Heidrun Dittrich Heidrun Bluhm Werner Dreibus ja: 70 Heinz-Peter Haustein Steffen Bockhahn Dr. Dagmar Enkelmann nein: 370 Christine Buchholz Wolfgang Gehrcke DIE LINKE enthalten: 135 Eva Bulling-Schröter Nicole Gohlke ungültig: 6 Jan van Aken Dr. Martina Bunge Diana Golze Agnes Alpers Roland Claus Annette Groth Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10659

(A) Dr. Gregor Gysi Peter Bleser Christian Hirte Eduard Oswald (C) Heike Hänsel Dr. Maria Böhmer Robert Hochbaum Henning Otte Dr. Rosemarie Hein Wolfgang Börnsen Karl Holmeier Dr. Michael Paul Inge Höger (Bönstrup) Franz-Josef Holzenkamp Rita Pawelski Andrej Hunko Wolfgang Bosbach Anette Hübinger Ulrich Petzold Ulla Jelpke Norbert Brackmann Thomas Jarzombek Dr. Joachim Pfeiffer Dr. Lukrezia Jochimsen Klaus Brähmig Dieter Jasper Sibylle Pfeiffer Katja Kipping Michael Brand Dr. Franz Josef Jung Beatrix Philipp Harald Koch Dr. Reinhard Brandl Andreas Jung (Konstanz) Ronald Pofalla Jan Korte Helmut Brandt Dr. Egon Jüttner Christoph Poland Jutta Krellmann Dr. Ralf Brauksiepe Bartholomäus Kalb Ruprecht Polenz Katrin Kunert Dr. Helge Braun Hans-Werner Kammer Eckhard Pols Caren Lay Heike Brehmer Steffen Kampeter Thomas Rachel Sabine Leidig Ralph Brinkhaus Bernhard Kaster Dr. Peter Ramsauer Ralph Lenkert Cajus Caesar Volker Kauder Eckhardt Rehberg Michael Leutert Gitta Connemann Siegfried Kauder (Villingen- Katherina Reiche (Potsdam) Ulla Lötzer Alexander Dobrindt Schwenningen) Lothar Riebsamen Dr. Gesine Lötzsch Thomas Dörflinger Dr. Stefan Kaufmann Josef Rief Ulrich Maurer Dr. Thomas Feist Roderich Kiesewetter Klaus Riegert Dorothee Menzner Enak Ferlemann Eckart von Klaeden Dr. Heinz Riesenhuber Cornelia Möhring Ingrid Fischbach Ewa Klamt Johannes Röring Kornelia Möller Hartwig Fischer (Göttingen) Volkmar Klein Dr. Norbert Röttgen Niema Movassat Dirk Fischer (Hamburg) Jürgen Klimke Dr. Christian Ruck Wolfgang Nešković Axel E. Fischer (Karlsruhe- Julia Klöckner Erwin Rüddel Thomas Nord Land) Axel Knoerig Albert Rupprecht (Weiden) Petra Pau Dr. Maria Flachsbarth Jens Koeppen Anita Schäfer (Saalstadt) Jens Petermann Klaus-Peter Flosbach Dr. Rolf Koschorrek Dr. Annette Schavan Richard Pitterle Herbert Frankenhauser Hartmut Koschyk Dr. Andreas Scheuer Yvonne Ploetz Dr. Hans-Peter Friedrich Thomas Kossendey Karl Schiewerling Ingrid Remmers (Hof) Gunther Krichbaum Norbert Schindler Paul Schäfer (Köln) Michael Frieser Dr. Günter Krings Tankred Schipanski Dr. Ilja Seifert Erich G. Fritz Bettina Kudla Georg Schirmbeck Kathrin Senger-Schäfer Hans-Joachim Fuchtel Dr. Hermann Kues Christian Schmidt (Fürth) Raju Sharma Alexander Funk Günter Lach Patrick Schnieder Dr. Petra Sitte Ingo Gädechens Dr. Karl A. Lamers Dr. Andreas Schockenhoff (B) Kersten Steinke (D) Dr. Thomas Gebhart (Heidelberg) Nadine Schön (St. Wendel) Sabine Stüber Norbert Geis Andreas G. Lämmel Dr. Kristina Schröder Alexander Süßmair Alois Gerig Dr. Norbert Lammert (Wiesbaden) Dr. Kirsten Tackmann Eberhard Gienger Katharina Landgraf Dr. Ole Schröder Frank Tempel Michael Glos Ulrich Lange Dr. Axel Troost Bernhard Schulte-Drüggelte Josef Göppel Dr. Max Lehmer Alexander Ulrich Uwe Schummer Peter Götz Kathrin Vogler Paul Lehrieder Armin Schuster (Weil am Johanna Voß Dr. Wolfgang Götzer Dr. Ursula von der Leyen Rhein) Halina Wawzyniak Ute Granold Ingbert Liebing Detlef Seif Harald Weinberg Reinhard Grindel Matthias Lietz Johannes Selle Katrin Werner Hermann Gröhe Dr. Carsten Linnemann Reinhold Sendker Jörn Wunderlich Michael Grosse-Brömer Patricia Lips Dr. Patrick Sensburg Sabine Zimmermann Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Bernd Siebert Manfred Grund Daniela Ludwig Johannes Singhammer Monika Grütters Dr. Michael Luther Jens Spahn Nein Karl-Theodor Freiherr Karin Maag Carola Stauche zu Guttenberg Hans-Georg von der Marwitz Dr. Frank Steffel CDU/CSU Olav Gutting Andreas Mattfeldt Erika Steinbach Ilse Aigner Florian Hahn Stephan Mayer (Altötting) Christian Freiherr von Stetten Peter Altmaier Holger Haibach Dr. Michael Meister Dieter Stier Peter Aumer Dr. Stephan Harbarth Dr. Angela Merkel Gero Storjohann Dorothee Bär Jürgen Hardt Maria Michalk Stephan Stracke Thomas Bareiß Gerda Hasselfeldt Dr. h. c. Hans Michelbach Max Straubinger Norbert Barthle Dr. Matthias Heider Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Günter Baumann Mechthild Heil Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) Ernst-Reinhard Beck Ursula Heinen-Esser Dietrich Monstadt Lena Strothmann (Reutlingen) Frank Heinrich Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Manfred Behrens (Börde) Rudolf Henke Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Veronika Bellmann Michael Hennrich Dr. Philipp Murmann Antje Tillmann Dr. Christoph Bergner Jürgen Herrmann Bernd Neumann (Bremen) Dr. Hans-Peter Uhl Peter Beyer Ansgar Heveling Michaela Noll Arnold Vaatz Steffen Bilger Ernst Hinsken Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Clemens Binninger Peter Hintze Franz Obermeier Stefanie Vogelsang 10660 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Andrea Astrid Voßhoff Sabine Leutheusser- Uwe Kekeritz Petra Crone (C) Dr. Johann Wadephul Schnarrenberger Katja Keul Dr. Peter Danckert Marco Wanderwitz Lars Lindemann Memet Kilic Martin Dörmann Kai Wegner Dr. Martin Lindner (Berlin) Sven-Christian Kindler Elvira Drobinski-Weiß Marcus Weinberg (Hamburg) Michael Link (Heilbronn) Maria Anna Klein-Schmeink Garrelt Duin Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Erwin Lotter Ute Koczy Sebastian Edathy Sabine Weiss (Wesel I) Oliver Luksic Tom Koenigs Siegmund Ehrmann Ingo Wellenreuther Gabriele Molitor Sylvia Kotting-Uhl Karin Evers-Meyer Peter Wichtel Jan Mücke Oliver Krischer Elke Ferner Annette Widmann-Mauz Petra Müller (Aachen) Agnes Krumwiede Gabriele Fograscher Klaus-Peter Willsch Burkhardt Müller-Sönksen Fritz Kuhn Dr. Edgar Franke Elisabeth Winkelmeier- Dr. Martin Neumann Stephan Kühn Dagmar Freitag Becker (Lausitz) Renate Künast Peter Friedrich Dagmar Wöhrl Hans-Joachim Otto Markus Kurth Michael Gerdes Dr. Matthias Zimmer (Frankfurt) Undine Kurth (Quedlinburg) Martin Gerster Wolfgang Zöller Cornelia Pieper Agnes Malczak Iris Gleicke Willi Zylajew Gisela Piltz Jerzy Montag Günter Gloser Dr. Christiane Ratjen- Kerstin Müller (Köln) Ulrike Gottschalck SPD Damerau Beate Müller-Gemmeke Angelika Graf (Rosenheim) Dr. Birgit Reinemund Dr. Konstantin von Notz Kerstin Griese Rolf Schwanitz Dr. Peter Röhlinger Omid Nouripour Michael Groß Dr. Stefan Ruppert Friedrich Ostendorff Wolfgang Gunkel FDP Björn Sänger Lisa Paus Hans-Joachim Hacker Frank Schäffler Jens Ackermann Brigitte Pothmer Bettina Hagedorn Christoph Schnurr Christian Ahrendt Tabea Rößner Klaus Hagemann Jimmy Schulz Christine Aschenberg- Claudia Roth (Augsburg) Michael Hartmann Marina Schuster Dugnus Krista Sager (Wackernheim) Dr. Erik Schweickert Daniel Bahr (Münster) Manuel Sarrazin Hubertus Heil (Peine) Werner Simmling Elisabeth Scharfenberg Florian Bernschneider Rolf Hempelmann Judith Skudelny Christine Scheel Sebastian Blumenthal Dr. Barbara Hendricks Dr. Hermann Otto Solms Dr. Gerhard Schick Claudia Bögel Gustav Herzog Joachim Spatz Dorothea Steiner Nicole Bracht-Bendt Gabriele Hiller-Ohm Dr. Max Stadler Dr. Wolfgang Strengmann- Klaus Breil Petra Hinz (Essen) Torsten Staffeldt Kuhn Frank Hofmann (Volkach) Rainer Brüderle Dr. Rainer Stinner Hans-Christian Ströbele (B) Angelika Brunkhorst Dr. Eva Högl (D) Stephan Thomae Dr. Harald Terpe Christel Humme Marco Buschmann Florian Toncar Markus Tressel Josip Juratovic Sylvia Canel Serkan Tören Jürgen Trittin Oliver Kaczmarek Reiner Deutschmann Johannes Vogel Daniela Wagner Johannes Kahrs Patrick Döring (Lüdenscheid) Dr. Valerie Wilms Dr. h. c. Susanne Kastner Mechthild Dyckmans Dr. Daniel Volk Josef Philip Winkler Ulrich Kelber Rainer Erdel Dr. Claudia Winterstein Hans-Ulrich Klose Jörg van Essen Dr. Volker Wissing Enthalten Dr. Bärbel Kofler Ulrike Flach Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Daniela Kolbe (Leipzig) Otto Fricke CDU/CSU Fritz Rudolf Körper Dr. Edmund Peter Geisen BÜNDNIS 90/ Anette Kramme Dr. Wolfgang Gerhardt DIE GRÜNEN Manfred Kolbe Nicolette Kressl Hans-Michael Goldmann Kerstin Andreae Angelika Krüger-Leißner Miriam Gruß SPD Marieluise Beck (Bremen) Ute Kumpf Joachim Günther (Plauen) Volker Beck (Köln) Ingrid Arndt-Brauer Christine Lambrecht Dr. Christel Happach-Kasan Cornelia Behm Rainer Arnold Christian Lange (Backnang) Manuel Höferlin Birgitt Bender Heinz-Joachim Barchmann Dr. Karl Lauterbach Elke Hoff Alexander Bonde Dr. Hans-Peter Bartels Steffen-Claudio Lemme Birgit Homburger Ekin Deligöz Klaus Barthel Burkhard Lischka Dr. Werner Hoyer Katja Dörner Sören Bartol Gabriele Lösekrug-Möller Heiner Kamp Hans-Josef Fell Bärbel Bas Kirsten Lühmann Michael Kauch Dr. Thomas Gambke Sabine Bätzing-Lichtenthäler Caren Marks Dr. Lutz Knopek Kai Gehring Dirk Becker Katja Mast Pascal Kober Katrin Göring-Eckardt Uwe Beckmeyer Hilde Mattheis Dr. Heinrich L. Kolb Britta Haßelmann Lothar Binding (Heidelberg) Ullrich Meßmer Gudrun Kopp Bettina Herlitzius Gerd Bollmann Dr. Matthias Miersch Dr. h. c. Jürgen Koppelin Winfried Hermann Klaus Brandner Franz Müntefering Sebastian Körber Priska Hinz (Herborn) Willi Brase Dr. Rolf Mützenich Holger Krestel Ulrike Höfken Bernhard Brinkmann Dietmar Nietan Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Anton Hofreiter (Hildesheim) Manfred Nink Heinz Lanfermann Bärbel Höhn Edelgard Bulmahn Thomas Oppermann Sibylle Laurischk Ingrid Hönlinger Ulla Burchardt Holger Ortel Harald Leibrecht Thilo Hoppe Martin Burkert Aydan Özoğuz Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10661

(A) Heinz Paula Marlene Rupprecht Stefan Schwartze Andrea Wicklein (C) Johannes Pflug (Tuchenbach) Rita Schwarzelühr-Sutter Heidemarie Wieczorek-Zeul Joachim Poß Anton Schaaf Dr. Carsten Sieling Dr. Dieter Wiefelspütz Dr. Wilhelm Priesmeier Axel Schäfer (Bochum) Sonja Steffen Florian Pronold Bernd Scheelen Peer Steinbrück Waltraud Wolff Dr. Sascha Raabe Werner Schieder (Weiden) Dr. Frank-Walter Steinmeier (Wolmirstedt) Mechthild Rawert Ulla Schmidt (Aachen) Christoph Strässer Dagmar Ziegler Gerold Reichenbach Silvia Schmidt (Eisleben) Kerstin Tack Manfred Zöllmer Dr. Carola Reimann Carsten Schneider (Erfurt) Dr. h. c. Wolfgang Thierse Brigitte Zypries Sönke Rix Ottmar Schreiner Franz Thönnes René Röspel Swen Schulz (Spandau) Wolfgang Tiefensee BÜNDNIS 90/ Dr. Ernst Dieter Rossmann Ewald Schurer Rüdiger Veit DIE GRÜNEN Karin Roth (Esslingen) Frank Schwabe Ute Vogt Michael Roth (Heringen) Dr. Martin Schwanholz Dr. Marlies Volkmer Monika Lazar

Anlage 7 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Lösung für rentenrechtliche Situation von in der DDR Geschiedenen (Drucksachen 17/3872 und 17/4769 Buchstabe c) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Dr. Rosemarie Hein Alexander Ulrich Tom Koenigs Abgegebene Stimmen: 581; Inge Höger Kathrin Vogler Sylvia Kotting-Uhl davon Andrej Hunko Johanna Voß Oliver Krischer Ulla Jelpke Halina Wawzyniak ja: 132 Agnes Krumwiede Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Weinberg Fritz Kuhn (B) nein: 439 Katja Kipping (D) Katrin Werner Stephan Kühn enthalten: 4 Harald Koch Jörn Wunderlich Renate Künast ungültig: 6 Jan Korte Sabine Zimmermann Jutta Krellmann Markus Kurth Katrin Kunert BÜNDNIS 90/ Undine Kurth (Quedlinburg) Ja Caren Lay DIE GRÜNEN Monika Lazar Sabine Leidig Agnes Malczak SPD Ralph Lenkert Kerstin Andreae Jerzy Montag Marieluise Beck (Bremen) Hilde Mattheis Michael Leutert Kerstin Müller (Köln) Volker Beck (Köln) Ulla Lötzer Beate Müller-Gemmeke Cornelia Behm DIE LINKE Dr. Gesine Lötzsch Dr. Konstantin von Notz Ulrich Maurer Birgitt Bender Jan van Aken Alexander Bonde Omid Nouripour Dorothee Menzner Friedrich Ostendorff Agnes Alpers Cornelia Möhring Ekin Deligöz Lisa Paus Dr. Dietmar Bartsch Kornelia Möller Katja Dörner Herbert Behrens Niema Movassat Hans-Josef Fell Brigitte Pothmer Matthias W. Birkwald Wolfgang Nešković Dr. Thomas Gambke Tabea Rößner Heidrun Bluhm Thomas Nord Kai Gehring Claudia Roth (Augsburg) Steffen Bockhahn Petra Pau Katrin Göring-Eckardt Krista Sager Christine Buchholz Jens Petermann Britta Haßelmann Manuel Sarrazin Eva Bulling-Schröter Richard Pitterle Bettina Herlitzius Elisabeth Scharfenberg Dr. Martina Bunge Yvonne Ploetz Winfried Hermann Christine Scheel Roland Claus Ingrid Remmers Priska Hinz (Herborn) Dr. Gerhard Schick Sevim Dağdelen Paul Schäfer (Köln) Ulrike Höfken Dorothea Steiner Dr. Diether Dehm Dr. Anton Hofreiter Dr. Ilja Seifert Dr. Wolfgang Strengmann- Heidrun Dittrich Bärbel Höhn Kathrin Senger-Schäfer Kuhn Werner Dreibus Raju Sharma Ingrid Hönlinger Hans-Christian Ströbele Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Petra Sitte Thilo Hoppe Wolfgang Gehrcke Kersten Steinke Uwe Kekeritz Dr. Harald Terpe Nicole Gohlke Sabine Stüber Katja Keul Markus Tressel Diana Golze Alexander Süßmair Memet Kilic Jürgen Trittin Annette Groth Dr. Kirsten Tackmann Sven-Christian Kindler Daniela Wagner Dr. Gregor Gysi Frank Tempel Maria Anna Klein-Schmeink Dr. Valerie Wilms Heike Hänsel Dr. Axel Troost Ute Koczy Josef Philip Winkler 10662 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Nein Karl-Theodor Freiherr Karin Maag Carola Stauche (C) zu Guttenberg Hans-Georg von der Marwitz Dr. Frank Steffel CDU/CSU Olav Gutting Andreas Mattfeldt Erika Steinbach Florian Hahn Stephan Mayer (Altötting) Christian Freiherr von Stetten Ilse Aigner Holger Haibach Dr. Michael Meister Dieter Stier Peter Altmaier Dr. Stephan Harbarth Gero Storjohann Peter Aumer Dr. Angela Merkel Jürgen Hardt Stephan Stracke Dorothee Bär Maria Michalk Max Straubinger Thomas Bareiß Gerda Hasselfeldt Dr. h. c. Hans Michelbach Karin Strenz Norbert Barthle Dr. Matthias Heider Dr. Mathias Middelberg Thomas Strobl (Heilbronn) Günter Baumann Mechthild Heil Philipp Mißfelder Lena Strothmann Ernst-Reinhard Beck Ursula Heinen-Esser Dietrich Monstadt Michael Stübgen (Reutlingen) Frank Heinrich Dr. Gerd Müller Dr. Peter Tauber Manfred Behrens (Börde) Rudolf Henke Stefan Müller (Erlangen) Antje Tillmann Veronika Bellmann Michael Hennrich Dr. Philipp Murmann Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Christoph Bergner Jürgen Herrmann Bernd Neumann (Bremen) Arnold Vaatz Peter Beyer Ansgar Heveling Michaela Noll Volkmar Vogel (Kleinsaara) Steffen Bilger Ernst Hinsken Dr. Georg Nüßlein Stefanie Vogelsang Clemens Binninger Peter Hintze Franz Obermeier Andrea Astrid Voßhoff Peter Bleser Christian Hirte Eduard Oswald Dr. Johann Wadephul Dr. Maria Böhmer Robert Hochbaum Henning Otte Marco Wanderwitz Wolfgang Börnsen Karl Holmeier Dr. Michael Paul Kai Wegner (Bönstrup) Franz-Josef Holzenkamp Rita Pawelski Marcus Weinberg (Hamburg) Wolfgang Bosbach Anette Hübinger Ulrich Petzold Peter Weiß (Emmendingen) Norbert Brackmann Thomas Jarzombek Dr. Joachim Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Klaus Brähmig Dieter Jasper Sibylle Pfeiffer Ingo Wellenreuther Michael Brand Dr. Franz Josef Jung Beatrix Philipp Peter Wichtel Dr. Reinhard Brandl Andreas Jung (Konstanz) Ronald Pofalla Annette Widmann-Mauz Helmut Brandt Dr. Egon Jüttner Christoph Poland Klaus-Peter Willsch Dr. Ralf Brauksiepe Bartholomäus Kalb Ruprecht Polenz Elisabeth Winkelmeier- Dr. Helge Braun Hans-Werner Kammer Eckhard Pols Becker Heike Brehmer Steffen Kampeter Thomas Rachel Dagmar Wöhrl Ralph Brinkhaus Bernhard Kaster Dr. Peter Ramsauer Dr. Matthias Zimmer Cajus Caesar Volker Kauder Eckhardt Rehberg Wolfgang Zöller Gitta Connemann Siegfried Kauder (Villingen- Katherina Reiche (Potsdam) Willi Zylajew (B) Alexander Dobrindt Schwenningen) Lothar Riebsamen (D) Thomas Dörflinger Dr. Stefan Kaufmann Josef Rief SPD Dr. Thomas Feist Roderich Kiesewetter Klaus Riegert Enak Ferlemann Eckart von Klaeden Dr. Heinz Riesenhuber Ingrid Arndt-Brauer Ingrid Fischbach Ewa Klamt Johannes Röring Rainer Arnold Hartwig Fischer (Göttingen) Volkmar Klein Dr. Norbert Röttgen Heinz-Joachim Barchmann Dirk Fischer (Hamburg) Jürgen Klimke Dr. Christian Ruck Dr. Hans-Peter Bartels Axel E. Fischer (Karlsruhe- Julia Klöckner Erwin Rüddel Klaus Barthel Land) Axel Knoerig Albert Rupprecht (Weiden) Sören Bartol Dr. Maria Flachsbarth Jens Koeppen Anita Schäfer (Saalstadt) Bärbel Bas Klaus-Peter Flosbach Dr. Rolf Koschorrek Dr. Annette Schavan Sabine Bätzing-Lichtenthäler Herbert Frankenhauser Hartmut Koschyk Dr. Andreas Scheuer Dirk Becker Dr. Hans-Peter Friedrich Thomas Kossendey Karl Schiewerling Uwe Beckmeyer (Hof) Gunther Krichbaum Norbert Schindler Lothar Binding (Heidelberg) Michael Frieser Dr. Günter Krings Tankred Schipanski Gerd Bollmann Erich G. Fritz Bettina Kudla Georg Schirmbeck Klaus Brandner Hans-Joachim Fuchtel Dr. Hermann Kues Christian Schmidt (Fürth) Willi Brase Alexander Funk Günter Lach Patrick Schnieder Bernhard Brinkmann Ingo Gädechens Dr. Karl A. Lamers Dr. Andreas Schockenhoff (Hildesheim) Dr. Thomas Gebhart (Heidelberg) Nadine Schön (St. Wendel) Edelgard Bulmahn Norbert Geis Andreas G. Lämmel Dr. Kristina Schröder Ulla Burchardt Alois Gerig Dr. Norbert Lammert (Wiesbaden) Martin Burkert Eberhard Gienger Katharina Landgraf Dr. Ole Schröder Petra Crone Michael Glos Ulrich Lange Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Peter Danckert Josef Göppel Dr. Max Lehmer Uwe Schummer Martin Dörmann Peter Götz Paul Lehrieder Armin Schuster (Weil am Elvira Drobinski-Weiß Dr. Wolfgang Götzer Dr. Ursula von der Leyen Rhein) Garrelt Duin Ute Granold Ingbert Liebing Detlef Seif Sebastian Edathy Reinhard Grindel Matthias Lietz Johannes Selle Siegmund Ehrmann Hermann Gröhe Dr. Carsten Linnemann Reinhold Sendker Karin Evers-Meyer Michael Grosse-Brömer Patricia Lips Dr. Patrick Sensburg Elke Ferner Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Bernd Siebert Gabriele Fograscher Manfred Grund Daniela Ludwig Johannes Singhammer Dr. Edgar Franke Monika Grütters Dr. Michael Luther Jens Spahn Dagmar Freitag Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10663

(A) Peter Friedrich Thomas Oppermann FDP Dr. Erwin Lotter (C) Michael Gerdes Holger Ortel Oliver Luksic Jens Ackermann Martin Gerster Aydan Özoğuz Christian Ahrendt Gabriele Molitor Iris Gleicke Heinz Paula Christine Aschenberg- Jan Mücke Günter Gloser Johannes Pflug Dugnus Petra Müller (Aachen) Ulrike Gottschalck Joachim Poß Daniel Bahr (Münster) Burkhardt Müller-Sönksen Angelika Graf (Rosenheim) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Bernschneider Dr. Martin Neumann Kerstin Griese Florian Pronold Sebastian Blumenthal (Lausitz) Michael Groß Dr. Sascha Raabe Hans-Joachim Otto Wolfgang Gunkel Claudia Bögel Mechthild Rawert Nicole Bracht-Bendt (Frankfurt) Hans-Joachim Hacker Gerold Reichenbach Cornelia Pieper Bettina Hagedorn Klaus Breil Dr. Carola Reimann Rainer Brüderle Gisela Piltz Klaus Hagemann Sönke Rix Dr. Christiane Ratjen- Michael Hartmann Angelika Brunkhorst René Röspel Marco Buschmann Damerau (Wackernheim) Dr. Ernst Dieter Rossmann Dr. Birgit Reinemund Hubertus Heil (Peine) Sylvia Canel Karin Roth (Esslingen) Dr. Peter Röhlinger Rolf Hempelmann Reiner Deutschmann Michael Roth (Heringen) Dr. Stefan Ruppert Dr. Barbara Hendricks Patrick Döring Marlene Rupprecht Mechthild Dyckmans Björn Sänger Gustav Herzog (Tuchenbach) Gabriele Hiller-Ohm Rainer Erdel Frank Schäffler Axel Schäfer (Bochum) Jörg van Essen Christoph Schnurr Petra Hinz (Essen) Bernd Scheelen Frank Hofmann (Volkach) Ulrike Flach Jimmy Schulz Werner Schieder (Weiden) Otto Fricke Marina Schuster Dr. Eva Högl Ulla Schmidt (Aachen) Christel Humme Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Erik Schweickert Silvia Schmidt (Eisleben) Josip Juratovic Dr. Wolfgang Gerhardt Werner Simmling Carsten Schneider (Erfurt) Oliver Kaczmarek Hans-Michael Goldmann Judith Skudelny Ottmar Schreiner Johannes Kahrs Miriam Gruß Dr. Hermann Otto Solms Swen Schulz (Spandau) Dr. h. c. Susanne Kastner Joachim Günther (Plauen) Joachim Spatz Ewald Schurer Ulrich Kelber Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Max Stadler Hans-Ulrich Klose Dr. Martin Schwanholz Heinz-Peter Haustein Torsten Staffeldt Rolf Schwanitz Dr. Bärbel Kofler Manuel Höferlin Dr. Rainer Stinner Stefan Schwartze Daniela Kolbe (Leipzig) Elke Hoff Stephan Thomae Rita Schwarzelühr-Sutter Fritz Rudolf Körper Birgit Homburger Florian Toncar Dr. Carsten Sieling Anette Kramme Dr. Werner Hoyer Serkan Tören Sonja Steffen Nicolette Kressl Heiner Kamp Johannes Vogel (B) Peer Steinbrück (D) Angelika Krüger-Leißner Michael Kauch (Lüdenscheid) Dr. Frank-Walter Steinmeier Ute Kumpf Dr. Lutz Knopek Dr. Daniel Volk Christoph Strässer Christine Lambrecht Pascal Kober Dr. Claudia Winterstein Kerstin Tack Christian Lange (Backnang) Dr. Heinrich L. Kolb Dr. Volker Wissing Dr. h. c. Wolfgang Thierse Gudrun Kopp Dr. Karl Lauterbach Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Steffen-Claudio Lemme Franz Thönnes Dr. h. c. Jürgen Koppelin Burkhard Lischka Rüdiger Veit Sebastian Körber Gabriele Lösekrug-Möller Ute Vogt Holger Krestel Enthalten Kirsten Lühmann Dr. Marlies Volkmer Patrick Kurth (Kyffhäuser) Caren Marks Andrea Wicklein Heinz Lanfermann CDU/CSU Heidemarie Wieczorek-Zeul Katja Mast Sibylle Laurischk Manfred Kolbe Ullrich Meßmer Dr. Dieter Wiefelspütz Harald Leibrecht Waltraud Wolff Dr. Matthias Miersch Sabine Leutheusser- SPD Franz Müntefering (Wolmirstedt) Schnarrenberger Dr. Rolf Mützenich Dagmar Ziegler Lars Lindemann Anton Schaaf Dietmar Nietan Manfred Zöllmer Dr. Martin Lindner (Berlin) Frank Schwabe Manfred Nink Brigitte Zypries Michael Link (Heilbronn) Wolfgang Tiefensee 10664 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Anlage 8 (C) Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Versorgungslösung für Ballettmitglieder in der DDR (Drucksachen 17/3873 und 17/4769 Buchstabe d) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Petra Pau Helmut Brandt Peter Hintze Abgegebene Stimmen: 580; Jens Petermann Dr. Ralf Brauksiepe Christian Hirte davon Richard Pitterle Dr. Helge Braun Robert Hochbaum Yvonne Ploetz Heike Brehmer Karl Holmeier ja: 71 Ingrid Remmers Ralph Brinkhaus Franz-Josef Holzenkamp nein: 309 Paul Schäfer (Köln) Cajus Caesar Anette Hübinger enthalten: 194 Dr. Ilja Seifert Gitta Connemann Thomas Jarzombek ungültig: 6 Kathrin Senger-Schäfer Alexander Dobrindt Dieter Jasper Raju Sharma Thomas Dörflinger Dr. Franz Josef Jung Dr. Petra Sitte Dr. Thomas Feist Andreas Jung (Konstanz) Ja Kersten Steinke Enak Ferlemann Dr. Egon Jüttner Sabine Stüber Ingrid Fischbach Bartholomäus Kalb DIE LINKE Alexander Süßmair Hartwig Fischer (Göttingen) Hans-Werner Kammer Jan van Aken Dr. Kirsten Tackmann Dirk Fischer (Hamburg) Steffen Kampeter Agnes Alpers Frank Tempel Axel E. Fischer (Karlsruhe- Bernhard Kaster Dr. Dietmar Bartsch Dr. Axel Troost Land) Volker Kauder Herbert Behrens Alexander Ulrich Dr. Maria Flachsbarth Siegfried Kauder (Villingen- Matthias W. Birkwald Kathrin Vogler Klaus-Peter Flosbach Schwenningen) Heidrun Bluhm Johanna Voß Herbert Frankenhauser Dr. Stefan Kaufmann Steffen Bockhahn Halina Wawzyniak Dr. Hans-Peter Friedrich Roderich Kiesewetter Christine Buchholz Harald Weinberg (Hof) Eckart von Klaeden Eva Bulling-Schröter Katrin Werner Michael Frieser Ewa Klamt Dr. Martina Bunge Jörn Wunderlich Erich G. Fritz Vo l k m a r K l e i n Roland Claus Sabine Zimmermann Hans-Joachim Fuchtel Jürgen Klimke (B) Sevim Dağdelen Alexander Funk Julia Klöckner (D) Dr. Diether Dehm BÜNDNIS 90/ Ingo Gädechens Axel Knoerig Heidrun Dittrich DIE GRÜNEN Dr. Thomas Gebhart Jens Koeppen Werner Dreibus Norbert Geis Dr. Rolf Koschorrek Monika Lazar Hartmut Koschyk Dr. Dagmar Enkelmann Hans-Christian Ströbele Alois Gerig Wolfgang Gehrcke Eberhard Gienger Thomas Kossendey Nicole Gohlke Michael Glos Gunther Krichbaum Diana Golze Nein Josef Göppel Dr. Günter Krings Annette Groth Peter Götz Bettina Kudla Dr. Gregor Gysi CDU/CSU Dr. Wolfgang Götzer Dr. Hermann Kues Günter Lach Heike Hänsel Ilse Aigner Ute Granold Dr. Karl A. Lamers Dr. Rosemarie Hein Peter Altmaier Reinhard Grindel Inge Höger Hermann Gröhe (Heidelberg) Peter Aumer Andreas G. Lämmel Andrej Hunko Dorothee Bär Michael Grosse-Brömer Ulla Jelpke Markus Grübel Dr. Norbert Lammert Thomas Bareiß Katharina Landgraf Dr. Lukrezia Jochimsen Manfred Grund Norbert Barthle Ulrich Lange Katja Kipping Monika Grütters Günter Baumann Dr. Max Lehmer Harald Koch Ernst-Reinhard Beck Karl-Theodor Freiherr Paul Lehrieder Jan Korte (Reutlingen) zu Guttenberg Dr. Ursula von der Leyen Jutta Krellmann Manfred Behrens (Börde) Olav Gutting Ingbert Liebing Katrin Kunert Veronika Bellmann Florian Hahn Matthias Lietz Caren Lay Dr. Christoph Bergner Holger Haibach Dr. Carsten Linnemann Sabine Leidig Peter Beyer Dr. Stephan Harbarth Patricia Lips Ralph Lenkert Steffen Bilger Jürgen Hardt Dr. Jan-Marco Luczak Michael Leutert Clemens Binninger Gerda Hasselfeldt Daniela Ludwig Ulla Lötzer Peter Bleser Dr. Matthias Heider Dr. Michael Luther Dr. Gesine Lötzsch Dr. Maria Böhmer Mechthild Heil Karin Maag Ulrich Maurer Wolfgang Börnsen Ursula Heinen-Esser Hans-Georg von der Marwitz Dorothee Menzner (Bönstrup) Frank Heinrich Andreas Mattfeldt Cornelia Möhring Wolfgang Bosbach Rudolf Henke Stephan Mayer (Altötting) Kornelia Möller Norbert Brackmann Michael Hennrich Dr. Michael Meister Niema Movassat Klaus Brähmig Jürgen Herrmann Dr. Angela Merkel Wolfgang Nešković Michael Brand Ansgar Heveling Maria Michalk Thomas Nord Dr. Reinhard Brandl Ernst Hinsken Dr. h. c. Hans Michelbach Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10665

(A) Dr. Mathias Middelberg Thomas Strobl (Heilbronn) Dr. Heinrich L. Kolb Sabine Bätzing-Lichtenthäler (C) Philipp Mißfelder Lena Strothmann Gudrun Kopp Dirk Becker Dietrich Monstadt Michael Stübgen Dr. h. c. Jürgen Koppelin Uwe Beckmeyer Dr. Gerd Müller Dr. Peter Tauber Sebastian Körber Lothar Binding (Heidelberg) Stefan Müller (Erlangen) Antje Tillmann Holger Krestel Gerd Bollmann Dr. Philipp Murmann Dr. Hans-Peter Uhl Patrick Kurth (Kyffhäuser) Klaus Brandner Bernd Neumann (Bremen) Arnold Vaatz Heinz Lanfermann Willi Brase Michaela Noll Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sibylle Laurischk Bernhard Brinkmann Dr. Georg Nüßlein Stefanie Vogelsang Harald Leibrecht (Hildesheim) Franz Obermeier Andrea Astrid Voßhoff Sabine Leutheusser- Edelgard Bulmahn Eduard Oswald Dr. Johann Wadephul Schnarrenberger Ulla Burchardt Dr. Michael Paul Marco Wanderwitz Lars Lindemann Martin Burkert Rita Pawelski Kai Wegner Dr. Martin Lindner (Berlin) Petra Crone Ulrich Petzold Marcus Weinberg (Hamburg) Michael Link (Heilbronn) Dr. Peter Danckert Dr. Joachim Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Erwin Lotter Martin Dörmann Sibylle Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Oliver Luksic Elvira Drobinski-Weiß Beatrix Philipp Ingo Wellenreuther Gabriele Molitor Garrelt Duin Ronald Pofalla Peter Wichtel Jan Mücke Sebastian Edathy Christoph Poland Annette Widmann-Mauz Petra Müller (Aachen) Siegmund Ehrmann Ruprecht Polenz Klaus-Peter Willsch Burkhardt Müller-Sönksen Karin Evers-Meyer Eckhard Pols Elisabeth Winkelmeier- Dr. Martin Neumann Elke Ferner Thomas Rachel Becker (Lausitz) Gabriele Fograscher Dr. Peter Ramsauer Dagmar Wöhrl Hans-Joachim Otto Dr. Edgar Franke Eckhardt Rehberg Dr. Matthias Zimmer (Frankfurt) Dagmar Freitag Katherina Reiche (Potsdam) Wolfgang Zöller Cornelia Pieper Peter Friedrich Lothar Riebsamen Willi Zylajew Gisela Piltz Michael Gerdes Josef Rief Dr. Christiane Ratjen- Martin Gerster Klaus Riegert SPD Damerau Iris Gleicke Dr. Heinz Riesenhuber Dr. Birgit Reinemund Günter Gloser Rolf Schwanitz Johannes Röring Dr. Peter Röhlinger Ulrike Gottschalck Dr. Norbert Röttgen Dr. Stefan Ruppert Angelika Graf (Rosenheim) FDP Dr. Christian Ruck Björn Sänger Kerstin Griese Erwin Rüddel Jens Ackermann Frank Schäffler Michael Groß Albert Rupprecht (Weiden) Christian Ahrendt Christoph Schnurr Wolfgang Gunkel (B) Anita Schäfer (Saalstadt) Christine Aschenberg- Jimmy Schulz Hans-Joachim Hacker (D) Dr. Annette Schavan Dugnus Marina Schuster Bettina Hagedorn Dr. Andreas Scheuer Daniel Bahr (Münster) Dr. Erik Schweickert Klaus Hagemann Karl Schiewerling Florian Bernschneider Werner Simmling Michael Hartmann Norbert Schindler Sebastian Blumenthal Judith Skudelny (Wackernheim) Tankred Schipanski Claudia Bögel Dr. Hermann Otto Solms Hubertus Heil (Peine) Georg Schirmbeck Nicole Bracht-Bendt Joachim Spatz Rolf Hempelmann Christian Schmidt (Fürth) Klaus Breil Dr. Max Stadler Dr. Barbara Hendricks Patrick Schnieder Rainer Brüderle Torsten Staffeldt Gustav Herzog Dr. Andreas Schockenhoff Angelika Brunkhorst Dr. Rainer Stinner Gabriele Hiller-Ohm Nadine Schön (St. Wendel) Marco Buschmann Stephan Thomae Petra Hinz (Essen) Dr. Kristina Schröder Sylvia Canel Florian Toncar Frank Hofmann (Volkach) (Wiesbaden) Reiner Deutschmann Serkan Tören Dr. Eva Högl Dr. Ole Schröder Patrick Döring Johannes Vogel Christel Humme Bernhard Schulte-Drüggelte Mechthild Dyckmans (Lüdenscheid) Josip Juratovic Uwe Schummer Rainer Erdel Dr. Daniel Volk Oliver Kaczmarek Armin Schuster (Weil am Jörg van Essen Dr. Claudia Winterstein Johannes Kahrs Rhein) Ulrike Flach Dr. Volker Wissing Dr. h. c. Susanne Kastner Detlef Seif Otto Fricke Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ulrich Kelber Johannes Selle Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Ulrich Klose Reinhold Sendker Dr. Wolfgang Gerhardt Enthalten Dr. Bärbel Kofler Dr. Patrick Sensburg Hans-Michael Goldmann Daniela Kolbe (Leipzig) Bernd Siebert Miriam Gruß CDU/CSU Fritz Rudolf Körper Johannes Singhammer Joachim Günther (Plauen) Anette Kramme Manfred Kolbe Jens Spahn Dr. Christel Happach-Kasan Nicolette Kressl Carola Stauche Heinz-Peter Haustein Angelika Krüger-Leißner SPD Dr. Frank Steffel Manuel Höferlin Ute Kumpf Erika Steinbach Elke Hoff Ingrid Arndt-Brauer Christine Lambrecht Christian Freiherr von Stetten Birgit Homburger Rainer Arnold Christian Lange (Backnang) Dieter Stier Dr. Werner Hoyer Heinz-Joachim Barchmann Dr. Karl Lauterbach Gero Storjohann Heiner Kamp Dr. Hans-Peter Bartels Steffen-Claudio Lemme Stephan Stracke Michael Kauch Klaus Barthel Burkhard Lischka Max Straubinger Dr. Lutz Knopek Sören Bartol Gabriele Lösekrug-Möller Karin Strenz Pascal Kober Bärbel Bas Kirsten Lühmann 10666 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Caren Marks Ulla Schmidt (Aachen) BÜNDNIS 90/ Oliver Krischer (C) Katja Mast Silvia Schmidt (Eisleben) DIE GRÜNEN Agnes Krumwiede Hilde Mattheis Fritz Kuhn Carsten Schneider (Erfurt) Kerstin Andreae Ullrich Meßmer Stephan Kühn Olaf Scholz Marieluise Beck (Bremen) Dr. Matthias Miersch Renate Künast Ottmar Schreiner Volker Beck (Köln) Franz Müntefering Markus Kurth Swen Schulz (Spandau) Cornelia Behm Dr. Rolf Mützenich Ewald Schurer Undine Kurth (Quedlinburg) Dietmar Nietan Birgitt Bender Agnes Malczak Frank Schwabe Alexander Bonde Manfred Nink Dr. Martin Schwanholz Jerzy Montag Thomas Oppermann Ekin Deligöz Kerstin Müller (Köln) Stefan Schwartze Katja Dörner Holger Ortel Rita Schwarzelühr-Sutter Beate Müller-Gemmeke Aydan Özoğuz Hans-Josef Fell Dr. Konstantin von Notz Dr. Carsten Sieling Dr. Thomas Gambke Heinz Paula Sonja Steffen Omid Nouripour Johannes Pflug Kai Gehring Friedrich Ostendorff Peer Steinbrück Joachim Poß Katrin Göring-Eckardt Lisa Paus Dr. Frank-Walter Steinmeier Dr. Wilhelm Priesmeier Britta Haßelmann Brigitte Pothmer Christoph Strässer Florian Pronold Bettina Herlitzius Tabea Rößner Kerstin Tack Dr. Sascha Raabe Winfried Hermann Claudia Roth (Augsburg) Mechthild Rawert Dr. h. c. Wolfgang Thierse Priska Hinz (Herborn) Krista Sager Gerold Reichenbach Franz Thönnes Ulrike Höfken Manuel Sarrazin Dr. Carola Reimann Wolfgang Tiefensee Dr. Anton Hofreiter Elisabeth Scharfenberg Sönke Rix Rüdiger Veit Bärbel Höhn Christine Scheel René Röspel Ute Vogt Ingrid Hönlinger Dr. Gerhard Schick Dr. Ernst Dieter Rossmann Dr. Marlies Volkmer Thilo Hoppe Dorothea Steiner Karin Roth (Esslingen) Andrea Wicklein Uwe Kekeritz Dr. Wolfgang Strengmann- Michael Roth (Heringen) Heidemarie Wieczorek-Zeul Katja Keul Kuhn Marlene Rupprecht Dr. Dieter Wiefelspütz Memet Kilic Dr. Harald Terpe (Tuchenbach) Waltraud Wolff Sven-Christian Kindler Markus Tressel Anton Schaaf (Wolmirstedt) Maria Anna Klein-Schmeink Jürgen Trittin Axel Schäfer (Bochum) Dagmar Ziegler Ute Koczy Daniela Wagner Bernd Scheelen Manfred Zöllmer Tom Koenigs Dr. Valerie Wilms Werner Schieder (Weiden) Brigitte Zypries Sylvia Kotting-Uhl Josef Philip Winkler

