Plenarprotokoll 19/61

Deutscher

Stenografischer Bericht

61. Sitzung1

Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Inhalt:

Begrüßung der neuen Abgeordneten Gisela – Bericht des Haushaltsausschusses ge- Manderla...... 6783 A mäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 19/5587 ...... 6787 C Wahl der Abgeordneten Ingo Gädechens, , , Dr. Karl- b) Beschlussempfehlung und Bericht des Heinz Brunner, , Dietmar Ausschusses für Arbeit und Soziales Friedhoff, Alexander Müller, Matthias – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höhn und Dr. als Mitglieder Schielke-Ziesing, , in den Stiftungsrat der Deutschen Härtefall- , weiterer Abge- stiftung...... 6783 B ordneter und der Fraktion der AfD: Anrechnungsfreistellung der Müt- Wahl des Abgeordneten als Ver- terrente beziehungsweise der Rente treter der Bundesrepublik Deutschland zur für Kindererziehungszeiten bei der Parlamentarischen Versammlung des - Grundsicherung im Alter parates...... 6783 B – zu dem Antrag der Abgeordne- Wahl der Abgeordneten Detlef Müller (Chem- ten Matthias W. Birkwald, Sabine nitz) und als Mitglieder des Zimmermann (Zwickau), Doris Beirats für Fragen des Zugangs zur Eisen- Achelwilm, weiterer Abgeordneter und bahninfrastruktur...... 6783 B der Fraktion DIE LINKE: Vollständige Gleichstellung und gerechte Finan- Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- zierung der Kindererziehungszeiten nung...... 6783 C in der Rente umsetzen – Mütterrente Absetzung des Tagesordnungspunktes 29 b. . 6786 D verbessern – zu dem Antrag der Abgeordne- Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . 6786 D ten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), , weiterer Abgeordneter Tagesordnungspunkt 4: und der Fraktion DIE LINKE: Die Er- werbsminderungsrente stärken a) – Zweite und dritte Beratung des von der Drucksachen 19/4843, 19/29, 19/31, Bundesregierung eingebrachten Ent- 19/5586...... 6787 D wurfs eines Gesetzes über Leistungs- verbesserungen und Stabilisierung in c) Antrag der Abgeordneten Matthias W. der gesetzlichen Rentenversicherung Birkwald, Matthias Höhn, Susanne (RV-Leistungsverbesserungs- und Ferschl, weiterer Abgeordneter und der -Stabilisierungsgesetz)...... Fraktion DIE LINKE: Gesetzliche Rente Drucksachen 19/4668, 19/5412, sichern und Altersarmut bekämpfen 19/5586 ...... 6787 B Drucksache 19/5526...... 6787 D

1) Der gesamte und damit endgültige Stenografische Bericht der 61. Sitzung wird am 13. November 2018 veröffentlicht. II Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. , Donnerstag, den 8. November 2018

Andrea Nahles (SPD)...... 6787 D DIE GRÜNEN: Umsetzung des Global Com- pact for Migration – Globale Standards für Ulrike Schielke-Ziesing (AfD)...... 6789 B die Rechte von Migrantinnen und Migran- Hermann Gröhe (CDU/CSU)...... 6790 A ten stärken Drucksache 19/5547...... 6806 B Johannes Vogel (Olpe) (FDP)...... 6791 C Dr. (AfD)...... 6806 B (DIE LINKE) ...... 6792 B Dr. (CDU/CSU). . . . . 6810 D Matthias W. Birkwald (DIE LINKE). . . . 6793 C (AfD)...... 6812 C Norbert Kleinwächter (AfD)...... 6794 B Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU). . . . . 6813 A Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 6796 A Dr. Joachim Stamp, Minister (Nord- rhein-Westfalen)...... 6813 D , Bundesminister BMAS. . . . 6797 C (SPD) ...... 6815 C Johannes Vogel (Olpe) (FDP)...... 6798 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE)...... 6817 C Jürgen Pohl (AfD)...... 6799 B (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). . 6818 B (CDU/CSU)...... 6800 C (CDU/CSU)...... 6819 D (FDP)...... 6801 C Martin Erwin Renner (AfD)...... 6820 C (SPD) ...... 6802 D (AfD) ...... 6821 D Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU). . . 6803 C (SPD) ...... 6822 D Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). . Namentliche Abstimmung ...... 6805 B 6823 A Martin Hebner (AfD) ...... 6823 B Ergebnis ...... 6807 D Dr. (SPD)...... 6824 A Gökay Akbulut (DIE LINKE)...... 6825 D Tagesordnungspunkt 5: (CDU/CSU)...... 6826 B Antrag der Abgeordneten Martin Hebner, Dr. (fraktionslos)...... 6827 C , Dr. , (CDU/CSU)...... 6828 B weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD: Kein Beitritt zum Global Compact for Migration durch die Bundesrepublik Tagesordnungspunkt 6: Deutschland Drucksache 19/5530...... 6806 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einstufung Georgiens, der Demokratischen in Verbindung mit Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Herkunftsstaaten Zusatztagesordnungspunkt 2: Drucksache 19/5314...... 6830 B Antrag der Abgeordneten Stephan ­Thomae, , Parl. Staatssekretär BMI. . . 6830 B Alexander Graf Lambsdorff, Dr. Jens ­ (Rhein-Neckar), weiterer Abge- Sven Lehmann (BÜNDNIS 90/ ordneter und der Fraktion der FDP: Geord- DIE GRÜNEN)...... 6831 A nete Zuwanderung erfordert mehr als den Filiz Polat (BÜNDNIS 90/ UN-Migrationspakt – Entwurf eines Ein- DIE GRÜNEN)...... 6831 D wanderungsgesetzbuches vorlegen Drucksache 19/5534...... 6806 A (AfD)...... 6832 B (SPD)...... 6833 D in Verbindung mit Filiz Polat (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 6834 D (FDP)...... 6835 D Zusatztagesordnungspunkt 3: (DIE LINKE)...... 6836 C Antrag der Abgeordneten Filiz Polat, , (Augsburg), weiterer Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 6837 D Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 III

Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU). . . . . 6839 C mittlung von Einzelangaben zu multi- nationalen Unternehmensgruppen an (SPD)...... 6840 D statistische Stellen (FDP)...... 6841 C Drucksache 19/5315...... 6862 A Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ b) Erste Beratung des von der Bundesregie- DIE GRÜNEN)...... 6842 A rung eingebrachten Entwurfs eines Fünf- ten Gesetzes zur Änderung des Allge- (CDU/CSU)...... 6842 D meinen Eisenbahngesetzes (CDU/CSU) ...... 6843 D Drucksache 19/5421...... 6862 A c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- Tagesordnungspunkt 7: setzes zur Durchführung von Verord- Beschlussempfehlung und Bericht des Ver- nungen der Europäischen Union zur teidigungsausschusses zu dem Antrag der Bereitstellung von Produkten auf dem Abgeordneten Heike Hänsel, , Markt und zur Änderung des Neunten , weiterer Abgeordneter und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und der Fraktion DIE LINKE: Zwei-Pro- Drucksache 19/5456...... 6862 B zent-Rüstungsziel der NATO ablehnen f) Antrag der Abgeordneten Dr. Gesine Drucksachen 19/445, 19/1033 ...... 6845 A Lötzsch, Matthias Höhn, Dr. Dietmar (CDU/CSU)...... 6845 A Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ostdeutsche Rüdiger Lucassen (AfD)...... 6846 A Bundesländer von Aufwendungen für Dr. (SPD)...... 6847 A DDR-Renten entlasten Drucksache 19/4614...... 6862 B Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP)...... 6848 C g) Antrag der Abgeordneten , , , Heike Hänsel (DIE LINKE)...... 6849 C weiterer Abgeordneter und der Fraktion Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Betreiber­ DIE GRÜNEN)...... 6851 C unabhängige Ermittlung und Sicherung der Ewigkeitskosten der Kohle als Man- (CDU/CSU)...... 6853 B datserweiterung für die Kohlekommissi- (AfD)...... 6854 B on Drucksache 19/4850...... 6862 C Siemtje Möller (SPD)...... 6855 B h) Antrag der Abgeordneten , Dr. (FDP)...... 6856 B Oliver Krischer, Tabea Rößner, weiterer Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ Abgeordneter und der Fraktion BÜND- DIE GRÜNEN)...... 6857 A NIS 90/DIE GRÜNEN: Breitband für alle – Digitale Infrastruktur flächendeckend Heike Hänsel (DIE LINKE)...... 6857 C ausbauen Siemtje Möller (SPD)...... 6857 C Drucksache 19/5306...... 6862 C (CDU/CSU)...... 6858 A i) Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), , Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD)...... 6859 C Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeord- (fraktionslos)...... 6860 B neter und der Fraktion DIE LINKE: Aktive und präventive Arbeitsmarktpolitik um- (CDU/CSU)...... 6860 D setzen – Qualifizierung ausweiten und Arbeitslosenversicherung stärken Drucksache 19/5524...... 6862 C Namentliche Abstimmung ...... 6861 D

Ergebnis ...... 6865 A Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Stephan Brandner, , Stefan Tagesordnungspunkt 32: Keuter, weiteren Abgeordneten und der a) Erste Beratung des von der Bundesregie- Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- eines Gesetzes zur Flexibilisierung des setzes zur ergänzenden Regelung der Zinssatzes bei Steuernachzahlungen statistischen Verwendung von Verwal- und Steuererstattungen tungsdaten und zur Regelung der Über- Drucksache 19/5491...... 6862 D IV Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 b) Erste Beratung des von den Abgeordne- Tagesordnungspunkt 32: ten Stephan Brandner, Marc Bernhard, d) Antrag der Abgeordneten , ­, weiteren Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus und der Fraktion der AfD eingebrachten Ernst, weiterer Abgeordneter und der Frak- Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur tion DIE LINKE: Einführung eines Kin- Änderung des Bundesverfassungsge- derweihnachtsgelds richtsgesetzes (Gesetz zur Einführung Drucksache 19/101...... der Begründungspflicht) 6863 D Drucksache 19/5492...... 6862 D e) Antrag der Abgeordneten , Dr. , Dr. Gesine Lötzsch, c) Antrag der Abgeordneten , weiterer Abgeordneter und der Fraktion , Christine Aschenberg-­ DIE LINKE: Gleichwertige Lebensver- Dugnus, weiterer Abgeordneter und der hältnisse und Chancengleichheit für Fraktion der FDP: Update und Add-ons Ländliche Räume herstellen für den Digitalpakt Schule – Umfassen- Drucksache 19/3164...... 6864 A de Bund-Länder-Strategie für digitale Bildung in der Schule Drucksache 19/4451...... 6863 A Zusatztagesordnungspunkt 4: e) Antrag der Abgeordneten Grigorios Aggelidis, Katja Suding, , d) Antrag der Abgeordneten , weiterer Abgeordneter und der Fraktion Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, weiterer Ab- der FDP: Update für das Elterngeld geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Schlechterstellung von NS-Op- Drucksache 19/5072...... 6863 A fern bei Umzug in ein Alten- oder Pflege- f) Antrag der Abgeordneten Dr. Christoph heim und Anhebung der pauschalierten Hoffmann, Alexander Graf Lambsdorff, Leistungen für NS-Opfer Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordne- Drucksache 19/4884...... 6864 B ter und der Fraktion der FDP: Alternati- ven zur Zerstörung des UNESCO-Welt- naturerbes Selous in Tansania aufzeigen Tagesordnungspunkt 33: Drucksache 19/5461...... 6863 B a) Zweite und dritte Beratung des von der g) Antrag der Abgeordneten Matthias Bundesregierung eingebrachten Entwurfs ­Seestern-Pauly, Katja Suding, Grigorios eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fleischgesetzes Fraktion der FDP: Amt des Unabhängi- Drucksachen 19/4721, 19/5128. . . . . 6864 D gen Beauftragten für Fragen des sexu- ellen Kindesmissbrauchs gesetzlich si- b) Zweite und dritte Beratung des von der chern Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Drucksache 19/5495...... 6863 B Rindfleischetikettierungsgesetzes und h) Antrag der Abgeordneten , milchrechtlicher Bestimmungen sowie , Christine Aschenberg-Dugnus, zur Aufhebung der Rindfleischetikettie- weiterer Abgeordneter und der Fraktion rungs-Strafverordnung der FDP: Ausbau der dritten Start- und Drucksachen 19/4728, 19/5138. . . . . 6868 A Landebahn des Flughafens München c) Zweite und dritte Beratung des von der Drucksache 19/5529...... 6863 B Bundesregierung eingebrachten Entwurfs i) Antrag der Abgeordneten ,­ eines Gesetzes zur Förderung der Frei- , Stephan Brandner, weite- zügigkeit von EU-Bürgerinnen und rer Abgeordneter und der Fraktion der AfD: -Bürgern sowie zur Neuregelung ver- Verbot von Tierexporten aus Deutsch- schiedener Aspekte des Internationalen land – Insbesondere in Nicht-EU-Län- Adoptionsrechts der, bei nicht EU-rechtskonformen Drucksachen 19/4851, 19/5579. . . . . 6868 B Transport-, Haltungs- und Schlacht- d) Zweite und dritte Beratung des von der bedingungen sowie Sicherstellung der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Einhaltung der EU-Tiertransportvor- eines Gesetzes zum Internationalen Gü- gaben auf dem Gebiet der Bundesre- terrecht und zur Änderung von Vor- publik Deutschland und Ausarbeitung schriften des Internationalen Privat- von geeigneten Straf- beziehungsweise rechts Ordnungswidrigkeitsvorschriften für Drucksachen 19/4852, 19/5578. . . . . Verstöße gegen die EU-Tiertransport- 6868 D vorgaben e) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Drucksache 19/5532...... 6863 C schusses für Menschenrechte und humani- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 V