(B) (D) Anlage 9 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Regelung der Ansprüche der Bergleute der Braunkohle- veredelung (Drucksachen 17/3874 und 17/4769 Buchstabe e) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Herbert Behrens Ulla Jelpke Richard Pitterle Abgegebene Stimmen: 581; Matthias W. Birkwald Dr. Lukrezia Jochimsen Yvonne Ploetz davon Heidrun Bluhm Katja Kipping Ingrid Remmers ja: 71 Steffen Bockhahn Harald Koch Paul Schäfer (Köln) Christine Buchholz Jan Korte Dr. Ilja Seifert nein: 309 Eva Bulling-Schröter Jutta Krellmann Kathrin Senger-Schäfer enthalten: 195 Dr. Martina Bunge Katrin Kunert Raju Sharma ungültig: 6 Roland Claus Caren Lay Dr. Petra Sitte Sevim Dağdelen Sabine Leidig Kersten Steinke Ja Dr. Diether Dehm Ralph Lenkert Sabine Stüber Heidrun Dittrich Michael Leutert Alexander Süßmair SPD Werner Dreibus Ulla Lötzer Dr. Kirsten Tackmann Anton Schaaf Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Gesine Lötzsch Frank Tempel Wolfgang Gehrcke Ulrich Maurer Dr. Axel Troost FDP Nicole Gohlke Dorothee Menzner Alexander Ulrich Diana Golze Cornelia Möhring Kathrin Vogler Heinz-Peter Haustein Annette Groth Kornelia Möller Johanna Voß Dr. Gregor Gysi Niema Movassat Halina Wawzyniak DIE LINKE Heike Hänsel Wolfgang Nešković Harald Weinberg Jan van Aken Dr. Rosemarie Hein Thomas Nord Katrin Werner Agnes Alpers Inge Höger Petra Pau Jörn Wunderlich Dr. Dietmar Bartsch Andrej Hunko Jens Petermann Sabine Zimmermann Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10667

(A) Nein Karl-Theodor Freiherr Karin Maag Carola Stauche (C) zu Guttenberg Hans-Georg von der Marwitz Dr. Frank Steffel CDU/CSU Olav Gutting Andreas Mattfeldt Erika Steinbach Florian Hahn Stephan Mayer (Altötting) Ilse Aigner Christian Freiherr von Stetten Holger Haibach Dr. Michael Meister Peter Altmaier Dieter Stier Dr. Stephan Harbarth Peter Aumer Dr. Angela Merkel Gero Storjohann Jürgen Hardt Dorothee Bär Maria Michalk Stephan Stracke Thomas Bareiß Gerda Hasselfeldt Dr. h. c. Hans Michelbach Max Straubinger Norbert Barthle Dr. Matthias Heider Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Günter Baumann Mechthild Heil Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) Ernst-Reinhard Beck Ursula Heinen-Esser Dietrich Monstadt Lena Strothmann (Reutlingen) Frank Heinrich Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Manfred Behrens (Börde) Rudolf Henke Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Veronika Bellmann Michael Hennrich Dr. Philipp Murmann Antje Tillmann Dr. Christoph Bergner Jürgen Herrmann Bernd Neumann (Bremen) Dr. Hans-Peter Uhl Peter Beyer Ansgar Heveling Michaela Noll Arnold Vaatz Steffen Bilger Ernst Hinsken Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Clemens Binninger Peter Hintze Franz Obermeier Stefanie Vogelsang Peter Bleser Christian Hirte Eduard Oswald Andrea Astrid Voßhoff Dr. Maria Böhmer Robert Hochbaum Henning Otte Dr. Johann Wadephul Wolfgang Börnsen Karl Holmeier Dr. Michael Paul Marco Wanderwitz (Bönstrup) Franz-Josef Holzenkamp Rita Pawelski Kai Wegner Wolfgang Bosbach Anette Hübinger Ulrich Petzold Marcus Weinberg (Hamburg) Norbert Brackmann Thomas Jarzombek Dr. Joachim Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen) Klaus Brähmig Dieter Jasper Sibylle Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Michael Brand Dr. Franz Josef Jung Beatrix Philipp Ingo Wellenreuther Dr. Reinhard Brandl Andreas Jung (Konstanz) Ronald Pofalla Peter Wichtel Helmut Brandt Dr. Egon Jüttner Christoph Poland Annette Widmann-Mauz Dr. Ralf Brauksiepe Bartholomäus Kalb Ruprecht Polenz Klaus-Peter Willsch Dr. Helge Braun Hans-Werner Kammer Eckhard Pols Elisabeth Winkelmeier- Heike Brehmer Steffen Kampeter Thomas Rachel Becker Ralph Brinkhaus Bernhard Kaster Dr. Peter Ramsauer Dagmar Wöhrl Cajus Caesar Volker Kauder Eckhardt Rehberg Dr. Matthias Zimmer Gitta Connemann Siegfried Kauder (Villingen- Katherina Reiche (Potsdam) Wolfgang Zöller (B) Alexander Dobrindt Schwenningen) Lothar Riebsamen Willi Zylajew (D) Thomas Dörflinger Dr. Stefan Kaufmann Josef Rief Dr. Thomas Feist Roderich Kiesewetter Klaus Riegert SPD Eckart von Klaeden Dr. Heinz Riesenhuber Enak Ferlemann Rolf Schwanitz Ingrid Fischbach Ewa Klamt Johannes Röring Volkmar Klein Dr. Norbert Röttgen Hartwig Fischer (Göttingen) FDP Dirk Fischer (Hamburg) Jürgen Klimke Dr. Christian Ruck Axel E. Fischer (Karlsruhe- Julia Klöckner Erwin Rüddel Jens Ackermann Land) Axel Knoerig Albert Rupprecht (Weiden) Christian Ahrendt Dr. Maria Flachsbarth Jens Koeppen Anita Schäfer (Saalstadt) Christine Aschenberg- Klaus-Peter Flosbach Dr. Rolf Koschorrek Dr. Annette Schavan Dugnus Herbert Frankenhauser Hartmut Koschyk Dr. Andreas Scheuer Daniel Bahr (Münster) Dr. Hans-Peter Friedrich Thomas Kossendey Karl Schiewerling Florian Bernschneider (Hof) Gunther Krichbaum Norbert Schindler Sebastian Blumenthal Michael Frieser Dr. Günter Krings Tankred Schipanski Claudia Bögel Erich G. Fritz Bettina Kudla Georg Schirmbeck Nicole Bracht-Bendt Hans-Joachim Fuchtel Dr. Hermann Kues Christian Schmidt (Fürth) Klaus Breil Alexander Funk Günter Lach Patrick Schnieder Rainer Brüderle Ingo Gädechens Dr. Karl A. Lamers Dr. Andreas Schockenhoff Angelika Brunkhorst Dr. Thomas Gebhart (Heidelberg) Nadine Schön (St. Wendel) Marco Buschmann Norbert Geis Andreas G. Lämmel Dr. Kristina Schröder Sylvia Canel Alois Gerig Dr. Norbert Lammert (Wiesbaden) Reiner Deutschmann Eberhard Gienger Katharina Landgraf Dr. Ole Schröder Patrick Döring Michael Glos Ulrich Lange Bernhard Schulte-Drüggelte Mechthild Dyckmans Josef Göppel Dr. Max Lehmer Uwe Schummer Rainer Erdel Peter Götz Paul Lehrieder Armin Schuster (Weil am Jörg van Essen Dr. Wolfgang Götzer Dr. Ursula von der Leyen Rhein) Ulrike Flach Ute Granold Ingbert Liebing Detlef Seif Otto Fricke Reinhard Grindel Matthias Lietz Johannes Selle Dr. Edmund Peter Geisen Hermann Gröhe Dr. Carsten Linnemann Reinhold Sendker Dr. Wolfgang Gerhardt Michael Grosse-Brömer Patricia Lips Dr. Patrick Sensburg Hans-Michael Goldmann Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Bernd Siebert Miriam Gruß Manfred Grund Daniela Ludwig Johannes Singhammer Joachim Günther (Plauen) Monika Grütters Dr. Michael Luther Jens Spahn Dr. Christel Happach-Kasan 10668 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Manuel Höferlin SPD Ute Kumpf Manfred Zöllmer (C) Elke Hoff Christine Lambrecht Brigitte Zypries Ingrid Arndt-Brauer Christian Lange (Backnang) Birgit Homburger Rainer Arnold BÜNDNIS 90/ Dr. Werner Hoyer Heinz-Joachim Barchmann Dr. Karl Lauterbach DIE GRÜNEN Heiner Kamp Dr. Hans-Peter Bartels Steffen-Claudio Lemme Michael Kauch Klaus Barthel Burkhard Lischka Kerstin Andreae Dr. Lutz Knopek Sören Bartol Gabriele Lösekrug-Möller Marieluise Beck (Bremen) Pascal Kober Bärbel Bas Kirsten Lühmann Volker Beck (Köln) Dr. Heinrich L. Kolb Sabine Bätzing-Lichtenthäler Caren Marks Cornelia Behm Gudrun Kopp Dirk Becker Katja Mast Birgitt Bender Dr. h. c. Jürgen Koppelin Uwe Beckmeyer Hilde Mattheis Alexander Bonde Sebastian Körber Lothar Binding (Heidelberg) Ullrich Meßmer Ekin Deligöz Holger Krestel Gerd Bollmann Dr. Matthias Miersch Katja Dörner Patrick Kurth (Kyffhäuser) Klaus Brandner Franz Müntefering Hans-Josef Fell Heinz Lanfermann Willi Brase Dr. Rolf Mützenich Dr. Thomas Gambke Sibylle Laurischk Bernhard Brinkmann Dietmar Nietan Kai Gehring Harald Leibrecht (Hildesheim) Manfred Nink Katrin Göring-Eckardt Sabine Leutheusser- Edelgard Bulmahn Thomas Oppermann Britta Haßelmann Schnarrenberger Ulla Burchardt Holger Ortel Bettina Herlitzius Lars Lindemann Martin Burkert Aydan Özoğuz Winfried Hermann Dr. Martin Lindner (Berlin) Petra Crone Heinz Paula Priska Hinz (Herborn) Michael Link (Heilbronn) Dr. Peter Danckert Johannes Pflug Ulrike Höfken Dr. Erwin Lotter Martin Dörmann Joachim Poß Dr. Anton Hofreiter Oliver Luksic Elvira Drobinski-Weiß Dr. Wilhelm Priesmeier Bärbel Höhn Gabriele Molitor Garrelt Duin Florian Pronold Ingrid Hönlinger Jan Mücke Sebastian Edathy Dr. Sascha Raabe Thilo Hoppe Petra Müller (Aachen) Siegmund Ehrmann Mechthild Rawert Uwe Kekeritz Burkhardt Müller-Sönksen Karin Evers-Meyer Gerold Reichenbach Katja Keul Dr. Martin Neumann Elke Ferner Dr. Carola Reimann Memet Kilic (Lausitz) Gabriele Fograscher Sönke Rix Sven-Christian Kindler Hans-Joachim Otto Dr. Edgar Franke René Röspel Maria Anna Klein-Schmeink (Frankfurt) Dagmar Freitag Dr. Ernst Dieter Rossmann Ute Koczy Cornelia Pieper Peter Friedrich Karin Roth (Esslingen) Tom Koenigs Gisela Piltz Michael Gerdes Michael Roth (Heringen) Sylvia Kotting-Uhl (B) Dr. Christiane Ratjen- Martin Gerster Marlene Rupprecht Oliver Krischer (D) Damerau Iris Gleicke (Tuchenbach) Agnes Krumwiede Dr. Birgit Reinemund Günter Gloser Axel Schäfer (Bochum) Fritz Kuhn Dr. Peter Röhlinger Ulrike Gottschalck Bernd Scheelen Stephan Kühn Dr. Stefan Ruppert Angelika Graf (Rosenheim) Werner Schieder (Weiden) Renate Künast Kerstin Griese Björn Sänger Ulla Schmidt (Aachen) Markus Kurth Michael Groß Undine Kurth (Quedlinburg) Frank Schäffler Silvia Schmidt (Eisleben) Wolfgang Gunkel Monika Lazar Christoph Schnurr Carsten Schneider (Erfurt) Hans-Joachim Hacker Agnes Malczak Jimmy Schulz Ottmar Schreiner Bettina Hagedorn Jerzy Montag Swen Schulz (Spandau) Marina Schuster Klaus Hagemann Kerstin Müller (Köln) Ewald Schurer Dr. Erik Schweickert Michael Hartmann Beate Müller-Gemmeke Frank Schwabe Werner Simmling (Wackernheim) Dr. Konstantin von Notz Dr. Martin Schwanholz Judith Skudelny Hubertus Heil (Peine) Omid Nouripour Dr. Hermann Otto Solms Rolf Hempelmann Stefan Schwartze Friedrich Ostendorff Joachim Spatz Dr. Barbara Hendricks Rita Schwarzelühr-Sutter Lisa Paus Dr. Max Stadler Gustav Herzog Dr. Carsten Sieling Brigitte Pothmer Torsten Staffeldt Gabriele Hiller-Ohm Sonja Steffen Tabea Rößner Dr. Rainer Stinner Petra Hinz (Essen) Peer Steinbrück Claudia Roth (Augsburg) Stephan Thomae Frank Hofmann (Volkach) Dr. Frank-Walter Steinmeier Krista Sager Florian Toncar Dr. Eva Högl Christoph Strässer Manuel Sarrazin Serkan Tören Christel Humme Kerstin Tack Elisabeth Scharfenberg Johannes Vogel Josip Juratovic Dr. h. c. Wolfgang Thierse Christine Scheel (Lüdenscheid) Oliver Kaczmarek Franz Thönnes Dr. Gerhard Schick Dr. Daniel Volk Johannes Kahrs Wolfgang Tiefensee Dorothea Steiner Dr. Claudia Winterstein Dr. h. c. Susanne Kastner Rüdiger Veit Dr. Wolfgang Strengmann- Dr. Volker Wissing Ulrich Kelber Ute Vogt Kuhn Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Hans-Ulrich Klose Dr. Marlies Volkmer Hans-Christian Ströbele Dr. Bärbel Kofler Andrea Wicklein Dr. Harald Terpe Heidemarie Wieczorek-Zeul Enthalten Daniela Kolbe (Leipzig) Markus Tressel Fritz Rudolf Körper Dr. Dieter Wiefelspütz Jürgen Trittin Anette Kramme Waltraud Wolff Daniela Wagner CDU/CSU Nicolette Kressl (Wolmirstedt) Dr. Valerie Wilms Manfred Kolbe Angelika Krüger-Leißner Dagmar Ziegler Josef Philip Winkler Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10669

(A) Anlage 10 (C) Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Beseitigung von Rentennachteilen für Zeiten der Pflege von Angehörigen in der DDR (Drucksachen 17/3875 und 17/4769 Buchstabe f) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Thomas Nord Heike Brehmer Robert Hochbaum Abgegebene Stimmen: 580; Petra Pau Ralph Brinkhaus Karl Holmeier davon Jens Petermann Cajus Caesar Franz-Josef Holzenkamp Richard Pitterle Gitta Connemann Anette Hübinger ja: 69 Yvonne Ploetz Alexander Dobrindt Thomas Jarzombek nein: 308 Ingrid Remmers Thomas Dörflinger Dieter Jasper enthalten: 197 Paul Schäfer (Köln) Dr. Thomas Feist Dr. Franz Josef Jung ungültig: 6 Dr. Ilja Seifert Enak Ferlemann Andreas Jung (Konstanz) Kathrin Senger-Schäfer Ingrid Fischbach Dr. Egon Jüttner Raju Sharma Hartwig Fischer (Göttingen) Bartholomäus Kalb Ja Dr. Petra Sitte Dirk Fischer (Hamburg) Hans-Werner Kammer Kersten Steinke Axel E. Fischer (Karlsruhe- Steffen Kampeter DIE LINKE Sabine Stüber Land) Bernhard Kaster Jan van Aken Alexander Süßmair Dr. Maria Flachsbarth Volker Kauder Agnes Alpers Dr. Kirsten Tackmann Klaus-Peter Flosbach Siegfried Kauder (Villingen- Dr. Dietmar Bartsch Frank Tempel Herbert Frankenhauser Schwenningen) Herbert Behrens Dr. Axel Troost Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Stefan Kaufmann Matthias W. Birkwald Alexander Ulrich (Hof) Roderich Kiesewetter Heidrun Bluhm Kathrin Vogler Michael Frieser Eckart von Klaeden Steffen Bockhahn Johanna Voß Erich G. Fritz Ewa Klamt Christine Buchholz Halina Wawzyniak Hans-Joachim Fuchtel Vo l k m a r K l e i n Eva Bulling-Schröter Harald Weinberg Alexander Funk Jürgen Klimke Dr. Martina Bunge Katrin Werner Ingo Gädechens Julia Klöckner (B) Roland Claus Jörn Wunderlich Dr. Thomas Gebhart Axel Knoerig (D) Sevim Dağdelen Sabine Zimmermann Norbert Geis Jens Koeppen Dr. Diether Dehm Alois Gerig Dr. Rolf Koschorrek Heidrun Dittrich Hartmut Koschyk Nein Eberhard Gienger Werner Dreibus Michael Glos Thomas Kossendey Dr. Dagmar Enkelmann Josef Göppel Gunther Krichbaum CDU/CSU Dr. Günter Krings Wolfgang Gehrcke Peter Götz Bettina Kudla Nicole Gohlke Ilse Aigner Dr. Wolfgang Götzer Dr. Hermann Kues Diana Golze Peter Altmaier Ute Granold Günter Lach Annette Groth Peter Aumer Reinhard Grindel Dr. Karl A. Lamers Dr. Gregor Gysi Dorothee Bär Hermann Gröhe (Heidelberg) Thomas Bareiß Heike Hänsel Michael Grosse-Brömer Andreas G. Lämmel Dr. Rosemarie Hein Norbert Barthle Markus Grübel Dr. Norbert Lammert Inge Höger Günter Baumann Manfred Grund Katharina Landgraf Andrej Hunko Ernst-Reinhard Beck Monika Grütters Ulrich Lange Ulla Jelpke (Reutlingen) Karl-Theodor Freiherr Dr. Max Lehmer Dr. Lukrezia Jochimsen Manfred Behrens (Börde) zu Guttenberg Paul Lehrieder Katja Kipping Veronika Bellmann Olav Gutting Dr. Ursula von der Leyen Harald Koch Dr. Christoph Bergner Florian Hahn Ingbert Liebing Jan Korte Peter Beyer Holger Haibach Matthias Lietz Jutta Krellmann Steffen Bilger Dr. Stephan Harbarth Dr. Carsten Linnemann Katrin Kunert Clemens Binninger Jürgen Hardt Patricia Lips Caren Lay Peter Bleser Gerda Hasselfeldt Dr. Jan-Marco Luczak Sabine Leidig Dr. Maria Böhmer Dr. Matthias Heider Daniela Ludwig Ralph Lenkert Wolfgang Börnsen Mechthild Heil Dr. Michael Luther Michael Leutert (Bönstrup) Ursula Heinen-Esser Karin Maag Ulla Lötzer Wolfgang Bosbach Frank Heinrich Hans-Georg von der Marwitz Dr. Gesine Lötzsch Norbert Brackmann Rudolf Henke Andreas Mattfeldt Ulrich Maurer Klaus Brähmig Michael Hennrich Stephan Mayer (Altötting) Dorothee Menzner Michael Brand Jürgen Herrmann Dr. Michael Meister Cornelia Möhring Dr. Reinhard Brandl Ansgar Heveling Dr. Angela Merkel Kornelia Möller Helmut Brandt Ernst Hinsken Maria Michalk Niema Movassat Dr. Ralf Brauksiepe Peter Hintze Dr. Mathias Middelberg Wolfgang Nešković Dr. Helge Braun Christian Hirte Philipp Mißfelder 10670 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Dietrich Monstadt Lena Strothmann Gudrun Kopp Uwe Beckmeyer (C) Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Dr. h. c. Jürgen Koppelin Lothar Binding (Heidelberg) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Sebastian Körber Gerd Bollmann Dr. Philipp Murmann Antje Tillmann Holger Krestel Klaus Brandner Bernd Neumann (Bremen) Dr. Hans-Peter Uhl Patrick Kurth (Kyffhäuser) Willi Brase Michaela Noll Arnold Vaatz Heinz Lanfermann Bernhard Brinkmann Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sibylle Laurischk (Hildesheim) Franz Obermeier Stefanie Vogelsang Harald Leibrecht Edelgard Bulmahn Eduard Oswald Andrea Astrid Voßhoff Sabine Leutheusser- Ulla Burchardt Henning Otte Dr. Johann Wadephul Schnarrenberger Martin Burkert Dr. Michael Paul Marco Wanderwitz Lars Lindemann Petra Crone Rita Pawelski Kai Wegner Dr. Martin Lindner (Berlin) Dr. Peter Danckert Ulrich Petzold Marcus Weinberg (Hamburg) Michael Link (Heilbronn) Martin Dörmann Dr. Joachim Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Erwin Lotter Elvira Drobinski-Weiß Sibylle Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Oliver Luksic Garrelt Duin Beatrix Philipp Ingo Wellenreuther Gabriele Molitor Sebastian Edathy Ronald Pofalla Peter Wichtel Jan Mücke Siegmund Ehrmann Christoph Poland Annette Widmann-Mauz Petra Müller (Aachen) Karin Evers-Meyer Ruprecht Polenz Klaus-Peter Willsch Burkhardt Müller-Sönksen Elke Ferner Eckhard Pols Elisabeth Winkelmeier- Dr. Martin Neumann Gabriele Fograscher Thomas Rachel Becker (Lausitz) Dr. Edgar Franke Dr. Peter Ramsauer Dagmar Wöhrl Hans-Joachim Otto Dagmar Freitag Eckhardt Rehberg Dr. Matthias Zimmer (Frankfurt) Peter Friedrich Katherina Reiche (Potsdam) Wolfgang Zöller Cornelia Pieper Michael Gerdes Lothar Riebsamen Willi Zylajew Gisela Piltz Martin Gerster Josef Rief Dr. Christiane Ratjen- Iris Gleicke Klaus Riegert SPD Damerau Günter Gloser Dr. Heinz Riesenhuber Dr. Birgit Reinemund Ulrike Gottschalck Rolf Schwanitz Johannes Röring Dr. Stefan Ruppert Angelika Graf (Rosenheim) Dr. Norbert Röttgen Björn Sänger Kerstin Griese FDP Dr. Christian Ruck Frank Schäffler Michael Groß Erwin Rüddel Jens Ackermann Christoph Schnurr Wolfgang Gunkel Albert Rupprecht (Weiden) Christian Ahrendt Jimmy Schulz Hans-Joachim Hacker Anita Schäfer (Saalstadt) Christine Aschenberg- Marina Schuster Bettina Hagedorn (B) Dr. Annette Schavan Dugnus Dr. Erik Schweickert Klaus Hagemann (D) Dr. Andreas Scheuer Daniel Bahr (Münster) Werner Simmling Michael Hartmann Karl Schiewerling Florian Bernschneider Judith Skudelny (Wackernheim) Norbert Schindler Sebastian Blumenthal Dr. Hermann Otto Solms Hubertus Heil (Peine) Tankred Schipanski Claudia Bögel Joachim Spatz Rolf Hempelmann Georg Schirmbeck Nicole Bracht-Bendt Dr. Max Stadler Dr. Barbara Hendricks Christian Schmidt (Fürth) Klaus Breil Torsten Staffeldt Gustav Herzog Patrick Schnieder Rainer Brüderle Dr. Rainer Stinner Gabriele Hiller-Ohm Dr. Andreas Schockenhoff Angelika Brunkhorst Stephan Thomae Petra Hinz (Essen) Nadine Schön (St. Wendel) Marco Buschmann Florian Toncar Frank Hofmann (Volkach) Dr. Kristina Schröder Sylvia Canel Serkan Tören Dr. Eva Högl (Wiesbaden) Reiner Deutschmann Johannes Vogel Christel Humme Dr. Ole Schröder Patrick Döring (Lüdenscheid) Josip Juratovic Bernhard Schulte-Drüggelte Mechthild Dyckmans Dr. Daniel Volk Oliver Kaczmarek Uwe Schummer Rainer Erdel Dr. Claudia Winterstein Johannes Kahrs Armin Schuster (Weil am Jörg van Essen Dr. Volker Wissing Dr. h. c. Susanne Kastner Rhein) Ulrike Flach Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ulrich Kelber Detlef Seif Otto Fricke Hans-Ulrich Klose Johannes Selle Dr. Edmund Peter Geisen Enthalten Dr. Bärbel Kofler Reinhold Sendker Dr. Wolfgang Gerhardt Daniela Kolbe (Leipzig) Dr. Patrick Sensburg Hans-Michael Goldmann CDU/CSU Fritz Rudolf Körper Bernd Siebert Miriam Gruß Anette Kramme Johannes Singhammer Joachim Günther (Plauen) Manfred Kolbe Nicolette Kressl Jens Spahn Dr. Christel Happach-Kasan Angelika Krüger-Leißner SPD Carola Stauche Heinz-Peter Haustein Ute Kumpf Dr. Frank Steffel Manuel Höferlin Ingrid Arndt-Brauer Christine Lambrecht Erika Steinbach Elke Hoff Rainer Arnold Christian Lange (Backnang) Christian Freiherr von Stetten Birgit Homburger Heinz-Joachim Barchmann Dr. Karl Lauterbach Dieter Stier Dr. Werner Hoyer Dr. Hans-Peter Bartels Steffen-Claudio Lemme Gero Storjohann Heiner Kamp Klaus Barthel Burkhard Lischka Stephan Stracke Michael Kauch Sören Bartol Gabriele Lösekrug-Möller Max Straubinger Dr. Lutz Knopek Bärbel Bas Kirsten Lühmann Karin Strenz Pascal Kober Sabine Bätzing-Lichtenthäler Caren Marks Thomas Strobl (Heilbronn) Dr. Heinrich L. Kolb Dirk Becker Katja Mast Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10671

(A) Hilde Mattheis Ottmar Schreiner BÜNDNIS 90/ Fritz Kuhn (C) Ullrich Meßmer Swen Schulz (Spandau) DIE GRÜNEN Stephan Kühn Dr. Matthias Miersch Ewald Schurer Kerstin Andreae Renate Künast Franz Müntefering Frank Schwabe Marieluise Beck (Bremen) Markus Kurth Dr. Rolf Mützenich Dr. Martin Schwanholz Volker Beck (Köln) Undine Kurth (Quedlinburg) Dietmar Nietan Stefan Schwartze Cornelia Behm Monika Lazar Manfred Nink Birgitt Bender Agnes Malczak Thomas Oppermann Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Alexander Bonde Jerzy Montag Holger Ortel Kerstin Müller (Köln) Sonja Steffen Ekin Deligöz Aydan Özoğuz Katja Dörner Beate Müller-Gemmeke Peer Steinbrück Heinz Paula Hans-Josef Fell Dr. Konstantin von Notz Johannes Pflug Dr. Frank-Walter Steinmeier Dr. Thomas Gambke Omid Nouripour Joachim Poß Christoph Strässer Kai Gehring Friedrich Ostendorff Dr. Wilhelm Priesmeier Kerstin Tack Katrin Göring-Eckardt Lisa Paus Florian Pronold Dr. h. c. Wolfgang Thierse Britta Haßelmann Brigitte Pothmer Dr. Sascha Raabe Franz Thönnes Bettina Herlitzius Tabea Rößner Mechthild Rawert Wolfgang Tiefensee Winfried Hermann Claudia Roth (Augsburg) Gerold Reichenbach Rüdiger Veit Priska Hinz (Herborn) Dr. Carola Reimann Krista Sager Ute Vogt Ulrike Höfken Manuel Sarrazin Sönke Rix Dr. Anton Hofreiter Dr. Marlies Volkmer Elisabeth Scharfenberg René Röspel Bärbel Höhn Christine Scheel Dr. Ernst Dieter Rossmann Andrea Wicklein Ingrid Hönlinger Karin Roth (Esslingen) Heidemarie Wieczorek-Zeul Thilo Hoppe Dr. Gerhard Schick Michael Roth (Heringen) Dr. Dieter Wiefelspütz Uwe Kekeritz Dorothea Steiner Marlene Rupprecht Waltraud Wolff Katja Keul Dr. Wolfgang Strengmann- (Tuchenbach) (Wolmirstedt) Memet Kilic Kuhn Anton Schaaf Dagmar Ziegler Sven-Christian Kindler Hans-Christian Ströbele Axel Schäfer (Bochum) Manfred Zöllmer Maria Anna Klein-Schmeink Dr. Harald Terpe Markus Tressel Bernd Scheelen Brigitte Zypries Ute Koczy Werner Schieder (Weiden) Tom Koenigs Jürgen Trittin Daniela Wagner Ulla Schmidt (Aachen) FDP Sylvia Kotting-Uhl Silvia Schmidt (Eisleben) Oliver Krischer Dr. Valerie Wilms Carsten Schneider (Erfurt) Dr. Peter Röhlinger Agnes Krumwiede Josef Philip Winkler

(B) (D)

Anlage 11 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtliche Lösung für Land- und Forstwirte, Hand- werkerinnen und Handwerker, andere Selbständige sowie deren mithelfende Familienangehörige aus der DDR (Drucksachen 17/3876 und 17/4769 Buchstabe g) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Herbert Behrens Inge Höger Niema Movassat Abgegebene Stimmen: 580; Matthias W. Birkwald Andrej Hunko Wolfgang Nešković davon Heidrun Bluhm Ulla Jelpke Thomas Nord Steffen Bockhahn ja: 70 Dr. Lukrezia Jochimsen Petra Pau Christine Buchholz Katja Kipping Jens Petermann nein: 369 Eva Bulling-Schröter Harald Koch Richard Pitterle enthalten: 135 Dr. Martina Bunge Jan Korte Yvonne Ploetz ungültig: 6 Roland Claus Jutta Krellmann Ingrid Remmers Sevim Dağdelen Katrin Kunert Paul Schäfer (Köln) Dr. Diether Dehm Caren Lay Dr. Ilja Seifert Ja Heidrun Dittrich Werner Dreibus Sabine Leidig Kathrin Senger-Schäfer FDP Dr. Dagmar Enkelmann Ralph Lenkert Raju Sharma Michael Leutert Dr. Petra Sitte Heinz-Peter Haustein Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Ulla Lötzer Kersten Steinke Dr. Gesine Lötzsch Sabine Stüber DIE LINKE Diana Golze Annette Groth Ulrich Maurer Alexander Süßmair Jan van Aken Dr. Gregor Gysi Dorothee Menzner Dr. Kirsten Tackmann Agnes Alpers Heike Hänsel Cornelia Möhring Frank Tempel Dr. Dietmar Bartsch Dr. Rosemarie Hein Kornelia Möller Dr. Axel Troost 10672 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Alexander Ulrich Josef Göppel Ulrich Lange Bernhard Schulte-Drüggelte (C) Kathrin Vogler Peter Götz Dr. Max Lehmer Uwe Schummer Johanna Voß Dr. Wolfgang Götzer Paul Lehrieder Armin Schuster (Weil am Halina Wawzyniak Ute Granold Dr. Ursula von der Leyen Rhein) Harald Weinberg Reinhard Grindel Ingbert Liebing Detlef Seif Katrin Werner Hermann Gröhe Matthias Lietz Johannes Selle Jörn Wunderlich Michael Grosse-Brömer Dr. Carsten Linnemann Reinhold Sendker Sabine Zimmermann Markus Grübel Patricia Lips Dr. Patrick Sensburg Manfred Grund Dr. Jan-Marco Luczak Bernd Siebert Nein Monika Grütters Daniela Ludwig Johannes Singhammer Karl-Theodor Freiherr Dr. Michael Luther Jens Spahn CDU/CSU zu Guttenberg Karin Maag Carola Stauche Olav Gutting Hans-Georg von der Marwitz Dr. Frank Steffel Ilse Aigner Florian Hahn Andreas Mattfeldt Erika Steinbach Peter Altmaier Holger Haibach Stephan Mayer (Altötting) Christian Freiherr von Stetten Peter Aumer Dr. Stephan Harbarth Dr. Michael Meister Dieter Stier Dorothee Bär Jürgen Hardt Dr. Angela Merkel Gero Storjohann Thomas Bareiß Gerda Hasselfeldt Maria Michalk Stephan Stracke Norbert Barthle Dr. Matthias Heider Dr. Mathias Middelberg Max Straubinger Günter Baumann Mechthild Heil Karin Strenz Ernst-Reinhard Beck Philipp Mißfelder Ursula Heinen-Esser Dietrich Monstadt Thomas Strobl (Heilbronn) (Reutlingen) Lena Strothmann Manfred Behrens (Börde) Frank Heinrich Dr. Gerd Müller Rudolf Henke Stefan Müller (Erlangen) Michael Stübgen Veronika Bellmann Dr. Peter Tauber Dr. Christoph Bergner Michael Hennrich Dr. Philipp Murmann Jürgen Herrmann Bernd Neumann (Bremen) Antje Tillmann Peter Beyer Dr. Hans-Peter Uhl Steffen Bilger Ansgar Heveling Michaela Noll Ernst Hinsken Dr. Georg Nüßlein Arnold Vaatz Clemens Binninger Volkmar Vogel (Kleinsaara) Peter Bleser Peter Hintze Franz Obermeier Christian Hirte Eduard Oswald Stefanie Vogelsang Dr. Maria Böhmer Andrea Astrid Voßhoff Wolfgang Börnsen Robert Hochbaum Henning Otte Karl Holmeier Dr. Michael Paul Dr. Johann Wadephul (Bönstrup) Marco Wanderwitz Wolfgang Bosbach Franz-Josef Holzenkamp Rita Pawelski Anette Hübinger Ulrich Petzold Kai Wegner Norbert Brackmann Marcus Weinberg (Hamburg) Klaus Brähmig Thomas Jarzombek Dr. Joachim Pfeiffer (B) Dieter Jasper Sibylle Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen) (D) Michael Brand Sabine Weiss (Wesel I) Dr. Reinhard Brandl Dr. Franz Josef Jung Beatrix Philipp Andreas Jung (Konstanz) Ronald Pofalla Ingo Wellenreuther Helmut Brandt Peter Wichtel Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Egon Jüttner Christoph Poland Bartholomäus Kalb Ruprecht Polenz Annette Widmann-Mauz Dr. Helge Braun Klaus-Peter Willsch Heike Brehmer Hans-Werner Kammer Eckhard Pols Steffen Kampeter Thomas Rachel Elisabeth Winkelmeier- Ralph Brinkhaus Becker Cajus Caesar Bernhard Kaster Dr. Peter Ramsauer Volker Kauder Eckhardt Rehberg Dagmar Wöhrl Gitta Connemann Dr. Matthias Zimmer Alexander Dobrindt Siegfried Kauder (Villingen- Katherina Reiche (Potsdam) Schwenningen) Lothar Riebsamen Wolfgang Zöller Thomas Dörflinger Willi Zylajew Dr. Thomas Feist Dr. Stefan Kaufmann Josef Rief Roderich Kiesewetter Klaus Riegert Enak Ferlemann SPD Ingrid Fischbach Eckart von Klaeden Dr. Heinz Riesenhuber Hartwig Fischer (Göttingen) Ewa Klamt Johannes Röring Rolf Schwanitz Dirk Fischer (Hamburg) Volkmar Klein Dr. Norbert Röttgen Axel E. Fischer (Karlsruhe- Jürgen Klimke Dr. Christian Ruck FDP Land) Julia Klöckner Erwin Rüddel Jens Ackermann Dr. Maria Flachsbarth Axel Knoerig Albert Rupprecht (Weiden) Christian Ahrendt Klaus-Peter Flosbach Jens Koeppen Anita Schäfer (Saalstadt) Christine Aschenberg- Herbert Frankenhauser Dr. Rolf Koschorrek Dr. Annette Schavan Dugnus Dr. Hans-Peter Friedrich Hartmut Koschyk Dr. Andreas Scheuer Daniel Bahr (Münster) (Hof) Thomas Kossendey Karl Schiewerling Florian Bernschneider Michael Frieser Gunther Krichbaum Norbert Schindler Sebastian Blumenthal Erich G. Fritz Dr. Günter Krings Tankred Schipanski Claudia Bögel Hans-Joachim Fuchtel Bettina Kudla Georg Schirmbeck Nicole Bracht-Bendt Alexander Funk Dr. Hermann Kues Christian Schmidt (Fürth) Klaus Breil Ingo Gädechens Günter Lach Patrick Schnieder Rainer Brüderle Dr. Thomas Gebhart Dr. Karl A. Lamers Dr. Andreas Schockenhoff Angelika Brunkhorst Norbert Geis (Heidelberg) Nadine Schön (St. Wendel) Marco Buschmann Alois Gerig Andreas G. Lämmel Dr. Kristina Schröder Sylvia Canel Eberhard Gienger Dr. Norbert Lammert (Wiesbaden) Reiner Deutschmann Michael Glos Katharina Landgraf Dr. Ole Schröder Patrick Döring Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10673