täre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Konrad, weiterer Abgeordneter und der Michel Brandt, Zaklin Nastic, Eva-Maria Fraktion der FDP: Unwürdige Tiertrans- Elisabeth Schreiber, weiterer Abgeordneter porte stoppen und der Fraktion DIE LINKE: Menschen- – zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ rechtsverletzungen durch Unternehmen DIE GRÜNEN: Moratorium für Tier- konsequent ahnden – Historische Mög- transporte in außereuropäische Länder lichkeit für völkerrechtsverbindliches aussprechen Abkommen nutzen Drucksachen 19/435, 19/448, 19/4658. . . . 6871 B Drucksachen 19/961, 19/2116...... 6869 B f) Beratung der Dritten Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu Einsprü- Tagesordnungspunkt 8: chen anlässlich der Wahl zum 19. Deut- Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU schen Bundestag am 24. September 2017 und SPD, AfD, FDP, DIE LINKE und BÜND- Drucksache 19/5200...... 6869 B NIS 90/DIE GRÜNEN: Wahl der Mitglieder g) Beschlussempfehlung und Bericht des des Kuratoriums der „Stiftung Denkmal Ausschusses für Recht und Verbraucher- für die ermordeten Juden Europas“ schutz zu dem Streitverfahren vor dem Drucksachen 19/5501, 19/5502, 19/5503, Bundesverfassungsgericht 2 BvQ 91/18 19/5504, 19/5505 ...... 6871 C Drucksache 19/5552...... 6869 C h)–r) Tagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU ten 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, und SPD, AfD, FDP, DIE LINKE und BÜND- 122, 123 und 124 zu Petitionen NIS 90/DIE GRÜNEN: Wahl der Mitglie- Drucksachen 19/5082, 19/5083, 19/5084, der des Kuratoriums der „Bundesstiftung 19/5085, 19/5086, 19/5087, 19/5088, ­Magnus Hirschfeld“ 19/5089, 19/5090, 19/5091, 19/5092 . . . 6869 C Drucksachen 19/5506, 19/5507, 19/5508, 19/5509, 19/5510 ...... 6872 A

Zusatztagesordnungspunkt 5: Zusatztagesordnungspunkt 6: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: nen der CDU/CSU und SPD: Zur Zukunft Den INF-Vertrag als Grundpfeiler ato- des INF-Vertrags als Kernelement europä- marer Sicherheitsarchitektur und Kern­ ischer Sicherheit element europäischer Sicherheit erhal- , Bundesminister AA...... 6872 C ten Armin-Paulus Hampel (AfD)...... 6874 A Drucksachen 19/956, 19/1925...... 6870 D (CDU/CSU). . . . . 6875 A b) Antrag der Abgeordneten Dr. Marcus ­Faber, Alexander Graf Lambsdorff, Grigorios Bijan Djir-Sarai (FDP)...... 6876 A Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der (DIE LINKE)...... 6877 A Fraktion der FDP: Invictus ­Games nach Deutschland holen – Einsatzgeschädig- (BÜNDNIS 90/ ten Soldatinnen und Soldaten den Rü- DIE GRÜNEN)...... 6878 A cken stärken Nikolas Löbel (CDU/CSU)...... 6879 A Drucksache 19/4535...... 6870 D Dr. (AfD) ...... 6880 A c) Antrag der Abgeordneten , , , weiterer (SPD)...... 6881 A Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU)...... 6882 A NIS 90/DIE GRÜNEN: Konvention für Biologische Vielfalt stärken (SPD)...... 6883 A Drucksache 19/5551...... 6871 A (CDU/CSU)...... 6884 A Josip Juratovic (SPD)...... 6885 A Tagesordnungspunkt 23: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Tagesordnungspunkt 10: schusses für Ernährung und Landwirtschaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Karlheinz a) – Zweite und dritte Beratung des von Busen, Dr. , Carina der Bundesregierung eingebrachten VI Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur in Verbindung mit Änderung des Zweiten Buches Sozi- algesetzbuch – Schaffung neuer Teil- habechancen für Langzeitarbeitslose Zusatztagesordnungspunkt 7: auf dem allgemeinen und sozialen Antrag der Abgeordneten Katharina Dröge, Arbeitsmarkt (Teilhabechancenge- , Dr. , setz – 10. SGB II-ÄndG)...... weiterer Abgeordneter und der Fraktion Drucksachen 19/4725, 19/5588. . . . 6885 D BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schlüssel- technologien und Kritische Infrastruktur – Bericht des Haushaltsausschusses ge- schützen – Standortattraktivität für Inves- mäß § 96 der Geschäftsordnung titionen sichern Drucksache 19/5589 ...... 6886 A Drucksache 19/5565...... 6896 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des (FDP)...... 6896 D Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten (CDU/CSU)...... 6897 C Sabine Zimmermann (Zwickau), Steffen Kotré (AfD) ...... 6898 D Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Markus Töns (SPD) ...... 6899 D DIE LINKE: Perspektiven für Lang- (DIE LINKE)...... zeiterwerbslose durch gute öffentlich 6901 B geförderte Beschäftigung Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ – zu dem Antrag der Abgeordneten DIE GRÜNEN)...... 6902 B Beate Müller-Gemmeke, , Sven Lehmann, weiterer Abgeordneter (FDP)...... 6903 A und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ GRÜNEN: Neue Perspektiven für DIE GRÜNEN)...... 6903 B langzeitarbeitslose Menschen durch einen Sozialen Arbeitsmarkt ermög- Mario Mieruch (fraktionslos)...... 6903 D lichen (CDU/CSU)...... 6904 B Drucksachen 19/2593, 19/591, 19/5588. . 6886 A Hubertus Heil, Bundesminister BMAS. . . . 6886 B Tagesordnungspunkt 12: Jörg Schneider (AfD)...... 6887 B – Zweite und dritte Beratung des von der Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU). . . 6888 A Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Entlas- (FDP) ...... 6889 A tung der Familien sowie zur Anpassung Sabine Zimmermann (Zwickau) weiterer steuerlicher Regelungen (Fami- lienentlastungsgesetz – FamEntlastG) (DIE LINKE) ...... 6889 D Drucksachen 19/4723, 19/5583. . . . . 6905 C (CDU/CSU)...... 6890 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ § 96 der Geschäftsordnung DIE GRÜNEN)...... 6891 B Drucksache 19/5591...... 6905 C Dr. (SPD)...... 6892 A (SPD)...... 6905 D Kay Gottschalk (AfD)...... Kai Whittaker (CDU/CSU)...... 6893 B 6906 C (CDU/CSU)...... Sabine Zimmermann (Zwickau) 6908 A (DIE LINKE) ...... 6894 A (FDP)...... 6909 D (CDU/CSU)...... 6895 A Jörg Cezanne (DIE LINKE)...... 6911 A (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). . 6911 D Tagesordnungspunkt 11: Dr. (SPD)...... 6912 D Antrag der Abgeordneten Reinhard Houben, Dr. h. c. (CDU/CSU). . . 6913 D Michael Theurer, Thomas L. Kemmerich, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Namentliche Abstimmungen. . . . . Attraktivität Deutschlands für ausländi- 6915 C, 6915 C sches Kapital sichern Drucksache 19/4216...... 6896 C Ergebnisse...... 6915 D, 6918 B Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 VII

Zusatztagesordnungspunkt 21: Dr. (SPD)...... 6946 A Beschlussempfehlung des Ausschusses für (Chemnitz) (CDU/CSU). . . 6947 B Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord- nung: Antrag auf Genehmigung zur Durch- führung eines Strafverfahrens Tagesordnungspunkt 15: Drucksache 19/5632...... 6922 B Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Tagesordnungspunkt 13: Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylge- setzes – Zweite und dritte Beratung des von der Drucksachen 19/4456, 19/4548, 19/5590. . . 6948 A Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vermeidung von Um- satzsteuerausfällen beim Handel mit in Verbindung mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Drucksachen 19/4455, 19/4858, 19/5159 Zusatztagesordnungspunkt 8: Nr. 4, 19/5595...... 6922 B Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß schusses für Familie, Senioren, Frauen und § 96 der Geschäftsordnung Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Drucksache 19/5596...... 6922 B ­Roman Johannes Reusch, Dr. Gottfried Curio, Stephan Brandner, weiterer Abgeordneter und Ingrid Arndt-Brauer (SPD)...... 6922 C der Fraktion der AfD: Obligatorische Alters- (AfD) ...... 6923 C feststellung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (CDU/CSU)...... 6924 C Drucksachen 19/471, 19/5584 ...... 6948 B (FDP)...... 6925 D (CDU/CSU) ...... 6948 B Jörg Cezanne (DIE LINKE)...... 6926 C Lars Herrmann (AfD)...... 6949 B Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). . 6927 C Helge Lindh (SPD)...... 6950 B Michael Schrodi (SPD)...... 6928 C Linda Teuteberg (FDP)...... 6952 A (CDU/CSU) ...... 6929 A Ulla Jelpke (DIE LINKE)...... 6952 D

Namentliche Abstimmungen. . . . . 6930 C, 6930 D Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). . 6953 C Michael Kuffer (CDU/CSU)...... 6954 C Ergebnisse...... 6931 C, 6934 A Hans-Jürgen Irmer (CDU/CSU)...... 6955 B

Tagesordnungspunkt 27: Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten , Erste Beratung des von den Abgeordneten , Jürgen Trittin, weiterer Abge- Stephan Brandner, , Corinna ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Miazga, weiteren Abgeordneten und der Frak- GRÜNEN: Schwere Menschenrechtsverlet- tion der AfD eingebrachten Entwurfs eines zungen in Xinjiang beenden, aufklären und Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über ahnden die Ruhebezüge des Bundespräsidenten Drucksache 19/5544...... 6938 A Drucksache 19/5490...... 6956 C Margarete Bause (BÜNDNIS 90/ Stephan Brandner (AfD)...... 6956 D DIE GRÜNEN)...... 6938 B (FDP)...... 6958 C Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU). . . . . 6939 A Helge Lindh (SPD)...... 6959 B Jürgen Braun (AfD) ...... 6940 C Stephan Brandner (AfD) (Erklärung nach Frank Müller-Rosentritt (FDP)...... 6941 B § 30 GO)...... 6960 D (SPD)...... 6942 C (DIE LINKE) ...... 6961 B Gyde Jensen (FDP)...... 6943 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ (DIE LINKE)...... 6944 B DIE GRÜNEN)...... 6962 C Sebastian Brehm (CDU/CSU) ...... 6945 B (CDU/CSU)...... 6963 C VIII Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Tagesordnungspunkt 17: Anlage 5 Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- desregierung eingebrachten Entwurfs eines chen Abstimmung über die Beschlussemp- Gesetzes zur Beschleunigung von Pla- fehlung des Verteidigungsausschusses zu nungs- und Genehmigungsverfahren im dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Verkehrsbereich Michel Brandt, Christine Buchholz, weiterer Drucksachen 19/4459, 19/4731, 19/4944 Nr. 8, Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: 19/5580...... 6964 D Zwei-Prozent-Rüstungsziel der NATO ableh- Leif-Erik Holm (AfD)...... 6965 A nen (Tagesordnungspunkt 7)...... 7025 A (SPD)...... 6965 D (SPD)...... 7025 A (FDP)...... 6967 B (SPD)...... 7025 C (DIE LINKE)...... 6968 B Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)...... 6969 B Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Anlage 1 Dr. (SPD) zu der namentli- chen Abstimmung über die Beschlussemp- Entschuldigte Abgeordnete...... 7023 A fehlung des Verteidigungsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Michel Brandt, Christine Buchholz, weiterer Anlage 2 Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zwei-Prozent-Rüstungsziel der NATO ableh- Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten nen Dr. Christoph Ploß und Klaus-Peter Willsch (beide CDU/CSU) zu der namentlichen Ab- (Tagesordnungspunkt 7)...... 7025 D stimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisie- Anlage 7 rung in der gesetzlichen Rentenversicherung Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisie- des von den Abgeordneten Stephan Brandner, rungsgesetz) Andreas Bleck, , weiteren (Tagesordnungspunkt 4 a)...... 7023 D Abgeordneten und der Fraktion der AfD ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes über die Ruhebezüge des Anlage 3 Bundespräsidenten Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- (Tagesordnungspunkt 16)...... 7025 D chen Abstimmung über den von der Bundesre- (CDU/CSU) ...... gierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes 7025 D über Leistungsverbesserungen und Stabilisie- Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU)...... 7026 D rung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisie- rungsgesetz) Anlage 8 (Tagesordnungspunkt 4 a)...... 7024 B Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung Mark Hauptmann (CDU/CSU)...... 7024 B des von der Bundesregierung eingebrachten (CDU/CSU)...... 7024 C Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich Anlage 4 (Tagesordnungspunkt 17)...... 7027 C Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten (CDU/CSU) ...... 7027 C Thomas Bareiß (CDU/CSU) zu der namentli- chen Abstimmung über den von der Bundesre- (CDU/CSU)...... 7028 B gierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes , Parl. Staatssekretär über Leistungsverbesserungen und Stabilisie- BMVI...... 7029 C rung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisie- (Der gesamte und damit endgültige Stenografische rungsgesetz) Bericht der 61. Sitzung wird am 13. November 2018 (Tagesordnungspunkt 4 a)...... 7025 A veröffentlicht.) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6783

(A) (C)

61. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Müller als Nachfolger für den Kollegen Sebastian Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie. Hartmann als ordentliches Mitglied und die Kollegin Guten Morgen! Die Sitzung ist eröffnet. Elvan­ Korkmaz als Nachfolgerin für den Kollegen Detlef Müller als persönliches stellvertretendes Mitglied Für den ausgeschiedenen Kollegen Dr. zu wählen. Stimmen Sie auch dem zu? – Das ist der Fall. ist die Kollegin als Mitglied des Deut- Dann ist der Kollege Detlef Müller als ordentliches Mit- schen Bundestags nachgerückt. glied und die Kollegin Korkmaz als persönliches stell- vertretendes Mitglied in den Eisenbahnstrukturbeirat (Beifall) gewählt. Frau Kollegin Manderla, ich begrüße Sie im Namen des Dann gibt es eine interfraktionelle Vereinbarung, die ganzen Hauses und wünsche eine gute Zusammenarbeit. Tagesordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufge- führten Punkte zu erweitern: (B) (Gisela Manderla [CDU/CSU]: Danke (D) schön!) ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Dann sollen in den Stiftungsrat der Deutschen Här- tefallstiftung folgende Abgeordnete als Mitglieder ge- Verhalten der Bundesregierung bei der In- wählt werden: auf Vorschlag der Fraktion der CDU/CSU formation europäischer Partner über Cum/ Ingo Gädechens, Florian Hahn und Kerstin Vieregge, Ex-Gestaltungen auf Vorschlag der Fraktion der SPD Dr. Karl-Heinz (siehe 60. Sitzung) Brunner und Josip Juratovic, auf Vorschlag der Frakti- on der AfD , auf Vorschlag der Frak- ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Stephan tion der FDP Alexander Müller, auf Vorschlag der Frak- Thomae, Alexander Graf Lambsdorff, Dr. Jens tion Die Linke Matthias Höhn und auf Vorschlag der Brandenburg (Rhein-Neckar), weiterer Abgeord- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Tobias Lindner. neter und der Fraktion der FDP Stimmen Sie diesen Vorschlägen zu? – Das ist offen- kundig der Fall. Dann sind die Kollegin Vieregge sowie Geordnete Zuwanderung erfordert mehr als die Kollegen Gädechens, Hahn, Dr. Brunner, Juratovic, den UN-Migrationspakt – Entwurf eines Ein- Friedhoff, Alexander Müller, Höhn und Dr. Lindner in wanderungsgesetzbuches vorlegen den Stiftungsrat gewählt. Drucksache 19/5534 Dann müssen wir noch einen Vertreter der Bundesre- Überweisungsvorschlag: publik Deutschland zur Parlamentarischen Versamm- Ausschuss für Inneres und Heimat (f) lung des Europarats wählen. Die Fraktion der CDU/ Auswärtiger Ausschuss CSU schlägt vor, den Kollegen Josef Rief als Nachfolger ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Filiz des Kollegen als persönliches stellver- Polat, Luise Amtsberg, Claudia Roth (Augsburg), tretendes Mitglied zu berufen. Sie sind auch damit ein- weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- verstanden? – Dann ist der Kollege Rief als persönliches NIS 90/DIE GRÜNEN stellvertretendes Mitglied gewählt. Umsetzung des Global Compact for Migra- Schließlich müssen wir noch zwei Mitglieder des tion – Globale Standards für die Rechte von Beirats für Fragen des Zugangs zur Eisenbahninfra- Migrantinnen und Migranten stärken struktur, also des Eisenbahnstrukturbeirats, wählen. Die Fraktion der SPD schlägt vor, den Kollegen ­Detlef Drucksache 19/5547 6784 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: (C) Auswärtiger Ausschuss (f) Haushaltsausschuss (f) Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Federführung strittig Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Federführung strittig Grigorios Aggelidis, Katja Suding, Nicole Bauer, weiterer Abgeordneter und der Frakti- ZP 4 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver- on der FDP fahren (Ergänzung zu TOP 32) Update für das Elterngeld Drucksache 19/5072 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Stephan Brandner, Kay Gottschalk, Stefan Überweisungsvorschlag: Keuter, weiteren Abgeordneten und der Frak- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) tion der AfD eingebrachten Entwurfs eines Ausschuss für Inneres und Heimat Finanzausschuss Gesetzes zur Flexibilisierung des Zinssat- Ausschuss für Arbeit und Soziales zes bei Steuernachzahlungen und Steuer- Haushaltsausschuss erstattungen f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Drucksache 19/5491 Dr. Christoph Hoffmann, Alexander Graf Überweisungsvorschlag: Lambsdorff, Grigorios Aggelidis, weiterer Finanzausschuss (f) Abgeordneter und der Fraktion der FDP Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Alternativen zur Zerstörung des UNES- b) Erste Beratung des von den Abgeordneten CO-Weltnaturerbes Selous in Tansania Stephan Brandner, Marc Bernhard, Siegbert aufzeigen Droese, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion der AfD eingebrachten Entwurfs eines Drucksache 19/5461 Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bun- Überweisungsvorschlag: desverfassungsgerichtsgesetzes (Gesetz Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und zur Einführung der Begründungspflicht) Entwicklung (f) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Si- (B) Drucksache 19/5492 cherheit (D) Überweisungsvorschlag: g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Matthias Seestern-Pauly, Katja Suding, Ausschuss für Inneres und Heimat Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter c) Beratung des Antrags der Abgeordneten und der Fraktion der FDP Katja Suding, Grigorios Aggelidis, Christine Amt des Unabhängigen Beauftragten für Aschenberg-Dugnus, weiterer Abgeordneter Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs und der Fraktion der FDP gesetzlich sichern Update und Add-ons für den Digitalpakt Drucksache 19/5495 Schule – Umfassende Bund-Länder-Stra- tegie für digitale Bildung in der Schule Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Drucksache 19/4451 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen- h) Beratung des Antrags der Abgeordneten abschätzung (f) Bernd Reuther, Frank Sitta, Christine Aschen- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend berg-Dugnus, weiterer Abgeordneter und der Ausschuss Digitale Agenda Fraktion der FDP Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Haushaltsausschuss Ausbau der dritten Start- und Landebahn des Flughafens München d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jan Korte, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, weiterer Drucksache 19/5529 Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Keine Schlechterstellung von NS-Opfern Haushaltsausschuss bei Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim und Anhebung der pauschalierten Leistun- i) Beratung des Antrags der Abgeordneten gen für NS-Opfer Thomas Ehrhorn, Peter Boehringer, Stephan Brandner, weiterer Abgeordneter und der Drucksache 19/4884 Fraktion der AfD Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6785

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Verbot von Tierexporten aus Deutsch- Überweisungsvorschlag: (C) land – Insbesondere in Nicht-EU-Länder, Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Auswärtiger Ausschuss bei nicht EU-rechtskonformen Trans- Ausschuss für Inneres und Heimat port-, Haltungs- und Schlachtbedingun- Finanzausschuss gen sowie Sicherstellung der Einhaltung Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur der EU-Tiertransportvorgaben auf dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und Ausarbeitung von geeigneten Straf- beziehungsweise Ordnungswidrigkeitsvor- ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- schriften für Verstöße gegen die EU-Tier- richts des Ausschusses für Familie, Senioren, transportvorgaben Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem An- trag der Abgeordneten Roman Johannes Reusch, Drucksache 19/5532 Dr. Gottfried Curio, Stephan Brandner, weiterer Überweisungsvorschlag: Abgeordneter und der Fraktion der AfD Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Obligatorische Altersfeststellung unbegleite- ZP 5 Weitere abschließende Beratungen ohne Aus- ter minderjähriger Flüchtlinge sprache Drucksachen 19/471, 19/5584 (Ergänzung zu TOP 33) ZP 9 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- a) Beratung der Beschlussempfehlung und richts des Ausschusses für Gesundheit (14. Aus- des Berichts des Auswärtigen Ausschusses schuss) (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktionen – zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ der CDU/CSU und SPD DIE GRÜNEN Den INF-Vertrag als Grundpfeiler atoma- Sofortprogramm für mehr Personal in der rer Sicherheitsarchitektur und Kernele- Altenpflege ment europäischer Sicherheit erhalten – zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ Drucksachen 19/956, 19/1925 DIE GRÜNEN b) Beratung des Antrags der Abgeordne- Sofortprogramm für mehr Pflegepersonal ten Dr. Marcus Faber, Alexander Graf im Krankenhaus (B) Lambsdorff, Grigorios Aggelidis, weiterer (D) Abgeordneter und der Fraktion der FDP Drucksachen 19/446, 19/447, 19/3202 Invictus Games nach Deutschland holen – ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Irene Einsatzgeschädigten Soldatinnen und Sol- Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Dr. Franziska daten den Rücken stärken Brantner, weiterer Abgeordneter und der Frakti- on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 19/4535 Grundwerte der deutsch-französischen Euro- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten papolitik wahren – Lang dauernde Binnen- Steffi Lemke, Harald Ebner, Uwe Kekeritz, grenzkontrollen beenden weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 19/5550 ZP 11 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Konvention für Biologische Vielfalt stär- richts des Ausschusses für die Angelegenheiten ken der Europäischen Union (21. Ausschuss) zu dem Drucksache 19/5551 Antrag der Abgeordneten Dr. , Sven-Christian Kindler, , wei- ZP 6 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- der CDU/CSU und SPD: NIS 90/DIE GRÜNEN Zur Zukunft des INF-Vertrags als Kernele- Ein neuer Aufbruch – Für eine deutsch-fran- ment europäischer Sicherheit zösische Reformpartnerschaft ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Katharina Drucksachen 19/2111, 19/5585 Dröge, Kerstin Andreae, Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion ZP 12 Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes Schlüsseltechnologien und Kritische Infra- struktur schützen – Standortattraktivität für Drucksache 19/5522 Investitionen sichern Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Drucksache 19/5565 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz 6786 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) ZP 13 Beratung des Antrags der Abgeordneten Stephan ZP 18 Beratung der Beschlussempfehlung und des (C) Protschka, , , wei- Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- terer Abgeordneter und der Fraktion der AfD schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Stefan Liebich, Heike Hänsel, Michel Brandt, weiterer Lokalanästhesie bei der Ferkelkastration er- Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE möglichen Drucksache 19/5533 Weitere Aufrüstung der Arabischen Halbinsel stoppen Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksachen 19/833, 19/1745 ZP 14 Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate ZP 19 Beratung des Antrags der Abgeordneten Künast, , Harald Ebner, Konstantin Kuhle, Stephan Thomae, Alexander weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Graf Lambsdorff, weiterer Abgeordneter und der NIS 90/DIE GRÜNEN Fraktion der FDP Tierschutz unverzüglich umsetzen Grundrechtsschutz in der Sicherheitskoope- Drucksache 19/5564 ration mit dem Vereinigten Königreich nach Überweisungsvorschlag: dem Brexit Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 19/5528 ZP 15 Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU Überweisungsvorschlag: und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Ausschuss für Inneres und Heimat (f) zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Ge- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz setzes, des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer ZP 20 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der energierechtlicher Vorschriften FDP: Drucksache 19/5523 Haltung der Bundesregierung zum Umgang Überweisungsvorschlag: mit externen Beratern im Geschäftsbereich Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) des Bundesverteidigungsministeriums und Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz der Bundeswehr Finanzausschuss Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so- Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur weit erforderlich, abgewichen werden. (B) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (D) Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Darüber hinaus kommt es zu den in der Zusatzpunkte- Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kom- liste dargestellten weiteren Änderungen des Ablaufs. munen Haushaltsausschuss Der Tagesordnungspunkt 29 b – das ist der Antrag zum ZP 16 Beratung der Beschlussempfehlung und des Freiheits- und Einheitsdenkmal – soll abgesetzt werden. Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- Schließlich mache ich noch auf mehrere nachträgli- schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Omid che Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatz- Nouripour, Katja Keul, Claudia Roth (Augs- punkteliste aufmerksam: burg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Der am 12. Oktober 2018 (56. Sitzung) überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Aus- Humanitäre Katastrophe in Jemen lindern – schuss für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zur Rüstungsexporte stoppen Mitberatung überwiesen werden: Drucksachen 19/834, 19/1744 Erste Beratung des von der Bundesregierung ZP 17 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Geset- richts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener- zes zur Anpassung des Datenschutzrechts an gie (9. Ausschuss) die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Um- – zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim setzung der Richtlinie (EU) 2016/680 Dağdelen, Heike Hänsel, Michel Brandt, (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Um- weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE setzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) LINKE Drucksache 19/4674 Export von Rüstungsgütern verbieten Überweisungsvorschlag: – zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Agnieszka Brugger, Katharina Dröge, weite- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Wirtschaft und Energie rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Ausschuss Digitale Agenda NIS 90/DIE GRÜNEN Der am 19. Oktober 2018 (59. Sitzung) überwiesene Ein Rüstungsexportkontrollgesetz endlich nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Aus- vorlegen schuss für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zur Drucksachen 19/1339, 19/1849, 19/5582 Mitberatung überwiesen werden: Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6787