(A) Mechthild Dyckmans Johannes Vogel Jürgen Trittin Josip Juratovic (C) Rainer Erdel (Lüdenscheid) Daniela Wagner Oliver Kaczmarek Jörg van Essen Dr. Daniel Volk Dr. Valerie Wilms Johannes Kahrs Ulrike Flach Dr. Claudia Winterstein Josef Philip Winkler Dr. h. c. Susanne Kastner Otto Fricke Dr. Volker Wissing Ulrich Kelber Dr. Edmund Peter Geisen Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten Hans-Ulrich Klose Dr. Wolfgang Gerhardt Dr. Bärbel Kofler Hans-Michael Goldmann BÜNDNIS 90/ CDU/CSU Daniela Kolbe (Leipzig) Miriam Gruß DIE GRÜNEN Fritz Rudolf Körper Manfred Kolbe Joachim Günther (Plauen) Kerstin Andreae Anette Kramme Dr. Christel Happach-Kasan Nicolette Kressl Marieluise Beck (Bremen) SPD Manuel Höferlin Volker Beck (Köln) Angelika Krüger-Leißner Elke Hoff Cornelia Behm Ingrid Arndt-Brauer Ute Kumpf Birgit Homburger Birgitt Bender Rainer Arnold Christine Lambrecht Dr. Werner Hoyer Alexander Bonde Heinz-Joachim Barchmann Christian Lange (Backnang) Heiner Kamp Ekin Deligöz Dr. Hans-Peter Bartels Dr. Karl Lauterbach Michael Kauch Katja Dörner Klaus Barthel Steffen-Claudio Lemme Dr. Lutz Knopek Hans-Josef Fell Sören Bartol Burkhard Lischka Pascal Kober Dr. Thomas Gambke Bärbel Bas Gabriele Lösekrug-Möller Dr. Heinrich L. Kolb Kai Gehring Sabine Bätzing-Lichtenthäler Kirsten Lühmann Gudrun Kopp Katrin Göring-Eckardt Dirk Becker Caren Marks Dr. h. c. Jürgen Koppelin Britta Haßelmann Uwe Beckmeyer Katja Mast Sebastian Körber Bettina Herlitzius Lothar Binding (Heidelberg) Hilde Mattheis Holger Krestel Winfried Hermann Gerd Bollmann Ullrich Meßmer Patrick Kurth (Kyffhäuser) Priska Hinz (Herborn) Klaus Brandner Dr. Matthias Miersch Heinz Lanfermann Ulrike Höfken Willi Brase Franz Müntefering Sibylle Laurischk Dr. Anton Hofreiter Bernhard Brinkmann Dr. Rolf Mützenich Harald Leibrecht Bärbel Höhn (Hildesheim) Dietmar Nietan Manfred Nink Sabine Leutheusser- Ingrid Hönlinger Edelgard Bulmahn Thomas Oppermann Schnarrenberger Thilo Hoppe Ulla Burchardt Holger Ortel Lars Lindemann Uwe Kekeritz Martin Burkert Aydan Özoğuz Dr. Martin Lindner (Berlin) Katja Keul Petra Crone Heinz Paula Michael Link (Heilbronn) Memet Kilic Dr. Peter Danckert Johannes Pflug Dr. Erwin Lotter Sven-Christian Kindler Martin Dörmann (B) Elvira Drobinski-Weiß Joachim Poß (D) Oliver Luksic Maria Anna Klein-Schmeink Garrelt Duin Dr. Wilhelm Priesmeier Gabriele Molitor Ute Koczy Sebastian Edathy Florian Pronold Jan Mücke Tom Koenigs Siegmund Ehrmann Dr. Sascha Raabe Petra Müller (Aachen) Sylvia Kotting-Uhl Karin Evers-Meyer Mechthild Rawert Burkhardt Müller-Sönksen Oliver Krischer Agnes Krumwiede Elke Ferner Gerold Reichenbach Dr. Martin Neumann Fritz Kuhn Gabriele Fograscher Dr. Carola Reimann (Lausitz) Stephan Kühn Dr. Edgar Franke Sönke Rix Hans-Joachim Otto Renate Künast Dagmar Freitag René Röspel (Frankfurt) Markus Kurth Peter Friedrich Dr. Ernst Dieter Rossmann Cornelia Pieper Undine Kurth (Quedlinburg) Michael Gerdes Karin Roth (Esslingen) Gisela Piltz Agnes Malczak Martin Gerster Michael Roth (Heringen) Dr. Christiane Ratjen- Jerzy Montag Iris Gleicke Marlene Rupprecht Damerau Kerstin Müller (Köln) Günter Gloser (Tuchenbach) Dr. Birgit Reinemund Beate Müller-Gemmeke Ulrike Gottschalck Anton Schaaf Dr. Peter Röhlinger Dr. Konstantin von Notz Angelika Graf (Rosenheim) Axel Schäfer (Bochum) Dr. Stefan Ruppert Omid Nouripour Kerstin Griese Bernd Scheelen Björn Sänger Friedrich Ostendorff Michael Groß Werner Schieder (Weiden) Frank Schäffler Lisa Paus Wolfgang Gunkel Ulla Schmidt (Aachen) Christoph Schnurr Brigitte Pothmer Hans-Joachim Hacker Silvia Schmidt (Eisleben) Jimmy Schulz Tabea Rößner Bettina Hagedorn Carsten Schneider (Erfurt) Marina Schuster Claudia Roth (Augsburg) Klaus Hagemann Ottmar Schreiner Dr. Erik Schweickert Krista Sager Michael Hartmann Swen Schulz (Spandau) Werner Simmling Manuel Sarrazin (Wackernheim) Ewald Schurer Judith Skudelny Elisabeth Scharfenberg Hubertus Heil (Peine) Frank Schwabe Dr. Hermann Otto Solms Christine Scheel Rolf Hempelmann Dr. Martin Schwanholz Joachim Spatz Dr. Gerhard Schick Dr. Barbara Hendricks Stefan Schwartze Dr. Max Stadler Dorothea Steiner Gustav Herzog Rita Schwarzelühr-Sutter Torsten Staffeldt Dr. Wolfgang Strengmann- Gabriele Hiller-Ohm Dr. Carsten Sieling Dr. Rainer Stinner Kuhn Petra Hinz (Essen) Sonja Steffen Stephan Thomae Hans-Christian Ströbele Frank Hofmann (Volkach) Peer Steinbrück Florian Toncar Dr. Harald Terpe Dr. Eva Högl Dr. Frank-Walter Steinmeier Serkan Tören Markus Tressel Christel Humme Christoph Strässer 10674 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Kerstin Tack Ute Vogt Waltraud Wolff BÜNDNIS 90/ (C) Dr. h. c. Wolfgang Thierse Dr. Marlies Volkmer (Wolmirstedt) DIE GRÜNEN Franz Thönnes Dagmar Ziegler Andrea Wicklein Monika Lazar Wolfgang Tiefensee Heidemarie Wieczorek-Zeul Manfred Zöllmer Rüdiger Veit Dr. Dieter Wiefelspütz Brigitte Zypries

Anlage 12 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtliche Anerkennung von zweiten und verein- bart verlängerten Bildungswegen sowie Forschungsstudien und Aspiranturen in der DDR (Drucksachen 17/3877 und 17/4769 Buchstabe h) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Ralph Lenkert Ernst-Reinhard Beck Michael Glos Abgegebene Stimmen: 580; Michael Leutert (Reutlingen) Josef Göppel davon Ulla Lötzer Manfred Behrens (Börde) Peter Götz Dr. Gesine Lötzsch Veronika Bellmann Dr. Wolfgang Götzer ja: 69 Ulrich Maurer Dr. Christoph Bergner Ute Granold nein: 371 Dorothee Menzner Peter Beyer Reinhard Grindel enthalten: 134 Cornelia Möhring Steffen Bilger Hermann Gröhe ungültig: 6 Kornelia Möller Clemens Binninger Michael Grosse-Brömer Niema Movassat Peter Bleser Markus Grübel Wolfgang Nešković Dr. Maria Böhmer Manfred Grund Ja Thomas Nord Wolfgang Börnsen Monika Grütters Petra Pau (Bönstrup) Karl-Theodor Freiherr DIE LINKE Jens Petermann Wolfgang Bosbach zu Guttenberg (B) Jan van Aken Richard Pitterle Norbert Brackmann Olav Gutting (D) Agnes Alpers Yvonne Ploetz Klaus Brähmig Florian Hahn Dr. Dietmar Bartsch Ingrid Remmers Michael Brand Holger Haibach Herbert Behrens Paul Schäfer (Köln) Dr. Reinhard Brandl Dr. Stephan Harbarth Matthias W. Birkwald Dr. Ilja Seifert Helmut Brandt Jürgen Hardt Heidrun Bluhm Kathrin Senger-Schäfer Dr. Ralf Brauksiepe Gerda Hasselfeldt Steffen Bockhahn Raju Sharma Dr. Helge Braun Dr. Matthias Heider Christine Buchholz Dr. Petra Sitte Heike Brehmer Mechthild Heil Eva Bulling-Schröter Kersten Steinke Ralph Brinkhaus Ursula Heinen-Esser Dr. Martina Bunge Sabine Stüber Cajus Caesar Frank Heinrich Roland Claus Alexander Süßmair Gitta Connemann Rudolf Henke Sevim Dağdelen Dr. Kirsten Tackmann Alexander Dobrindt Michael Hennrich Dr. Diether Dehm Frank Tempel Thomas Dörflinger Jürgen Herrmann Heidrun Dittrich Dr. Axel Troost Dr. Thomas Feist Ansgar Heveling Werner Dreibus Alexander Ulrich Enak Ferlemann Ernst Hinsken Dr. Dagmar Enkelmann Kathrin Vogler Ingrid Fischbach Peter Hintze Wolfgang Gehrcke Johanna Voß Hartwig Fischer (Göttingen) Christian Hirte Nicole Gohlke Halina Wawzyniak Dirk Fischer (Hamburg) Robert Hochbaum Diana Golze Harald Weinberg Axel E. Fischer (Karlsruhe- Karl Holmeier Annette Groth Katrin Werner Land) Franz-Josef Holzenkamp Dr. Gregor Gysi Jörn Wunderlich Dr. Maria Flachsbarth Anette Hübinger Heike Hänsel Sabine Zimmermann Klaus-Peter Flosbach Thomas Jarzombek Dr. Rosemarie Hein Herbert Frankenhauser Dieter Jasper Inge Höger Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Franz Josef Jung Andrej Hunko Nein (Hof) Andreas Jung (Konstanz) Ulla Jelpke Michael Frieser Dr. Egon Jüttner CDU/CSU Dr. Lukrezia Jochimsen Erich G. Fritz Bartholomäus Kalb Katja Kipping Ilse Aigner Hans-Joachim Fuchtel Hans-Werner Kammer Harald Koch Peter Altmaier Alexander Funk Steffen Kampeter Jan Korte Peter Aumer Ingo Gädechens Bernhard Kaster Jutta Krellmann Dorothee Bär Dr. Thomas Gebhart Volker Kauder Katrin Kunert Thomas Bareiß Norbert Geis Siegfried Kauder (Villingen- Caren Lay Norbert Barthle Alois Gerig Schwenningen) Sabine Leidig Günter Baumann Eberhard Gienger Dr. Stefan Kaufmann Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10675

(A) Roderich Kiesewetter Dr. Heinz Riesenhuber SPD Dr. Christiane Ratjen- (C) Eckart von Klaeden Johannes Röring Damerau Rolf Schwanitz Ewa Klamt Dr. Norbert Röttgen Dr. Birgit Reinemund Volkm ar K le in Dr. Peter Röhlinger Dr. Christian Ruck FDP Jürgen Klimke Erwin Rüddel Dr. Stefan Ruppert Julia Klöckner Albert Rupprecht (Weiden) Jens Ackermann Björn Sänger Axel Knoerig Anita Schäfer (Saalstadt) Christian Ahrendt Frank Schäffler Jens Koeppen Dr. Annette Schavan Christine Aschenberg- Christoph Schnurr Dr. Rolf Koschorrek Dr. Andreas Scheuer Dugnus Jimmy Schulz Hartmut Koschyk Karl Schiewerling Daniel Bahr (Münster) Marina Schuster Thomas Kossendey Norbert Schindler Florian Bernschneider Dr. Erik Schweickert Gunther Krichbaum Tankred Schipanski Sebastian Blumenthal Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Günter Krings Georg Schirmbeck Claudia Bögel Dr. Hermann Otto Solms Bettina Kudla Christian Schmidt (Fürth) Nicole Bracht-Bendt Dr. Hermann Kues Joachim Spatz Patrick Schnieder Klaus Breil Günter Lach Dr. Max Stadler Dr. Andreas Schockenhoff Rainer Brüderle Dr. Karl A. Lamers Torsten Staffeldt Nadine Schön (St. Wendel) Angelika Brunkhorst (Heidelberg) Dr. Rainer Stinner Dr. Kristina Schröder Marco Buschmann Andreas G. Lämmel Sylvia Canel Stephan Thomae Dr. Norbert Lammert (Wiesbaden) Florian Toncar Dr. Ole Schröder Reiner Deutschmann Katharina Landgraf Patrick Döring Serkan Tören Bernhard Schulte-Drüggelte Johannes Vogel Ulrich Lange Mechthild Dyckmans Uwe Schummer (Lüdenscheid) Dr. Max Lehmer Rainer Erdel Armin Schuster (Weil am Dr. Daniel Volk Paul Lehrieder Jörg van Essen Rhein) Dr. Claudia Winterstein Dr. Ursula von der Leyen Ulrike Flach Detlef Seif Dr. Volker Wissing Ingbert Liebing Otto Fricke Matthias Lietz Johannes Selle Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Reinhold Sendker Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Carsten Linnemann Dr. Wolfgang Gerhardt Patricia Lips Dr. Patrick Sensburg BÜNDNIS 90/ Hans-Michael Goldmann Dr. Jan-Marco Luczak Bernd Siebert DIE GRÜNEN Miriam Gruß Daniela Ludwig Johannes Singhammer Joachim Günther (Plauen) Kerstin Andreae Dr. Michael Luther Jens Spahn Dr. Christel Happach-Kasan Marieluise Beck (Bremen) Karin Maag Carola Stauche Heinz-Peter Haustein Volker Beck (Köln) Hans-Georg von der Marwitz Dr. Frank Steffel Manuel Höferlin Cornelia Behm Andreas Mattfeldt Erika Steinbach (B) Elke Hoff Birgitt Bender (D) Stephan Mayer (Altötting) Christian Freiherr von Stetten Birgit Homburger Alexander Bonde Dr. Michael Meister Dieter Stier Dr. Werner Hoyer Ekin Deligöz Dr. Angela Merkel Gero Storjohann Heiner Kamp Katja Dörner Maria Michalk Stephan Stracke Michael Kauch Hans-Josef Fell Dr. Mathias Middelberg Max Straubinger Dr. Thomas Gambke Dr. Lutz Knopek Philipp Mißfelder Karin Strenz Kai Gehring Pascal Kober Dietrich Monstadt Katrin Göring-Eckardt Thomas Strobl (Heilbronn) Dr. Heinrich L. Kolb Dr. Gerd Müller Britta Haßelmann Lena Strothmann Gudrun Kopp Stefan Müller (Erlangen) Michael Stübgen Bettina Herlitzius Dr. Philipp Murmann Dr. h. c. Jürgen Koppelin Winfried Hermann Dr. Peter Tauber Sebastian Körber Bernd Neumann (Bremen) Antje Tillmann Priska Hinz (Herborn) Michaela Noll Holger Krestel Ulrike Höfken Dr. Hans-Peter Uhl Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Georg Nüßlein Arnold Vaatz Dr. Anton Hofreiter Franz Obermeier Heinz Lanfermann Volkmar Vogel (Kleinsaara) Bärbel Höhn Eduard Oswald Sibylle Laurischk Stefanie Vogelsang Ingrid Hönlinger Henning Otte Harald Leibrecht Andrea Astrid Voßhoff Thilo Hoppe Dr. Michael Paul Sabine Leutheusser- Uwe Kekeritz Dr. Johann Wadephul Rita Pawelski Schnarrenberger Katja Keul Marco Wanderwitz Ulrich Petzold Lars Lindemann Memet Kilic Kai Wegner Dr. Joachim Pfeiffer Dr. Martin Lindner (Berlin) Sven-Christian Kindler Sibylle Pfeiffer Marcus Weinberg (Hamburg) Michael Link (Heilbronn) Maria Anna Klein-Schmeink Beatrix Philipp Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Erwin Lotter Ute Koczy Ronald Pofalla Sabine Weiss (Wesel I) Oliver Luksic Tom Koenigs Christoph Poland Ingo Wellenreuther Gabriele Molitor Sylvia Kotting-Uhl Ruprecht Polenz Peter Wichtel Jan Mücke Oliver Krischer Eckhard Pols Annette Widmann-Mauz Petra Müller (Aachen) Agnes Krumwiede Thomas Rachel Klaus-Peter Willsch Burkhardt Müller-Sönksen Fritz Kuhn Dr. Peter Ramsauer Elisabeth Winkelmeier- Dr. Martin Neumann Stephan Kühn Eckhardt Rehberg Becker (Lausitz) Renate Künast Katherina Reiche (Potsdam) Dagmar Wöhrl Hans-Joachim Otto Markus Kurth Lothar Riebsamen Dr. Matthias Zimmer (Frankfurt) Undine Kurth (Quedlinburg) Josef Rief Wolfgang Zöller Cornelia Pieper Monika Lazar Klaus Riegert Willi Zylajew Gisela Piltz Agnes Malczak 10676 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Jerzy Montag Uwe Beckmeyer Frank Hofmann (Volkach) Dr. Carola Reimann (C) Kerstin Müller (Köln) Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Eva Högl Sönke Rix Beate Müller-Gemmeke Gerd Bollmann Christel Humme René Röspel Dr. Konstantin von Notz Klaus Brandner Josip Juratovic Dr. Ernst Dieter Rossmann Omid Nouripour Willi Brase Oliver Kaczmarek Karin Roth (Esslingen) Friedrich Ostendorff Bernhard Brinkmann Johannes Kahrs Michael Roth (Heringen) Lisa Paus (Hildesheim) Dr. h. c. Susanne Kastner Marlene Rupprecht Brigitte Pothmer Edelgard Bulmahn Ulrich Kelber (Tuchenbach) Tabea Rößner Ulla Burchardt Hans-Ulrich Klose Anton Schaaf Claudia Roth (Augsburg) Martin Burkert Dr. Bärbel Kofler Axel Schäfer (Bochum) Krista Sager Petra Crone Daniela Kolbe (Leipzig) Bernd Scheelen Manuel Sarrazin Dr. Peter Danckert Fritz Rudolf Körper Werner Schieder (Weiden) Elisabeth Scharfenberg Martin Dörmann Anette Kramme Ulla Schmidt (Aachen) Christine Scheel Elvira Drobinski-Weiß Nicolette Kressl Silvia Schmidt (Eisleben) Dr. Gerhard Schick Garrelt Duin Angelika Krüger-Leißner Carsten Schneider (Erfurt) Dorothea Steiner Sebastian Edathy Ute Kumpf Ottmar Schreiner Dr. Wolfgang Strengmann- Siegmund Ehrmann Christine Lambrecht Swen Schulz (Spandau) Kuhn Karin Evers-Meyer Christian Lange (Backnang) Ewald Schurer Hans-Christian Ströbele Elke Ferner Dr. Karl Lauterbach Frank Schwabe Steffen-Claudio Lemme Dr. Harald Terpe Gabriele Fograscher Dr. Martin Schwanholz Dr. Edgar Franke Burkhard Lischka Markus Tressel Stefan Schwartze Dagmar Freitag Gabriele Lösekrug-Möller Jürgen Trittin Rita Schwarzelühr-Sutter Peter Friedrich Kirsten Lühmann Daniela Wagner Dr. Carsten Sieling Michael Gerdes Caren Marks Dr. Valerie Wilms Sonja Steffen Josef Philip Winkler Martin Gerster Katja Mast Iris Gleicke Hilde Mattheis Peer Steinbrück Günter Gloser Ullrich Meßmer Dr. Frank-Walter Steinmeier Enthalten Ulrike Gottschalck Dr. Matthias Miersch Christoph Strässer Angelika Graf (Rosenheim) Franz Müntefering Kerstin Tack CDU/CSU Kerstin Griese Dr. Rolf Mützenich Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Manfred Kolbe Michael Groß Dietmar Nietan Wolfgang Gunkel Manfred Nink Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit SPD Hans-Joachim Hacker Thomas Oppermann Bettina Hagedorn Holger Ortel Ute Vogt Ingrid Arndt-Brauer Klaus Hagemann Aydan Özoğuz Dr. Marlies Volkmer (B) Rainer Arnold Michael Hartmann Heinz Paula Andrea Wicklein (D) Heinz-Joachim Barchmann (Wackernheim) Johannes Pflug Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Hans-Peter Bartels Hubertus Heil (Peine) Joachim Poß Dr. Dieter Wiefelspütz Klaus Barthel Rolf Hempelmann Dr. Wilhelm Priesmeier Waltraud Wolff Sören Bartol Dr. Barbara Hendricks Florian Pronold (Wolmirstedt) Bärbel Bas Gustav Herzog Dr. Sascha Raabe Dagmar Ziegler Sabine Bätzing-Lichtenthäler Gabriele Hiller-Ohm Mechthild Rawert Manfred Zöllmer Dirk Becker Petra Hinz (Essen) Gerold Reichenbach Brigitte Zypries

Anlage 13 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtliche Anerkennung von DDR-Regelungen für ins Ausland mitgereiste Ehepartnerinnen und Ehepartner sowie von im Ausland erworbenen Ansprü- chen (Drucksachen 17/3878 und 17/4769 Buchstabe i) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Ja Heidrun Bluhm Heidrun Dittrich Abgegebene Stimmen: 580; Steffen Bockhahn Werner Dreibus davon DIE LINKE Christine Buchholz Dr. Dagmar Enkelmann ja: 69 Jan van Aken Eva Bulling-Schröter Wolfgang Gehrcke nein: 371 Agnes Alpers Dr. Martina Bunge Nicole Gohlke enthalten: 134 Dr. Dietmar Bartsch Roland Claus Diana Golze Sevim Dağdelen Annette Groth ungültig: 6 Herbert Behrens Matthias W. Birkwald Dr. Diether Dehm Dr. Gregor Gysi Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10677

(A) Heike Hänsel Dr. Maria Böhmer Robert Hochbaum Dr. Michael Paul (C) Dr. Rosemarie Hein Wolfgang Börnsen Karl Holmeier Rita Pawelski Inge Höger (Bönstrup) Franz-Josef Holzenkamp Ulrich Petzold Andrej Hunko Wolfgang Bosbach Anette Hübinger Dr. Joachim Pfeiffer Ulla Jelpke Norbert Brackmann Thomas Jarzombek Sibylle Pfeiffer Dr. Lukrezia Jochimsen Klaus Brähmig Dieter Jasper Beatrix Philipp Katja Kipping Michael Brand Dr. Franz Josef Jung Ronald Pofalla Harald Koch Dr. Reinhard Brandl Andreas Jung (Konstanz) Christoph Poland Jan Korte Helmut Brandt Dr. Egon Jüttner Ruprecht Polenz Jutta Krellmann Dr. Ralf Brauksiepe Bartholomäus Kalb Eckhard Pols Katrin Kunert Dr. Helge Braun Hans-Werner Kammer Thomas Rachel Caren Lay Heike Brehmer Steffen Kampeter Dr. Peter Ramsauer Sabine Leidig Ralph Brinkhaus Bernhard Kaster Eckhardt Rehberg Ralph Lenkert Cajus Caesar Volker Kauder Katherina Reiche (Potsdam) Michael Leutert Gitta Connemann Siegfried Kauder (Villingen- Lothar Riebsamen Ulla Lötzer Alexander Dobrindt Schwenningen) Josef Rief Dr. Gesine Lötzsch Thomas Dörflinger Dr. Stefan Kaufmann Klaus Riegert Ulrich Maurer Dr. Thomas Feist Roderich Kiesewetter Dr. Heinz Riesenhuber Dorothee Menzner Enak Ferlemann Eckart von Klaeden Johannes Röring Cornelia Möhring Ingrid Fischbach Ewa Klamt Dr. Norbert Röttgen Kornelia Möller Hartwig Fischer (Göttingen) Volkmar Klein Dr. Christian Ruck Niema Movassat Dirk Fischer (Hamburg) Jürgen Klimke Erwin Rüddel Wolfgang Nešković Axel E. Fischer (Karlsruhe- Julia Klöckner Albert Rupprecht (Weiden) Thomas Nord Land) Axel Knoerig Anita Schäfer (Saalstadt) Petra Pau Dr. Maria Flachsbarth Jens Koeppen Dr. Annette Schavan Jens Petermann Klaus-Peter Flosbach Dr. Rolf Koschorrek Dr. Andreas Scheuer Richard Pitterle Herbert Frankenhauser Hartmut Koschyk Karl Schiewerling Yvonne Ploetz Dr. Hans-Peter Friedrich Thomas Kossendey Norbert Schindler Ingrid Remmers (Hof) Gunther Krichbaum Tankred Schipanski Paul Schäfer (Köln) Michael Frieser Dr. Günter Krings Georg Schirmbeck Dr. Ilja Seifert Erich G. Fritz Bettina Kudla Christian Schmidt (Fürth) Kathrin Senger-Schäfer Hans-Joachim Fuchtel Dr. Hermann Kues Patrick Schnieder Raju Sharma Alexander Funk Günter Lach Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Petra Sitte Ingo Gädechens Dr. Karl A. Lamers Nadine Schön (St. Wendel) Kersten Steinke Dr. Thomas Gebhart (Heidelberg) Dr. Kristina Schröder (B) Sabine Stüber (D) Norbert Geis Andreas G. Lämmel (Wiesbaden) Alexander Süßmair Alois Gerig Dr. Norbert Lammert Dr. Ole Schröder Dr. Kirsten Tackmann Eberhard Gienger Katharina Landgraf Bernhard Schulte-Drüggelte Frank Tempel Michael Glos Ulrich Lange Uwe Schummer Dr. Axel Troost Josef Göppel Dr. Max Lehmer Alexander Ulrich Armin Schuster (Weil am Peter Götz Paul Lehrieder Kathrin Vogler Rhein) Dr. Wolfgang Götzer Johanna Voß Dr. Ursula von der Leyen Detlef Seif Halina Wawzyniak Ute Granold Ingbert Liebing Johannes Selle Harald Weinberg Reinhard Grindel Matthias Lietz Reinhold Sendker Katrin Werner Hermann Gröhe Dr. Carsten Linnemann Dr. Patrick Sensburg Jörn Wunderlich Michael Grosse-Brömer Patricia Lips Bernd Siebert Sabine Zimmermann Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Johannes Singhammer Manfred Grund Daniela Ludwig Jens Spahn Monika Grütters Dr. Michael Luther Carola Stauche Nein Karl-Theodor Freiherr Karin Maag Dr. Frank Steffel zu Guttenberg Hans-Georg von der Marwitz Erika Steinbach CDU/CSU Olav Gutting Andreas Mattfeldt Christian Freiherr von Stetten Ilse Aigner Florian Hahn Stephan Mayer (Altötting) Dieter Stier Peter Altmaier Holger Haibach Dr. Michael Meister Gero Storjohann Peter Aumer Dr. Stephan Harbarth Dr. Angela Merkel Stephan Stracke Dorothee Bär Jürgen Hardt Maria Michalk Max Straubinger Thomas Bareiß Gerda Hasselfeldt Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Norbert Barthle Dr. Matthias Heider Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) Günter Baumann Mechthild Heil Dietrich Monstadt Lena Strothmann Ernst-Reinhard Beck Ursula Heinen-Esser Dr. Gerd Müller Michael Stübgen (Reutlingen) Frank Heinrich Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Manfred Behrens (Börde) Rudolf Henke Dr. Philipp Murmann Antje Tillmann Veronika Bellmann Michael Hennrich Bernd Neumann (Bremen) Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Christoph Bergner Jürgen Herrmann Michaela Noll Arnold Vaatz Peter Beyer Ansgar Heveling Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Steffen Bilger Ernst Hinsken Franz Obermeier Stefanie Vogelsang Clemens Binninger Peter Hintze Eduard Oswald Andrea Astrid Voßhoff Peter Bleser Christian Hirte Henning Otte Dr. Johann Wadephul 10678 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Marco Wanderwitz Lars Lindemann Memet Kilic Petra Crone (C) Kai Wegner Dr. Martin Lindner (Berlin) Sven-Christian Kindler Dr. Peter Danckert Marcus Weinberg (Hamburg) Michael Link (Heilbronn) Maria Anna Klein-Schmeink Martin Dörmann Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Erwin Lotter Ute Koczy Elvira Drobinski-Weiß Sabine Weiss (Wesel I) Oliver Luksic Tom Koenigs Garrelt Duin Ingo Wellenreuther Gabriele Molitor Sylvia Kotting-Uhl Sebastian Edathy Peter Wichtel Jan Mücke Oliver Krischer Siegmund Ehrmann Annette Widmann-Mauz Petra Müller (Aachen) Agnes Krumwiede Karin Evers-Meyer Klaus-Peter Willsch Burkhardt Müller-Sönksen Fritz Kuhn Elke Ferner Elisabeth Winkelmeier- Dr. Martin Neumann Stephan Kühn Gabriele Fograscher Becker (Lausitz) Renate Künast Dr. Edgar Franke Dagmar Wöhrl Hans-Joachim Otto Markus Kurth Dagmar Freitag Dr. Matthias Zimmer (Frankfurt) Undine Kurth (Quedlinburg) Peter Friedrich Wolfgang Zöller Cornelia Pieper Monika Lazar Michael Gerdes Willi Zylajew Gisela Piltz Agnes Malczak Martin Gerster Dr. Christiane Ratjen- Jerzy Montag Iris Gleicke SPD Damerau Kerstin Müller (Köln) Günter Gloser Dr. Birgit Reinemund Beate Müller-Gemmeke Ulrike Gottschalck Rolf Schwanitz Dr. Peter Röhlinger Dr. Konstantin von Notz Angelika Graf (Rosenheim) Dr. Stefan Ruppert Omid Nouripour Kerstin Griese FDP Björn Sänger Friedrich Ostendorff Michael Groß Frank Schäffler Jens Ackermann Lisa Paus Wolfgang Gunkel Christoph Schnurr Christian Ahrendt Brigitte Pothmer Hans-Joachim Hacker Christine Aschenberg- Jimmy Schulz Tabea Rößner Bettina Hagedorn Dugnus Marina Schuster Claudia Roth (Augsburg) Klaus Hagemann Daniel Bahr (Münster) Dr. Erik Schweickert Krista Sager Michael Hartmann Florian Bernschneider Werner Simmling Manuel Sarrazin (Wackernheim) Sebastian Blumenthal Judith Skudelny Elisabeth Scharfenberg Hubertus Heil (Peine) Claudia Bögel Dr. Hermann Otto Solms Christine Scheel Rolf Hempelmann Nicole Bracht-Bendt Joachim Spatz Dr. Barbara Hendricks Klaus Breil Dr. Max Stadler Dr. Gerhard Schick Gustav Herzog Rainer Brüderle Torsten Staffeldt Dorothea Steiner Angelika Brunkhorst Dr. Rainer Stinner Dr. Wolfgang Strengmann- Gabriele Hiller-Ohm Marco Buschmann Stephan Thomae Kuhn Petra Hinz (Essen) Florian Toncar Hans-Christian Ströbele Frank Hofmann (Volkach) (B) Sylvia Canel (D) Reiner Deutschmann Serkan Tören Dr. Harald Terpe Dr. Eva Högl Patrick Döring Johannes Vogel Markus Tressel Christel Humme Mechthild Dyckmans (Lüdenscheid) Jürgen Trittin Josip Juratovic Rainer Erdel Dr. Daniel Volk Daniela Wagner Oliver Kaczmarek Jörg van Essen Dr. Claudia Winterstein Dr. Valerie Wilms Johannes Kahrs Ulrike Flach Dr. Volker Wissing Josef Philip Winkler Dr. h. c. Susanne Kastner Otto Fricke Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ulrich Kelber Dr. Edmund Peter Geisen Enthalten Hans-Ulrich Klose Dr. Wolfgang Gerhardt BÜNDNIS 90/ Dr. Bärbel Kofler Hans-Michael Goldmann DIE GRÜNEN CDU/CSU Daniela Kolbe (Leipzig) Miriam Gruß Fritz Rudolf Körper Kerstin Andreae Manfred Kolbe Joachim Günther (Plauen) Marieluise Beck (Bremen) Anette Kramme Dr. Christel Happach-Kasan Nicolette Kressl Volker Beck (Köln) SPD Heinz-Peter Haustein Cornelia Behm Angelika Krüger-Leißner Manuel Höferlin Birgitt Bender Ingrid Arndt-Brauer Ute Kumpf Elke Hoff Alexander Bonde Rainer Arnold Christine Lambrecht Birgit Homburger Ekin Deligöz Heinz-Joachim Barchmann Christian Lange (Backnang) Dr. Werner Hoyer Katja Dörner Dr. Hans-Peter Bartels Dr. Karl Lauterbach Heiner Kamp Hans-Josef Fell Klaus Barthel Steffen-Claudio Lemme Michael Kauch Dr. Thomas Gambke Sören Bartol Burkhard Lischka Dr. Lutz Knopek Kai Gehring Bärbel Bas Gabriele Lösekrug-Möller Pascal Kober Katrin Göring-Eckardt Sabine Bätzing-Lichtenthäler Kirsten Lühmann Dr. Heinrich L. Kolb Britta Haßelmann Dirk Becker Caren Marks Gudrun Kopp Bettina Herlitzius Uwe Beckmeyer Katja Mast Dr. h. c. Jürgen Koppelin Winfried Hermann Lothar Binding (Heidelberg) Hilde Mattheis Sebastian Körber Priska Hinz (Herborn) Gerd Bollmann Ullrich Meßmer Holger Krestel Ulrike Höfken Klaus Brandner Dr. Matthias Miersch Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Anton Hofreiter Willi Brase Franz Müntefering Heinz Lanfermann Bärbel Höhn Bernhard Brinkmann Dr. Rolf Mützenich Sibylle Laurischk Ingrid Hönlinger (Hildesheim) Dietmar Nietan Harald Leibrecht Thilo Hoppe Edelgard Bulmahn Manfred Nink Sabine Leutheusser- Uwe Kekeritz Ulla Burchardt Thomas Oppermann Schnarrenberger Katja Keul Martin Burkert Holger Ortel Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10679

(A) Aydan Özoğuz Karin Roth (Esslingen) Ewald Schurer Wolfgang Tiefensee (C) Heinz Paula Michael Roth (Heringen) Frank Schwabe Rüdiger Veit Johannes Pflug Marlene Rupprecht Dr. Martin Schwanholz Ute Vogt Joachim Poß (Tuchenbach) Stefan Schwartze Dr. Marlies Volkmer Dr. Wilhelm Priesmeier Anton Schaaf Rita Schwarzelühr-Sutter Andrea Wicklein Florian Pronold Axel Schäfer (Bochum) Dr. Carsten Sieling Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Sascha Raabe Bernd Scheelen Sonja Steffen Mechthild Rawert Werner Schieder (Weiden) Peer Steinbrück Dr. Dieter Wiefelspütz Gerold Reichenbach Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Frank-Walter Steinmeier Waltraud Wolff Dr. Carola Reimann Silvia Schmidt (Eisleben) Christoph Strässer (Wolmirstedt) Sönke Rix Carsten Schneider (Erfurt) Kerstin Tack Dagmar Ziegler René Röspel Ottmar Schreiner Dr. h. c. Wolfgang Thierse Manfred Zöllmer Dr. Ernst Dieter Rossmann Swen Schulz (Spandau) Franz Thönnes Brigitte Zypries

Anlage 14 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenrechtliche Anerkennung aller freiwilligen Beiträge aus DDR-Zeiten (Drucksachen 17/3879 und 17/4769 Buchstabe j) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Jan Korte Nein Axel E. Fischer (Karlsruhe- Abgegebene Stimmen: 580; Jutta Krellmann Land) davon Katrin Kunert CDU/CSU Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach ja: 69 Caren Lay Ilse Aigner Herbert Frankenhauser Sabine Leidig Peter Altmaier nein: 371 Dr. Hans-Peter Friedrich Ralph Lenkert Peter Aumer enthalten: 133 (Hof) Michael Leutert Dorothee Bär ungültig: 7 Michael Frieser (B) Ulla Lötzer Thomas Bareiß (D) Dr. Gesine Lötzsch Erich G. Fritz Norbert Barthle Hans-Joachim Fuchtel Ulrich Maurer Ja Günter Baumann Alexander Funk Dorothee Menzner Ernst-Reinhard Beck Ingo Gädechens DIE LINKE Cornelia Möhring (Reutlingen) Dr. Thomas Gebhart Jan van Aken Kornelia Möller Manfred Behrens (Börde) Norbert Geis Agnes Alpers Niema Movassat Veronika Bellmann Alois Gerig Dr. Dietmar Bartsch Wolfgang Nešković Dr. Christoph Bergner Eberhard Gienger Herbert Behrens Thomas Nord Peter Beyer Michael Glos Matthias W. Birkwald Petra Pau Steffen Bilger Josef Göppel Heidrun Bluhm Jens Petermann Clemens Binninger Peter Götz Steffen Bockhahn Richard Pitterle Peter Bleser Dr. Wolfgang Götzer Christine Buchholz Yvonne Ploetz Dr. Maria Böhmer Ute Granold Eva Bulling-Schröter Ingrid Remmers Wolfgang Börnsen Reinhard Grindel Dr. Martina Bunge Paul Schäfer (Köln) (Bönstrup) Hermann Gröhe Roland Claus Dr. Ilja Seifert Wolfgang Bosbach Michael Grosse-Brömer Sevim Dağdelen Kathrin Senger-Schäfer Norbert Brackmann Markus Grübel Dr. Diether Dehm Raju Sharma Klaus Brähmig Manfred Grund Michael Brand Heidrun Dittrich Dr. Petra Sitte Monika Grütters Dr. Reinhard Brandl Werner Dreibus Kersten Steinke Karl-Theodor Freiherr Helmut Brandt Dr. Dagmar Enkelmann Sabine Stüber zu Guttenberg Dr. Ralf Brauksiepe Wolfgang Gehrcke Alexander Süßmair Olav Gutting Nicole Gohlke Dr. Helge Braun Florian Hahn Dr. Kirsten Tackmann Diana Golze Heike Brehmer Holger Haibach Frank Tempel Annette Groth Ralph Brinkhaus Dr. Stephan Harbarth Dr. Gregor Gysi Dr. Axel Troost Cajus Caesar Jürgen Hardt Heike Hänsel Alexander Ulrich Gitta Connemann Gerda Hasselfeldt Dr. Rosemarie Hein Kathrin Vogler Alexander Dobrindt Dr. Matthias Heider Inge Höger Johanna Voß Thomas Dörflinger Mechthild Heil Andrej Hunko Halina Wawzyniak Dr. Thomas Feist Ursula Heinen-Esser Ulla Jelpke Harald Weinberg Enak Ferlemann Frank Heinrich Dr. Lukrezia Jochimsen Katrin Werner Ingrid Fischbach Rudolf Henke Katja Kipping Jörn Wunderlich Hartwig Fischer (Göttingen) Michael Hennrich Harald Koch Sabine Zimmermann Dirk Fischer (Hamburg) Jürgen Herrmann 10680 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Ansgar Heveling Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sibylle Laurischk (C) Ernst Hinsken Franz Obermeier Stefanie Vogelsang Harald Leibrecht Peter Hintze Eduard Oswald Andrea Astrid Voßhoff Sabine Leutheusser- Christian Hirte Henning Otte Dr. Johann Wadephul Schnarrenberger Robert Hochbaum Dr. Michael Paul Marco Wanderwitz Lars Lindemann Karl Holmeier Rita Pawelski Kai Wegner Dr. Martin Lindner (Berlin) Franz-Josef Holzenkamp Ulrich Petzold Marcus Weinberg (Hamburg) Michael Link (Heilbronn) Anette Hübinger Dr. Joachim Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Erwin Lotter Thomas Jarzombek Sibylle Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Oliver Luksic Dieter Jasper Beatrix Philipp Ingo Wellenreuther Gabriele Molitor Dr. Franz Josef Jung Ronald Pofalla Peter Wichtel Jan Mücke Andreas Jung (Konstanz) Christoph Poland Annette Widmann-Mauz Petra Müller (Aachen) Dr. Egon Jüttner Ruprecht Polenz Klaus-Peter Willsch Burkhardt Müller-Sönksen Bartholomäus Kalb Eckhard Pols Elisabeth Winkelmeier- Dr. Martin Neumann Hans-Werner Kammer Thomas Rachel Becker (Lausitz) Steffen Kampeter Dr. Peter Ramsauer Dagmar Wöhrl Hans-Joachim Otto Bernhard Kaster Eckhardt Rehberg Dr. Matthias Zimmer (Frankfurt) Volker Kauder Katherina Reiche (Potsdam) Wolfgang Zöller Cornelia Pieper Siegfried Kauder (Villingen- Lothar Riebsamen Willi Zylajew Gisela Piltz Schwenningen) Josef Rief Dr. Christiane Ratjen- Dr. Stefan Kaufmann Klaus Riegert SPD Damerau Roderich Kiesewetter Dr. Heinz Riesenhuber Dr. Birgit Reinemund Rolf Schwanitz Eckart von Klaeden Johannes Röring Dr. Peter Röhlinger Ewa Klamt Dr. Norbert Röttgen Dr. Stefan Ruppert FDP Volkm ar K le in Dr. Christian Ruck Björn Sänger Jürgen Klimke Erwin Rüddel Jens Ackermann Frank Schäffler Julia Klöckner Albert Rupprecht (Weiden) Christian Ahrendt Christoph Schnurr Axel Knoerig Anita Schäfer (Saalstadt) Christine Aschenberg- Jimmy Schulz Jens Koeppen Dr. Annette Schavan Dugnus Marina Schuster Dr. Rolf Koschorrek Dr. Andreas Scheuer Daniel Bahr (Münster) Dr. Erik Schweickert Hartmut Koschyk Karl Schiewerling Florian Bernschneider Werner Simmling Thomas Kossendey Norbert Schindler Sebastian Blumenthal Judith Skudelny Gunther Krichbaum Tankred Schipanski Claudia Bögel Dr. Hermann Otto Solms Dr. Günter Krings Georg Schirmbeck Nicole Bracht-Bendt Joachim Spatz Dr. Max Stadler (B) Bettina Kudla Christian Schmidt (Fürth) Klaus Breil (D) Dr. Hermann Kues Patrick Schnieder Rainer Brüderle Torsten Staffeldt Günter Lach Dr. Andreas Schockenhoff Angelika Brunkhorst Dr. Rainer Stinner Dr. Karl A. Lamers Nadine Schön (St. Wendel) Marco Buschmann Stephan Thomae (Heidelberg) Dr. Kristina Schröder Sylvia Canel Florian Toncar Andreas G. Lämmel (Wiesbaden) Reiner Deutschmann Serkan Tören Dr. Norbert Lammert Dr. Ole Schröder Patrick Döring Johannes Vogel Katharina Landgraf Bernhard Schulte-Drüggelte Mechthild Dyckmans (Lüdenscheid) Ulrich Lange Uwe Schummer Rainer Erdel Dr. Daniel Volk Dr. Max Lehmer Armin Schuster (Weil am Jörg van Essen Dr. Claudia Winterstein Paul Lehrieder Rhein) Ulrike Flach Dr. Volker Wissing Dr. Ursula von der Leyen Detlef Seif Otto Fricke Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ingbert Liebing Johannes Selle Dr. Edmund Peter Geisen Matthias Lietz Reinhold Sendker Dr. Wolfgang Gerhardt BÜNDNIS 90/ Dr. Carsten Linnemann Dr. Patrick Sensburg Hans-Michael Goldmann DIE GRÜNEN Patricia Lips Bernd Siebert Miriam Gruß Kerstin Andreae Dr. Jan-Marco Luczak Johannes Singhammer Joachim Günther (Plauen) Marieluise Beck (Bremen) Daniela Ludwig Jens Spahn Dr. Christel Happach-Kasan Volker Beck (Köln) Dr. Michael Luther Carola Stauche Heinz-Peter Haustein Cornelia Behm Karin Maag Dr. Frank Steffel Manuel Höferlin Birgitt Bender Hans-Georg von der Marwitz Erika Steinbach Elke Hoff Alexander Bonde Andreas Mattfeldt Christian Freiherr von Stetten Birgit Homburger Ekin Deligöz Stephan Mayer (Altötting) Dieter Stier Dr. Werner Hoyer Katja Dörner Dr. Michael Meister Gero Storjohann Heiner Kamp Hans-Josef Fell Dr. Angela Merkel Stephan Stracke Michael Kauch Dr. Thomas Gambke Maria Michalk Max Straubinger Dr. Lutz Knopek Kai Gehring Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Pascal Kober Katrin Göring-Eckardt Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) Dr. Heinrich L. Kolb Britta Haßelmann Dietrich Monstadt Lena Strothmann Gudrun Kopp Bettina Herlitzius Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Dr. h. c. Jürgen Koppelin Winfried Hermann Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Sebastian Körber Priska Hinz (Herborn) Dr. Philipp Murmann Antje Tillmann Holger Krestel Ulrike Höfken Bernd Neumann (Bremen) Dr. Hans-Peter Uhl Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Anton Hofreiter Michaela Noll Arnold Vaatz Heinz Lanfermann Bärbel Höhn Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10681

(A) Ingrid Hönlinger Enthalten Hans-Joachim Hacker Joachim Poß (C) Thilo Hoppe Bettina Hagedorn Dr. Wilhelm Priesmeier Uwe Kekeritz CDU/CSU Klaus Hagemann Florian Pronold Michael Hartmann Katja Keul Manfred Kolbe Dr. Sascha Raabe Memet Kilic (Wackernheim) Mechthild Rawert Hubertus Heil (Peine) Sven-Christian Kindler SPD Gerold Reichenbach Rolf Hempelmann Dr. Carola Reimann Maria Anna Klein-Schmeink Ingrid Arndt-Brauer Dr. Barbara Hendricks Sönke Rix Ute Koczy Rainer Arnold Gustav Herzog René Röspel Tom Koenigs Heinz-Joachim Barchmann Gabriele Hiller-Ohm Dr. Ernst Dieter Rossmann Sylvia Kotting-Uhl Dr. Hans-Peter Bartels Petra Hinz (Essen) Karin Roth (Esslingen) Oliver Krischer Klaus Barthel Frank Hofmann (Volkach) Michael Roth (Heringen) Agnes Krumwiede Sören Bartol Dr. Eva Högl Marlene Rupprecht Fritz Kuhn Bärbel Bas Christel Humme (Tuchenbach) Stephan Kühn Sabine Bätzing-Lichtenthäler Josip Juratovic Anton Schaaf Renate Künast Dirk Becker Oliver Kaczmarek Axel Schäfer (Bochum) Markus Kurth Uwe Beckmeyer Johannes Kahrs Bernd Scheelen Lothar Binding (Heidelberg) Dr. h. c. Susanne Kastner Undine Kurth (Quedlinburg) Werner Schieder (Weiden) Gerd Bollmann Ulrich Kelber Monika Lazar Ulla Schmidt (Aachen) Klaus Brandner Hans-Ulrich Klose Silvia Schmidt (Eisleben) Agnes Malczak Willi Brase Dr. Bärbel Kofler Jerzy Montag Ottmar Schreiner Bernhard Brinkmann Daniela Kolbe (Leipzig) Swen Schulz (Spandau) Kerstin Müller (Köln) (Hildesheim) Fritz Rudolf Körper Ewald Schurer Beate Müller-Gemmeke Edelgard Bulmahn Anette Kramme Frank Schwabe Ulla Burchardt Nicolette Kressl Dr. Konstantin von Notz Dr. Martin Schwanholz Martin Burkert Angelika Krüger-Leißner Omid Nouripour Stefan Schwartze Petra Crone Ute Kumpf Friedrich Ostendorff Rita Schwarzelühr-Sutter Lisa Paus Dr. Peter Danckert Christine Lambrecht Martin Dörmann Christian Lange (Backnang) Dr. Carsten Sieling Brigitte Pothmer Elvira Drobinski-Weiß Dr. Karl Lauterbach Sonja Steffen Tabea Rößner Garrelt Duin Steffen-Claudio Lemme Peer Steinbrück Claudia Roth (Augsburg) Sebastian Edathy Burkhard Lischka Dr. Frank-Walter Steinmeier Krista Sager Siegmund Ehrmann Gabriele Lösekrug-Möller Christoph Strässer Manuel Sarrazin Karin Evers-Meyer Kirsten Lühmann Kerstin Tack Elisabeth Scharfenberg Elke Ferner Caren Marks Dr. h. c. Wolfgang Thierse (B) Christine Scheel Gabriele Fograscher Katja Mast Franz Thönnes (D) Dr. Gerhard Schick Dr. Edgar Franke Hilde Mattheis Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Dorothea Steiner Dagmar Freitag Ullrich Meßmer Ute Vogt Dr. Wolfgang Strengmann- Peter Friedrich Dr. Matthias Miersch Dr. Marlies Volkmer Kuhn Michael Gerdes Franz Müntefering Andrea Wicklein Hans-Christian Ströbele Martin Gerster Dr. Rolf Mützenich Iris Gleicke Dietmar Nietan Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Harald Terpe Günter Gloser Manfred Nink Dr. Dieter Wiefelspütz Markus Tressel Ulrike Gottschalck Thomas Oppermann Waltraud Wolff Jürgen Trittin Angelika Graf (Rosenheim) Holger Ortel (Wolmirstedt) Daniela Wagner Kerstin Griese Aydan Özoğuz Dagmar Ziegler Dr. Valerie Wilms Michael Groß Heinz Paula Manfred Zöllmer Josef Philip Winkler Wolfgang Gunkel Johannes Pflug Brigitte Zypries

Anlage 15 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Befristetes System „sui generis“ für die Beseitigung des Versorgungsunrechts bei den Zusatz- und Sonderversorgungen der DDR (Drucksachen 17/3880 und 17/4769 Buchstabe k) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Ja Matthias W. Birkwald Dr. Diether Dehm Abgegebene Stimmen: 580; Heidrun Bluhm Heidrun Dittrich davon DIE LINKE Steffen Bockhahn Werner Dreibus Christine Buchholz Dr. Dagmar Enkelmann ja: 69 Jan van Aken Eva Bulling-Schröter Wolfgang Gehrcke nein: 502 Agnes Alpers Dr. Martina Bunge Nicole Gohlke enthalten: 3 Dr. Dietmar Bartsch Roland Claus Diana Golze ungültig: 6 Herbert Behrens Sevim Dağdelen Annette Groth 10682 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Dr. Gregor Gysi Clemens Binninger Peter Hintze Eduard Oswald (C) Heike Hänsel Peter Bleser Christian Hirte Henning Otte Dr. Rosemarie Hein Dr. Maria Böhmer Robert Hochbaum Dr. Michael Paul Inge Höger Wolfgang Börnsen Karl Holmeier Rita Pawelski Andrej Hunko (Bönstrup) Franz-Josef Holzenkamp Ulrich Petzold Ulla Jelpke Wolfgang Bosbach Anette Hübinger Dr. Joachim Pfeiffer Dr. Lukrezia Jochimsen Norbert Brackmann Thomas Jarzombek Sibylle Pfeiffer Katja Kipping Klaus Brähmig Dieter Jasper Beatrix Philipp Harald Koch Michael Brand Dr. Franz Josef Jung Ronald Pofalla Jan Korte Dr. Reinhard Brandl Andreas Jung (Konstanz) Christoph Poland Jutta Krellmann Helmut Brandt Dr. Egon Jüttner Ruprecht Polenz Katrin Kunert Dr. Ralf Brauksiepe Bartholomäus Kalb Eckhard Pols Caren Lay Dr. Helge Braun Hans-Werner Kammer Thomas Rachel Sabine Leidig Heike Brehmer Steffen Kampeter Dr. Peter Ramsauer Ralph Lenkert Ralph Brinkhaus Bernhard Kaster Eckhardt Rehberg Michael Leutert Cajus Caesar Volker Kauder Katherina Reiche (Potsdam) Ulla Lötzer Gitta Connemann Siegfried Kauder (Villingen- Lothar Riebsamen Dr. Gesine Lötzsch Alexander Dobrindt Schwenningen) Josef Rief Ulrich Maurer Thomas Dörflinger Dr. Stefan Kaufmann Klaus Riegert Dorothee Menzner Dr. Thomas Feist Roderich Kiesewetter Dr. Heinz Riesenhuber Cornelia Möhring Enak Ferlemann Eckart von Klaeden Johannes Röring Kornelia Möller Ingrid Fischbach Ewa Klamt Dr. Norbert Röttgen Niema Movassat Hartwig Fischer (Göttingen) Volkmar Klein Dr. Christian Ruck Wolfgang Nešković Dirk Fischer (Hamburg) Jürgen Klimke Erwin Rüddel Thomas Nord Axel E. Fischer (Karlsruhe- Julia Klöckner Albert Rupprecht (Weiden) Petra Pau Land) Axel Knoerig Anita Schäfer (Saalstadt) Jens Petermann Dr. Maria Flachsbarth Jens Koeppen Dr. Annette Schavan Richard Pitterle Klaus-Peter Flosbach Dr. Rolf Koschorrek Dr. Andreas Scheuer Yvonne Ploetz Herbert Frankenhauser Hartmut Koschyk Karl Schiewerling Ingrid Remmers Dr. Hans-Peter Friedrich Thomas Kossendey Norbert Schindler Paul Schäfer (Köln) (Hof) Gunther Krichbaum Tankred Schipanski Dr. Ilja Seifert Michael Frieser Dr. Günter Krings Georg Schirmbeck Kathrin Senger-Schäfer Erich G. Fritz Bettina Kudla Christian Schmidt (Fürth) Raju Sharma Hans-Joachim Fuchtel Dr. Hermann Kues Patrick Schnieder (B) Dr. Petra Sitte Alexander Funk Günter Lach Dr. Andreas Schockenhoff (D) Kersten Steinke Ingo Gädechens Dr. Karl A. Lamers Nadine Schön (St. Wendel) Sabine Stüber Dr. Thomas Gebhart (Heidelberg) Dr. Kristina Schröder Alexander Süßmair Norbert Geis Andreas G. Lämmel (Wiesbaden) Dr. Kirsten Tackmann Alois Gerig Dr. Norbert Lammert Dr. Ole Schröder Frank Tempel Eberhard Gienger Katharina Landgraf Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Axel Troost Michael Glos Ulrich Lange Uwe Schummer Alexander Ulrich Josef Göppel Dr. Max Lehmer Armin Schuster (Weil am Kathrin Vogler Peter Götz Paul Lehrieder Rhein) Johanna Voß Dr. Wolfgang Götzer Dr. Ursula von der Leyen Detlef Seif Halina Wawzyniak Ute Granold Ingbert Liebing Johannes Selle Harald Weinberg Reinhard Grindel Matthias Lietz Reinhold Sendker Katrin Werner Hermann Gröhe Dr. Carsten Linnemann Dr. Patrick Sensburg Jörn Wunderlich Michael Grosse-Brömer Patricia Lips Bernd Siebert Sabine Zimmermann Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Johannes Singhammer Manfred Grund Daniela Ludwig Jens Spahn Monika Grütters Dr. Michael Luther Carola Stauche Nein Karl-Theodor Freiherr Karin Maag Dr. Frank Steffel zu Guttenberg Hans-Georg von der Marwitz Erika Steinbach CDU/CSU Olav Gutting Andreas Mattfeldt Christian Freiherr von Stetten Ilse Aigner Florian Hahn Stephan Mayer (Altötting) Dieter Stier Peter Altmaier Holger Haibach Dr. Michael Meister Gero Storjohann Peter Aumer Dr. Stephan Harbarth Dr. Angela Merkel Stephan Stracke Dorothee Bär Jürgen Hardt Maria Michalk Max Straubinger Thomas Bareiß Gerda Hasselfeldt Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Norbert Barthle Dr. Matthias Heider Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) Günter Baumann Mechthild Heil Dietrich Monstadt Lena Strothmann Ernst-Reinhard Beck Ursula Heinen-Esser Dr. Gerd Müller Michael Stübgen (Reutlingen) Frank Heinrich Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Manfred Behrens (Börde) Rudolf Henke Dr. Philipp Murmann Antje Tillmann Veronika Bellmann Michael Hennrich Bernd Neumann (Bremen) Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Christoph Bergner Jürgen Herrmann Michaela Noll Arnold Vaatz Peter Beyer Ansgar Heveling Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Steffen Bilger Ernst Hinsken Franz Obermeier Stefanie Vogelsang Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10683

(A) Andrea Astrid Voßhoff Dr. Barbara Hendricks Dr. Carsten Sieling Sabine Leutheusser- (C) Dr. Johann Wadephul Gustav Herzog Sonja Steffen Schnarrenberger Marco Wanderwitz Gabriele Hiller-Ohm Peer Steinbrück Lars Lindemann Kai Wegner Petra Hinz (Essen) Dr. Frank-Walter Steinmeier Dr. Martin Lindner (Berlin) Marcus Weinberg (Hamburg) Frank Hofmann (Volkach) Christoph Strässer Michael Link (Heilbronn) Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Eva Högl Kerstin Tack Dr. Erwin Lotter Sabine Weiss (Wesel I) Christel Humme Dr. h. c. Wolfgang Thierse Oliver Luksic Ingo Wellenreuther Josip Juratovic Franz Thönnes Gabriele Molitor Peter Wichtel Oliver Kaczmarek Wolfgang Tiefensee Jan Mücke Annette Widmann-Mauz Johannes Kahrs Rüdiger Veit Petra Müller (Aachen) Klaus-Peter Willsch Dr. h. c. Susanne Kastner Ute Vogt Burkhardt Müller-Sönksen Elisabeth Winkelmeier- Ulrich Kelber Dr. Marlies Volkmer Dr. Martin Neumann Becker Hans-Ulrich Klose Andrea Wicklein (Lausitz) Dagmar Wöhrl Dr. Bärbel Kofler Heidemarie Wieczorek-Zeul Hans-Joachim Otto Dr. Matthias Zimmer Daniela Kolbe (Leipzig) Dr. Dieter Wiefelspütz (Frankfurt) Wolfgang Zöller Fritz Rudolf Körper Waltraud Wolff Cornelia Pieper Willi Zylajew Anette Kramme (Wolmirstedt) Gisela Piltz Nicolette Kressl Dagmar Ziegler Dr. Christiane Ratjen- SPD Angelika Krüger-Leißner Manfred Zöllmer Damerau Ute Kumpf Brigitte Zypries Dr. Birgit Reinemund Ingrid Arndt-Brauer Christine Lambrecht Dr. Peter Röhlinger Rainer Arnold Christian Lange (Backnang) FDP Dr. Stefan Ruppert Heinz-Joachim Barchmann Dr. Karl Lauterbach Björn Sänger Dr. Hans-Peter Bartels Steffen-Claudio Lemme Jens Ackermann Frank Schäffler Klaus Barthel Burkhard Lischka Christian Ahrendt Christoph Schnurr Sören Bartol Gabriele Lösekrug-Möller Christine Aschenberg- Jimmy Schulz Bärbel Bas Kirsten Lühmann Dugnus Marina Schuster Sabine Bätzing-Lichtenthäler Caren Marks Daniel Bahr (Münster) Dr. Erik Schweickert Dirk Becker Katja Mast Florian Bernschneider Werner Simmling Uwe Beckmeyer Hilde Mattheis Sebastian Blumenthal Judith Skudelny Lothar Binding (Heidelberg) Ullrich Meßmer Claudia Bögel Dr. Hermann Otto Solms Gerd Bollmann Dr. Matthias Miersch Nicole Bracht-Bendt Joachim Spatz Klaus Brandner Franz Müntefering Klaus Breil Dr. Max Stadler Willi Brase Dr. Rolf Mützenich Rainer Brüderle Torsten Staffeldt Bernhard Brinkmann Angelika Brunkhorst Dr. Rainer Stinner (B) Dietmar Nietan (D) (Hildesheim) Manfred Nink Marco Buschmann Stephan Thomae Edelgard Bulmahn Thomas Oppermann Sylvia Canel Florian Toncar Ulla Burchardt Holger Ortel Reiner Deutschmann Serkan Tören Martin Burkert Aydan Özoğuz Patrick Döring Johannes Vogel Petra Crone Heinz Paula Mechthild Dyckmans (Lüdenscheid) Dr. Peter Danckert Johannes Pflug Rainer Erdel Dr. Daniel Volk Martin Dörmann Joachim Poß Jörg van Essen Dr. Claudia Winterstein Elvira Drobinski-Weiß Dr. Wilhelm Priesmeier Ulrike Flach Dr. Volker Wissing Garrelt Duin Florian Pronold Otto Fricke Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Sebastian Edathy Dr. Sascha Raabe Dr. Edmund Peter Geisen Siegmund Ehrmann Mechthild Rawert Dr. Wolfgang Gerhardt BÜNDNIS 90/ Karin Evers-Meyer Gerold Reichenbach Hans-Michael Goldmann DIE GRÜNEN Elke Ferner Dr. Carola Reimann Miriam Gruß Kerstin Andreae Gabriele Fograscher Sönke Rix Joachim Günther (Plauen) Marieluise Beck (Bremen) Dr. Edgar Franke René Röspel Dr. Christel Happach-Kasan Volker Beck (Köln) Dagmar Freitag Dr. Ernst Dieter Rossmann Heinz-Peter Haustein Cornelia Behm Peter Friedrich Karin Roth (Esslingen) Manuel Höferlin Birgitt Bender Michael Gerdes Michael Roth (Heringen) Elke Hoff Alexander Bonde Martin Gerster Marlene Rupprecht Birgit Homburger Ekin Deligöz Iris Gleicke (Tuchenbach) Dr. Werner Hoyer Katja Dörner Günter Gloser Axel Schäfer (Bochum) Heiner Kamp Hans-Josef Fell Ulrike Gottschalck Bernd Scheelen Michael Kauch Dr. Thomas Gambke Angelika Graf (Rosenheim) Werner Schieder (Weiden) Dr. Lutz Knopek Kai Gehring Kerstin Griese Ulla Schmidt (Aachen) Pascal Kober Katrin Göring-Eckardt Michael Groß Silvia Schmidt (Eisleben) Dr. Heinrich L. Kolb Britta Haßelmann Wolfgang Gunkel Carsten Schneider (Erfurt) Gudrun Kopp Bettina Herlitzius Hans-Joachim Hacker Ottmar Schreiner Dr. h. c. Jürgen Koppelin Winfried Hermann Bettina Hagedorn Swen Schulz (Spandau) Sebastian Körber Priska Hinz (Herborn) Klaus Hagemann Ewald Schurer Holger Krestel Ulrike Höfken Michael Hartmann Dr. Martin Schwanholz Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Anton Hofreiter (Wackernheim) Rolf Schwanitz Heinz Lanfermann Bärbel Höhn Hubertus Heil (Peine) Stefan Schwartze Sibylle Laurischk Ingrid Hönlinger Rolf Hempelmann Rita Schwarzelühr-Sutter Harald Leibrecht Thilo Hoppe 10684 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Uwe Kekeritz Markus Kurth Claudia Roth (Augsburg) Daniela Wagner (C) Katja Keul Undine Kurth (Quedlinburg) Krista Sager Dr. Valerie Wilms Memet Kilic Monika Lazar Manuel Sarrazin Josef Philip Winkler Sven-Christian Kindler Agnes Malczak Elisabeth Scharfenberg Maria Anna Klein-Schmeink Jerzy Montag Christine Scheel Enthalten Ute Koczy Kerstin Müller (Köln) Dr. Gerhard Schick Tom Koenigs Beate Müller-Gemmeke Dorothea Steiner CDU/CSU Sylvia Kotting-Uhl Dr. Konstantin von Notz Dr. Wolfgang Strengmann- Oliver Krischer Omid Nouripour Kuhn Manfred Kolbe Agnes Krumwiede Friedrich Ostendorff Hans-Christian Ströbele Fritz Kuhn Lisa Paus Dr. Harald Terpe SPD Stephan Kühn Brigitte Pothmer Markus Tressel Anton Schaaf Renate Künast Tabea Rößner Jürgen Trittin Frank Schwabe

Anlage 16 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Vertrauensschutz für Versorgungsberechtigte der DDR mit einem Ruhestandsbeginn bis zum 30. Juni 1995 schaffen (Drucksachen 17/3881 und 17/4769 Buch- stabe l) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Harald Koch Nein Dirk Fischer (Hamburg) Abgegebene Stimmen: 579; Jan Korte Axel E. Fischer (Karlsruhe- davon Jutta Krellmann CDU/CSU Land) Katrin Kunert Dr. Maria Flachsbarth ja: 69 Caren Lay Ilse Aigner Klaus-Peter Flosbach nein: 500 Sabine Leidig Peter Altmaier Herbert Frankenhauser Peter Aumer enthalten: 4 Ralph Lenkert Dr. Hans-Peter Friedrich (B) Dorothee Bär (D) ungültig: 6 Michael Leutert (Hof) Ulla Lötzer Thomas Bareiß Michael Frieser Dr. Gesine Lötzsch Norbert Barthle Erich G. Fritz Ja Ulrich Maurer Günter Baumann Hans-Joachim Fuchtel Dorothee Menzner Ernst-Reinhard Beck Alexander Funk DIE LINKE Cornelia Möhring (Reutlingen) Ingo Gädechens Manfred Behrens (Börde) Jan van Aken Kornelia Möller Dr. Thomas Gebhart Veronika Bellmann Agnes Alpers Niema Movassat Norbert Geis Dr. Dietmar Bartsch Wolfgang Nešković Dr. Christoph Bergner Alois Gerig Herbert Behrens Thomas Nord Peter Beyer Eberhard Gienger Matthias W. Birkwald Petra Pau Steffen Bilger Michael Glos Heidrun Bluhm Jens Petermann Clemens Binninger Josef Göppel Steffen Bockhahn Richard Pitterle Peter Bleser Peter Götz Christine Buchholz Yvonne Ploetz Dr. Maria Böhmer Dr. Wolfgang Götzer Eva Bulling-Schröter Ingrid Remmers Wolfgang Börnsen Ute Granold Dr. Martina Bunge Paul Schäfer (Köln) (Bönstrup) Reinhard Grindel Roland Claus Dr. Ilja Seifert Wolfgang Bosbach Hermann Gröhe Sevim Dağdelen Kathrin Senger-Schäfer Norbert Brackmann Michael Grosse-Brömer Dr. Diether Dehm Raju Sharma Klaus Brähmig Markus Grübel Heidrun Dittrich Dr. Petra Sitte Michael Brand Manfred Grund Werner Dreibus Kersten Steinke Dr. Reinhard Brandl Monika Grütters Dr. Dagmar Enkelmann Sabine Stüber Helmut Brandt Karl-Theodor Freiherr Wolfgang Gehrcke Alexander Süßmair Dr. Ralf Brauksiepe zu Guttenberg Nicole Gohlke Dr. Kirsten Tackmann Dr. Helge Braun Olav Gutting Diana Golze Frank Tempel Heike Brehmer Florian Hahn Annette Groth Dr. Axel Troost Ralph Brinkhaus Holger Haibach Dr. Gregor Gysi Alexander Ulrich Cajus Caesar Dr. Stephan Harbarth Heike Hänsel Kathrin Vogler Gitta Connemann Jürgen Hardt Dr. Rosemarie Hein Johanna Voß Alexander Dobrindt Gerda Hasselfeldt Inge Höger Halina Wawzyniak Thomas Dörflinger Dr. Matthias Heider Andrej Hunko Harald Weinberg Dr. Thomas Feist Mechthild Heil Ulla Jelpke Katrin Werner Enak Ferlemann Ursula Heinen-Esser Dr. Lukrezia Jochimsen Jörn Wunderlich Ingrid Fischbach Frank Heinrich Katja Kipping Sabine Zimmermann Hartwig Fischer (Göttingen) Rudolf Henke Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10685

(A) Michael Hennrich Bernd Neumann (Bremen) Dr. Hans-Peter Uhl Michael Hartmann (C) Jürgen Herrmann Michaela Noll Arnold Vaatz (Wackernheim) Ansgar Heveling Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Hubertus Heil (Peine) Ernst Hinsken Franz Obermeier Stefanie Vogelsang Rolf Hempelmann Peter Hintze Eduard Oswald Andrea Astrid Voßhoff Dr. Barbara Hendricks Christian Hirte Henning Otte Dr. Johann Wadephul Gustav Herzog Robert Hochbaum Dr. Michael Paul Marco Wanderwitz Gabriele Hiller-Ohm Karl Holmeier Rita Pawelski Kai Wegner Petra Hinz (Essen) Franz-Josef Holzenkamp Ulrich Petzold Marcus Weinberg (Hamburg) Frank Hofmann (Volkach) Anette Hübinger Dr. Joachim Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Eva Högl Thomas Jarzombek Sibylle Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Christel Humme Dieter Jasper Beatrix Philipp Ingo Wellenreuther Josip Juratovic Dr. Franz Josef Jung Ronald Pofalla Peter Wichtel Oliver Kaczmarek Andreas Jung (Konstanz) Christoph Poland Annette Widmann-Mauz Johannes Kahrs Dr. Egon Jüttner Ruprecht Polenz Klaus-Peter Willsch Dr. h. c. Susanne Kastner Bartholomäus Kalb Eckhard Pols Elisabeth Winkelmeier- Ulrich Kelber Hans-Werner Kammer Thomas Rachel Becker Hans-Ulrich Klose Steffen Kampeter Dr. Peter Ramsauer Dagmar Wöhrl Dr. Bärbel Kofler Bernhard Kaster Eckhardt Rehberg Dr. Matthias Zimmer Daniela Kolbe (Leipzig) Volker Kauder Katherina Reiche (Potsdam) Wolfgang Zöller Fritz Rudolf Körper Siegfried Kauder (Villingen- Lothar Riebsamen Willi Zylajew Anette Kramme Schwenningen) Josef Rief Nicolette Kressl Dr. Stefan Kaufmann Klaus Riegert SPD Angelika Krüger-Leißner Roderich Kiesewetter Dr. Heinz Riesenhuber Ute Kumpf Eckart von Klaeden Johannes Röring Ingrid Arndt-Brauer Christine Lambrecht Ewa Klamt Dr. Norbert Röttgen Rainer Arnold Christian Lange (Backnang) Volkm ar K le in Dr. Christian Ruck Heinz-Joachim Barchmann Dr. Karl Lauterbach Jürgen Klimke Erwin Rüddel Dr. Hans-Peter Bartels Steffen-Claudio Lemme Julia Klöckner Albert Rupprecht (Weiden) Klaus Barthel Burkhard Lischka Axel Knoerig Anita Schäfer (Saalstadt) Sören Bartol Gabriele Lösekrug-Möller Jens Koeppen Dr. Annette Schavan Bärbel Bas Kirsten Lühmann Dr. Rolf Koschorrek Dr. Andreas Scheuer Sabine Bätzing-Lichtenthäler Caren Marks Hartmut Koschyk Karl Schiewerling Dirk Becker Katja Mast Thomas Kossendey Norbert Schindler Uwe Beckmeyer Hilde Mattheis Lothar Binding (Heidelberg) (B) Gunther Krichbaum Tankred Schipanski Ullrich Meßmer (D) Dr. Günter Krings Georg Schirmbeck Gerd Bollmann Dr. Matthias Miersch Bettina Kudla Christian Schmidt (Fürth) Klaus Brandner Franz Müntefering Dr. Hermann Kues Patrick Schnieder Willi Brase Dr. Rolf Mützenich Günter Lach Dr. Andreas Schockenhoff Bernhard Brinkmann Dietmar Nietan Dr. Karl A. Lamers Nadine Schön (St. Wendel) (Hildesheim) Manfred Nink (Heidelberg) Dr. Kristina Schröder Edelgard Bulmahn Thomas Oppermann Andreas G. Lämmel (Wiesbaden) Ulla Burchardt Holger Ortel Dr. Norbert Lammert Dr. Ole Schröder Martin Burkert Aydan Özoğuz Katharina Landgraf Bernhard Schulte-Drüggelte Petra Crone Heinz Paula Ulrich Lange Uwe Schummer Dr. Peter Danckert Johannes Pflug Dr. Max Lehmer Armin Schuster (Weil am Martin Dörmann Joachim Poß Paul Lehrieder Rhein) Elvira Drobinski-Weiß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Ursula von der Leyen Detlef Seif Garrelt Duin Florian Pronold Ingbert Liebing Johannes Selle Sebastian Edathy Dr. Sascha Raabe Matthias Lietz Reinhold Sendker Siegmund Ehrmann Mechthild Rawert Dr. Carsten Linnemann Dr. Patrick Sensburg Karin Evers-Meyer Gerold Reichenbach Patricia Lips Bernd Siebert Elke Ferner Dr. Carola Reimann Dr. Jan-Marco Luczak Johannes Singhammer Gabriele Fograscher Sönke Rix Daniela Ludwig Jens Spahn Dr. Edgar Franke René Röspel Dr. Michael Luther Carola Stauche Dagmar Freitag Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Maag Dr. Frank Steffel Peter Friedrich Karin Roth (Esslingen) Hans-Georg von der Marwitz Erika Steinbach Michael Gerdes Michael Roth (Heringen) Andreas Mattfeldt Christian Freiherr von Stetten Martin Gerster Marlene Rupprecht Stephan Mayer (Altötting) Dieter Stier Iris Gleicke (Tuchenbach) Dr. Michael Meister Gero Storjohann Günter Gloser Axel Schäfer (Bochum) Dr. Angela Merkel Stephan Stracke Ulrike Gottschalck Bernd Scheelen Maria Michalk Max Straubinger Angelika Graf (Rosenheim) Werner Schieder (Weiden) Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Kerstin Griese Ulla Schmidt (Aachen) Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) Michael Groß Silvia Schmidt (Eisleben) Dietrich Monstadt Lena Strothmann Wolfgang Gunkel Ottmar Schreiner Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Hans-Joachim Hacker Swen Schulz (Spandau) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Bettina Hagedorn Ewald Schurer Dr. Philipp Murmann Antje Tillmann Klaus Hagemann Dr. Martin Schwanholz 10686 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Rolf Schwanitz Hans-Michael Goldmann Marina Schuster Tom Koenigs (C) Stefan Schwartze Miriam Gruß Dr. Erik Schweickert Sylvia Kotting-Uhl Rita Schwarzelühr-Sutter Joachim Günther (Plauen) Werner Simmling Oliver Krischer Dr. Carsten Sieling Dr. Christel Happach-Kasan Judith Skudelny Agnes Krumwiede Sonja Steffen Heinz-Peter Haustein Dr. Hermann Otto Solms Fritz Kuhn Peer Steinbrück Manuel Höferlin Joachim Spatz Stephan Kühn Dr. Frank-Walter Steinmeier Elke Hoff Dr. Max Stadler Renate Künast Christoph Strässer Birgit Homburger Torsten Staffeldt Markus Kurth Kerstin Tack Dr. Werner Hoyer Dr. Rainer Stinner Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. h. c. Wolfgang Thierse Heiner Kamp Stephan Thomae Monika Lazar Florian Toncar Franz Thönnes Michael Kauch Agnes Malczak Wolfgang Tiefensee Serkan Tören Dr. Lutz Knopek Jerzy Montag Rüdiger Veit Johannes Vogel Pascal Kober Kerstin Müller (Köln) Ute Vogt Dr. Heinrich L. Kolb (Lüdenscheid) Beate Müller-Gemmeke Dr. Marlies Volkmer Gudrun Kopp Dr. Daniel Volk Dr. Konstantin von Notz Andrea Wicklein Dr. h. c. Jürgen Koppelin Dr. Claudia Winterstein Omid Nouripour Heidemarie Wieczorek-Zeul Sebastian Körber Dr. Volker Wissing Dr. Dieter Wiefelspütz Holger Krestel Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Friedrich Ostendorff Waltraud Wolff Patrick Kurth (Kyffhäuser) Lisa Paus (Wolmirstedt) Heinz Lanfermann BÜNDNIS 90/ Brigitte Pothmer Dagmar Ziegler Sibylle Laurischk DIE GRÜNEN Tabea Rößner Manfred Zöllmer Claudia Roth (Augsburg) Harald Leibrecht Kerstin Andreae Brigitte Zypries Krista Sager Sabine Leutheusser- Marieluise Beck (Bremen) Schnarrenberger Volker Beck (Köln) Manuel Sarrazin FDP Lars Lindemann Cornelia Behm Elisabeth Scharfenberg Jens Ackermann Dr. Martin Lindner (Berlin) Birgitt Bender Christine Scheel Christian Ahrendt Michael Link (Heilbronn) Alexander Bonde Dr. Gerhard Schick Christine Aschenberg- Dr. Erwin Lotter Ekin Deligöz Dorothea Steiner Dugnus Oliver Luksic Katja Dörner Dr. Wolfgang Strengmann- Daniel Bahr (Münster) Gabriele Molitor Hans-Josef Fell Kuhn Florian Bernschneider Jan Mücke Dr. Thomas Gambke Dr. Harald Terpe Sebastian Blumenthal Petra Müller (Aachen) Kai Gehring Markus Tressel Claudia Bögel Burkhardt Müller-Sönksen Katrin Göring-Eckardt Jürgen Trittin Nicole Bracht-Bendt Dr. Martin Neumann Britta Haßelmann Daniela Wagner Klaus Breil (Lausitz) Bettina Herlitzius Dr. Valerie Wilms (B) Rainer Brüderle Hans-Joachim Otto Winfried Hermann Josef Philip Winkler (D) Angelika Brunkhorst (Frankfurt) Priska Hinz (Herborn) Marco Buschmann Cornelia Pieper Ulrike Höfken Sylvia Canel Gisela Piltz Dr. Anton Hofreiter Enthalten Reiner Deutschmann Dr. Christiane Ratjen- Bärbel Höhn Patrick Döring Damerau Ingrid Hönlinger CDU/CSU Mechthild Dyckmans Dr. Birgit Reinemund Thilo Hoppe Manfred Kolbe Rainer Erdel Dr. Peter Röhlinger Uwe Kekeritz Jörg van Essen Dr. Stefan Ruppert Katja Keul SPD Ulrike Flach Björn Sänger Memet Kilic Otto Fricke Frank Schäffler Sven-Christian Kindler Anton Schaaf Dr. Edmund Peter Geisen Christoph Schnurr Maria Anna Klein-Schmeink Carsten Schneider (Erfurt) Dr. Wolfgang Gerhardt Jimmy Schulz Ute Koczy Frank Schwabe