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Erste Beratung des von der Bundesregierung einge- – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- (C) brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Drucksache 19/5587 Mietbeginn und zur Anpassung der Regelungen über die Modernisierung der Mietsache b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- (Mietrechtsanpassungsgesetz – MietAnpG) richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales Drucksache 19/4672 (11. Ausschuss) Überweisungsvorschlag: – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Schielke-Ziesing, Marc Bernhard, Stephan Ausschuss für Wirtschaft und Energie Brandner, weiterer Abgeordneter und der Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kom- Fraktion der AfD munen Der am 19. Oktober 2018 (59. Sitzung) überwiesene Anrechnungsfreistellung der Mütterrente nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Aus- beziehungsweise der Rente für Kinderer- schuss für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zur ziehungszeiten bei der Grundsicherung im Mitberatung überwiesen werden: Alter Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuer- Doris Achelwilm, weiterer Abgeordneter und lichen Förderung des Mietwohnungsneubaus der Fraktion DIE LINKE Drucksache 19/4949 Vollständige Gleichstellung und gerechte Überweisungsvorschlag: Finanzierung der Kindererziehungszeiten Finanzausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie in der Rente umsetzen – Mütterrente ver- Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kom- bessern munen Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Der am 18. Oktober 2018 (58. Sitzung) überwiesene Doris Achelwilm, weiterer Abgeordneter und nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Aus- der Fraktion DIE LINKE schuss für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Die Erwerbsminderungsrente stärken (B) (D) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- Drucksachen 19/4843, 19/29, 19/31, 19/5586 gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias der Chancen für Qualifizierung und für mehr W. Birkwald, Matthias Höhn, Susanne Ferschl, Schutz in der Arbeitslosenversicherung weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE (Qualifizierungschancengesetz) LINKE Drucksache 19/4948 Gesetzliche Rente sichern und Altersarmut Überweisungsvorschlag: bekämpfen Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 19/5526 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen vor. Wir werden über den Gesetzentwurf später na- Sie sind mit all dem einverstanden? – Dann ist das mentlich abstimmen. mangels Widerspruchs so beschlossen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Damit rufe ich die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 c die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Sie sind damit auf: einverstanden. Dann ist das so beschlossen. a) – Zweite und dritte Beratung des von der Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort Bundesregierung eingebrachten Ent- der Abgeordneten Nahles, der Fraktionsvorsitzenden der wurfs eines Gesetzes über Leistungsver- SPD. besserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabili- der CDU/CSU) sierungsgesetz) Drucksachen 19/4668, 19/5412 (SPD): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kol- Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- legen! Auch in dieser Woche verabschieden SPD und schusses für Arbeit und Soziales (11. Aus- CDU/CSU konkrete Gesetze, die für mehr Gerechtig- schuss) keit und für mehr Zusammenhalt in Deutschland sorgen Drucksache 19/5586 werden. Wir erhöhen das Kindergeld um 10 Euro. Wir 6788 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Andrea Nahles (A) verabschieden eine Pflegereform, auf deren Grundlage bis zum Jahr 2025 und nach dem Willen der SPD auch (C) deutlich mehr Pflegekräfte eingestellt werden und die weiter darüber hinaus, Pflegekräfte insgesamt besser bezahlt werden. Wir schaf- fen Arbeitsplätze für Mitbürgerinnen und Mitbürger, die (Beifall bei der SPD) schon sehr lange arbeitslos sind. Und wir sichern die oder wir lassen zu, dass die Renten immer weiter sinken Rente auf dem jetzigen Niveau. Diese Regierung liefert. und entwertet werden. (Beifall bei der SPD – Klaus Ernst [DIE (Zurufe von der AfD) LINKE]: Viel zu wenig!) Wenn wir das aber zulassen, muss die junge Generation Mit der heutigen Rentenreform vollziehen wir einen einem solchen System irgendwann das Vertrauen entzie- grundsätzlichen Richtungswechsel. Die alte Rentenfor- hen. Denn warum sollte ausgerechnet die junge Genera- mel sah vor, dass die Rente geringer steigt als die Löhne. tion jahrzehntelang Beiträge zahlen, wenn sie am Ende Die neue Rentenformel stellt sicher: Die Renten steigen keine Sicherheit darüber hat, was sie rausbekommt? Das wie die Löhne. ist doch Unsinn. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Wir sichern damit ein Rentenniveau auf dem heutigen Level. Das ist wirklich eine sehr entscheidende Weichen- Deswegen ist aus meiner Sicht die Sicherung des Renten- stellung. Zusätzliche Vorsorge über Betriebsrenten oder niveaus in diesem System auch wichtig im Sinne der Ge- privat ist eine gute Sache – wenn sie eben ergänzend nerationengerechtigkeit. Ein garantiertes Rentenniveau gedacht ist, nicht ersetzend. Das ist der entscheidende schafft für die junge Generation nämlich die Sicherheit, Punkt für uns. dass sie sich eben am Ende auch auf dieses System der gesetzlichen Rentenversicherung verlassen kann. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Denn die gesetzliche Rentenversicherung ist und bleibt die zentrale Säule im deutschen Rentensystem. Jetzt sagen manche, das sei nicht finanzierbar. Das ist ein ziemlich scheinheiliges Argument. Die Rentenreform folgt einem einfachen Prinzip: Wer ein Leben lang arbeitet, der verdient auch einen anstän- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) digen Lebensabend, der verdient eine Rente, von der er auch leben kann. Denn niemand wird ja wohl bestreiten, dass das Geld für eine auskömmliche Rente im Jahre, sagen wir, 2040 auch (B) (Beifall bei der SPD) immer irgendwo herkommen muss. Die einzige Frage ist (D) Ich betone: Ich benutze den Begriff „verdient“ bewusst. doch: Was ist der beste und der gerechteste Weg, dies Denn die Rente ist kein Almosen, und sie ist auch kein dann zu finanzieren? Soll die heutige Arbeitnehmerge- Luxus. Die Rente ist der gesellschaftliche Lohn für ein neration sowohl die Renten von heute finanzieren und Leben voller Arbeit. Für die Mehrheit der Bevölkerung gleichzeitig privat noch die eigene Rente aufstocken? ist übrigens die gesetzliche Rente ihr größtes Vermögen. Damit würden viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- Sie bleibt die sicherste Form der Altersversorgung. mer komplett überfordert. Oder soll auch die heutige Arbeitnehmergeneration sich darauf verlassen können, Uns ist die Stärkung der umlagefinanzierten Rente dass auch sie im Alter eine von ihren Kindern und dann ja auch deswegen so wichtig, weil die Systeme, die vor auch durch zusätzliche Steuermittel finanzierte Rente be- allem auf private Absicherung ausgerichtet waren, letzt- kommt? Die Frage ist doch nicht, ob, sondern die Frage endlich alle in der Finanzkrise deutlich gestrauchelt sind. ist, wie wir die Renten und die Garantie eines Rentenni- Das ist ganz eindeutig der Fall gewesen. veaus in Zukunft finanzieren. Darüber lohnt sich jeder (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Streit; gar keine Frage. der LINKEN) (Beifall bei der SPD) Im Gegensatz zu den privaten steht die gesetzliche Ren- Das, was wir heute beschließen, ist finanziert. Bis te blendend da. Würde man aus Beiträgen und Renten- 2025 ist das Rentenniveau klar gesichert. ansprüchen in der gesetzlichen Rente die Rendite berech- nen, ergäbe sich ein stabiler Ertrag von 2 bis 3 Prozent (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- pro Jahr, verlässlich und frei von Schwankungen. Das ist NEN]: Sie greifen die Rücklagen an!) auf dem Kapitalmarkt momentan nicht zu kriegen, um es sehr deutlich zu sagen. Wir steigen darüber hinaus in die Bildung einer Demo- grafierücklage ein. (Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da hat sie recht!) ( [Erfurt] [SPD]: Zusätz- lich!) Die umlagefinanzierte Rente ist deswegen der kapitalge- deckten überlegen. Damit schaffen wir die Voraussetzung, um den Steuer- anteil zur Finanzierung der Rentenversicherung systema- Ich spreche jetzt in diesem Hohen Haus auch etwas tisch auf- und ausbauen zu können. aus, was vielleicht nicht alle gerne hören: Entweder wir sichern heute das Rentenniveau auf dem jetzigen Stand (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6789