Anlage 17 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Regelung der Ansprüche und Anwartschaften auf Alters- sicherung für Angehörige der Deutschen Reichsbahn der DDR (Drucksachen 17/3882 und 17/4769 Buch- stabe m) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Ja DIE LINKE Steffen Bockhahn Abgegebene Stimmen: 580; Jan van Aken Christine Buchholz SPD davon Agnes Alpers Eva Bulling-Schröter ja: 71 Martin Burkert Dr. Dietmar Bartsch Dr. Martina Bunge nein: 370 Dr. Peter Danckert Herbert Behrens Roland Claus enthalten: 133 Matthias W. Birkwald Sevim Dağdelen ungültig: 6 Heidrun Bluhm Dr. Diether Dehm Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10687

(A) Heidrun Dittrich Ernst-Reinhard Beck Ursula Heinen-Esser Dr. Gerd Müller (C) Werner Dreibus (Reutlingen) Frank Heinrich Stefan Müller (Erlangen) Dr. Dagmar Enkelmann Manfred Behrens (Börde) Rudolf Henke Dr. Philipp Murmann Wolfgang Gehrcke Veronika Bellmann Michael Hennrich Bernd Neumann (Bremen) Nicole Gohlke Dr. Christoph Bergner Jürgen Herrmann Michaela Noll Diana Golze Peter Beyer Ansgar Heveling Dr. Georg Nüßlein Annette Groth Steffen Bilger Ernst Hinsken Franz Obermeier Dr. Gregor Gysi Clemens Binninger Peter Hintze Eduard Oswald Heike Hänsel Peter Bleser Christian Hirte Henning Otte Dr. Rosemarie Hein Dr. Maria Böhmer Robert Hochbaum Dr. Michael Paul Inge Höger Wolfgang Börnsen Karl Holmeier Rita Pawelski Andrej Hunko (Bönstrup) Franz-Josef Holzenkamp Ulrich Petzold Ulla Jelpke Wolfgang Bosbach Anette Hübinger Dr. Joachim Pfeiffer Dr. Lukrezia Jochimsen Norbert Brackmann Thomas Jarzombek Sibylle Pfeiffer Katja Kipping Klaus Brähmig Dieter Jasper Beatrix Philipp Harald Koch Michael Brand Dr. Franz Josef Jung Ronald Pofalla Jan Korte Dr. Reinhard Brandl Andreas Jung (Konstanz) Christoph Poland Jutta Krellmann Helmut Brandt Dr. Egon Jüttner Ruprecht Polenz Katrin Kunert Dr. Ralf Brauksiepe Bartholomäus Kalb Eckhard Pols Caren Lay Dr. Helge Braun Hans-Werner Kammer Thomas Rachel Sabine Leidig Heike Brehmer Steffen Kampeter Dr. Peter Ramsauer Ralph Lenkert Ralph Brinkhaus Bernhard Kaster Eckhardt Rehberg Michael Leutert Cajus Caesar Volker Kauder Katherina Reiche (Potsdam) Ulla Lötzer Gitta Connemann Siegfried Kauder (Villingen- Lothar Riebsamen Dr. Gesine Lötzsch Alexander Dobrindt Schwenningen) Josef Rief Ulrich Maurer Thomas Dörflinger Dr. Stefan Kaufmann Klaus Riegert Dorothee Menzner Dr. Thomas Feist Roderich Kiesewetter Dr. Heinz Riesenhuber Cornelia Möhring Enak Ferlemann Eckart von Klaeden Johannes Röring Kornelia Möller Ingrid Fischbach Ewa Klamt Dr. Norbert Röttgen Niema Movassat Hartwig Fischer (Göttingen) Volkmar Klein Dr. Christian Ruck Wolfgang Nešković Dirk Fischer (Hamburg) Jürgen Klimke Erwin Rüddel Thomas Nord Axel E. Fischer (Karlsruhe- Julia Klöckner Albert Rupprecht (Weiden) Petra Pau Land) Axel Knoerig Anita Schäfer (Saalstadt) Jens Petermann Dr. Maria Flachsbarth Jens Koeppen Dr. Annette Schavan (B) Richard Pitterle Klaus-Peter Flosbach Dr. Rolf Koschorrek Dr. Andreas Scheuer (D) Yvonne Ploetz Herbert Frankenhauser Hartmut Koschyk Karl Schiewerling Ingrid Remmers Dr. Hans-Peter Friedrich Thomas Kossendey Norbert Schindler Paul Schäfer (Köln) (Hof) Gunther Krichbaum Tankred Schipanski Dr. Ilja Seifert Michael Frieser Dr. Günter Krings Georg Schirmbeck Kathrin Senger-Schäfer Erich G. Fritz Bettina Kudla Christian Schmidt (Fürth) Raju Sharma Hans-Joachim Fuchtel Dr. Hermann Kues Patrick Schnieder Dr. Petra Sitte Alexander Funk Günter Lach Dr. Andreas Schockenhoff Kersten Steinke Ingo Gädechens Dr. Karl A. Lamers Nadine Schön (St. Wendel) Sabine Stüber Dr. Thomas Gebhart (Heidelberg) Dr. Kristina Schröder Alexander Süßmair Norbert Geis Andreas G. Lämmel (Wiesbaden) Dr. Kirsten Tackmann Alois Gerig Dr. Norbert Lammert Dr. Ole Schröder Frank Tempel Eberhard Gienger Katharina Landgraf Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Axel Troost Michael Glos Ulrich Lange Uwe Schummer Alexander Ulrich Josef Göppel Dr. Max Lehmer Armin Schuster (Weil am Kathrin Vogler Peter Götz Paul Lehrieder Rhein) Johanna Voß Dr. Wolfgang Götzer Dr. Ursula von der Leyen Detlef Seif Halina Wawzyniak Ute Granold Ingbert Liebing Johannes Selle Harald Weinberg Reinhard Grindel Matthias Lietz Reinhold Sendker Katrin Werner Hermann Gröhe Dr. Carsten Linnemann Dr. Patrick Sensburg Jörn Wunderlich Michael Grosse-Brömer Patricia Lips Bernd Siebert Sabine Zimmermann Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Johannes Singhammer Manfred Grund Daniela Ludwig Jens Spahn Monika Grütters Dr. Michael Luther Carola Stauche Nein Karl-Theodor Freiherr Karin Maag Dr. Frank Steffel zu Guttenberg Hans-Georg von der Marwitz Erika Steinbach CDU/CSU Olav Gutting Andreas Mattfeldt Christian Freiherr von Stetten Ilse Aigner Florian Hahn Stephan Mayer (Altötting) Dieter Stier Peter Altmaier Holger Haibach Dr. Michael Meister Gero Storjohann Peter Aumer Dr. Stephan Harbarth Dr. Angela Merkel Stephan Stracke Dorothee Bär Jürgen Hardt Maria Michalk Max Straubinger Thomas Bareiß Gerda Hasselfeldt Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Norbert Barthle Dr. Matthias Heider Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) Günter Baumann Mechthild Heil Dietrich Monstadt Lena Strothmann 10688 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Michael Stübgen Heinz Lanfermann Bärbel Höhn Bernhard Brinkmann (C) Dr. Peter Tauber Sibylle Laurischk Ingrid Hönlinger (Hildesheim) Antje Tillmann Harald Leibrecht Thilo Hoppe Edelgard Bulmahn Dr. Hans-Peter Uhl Sabine Leutheusser- Uwe Kekeritz Ulla Burchardt Arnold Vaatz Schnarrenberger Katja Keul Petra Crone Volkmar Vogel (Kleinsaara) Lars Lindemann Memet Kilic Martin Dörmann Stefanie Vogelsang Dr. Martin Lindner (Berlin) Sven-Christian Kindler Elvira Drobinski-Weiß Andrea Astrid Voßhoff Michael Link (Heilbronn) Maria Anna Klein-Schmeink Garrelt Duin Dr. Johann Wadephul Dr. Erwin Lotter Ute Koczy Sebastian Edathy Marco Wanderwitz Oliver Luksic Tom Koenigs Siegmund Ehrmann Kai Wegner Gabriele Molitor Sylvia Kotting-Uhl Karin Evers-Meyer Marcus Weinberg (Hamburg) Jan Mücke Oliver Krischer Elke Ferner Peter Weiß (Emmendingen) Petra Müller (Aachen) Agnes Krumwiede Gabriele Fograscher Sabine Weiss (Wesel I) Burkhardt Müller-Sönksen Fritz Kuhn Dr. Edgar Franke Ingo Wellenreuther Dr. Martin Neumann Stephan Kühn Dagmar Freitag Peter Wichtel (Lausitz) Renate Künast Peter Friedrich Annette Widmann-Mauz Hans-Joachim Otto Markus Kurth Michael Gerdes Klaus-Peter Willsch (Frankfurt) Undine Kurth (Quedlinburg) Martin Gerster Elisabeth Winkelmeier- Cornelia Pieper Monika Lazar Iris Gleicke Becker Gisela Piltz Agnes Malczak Günter Gloser Dagmar Wöhrl Dr. Christiane Ratjen- Jerzy Montag Ulrike Gottschalck Dr. Matthias Zimmer Damerau Kerstin Müller (Köln) Angelika Graf (Rosenheim) Wolfgang Zöller Dr. Birgit Reinemund Beate Müller-Gemmeke Kerstin Griese Dr. Peter Röhlinger Willi Zylajew Dr. Konstantin von Notz Michael Groß Dr. Stefan Ruppert Omid Nouripour Wolfgang Gunkel FDP Björn Sänger Friedrich Ostendorff Hans-Joachim Hacker Frank Schäffler Jens Ackermann Lisa Paus Bettina Hagedorn Christoph Schnurr Christian Ahrendt Brigitte Pothmer Jimmy Schulz Klaus Hagemann Christine Aschenberg- Tabea Rößner Marina Schuster Michael Hartmann Dugnus Claudia Roth (Augsburg) Dr. Erik Schweickert (Wackernheim) Daniel Bahr (Münster) Werner Simmling Krista Sager Hubertus Heil (Peine) Florian Bernschneider Judith Skudelny Manuel Sarrazin Rolf Hempelmann Sebastian Blumenthal Dr. Hermann Otto Solms Elisabeth Scharfenberg Dr. Barbara Hendricks Claudia Bögel Joachim Spatz Christine Scheel Gustav Herzog Nicole Bracht-Bendt (B) Dr. Max Stadler Dr. Gerhard Schick Gabriele Hiller-Ohm (D) Klaus Breil Torsten Staffeldt Dorothea Steiner Petra Hinz (Essen) Rainer Brüderle Dr. Rainer Stinner Dr. Wolfgang Strengmann- Frank Hofmann (Volkach) Angelika Brunkhorst Stephan Thomae Kuhn Dr. Eva Högl Marco Buschmann Florian Toncar Hans-Christian Ströbele Christel Humme Sylvia Canel Serkan Tören Dr. Harald Terpe Josip Juratovic Reiner Deutschmann Johannes Vogel Markus Tressel Oliver Kaczmarek Patrick Döring (Lüdenscheid) Jürgen Trittin Johannes Kahrs Mechthild Dyckmans Dr. Daniel Volk Daniela Wagner Dr. h. c. Susanne Kastner Rainer Erdel Dr. Claudia Winterstein Dr. Valerie Wilms Ulrich Kelber Jörg van Essen Dr. Volker Wissing Josef Philip Winkler Hans-Ulrich Klose Ulrike Flach Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Dr. Bärbel Kofler Otto Fricke Daniela Kolbe (Leipzig) Dr. Edmund Peter Geisen Enthalten BÜNDNIS 90/ Dr. Wolfgang Gerhardt Fritz Rudolf Körper DIE GRÜNEN Hans-Michael Goldmann CDU/CSU Anette Kramme Nicolette Kressl Miriam Gruß Kerstin Andreae Manfred Kolbe Joachim Günther (Plauen) Marieluise Beck (Bremen) Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Dr. Christel Happach-Kasan Volker Beck (Köln) SPD Heinz-Peter Haustein Cornelia Behm Christine Lambrecht Manuel Höferlin Birgitt Bender Ingrid Arndt-Brauer Christian Lange (Backnang) Elke Hoff Alexander Bonde Rainer Arnold Dr. Karl Lauterbach Birgit Homburger Ekin Deligöz Heinz-Joachim Barchmann Steffen-Claudio Lemme Dr. Werner Hoyer Katja Dörner Dr. Hans-Peter Bartels Burkhard Lischka Heiner Kamp Hans-Josef Fell Klaus Barthel Gabriele Lösekrug-Möller Michael Kauch Dr. Thomas Gambke Sören Bartol Kirsten Lühmann Dr. Lutz Knopek Kai Gehring Bärbel Bas Caren Marks Pascal Kober Katrin Göring-Eckardt Sabine Bätzing-Lichtenthäler Katja Mast Dr. Heinrich L. Kolb Britta Haßelmann Dirk Becker Hilde Mattheis Gudrun Kopp Bettina Herlitzius Uwe Beckmeyer Ullrich Meßmer Dr. h. c. Jürgen Koppelin Winfried Hermann Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Matthias Miersch Sebastian Körber Priska Hinz (Herborn) Gerd Bollmann Franz Müntefering Holger Krestel Ulrike Höfken Klaus Brandner Dr. Rolf Mützenich Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Anton Hofreiter Willi Brase Dietmar Nietan Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10689

(A) Manfred Nink René Röspel Swen Schulz (Spandau) Franz Thönnes (C) Thomas Oppermann Dr. Ernst Dieter Rossmann Ewald Schurer Wolfgang Tiefensee Holger Ortel Karin Roth (Esslingen) Frank Schwabe Rüdiger Veit Aydan Özoğuz Michael Roth (Heringen) Dr. Martin Schwanholz Ute Vogt Heinz Paula Marlene Rupprecht Rolf Schwanitz Dr. Marlies Volkmer Johannes Pflug (Tuchenbach) Stefan Schwartze Andrea Wicklein Joachim Poß Anton Schaaf Rita Schwarzelühr-Sutter Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Wilhelm Priesmeier Axel Schäfer (Bochum) Dr. Carsten Sieling Florian Pronold Bernd Scheelen Sonja Steffen Dr. Dieter Wiefelspütz Dr. Sascha Raabe Werner Schieder (Weiden) Peer Steinbrück Waltraud Wolff Mechthild Rawert Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Frank-Walter Steinmeier (Wolmirstedt) Gerold Reichenbach Silvia Schmidt (Eisleben) Christoph Strässer Dagmar Ziegler Dr. Carola Reimann Carsten Schneider (Erfurt) Kerstin Tack Manfred Zöllmer Sönke Rix Ottmar Schreiner Dr. h. c. Wolfgang Thierse Brigitte Zypries

Anlage 18 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Regelung der Ansprüche und Anwartschaften auf Alterssi- cherung für Angehörige der Deutschen Post der DDR (Drucksachen 17/3883 und 17/4769 Buchstabe n) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Harald Koch Nein Dirk Fischer (Hamburg) Abgegebene Stimmen: 579; Jan Korte Axel E. Fischer (Karlsruhe- davon Jutta Krellmann CDU/CSU Land) Katrin Kunert Dr. Maria Flachsbarth ja: 69 Caren Lay Ilse Aigner Klaus-Peter Flosbach nein: 369 Sabine Leidig Peter Altmaier Herbert Frankenhauser Peter Aumer enthalten: 135 Ralph Lenkert Dr. Hans-Peter Friedrich (B) Dorothee Bär (D) ungültig: 6 Michael Leutert (Hof) Ulla Lötzer Thomas Bareiß Michael Frieser Dr. Gesine Lötzsch Norbert Barthle Erich G. Fritz Ja Ulrich Maurer Günter Baumann Hans-Joachim Fuchtel Dorothee Menzner Ernst-Reinhard Beck Alexander Funk DIE LINKE Cornelia Möhring (Reutlingen) Ingo Gädechens Manfred Behrens (Börde) Jan van Aken Kornelia Möller Dr. Thomas Gebhart Veronika Bellmann Agnes Alpers Niema Movassat Norbert Geis Dr. Christoph Bergner Dr. Dietmar Bartsch Wolfgang Nešković Alois Gerig Peter Beyer Herbert Behrens Thomas Nord Eberhard Gienger Matthias W. Birkwald Petra Pau Steffen Bilger Michael Glos Heidrun Bluhm Jens Petermann Clemens Binninger Josef Göppel Steffen Bockhahn Richard Pitterle Peter Bleser Peter Götz Christine Buchholz Yvonne Ploetz Dr. Maria Böhmer Dr. Wolfgang Götzer Eva Bulling-Schröter Ingrid Remmers Wolfgang Börnsen Ute Granold Dr. Martina Bunge Paul Schäfer (Köln) (Bönstrup) Reinhard Grindel Roland Claus Dr. Ilja Seifert Wolfgang Bosbach Hermann Gröhe Sevim Dağdelen Kathrin Senger-Schäfer Norbert Brackmann Michael Grosse-Brömer Dr. Diether Dehm Raju Sharma Klaus Brähmig Markus Grübel Heidrun Dittrich Dr. Petra Sitte Michael Brand Manfred Grund Werner Dreibus Kersten Steinke Dr. Reinhard Brandl Monika Grütters Dr. Dagmar Enkelmann Sabine Stüber Helmut Brandt Karl-Theodor Freiherr Wolfgang Gehrcke Alexander Süßmair Dr. Ralf Brauksiepe zu Guttenberg Nicole Gohlke Dr. Kirsten Tackmann Dr. Helge Braun Olav Gutting Diana Golze Frank Tempel Heike Brehmer Florian Hahn Annette Groth Dr. Axel Troost Ralph Brinkhaus Holger Haibach Dr. Gregor Gysi Alexander Ulrich Cajus Caesar Dr. Stephan Harbarth Heike Hänsel Kathrin Vogler Gitta Connemann Jürgen Hardt Dr. Rosemarie Hein Johanna Voß Alexander Dobrindt Gerda Hasselfeldt Inge Höger Halina Wawzyniak Thomas Dörflinger Dr. Matthias Heider Andrej Hunko Harald Weinberg Dr. Thomas Feist Mechthild Heil Ulla Jelpke Katrin Werner Enak Ferlemann Ursula Heinen-Esser Dr. Lukrezia Jochimsen Jörn Wunderlich Ingrid Fischbach Frank Heinrich Katja Kipping Sabine Zimmermann Hartwig Fischer (Göttingen) Rudolf Henke 10690 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Michael Hennrich Michaela Noll Volkmar Vogel (Kleinsaara) Dr. Martin Lindner (Berlin) (C) Jürgen Herrmann Dr. Georg Nüßlein Stefanie Vogelsang Michael Link (Heilbronn) Ansgar Heveling Franz Obermeier Andrea Astrid Voßhoff Dr. Erwin Lotter Ernst Hinsken Eduard Oswald Dr. Johann Wadephul Oliver Luksic Peter Hintze Henning Otte Marco Wanderwitz Gabriele Molitor Christian Hirte Dr. Michael Paul Kai Wegner Jan Mücke Robert Hochbaum Rita Pawelski Marcus Weinberg (Hamburg) Petra Müller (Aachen) Karl Holmeier Ulrich Petzold Peter Weiß (Emmendingen) Burkhardt Müller-Sönksen Franz-Josef Holzenkamp Dr. Joachim Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Dr. Martin Neumann Anette Hübinger Sibylle Pfeiffer Ingo Wellenreuther (Lausitz) Thomas Jarzombek Beatrix Philipp Peter Wichtel Hans-Joachim Otto Dieter Jasper Ronald Pofalla Annette Widmann-Mauz (Frankfurt) Dr. Franz Josef Jung Christoph Poland Klaus-Peter Willsch Cornelia Pieper Andreas Jung (Konstanz) Ruprecht Polenz Elisabeth Winkelmeier- Gisela Piltz Dr. Egon Jüttner Eckhard Pols Becker Dr. Christiane Ratjen- Bartholomäus Kalb Thomas Rachel Dagmar Wöhrl Damerau Hans-Werner Kammer Dr. Peter Ramsauer Dr. Matthias Zimmer Dr. Birgit Reinemund Steffen Kampeter Eckhardt Rehberg Wolfgang Zöller Dr. Stefan Ruppert Bernhard Kaster Katherina Reiche (Potsdam) Willi Zylajew Björn Sänger Volker Kauder Lothar Riebsamen Frank Schäffler Siegfried Kauder (Villingen- Josef Rief FDP Christoph Schnurr Schwenningen) Klaus Riegert Jens Ackermann Jimmy Schulz Dr. Stefan Kaufmann Dr. Heinz Riesenhuber Christian Ahrendt Marina Schuster Roderich Kiesewetter Johannes Röring Christine Aschenberg- Dr. Erik Schweickert Eckart von Klaeden Dr. Norbert Röttgen Dugnus Werner Simmling Ewa Klamt Dr. Christian Ruck Daniel Bahr (Münster) Judith Skudelny Volkm ar K le in Erwin Rüddel Florian Bernschneider Dr. Hermann Otto Solms Jürgen Klimke Albert Rupprecht (Weiden) Sebastian Blumenthal Joachim Spatz Julia Klöckner Anita Schäfer (Saalstadt) Claudia Bögel Dr. Max Stadler Axel Knoerig Dr. Annette Schavan Nicole Bracht-Bendt Torsten Staffeldt Jens Koeppen Dr. Andreas Scheuer Klaus Breil Dr. Rainer Stinner Dr. Rolf Koschorrek Karl Schiewerling Rainer Brüderle Stephan Thomae Hartmut Koschyk Norbert Schindler Angelika Brunkhorst Florian Toncar Thomas Kossendey Tankred Schipanski Marco Buschmann Serkan Tören Gunther Krichbaum Georg Schirmbeck Sylvia Canel Johannes Vogel (B) Dr. Günter Krings Christian Schmidt (Fürth) Reiner Deutschmann (Lüdenscheid) (D) Bettina Kudla Patrick Schnieder Patrick Döring Dr. Daniel Volk Dr. Hermann Kues Dr. Andreas Schockenhoff Mechthild Dyckmans Dr. Claudia Winterstein Günter Lach Nadine Schön (St. Wendel) Rainer Erdel Dr. Volker Wissing Dr. Karl A. Lamers Dr. Kristina Schröder Jörg van Essen Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (Heidelberg) (Wiesbaden) Ulrike Flach Andreas G. Lämmel Dr. Ole Schröder Otto Fricke BÜNDNIS 90/ Dr. Norbert Lammert Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Edmund Peter Geisen DIE GRÜNEN Katharina Landgraf Uwe Schummer Dr. Wolfgang Gerhardt Kerstin Andreae Ulrich Lange Armin Schuster (Weil am Hans-Michael Goldmann Marieluise Beck (Bremen) Dr. Max Lehmer Rhein) Miriam Gruß Volker Beck (Köln) Paul Lehrieder Detlef Seif Joachim Günther (Plauen) Cornelia Behm Dr. Ursula von der Leyen Johannes Selle Dr. Christel Happach-Kasan Ingbert Liebing Reinhold Sendker Heinz-Peter Haustein Birgitt Bender Matthias Lietz Dr. Patrick Sensburg Manuel Höferlin Alexander Bonde Dr. Carsten Linnemann Bernd Siebert Elke Hoff Ekin Deligöz Patricia Lips Johannes Singhammer Birgit Homburger Katja Dörner Dr. Jan-Marco Luczak Jens Spahn Dr. Werner Hoyer Hans-Josef Fell Daniela Ludwig Carola Stauche Heiner Kamp Dr. Thomas Gambke Dr. Michael Luther Dr. Frank Steffel Michael Kauch Kai Gehring Karin Maag Erika Steinbach Dr. Lutz Knopek Katrin Göring-Eckardt Hans-Georg von der Marwitz Christian Freiherr von Stetten Pascal Kober Britta Haßelmann Andreas Mattfeldt Dieter Stier Dr. Heinrich L. Kolb Bettina Herlitzius Stephan Mayer (Altötting) Gero Storjohann Gudrun Kopp Winfried Hermann Dr. Michael Meister Stephan Stracke Dr. h. c. Jürgen Koppelin Priska Hinz (Herborn) Dr. Angela Merkel Max Straubinger Sebastian Körber Ulrike Höfken Maria Michalk Karin Strenz Holger Krestel Dr. Anton Hofreiter Dr. Mathias Middelberg Thomas Strobl (Heilbronn) Patrick Kurth (Kyffhäuser) Bärbel Höhn Philipp Mißfelder Lena Strothmann Heinz Lanfermann Ingrid Hönlinger Dietrich Monstadt Michael Stübgen Sibylle Laurischk Thilo Hoppe Dr. Gerd Müller Dr. Peter Tauber Harald Leibrecht Uwe Kekeritz Stefan Müller (Erlangen) Antje Tillmann Sabine Leutheusser- Katja Keul Dr. Philipp Murmann Dr. Hans-Peter Uhl Schnarrenberger Memet Kilic Bernd Neumann (Bremen) Arnold Vaatz Lars Lindemann Sven-Christian Kindler Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10691

(A) Maria Anna Klein-Schmeink SPD Michael Hartmann Florian Pronold (C) Ute Koczy (Wackernheim) Dr. Sascha Raabe Ingrid Arndt-Brauer Hubertus Heil (Peine) Mechthild Rawert Tom Koenigs Rainer Arnold Sylvia Kotting-Uhl Rolf Hempelmann Gerold Reichenbach Heinz-Joachim Barchmann Dr. Barbara Hendricks Dr. Carola Reimann Oliver Krischer Dr. Hans-Peter Bartels Agnes Krumwiede Gustav Herzog Sönke Rix Klaus Barthel Gabriele Hiller-Ohm René Röspel Fritz Kuhn Sören Bartol Petra Hinz (Essen) Dr. Ernst Dieter Rossmann Stephan Kühn Bärbel Bas Frank Hofmann (Volkach) Karin Roth (Esslingen) Renate Künast Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dr. Eva Högl Michael Roth (Heringen) Markus Kurth Dirk Becker Christel Humme Marlene Rupprecht Undine Kurth (Quedlinburg) Uwe Beckmeyer Josip Juratovic (Tuchenbach) Monika Lazar Lothar Binding (Heidelberg) Oliver Kaczmarek Anton Schaaf Agnes Malczak Gerd Bollmann Johannes Kahrs Axel Schäfer (Bochum) Jerzy Montag Klaus Brandner Dr. h. c. Susanne Kastner Bernd Scheelen Kerstin Müller (Köln) Willi Brase Ulrich Kelber Werner Schieder (Weiden) Beate Müller-Gemmeke Bernhard Brinkmann Hans-Ulrich Klose Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Konstantin von Notz (Hildesheim) Dr. Bärbel Kofler Silvia Schmidt (Eisleben) Omid Nouripour Edelgard Bulmahn Daniela Kolbe (Leipzig) Carsten Schneider (Erfurt) Friedrich Ostendorff Ulla Burchardt Fritz Rudolf Körper Ottmar Schreiner Anette Kramme Swen Schulz (Spandau) Lisa Paus Martin Burkert Petra Crone Nicolette Kressl Ewald Schurer Brigitte Pothmer Angelika Krüger-Leißner Frank Schwabe Tabea Rößner Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Ute Kumpf Dr. Martin Schwanholz Claudia Roth (Augsburg) Elvira Drobinski-Weiß Christine Lambrecht Rolf Schwanitz Krista Sager Garrelt Duin Christian Lange (Backnang) Stefan Schwartze Manuel Sarrazin Sebastian Edathy Dr. Karl Lauterbach Rita Schwarzelühr-Sutter Elisabeth Scharfenberg Siegmund Ehrmann Steffen-Claudio Lemme Dr. Carsten Sieling Christine Scheel Karin Evers-Meyer Burkhard Lischka Sonja Steffen Dr. Gerhard Schick Elke Ferner Gabriele Lösekrug-Möller Peer Steinbrück Kirsten Lühmann Dr. Frank-Walter Steinmeier Dorothea Steiner Gabriele Fograscher Caren Marks Christoph Strässer Dr. Wolfgang Strengmann- Dr. Edgar Franke Katja Mast Kerstin Tack Kuhn Dagmar Freitag Hilde Mattheis Dr. h. c. Wolfgang Thierse Hans-Christian Ströbele Peter Friedrich Dr. Harald Terpe Ullrich Meßmer Franz Thönnes Michael Gerdes Dr. Matthias Miersch Wolfgang Tiefensee (B) Markus Tressel (D) Martin Gerster Franz Müntefering Rüdiger Veit Jürgen Trittin Iris Gleicke Dr. Rolf Mützenich Ute Vogt Daniela Wagner Günter Gloser Dietmar Nietan Dr. Marlies Volkmer Dr. Valerie Wilms Ulrike Gottschalck Manfred Nink Andrea Wicklein Josef Philip Winkler Angelika Graf (Rosenheim) Thomas Oppermann Heidemarie Wieczorek-Zeul Kerstin Griese Holger Ortel Dr. Dieter Wiefelspütz Michael Groß Enthalten Aydan Özoğuz Waltraud Wolff Wolfgang Gunkel Heinz Paula (Wolmirstedt) Hans-Joachim Hacker CDU/CSU Johannes Pflug Dagmar Ziegler Bettina Hagedorn Joachim Poß Manfred Zöllmer Manfred Kolbe Klaus Hagemann Dr. Wilhelm Priesmeier Brigitte Zypries

Anlage 19 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Angemessene Altersversorgung für Professorinnen und Professoren neuen Rechts, Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst und weitere Beschäftigte universi- tärer und anderer wissenschaftlicher Einrichtungen in Ostdeutschland (Drucksachen 17/3884 und 17/4769 Buchstabe o) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Ja DIE LINKE Steffen Bockhahn Abgegebene Stimmen: 580; Christine Buchholz FDP Jan van Aken davon Agnes Alpers Eva Bulling-Schröter ja: 71 Dr. Peter Röhlinger Dr. Dietmar Bartsch Dr. Martina Bunge nein: 369 Herbert Behrens Roland Claus enthalten: 134 Matthias W. Birkwald Sevim Dağdelen ungültig: 6 Heidrun Bluhm Dr. Diether Dehm 10692 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Heidrun Dittrich Dorothee Bär Jürgen Hardt Maria Michalk (C) Werner Dreibus Thomas Bareiß Gerda Hasselfeldt Dr. Mathias Middelberg Dr. Dagmar Enkelmann Norbert Barthle Dr. Matthias Heider Philipp Mißfelder Wolfgang Gehrcke Günter Baumann Mechthild Heil Dietrich Monstadt Nicole Gohlke Ernst-Reinhard Beck Ursula Heinen-Esser Dr. Gerd Müller Diana Golze (Reutlingen) Frank Heinrich Stefan Müller (Erlangen) Annette Groth Manfred Behrens (Börde) Rudolf Henke Dr. Philipp Murmann Dr. Gregor Gysi Veronika Bellmann Michael Hennrich Bernd Neumann (Bremen) Heike Hänsel Dr. Christoph Bergner Jürgen Herrmann Michaela Noll Dr. Rosemarie Hein Peter Beyer Ansgar Heveling Dr. Georg Nüßlein Inge Höger Steffen Bilger Ernst Hinsken Franz Obermeier Andrej Hunko Clemens Binninger Peter Hintze Eduard Oswald Ulla Jelpke Peter Bleser Christian Hirte Henning Otte Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Maria Böhmer Robert Hochbaum Dr. Michael Paul Katja Kipping Wolfgang Börnsen Karl Holmeier Rita Pawelski Harald Koch (Bönstrup) Franz-Josef Holzenkamp Ulrich Petzold Jan Korte Wolfgang Bosbach Anette Hübinger Dr. Joachim Pfeiffer Jutta Krellmann Norbert Brackmann Thomas Jarzombek Sibylle Pfeiffer Katrin Kunert Klaus Brähmig Dieter Jasper Beatrix Philipp Caren Lay Michael Brand Dr. Franz Josef Jung Ronald Pofalla Sabine Leidig Dr. Reinhard Brandl Andreas Jung (Konstanz) Christoph Poland Ralph Lenkert Helmut Brandt Dr. Egon Jüttner Ruprecht Polenz Michael Leutert Dr. Ralf Brauksiepe Bartholomäus Kalb Eckhard Pols Ulla Lötzer Dr. Helge Braun Hans-Werner Kammer Thomas Rachel Dr. Gesine Lötzsch Heike Brehmer Steffen Kampeter Dr. Peter Ramsauer Ulrich Maurer Ralph Brinkhaus Bernhard Kaster Eckhardt Rehberg Dorothee Menzner Cajus Caesar Volker Kauder Katherina Reiche (Potsdam) Cornelia Möhring Gitta Connemann Siegfried Kauder (Villingen- Lothar Riebsamen Kornelia Möller Alexander Dobrindt Schwenningen) Josef Rief Niema Movassat Thomas Dörflinger Dr. Stefan Kaufmann Klaus Riegert Wolfgang Nešković Dr. Thomas Feist Roderich Kiesewetter Dr. Heinz Riesenhuber Thomas Nord Enak Ferlemann Eckart von Klaeden Johannes Röring Petra Pau Ingrid Fischbach Ewa Klamt Dr. Norbert Röttgen Jens Petermann Hartwig Fischer (Göttingen) Volkmar Klein Dr. Christian Ruck (B) Richard Pitterle Dirk Fischer (Hamburg) Jürgen Klimke Erwin Rüddel (D) Yvonne Ploetz Axel E. Fischer (Karlsruhe- Julia Klöckner Albert Rupprecht (Weiden) Ingrid Remmers Land) Axel Knoerig Anita Schäfer (Saalstadt) Paul Schäfer (Köln) Dr. Maria Flachsbarth Jens Koeppen Dr. Annette Schavan Dr. Ilja Seifert Klaus-Peter Flosbach Dr. Rolf Koschorrek Dr. Andreas Scheuer Kathrin Senger-Schäfer Herbert Frankenhauser Hartmut Koschyk Karl Schiewerling Raju Sharma Dr. Hans-Peter Friedrich Thomas Kossendey Norbert Schindler Dr. Petra Sitte (Hof) Gunther Krichbaum Tankred Schipanski Kersten Steinke Michael Frieser Dr. Günter Krings Georg Schirmbeck Sabine Stüber Erich G. Fritz Bettina Kudla Christian Schmidt (Fürth) Alexander Süßmair Hans-Joachim Fuchtel Dr. Hermann Kues Patrick Schnieder Dr. Kirsten Tackmann Alexander Funk Günter Lach Dr. Andreas Schockenhoff Frank Tempel Ingo Gädechens Dr. Karl A. Lamers Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Axel Troost Dr. Thomas Gebhart (Heidelberg) Dr. Kristina Schröder Alexander Ulrich Norbert Geis Andreas G. Lämmel (Wiesbaden) Kathrin Vogler Alois Gerig Dr. Norbert Lammert Dr. Ole Schröder Johanna Voß Eberhard Gienger Katharina Landgraf Bernhard Schulte-Drüggelte Halina Wawzyniak Michael Glos Ulrich Lange Uwe Schummer Harald Weinberg Josef Göppel Dr. Max Lehmer Armin Schuster (Weil am Katrin Werner Peter Götz Paul Lehrieder Rhein) Jörn Wunderlich Dr. Wolfgang Götzer Dr. Ursula von der Leyen Detlef Seif Sabine Zimmermann Ute Granold Ingbert Liebing Johannes Selle Reinhard Grindel Matthias Lietz Reinhold Sendker BÜNDNIS 90/ Hermann Gröhe Dr. Carsten Linnemann Dr. Patrick Sensburg DIE GRÜNEN Michael Grosse-Brömer Patricia Lips Bernd Siebert Dr. Harald Terpe Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Johannes Singhammer Manfred Grund Daniela Ludwig Jens Spahn Monika Grütters Dr. Michael Luther Carola Stauche Nein Karl-Theodor Freiherr Karin Maag Dr. Frank Steffel zu Guttenberg Hans-Georg von der Marwitz Erika Steinbach CDU/CSU Olav Gutting Andreas Mattfeldt Christian Freiherr von Stetten Ilse Aigner Florian Hahn Stephan Mayer (Altötting) Dieter Stier Peter Altmaier Holger Haibach Dr. Michael Meister Gero Storjohann Peter Aumer Dr. Stephan Harbarth Dr. Angela Merkel Stephan Stracke Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10693