Andrea Nahles (A) Das wird wahrscheinlich auch der Weg der Zukunft sein. muss die Finanzierung dieser Maßnahmen aus Steuer- (C) Darüber wird aber in der Rentenkommission noch weiter mitteln erfolgen. diskutiert werden. (Beifall bei der AfD) Wenn es aber etwas gibt, was wir klären müssen, dann Da nützt es dem BMAS auch recht wenig, eine rund ist das doch die Frage: Wollen wir in Zukunft wirklich 1 Million Euro teure PR-Kampagne durchzuführen, auf die gesetzliche Rentenversicherung als wesentliche die den Rentenpakt in ein besseres Licht stellen soll. Säule unseres Rentensystems setzen, ja oder nein? Schlecht durchdachte Maßnahmen kann man zwar schön (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Selbst- verpacken, es bleiben jedoch schlecht durchdachte Maß- verständlich!) nahmen. Einen Weg zur Finanzierung werden wir in einem rei- (Beifall bei der AfD) chen Land wie Deutschland sicherlich finden, und zwar Bei den 4,2 Milliarden Euro reden wir nur über die einen gerechten, wenn es nach der SPD geht. neu hinzugekommenen versicherungsfremden Leistun- (Beifall bei der SPD) gen. Von den anderen Leistungen reden wir hier noch gar nicht. Bereits bei der ersten Lesung bemängelte ich Letzter Satz. Wenn es also einen Gradmesser für die den Aufwuchs an versicherungsfremden Leistungen, soziale Sicherheit in Deutschland gibt, dann ist das aus die die gesetzliche Rentenversicherung enorm belasten. meiner Sicht eine gute Alterssicherung. Für eine gute Al- Im Haushaltsausschuss sagten Sie mir sinngemäß, Herr tersversorgung sorgen wir mit diesem Rentenpaket heute Minister Heil, es sei schwierig, versicherungsfremde und jetzt. Leistungen zu bestimmen, und diese würden sich im Vielen Dank. Laufe der Zeit ändern. Warum machen Sie denn nicht den ersten Schritt und erstellen in Zusammenarbeit mit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der gesetzlichen Rentenversicherung einen Katalog, in der CDU/CSU) dem die versicherungsfremden Leistungen definiert wer- den? Selbstverständlich könnte ein solcher Katalog in Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: bestimmten Abständen aktualisiert werden. Aber dann Ulrike Schielke-Ziesing, AfD, ist die nächste Redne- hätten Sie endlich mal eine Übersicht darüber, welche rin. belastende Wirkung Ihre politischen Geschenke auf die Rentner und auf die Beitragszahler haben. (Beifall bei der AfD) Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern, und ich (B) Ulrike Schielke-Ziesing (AfD): kann Ihnen sagen, dass die Menschen dort den Glauben (D) an die Politik der SPD aus gutem Grund verlieren. Die Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Rentenhöhe sinkt, und die Preise für Miete sowie Le- Liebe Bürger! Ab heute Mittag werden wir im Haushalts- bensunterhalt steigen, und die Zukunft der gesetzlichen ausschuss in einer Bereinigungssitzung den Haushalts- Rente ist unter den derzeitigen Bedingungen ungewiss. plan für das Jahr 2019 abschließend beraten, der dann Gerade jetzt, in dieser wirtschaftlich starken Phase, wäre erwartungsgemäß in den frühen Morgenstunden mit den eine Korrektur der jahrzehntelangen Eingriffe in die ge- Stimmen der kleinen Koalition beschlossen werden wird. setzliche Rentenversicherung möglich. Daher fordere ich Ich besitze zwar keine funktionstüchtige Glaskugel, bin Sie, Herr Minister Heil, auf, die notwendigen Maßnah- mir aber sicher, dass wir auch in diesem Jahr wieder eine men zu ergreifen und die versicherungsfremden Leistun- schwarze Null erreichen werden. gen aus Steuermitteln zu finanzieren, damit die gesetzli- Diese schwarze Null ist auch ein Verdienst des Minis- che Rentenversicherung zukunftssicher bleibt. ters Heil, der das Kunststück vollbrachte, zwar einiges zu (Beifall bei der AfD) beschließen, aber keinen Cent dafür aus seinem eigenen Haushalt dazuzugeben. Mütterrente II, Aufwertung der Beiträge von Geringverdienern und Erhöhung der Zu- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: rechnungszeiten bei Erwerbsminderungsrenten machen Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des im Jahr 2019 rund 4,2 Milliarden Euro aus. Dies alles Kollegen Weiler? sind versicherungsfremde Leistungen und sollten daher aus Steuermitteln gezahlt werden – werden sie aber nicht. Ulrike Schielke-Ziesing (AfD): Die Kosten dafür müssen die gesetzlich Versicherten und Gerne als Kurzintervention, mit Ihrer Genehmigung. Rentner alleine übernehmen. Am Montag hatten wir im Ausschuss für Arbeit und Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Soziales eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf. Die Na ja, Sie können nur eine Zwischenfrage gestatten. geladenen Experten waren einhellig der Meinung, dass es falsch sei, die entstehenden Mehrausgaben der neu Ulrike Schielke-Ziesing (AfD): geplanten Maßnahmen aus Beitrags- und nicht aus Steu- ermitteln zu finanzieren. Es handelt sich hier um gesell- Eine Zwischenfrage würde ich nicht gestatten. schaftspolitische Aufgaben, für die keine Beiträge ge- zahlt worden sind und die auch Personen begünstigen, Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: die nicht zum Kreis der Beitragszahler gehören. Daher Also nein. 6790 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Ulrike Schielke-Ziesing (AfD): Und übrigens, solche Unkenrufe gab es schon 1957. (C) Genau. (Andrea Nahles [SPD]: Richtig!) (Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU Es wurde behauptet, dass eine baldige Unfinanzierbarkeit und der SPD) das ganze Werk Adenauers gefährden werde. Unsinn! Die Erziehung von Kindern ist Grundvoraussetzung (Andrea Nahles [SPD]: Richtig!) für den Generationenvertrag. Die Zeiten der Kinderer- ziehung sollten daher unsere besondere Anerkennung Ich warne aber auch – das sage ich deutlich – vor ei- erhalten, und durch einen Freistellungsbetrag bei der ner anderen Richtung des Alarmismus, nämlich vor der Anrechnung auf die Grundsicherung im Alter sollte ge- Behauptung, als ob es unter der Wirkung der gesetzli- zielt die Altersarmut in dieser Personengruppe bekämpft chen Rentenversicherung gleichsam so etwas wie eine werden. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, nahezu flächendeckende Altersarmut gäbe. Wenn unge- möglichst zeitnah einen Gesetzentwurf für die Änderung fähr 3 Prozent der Menschen über 65 eine ergänzende des SGB XII vorzulegen, der eine angemessene Anrech- Grundsicherung oder Grundsicherung brauchen, dann nungsfreistellung für die Mütterrente vorsieht. zeigt das, dass das Rentensystem funktioniert. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) (Beifall bei der AfD) Das zeigt uns aber auch, dass wir uns gezielt um diese Menschen kümmern müssen. Das tun wir beispielsweise, Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: wenn wir uns heute Nachmittag mit Langzeitarbeitslo- Nächster Redner ist Hermann Gröhe, CDU/CSU-Frak- sigkeit als einer der wesentlichen Ursachen für Alters- tion. armut beschäftigen werden; das tun wir, wenn wir uns (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- im Rahmen des nächsten Rentenpakts mit der Situation ordneten der SPD) kleiner Selbstständiger beschäftigen werden. Wir dürfen also nicht das Rentensystem insgesamt Hermann Gröhe (CDU/CSU): schlechtreden aus fragwürdigem Alarmismus von der Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! einen oder anderen Seite, sondern müssen gezielt dort Herr Minister! Heute ist ein starker Tag für die gesetz- ansetzen, wo wir Verbesserungen brauchen. Und das tun liche Rentenversicherung, weil wir sie zielgerichtet und wir. (B) mit Augenmaß klug weiterentwickeln und damit Soli- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (D) darität und Gerechtigkeit in diesem Land stärken. Wir ordneten der SPD) tun dies auf einer guten Grundlage, denn die deutsche Rentenversicherung steht gut da: Wir erwarten im nächs- Ich nenne hier als Erstes die Erwerbsminderungsrente. ten Jahr deutliche Rentenerhöhungen. Wir haben prall Wenn wir aufgrund der Altersentwicklung der Gesell- gefüllte Rentenkassen. Wir werden am Ende des Jahres schaft in den nächsten Jahren bis 2031 das Rentenein- voraussichtlich mit einer Steigerung der Beitragsein- trittsalter schrittweise auf 67 Jahre erhöhen – das ist rich- nahmen von 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr rechnen tig; wir bejahen das –, können. Wir konnten in den letzten Jahren übrigens auch (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist einen leichten Anstieg des Rentenniveaus beobachten. schlimm!) Die gesetzliche Rentenversicherung ist ein starkes Stück Sozialstaat. dann wird es trotz aller Anstrengungen im Bereich Reha, wo wir besser werden müssen, und im Bereich betriebli- Ich erlaube mir angesichts so mancher Bemerkung cher Gesundheitsförderung, wo wir besser werden müs- den Hinweis: Diese gesetzliche Rentenversicherung ver- sen, sicherlich auch Menschen geben, die aus gesund- dankt ihre wesentliche Gestalt der Rentenreform Konrad heitlichen Gründen nicht so lange arbeiten können. Wenn Adenauers. Ein starkes Stück deutscher Sozialstaat made sich dann die Berechnung für die Erwerbsminderungs- by CDU! rente am steigenden Renteneintrittsalter ausrichtet, dann (Beifall bei der CDU/CSU) stärken wir die Solidarität in der Rentenversicherung und unterstützen Menschen, die nicht länger arbeiten können. Meine Damen, meine Herren, so einfach ist das, und da- Ein gutes Stück mehr Solidarität! rauf sind wir stolz. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Auf Nun geht es um eine kluge Weiterentwicklung. Da halbem Weg stehen geblieben!) warne ich vor Alarmismus in zwei Richtungen, einmal Wir freuen uns des Weiteren zusammen mit 10 Milli- vor der Behauptung, das alles sei unfinanzierbar. Wenn onen Müttern und Vätern über die Verbesserung bei der die Wirkung eines Gesetzes, das bis 2025 ausgerichtet Mütterrente, meine Damen, meine Herren. ist, in manchen Medien bis 2060 dargestellt wird und damit der Eindruck erweckt wird, die so addierten Be- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- lastungen müsse man einem heutigen Haushaltsvolumen ordneten der SPD) gegenüberstellen, dann ist dies alles andere als seriös. Für uns besteht der Generationenvertrag nicht aus dem (Beifall des Abg. Ralf Kapschack [SPD]) Hin- und Herschieben von Finanzleistungen, sondern aus Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6791

Hermann Gröhe (A) dem Füreinandereinstehen der Generationen. Ein Gene- Ich will mir doch die Bemerkung erlauben: Eine Fi- (C) rationenvertrag lebt nur, weil Millionen Mütter und Väter xierung allein auf das gesetzliche Rentenniveau ist des- die Mühen des Aufziehens und der Ausbildung von Kin- wegen schon irreführend – das wissen alle Experten –, dern auf sich nehmen. Dies verdient mehr Anerkennung, weil die Bezugnahme auf das Durchschnittsgehalt etwa auch in der Rente. Das setzen wir heute durch, meine Da- mit sich gebracht hat, dass während der Finanzmarktkri- men, meine Herren. se 2009/2010, als die Löhne nach unten gingen, das Ren- tenniveau durch die 50‑Prozent-Decke schoss, ohne dass (Beifall bei der CDU/CSU) irgendeine Rentnerin oder ein Rentner einen Cent mehr Weil eben wieder die alten Schlachten rund um das hatte. Insofern muss da schon etwas genauer hingeschaut Thema „versicherungsfremde Leistungen“ geschlagen werden. Ich glaube, wir haben dazu in der Rentenkom- wurden, möchte ich hier sagen: Klar ist doch, dass der mission eine gute Gelegenheit. Steuerzuschuss längst auch die Funktion der Beitragssta- Heute jedenfalls gehen wir einen ganz wichtigen bilisierung hat, längst auch sozialen Ausgleich befördert Schritt hin zur Zukunftsfestigkeit unserer gesetzlichen und heute schon über den sogenannten versicherungs- Rente. fremden Leistungen liegt. Insofern werden da immer wieder Schlachten der Vergangenheit geschlagen. Herzlichen Dank. Wir entlasten Menschen mit einem Einkommen von (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- unter 1 300 Euro im Monat, ohne ihre Rentenanwart- ordneten der SPD) schaft zu kürzen. Also: Jene Bezieher geringer Einkom- men, die von Steuerentlastungen nichts haben, werden