(A) Max Straubinger Dr. Lutz Knopek Katrin Göring-Eckardt Uwe Beckmeyer (C) Karin Strenz Pascal Kober Britta Haßelmann Lothar Binding (Heidelberg) Thomas Strobl (Heilbronn) Dr. Heinrich L. Kolb Bettina Herlitzius Gerd Bollmann Lena Strothmann Gudrun Kopp Winfried Hermann Klaus Brandner Michael Stübgen Dr. h. c. Jürgen Koppelin Priska Hinz (Herborn) Willi Brase Dr. Peter Tauber Sebastian Körber Ulrike Höfken Bernhard Brinkmann Antje Tillmann Holger Krestel Dr. Anton Hofreiter (Hildesheim) Dr. Hans-Peter Uhl Patrick Kurth (Kyffhäuser) Bärbel Höhn Edelgard Bulmahn Arnold Vaatz Heinz Lanfermann Ingrid Hönlinger Ulla Burchardt Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sibylle Laurischk Thilo Hoppe Martin Burkert Stefanie Vogelsang Harald Leibrecht Uwe Kekeritz Petra Crone Andrea Astrid Voßhoff Sabine Leutheusser- Katja Keul Dr. Peter Danckert Dr. Johann Wadephul Schnarrenberger Memet Kilic Martin Dörmann Marco Wanderwitz Lars Lindemann Sven-Christian Kindler Elvira Drobinski-Weiß Kai Wegner Dr. Martin Lindner (Berlin) Maria Anna Klein-Schmeink Garrelt Duin Marcus Weinberg (Hamburg) Michael Link (Heilbronn) Ute Koczy Sebastian Edathy Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Erwin Lotter Tom Koenigs Siegmund Ehrmann Sabine Weiss (Wesel I) Oliver Luksic Sylvia Kotting-Uhl Karin Evers-Meyer Ingo Wellenreuther Gabriele Molitor Oliver Krischer Elke Ferner Peter Wichtel Jan Mücke Agnes Krumwiede Gabriele Fograscher Annette Widmann-Mauz Petra Müller (Aachen) Fritz Kuhn Dr. Edgar Franke Burkhardt Müller-Sönksen Klaus-Peter Willsch Stephan Kühn Dagmar Freitag Dr. Martin Neumann Elisabeth Winkelmeier- Renate Künast Peter Friedrich (Lausitz) Markus Kurth Becker Michael Gerdes Hans-Joachim Otto Undine Kurth (Quedlinburg) Dagmar Wöhrl Martin Gerster (Frankfurt) Monika Lazar Dr. Matthias Zimmer Iris Gleicke Cornelia Pieper Agnes Malczak Wolfgang Zöller Günter Gloser Gisela Piltz Jerzy Montag Willi Zylajew Ulrike Gottschalck Dr. Christiane Ratjen- Kerstin Müller (Köln) Angelika Graf (Rosenheim) SPD Damerau Beate Müller-Gemmeke Dr. Birgit Reinemund Dr. Konstantin von Notz Kerstin Griese Rolf Schwanitz Dr. Stefan Ruppert Omid Nouripour Michael Groß Björn Sänger Friedrich Ostendorff Wolfgang Gunkel FDP Frank Schäffler Lisa Paus Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Jens Ackermann Christoph Schnurr Brigitte Pothmer (B) Klaus Hagemann (D) Christian Ahrendt Jimmy Schulz Tabea Rößner Michael Hartmann Christine Aschenberg- Marina Schuster Claudia Roth (Augsburg) Dugnus Dr. Erik Schweickert Krista Sager (Wackernheim) Daniel Bahr (Münster) Werner Simmling Manuel Sarrazin Hubertus Heil (Peine) Florian Bernschneider Judith Skudelny Elisabeth Scharfenberg Rolf Hempelmann Sebastian Blumenthal Dr. Hermann Otto Solms Christine Scheel Dr. Barbara Hendricks Claudia Bögel Joachim Spatz Dr. Gerhard Schick Gustav Herzog Nicole Bracht-Bendt Dr. Max Stadler Dorothea Steiner Gabriele Hiller-Ohm Klaus Breil Torsten Staffeldt Dr. Wolfgang Strengmann- Petra Hinz (Essen) Rainer Brüderle Dr. Rainer Stinner Kuhn Frank Hofmann (Volkach) Angelika Brunkhorst Stephan Thomae Hans-Christian Ströbele Dr. Eva Högl Marco Buschmann Florian Toncar Markus Tressel Christel Humme Sylvia Canel Serkan Tören Jürgen Trittin Josip Juratovic Reiner Deutschmann Johannes Vogel Daniela Wagner Oliver Kaczmarek Patrick Döring (Lüdenscheid) Dr. Valerie Wilms Johannes Kahrs Mechthild Dyckmans Dr. Daniel Volk Josef Philip Winkler Dr. h. c. Susanne Kastner Rainer Erdel Dr. Claudia Winterstein Ulrich Kelber Dr. Volker Wissing Jörg van Essen Enthalten Hans-Ulrich Klose Ulrike Flach Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Dr. Bärbel Kofler Otto Fricke CDU/CSU Daniela Kolbe (Leipzig) Dr. Edmund Peter Geisen BÜNDNIS 90/ Fritz Rudolf Körper Dr. Wolfgang Gerhardt DIE GRÜNEN Manfred Kolbe Anette Kramme Hans-Michael Goldmann Kerstin Andreae Nicolette Kressl SPD Miriam Gruß Marieluise Beck (Bremen) Angelika Krüger-Leißner Joachim Günther (Plauen) Volker Beck (Köln) Ingrid Arndt-Brauer Ute Kumpf Dr. Christel Happach-Kasan Cornelia Behm Rainer Arnold Christine Lambrecht Heinz-Peter Haustein Birgitt Bender Heinz-Joachim Barchmann Christian Lange (Backnang) Manuel Höferlin Alexander Bonde Dr. Hans-Peter Bartels Dr. Karl Lauterbach Elke Hoff Ekin Deligöz Klaus Barthel Steffen-Claudio Lemme Birgit Homburger Katja Dörner Sören Bartol Burkhard Lischka Dr. Werner Hoyer Hans-Josef Fell Bärbel Bas Gabriele Lösekrug-Möller Heiner Kamp Dr. Thomas Gambke Sabine Bätzing-Lichtenthäler Kirsten Lühmann Michael Kauch Kai Gehring Dirk Becker Caren Marks 10694 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Katja Mast Dr. Sascha Raabe Ulla Schmidt (Aachen) Kerstin Tack (C) Hilde Mattheis Mechthild Rawert Silvia Schmidt (Eisleben) Dr. h. c. Wolfgang Thierse Ullrich Meßmer Gerold Reichenbach Carsten Schneider (Erfurt) Franz Thönnes Dr. Matthias Miersch Dr. Carola Reimann Ottmar Schreiner Wolfgang Tiefensee Franz Müntefering Sönke Rix Swen Schulz (Spandau) Rüdiger Veit Dr. Rolf Mützenich René Röspel Ewald Schurer Ute Vogt Dietmar Nietan Dr. Ernst Dieter Rossmann Frank Schwabe Dr. Marlies Volkmer Manfred Nink Karin Roth (Esslingen) Dr. Martin Schwanholz Andrea Wicklein Thomas Oppermann Holger Ortel Michael Roth (Heringen) Stefan Schwartze Heidemarie Wieczorek-Zeul Aydan Özoğuz Marlene Rupprecht Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Dieter Wiefelspütz Heinz Paula (Tuchenbach) Dr. Carsten Sieling Waltraud Wolff Johannes Pflug Anton Schaaf Sonja Steffen (Wolmirstedt) Joachim Poß Axel Schäfer (Bochum) Peer Steinbrück Dagmar Ziegler Dr. Wilhelm Priesmeier Bernd Scheelen Dr. Frank-Walter Steinmeier Manfred Zöllmer Florian Pronold Werner Schieder (Weiden) Christoph Strässer Brigitte Zypries

Anlage 20 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Angemessene Altersversorgung für Beschäftigte des öf- fentlichen Dienstes der DDR, die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben (Drucksachen 17/3885 und 17/4769 Buchstabe p) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Andrej Hunko Dr. Axel Troost Michael Brand Abgegebene Stimmen: 580; Ulla Jelpke Alexander Ulrich Dr. Reinhard Brandl (B) davon Dr. Lukrezia Jochimsen Kathrin Vogler Helmut Brandt (D) Katja Kipping Johanna Voß Dr. Ralf Brauksiepe ja: 69 Harald Koch Halina Wawzyniak Dr. Helge Braun nein: 371 Jan Korte Harald Weinberg Heike Brehmer enthalten: 134 Jutta Krellmann Katrin Werner Ralph Brinkhaus ungültig: 6 Katrin Kunert Jörn Wunderlich Cajus Caesar Caren Lay Sabine Zimmermann Gitta Connemann Ja Sabine Leidig Alexander Dobrindt Ralph Lenkert Nein Thomas Dörflinger DIE LINKE Michael Leutert Dr. Thomas Feist Ulla Lötzer CDU/CSU Enak Ferlemann Jan van Aken Dr. Gesine Lötzsch Ingrid Fischbach Agnes Alpers Ulrich Maurer Ilse Aigner Hartwig Fischer (Göttingen) Dr. Dietmar Bartsch Dorothee Menzner Peter Altmaier Dirk Fischer (Hamburg) Herbert Behrens Cornelia Möhring Peter Aumer Axel E. Fischer (Karlsruhe- Matthias W. Birkwald Kornelia Möller Dorothee Bär Land) Heidrun Bluhm Niema Movassat Thomas Bareiß Dr. Maria Flachsbarth Steffen Bockhahn Wolfgang Nešković Norbert Barthle Klaus-Peter Flosbach Christine Buchholz Thomas Nord Günter Baumann Herbert Frankenhauser Eva Bulling-Schröter Petra Pau Ernst-Reinhard Beck Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Martina Bunge Jens Petermann (Reutlingen) (Hof) Roland Claus Manfred Behrens (Börde) Michael Frieser Sevim Dağdelen Richard Pitterle Veronika Bellmann Dr. Diether Dehm Yvonne Ploetz Erich G. Fritz Heidrun Dittrich Ingrid Remmers Dr. Christoph Bergner Hans-Joachim Fuchtel Werner Dreibus Paul Schäfer (Köln) Peter Beyer Alexander Funk Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Ilja Seifert Steffen Bilger Ingo Gädechens Wolfgang Gehrcke Kathrin Senger-Schäfer Clemens Binninger Dr. Thomas Gebhart Nicole Gohlke Raju Sharma Peter Bleser Norbert Geis Diana Golze Dr. Petra Sitte Dr. Maria Böhmer Alois Gerig Annette Groth Kersten Steinke Wolfgang Börnsen Eberhard Gienger Dr. Gregor Gysi Sabine Stüber (Bönstrup) Michael Glos Heike Hänsel Alexander Süßmair Wolfgang Bosbach Josef Göppel Dr. Rosemarie Hein Dr. Kirsten Tackmann Norbert Brackmann Peter Götz Inge Höger Frank Tempel Klaus Brähmig Dr. Wolfgang Götzer Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10695

(A) Ute Granold Ingbert Liebing Johannes Selle Ulrike Flach (C) Reinhard Grindel Matthias Lietz Reinhold Sendker Otto Fricke Hermann Gröhe Dr. Carsten Linnemann Dr. Patrick Sensburg Dr. Edmund Peter Geisen Michael Grosse-Brömer Patricia Lips Bernd Siebert Dr. Wolfgang Gerhardt Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Johannes Singhammer Hans-Michael Goldmann Manfred Grund Daniela Ludwig Jens Spahn Miriam Gruß Monika Grütters Dr. Michael Luther Carola Stauche Joachim Günther (Plauen) Karl-Theodor Freiherr Karin Maag Dr. Frank Steffel Dr. Christel Happach-Kasan zu Guttenberg Hans-Georg von der Marwitz Erika Steinbach Heinz-Peter Haustein Olav Gutting Andreas Mattfeldt Christian Freiherr von Stetten Manuel Höferlin Florian Hahn Stephan Mayer (Altötting) Dieter Stier Elke Hoff Holger Haibach Dr. Michael Meister Gero Storjohann Birgit Homburger Dr. Stephan Harbarth Dr. Angela Merkel Stephan Stracke Dr. Werner Hoyer Jürgen Hardt Maria Michalk Max Straubinger Heiner Kamp Gerda Hasselfeldt Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Michael Kauch Dr. Matthias Heider Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) Dr. Lutz Knopek Mechthild Heil Dietrich Monstadt Lena Strothmann Pascal Kober Ursula Heinen-Esser Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Dr. Heinrich L. Kolb Frank Heinrich Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Gudrun Kopp Rudolf Henke Dr. Philipp Murmann Antje Tillmann Dr. h. c. Jürgen Koppelin Michael Hennrich Bernd Neumann (Bremen) Dr. Hans-Peter Uhl Sebastian Körber Jürgen Herrmann Michaela Noll Arnold Vaatz Holger Krestel Ansgar Heveling Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Patrick Kurth (Kyffhäuser) Ernst Hinsken Franz Obermeier Stefanie Vogelsang Heinz Lanfermann Peter Hintze Eduard Oswald Andrea Astrid Voßhoff Sibylle Laurischk Christian Hirte Henning Otte Dr. Johann Wadephul Harald Leibrecht Robert Hochbaum Dr. Michael Paul Marco Wanderwitz Sabine Leutheusser- Karl Holmeier Rita Pawelski Kai Wegner Schnarrenberger Franz-Josef Holzenkamp Ulrich Petzold Marcus Weinberg (Hamburg) Lars Lindemann Anette Hübinger Dr. Joachim Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Martin Lindner (Berlin) Thomas Jarzombek Sibylle Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Michael Link (Heilbronn) Dieter Jasper Beatrix Philipp Ingo Wellenreuther Dr. Erwin Lotter Dr. Franz Josef Jung Ronald Pofalla Peter Wichtel Oliver Luksic Andreas Jung (Konstanz) Christoph Poland Annette Widmann-Mauz Gabriele Molitor (B) Dr. Egon Jüttner Ruprecht Polenz Klaus-Peter Willsch Jan Mücke (D) Bartholomäus Kalb Eckhard Pols Elisabeth Winkelmeier- Petra Müller (Aachen) Hans-Werner Kammer Thomas Rachel Becker Burkhardt Müller-Sönksen Steffen Kampeter Dr. Peter Ramsauer Dagmar Wöhrl Dr. Martin Neumann Bernhard Kaster Eckhardt Rehberg Dr. Matthias Zimmer (Lausitz) Volker Kauder Katherina Reiche (Potsdam) Wolfgang Zöller Hans-Joachim Otto Siegfried Kauder (Villingen- Lothar Riebsamen Willi Zylajew (Frankfurt) Schwenningen) Josef Rief Cornelia Pieper Dr. Stefan Kaufmann Klaus Riegert Nein Gisela Piltz Roderich Kiesewetter Dr. Heinz Riesenhuber Dr. Christiane Ratjen- Eckart von Klaeden Johannes Röring SPD Damerau Ewa Klamt Dr. Norbert Röttgen Dr. Birgit Reinemund Volkm ar K le in Dr. Christian Ruck Rolf Schwanitz Dr. Peter Röhlinger Jürgen Klimke Erwin Rüddel Dr. Stefan Ruppert Julia Klöckner Albert Rupprecht (Weiden) FDP Björn Sänger Axel Knoerig Anita Schäfer (Saalstadt) Jens Ackermann Frank Schäffler Jens Koeppen Dr. Annette Schavan Christian Ahrendt Christoph Schnurr Dr. Rolf Koschorrek Dr. Andreas Scheuer Christine Aschenberg- Jimmy Schulz Hartmut Koschyk Karl Schiewerling Dugnus Marina Schuster Thomas Kossendey Norbert Schindler Daniel Bahr (Münster) Dr. Erik Schweickert Gunther Krichbaum Tankred Schipanski Florian Bernschneider Werner Simmling Dr. Günter Krings Georg Schirmbeck Sebastian Blumenthal Judith Skudelny Bettina Kudla Christian Schmidt (Fürth) Claudia Bögel Dr. Hermann Otto Solms Dr. Hermann Kues Patrick Schnieder Nicole Bracht-Bendt Joachim Spatz Günter Lach Dr. Andreas Schockenhoff Klaus Breil Dr. Max Stadler Dr. Karl A. Lamers Nadine Schön (St. Wendel) Rainer Brüderle Torsten Staffeldt (Heidelberg) Dr. Kristina Schröder Angelika Brunkhorst Dr. Rainer Stinner Andreas G. Lämmel (Wiesbaden) Marco Buschmann Stephan Thomae Dr. Norbert Lammert Dr. Ole Schröder Sylvia Canel Florian Toncar Katharina Landgraf Bernhard Schulte-Drüggelte Reiner Deutschmann Serkan Tören Ulrich Lange Uwe Schummer Patrick Döring Johannes Vogel Dr. Max Lehmer Armin Schuster (Weil am Mechthild Dyckmans (Lüdenscheid) Paul Lehrieder Rhein) Rainer Erdel Dr. Daniel Volk Dr. Ursula von der Leyen Detlef Seif Jörg van Essen Dr. Claudia Winterstein 10696 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Dr. Volker Wissing Krista Sager Peter Friedrich Holger Ortel (C) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Manuel Sarrazin Michael Gerdes Aydan Özoğuz Elisabeth Scharfenberg Martin Gerster Heinz Paula BÜNDNIS 90/ Christine Scheel Iris Gleicke Johannes Pflug DIE GRÜNEN Dr. Gerhard Schick Günter Gloser Joachim Poß Dorothea Steiner Ulrike Gottschalck Kerstin Andreae Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Wolfgang Strengmann- Angelika Graf (Rosenheim) Marieluise Beck (Bremen) Florian Pronold Kuhn Kerstin Griese Volker Beck (Köln) Dr. Sascha Raabe Hans-Christian Ströbele Michael Groß Mechthild Rawert Cornelia Behm Dr. Harald Terpe Wolfgang Gunkel Gerold Reichenbach Birgitt Bender Markus Tressel Hans-Joachim Hacker Dr. Carola Reimann Alexander Bonde Jürgen Trittin Bettina Hagedorn Sönke Rix Ekin Deligöz Daniela Wagner Klaus Hagemann René Röspel Katja Dörner Dr. Valerie Wilms Michael Hartmann Dr. Ernst Dieter Rossmann Hans-Josef Fell Josef Philip Winkler (Wackernheim) Dr. Thomas Gambke Hubertus Heil (Peine) Karin Roth (Esslingen) Kai Gehring Michael Roth (Heringen) Enthalten Rolf Hempelmann Katrin Göring-Eckardt Dr. Barbara Hendricks Marlene Rupprecht Britta Haßelmann (Tuchenbach) CDU/CSU Gustav Herzog Bettina Herlitzius Gabriele Hiller-Ohm Anton Schaaf Winfried Hermann Manfred Kolbe Petra Hinz (Essen) Axel Schäfer (Bochum) Priska Hinz (Herborn) Frank Hofmann (Volkach) Bernd Scheelen Ulrike Höfken SPD Dr. Eva Högl Werner Schieder (Weiden) Dr. Anton Hofreiter Ingrid Arndt-Brauer Christel Humme Ulla Schmidt (Aachen) Bärbel Höhn Rainer Arnold Josip Juratovic Silvia Schmidt (Eisleben) Ingrid Hönlinger Heinz-Joachim Barchmann Oliver Kaczmarek Carsten Schneider (Erfurt) Thilo Hoppe Dr. Hans-Peter Bartels Johannes Kahrs Ottmar Schreiner Uwe Kekeritz Klaus Barthel Dr. h. c. Susanne Kastner Swen Schulz (Spandau) Katja Keul Sören Bartol Ulrich Kelber Ewald Schurer Memet Kilic Bärbel Bas Hans-Ulrich Klose Frank Schwabe Sven-Christian Kindler Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dr. Bärbel Kofler Dr. Martin Schwanholz Maria Anna Klein-Schmeink Dirk Becker Daniela Kolbe (Leipzig) Stefan Schwartze Ute Koczy Uwe Beckmeyer Fritz Rudolf Körper Rita Schwarzelühr-Sutter Tom Koenigs Lothar Binding (Heidelberg) Anette Kramme Dr. Carsten Sieling Sylvia Kotting-Uhl Gerd Bollmann Nicolette Kressl Sonja Steffen (B) Oliver Krischer (D) Klaus Brandner Angelika Krüger-Leißner Peer Steinbrück Agnes Krumwiede Willi Brase Ute Kumpf Fritz Kuhn Dr. Frank-Walter Steinmeier Bernhard Brinkmann Christine Lambrecht Christoph Strässer Stephan Kühn Christian Lange (Backnang) (Hildesheim) Kerstin Tack Renate Künast Dr. Karl Lauterbach Edelgard Bulmahn Dr. h. c. Wolfgang Thierse Markus Kurth Ulla Burchardt Steffen-Claudio Lemme Franz Thönnes Undine Kurth (Quedlinburg) Martin Burkert Burkhard Lischka Wolfgang Tiefensee Monika Lazar Petra Crone Gabriele Lösekrug-Möller Agnes Malczak Dr. Peter Danckert Kirsten Lühmann Rüdiger Veit Jerzy Montag Martin Dörmann Caren Marks Ute Vogt Kerstin Müller (Köln) Elvira Drobinski-Weiß Katja Mast Dr. Marlies Volkmer Beate Müller-Gemmeke Garrelt Duin Hilde Mattheis Andrea Wicklein Dr. Konstantin von Notz Sebastian Edathy Ullrich Meßmer Heidemarie Wieczorek-Zeul Omid Nouripour Siegmund Ehrmann Dr. Matthias Miersch Dr. Dieter Wiefelspütz Friedrich Ostendorff Karin Evers-Meyer Franz Müntefering Waltraud Wolff Lisa Paus Elke Ferner Dr. Rolf Mützenich (Wolmirstedt) Brigitte Pothmer Gabriele Fograscher Dietmar Nietan Dagmar Ziegler Tabea Rößner Dr. Edgar Franke Manfred Nink Manfred Zöllmer Claudia Roth (Augsburg) Dagmar Freitag Thomas Oppermann Brigitte Zypries Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10697

(A) Anlage 21 (C) Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Angemessene Altersversorgung für Angehörige von Bun- deswehr, Zoll und Polizei, die mit DDR-Beschäftigungszeiten nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben (Drucksachen 17/3886 und 17/4769 Buchstabe q) (Tagesordnungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Petra Pau Ralph Brinkhaus Karl Holmeier Abgegebene Stimmen: 580; Jens Petermann Cajus Caesar Franz-Josef Holzenkamp davon Richard Pitterle Gitta Connemann Anette Hübinger Yvonne Ploetz Alexander Dobrindt Thomas Jarzombek ja: 69 Ingrid Remmers Thomas Dörflinger Dieter Jasper nein: 502 Paul Schäfer (Köln) Dr. Thomas Feist Dr. Franz Josef Jung enthalten: 3 Dr. Ilja Seifert Enak Ferlemann Andreas Jung (Konstanz) ungültig: 6 Kathrin Senger-Schäfer Ingrid Fischbach Dr. Egon Jüttner Raju Sharma Hartwig Fischer (Göttingen) Bartholomäus Kalb Dr. Petra Sitte Dirk Fischer (Hamburg) Hans-Werner Kammer Ja Kersten Steinke Axel E. Fischer (Karlsruhe- Steffen Kampeter Land) Bernhard Kaster DIE LINKE Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Maria Flachsbarth Volker Kauder Jan van Aken Dr. Kirsten Tackmann Klaus-Peter Flosbach Siegfried Kauder (Villingen- Agnes Alpers Frank Tempel Herbert Frankenhauser Schwenningen) Dr. Dietmar Bartsch Dr. Axel Troost Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Stefan Kaufmann Herbert Behrens Alexander Ulrich (Hof) Roderich Kiesewetter Matthias W. Birkwald Kathrin Vogler Michael Frieser Eckart von Klaeden Heidrun Bluhm Johanna Voß Erich G. Fritz Ewa Klamt Steffen Bockhahn Halina Wawzyniak Hans-Joachim Fuchtel Vo l k m a r K l e i n Christine Buchholz Harald Weinberg Alexander Funk Jürgen Klimke Eva Bulling-Schröter Katrin Werner Ingo Gädechens Julia Klöckner Dr. Martina Bunge Jörn Wunderlich Dr. Thomas Gebhart Axel Knoerig (B) Roland Claus Sabine Zimmermann Norbert Geis Jens Koeppen (D) Sevim Dağdelen Alois Gerig Dr. Rolf Koschorrek Dr. Diether Dehm Eberhard Gienger Hartmut Koschyk Nein Heidrun Dittrich Michael Glos Thomas Kossendey Werner Dreibus Josef Göppel Gunther Krichbaum CDU/CSU Dr. Dagmar Enkelmann Peter Götz Dr. Günter Krings Wolfgang Gehrcke Ilse Aigner Dr. Wolfgang Götzer Bettina Kudla Nicole Gohlke Peter Altmaier Ute Granold Dr. Hermann Kues Diana Golze Peter Aumer Reinhard Grindel Günter Lach Annette Groth Dorothee Bär Hermann Gröhe Dr. Karl A. Lamers Dr. Gregor Gysi Thomas Bareiß Michael Grosse-Brömer (Heidelberg) Heike Hänsel Norbert Barthle Markus Grübel Andreas G. Lämmel Dr. Rosemarie Hein Günter Baumann Manfred Grund Dr. Norbert Lammert Inge Höger Ernst-Reinhard Beck Katharina Landgraf Andrej Hunko Monika Grütters Ulla Jelpke (Reutlingen) Karl-Theodor Freiherr Ulrich Lange Dr. Lukrezia Jochimsen Manfred Behrens (Börde) zu Guttenberg Dr. Max Lehmer Katja Kipping Veronika Bellmann Olav Gutting Paul Lehrieder Harald Koch Dr. Christoph Bergner Florian Hahn Dr. Ursula von der Leyen Jan Korte Peter Beyer Holger Haibach Ingbert Liebing Jutta Krellmann Steffen Bilger Dr. Stephan Harbarth Matthias Lietz Katrin Kunert Clemens Binninger Jürgen Hardt Dr. Carsten Linnemann Caren Lay Peter Bleser Gerda Hasselfeldt Patricia Lips Sabine Leidig Dr. Maria Böhmer Dr. Matthias Heider Dr. Jan-Marco Luczak Ralph Lenkert Wolfgang Börnsen Mechthild Heil Daniela Ludwig Michael Leutert (Bönstrup) Ursula Heinen-Esser Dr. Michael Luther Ulla Lötzer Wolfgang Bosbach Frank Heinrich Karin Maag Dr. Gesine Lötzsch Norbert Brackmann Rudolf Henke Dr. Thomas de Maizière Ulrich Maurer Klaus Brähmig Michael Hennrich Andreas Mattfeldt Dorothee Menzner Michael Brand Jürgen Herrmann Stephan Mayer (Altötting) Cornelia Möhring Dr. Reinhard Brandl Ansgar Heveling Dr. Michael Meister Kornelia Möller Helmut Brandt Ernst Hinsken Dr. Angela Merkel Niema Movassat Dr. Ralf Brauksiepe Peter Hintze Maria Michalk Wolfgang Nešković Dr. Helge Braun Christian Hirte Dr. Mathias Middelberg Thomas Nord Heike Brehmer Robert Hochbaum Philipp Mißfelder 10698 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Dietrich Monstadt Lena Strothmann Hans-Joachim Hacker Ottmar Schreiner (C) Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Bettina Hagedorn Swen Schulz (Spandau) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Klaus Hagemann Ewald Schurer Dr. Philipp Murmann Antje Tillmann Michael Hartmann Dr. Martin Schwanholz Bernd Neumann (Bremen) Dr. Hans-Peter Uhl (Wackernheim) Rolf Schwanitz Michaela Noll Arnold Vaatz Hubertus Heil (Peine) Stefan Schwartze Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Rolf Hempelmann Rita Schwarzelühr-Sutter Franz Obermeier Stefanie Vogelsang Dr. Barbara Hendricks Dr. Carsten Sieling Eduard Oswald Andrea Astrid Voßhoff Gustav Herzog Sonja Steffen Henning Otte Dr. Johann Wadephul Gabriele Hiller-Ohm Peer Steinbrück Dr. Michael Paul Marco Wanderwitz Petra Hinz (Essen) Dr. Frank-Walter Steinmeier Rita Pawelski Kai Wegner Frank Hofmann (Volkach) Christoph Strässer Ulrich Petzold Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Eva Högl Kerstin Tack Dr. Joachim Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen) Christel Humme Dr. h. c. Wolfgang Thierse Sibylle Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Josip Juratovic Franz Thönnes Beatrix Philipp Ingo Wellenreuther Oliver Kaczmarek Wolfgang Tiefensee Ronald Pofalla Peter Wichtel Johannes Kahrs Rüdiger Veit Christoph Poland Annette Widmann-Mauz Dr. h. c. Susanne Kastner Ute Vogt Ruprecht Polenz Klaus-Peter Willsch Ulrich Kelber Dr. Marlies Volkmer Eckhard Pols Elisabeth Winkelmeier- Hans-Ulrich Klose Andrea Wicklein Thomas Rachel Becker Dr. Bärbel Kofler Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Peter Ramsauer Dagmar Wöhrl Daniela Kolbe (Leipzig) Dr. Dieter Wiefelspütz Eckhardt Rehberg Dr. Matthias Zimmer Fritz Rudolf Körper Waltraud Wolff Katherina Reiche (Potsdam) Wolfgang Zöller Anette Kramme (Wolmirstedt) Lothar Riebsamen Willi Zylajew Nicolette Kressl Dagmar Ziegler Josef Rief Angelika Krüger-Leißner Manfred Zöllmer Klaus Riegert SPD Ute Kumpf Brigitte Zypries Dr. Heinz Riesenhuber Ingrid Arndt-Brauer Christine Lambrecht FDP Johannes Röring Rainer Arnold Christian Lange (Backnang) Dr. Norbert Röttgen Heinz-Joachim Barchmann Dr. Karl Lauterbach Jens Ackermann Dr. Christian Ruck Dr. Hans-Peter Bartels Steffen-Claudio Lemme Christian Ahrendt Erwin Rüddel Klaus Barthel Burkhard Lischka Christine Aschenberg- Albert Rupprecht (Weiden) Sören Bartol Gabriele Lösekrug-Möller Dugnus Anita Schäfer (Saalstadt) Bärbel Bas Kirsten Lühmann Daniel Bahr (Münster) (B) Dr. Annette Schavan Sabine Bätzing-Lichtenthäler Caren Marks Florian Bernschneider (D) Dr. Andreas Scheuer Dirk Becker Katja Mast Sebastian Blumenthal Karl Schiewerling Uwe Beckmeyer Hilde Mattheis Claudia Bögel Norbert Schindler Lothar Binding (Heidelberg) Ullrich Meßmer Nicole Bracht-Bendt Tankred Schipanski Gerd Bollmann Dr. Matthias Miersch Klaus Breil Georg Schirmbeck Klaus Brandner Franz Müntefering Rainer Brüderle Christian Schmidt (Fürth) Willi Brase Dr. Rolf Mützenich Angelika Brunkhorst Patrick Schnieder Bernhard Brinkmann Dietmar Nietan Marco Buschmann Dr. Andreas Schockenhoff (Hildesheim) Manfred Nink Sylvia Canel Nadine Schön (St. Wendel) Edelgard Bulmahn Thomas Oppermann Reiner Deutschmann Dr. Kristina Schröder Ulla Burchardt Holger Ortel Dr. Bijan Djir-Sarai (Wiesbaden) Martin Burkert Aydan Özoğuz Patrick Döring Dr. Ole Schröder Petra Crone Heinz Paula Mechthild Dyckmans Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Peter Danckert Johannes Pflug Rainer Erdel Uwe Schummer Martin Dörmann Joachim Poß Jörg van Essen Armin Schuster (Weil am Elvira Drobinski-Weiß Dr. Wilhelm Priesmeier Ulrike Flach Rhein) Garrelt Duin Florian Pronold Otto Fricke Detlef Seif Sebastian Edathy Dr. Sascha Raabe Dr. Edmund Peter Geisen Johannes Selle Siegmund Ehrmann Mechthild Rawert Dr. Wolfgang Gerhardt Reinhold Sendker Karin Evers-Meyer Gerold Reichenbach Hans-Michael Goldmann Dr. Patrick Sensburg Elke Ferner Dr. Carola Reimann Miriam Gruß Bernd Siebert Gabriele Fograscher Sönke Rix Joachim Günther (Plauen) Johannes Singhammer Dr. Edgar Franke René Röspel Dr. Christel Happach-Kasan Jens Spahn Dagmar Freitag Dr. Ernst Dieter Rossmann Heinz-Peter Haustein Carola Stauche Peter Friedrich Karin Roth (Esslingen) Manuel Höferlin Dr. Frank Steffel Michael Gerdes Michael Roth (Heringen) Elke Hoff Erika Steinbach Martin Gerster Marlene Rupprecht Birgit Homburger Christian Freiherr von Stetten Iris Gleicke (Tuchenbach) Dr. Werner Hoyer Dieter Stier Günter Gloser Axel Schäfer (Bochum) Heiner Kamp Gero Storjohann Ulrike Gottschalck Bernd Scheelen Michael Kauch Stephan Stracke Angelika Graf (Rosenheim) Werner Schieder (Weiden) Dr. Lutz Knopek Max Straubinger Kerstin Griese Ulla Schmidt (Aachen) Pascal Kober Karin Strenz Michael Groß Silvia Schmidt (Eisleben) Dr. Heinrich L. Kolb Thomas Strobl (Heilbronn) Wolfgang Gunkel Carsten Schneider (Erfurt) Gudrun Kopp Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10699

(A) Dr. h. c. Jürgen Koppelin Jimmy Schulz Kai Gehring Omid Nouripour (C) Sebastian Körber Marina Schuster Katrin Göring-Eckardt Friedrich Ostendorff Holger Krestel Dr. Erik Schweickert Britta Haßelmann Lisa Paus Patrick Kurth (Kyffhäuser) Werner Simmling Bettina Herlitzius Brigitte Pothmer Heinz Lanfermann Judith Skudelny Winfried Hermann Tabea Rößner Sibylle Laurischk Dr. Hermann Otto Solms Priska Hinz (Herborn) Claudia Roth (Augsburg) Harald Leibrecht Joachim Spatz Ulrike Höfken Krista Sager Sabine Leutheusser- Dr. Max Stadler Dr. Anton Hofreiter Manuel Sarrazin Schnarrenberger Torsten Staffeldt Bärbel Höhn Elisabeth Scharfenberg Lars Lindemann Dr. Rainer Stinner Ingrid Hönlinger Christine Scheel Dr. Martin Lindner (Berlin) Stephan Thomae Thilo Hoppe Dr. Gerhard Schick Florian Toncar Michael Link (Heilbronn) Uwe Kekeritz Dorothea Steiner Serkan Tören Dr. Erwin Lotter Katja Keul Dr. Wolfgang Strengmann- Johannes Vogel Oliver Luksic Memet Kilic Kuhn Gabriele Molitor (Lüdenscheid) Sven-Christian Kindler Dr. Daniel Volk Hans-Christian Ströbele Jan Mücke Maria Anna Klein-Schmeink Dr. Harald Terpe Petra Müller (Aachen) Dr. Claudia Winterstein Ute Koczy Dr. Volker Wissing Markus Tressel Burkhardt Müller-Sönksen Tom Koenigs Jürgen Trittin Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Sylvia Kotting-Uhl Dr. Martin Neumann Daniela Wagner (Lausitz) Oliver Krischer Dr. Valerie Wilms Hans-Joachim Otto BÜNDNIS 90/ Agnes Krumwiede Josef Philip Winkler (Frankfurt) DIE GRÜNEN Fritz Kuhn Cornelia Pieper Kerstin Andreae Stephan Kühn Gisela Piltz Marieluise Beck (Bremen) Renate Künast Enthalten Dr. Christiane Ratjen- Volker Beck (Köln) Markus Kurth Damerau Cornelia Behm Undine Kurth (Quedlinburg) CDU/CSU Dr. Birgit Reinemund Monika Lazar Birgitt Bender Manfred Kolbe Dr. Peter Röhlinger Alexander Bonde Agnes Malczak Dr. Stefan Ruppert Jerzy Montag Ekin Deligöz SPD Björn Sänger Katja Dörner Kerstin Müller (Köln) Frank Schäffler Hans-Josef Fell Beate Müller-Gemmeke Anton Schaaf Christoph Schnurr Dr. Thomas Gambke Dr. Konstantin von Notz Frank Schwabe

(B) (D)

Anlage 22 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Einheitliche Regelung der Altersversorgung für Angehö- rige der technischen Intelligenz der DDR (Drucksachen 17/3887 und 17/4769 Buchstabe r) (Tagesord- nungspunkt 5)