bei den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Johannes Vogel, FDP, ist der nächste Redner. Natürlich sind auch die beiden Haltelinien ein Aus- druck dafür, dass wir bis 2025 – ich sage auch gleich was (Beifall bei der FDP) zur Zeit danach – die faire Balance zwischen Beitrags- zahlern und Rentenempfängern, also zwischen Genera- Johannes Vogel (Olpe) (FDP): tionen, sichern. Auch da gibt es einen falschen Alarmis- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir mus. Die Zahlen von heute zeigen, dass es eines erhöhten beraten heute in abschließender Lesung ein Rentenpaket Bundeszuschusses voraussichtlich erstmalig überhaupt der Großen Koalition, dessen Gesamtcharakter klar ist. im Jahr 2025 bedürfen wird und dieser dann unter der bis Da will ich zitieren: „sehr bedenklich … teuer, ungerecht dahin angesparten Demografiereserve liegen wird. Wer und kurzsichtig … keine nennenswerten Auswirkungen (B) das für unseriös finanziert hält, der sollte einfach mal in auf das Risiko steigender Altersarmut, für das es weit (D) die Zahlen schauen. zielgenauere Lösungen gibt“. – „Es wird ein zentraler (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Mechanismus der Rentenreform von 2004 außer Kraft der SPD) gesetzt, nämlich der Nachhaltigkeitsfaktor …“ – Die „Tragfähigkeit der Rentenversicherung“ wird „aufs Spiel Zur Situation nach 2025 sage ich: Das Grundprinzip, gesetzt“. – Das sind Zitate aus der Expertenanhörung von das uns bis dahin leitet, muss uns natürlich auch danach Montag. Nicht von irgendwem, sondern von Mitgliedern leiten. Es geht um Generationengerechtigkeit. Es geht da- Ihrer eigenen Rentenkommission, rum, auskömmliche Sicherheit im Alter mit dem Schutz der jungen Generation und der Wirtschaftskraft unseres (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist Landes vor Überforderung zu verbinden. Das wird keine ja das Problem!) leichte Aufgabe für die Zukunft; ansonsten hätte es keine und unter anderem von dem Wissenschaftler, der für Rentenkommission gegeben. das Bundesfinanzministerium die Tragfähigkeitsberech- Ich bin Minister Heil sehr dankbar, dass er beim Zu- nung für die gesetzliche Rentenversicherung macht. Lie- sammentreten dieser Kommission ausdrücklich vor be Kolleginnen und Kollegen, das ist unverantwortlich. Denkverboten gewarnt hat. Das Ziel einer fairen Balance Deshalb ist dieses Rentenpaket falsch. zwischen den Generationen ist ja, wie ich denke, zwi- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten schen uns unstrittig. Von daher geht es um die Frage, der AfD) welcher kluge Maßnahmenmix dies am besten gewähr- leistet. Dabei bleibt die gesetzliche Rentenversicherung Halten wir noch mal fest, was Sie hier machen. ein zentraler Bestandteil. Genauso ist aber Tatsache, dass heute schon fast 60 Prozent der Rentnerinnen und Erstens. Rund 90 Prozent der Ausgaben dieses Ren- Rentner eine betriebliche Altersversicherung haben, dass tenpakets helfen eben nicht zielgerichtet gegen Altersar- wir in der privaten Alterssicherung zwar nicht da sind, mut. wo wir sein wollten, aber viel besser sind, als oft gesagt Zweitens. Sie manipulieren die Rentenformel und wird. Deswegen wird für uns im Hinblick auf das Alters- kündigen damit den Konsens auf, dass die Lasten des de- sicherungsniveau der Blick auf alle drei Säulen und auch mografischen Wandels fair über die Generationen verteilt eine bessere Information über die Versorgung in den drei werden sollen. Säulen zentral sein müssen; denn es geht ja darum, dass die Menschen ihre gesamte Alterssicherung im Blick ha- Drittens. Sie können nicht erklären, wie das langfristig ben. finanziert werden soll. 6792 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Johannes Vogel (Olpe) (A) Es ist ja grotesk, liebe Kollegin Nahles, zur Finanzie- auch für die private Rentenversicherung gelten? Oder (C) rung zu sagen, das sei alles gesichert. Kurzfristig greifen glauben Sie, dass die Leute dort nicht älter werden? Sie einfach in den Topf der Beitragszahler und brauchen die Reserve auf, die dort vorhanden ist. Langfristig, ge- (Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei der rade weil Sie mit der Gießkanne das Geld ausschütten, SPD – Dr. [FDP]: Sie ha- werden die Kosten explodieren. ben die Kapitaldeckung nicht verstanden!) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was Und ist Ihnen klar, dass der wesentliche Unterschied kostet das denn einen Durchschnittsverdiener zwischen der privaten und der gesetzlichen Rentenver- 2030, Herr Vogel? – Zurufe von der SPD) sicherung darin besteht, dass bei der gesetzlichen Ren- tenversicherung der Beitrag paritätisch aufgebracht wird, Halten wir doch mal fest: 2030 sind wir schon bei Ge- nämlich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern samtkosten von einer Viertelbillion Euro durch dieses geteilt wird, wohingegen bei der privaten Rentenversi- Paket. Das sagen nicht wir, sondern das sagt die Deut- cherung die Jungen diesen Beitrag alleine zu bezahlen sche Rentenversicherung höchst selbst. Alleine 2035 wä- haben? ren das 80 Milliarden Euro zusätzlich im Jahr. (Zuruf von der LINKEN: Genau!) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie Können Sie mir von daher folgen, dass die Beitrags- hoch ist dann das Bruttoinlandsprodukt? – steigerungen bei der privaten Rentenversicherung, die Andrea Nahles [SPD]: Wie viel Rente bekom- notwendig sind, weil auch die Leute in der privaten Ren- men die Leute denn bei Ihnen?) tenversicherung älter werden, deutlich höher sein wer- Liebe Kolleginnen und Kollegen, soll der Beitragssatz den, als das bei der gesetzlichen Rentenversicherung zu für die Jüngeren explodieren? erwarten ist? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der LINKEN und der SPD) der AfD – Widerspruch bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der SPD: Völliger Un- Johannes Vogel (Olpe) (FDP): sinn!) Lieber Kollege Ernst, offenbar haben Sie einen Grund- Setzen Sie auf wundersame Brotvermehrung? Sollen alle mechanismus unserer gesetzlichen Rentenversicherung Bürger bis 70 arbeiten? Wollen Sie die Steuern erhöhen? nicht verstanden. Das wären 2035 schon zusätzlich 6 Prozentpunkte Mehr- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (B) wertsteuer. der AfD) (D) (Ulli Nissen [SPD]: Schämen Sie sich eigent- Bei einer umlagefinanzierten Rente wird nämlich anders lich nicht?) als bei einer kapitalgedeckten gar kein Geld für den Ein- zelnen angespart, Liebe Kolleginnen und Kollegen, exakt diese Fragen ha- ben wir Ihnen von Anfang an gestellt. Heute beraten wir (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zum das Rentenpaket in dritter Lösung – Glück! – Andrea Nahles [SPD]: Ja, richtig!) (Ulli Nissen [SPD]: Lösung, ja, das ist es!) sondern es wird insofern zwischen den Generationen ver- teilt, als dass die Generation, die heute arbeitet, die Rente in dritter Lesung, und Sie bleiben immer noch jede Ant- derjenigen zahlt, die in Rente ist. wort schuldig. Das ist unverantwortlich gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, die sich auf die langfristige Lieber Kollege Ernst, man muss sich entscheiden: Bei Stabilität der Rente verlassen können müssen. einer dynamischen, umlagefinanzierten Rente kann man entweder dafür sorgen, dass die Renten in dem Maße wie (Beifall bei der FDP) die Löhne steigen – eins zu eins –, oder man kümmert sich darum, dass man die Folgen der Alterung der Ge- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: sellschaft in den Griff bekommt. Beides gleichzeitig geht nicht. Dasselbe Geld kann man nicht zweimal ausgeben. Herr Kollege Vogel, der Kollege Ernst würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Von der Bundesregierung – anders als von der Links- partei – Johannes Vogel (Olpe) (FDP): (Widerspruch bei der SPD und der LINKEN) Aber sehr gerne. würde ich mehr erwarten als eine Milchmädchenrech- nung, wenn es in der Politik um die langfristige Finanzie- Klaus Ernst (DIE LINKE): rung von Renten geht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Lieber Kollege Vogel, Sie haben gerade davon gespro- (Beifall bei der FDP) chen, dass die Beiträge für die gesetzliche Rentenversi- cherung explodieren würden, wenn der Vorschlag Reali- Der Linkspartei können wir das ja noch durchgehen tät wird, den wir heute beraten. Ist Ihnen eigentlich klar, lassen, aber die Große Koalition müsste schon den An- dass die demografischen Entwicklungen so, wie sie sind, spruch haben, eine Politik zu machen, die in Jahrzehnten Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6793

Johannes Vogel (Olpe) (A) denkt, nicht in Legislaturperioden. Leider tun Sie das Ge- endlich ehrlich machen in der Rentenpolitik. Annegret (C) genteil, liebe Kolleginnen und Kollegen. Kramp-Karrenbauer lässt sich kritisch ein zum Renten- vorstoß von , dessen Grundlagen Sie aber (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten heute ins Gesetz schreiben. der AfD) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das Dabei hätten wir doch solche Chancen. Wir könnten ist doch Unsinn!) gemeinsam auf die Rentenpolitik die 2000er-Jahre auf- bauen, anstatt diese rückabzuwickeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, lieber und die Jüngeren, lieber , (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber lieber und diejenigen, die für wirt- ihr wolltet das ja nicht mitmachen! – Gegenruf schaftliche Vernunft stehen wollen, des Abg. Dr. Marco Buschmann [FDP]: Wenn euch nichts einfällt, kommt das!) (Zurufe von der SPD: Oh!) Lassen Sie uns doch dafür sorgen, dass wir gezielt gegen lieber ganz persönlich: Altersarmut vorgehen, (Beifall bei der FDP) (Andrea Nahles [SPD]: Altersarmut ist nicht Heute ist die Chance, dass Sie sich ehrlich machen. Das das Thema!) hieße aber, dieses Rentenpaket abzulehnen. sodass jemand, der lange gearbeitet hat, sicher nicht aufs Sozialamt muss. Davon steht im Rentenpaket aber nichts Vielen Dank. drin. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Lassen Sie uns die kapitalgedeckte Vorsorge endlich bes- , Fraktion Die Linke, ist der nächste ser machen, wie uns die Schweiz, die Niederlande und Redner. Schweden das erfolgreich vormachen. Lassen Sie uns endlich einen flexiblen Renteneintritt einführen, wie die (Beifall bei der LINKEN) Skandinavier uns das erfolgreich vormachen. Das wäre moderne Rentenpolitik. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): (Beifall bei der FDP) Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- ren! Herr Vogel, mit der Rede haben Sie gezeigt, dass Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen (B) die FDP im Interesse der Beschäftigten, der Jungen, der (D) Koalition, Sie haben sich offenbar für einen entgegen- Mittelalten und der Rentnerinnen und Rentner wirklich gesetzten Weg entschieden, und das erfüllt uns ernsthaft niemals Verantwortung für die Alterssicherung in diesem mit großer Sorge. Lande haben sollte. (Zurufe von der SPD: Oh!) (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem Aber man muss zur Kenntnis nehmen, was offenbar die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Motivation dahinter ist, nämlich eine parteipolitische. Vogel [Olpe] [FDP]: Im Gegensatz zu Ihnen Leider ist es aber auch eine kurzsichtige. hatten wir die schon!) (René Röspel [SPD]: Das stimmt ja nicht!) Die „FAZ“ meldete gestern – Zitat –: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie ha- Koalition lässt Beitragssenkung ausfallen ben sich offenbar entschieden, die Linkspartei – Klaus Der Rentenbeitrag könnte auf 18,2 Prozent sinken ... Ernst und Kollegen – einholen zu wollen. – doch das Rentenpaket verhindert diese Entlastung. – (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Zitat Ende. Linkspartei gibt es schon seit 2007 nicht mehr! „Die Linke“, Herr Kollege!) In der „Bild“-Zeitung hieß es: Ich verrat Ihnen was: Diesen Überbietungswettbewerb Experte warnt vor Renten-Sauerei werden Sie ohnehin niemals gewinnen können, wenn Sie Mit den GroKo-Plänen müssen wir bis 72 arbeiten! verantwortungsvolle Politik machen wollen. Kehren Sie lieber um! Dieser angebliche Experte – das war Ihr Experte – (Beifall bei der FDP) (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Das ist ein Mitglied der Rentenkommission der Bundes- Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, alle regierung!) drei Kandidaten für den Parteivorsitz der CDU haben sich kritisch zu Ihrer Rentenpolitik eingelassen. Friedrich heißt Professor Börsch-Supan. Merz sagt, (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Er hat sein (Ulli Nissen [SPD]: Wen wundert’s bei dem?) Handwerk gelernt im Gegensatz zu anderen!) dass die Politik nicht länger zulasten der jungen Ge- Er steht der Versicherungswirtschaft und den Arbeit- neration gehen darf. Jens Spahn fragt, wann wir uns gebern sehr nahe, und er betreibt Angstmache, die mit 6794 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Matthias W. Birkwald (A) dem Rentenpaket, über das wir hier heute diskutieren, Lesung gemacht. Dazu darf ich Ihnen heute sagen: Als (C) in Wirklichkeit nichts zu tun hat. In eine Glaskugel zu Bismarck im Jahre 1889/90 die Rentenversicherung ein- schauen, um zu erfahren, was bis 2060 sein wird, und geführt hat, dann Milliardenhorrorzahlen zu verbreiten, ist unseriös. Darauf, meine Damen und Herren, sollten wir alle nicht (Jürgen Braun [AfD]: Oh, Bismarck!) hereinfallen. waren 10,2 Menschen im Alter von 20 bis 65 Jahren für (Beifall bei der LINKEN und der SPD) die Finanzierung eines Rentners oder einer Rentnerin zu- ständig. Im Jahr 1916 wurde die Regelaltersgrenze bei Es reicht, wenn Herr Vogel, die FDP und Teile der Union 65 Jahren eingeführt. Da waren immer noch 10 für einen das tun. Rentner zuständig. Bei der von Herrn Gröhe eben ange- führten Einführung der dynamischen Rentenversiche- Meine Damen und Herren, andersherum wird ein rung durch Konrad Adenauer waren es 5,2. Das heißt, wir Schuh daraus. Bei der Rente geht es um die Wertschät- haben von 1889/90 bis 1957 einen riesigen demografi- zung von Lebensleistung. schen Wandel gehabt. Trotzdem lag die Regelaltersgren- (Andrea Nahles [SPD]: Richtig!) ze bei 65 Jahren. Heute sind wir bei 2,9 und im Jahr 2060 werden wir bei 1,7 sein. Sie müssen aber festhalten, dass Das heißt unter anderem: Bei der Rente geht es erstens wir in den 70er- und 80er-Jahren keine Arbeitszeitverlän- darum, dass Menschen nach einem langen Arbeitsleben gerungen hatten, sondern Arbeitszeitverkürzungen, trotz ein Leben in Würde führen können und nicht in Armut demografischen Wandels, und wir hatten damals sogar leben müssen. Lohnsteigerungen. Die Älteren erinnern sich noch an (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Herrn Heinz Kluncker von der Gewerkschaft ÖTV; der neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE war doppelt so dick wie ich. Er hat Lohnerhöhungen von GRÜNEN) 13 Prozent gefordert. 10 Prozent hat er bekommen mit der entsprechenden Rentenerhöhung. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Von Herr Kollege Birkwald, der Kollege aus der AfD wür- Helmut Schmidt!) de gerne eine Zwischenfrage stellen. Das heißt, wenn wir die Produktivität und das Wirt- schaftswachstum fair verteilen und die Arbeitgeber und Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Arbeitgeberinnen endlich wieder ihren fairen Anteil an Bitte schön. der Alterssicherung bezahlen, dann können wir das fi- (B) nanzieren. (D) Norbert Kleinwächter (AfD): (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr neten der SPD) Birkwald, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zu- Ich sage Ihnen: Professor Börsch-Supan rechnet mit lassen. Wir teilen ja Ihre Ansicht, dass ein Leben im Alter einem Altenquotienten von 20 bis 65. Leider haben aber in Würde möglich sein muss; aber dafür muss natürlich alle in diesem Haus, außer der Linken, die unsägliche die Finanzierung stehen. Sie haben gerade einen Sach- Rente erst ab 67 beschlossen. Dann muss man die zwei verständigen kritisiert, der von einer anderen Fraktion Jahre Beschäftigungszeit mehr aber auch den Erwerbstä- benannt worden ist. Diesen Sachverständigen will ich tigen zurechnen. Das tut er aber nicht. Deswegen ist das nicht verteidigen; aber Sie sagten, es gebe keine Glasku- unseriös. Und mit einem Wanderungssaldo von 200 000 gel, in die man bis 2060 schauen könne. Bestreiten Sie, zu rechnen – nach den vergangenen drei Jahren auf die dass wir ab 2025 ein massives demografisches Problem nächsten 40 Jahre – ist auch unseriös. in der Rentenversicherung bekommen werden, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Darf (Andrea Nahles [SPD]: Nein! Das wissen wir er sich wieder setzen?) ja! Dafür brauchen wir keine Glaskugel!) Damit ich hier nicht übertreibe, Herr Präsident, sage was übrigens auch das Statistische Bundesamt sagt? Und ich ganz zum Schluss: Sie können ja alle einmal den Test würden Sie das Statistische Bundesamt als unseriös be- machen. zeichnen, wenn es für 2060 einen Altersquotienten von 61 in der ersten Variante bzw. 65 in der zweiten Variante (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an prognostiziert? Abg. Norbert Kleinwächter [AfD] gewandt: Hinsetzen!) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Rechnen Sie sich einmal geistig ins Jahr 1976 zurück, Herr Kollege Kleinwächter, wir haben einen demo- und überlegen Sie, was man damals für heute voraussa- grafischen Wandel – den leugnet auch Die Linke nicht –; gen konnte und was nicht. Genau so wäre es, wenn man aber der demografische Wandel ist kein Grund dafür, den heute ins Jahr 2060 guckt. Menschen die Renten zu kürzen, sofern man es richtig macht. (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse-­ Brömer [CDU/CSU], an Abg. Norbert Sie haben das Thema „Altenquotient“ angesprochen. Kleinwächter [AfD] gewandt: Hinsetzen! Das haben Sie auch in Ihrer Zwischenfrage in der ersten Sonst redet der noch länger!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6795

Matthias W. Birkwald (A) Ich sage Ihnen: Eine gute Rente ist finanzierbar, wenn Eine Standardrentnerin hätte dann 122 Euro mehr. Das ist (C) wir es richtig anfassen. finanzierbar, auch im Jahr 2030. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Zur sogenannten Mütterrente. Die Leistung, ein vor neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ 1992 geborenes Kind zu erziehen, ist genauso viel wert DIE GRÜNEN – Dr. [DIE wie die Leistung, ein nach 1992 geborenes Kind zu erzie- LINKE], an die AfD gewandt: Nächste Fra- hen. Dazu bräuchte es aber drei Entgeltpunkte und nicht ge!) zweieinhalb, also 96 Euro Rente für jedes Kind und nicht Jetzt will ich weitermachen. – Bei der Rente geht es nur 80 Euro für die älteren. Und die Mütterrente muss zweitens darum, dass Menschen im Alter ihren im Be- komplett aus Steuermitteln finanziert werden. Kinderer- rufsleben erarbeiteten Lebensstandard in etwa halten ziehung geht uns alle an. können. (Beifall bei der LINKEN) Bei der Rente geht es drittens darum, dass Frauen und Das fordern der Bundesrat und wirklich alle Fachleute. Männer, die Kinder erziehen, für diese Leistung in den Also machen Sie es bitte! ersten drei Lebensjahren des Kindes so viel Rente erhal- ten müssen, als wenn sie in dieser Zeit durchschnittlich Und sorgen Sie unbedingt dafür, dass Adoptiv- und verdient hätten – in gleicher Höhe in Ost und West und Pflegeeltern auch wirklich Mütterrente erhalten. Das tun egal, wann die Kinder geboren wurden. Ich sage: Die Sie mit diesem Gesetz nämlich nur sehr bedingt. Zur Not Erziehungsleistung der vielen Frauen und der wenigen sollen die leibliche Mutter und die Adoptivmutter eben Männer muss uns das wert sein. beide die Mütterrente erhalten. Das ist nicht linksradi- (Beifall bei der LINKEN) kal, nein, das hat der Bundesrat gefordert. Also tun Sie es bitte! Bei der Rente geht es viertens darum, dass Menschen, die zu krank zum Arbeiten sind, in der Rente so gestellt (Beifall bei der LINKEN) werden, als wenn sie bis zu ihrem 65. Geburtstag gesund Zur Erwerbsminderungsrente. Sie heben nun die Zu- durchgearbeitet hätten. Kranke dürfen nicht mit Abschlä- rechnungszeit in einem Schritt bis zur Regelaltersgrenze gen, also mit Rentenkürzungen für ihren unfreiwilligen an. Im vergangenen Jahr hatten Sie das noch über sieben Renteneintritt bestraft werden. Jahre gestreckt. Ich hatte das scharf kritisiert, weil Er- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. werbsminderungsrentner mit monatlich nur knapp 5 Euro [SPD]) mehr im ersten Jahr abgespeist wurden. Darum hat Die Linke sofort nach der Bundestagswahl einen Antrag ein- (B) Fünftens benötigen Menschen, die in unserem Land gebracht, um die Zurechnungszeit in einem Rutsch bis 65 (D) gezwungen waren, zu geringen oder zu niedrigen Löhnen anzuheben. Das tun Sie nun. Gut. Wenn die Menschen in zu arbeiten, einen guten Ausgleich in der Rente. Zukunft 70 Euro netto mehr im Monat haben, sage ich: Ja, das alles kostet Geld, Geld der Arbeitnehmenden, Links wirkt, gut gemacht. Geld der Arbeitgebenden und Geld der Steuerzahlenden. (Beifall bei der LINKEN) Wenn alle bereit sind, ihren fairen Anteil zu zahlen, ist das finanzierbar. Ich habe es Ihnen ja gerade zum Teil Aber auch nach der neuen Regelung lassen Sie nur den vorgerechnet. zukünftig Kranken eine Verbesserung bei der Rente zu- Alle fünf Punkte sind derzeit nur Forderungen der kommen. Sie lassen die 1,8 Millionen heutigen Erwerbs- Linken, der Sozialverbände und der Gewerkschaften. minderungsrentner nun zum dritten Mal hintereinander Aber, sehr geehrter Herr Bundesminister Hubertus Heil, leer ausgehen. Das darf auf gar keinen Fall so bleiben, ich erkenne ausdrücklich an, dass Sie sich auf den Weg auf gar keinen Fall! gemacht haben. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Liebe Koalition, Ihre Ignoranz in diesem Punkt ist Sie haben bei vier von fünf Punkten mit diesem Gesetz- wirklich unglaublich. In der Sachverständigenanhörung entwurf immerhin die halbe Wegstrecke geschafft. Gut im Ausschuss haben Ihnen nicht nur der Deutsche Ge- so. werkschaftsbund, der VdK, der SoVD und fünf Professo- ren gesagt, dass Sie dringend etwas für die Bestandsrent- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann ner tun müssen. Auch der Bundesrat hat Sie zum Handeln könnt ihr ja zustimmen!) aufgefordert. Recht hat er. Viele Erwerbsminderungsren- Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und ten liegen unter dem Sozialhilfesatz. Hier geht es oft um SPD, Sie stoppen mit dem Rentenpakt nur den Sinkflug Schicksalsschläge. Viele haben auf dem Arbeitsmarkt des Rentenniveaus, und das auch nur bis 2025. Das ist keine Chance mehr. Das geht so nicht. Da müssen wir zu wenig. Um den Lebensstandard im Alter zu sichern, unbedingt ran. brauchen wir wieder ein höheres Rentenniveau. Gewerk- Ich sage Ihnen: Wir Linken sind offen für eine De- schaften und Sozialverbände sehen das auch so. Der So- batte darüber, ob die Abschaffung der Abschläge für alle zialverband Deutschland und wir Linken fordern 53 Pro- die zielführende Lösung ist. Der Weg ist mir egal; aber zent Rentenniveau. das Ziel muss sein, dass alle Erwerbsminderungsrentne- (Beifall bei der LINKEN) rinnen und -rentner, die heutigen und die künftigen, ein 6796 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Matthias W. Birkwald (A) Leben führen können, das sie nicht in Armut hält. Würde geworden ist. Das heißt also, Rentnerinnen und Rentner (C) ist wichtig. Darum geht es. haben sehr wohl ihren Beitrag zur Konsolidierung geleis- tet und sind auch dabei. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- sowie des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD]) neten der SPD) Ähnliches gilt auch für den Bundeszuschuss. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Andrea Nahles [SPD]: Richtig!) Jetzt erteile ich das Wort Markus Kurth von Bünd- Heißt das jetzt aber, dass man sozusagen das Geld mit nis 90/Die Grünen. vollen Händen zum Fenster rauswerfen kann oder dass (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – man nicht so genau hingucken muss, wenn man eine Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- langfristige Niveaustabilisierung betreibt? Nein, mit- NEN]: Jetzt wollen wir Zahlen hören! – Katrin nichten. Da muss ich wirklich an die Adresse der SPD, Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- aber auch an die Adresse der Union sagen: Auf Nachhal- NEN]: Jetzt mal Zahlen!) tigkeit und eine längerfristige Finanzierung scheinen Sie keinen besonderen Wert zu legen, Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! nicht bis 2025 und erst recht nicht für den Zeitraum da- Meine Damen und Herren! Die Rentenfinanzen sind gut. nach. Das freut uns auch als Opposition, weil es die Leistungs- fähigkeit des umlagefinanzierten Systems der Alterssi- Wenn ich hier höre, dass Sie eine Demografiereser- cherung unterstreicht und deutlich macht. ve anlegen wollen, damit das Niveauversprechen für das Jahr 2025 gehalten werden kann, wenn dann leider die (Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜND- Nachhaltigkeitsrücklage leergelaufen ist, dann verweise NIS 90/DIE GRÜNEN]) ich mal auf das, was die Vorsitzende der Deutschen Ren- Es ist durchaus vernünftig, 15 Jahre nach der tenversicherung an diesem Montag in unserer Anhörung Rürup-Kommission eine Neubewertung und eine Ak- gesagt hat. Sie hat nämlich gesagt, sie weiß gar nichts zentverschiebung vorzunehmen, die auch das Renten- von einer Demografiereserve. Sie liegt jedenfalls nicht niveau und seine längerfristige Sicherung in den Mit- bei ihr. Diese Reserve ist eine Absichtserklärung, telpunkt stellt; denn die gesetzliche Rente ist mehr und (Andrea Nahles [SPD]: Das ist doch Unsinn!) (B) muss mehr sein als eine bessere Sozialhilfe. Sie ist eine (D) Einkommensversicherung – Andrea Nahles hat das hier die Sie auf ein Papier geschrieben haben und die jeder im Grundsatz übrigens ganz richtig ausgeführt –, die als nächste Finanzminister auch wieder ändern kann. solche auch für die Mittelschicht attraktiv sein muss. Für Menschen, die ein halbwegs geschlossenes Erwerbsle- (Andrea Nahles [SPD]: Das steht im Haus- ben haben, muss sie deutlich mehr darstellen als nur et- halt!) was über Grundsicherung. – Frau Roßbach von der Deutschen Rentenversicherung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat gesagt, sie kann zur Demografiereserve gar nichts sa- sowie bei Abgeordneten der SPD) gen; (Andrea Nahles [SPD]: Weil sie im deutschen Es ist auch keinesfalls so, lieber Johannes Vogel, dass Haushalt ist!) die Rentenfinanzierung in den letzten Jahren völlig aus dem Ruder gelaufen sei. denn ihr ist dazu nichts bekannt. – Das ist doch mal eine Aussage. (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Eben nicht!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Es gibt eine Größe, die man im Zusammenhang mit den Andrea Nahles [SPD]: Dann hat die Frau halt Ausgaben für die gesetzliche Rentenversicherung be- keine Ahnung!) rücksichtigen muss, nämlich die Wirtschaftsleistung die- ses Landes, erbracht durch die Arbeitnehmerinnen und Für das Jahr 2040, für das Herr Scholz das Rentenni- Arbeitnehmer. veau ebenfalls stabilisieren will, haben Sie kein vernünf- tiges Angebot. Ich finde es fast schon dramatisch, wenn (Johannes Vogel (Olpe) [FDP]: Genau! Für der Finanzminister und Vizekanzler solche Niveausiche- die letzten Jahre!) rungsversprechungen macht, es aber noch nicht einmal Jetzt will ich hier nicht zu viele Zahlen nennen, aber schafft, im jetzigen Haushalt wenigstens bis 2025 ausrei- ganz ohne komme ich auch nicht aus. Der Anteil der chend Vorsorge für das Rentenpaket zu treffen, das Sie Rentenausgaben am Bruttoinlandsprodukt lag die gan- jetzt hier verabschieden. Das merken die Leute. zen letzten Jahre bei 9,1 Prozent der Wirtschaftsleis- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tung. Im Jahr 2003 lag der Anteil der Rentenausgaben bei 10,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Der Anteil ist Dann möchte ich noch etwas zu einigen Bestandteilen also zurückgegangen und dann stabil geblieben, und das, dieses Rentenpakets sagen. Also, es kommen ja sowieso obwohl die Zahl der Rentnerinnen und Rentner größer schon genug Herausforderungen auf die gesetzliche Ren- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6797