Endgültiges Ergebnis Herbert Behrens Dr. Rosemarie Hein Kornelia Möller Abgegebene Stimmen: 580; Matthias W. Birkwald Inge Höger Niema Movassat davon Heidrun Bluhm Andrej Hunko Wolfgang Nešković ja: 71 Steffen Bockhahn Ulla Jelpke Thomas Nord nein: 307 Christine Buchholz Dr. Lukrezia Jochimsen Petra Pau enthalten: 196 Eva Bulling-Schröter Katja Kipping Jens Petermann ungültig: 6 Dr. Martina Bunge Harald Koch Richard Pitterle Roland Claus Jan Korte Yvonne Ploetz Sevim Dağdelen Jutta Krellmann Ingrid Remmers Ja Dr. Diether Dehm Katrin Kunert Paul Schäfer (Köln) Heidrun Dittrich FDP Caren Lay Dr. Ilja Seifert Werner Dreibus Sabine Leidig Kathrin Senger-Schäfer Heinz-Peter Haustein Dr. Dagmar Enkelmann Ralph Lenkert Raju Sharma Dr. Peter Röhlinger Wolfgang Gehrcke Michael Leutert Dr. Petra Sitte Nicole Gohlke Ulla Lötzer Kersten Steinke DIE LINKE Diana Golze Dr. Gesine Lötzsch Sabine Stüber Jan van Aken Annette Groth Ulrich Maurer Alexander Süßmair Agnes Alpers Dr. Gregor Gysi Dorothee Menzner Dr. Kirsten Tackmann Dr. Dietmar Bartsch Heike Hänsel Cornelia Möhring Frank Tempel 10700 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Dr. Axel Troost Eberhard Gienger Dr. Norbert Lammert Dr. Kristina Schröder (C) Alexander Ulrich Michael Glos Katharina Landgraf (Wiesbaden) Kathrin Vogler Josef Göppel Ulrich Lange Dr. Ole Schröder Johanna Voß Peter Götz Dr. Max Lehmer Bernhard Schulte-Drüggelte Halina Wawzyniak Dr. Wolfgang Götzer Paul Lehrieder Uwe Schummer Harald Weinberg Ute Granold Dr. Ursula von der Leyen Armin Schuster (Weil am Katrin Werner Reinhard Grindel Ingbert Liebing Rhein) Jörn Wunderlich Hermann Gröhe Matthias Lietz Detlef Seif Sabine Zimmermann Michael Grosse-Brömer Dr. Carsten Linnemann Johannes Selle Markus Grübel Patricia Lips Reinhold Sendker Nein Manfred Grund Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Patrick Sensburg Monika Grütters Daniela Ludwig Bernd Siebert CDU/CSU Karl-Theodor Freiherr Dr. Michael Luther Johannes Singhammer zu Guttenberg Karin Maag Jens Spahn Ilse Aigner Olav Gutting Hans-Georg von der Marwitz Carola Stauche Peter Altmaier Florian Hahn Andreas Mattfeldt Dr. Frank Steffel Peter Aumer Holger Haibach Stephan Mayer (Altötting) Erika Steinbach Dorothee Bär Dr. Stephan Harbarth Dr. Michael Meister Christian Freiherr von Stetten Thomas Bareiß Jürgen Hardt Dr. Angela Merkel Dieter Stier Norbert Barthle Gerda Hasselfeldt Maria Michalk Gero Storjohann Günter Baumann Dr. Matthias Heider Dr. Mathias Middelberg Stephan Stracke Ernst-Reinhard Beck Mechthild Heil Philipp Mißfelder Max Straubinger (Reutlingen) Ursula Heinen-Esser Dietrich Monstadt Karin Strenz Manfred Behrens (Börde) Frank Heinrich Dr. Gerd Müller Thomas Strobl (Heilbronn) Veronika Bellmann Rudolf Henke Stefan Müller (Erlangen) Lena Strothmann Dr. Christoph Bergner Michael Hennrich Dr. Philipp Murmann Michael Stübgen Peter Beyer Jürgen Herrmann Bernd Neumann (Bremen) Dr. Peter Tauber Steffen Bilger Ansgar Heveling Michaela Noll Antje Tillmann Clemens Binninger Ernst Hinsken Dr. Georg Nüßlein Dr. Hans-Peter Uhl Peter Bleser Peter Hintze Franz Obermeier Arnold Vaatz Dr. Maria Böhmer Christian Hirte Eduard Oswald Volkmar Vogel (Kleinsaara) Wolfgang Börnsen Robert Hochbaum Henning Otte Stefanie Vogelsang (Bönstrup) Karl Holmeier Dr. Michael Paul Andrea Astrid Voßhoff Wolfgang Bosbach Franz-Josef Holzenkamp Rita Pawelski Dr. Johann Wadephul (B) Norbert Brackmann (D) Anette Hübinger Ulrich Petzold Marco Wanderwitz Klaus Brähmig Thomas Jarzombek Dr. Joachim Pfeiffer Kai Wegner Michael Brand Dieter Jasper Sibylle Pfeiffer Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Reinhard Brandl Dr. Franz Josef Jung Beatrix Philipp Peter Weiß (Emmendingen) Helmut Brandt Andreas Jung (Konstanz) Ronald Pofalla Sabine Weiss (Wesel I) Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Egon Jüttner Ingo Wellenreuther Christoph Poland Dr. Helge Braun Bartholomäus Kalb Peter Wichtel Ruprecht Polenz Heike Brehmer Hans-Werner Kammer Annette Widmann-Mauz Eckhard Pols Ralph Brinkhaus Steffen Kampeter Klaus-Peter Willsch Thomas Rachel Cajus Caesar Bernhard Kaster Elisabeth Winkelmeier- Dr. Peter Ramsauer Gitta Connemann Volker Kauder Becker Eckhardt Rehberg Alexander Dobrindt Siegfried Kauder (Villingen- Dagmar Wöhrl Katherina Reiche (Potsdam) Thomas Dörflinger Schwenningen) Dr. Matthias Zimmer Lothar Riebsamen Dr. Thomas Feist Dr. Stefan Kaufmann Wolfgang Zöller Enak Ferlemann Roderich Kiesewetter Josef Rief Willi Zylajew Ingrid Fischbach Eckart von Klaeden Klaus Riegert Hartwig Fischer (Göttingen) Ewa Klamt Dr. Heinz Riesenhuber SPD Dirk Fischer (Hamburg) Volkmar Klein Johannes Röring Rolf Schwanitz Axel E. Fischer (Karlsruhe- Jürgen Klimke Dr. Norbert Röttgen Land) Julia Klöckner Dr. Christian Ruck FDP Dr. Maria Flachsbarth Axel Knoerig Erwin Rüddel Klaus-Peter Flosbach Jens Koeppen Albert Rupprecht (Weiden) Jens Ackermann Herbert Frankenhauser Dr. Rolf Koschorrek Anita Schäfer (Saalstadt) Christian Ahrendt Dr. Hans-Peter Friedrich Hartmut Koschyk Dr. Annette Schavan Christine Aschenberg- (Hof) Thomas Kossendey Dr. Andreas Scheuer Dugnus Michael Frieser Gunther Krichbaum Karl Schiewerling Daniel Bahr (Münster) Erich G. Fritz Dr. Günter Krings Norbert Schindler Florian Bernschneider Hans-Joachim Fuchtel Bettina Kudla Tankred Schipanski Sebastian Blumenthal Alexander Funk Dr. Hermann Kues Georg Schirmbeck Claudia Bögel Ingo Gädechens Günter Lach Christian Schmidt (Fürth) Nicole Bracht-Bendt Dr. Thomas Gebhart Dr. Karl A. Lamers Patrick Schnieder Klaus Breil Norbert Geis (Heidelberg) Dr. Andreas Schockenhoff Rainer Brüderle Alois Gerig Andreas G. Lämmel Nadine Schön (St. Wendel) Angelika Brunkhorst Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10701

(A) Marco Buschmann Florian Toncar Gabriele Hiller-Ohm Dr. Carsten Sieling (C) Sylvia Canel Serkan Tören Petra Hinz (Essen) Sonja Steffen Reiner Deutschmann Johannes Vogel Frank Hofmann (Volkach) Peer Steinbrück Patrick Döring (Lüdenscheid) Dr. Eva Högl Dr. Frank-Walter Steinmeier Mechthild Dyckmans Dr. Daniel Volk Christel Humme Christoph Strässer Rainer Erdel Dr. Claudia Winterstein Josip Juratovic Kerstin Tack Jörg van Essen Dr. Volker Wissing Oliver Kaczmarek Dr. h. c. Wolfgang Thierse Ulrike Flach Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Johannes Kahrs Franz Thönnes Otto Fricke Dr. h. c. Susanne Kastner Wolfgang Tiefensee Dr. Edmund Peter Geisen Enthalten Ulrich Kelber Rüdiger Veit Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Ulrich Klose Ute Vogt Hans-Michael Goldmann CDU/CSU Dr. Bärbel Kofler Dr. Marlies Volkmer Miriam Gruß Daniela Kolbe (Leipzig) Andrea Wicklein Joachim Günther (Plauen) Manfred Kolbe Fritz Rudolf Körper Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Christel Happach-Kasan Anette Kramme Dr. Dieter Wiefelspütz Manuel Höferlin SPD Nicolette Kressl Waltraud Wolff Elke Hoff Ingrid Arndt-Brauer Angelika Krüger-Leißner (Wolmirstedt) Birgit Homburger Rainer Arnold Ute Kumpf Dagmar Ziegler Dr. Werner Hoyer Heinz-Joachim Barchmann Christine Lambrecht Manfred Zöllmer Heiner Kamp Christian Lange (Backnang) Dr. Hans-Peter Bartels Brigitte Zypries Michael Kauch Dr. Karl Lauterbach Klaus Barthel Dr. Lutz Knopek Steffen-Claudio Lemme Sören Bartol BÜNDNIS 90/ Pascal Kober Burkhard Lischka Bärbel Bas DIE GRÜNEN Dr. Heinrich L. Kolb Gabriele Lösekrug-Möller Sabine Bätzing-Lichtenthäler Gudrun Kopp Kirsten Lühmann Kerstin Andreae Dirk Becker Dr. h. c. Jürgen Koppelin Caren Marks Marieluise Beck (Bremen) Uwe Beckmeyer Sebastian Körber Katja Mast Volker Beck (Köln) Lothar Binding (Heidelberg) Holger Krestel Hilde Mattheis Cornelia Behm Gerd Bollmann Patrick Kurth (Kyffhäuser) Ullrich Meßmer Birgitt Bender Klaus Brandner Heinz Lanfermann Dr. Matthias Miersch Alexander Bonde Sibylle Laurischk Willi Brase Franz Müntefering Ekin Deligöz Harald Leibrecht Bernhard Brinkmann Dr. Rolf Mützenich Katja Dörner Sabine Leutheusser- (Hildesheim) Dietmar Nietan Hans-Josef Fell Schnarrenberger Edelgard Bulmahn Manfred Nink Dr. Thomas Gambke (B) Lars Lindemann Ulla Burchardt Thomas Oppermann Kai Gehring (D) Dr. Martin Lindner (Berlin) Martin Burkert Holger Ortel Katrin Göring-Eckardt Michael Link (Heilbronn) Petra Crone Aydan Özoğuz Britta Haßelmann Dr. Erwin Lotter Dr. Peter Danckert Heinz Paula Bettina Herlitzius Oliver Luksic Martin Dörmann Johannes Pflug Winfried Hermann Gabriele Molitor Elvira Drobinski-Weiß Joachim Poß Priska Hinz (Herborn) Jan Mücke Garrelt Duin Dr. Wilhelm Priesmeier Ulrike Höfken Petra Müller (Aachen) Sebastian Edathy Florian Pronold Dr. Anton Hofreiter Burkhardt Müller-Sönksen Siegmund Ehrmann Dr. Sascha Raabe Bärbel Höhn Dr. Martin Neumann Karin Evers-Meyer Mechthild Rawert Ingrid Hönlinger (Lausitz) Elke Ferner Gerold Reichenbach Thilo Hoppe Hans-Joachim Otto Gabriele Fograscher Dr. Carola Reimann Uwe Kekeritz (Frankfurt) Dr. Edgar Franke Sönke Rix Katja Keul Cornelia Pieper Dagmar Freitag René Röspel Memet Kilic Gisela Piltz Peter Friedrich Dr. Ernst Dieter Rossmann Sven-Christian Kindler Dr. Christiane Ratjen- Michael Gerdes Karin Roth (Esslingen) Maria Anna Klein-Schmeink Damerau Martin Gerster Michael Roth (Heringen) Ute Koczy Dr. Birgit Reinemund Iris Gleicke Marlene Rupprecht Tom Koenigs Dr. Stefan Ruppert Günter Gloser (Tuchenbach) Sylvia Kotting-Uhl Björn Sänger Ulrike Gottschalck Anton Schaaf Oliver Krischer Frank Schäffler Angelika Graf (Rosenheim) Axel Schäfer (Bochum) Agnes Krumwiede Christoph Schnurr Kerstin Griese Bernd Scheelen Fritz Kuhn Jimmy Schulz Michael Groß Werner Schieder (Weiden) Stephan Kühn Marina Schuster Wolfgang Gunkel Ulla Schmidt (Aachen) Renate Künast Dr. Erik Schweickert Hans-Joachim Hacker Silvia Schmidt (Eisleben) Markus Kurth Werner Simmling Bettina Hagedorn Carsten Schneider (Erfurt) Undine Kurth (Quedlinburg) Judith Skudelny Klaus Hagemann Ottmar Schreiner Monika Lazar Dr. Hermann Otto Solms Michael Hartmann Swen Schulz (Spandau) Agnes Malczak Joachim Spatz (Wackernheim) Ewald Schurer Jerzy Montag Dr. Max Stadler Hubertus Heil (Peine) Frank Schwabe Kerstin Müller (Köln) Torsten Staffeldt Rolf Hempelmann Dr. Martin Schwanholz Beate Müller-Gemmeke Dr. Rainer Stinner Dr. Barbara Hendricks Stefan Schwartze Dr. Konstantin von Notz Stephan Thomae Gustav Herzog Rita Schwarzelühr-Sutter Omid Nouripour 10702 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Friedrich Ostendorff Krista Sager Dorothea Steiner Markus Tressel (C) Lisa Paus Manuel Sarrazin Dr. Wolfgang Strengmann- Jürgen Trittin Brigitte Pothmer Elisabeth Scharfenberg Kuhn Daniela Wagner Tabea Rößner Christine Scheel Hans-Christian Ströbele Dr. Valerie Wilms Claudia Roth (Augsburg) Dr. Gerhard Schick Dr. Harald Terpe Josef Philip Winkler

Anlage 23 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wertneutralität im Rentenrecht auch für Personen mit be- stimmten Funktionen in der DDR (Drucksachen 17/3888 und 17/4769 Buchstabe s) (Tagesordnungs- punkt 5)

Endgültiges Ergebnis Jutta Krellmann Dorothee Bär Ingo Gädechens Abgegebene Stimmen: 579; Katrin Kunert Thomas Bareiß Dr. Thomas Gebhart davon Caren Lay Norbert Barthle Norbert Geis Sabine Leidig Günter Baumann Alois Gerig ja: 70 Ralph Lenkert Ernst-Reinhard Beck Eberhard Gienger nein: 500 Michael Leutert (Reutlingen) Michael Glos enthalten: 3 Ulla Lötzer Manfred Behrens (Börde) Josef Göppel ungültig: 6 Dr. Gesine Lötzsch Veronika Bellmann Peter Götz Ulrich Maurer Dr. Christoph Bergner Dr. Wolfgang Götzer Dorothee Menzner Ja Peter Beyer Ute Granold Cornelia Möhring Steffen Bilger Reinhard Grindel Kornelia Möller BÜNDNIS 90/ Clemens Binninger Hermann Gröhe Niema Movassat Peter Bleser Michael Grosse-Brömer (B) DIE GRÜNE (D) Wolfgang Nešković Dr. Maria Böhmer Markus Grübel Bettina Herlitzius Thomas Nord Wolfgang Börnsen Manfred Grund Petra Pau (Bönstrup) Monika Grütters DIE LINKE Jens Petermann Wolfgang Bosbach Karl-Theodor Freiherr Richard Pitterle Jan van Aken Norbert Brackmann zu Guttenberg Agnes Alpers Yvonne Ploetz Klaus Brähmig Olav Gutting Dr. Dietmar Bartsch Ingrid Remmers Michael Brand Florian Hahn Herbert Behrens Paul Schäfer (Köln) Dr. Reinhard Brandl Holger Haibach Matthias W. Birkwald Dr. Ilja Seifert Helmut Brandt Dr. Stephan Harbarth Heidrun Bluhm Kathrin Senger-Schäfer Dr. Ralf Brauksiepe Jürgen Hardt Raju Sharma Steffen Bockhahn Dr. Helge Braun Gerda Hasselfeldt Dr. Petra Sitte Christine Buchholz Heike Brehmer Dr. Matthias Heider Kersten Steinke Eva Bulling-Schröter Ralph Brinkhaus Mechthild Heil Sabine Stüber Dr. Martina Bunge Cajus Caesar Ursula Heinen-Esser Alexander Süßmair Roland Claus Gitta Connemann Frank Heinrich Sevim Dağdelen Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Alexander Dobrindt Rudolf Henke Dr. Diether Dehm Thomas Dörflinger Michael Hennrich Heidrun Dittrich Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Dr. Thomas Feist Jürgen Herrmann Werner Dreibus Enak Ferlemann Ansgar Heveling Dr. Dagmar Enkelmann Kathrin Vogler Ingrid Fischbach Ernst Hinsken Wolfgang Gehrcke Johanna Voß Hartwig Fischer (Göttingen) Peter Hintze Nicole Gohlke Halina Wawzyniak Diana Golze Harald Weinberg Dirk Fischer (Hamburg) Christian Hirte Annette Groth Katrin Werner Axel E. Fischer (Karlsruhe- Robert Hochbaum Dr. Gregor Gysi Jörn Wunderlich Land) Karl Holmeier Heike Hänsel Sabine Zimmermann Dr. Maria Flachsbarth Franz-Josef Holzenkamp Dr. Rosemarie Hein Klaus-Peter Flosbach Anette Hübinger Herbert Frankenhauser Thomas Jarzombek Inge Höger Nein Andrej Hunko Dr. Hans-Peter Friedrich Dieter Jasper (Hof) Dr. Franz Josef Jung Ulla Jelpke CDU/CSU Dr. Lukrezia Jochimsen Michael Frieser Andreas Jung (Konstanz) Katja Kipping Ilse Aigner Erich G. Fritz Dr. Egon Jüttner Harald Koch Peter Altmaier Hans-Joachim Fuchtel Bartholomäus Kalb Jan Korte Peter Aumer Alexander Funk Hans-Werner Kammer Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10703

(A) Steffen Kampeter Dr. Peter Ramsauer Dagmar Wöhrl Daniela Kolbe (Leipzig) (C) Bernhard Kaster Eckhardt Rehberg Dr. Matthias Zimmer Fritz Rudolf Körper Volker Kauder Katherina Reiche (Potsdam) Wolfgang Zöller Anette Kramme Siegfried Kauder (Villingen- Lothar Riebsamen Willi Zylajew Nicolette Kressl Schwenningen) Josef Rief Angelika Krüger-Leißner Dr. Stefan Kaufmann Klaus Riegert SPD Ute Kumpf Roderich Kiesewetter Dr. Heinz Riesenhuber Ingrid Arndt-Brauer Christine Lambrecht Eckart von Klaeden Johannes Röring Rainer Arnold Christian Lange (Backnang) Ewa Klamt Dr. Norbert Röttgen Heinz-Joachim Barchmann Dr. Karl Lauterbach Volkm ar K le in Dr. Christian Ruck Dr. Hans-Peter Bartels Steffen-Claudio Lemme Jürgen Klimke Erwin Rüddel Klaus Barthel Burkhard Lischka Julia Klöckner Albert Rupprecht (Weiden) Sören Bartol Gabriele Lösekrug-Möller Axel Knoerig Anita Schäfer (Saalstadt) Bärbel Bas Kirsten Lühmann Jens Koeppen Dr. Annette Schavan Sabine Bätzing-Lichtenthäler Caren Marks Dr. Rolf Koschorrek Dr. Andreas Scheuer Dirk Becker Katja Mast Hartmut Koschyk Karl Schiewerling Uwe Beckmeyer Hilde Mattheis Thomas Kossendey Norbert Schindler Lothar Binding (Heidelberg) Ullrich Meßmer Gunther Krichbaum Tankred Schipanski Gerd Bollmann Dr. Matthias Miersch Dr. Günter Krings Georg Schirmbeck Klaus Brandner Franz Müntefering Bettina Kudla Christian Schmidt (Fürth) Willi Brase Dr. Rolf Mützenich Dr. Hermann Kues Patrick Schnieder Bernhard Brinkmann Dietmar Nietan Günter Lach Dr. Andreas Schockenhoff (Hildesheim) Manfred Nink Dr. Karl A. Lamers Nadine Schön (St. Wendel) Edelgard Bulmahn Thomas Oppermann (Heidelberg) Dr. Kristina Schröder Ulla Burchardt Holger Ortel Andreas G. Lämmel (Wiesbaden) Martin Burkert Aydan Özoğuz Dr. Norbert Lammert Dr. Ole Schröder Petra Crone Heinz Paula Katharina Landgraf Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Peter Danckert Johannes Pflug Ulrich Lange Uwe Schummer Martin Dörmann Joachim Poß Dr. Max Lehmer Armin Schuster (Weil am Elvira Drobinski-Weiß Dr. Wilhelm Priesmeier Paul Lehrieder Rhein) Garrelt Duin Florian Pronold Dr. Ursula von der Leyen Detlef Seif Sebastian Edathy Dr. Sascha Raabe Ingbert Liebing Johannes Selle Siegmund Ehrmann Mechthild Rawert Matthias Lietz Reinhold Sendker Karin Evers-Meyer Gerold Reichenbach Dr. Carsten Linnemann Dr. Patrick Sensburg Elke Ferner Dr. Carola Reimann (B) Patricia Lips Bernd Siebert Gabriele Fograscher Sönke Rix (D) Dr. Jan-Marco Luczak Johannes Singhammer Dr. Edgar Franke René Röspel Daniela Ludwig Jens Spahn Dagmar Freitag Dr. Ernst Dieter Rossmann Dr. Michael Luther Carola Stauche Peter Friedrich Karin Roth (Esslingen) Karin Maag Dr. Frank Steffel Michael Gerdes Michael Roth (Heringen) Hans-Georg von der Marwitz Erika Steinbach Martin Gerster Marlene Rupprecht Andreas Mattfeldt Christian Freiherr von Stetten Iris Gleicke (Tuchenbach) Stephan Mayer (Altötting) Dieter Stier Günter Gloser Axel Schäfer (Bochum) Dr. Michael Meister Gero Storjohann Ulrike Gottschalck Bernd Scheelen Dr. Angela Merkel Stephan Stracke Angelika Graf (Rosenheim) Werner Schieder (Weiden) Maria Michalk Max Straubinger Kerstin Griese Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Mathias Middelberg Karin Strenz Michael Groß Silvia Schmidt (Eisleben) Philipp Mißfelder Thomas Strobl (Heilbronn) Wolfgang Gunkel Carsten Schneider (Erfurt) Dietrich Monstadt Lena Strothmann Hans-Joachim Hacker Ottmar Schreiner Dr. Gerd Müller Michael Stübgen Bettina Hagedorn Swen Schulz (Spandau) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Peter Tauber Klaus Hagemann Ewald Schurer Dr. Philipp Murmann Antje Tillmann Michael Hartmann Dr. Martin Schwanholz Bernd Neumann (Bremen) Dr. Hans-Peter Uhl (Wackernheim) Rolf Schwanitz Michaela Noll Arnold Vaatz Hubertus Heil (Peine) Stefan Schwartze Dr. Georg Nüßlein Volkmar Vogel (Kleinsaara) Rolf Hempelmann Rita Schwarzelühr-Sutter Franz Obermeier Stefanie Vogelsang Dr. Barbara Hendricks Dr. Carsten Sieling Eduard Oswald Andrea Astrid Voßhoff Gustav Herzog Sonja Steffen Henning Otte Dr. Johann Wadephul Gabriele Hiller-Ohm Peer Steinbrück Dr. Michael Paul Marco Wanderwitz Petra Hinz (Essen) Dr. Frank-Walter Steinmeier Rita Pawelski Kai Wegner Frank Hofmann (Volkach) Christoph Strässer Ulrich Petzold Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Eva Högl Kerstin Tack Dr. Joachim Pfeiffer Peter Weiß (Emmendingen) Christel Humme Dr. h. c. Wolfgang Thierse Sibylle Pfeiffer Sabine Weiss (Wesel I) Josip Juratovic Franz Thönnes Beatrix Philipp Ingo Wellenreuther Oliver Kaczmarek Wolfgang Tiefensee Ronald Pofalla Peter Wichtel Johannes Kahrs Rüdiger Veit Christoph Poland Annette Widmann-Mauz Dr. h. c. Susanne Kastner Ute Vogt Ruprecht Polenz Klaus-Peter Willsch Ulrich Kelber Dr. Marlies Volkmer Eckhard Pols Elisabeth Winkelmeier- Hans-Ulrich Klose Andrea Wicklein Thomas Rachel Becker Dr. Bärbel Kofler Heidemarie Wieczorek-Zeul 10704 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Dr. Dieter Wiefelspütz Pascal Kober Torsten Staffeldt Agnes Krumwiede (C) Waltraud Wolff Dr. Heinrich L. Kolb Dr. Rainer Stinner Fritz Kuhn (Wolmirstedt) Gudrun Kopp Stephan Thomae Stephan Kühn Dagmar Ziegler Dr. h. c. Jürgen Koppelin Florian Toncar Renate Künast Manfred Zöllmer Sebastian Körber Serkan Tören Markus Kurth Brigitte Zypries Holger Krestel Johannes Vogel Undine Kurth (Quedlinburg) Patrick Kurth (Kyffhäuser) (Lüdenscheid) Monika Lazar FDP Heinz Lanfermann Dr. Daniel Volk Agnes Malczak Dr. Claudia Winterstein Jens Ackermann Sibylle Laurischk Jerzy Montag Dr. Volker Wissing Christian Ahrendt Harald Leibrecht Kerstin Müller (Köln) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Christine Aschenberg- Sabine Leutheusser- Beate Müller-Gemmeke Dugnus Schnarrenberger Dr. Konstantin von Notz BÜNDNIS 90/ Daniel Bahr (Münster) Lars Lindemann Omid Nouripour DIE GRÜNEN Florian Bernschneider Dr. Martin Lindner (Berlin) Friedrich Ostendorff Sebastian Blumenthal Michael Link (Heilbronn) Kerstin Andreae Lisa Paus Claudia Bögel Dr. Erwin Lotter Marieluise Beck (Bremen) Brigitte Pothmer Nicole Bracht-Bendt Oliver Luksic Volker Beck (Köln) Tabea Rößner Klaus Breil Gabriele Molitor Cornelia Behm Claudia Roth (Augsburg) Rainer Brüderle Jan Mücke Birgitt Bender Krista Sager Angelika Brunkhorst Petra Müller (Aachen) Alexander Bonde Manuel Sarrazin Marco Buschmann Burkhardt Müller-Sönksen Ekin Deligöz Elisabeth Scharfenberg Sylvia Canel Dr. Martin Neumann Katja Dörner Christine Scheel Reiner Deutschmann (Lausitz) Hans-Josef Fell Dr. Gerhard Schick Patrick Döring Hans-Joachim Otto Dr. Thomas Gambke Dorothea Steiner (Frankfurt) Mechthild Dyckmans Kai Gehring Dr. Wolfgang Strengmann- Cornelia Pieper Rainer Erdel Katrin Göring-Eckardt Kuhn Gisela Piltz Jörg van Essen Britta Haßelmann Hans-Christian Ströbele Dr. Christiane Ratjen- Ulrike Flach Winfried Hermann Dr. Harald Terpe Damerau Otto Fricke Priska Hinz (Herborn) Markus Tressel Dr. Birgit Reinemund Dr. Edmund Peter Geisen Ulrike Höfken Jürgen Trittin Dr. Peter Röhlinger Dr. Wolfgang Gerhardt Dr. Anton Hofreiter Dr. Valerie Wilms Dr. Stefan Ruppert Hans-Michael Goldmann Bärbel Höhn Josef Philip Winkler Miriam Gruß Björn Sänger Ingrid Hönlinger Joachim Günther (Plauen) Frank Schäffler Thilo Hoppe (B) Dr. Christel Happach-Kasan Christoph Schnurr Uwe Kekeritz Enthalten (D) Heinz-Peter Haustein Jimmy Schulz Katja Keul Manuel Höferlin Marina Schuster Memet Kilic CDU/CSU Dr. Erik Schweickert Elke Hoff Sven-Christian Kindler Manfred Kolbe Birgit Homburger Werner Simmling Maria Anna Klein-Schmeink Judith Skudelny Dr. Werner Hoyer Ute Koczy SPD Heiner Kamp Dr. Hermann Otto Solms Tom Koenigs Michael Kauch Joachim Spatz Sylvia Kotting-Uhl Anton Schaaf Dr. Lutz Knopek Dr. Max Stadler Oliver Krischer Frank Schwabe

Anlage 24 Ich halte es jedoch für die Zukunft der Biogaserzeu- gung in Deutschland von größter Bedeutung, dass die Erklärung nach § 31 GO Biogaserzeugung dezentral in standortangepassten Anla- des Abgeordneten Rainer Erdel (FDP) zur Ab- gen erfolgt. Insbesondere ist daher eine Bevorzugung von stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Großanlagen, die ausschließlich Biogas in das Gasnetz Umsetzung der Richtlinie 2009/28/EG zur För- einspeisen, gegenüber kleineren bäuerlichen Anlagen zu derung der Nutzung von Energie aus erneuer- vermeiden. Der Gesetzentwurf ermöglicht, unter be- baren Quellen (Europarechtsanpassungsgesetz stimmten Voraussetzungen, die Nutzung von Biogas in Erneuerbare Energien – EAG EE) (Tagesord- Brennwertkesseln zu Heizzwecken, ohne dass daran eine nungspunkt 12) Stromerzeugung gekoppelt sein muss. Damit wird nach Ich unterstütze den Ausbau der erneuerbaren Ener- der Sanierung von öffentlichen Gebäuden vom Grundsatz gien, insbesondere auch im Bereich Biogas. Der Gesetz- abgewichen, dass beim Heizen mit Biogas energieeffi- entwurf dient diesem Ziel und enthält eine Vielzahl ziente Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zur Anwendung wichtiger, zukunftsweisender Regelungen, die dem Aus- kommen müssen. Die daraus in der Praxis resultierende bau der erneuerbaren Energien dienen und auch den Bio- Benachteiligung von kleineren Anlagen halte ich für gasbereich voranbringen werden. nicht zielführend. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10705

(A) Anlage 25 Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für nicht notwen- (C) dig. Zu Protokoll gegebene Reden Aus diesen Gründen sind die Forderungen Ihres An- zur Beratung des Antrags: Forderungen des trags für uns nicht konsensfähig bzw. bereits überholt. Goldstone-Berichts nach unabhängigen Unter- Gleichzeitig stimmen wir grundsätzlich darin überein, suchungen des Gaza-Kriegs unterstützen (Ta- dass Verletzungen des Völkerrechts sorgfältig untersucht gesordnungspunkt 15) und aufgearbeitet werden, und wir stellen die Notwendig- keit ernsthafter eigener Untersuchungen und strafrechtli- Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Die Welt be- cher Aufarbeitung als besonders bedeutend heraus – ein findet sich im Umbruch. In der Nachbarschaft von Israel Signal an beide Parteien und damit auch an die gesamte vollzieht sich ein Wandel unberechenbaren Ausmaßes. Region. Wir haben eine sehr schwierige Lage in Libyen, Tune- In Ihrem Antrag wird die Bundesregierung aufgefor- sien, Ägypten und selbst auf der arabischen Halbinsel. dert, die israelische und die palästinensische Seite zu ei- Diese Entwicklung ist mit einer großen Unbestimmtheit genen Untersuchungen aufzufordern. Aber eigene Unter- verbunden, mit der Frage: Wie friedlich ist dieser Pro- suchungen sind erfolgt, wie der Bericht der Tomuschat- zess? Kommission belegt. Insoweit ist der Antrag überholt. Wenn wir uns heute mit dem Goldstone-Bericht und Im Antrag wird gefordert, dass die Bundesregierung in diesem Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg beschäf- beide Seiten zur Zusammenarbeit mit dem Expertenko- tigen, dann tun wir dies am heutigen Tage mit einem mitee der VN-Hochkommissarin für Menschenrechte wichtigen historischen Bezug: Der Palästina-Krieg von bewegen soll. Aber der Bericht des Expertengremiums 1947 bis 1949 endete am 24. Februar 1949 mit einem liegt vor; die Schlussfolgerungen sind gemacht, die Auf- ersten Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und arbeitung wird weiter betrieben, und eine verbesserte dem damaligen Kriegsgegner Königreich Ägypten. Da- Zusammenarbeit wird angemahnt. mals wie heute ist die Sicherheitslage Israels nicht klar, auch der Gaza-Krieg war eine Frage von Bedrohung und Um es mit anderen Worten zu sagen: Der vorliegende Unsicherheit. Der jahrelange Raketenterror aus dem Ga- Antrag liegt letztlich voll auf der Linie derjenigen, die zastreifen gegen die Bevölkerung in Südisrael hatte das VN-Verfahren gegen Israel politisieren wollen, was schwerwiegende Folgen insbesondere für die Zivilisten. wir nicht unterstützen werden. Der Gaza-Krieg wurde schließlich mit dem Ziel geführt, Abschließend lässt sich festhalten, dass die Kritik am mutmaßliche Hamas-Hochburgen auszuschalten und israelischen Militäreinsatz und an mangelnder Koopera- (B) diese Organisation zu schwächen. (D) tion seitens Israels bei der Untersuchung teilweise be- Unabhängig von diesem historischen Kontext ist aber rechtigt sein mag. Allerdings: Das israelische Rechtssys- auch klar: Deutschland ist der Sicherheit Israels ver- tem verfügt über die notwendigen Mechanismen zur pflichtet. Dafür tun wir politisch, was wir tun können. In Aufarbeitung der Vorwürfe. Dagegen ist nicht erkennt- der Situation des Umbruchs ist ein klares Signal der So- lich, dass die palästinensische Seite aufgrund der eige- lidarität an Israel notwendig, aber auch an die arabische nen Untersuchungen auch die notwendigen Ermittlungen und palästinensische Seite, endlich das Existenzrecht Is- einleitet. Die Hamas in Gaza hat noch nicht einmal raels anzuerkennen. glaubhafte und ehrliche Untersuchungen eingeleitet. In der aktuellen Entwicklung steckt eine Chance: Der Betrachten wir die aktuellen Entwicklungen, dann gegenwärtige Umbruch kann auch den Friedensprozess müssen wir akzeptieren, dass diese sehr viel mit nationa- befördern. Dessen Ziele stehen fest: Die Zwei-Staaten- ler Sicherheit zu tun haben. Unterschiedliche Bedrohun- Lösung mit Israel als einem jüdischen, demokratischen gen für Israel sind sichtbar. Deshalb ist die enge Partner- Staat und einem lebensfähigen palästinensischen Staat. schaft zwischen Deutschland und Israel von allergrößter Dies ist nur möglich durch schmerzhafte Kompromisse; Bedeutung. Meine Damen und Herren, was kann Europa aber die dann greifbaren Ziele sind sichere Grenzen und tun? An der Seite Israels stehen, aber gleichzeitig dazu eine in Sicherheit lebende Bevölkerung auf beiden Sei- auffordern, die Chancen des Umbruchs zu nutzen. ten. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Die israelische Hinsichtlich des Antrags sind wir der Meinung, dass Militäroffensive „Gegossenes Blei“ im Gazastreifen, zu die Zuständigkeiten für den Goldstone-Bericht und die deren Untersuchung die Kommission unter Leitung von Behandlung der Schlussfolgerungen feststehen: Der Richard Goldstone mandatiert war, liegt mittlerweile Menschenrechtsrat ist verantwortlich. Bei dessen nächs- mehr als zwei Jahre zurück. Alle beteiligten Parteien ter Sitzung im März 2011 wird unser heutiges Thema – Israel, die Palästinensische Autonomiebehörde und die auch auf der Tagesordnung stehen, weshalb diese Sitzung Hamas – haben eigene nationale Untersuchungen der maßgeblich für die weitere Beurteilung des Prozesses Vorgänge durchgeführt und entsprechende Stellungnah- sein wird. Hier gilt es abzuwarten und den Ergebnissen men an den Generalsekretär der Vereinten Nationen und Schlussfolgerungen insbesondere der Hochkommis- übermittelt. sarin für Menschenrechte Pillay nicht vorzugreifen. In je- dem Fall halten wir aufgrund der bestehenden Zuständig- Von den vier Forderungen des vorliegenden Antrags keiten die Überweisung des Sachverhalts an den sind somit jedenfalls zwei – nämlich die nach Einleitung 10706 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) nationaler Untersuchungen sowie nach Vorlage an den Die Unruhen in der arabischen Welt müssen nicht (C) Internationalen Strafgerichtshof – überholt. Die beiden zwingend direkte Auswirkungen auf den Friedenspro- verbleibenden Forderungen – die Befassung des VN-Si- zess zwischen Israel und den Palästinensern zeitigen. cherheitsrats mit dem Goldstone-Bericht sowie die Koo- Unverkennbar ist aber, dass die Politik der arabischen peration der Konfliktparteien mit dem vom VN-Men- Staaten künftig stärker als bislang den Willen der Bevöl- schenrechtsrat mandatierten Expertengremium – teilen kerung widerspiegeln wird. Fortschritte im Friedenspro- wir in der CDU/CSU-Fraktion nicht: Zum einen ist der zess werden dadurch jedenfalls nicht einfacher und lie- Menschenrechtsrat, der die Kommission eingesetzt hat, gen daher im ureigenen Interesse Israels. Notwendig ist auch der geeignete Ort für die weitere Befassung mit es vor allem, dass die israelische Regierung klar be- dem Bericht. Zum anderen kann der Auftrag des gegen nennt, innerhalb welcher Grenzen sie einen künftigen westliche Stimmen eingesetzten Expertengremiums palästinensischen Staat zu akzeptieren bereit ist. Die pa- nicht als neutral angesehen werden. Der vorliegende An- lästinensische Seite ist zwar weiter zwischen Autono- trag ist daher abzulehnen. miebehörde und Hamas gespalten, was Verhandlungen nicht erleichtert. Doch Präsidentschafts- und Parla- Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist mentswahlen bis September, die Präsident Abbas ange- ein Thema von hoher Komplexität, aber auch von Dring- kündigt hat, können – trotz der bereits angekündigten lichkeit. Unter den Folgen des Konflikts hat vor allem Blockade durch die Hamas – neue Legitimität entfalten. die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten zu leiden: Israe- Hoffnungsvoll ist zudem der Ansatz von Premier Fajad, lis sind Raketenbeschuss und palästinensischen Terror- welcher nach dem Rücktritt der Regierung mit der Re- angriffen ausgesetzt. Palästinenser sind mit Unterversor- gierungsbildung beauftragt ist, durch den Aufbau staatli- gung, eingeschränkten Menschen- und Bürgerrechten cher Institutionen unabhängig vom Fortgang der Ver- und israelischen Militäraktionen konfrontiert. Wir halten handlungen die notwendigen Voraussetzungen für eine an den beiden Eckpfeilern der deutschen Nahostpolitik Staatsgründung zu schaffen. Diese ambitionierte Politik fest: Die Sicherheit und das Existenzrecht Israels sind verdient weiterhin unsere volle Unterstützung. Die inter- „Teil der deutschen Staatsräson“. Ebenso klar treten wir nationale Gemeinschaft drängt mit Nachdruck auf kon- dafür ein, dass direkte Friedensgespräche mit dem Ziel krete Schritte zur friedlichen Beilegung des Konflikts einer Zwei-Staaten-Lösung wieder aufgenommen wer- durch Gründung eines lebensfähigen palästinensischen den. Der Deutsche Bundestag hat sich immer wieder ein- Staates innerhalb akzeptierter Grenzen sowie unter vol- gehend mit der Situation in den palästinensischen Gebie- ler Berücksichtigung der israelischen Sicherheitsinteres- ten beschäftigt. So haben wir in der Debatte über sen. Die Kernelemente für eine Verhandlungslösung lie- unseren interfraktionellen Antrag zu den Ereignissen um gen seit Jahren auf dem Tisch. Entscheidend ist nun der die Gaza-Flottille am 1. Juli 2010 eine klare Sprache zu politische Wille auf beiden Seiten, tatsächlich einen (B) den Lebensverhältnissen im Gazastreifen gefunden und Ausgleich herbeizuführen. (D) die Bundesregierung aufgefordert, sich für die sofortige Aufhebung der Gaza-Blockade einzusetzen. Seitdem hat sich nicht viel getan: Im Gazastreifen wurden zwar die Günter Gloser (SPD): Den Antrag der Linken zum Möglichkeiten der Wareneinfuhr und -ausfuhr gelockert. Goldstone-Bericht, den wir hier heute beraten, lehnt die Dennoch bleiben nach wie vor weitreichende Restriktio- SPD-Bundestagsfraktion ab, weil er in unzulässiger nen für den Warenverkehr in Kraft. Das muss sich drin- Weise Teilaspekte eines komplexen Vorganges heraus- gend ändern, um der Bevölkerung dort wirtschaftliche greift. Er ist einseitig darauf ausgerichtet, Israel an den Entwicklung zu ermöglichen und sie nicht länger von al- Pranger zu stellen, und trägt daher nicht dazu bei, die len Lebenschancen abzuschneiden. Vorgänge objektiv aufzuarbeiten. Damit wird auch die zum Teil sehr wohl gerechtfertigte Kritik am israelischen Der Friedensprozess besteht derzeit nur noch auf dem Vorgehen entwertet und angreifbar gemacht. Leider folgt Papier. Es ist in diesem Zusammenhang höchst bedauer- dieser Antrag damit einem bei den Linken bekannten lich, dass das begrenzte Siedlungsmoratorium seitens Muster: Die Linke setzt sich auf ein hohes Ross der mo- der israelischen Regierung im September 2010 nicht ver- ralischen Überlegenheit, urteilt aus dieser Perspektive längert wurde, sondern die Siedlungsaktivitäten wieder gern allzu eindeutig über Dinge, die besser differenziert in vollem Umfang aufgenommen wurden. Das verringert zu betrachten wären, und sie bedient sich dabei konse- nicht nur den Spielraum für eine angemessene und funk- quent der Argumente jeweils nur einer Konfliktpartei. tionsfähige Zwei-Staaten-Lösung. Der Siedlungsbau ist Diese halbseitig erblindete Perspektive haben wir gerade auch alles andere als dazu angetan, Vertrauen zwischen auch wieder im Fall der Westsahara so erlebt. So macht den Parteien zu schaffen, das für eine dauerhafte, von al- man keine Außenpolitik; das ist eher ein selbstgerechtes len Seiten akzeptierte Verhandlungslösung notwendig Polittheater, das der Bedeutung solcher Themen und ist. Der „Erweiterte Nahe Osten“ erfährt derzeit einen auch dem Leid der betroffenen Menschen auf allen Sei- Umbruch von noch nicht absehbarem Ausmaß, der man- ten nicht gerecht wird. che vermeintliche Gewissheit in Bezug auf die Region Lassen Sie uns deshalb an dieser Stelle das Wichtigste infrage stellt. Heute zeigt sich: Autokratische Regime über den Konflikt und über den Goldstone-Bericht noch sind keineswegs in der Lage, dauerhaft für Stabilität zu einmal sagen, denn im Antrag fehlt, wie gesagt, mancher sorgen. Auch im Nahen Osten kann nicht einfach über Hinweis, der zum Verständnis absolut nötig ist. die Köpfe der Bürger hinweg regiert werden. Universelle Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien dürfen Zunächst ist es richtig, dass der Goldstone-Bericht im nicht länger missachtet werden. Deutschen Bundestag diskutiert wird. Insofern hat der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10707

(A) Antrag der Linken doch sein Gutes. Denn es handelt sich tigste Teil des Berichts. Auf diese Forderungen bezieht (C) beim Gaza-Krieg von der Jahreswende 2008/2009 um sich ja auch der vorliegende Antrag, den die Linke im einen sehr schwerwiegenden Vorgang, und der Juli 2010 eingebracht hat. Goldstone-Bericht des Menschenrechtsrates der Verein- ten Nationen ist, bei aller Kritik daran, der bislang um- Dem Goldstone-Bericht folgte inzwischen der soge- fassendste Versuch der Aufarbeitung dieses Konfliktes. nannte Tomuschat-Untersuchungsbericht, der im Sep- Die offizielle israelische Position dazu, die immer wie- tember 2010 vorgelegt wurde. Eine unabhängige Exper- der versucht hat, das Dokument als reines Machwerk der tenkommission hat darin untersucht, inwieweit die Feinde Israels hinzustellen, trifft hier also auch nicht zu. palästinensische und die israelische Seite den Konflikt juristisch aufgearbeitet haben. Das Ergebnis war: Keine Worum geht es? Der Gazastreifen ist ein Gebiet von der Seiten hat ausreichend mit den Vereinten Nationen der Größe des Landes Bremen. Die Bevölkerungsdichte kooperiert. Das muss sich ändern, und darin unterstütze ist allerdings viermal so hoch wie in Bremen. In dieses ich die Forderung des Goldstone-Berichts: Sowohl in Is- dicht bevölkerte Gebiet stieß das israelische Militär am rael als auch in den von der palästinensischen Autono- 27. Dezember 2008 mit massiven militärischen Mitteln miebehörde regierten Gebieten und im von der Hamas vor. Gaza war während der israelischen Militäroperation kontrollierten Gazastreifen selbst muss es eine umfas- „Gegossenes Blei“ um die Jahreswende 2008/2009 völ- sende und transparente Aufarbeitung der Vorgänge rund lig abgeriegelt, eine freie Medienberichterstattung fand um den Gaza-Krieg geben. Von der Expertenkommis- nicht statt, unabhängige Beobachter waren nicht vor Ort. sion der Vereinten Nationen wird aber in ihrer Bewer- tung eine wichtige Unterscheidung gemacht: In Israel Diese Rahmenbedingungen erschweren es bis heute, bestehen nämlich wenigstens grundsätzlich alle gesetzli- ein transparentes Bild der damaligen Geschehnisse zu chen Grundlagen und Strukturen, die notwendig sind, bekommen. Alle Aufklärungsversuche über die Vor- um mögliche Kriegsverbrechen von israelischer Seite kommnisse während der Militäroperation führten bisher aufzuklären. Aufseiten der Hamas kann aber von einem in eine Grauzone der Intransparenz. So konnte Objekti- Rechtsstaat gar keine Rede sein. Jeder Rechtsbruch wird vität bislang nicht gewährleistet werden. mit dem Kampf gegen Israel gerechtfertigt. Die Behaup- Fest steht, dass 1 400 Palästinenser und 13 israelische tung der Hamas, die Angriffe mit Qassam- und Katju- Soldatinnen und Soldaten ums Leben kamen. Es wurden scha-Raketen auf israelisches Gebiet sollten militärische von der israelischen Armee auch nichtmilitärische Ziele Ziele treffen, ist dabei eine der dreistesten Verdrehungen unter Feuer genommen beziehungsweise von der das offensichtlicher Tatsachen. Die Hamas und andere von Gebiet kontrollierenden radikalislamischen Hamas ihr geduldete Gruppen in Gaza betreiben Terror gegen die israelische Zivilbevölkerung. Das ist kein Freiheits- (B) menschliche Schutzschilde missbraucht. Meines Erach- (D) tens ist es aber nicht statthaft, über die Militäroperation kampf, das ist Terror, und dieser ist durch nichts zu „Gegossenes Blei“ zu reden und gleichzeitig über ihre rechtfertigen! Vorgeschichte zu schweigen, so wie dies der Antrag der Ich will noch ein weiteres klares Wort sagen: Dieser Linkspartei tut: Terror, so sehr er auch verständlicherweise die Öffent- Allein im Jahr 2008 haben 1 730 Angriffe mit Qas- lichkeit in Israel traumatisiert, kann umgekehrt auch sam- und Katjuscha-Raketen auf das israelische Staats- nicht das Vorgehen der israelischen Armee im Gaza- gebiet mit teilweise tödlichem Ausgang stattgefunden. Krieg rechtfertigen. Der Kernvorwurf des Goldstone- Diese von der Hamas geförderte Eskalation von Angrif- Berichts lautet: Das militärische Vorgehen Israels im Ga- fen auf das israelische Staatsgebiet hätte kein Staat auf zastreifen richtete sich nicht allein gegen die Hamas, der Welt ohne Gegenreaktion hingenommen, ja hinneh- sondern auch gegen die wirtschaftlichen Grundlagen und men können. Mehr noch: Die Provokation einer israeli- gegen die zivile Infrastruktur, die den Menschen dort ihr schen Reaktion ist geradezu Teil der perfiden Strategie Leben ermöglichen. Offenbar war es das Ziel, den Paläs- der Hamas. Deren Ziel ist es, durch den Druck von au- tinensern diese Grundlagen und diese Infrastruktur dau- ßen das eigene Selbstbild als Widerstandsbewegung zu erhaft zu entziehen und sie damit kollektiv für die Unter- befestigen und auch von der Unterdrückung der eigenen stützung der Hamas zu bestrafen. Dazu diente und dient Bevölkerung abzulenken. Dass die israelische Regierung bis heute auch die fast völlige Blockade des Gazastrei- mit ihrer Entscheidung für den Gaza-Krieg und für die fens. Die kollektive Bestrafung der gesamten Bevölke- dabei eingesetzten Mittel und Vorgehensweisen der Ha- rung eines Gebietes für die Verbrechen ihrer politischen mas in die Hände spielte, ist Teil der Tragik dieses Kon- Führung ist inakzeptabel und entspricht in keiner Weise flikts. dem Völkerrecht. Sie muss auch von israelischen Ge- richten entsprechend bewertet und unterbunden werden. Das Mandat der Goldstone-Kommission bezog sich Denn diese Bestrafung hält bis heute an. eigentlich nur auf die Untersuchung des israelischen Vorgehens in diesem Konflikt. Der Vorsitzende selbst Diese Forderung erheben wir nicht nur im Zusam- hat den Auftrag weiter gefasst und auch die Rolle der pa- menhang mit dem Ziel der Wahrung der Menschenrechte lästinensischen Seite mit beleuchtet, allerdings in viel und einer Verrechtlichung der internationalen Beziehun- geringerem Umfang. Neben der umfangreichen Analyse gen. Es ist auch ein Gebot der politischen Vernunft. und vielen Bewertungen sind die Empfehlungen des Be- Denn die Blockade des Gazastreifens quält die ohnehin richts an die Generalversammlung, den Generalsekretär armen Menschen in diesem Gebiet Tag für Tag und treibt und den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen der wich- sie damit weiter in die Arme der Hamas. 10708 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) In vielen arabischen Ländern erleben wir in diesen geht mit keinem Wort darauf ein, dass es sich hierbei um (C) Tagen Volksaufstände, die niemand in dieser Form und eine Terrororganisation handelt. Nur kurz wird kritisiert, in diesem Umfang erwartet hätte. Auch im Gazastreifen dass die Hamas und mit ihr verbündete Organisationen brodelt es. Die Hamas muss ebenso wie alle anderen der israelischen Bevölkerung mit Raketenbeschuss zu- Despoten in der Region mit Gewalt gegen die eigenen setzen. Die Asymmetrie des Konflikts wird nicht ausrei- Leute vorgehen, um Proteste zu unterdrücken. Israel hat chend thematisiert, ebenso wenig wie das Operieren der es in der Hand, seine Politik gegenüber den Menschen in Hamas von zivilen Einrichtungen aus. Darüber hinaus Gaza zu ändern, die Blockade aufzuheben und damit gibt es innerhalb der Rechtswissenschaft viel Kritik an vielleicht auch einen politischen Wechsel in Gaza zu un- der – ich will sie einmal „progressiv“ nennen – Ausle- terstützen. Solange aber der ungeheure Leidensdruck an- gung des humanitären Völkerrechts. hält, wird es anstelle der Hamas höchstens eine für Israel noch gefährlichere Führung im Gazastreifen geben. In der von mir eingangs erwähnten Resolution zur Dazu gehört auch eine umfassende juristische Aufarbei- Gaza-Flottille wird das legitime Sicherheitsinteresse Is- tung des Gaza-Krieges und die aktive Zusammenarbeit raels ausdrücklich erwähnt. Es ist Teil der deutschen mit den Vereinten Nationen dabei. Staatsräson. Im Goldstone-Bericht findet man dazu nichts. Wie können wir nun einem Antrag zustimmen, Leider gibt es für eine solche Umkehr der israelischen der die Umsetzung eines Berichts fordert, dem dieser Politik keine Anzeichen. Exakt das Gleiche gilt für die wesentliche Teil der Betrachtung des Kontexts fehlt, der Frage des Siedlungsbaus, die auf den Gazastreifen nicht sich nicht zumindest mit dem Recht Israels auf Selbst- zutrifft, dafür aber umso mehr den Zorn der Menschen verteidigung auseinandersetzt? Machen wir uns doch im von Israel besetzten Westjordanland anstachelt. nichts vor: Wir können nicht die Lage der Region be- trachten, ohne das legitime Sicherheitsinteresse Israels Auch ich konnte in dem Rahmen, der mir hier zur im Auge zu haben. Verfügung steht, nicht den Nahostkonflikt oder auch nur den Gaza-Krieg erklären. Wir müssen uns aber hüten, Doch auch wenn der Goldstone-Bericht und die den bequemen Weg des Rechthabens zu wählen, einfach Tomuschat-Kommission fehlerhaft sind, so zeigen sie Israel Kriegsverbrechen vorzuwerfen und alle Rahmen- durchaus auf, welche Defizite das Verhalten der israeli- bedingungen außer Acht zu lassen. Genau das aber tut schen Regierung aufweist, und wir scheuen uns nicht die Linke mit ihrem vorliegenden Antrag. Deshalb leh- – gerade als Freunde Israels –, das anzusprechen. Die nen wir ihn ab. humanitären Zustände in Gaza sind würdelos. Deshalb muss Israel den Verkehr für humanitäre Hilfe, kommer- Dr. Rainer Stinner (FDP): Letztes Jahr haben wir zielle Güter und Personen von und aus Gaza unmittelbar, (B) uns wiederholt mit der Lage der Region im Nahen Osten bedingungslos und dauerhaft öffnen. Die fortdauernden (D) beschäftigt. Bei der Resolution zur Aufklärung der Er- Siedlungsaktivitäten sind völkerrechtlich nicht haltbar. eignisse um die Gaza-Flottille waren wir uns sogar so ei- Sie widersprechen den Vereinbarungen aus der Roadmap nig wie selten: Alle Fraktionen haben der Resolution zu- und erschweren die Lösung des Konflikts durch Ver- gestimmt, sogar unsere Kollegen von der Linken haben handlungen. Dies ist fortdauernd die Position der Bun- sich von unseren Argumenten so überzeugt gezeigt, dass desregierung, und wir halten an ihr fest. Außenminister sie dem Entwurf zugestimmt haben. hat sie bei den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen und den Treffen mit seinem Deutschland zeigt in seiner Haltung gegenüber der israelischen Amtskollegen stets angesprochen. Deshalb Aufklärung der Ereignisse der Gaza-Operation eine hat Deutschland als Mitglied des Sicherheitsrates dem klare Linie: Wir haben uns immer für eine umfassende Resolutionsentwurf letzte Woche zugestimmt. und unparteiische Aufklärung der Vorwürfe durch die beteiligten Parteien eingesetzt. Wir bleiben bei dieser Wenn wir uns einmal die Empfehlungen des Kontinuität. Wir finden allerdings, dass der Menschen- Goldstone-Berichts ansehen, dann stellen wir fest, dass rechtsrat, also gerade die Institution, die die Goldstone- vieles davon bereits umgesetzt worden ist: Die General- Kommission zur Aufklärung dieser Ereignisse ins Leben versammlung hat sich mit dem Thema befasst, ebenso gerufen hat, auch der richtige Ort ist, in der der der Menschenrechtsausschuss. Israel hat einige der Goldstone-Bericht behandelt werden soll. Empfehlungen bereits teilweise umgesetzt, so sind zum Beispiel die Rules of Engagement geändert worden, die Deutschland hat immer an die betreffenden Parteien Vermittlung von Kenntnissen des humanitären Völker- appelliert, sich mit den Vorwürfen des Goldstone-Be- rechts bei der Ausbildung der Streitkräfte ist verbessert richts sorgfältig auseinanderzusetzen und die entspre- worden und eine durchgehende juristische Beratung, chenden Maßnahmen zu ergreifen, die internationalen auch während der Einsätze, eingeführt worden. Dagegen Standards entsprechen sollen. Der Außenminister Guido sind keine der Forderungen an die Hamas, einschließlich Westerwelle tat dies auch bei den Treffen mit seinem is- der Forderung nach der Freilassung von Gilad Schalit, raelischen Amtskollegen Avigdor Lieberman. Die Kolle- umgesetzt worden. gen von der Linken fordern in ihrem Antrag also etwas, was die Bundesregierung längst tut. Festzuhalten bleibt, dass der internationalen Gemein- schaft und Deutschland an einer Aufklärung gelegen ist. Aber man muss doch sagen, dass der Goldstone-Be- Da ist ja auch bereits einiges passiert. Schauen wir uns richt nicht frei von Fehlern ist. Die Hamas wird wie eine doch einmal die Berichte der israelischen Streitkräfte normale Organisation behandelt. Der Goldstone-Bericht – davon gab es ja drei – an: Es gab mehr als 150 Un- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10709

(A) tersuchungen, von denen einige bereits zu strafrechtli- tet. Der Goldstone-Bericht hat den Opfern beider Seiten (C) chen Verurteilungen und Disziplinarstrafen geführt ha- Gehör verschafft und ausgewogen über die Ereignisse ben. Im Gegensatz dazu hat es auf der palästinensischen berichtet. Leider haben es Israel, die Palästinenser, Seite noch keine Verfahren gegeben. Ich plädiere jedoch Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft dafür, die Aufklärung in einem gesamtregionalen Kon- bisher versäumt, dem Bericht die Anerkennung zu ver- text zu sehen. Der Goldstone-Bericht ist ja nur ein Stein- leihen, die er verdient hat. chen in einem großen, komplexen, vielschichtigen Mo- saik. Viel wichtiger ist es, dass Bedingungen in den Dem Bericht ist es gelungen, Menschenrechtsverlet- betreffenden Ländern geschaffen werden, die eine Auf- zungen auf beiden Seiten in einen Zusammenhang zu klärung ermöglichen. Deshalb ermuntern wir die Kon- bringen. Er hat allen Opfern einen Namen, eine Stimme fliktparteien fortwährend, die gegen sie erhobenen Vor- und ein Gesicht gegeben. Solange Israel seine im Ga- würfe selbst aufzuarbeiten. Das liegt auch in ihrem zastreifen begangenen Menschenrechtsverletzungen, die ureigenen Interesse. auch im Goldstone-Bericht stehen, nicht anerkennt, die palästinensischen Opfer nicht würdigt, die Wahrheitsfin- Eine Verweisung an den Internationalen Strafgerichts- dung weiter unterbindet und die Blockade aufrechter- hof, wie ihn ja der Antrag der Linken fordert, wäre hier hält, so lange werden die Stimmen derjenigen israeli- der falsche Weg. Wie ich eingangs gesagt habe, finden schen Opfer verhallen, die seit zehn Jahren unter dem wir, dass der Menschrechtsrat das richtige Gremium ist, Raketenbeschuss der bewaffneten palästinensischen um die Vorwürfe des Goldstone-Berichts zu behandeln. Gruppen leben müssen. Menschenrechte messen nicht Eine Verweisung an den Internationalen Strafgerichtshof mit zweierlei Maß. lehnen wir deshalb ab. Auch glauben wir daran, dass Is- rael als einzige Demokratie in der Region – hoffentlich Der Goldstone-Bericht beschreibt auch, wie 1,5 Milli- ändert sich das demnächst – die Vorwürfe selber aufar- onen Menschen unter menschenunwürdigen Bedingun- beiten kann. Und die Ergebnisse, die bisher erreicht wor- gen in einem Gefängnis leben müssen, das sich Gaza- den sind, die Veränderungen, die in den israelischen streifen nennt. Die UN beschreibt diesen Zustand als Streitkräften eingeleitet und die Verfahren, die bereits eine von Menschen geschaffene Krise der Menschen- abgeschlossen worden sind, sprechen dafür. würde. Der Frieden bedarf schmerzhafter Zugeständnisse auf Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wahr- beiden Seiten. Die UN und die EU müssen Israel und die heit, Gerechtigkeit und Frieden hängen zusammen, auch Palästinenser dabei unterstützen, sie beide drängen. Das im Nahen Osten. Wahrheit ist der erste Schritt zur Ver- beginnt mit der Anerkennung der aneinander begange- söhnung, und das ist die Voraussetzung für Frieden, weil nen Menschenrechtsverletzungen. Der Goldstone-Be- (B) sie die Opfer würdigt und ihre verletzten Menschen- richt wäre ein guter Ansatz. (D) rechte benennt. Dabei ist die Anerkennung der Verbre- chen durch die Täter dann auf beiden Seiten entschei- Die Sicherheitsinteressen Israels sind untrennbar mit dend. Der Goldstone-Bericht hat genau diesen ersten den Menschenrechten der Palästinenser verbunden. Erst Schritt in Richtung Wahrheitsfindung unternommen, und wenn beide Seiten das Völkerrecht und die Menschen- zwar für beide Seiten. Seine Perspektive ist die der Op- rechte anerkennen, erst wenn beide Seiten Gerechtigkeit fer – auf beiden Seiten. finden, kann es Frieden geben. Der jüdische Gelehrte Simeon ben Gamaliel I. sagte im ersten Jahrhundert nach Er stellt fest, neben vielem anderen, dass palästinensi- Christus, dass die Welt auf drei Säulen ruht: Wahrheit, sche bewaffnete Gruppen seit April 2001 mehr als 8 000 Gerechtigkeit und Frieden. So ist es. Raketen in den Süden Israels geschossen haben. Der Ra- ketenbeschuss auf Israel dauert bis heute an. Die wahl- losen Angriffe auf die israelische Zivilbevölkerung ver- Anlage 26 letzen das humanitäre Völkerrecht und können sogar als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bewertet werden. Zu Protokoll gegebene Reden Das steht im Goldstone-Bericht. zur Beratung des Antrags: Wach- und Sicher- Er stellt einmal mehr fest, dass der israelische Soldat heitspersonal beim Bundestag beschäftigen (Ta- Gilad Schalit vor fünf Jahren von bewaffneten palästi- gesordnungspunkt 17) nensischen Gruppen gefangen genommen wurde und seitdem festgehalten wird – ohne Kontakt zur eigenen Familie, ohne medizinische Betreuung. Selbst das Inter- Manfred Grund (CDU/CSU): Der von Bündnis 90/ nationale Komitee des Roten Kreuzes erhält keinen Zu- Die Grünen eingebrachte Antrag, das Wach- und Sicher- gang. Das ist eine Verletzung des humanitären Völker- heitspersonal künftig wieder beim Deutschen Bundestag rechts. zu beschäftigen, gehört zu dem handwerklich Schlech- testen, was ich von den Grünen in der letzten Zeit gese- Israel hat legitime Sicherheitsinteressen in der Re- hen habe. Der Antrag ist inkonsistent, voller Widersprü- gion. Sein Existenzrecht wird bis heute von der Mehrheit che und von dem offensichtlichen Bemühen geprägt, auf seiner arabischen Nachbarstaaten nicht anerkannt. Israel der derzeitigen Welle der Diskussionen um Hartz IV und hat das Recht, seine Bürger zu schützen und notfalls zu Mindestlöhne mitzusurfen. Der Antrag geht an den Rea- verteidigen. Deutschland ist durch seine besondere his- litäten vorbei, und deshalb ist es schon jetzt absehbar, torische Verantwortung der Sicherheit Israels verpflich- dass Sie mit ihm keinen Erfolg haben werden. 10710 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) Bündnis 90/Die Grünen fordern in ihrem Antrag, die artige Mehrkosten in Kauf nehmen wollen. Wenn Sie dies (C) Beschäftigten von privaten Sicherheitsfirmen, die an den mit der Lohnsituation der Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Eingängen der Liegenschaften des Deutschen Bundesta- ter des beauftragten Sicherheitsunternehmens begründen ges tätig sind, als TVöD-Angestellte in ein öffentliches wollen, so kann ich Sie nur darauf verweisen, dass es zwi- Dienstverhältnis beim Deutschen Bundestag zu überneh- schen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicher- men. Dies wird begründet mit den Arbeitsbedingungen heitsunternehmen und der Gewerkschaft Verdi einen aus- der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsun- gehandelten Tarifvertrag gibt, der nicht nur für die ternehmen. Gegenwart des Jahres 2011, sondern bereits für die Jahre 2012 bis 2013 festlegt, welche Stundenlöhne für die Mit- Hierzu darf ich zunächst einmal feststellen, dass die arbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsunterneh- Beschäftigungsstruktur, wie sie jetzt besteht, im beson- men zu entrichten sind. Dieser Tarifvertrag ist für die deren Maße in der Zeit, als SPD und Grüne die Mehrheit Firma Piepenbrock verbindlich und wird von ihr – das in diesem Hause hatten, insbesondere in der Zeit unmit- teilte mir die Bundestagsverwaltung mit – für alle Pfor- telbar nach dem Umzug von Bonn nach Berlin im Jahr tenbediensteten eingehalten. Die Mitarbeiter an den 2001 geschaffen worden ist. Seit diesem Zeitpunkt wer- Röntgenkontrollstrecken erhalten aufgrund weitergehen- den neben den eigenen Beschäftigten auch Mitarbeiter der Qualifikationen ein höheres Entgelt. von Fremdfirmen mit Sicherheitsaufgaben, vor allem an den Eingängen der Gebäude des Deutschen Bundesta- In ihrem Antrag verweisen Bündnis 90/Die Grünen ges, beschäftigt. Dies ist mit gestiegenen Sicherheitsan- auf eine Beschäftigungsunsicherheit für die Mitarbeite- forderungen nach dem 11. September 2001 zu begrün- rinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsfirmen im Hin- den, aber auch damit, dass die Liegenschaften des blick darauf, dass die Verträge über die beauftragten Deutschen Bundestages in Berlin zahlreicher und größer Leistungen alle sechs Jahre neu ausgeschrieben werden sind, als sie zuvor in Bonn waren. müssen. Geradezu kleinlaut kann man in dem gleichen Antrag dann den Hinweis lesen, dass für die eigenen Dennoch sind auch heute noch rund 105 Mitarbeite- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Abgeordneten und rinnen und Mitarbeiter als Pfortenbedienstete direkt der Fraktion eine Beschäftigungssicherheit nur für die beim Deutschen Bundestag angestellt. Diese Pfortenbe- Dauer einer Legislaturperiode gegeben ist. diensteten sind an Pforten aller Häuser tätig, in denen Abgeordnete ihre Büros haben. An allen anderen Lie- Der ganze Antrag der Grünen wirkt seltsam rück- genschaften des Deutschen Bundestages sind Mitarbeiter wärtsgewandt. Wenn man ihn liest, fragt man sich, ob der Fremdfirma Piepenbrock tätig, ebenso an allen Rönt- die Grünen ihre Bemühungen, eine bürgerliche Partei zu genkontrollstrecken für Gepäckstücke und an den Tür- werden, aufgegeben haben. Mit ihrem Bemühen, um- fangreich Staatsbedienstete zu schaffen, laufen die Grü- (B) bogensonden, die der Kontrolle von Besucherinnen und (D) Besuchern dienen. Von dieser Fremdfirma leiht der nen alten Ideologien hinterher, von denen ich glaubte, Deutsche Bundestag keine Mitarbeiterinnen und Mitar- dass sie diese ad acta gelegt hätten. beiter aus, sondern kauft ein Stundenkontingent, was pro Ihr Antrag ist im Übrigen auch für die Mitarbeiterin- Jahr etwa rund 500 000 Stunden umfasst. Durch diese nen und Mitarbeiter der Sicherheitsunternehmen, denen Stundenkontingente schafft sich der Bundestag auch die Sie eigentlich etwas Gutes wollen, brandgefährlich. Flexibilität, die benötigt wird, um bei Sonderveranstal- Würde das Privatunternehmen nämlich nicht mehr be- tungen und bei erhöhtem Sicherheitsbedarf mit zusätzli- auftragt werden, würden aus vielen der Mitarbeiterinnen chem Personaleinsatz flexibel auf die entstandene Situa- und Mitarbeiter nicht, wie von Ihnen geplant, TVöD-An- tion reagieren zu können. gestellte werden; sie würden vielmehr erst recht dem Ri- Meine Damen und Herren von den Grünen, wollte siko der Arbeitslosigkeit ausgesetzt – dies deshalb, weil man diese 500 000 Stunden wieder durch eigenes Perso- einem erheblichen Teil dieser Mitarbeiterinnen und Mit- nal absolvieren lassen, müssten mindestens 293 Dienst- arbeiter die notwendigen Einstellungsvoraussetzungen posten für Sicherheitskräfte geschaffen plus mindestens für den öffentlichen Dienst schlicht fehlen. zehn weitere Personen zur Verwaltung dieser zusätzli- Es ist schon oft volkswirtschaftlicher Schaden ent- chen Dienstposten neu in die Anstellung des Deutschen standen, wenn die öffentliche Hand versucht hat, Aufga- Bundestages übernommen werden. Dies würde den ben, die sie einst bewusst an private Unternehmen gege- Steuerzahler gegenüber der heutigen Lösung mindestens ben hat, wieder durch den Staat selbst erledigen zu 4 Millionen Euro an Mehrkosten pro Jahr aufbürden. lassen. Für den finanziellen Schaden haben dann die Das ist schlicht verantwortungslos. So würden die Kos- Steuerzahler in unserem Land geradezustehen. ten für die Sicherheitsleistungen bei Umsetzung Ihres Antrages von bisher 7 Millionen Euro für die einge- Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass der kaufte Dienstleistung auf mindestens 11 Millionen Euro Antrag der Grünen insgesamt völlig in die falsche Rich- steigen. Hier sind noch nicht berücksichtigt weitere tung geht. Die Beauftragung des Privatunternehmens Raum- und Sachkosten. Für die zusätzlichen 293 ge- Piepenbrock mit Sicherheitsleistungen im Deutschen nannten Dienstposten müssten mindestens 100 Dienst- Bundestag hat sich bewährt. Wir haben ein gut funktio- räume innerhalb der Gebäude des Deutschen Bundesta- nierendes, flexibles Sicherheitssystem hier im Deut- ges zur Verfügung gestellt werden. schen Bundestag. Auf die Beschäftigungsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich die Ta- Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grü- rifparteien deutschlandweit geeinigt, und die Tarifauto- nen, müssten dem Steuerzahler erklären, warum Sie der- nomie ist ein hohes Gut, welches nicht preisgegeben Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011 10711

(A) werden darf. Das werden wir auch in den Beratungen im zwei Richtungen: In fast allen Ländern gab und gibt es (C) Ältestenrat unterstreichen. Zuwächse nur in Deutschland gab es ein sattes Minus von 4,5 Prozent. Jörg van Essen (FDP): Die FDP-Bundestagsfrak- Auf dem World Economic Forum 2005 in Davos tion unterstützt den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die rühmte sich der damalige sozialdemokratische Bundes- Grünen ausdrücklich nicht. kanzler Gerhard Schröder folgendermaßen: „Wir haben Es kann nicht Aufgabe des Parlamentes sein, für eine einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es möglichst umfassende Beschäftigung von Menschen im in Europa gibt. Ich rate allen, die sich damit beschäftigen, öffentlichen Dienst zu sorgen. Der Bundestag ist auch sich mit den Gegebenheiten auseinander zu setzen, und Treuhänder der vom Steuerzahler gezahlten finanziellen nicht nur mit den Berichten über die Gegebenheiten“. Mittel. Die FDP-Bundestagsfraktion hat deshalb immer Richtig. Diese Politik und diese Gegebenheiten haben darauf gedrungen, dort, wo es möglich ist, Ausschrei- besonders SPD und Grüne mit zu verantworten. Sie ha- bungen vorzunehmen und dem jeweils preiswertesten ben der Lohndrückerei die Schleusen geöffnet und Bieter den Zuschlag zu geben. Private Wach- und Si- gleichzeitig über die wirtschaftliche Situation in der cherheitsdienste sind heute in Deutschland an vielfälti- Bundesrepublik gejubelt. Sie haben im Zuge der Hartz- gen Stellen tätig und leisten qualitativ sehr gute Arbeit. Gesetze den Niedriglohnsektor eingeführt – warum soll- Eine Notwendigkeit, fast 300 neue Planstellen im öf- ten ausgerechnet Parlament und Regierungseinrichtun- fentlichen Dienst zu schaffen, die einen hohen zweistel- gen von den Folgen solcher Politik verschont bleiben. ligen Millionenbetrag an Zusatzkosten erfordern würde, Leidtragende sind dennoch auch hier die Beschäftigten sehen wir nicht. und ihre Angehörigen. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die regelmäßigen Seitdem sind offenbar selbst im Deutschen Bundestag Einsparvorgaben im Personalbereich für den öffentli- Dumpinglöhne üblich. Ein Großteil des Sicherheits- chen Dienst auch beim Wach- und Sicherheitsdienst dienstes wurde hier an private Firmen ausgelagert. Nie- durchschlagen würden, wenn eine öffentliche Anstellung mand außer den Betroffenen selbst hat irgendein Pro- erfolgen würde. Im Übrigen gehört es zu den Ergebnis- blem damit gehabt, dass das für unser aller Sicherheit sen des Kompromisses des Vermittlungsausschusses bei zuständige Personal seitdem mit einem Stundenlohn von Hartz lV, dass im Wach- und Sicherheitsgewerbe ein 6,25 Euro abgespeist wird. Mindestlohn eingeführt wird. Der Ältestenrat im Bun- Selbstverständlich hatten auch die Bundesregierungen destag hat mit Zustimmung der FDP einen Tariflohn in nach Rotgrün nichts gegen diese Politik einzuwenden. seinen Ausschreibungen vorgeschrieben, sodass auch die Dass jetzt die Grünen diesen Antrag einbringen erfreut (B) rechtlichen und sozialen Belange der Mitarbeiter berück- (D) mich und zeigt eine – wenn auch späte – Selbstkritik. sichtigt sind. Im Übrigen enthält der Antrag keinerlei Angaben, in- Die miese Bezahlung für eine anspruchsvolle Arbeit wieweit bisher Mängel in der Bereitstellung notwendiger ist aber längst nicht das einzige Problem. Mit der Befris- Schutzbekleidung aufgetreten sind. Als Sicherheitsbe- tung wird dauerhaft Druck auf die Vertragsnehmer aus- auftragter meiner Fraktion kann ich diese auch nicht er- geübt, damit die beauftragten Firmen, mit dem ständigen kennen. Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass Wettbewerbsdruck im Nacken, leichter zu händeln und die Mitarbeiter jeweils adäquat ausgestattet werden. gegebenenfalls auch leicht gegen noch günstigere Mitbe- werber wieder ausgetauscht werden können. Für die Be- schäftigten allerdings bedeutet dies neben niedrigen Jan Korte (DIE LINKE): Natürlich unterstützen wir Löhnen eine permanente existenzielle Unsicherheit; Linken das Anliegen des heute hier zur Debatte stehen- auch ihre Verträge sind schließlich befristet. den Antrages, die Entgelte und Arbeitsbedingungen der Wach- und Sicherheitskräfte im Deutschen Bundestag zu Ich möchte an diesem Punkt aber auch noch einmal verbessern. Das ist selbstverständlich für eine Partei, die den Blick weiten und einen anderen Aspekt ansprechen: sich den Interessen der Beschäftigten verschrieben hat. Welche Folgen hat denn eigentlich die Privatisierung Dass so ein Antrag überhaupt gestellt werden muss, ist von Sicherheit? mehr als peinlich, gerade für das Parlament. Und natür- Auf der Internetseite des Nachrichtensenders n-tv lich thematisiert der Antrag nur einen kleinen Teilaspekt wird der Vorsitzende der GdP für den Bereich Bundes- eines drängenden und skandalösen gesamtgesellschaftli- polizei, Josef Scheuring, am 28. Dezember 2009 fol- chen Problems. Das Problem der massiv gewachsenen gendermaßen zitiert: Die Privatisierung und der damit prekären Beschäftigung. verbundene Kostendruck habe „dramatische Auswir- Im Antrag heißt es: „Der Deutsche Bundestag hat als kungen“ für die Sicherheit. Bei der Vergabe der Auf- Gesetzgeber die Aufgabe, gute Rahmenbedingungen für träge für Flughafenkontrollen „gibt es nur ein Krite- einen funktionierenden Arbeitsmarkt zu schaffen.“ rium – den Preis“. Dieses Verfahren sei „vollkommen unverantwortlich“, http://www.n-tv.de/politik/GdP-kri Richtig. Fakt ist allerdings, dass in Deutschland die tisiert-Kontrollen-article656897.html. Löhne seit Jahren wesentlich langsamer steigen als im Rest Europas, ja, dass dieses reiche Land mittlerweile Die Kontrollen an den Flughäfen seien „eine hoheitli- bei der Lohnentwicklung das Schlusslicht in Europa ist. che Aufgabe, die der Staat übernehmen muss“, kommen- Die Reallöhne in Europa entwickeln sich grob gesagt in tiert Scheuring in dem Artikel die Feststellung, dass nur 10712 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. Februar 2011

(A) noch etwa zehn Prozent des Sicherheitspersonals an teilweise die Quote privater Dienste angeblich bis über (C) Flughäfen von der Bundespolizei käme und der Großteil 90 Prozent geht, lautete die Antwort auf Drucksache der Aufgaben von Privatunternehmen gestelltes Personal 17/2892: übernimmt. Die Linksfraktion hat schon im Jahre 2007 (Drucksache 16/7108), in einem Antrag im Bundestag Das Bundesministerium des Innern hat die Antwor- die Rückübernahme dieser Aufgaben in die öffentliche ten des Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche … als Hand gefordert. „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antworten sind in der Geheimschutzstelle des Der ehemalige GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg Deutschen Bundestages hinterlegt und können dort wird in der Rheinischen Post zum selben Thema zitiert: nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingese- „Teilweise verdienen die Mitarbeiter gerade einmal hen werden. 7,50 Euro pro Stunde, melden sich deswegen krank oder haben einen Nebenjob. Das sind Zustände, die bei Ich will keinem Kollegen und keiner Kollegin priva- einem so wichtigen Punkt wie der Sicherheit im Flug- ter Dienste persönlich Schlamperei oder schlechtere Ar- zeugwesen nicht hinnehmbar sind“, http://www.rp-on beitsmoral als die ihrer verbeamteten Kolleginnen und line.de/politik/deutschland/Polizei-Gewerkschaft-fuer- Kollegen unterstellen – dagegen spricht im Übrigen auch Nacktscanner_aid_801973.html. meine tägliche persönliche Erfahrung mit ihnen hier in den Gebäuden des Deutschen Bundestages. Aber Sicher- Diese Probleme sind bekannt und Parlament und Re- heit darf nicht ausschließlich nach Cent und Euro ge- gierung offensichtlich so peinlich, dass sie so weit wie kauft werden, gute Arbeitsleistung muss angemessen be- möglich den Augen der Öffentlichkeit entzogen werden. zahlt werden, und wer eine solche abliefert, muss Auf vier schriftliche Fragen meines Kollegen Frank entsprechende Anerkennung, Sicherheit, Ausbildungs- Tempel nach Umfang, Arbeits-, Entgelt- und Ausbil- möglichkeiten und Zukunftsperspektive erhalten. Und dungsbedingungen privater Sicherheitsbediensteter bei hier haben das Parlament und die Regierung enorm viel Bundesministerien und obersten Bundesbehörden, wo nachzuholen.

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