Markus Kurth (A) tenversicherung durch andere Gesetze zu, die Sie jetzt Bürgerversicherung, Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit (C) im Umfeld dieses Gesetzes verabschieden. Die Senkung bei der Rentenfinanzierung. Dann wird das auch klappen. des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung ist prima, das ist ja gut; sie wird aber dazu führen, dass das Rentenni- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – veau rein rechnerisch sinkt, weil eben das Einkommen Andrea Nahles [SPD]: Das hätten wir jetzt der Arbeitnehmer steigt. Die Einführung der Parität in nicht mehr hören müssen! – Zurufe von der der Krankenversicherung unterstützen wir sehr; sie wird FDP: Oh!) aber dazu führen, dass die Rentenversicherung schon im nächsten Jahr 1,4 Milliarden Euro Mehrausgaben für die Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: gesetzliche Krankenversicherung hat. In ähnlicher Weise Jetzt hat das Wort der Bundesminister für Arbeit und wirkt natürlich die Erhöhung des Beitrags zur Pflegever- Soziales, Hubertus Heil. sicherung, die heute Abend beschlossen werden wird. So, das ist schon mal eine ganze Menge. (Beifall bei der SPD) Dann sind wir uns alle einig, dass die 1,5 Milliarden Bundesminister für Arbeit und Sozi- Euro kostenschwere Verbesserung bei der Erwerbsmin- Hubertus Heil, ales: derungsrente sinnvoll ist und kommen soll. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herren! Heute ist ein wichtiger Tag für soziale Sicher- heit und für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland, Da haben wir schon einiges zusammen. weil wir ein Kernversprechen des Sozialstaates erneuern, Da frage ich mich: Muss man an dieser Stelle jetzt nämlich dafür zu sorgen, dass sich die Menschen nach ei- wirklich noch die sogenannte Mütterrente systemwidrig nem Leben voller Arbeit wieder auf eine auskömmliche draufpacken und damit eine sehr langfristige Kostenbe- Alterssicherung verlassen können. Das ist der wesentli- lastung verursachen? Wo bleibt denn da der vielgerühmte che Fortschritt dieses Gesetzes. Wirtschaftsflügel, der Berufsjugendliche und selbster- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nannte Anwalt der jungen Generation, Jens Spahn, wenn der CDU/CSU) es darum geht, wenigstens eine vernünftige Finanzierung der Mütterrente, wenn man sie schon macht, sicherzu- Wir haben hier eine lebhafte Debatte; dazu will ich stellen? gleich etwas sagen. Aber erst einmal komme ich zum In- halt des Gesetzes, über den hier von der Opposition nur (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrenzt gesprochen wurde. sowie bei Abgeordneten der FDP) (B) (D) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ge- Nichts ist von denen zu hören. nau!) Der Wirtschaftsflügel der Union hat sich vor vier Jah- Worum geht es denn? Erstens. Es geht darum, dass ren wahnsinnig über die Rente mit 63 aufgeregt, weil es wir das Rentenniveau in den nächsten Jahren tatsächlich ja schlecht sei, wenn die Arbeitnehmer früher aus dem sichern, damit die Einkommen von Arbeitnehmerinnen Erwerbsleben ausscheiden. Die Mütterrente II, die jetzt und Arbeitnehmern und von Rentnerinnen und Rentnern kommen soll, wird viel teurer als die Rente mit 63 vor nicht entkoppelt werden. Das ist kein Geschenk, meine vier Jahren. Wo hört man denn da was vom Wirtschafts- Damen und Herren. Das ist eine Anerkennung der Le- geflügel der Union? Gar nichts! Nichts hört man! bensleistung von Menschen, die hart gearbeitet haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hören Sie von der Opposition auf, von „Geschenken“ zu sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des reden! Abg. Dr. [CDU/CSU]) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Dazu können Sie überhaupt nichts sagen. ten der CDU/CSU und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Ich bin jetzt leider mit meiner Redezeit auf der Ziel- geraden. Zweitens. Wir verbessern mit der Mütterrente die Anrechnung der Kindererziehungszeiten, die stärker be- (Heiterkeit) rücksichtigt werden. Auch das ist kein Almosen, sondern eine Anerkennung der Leistung von Menschen, die Kin- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: der erzogen haben. Was denn sonst, meine Damen und Herr Kollege Kurth, Sie sind nicht auf der Zielgera- Herren? den, Sie sind darüber. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der der CDU/CSU) FDP) Wir sichern zukünftig mit einer Verbesserung der An- rechnungszeiten bei der Erwerbsminderungsrente dieje- Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nigen ab, die einfach nicht mehr können. Herr Kollege Setzen Sie auf Bündnis 90/Die Grünen, Birkwald, wenn es nach mir ginge, dann würden wir auch über den Bestand reden. Ich muss nur sagen, dass es (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nein!) jetzt schon einmal ein Fortschritt ist, dass Sie diese Ver- 6798 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Bundesminister Hubertus Heil (A) besserung anerkannt haben. Dafür danke ich Ihnen ganz Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Sozi- (C) herzlich. Das ist faire Opposition. ales: Bitte schön. (Beifall bei der SPD) (Ulli Nissen [SPD]: Das wollte er doch nur!) Drittens. Wir entlasten Geringverdiener, die es tat- sächlich nicht leicht haben, von Beiträgen, ohne dass sich Danke für die Verlängerung meiner Redezeit, Herr Kol- ihre sozialen Anwartschaften für die Rente verschlech- lege. tern. Das ist der Rentenpakt für Deutschland, meine Da- (Zuruf von der SPD: Aber jetzt eine gute men und Herren. Das sichert sozialen Zusammenhalt. Frage!) (Beifall des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD]) Johannes Vogel (Olpe) (FDP): Ich will der Opposition einiges sagen. Herr Vogel, mal Lieber Herr Kollege, lieber Herr Bundesminister, lie- ganz grundsätzlich: Wer sich hier wie die FDP aus der ber Hubertus Heil, an dieser Stelle kann ich das aber so Regierungsverantwortung stiehlt nicht stehen lassen; denn was wir wollen, ist – um das klar zu sagen –, die Politik zu verteidigen und die Ren- (Zurufe von der FDP: Ah!) tenformel zu sichern, die die SPD in ihrer Regierungs- verantwortung in den Nullerjahren in diesem Land selbst und so redet, der disqualifiziert sich selbst für diese De- eingeführt hat, batte. (Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten [DIE LINKE]: Nein, die war falsch!) der CDU/CSU und der LINKEN) weil sie einmal verstanden hatte, dass es notwendig ist, Wer all das kritisiert und dabei verschweigt, welche Al- die Rente stabil zu halten für alle Generationen. Ich lasse ternativen er im Köcher hat, der muss sich auch fragen mir vieles entgegenhalten, aber nicht, dass wir Genera- lassen, was das ist, was er macht. Sie haben viel über tionen gegeneinander ausspielen. Generationen gegenei- Kosten geredet. Keine Frage, auch wir reden über die Fi- nander auszuspielen, das tut nicht derjenige, der auf Tat- nanzierung; dazu will ich gleich einen Satz sagen. Aber sachen hinweist, sondern das tut derjenige, der Tatsachen wer von allem den Preis kennt und von nichts mehr den schafft, und das ist die Große Koalition, das sind Sie, das Wert, der weiß nicht, was der Wert der gesetzlichen Ren- bist Du ganz persönlich. tenversicherung ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (B) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- der AfD) (D) ten der CDU/CSU – Widerspruch des Abg. Dr. Marco Buschmann [FDP]) Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Sozi- Das ist ein gutes System. Es muss die tragende Säule ales: sein. Herr Kollege Vogel, Sie haben verschwiegen, dass wir in diesem Gesetz beides schaffen, nämlich eine Siche- Der entscheidende Unterschied zwischen Ihnen und rung des Rentenniveaus und eine Sicherung der Beitrags- dieser Koalition ist: Wir wollen, dass die gesetzliche satzstabilität. Vielleicht könnten Sie eines anerkennen: Rente neben der privaten und der betrieblichen Rente, die Die Sicherung der Altersvorsorge hat nicht nur mit der ergänzend kommen sollen, die tragende Säule der Alters- Frage zu tun, was wir im Rentensystem selbst machen. sicherung bleiben soll. Sie wollen die Rente schwächen, Es ist notwendig, die Stellschrauben richtig zu stellen; wir wollen sie stärken. Das ist der Unterschied. das machen wir heute. Aber es geht um die Frage, wie (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Menschen für Menschen, Generation für Generation, im Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ Interesse übrigens von Eltern, aber auch von Großeltern DIE GRÜNEN]) und Kindern, darum geht es. Sie spielen die Generatio- Sie wissen ganz genau, dass die Prognosen aus den Jah- nen gegeneinander aus. Ich will Ihnen das einmal sehr ren 2003 und 2004, die die Entwicklung des Arbeits- deutlich sagen, Herr Vogel: Ihre Art und Weise ist, den marktes betrafen – der Rentenpolitik damals unterlegt –, Menschen zu verschweigen, was Sie wollen. Sie wollen viel pessimistischer waren, als sich dann – Gott sei eine stärkere Privatisierung der Rente. Dann sagen Sie Dank – der Arbeitsmarkt in Deutschland tatsächlich ent- das hier doch ganz offen. Wir gehen einen anderen Weg, wickelt hat. Deshalb sage ich Ihnen: Ja, wir haben eine und das ist gut für Deutschland. demografische Herausforderung in den nächsten Jahren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Aber diese können wir meistern, wenn wir in der Rente der CDU/CSU und der LINKEN) das Richtige tun, wenn wir die Finanzierung sichern und wenn wir gleichzeitig dafür arbeiten, dass Wachstum, Produktivität und Erwerbsbeteiligung möglichst aller in Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: diesem Land möglich sind. Wenn das möglich ist, dann Herr Bundesminister, der Kollege Vogel würde gerne müssen wir die Generationen nicht wie Sie gegeneinan- eine Zwischenfrage stellen. der ausspielen. Sie verhetzen das an dieser Stelle, indem Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6799

Bundesminister Hubertus Heil (A) Sie die gesetzliche Rente madig machen. Das kann ich beitragen soll. Ich sage bewusst „angeblich“. Denn die (C) Ihnen nicht durchgehen lassen, Herr Vogel; das müssen Wahrheit ist: Für die Rentner verbessert sich im Grun- Sie sich auch mal sagen lassen. de nichts. Aber es gibt eine zweite Wahrheit in diesem Paket, eine innere Wahrheit. Es ist – jetzt hören Sie ge- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nau zu! – das Eingeständnis der SPD ihres vollständigen der CDU/CSU und der LINKEN) Scheiterns in sozialen Fragen. Sie sind verbunden mit der privaten Versicherungs- wirtschaft; sagen Sie das doch mal ganz offen. Die mit (Beifall bei der AfD) Ihnen verbündeten Initiativen, die heute als bezahlte Liebe Sozialdemokraten, wer ist denn seit 1998 fast Lobbyisten hier in Berlin gegen die Rentenpolitik Stim- durchgängig für die Rentenpolitik in diesem Land zu- mung machen, sind keine Menschen, die das Gemein- ständig? Richtig, das sind Sie, Genossinnen und Genos- wohl im Blick haben. Das sind Interessenvertreter, und sen. Die Rentenkatastrophe von morgen ist also Ihr Werk. mit denen sind Sie im Bunde, Herr Vogel. Das kann man Ihnen nicht ersparen. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie Und nun müssen Sie erkennen, welchen Murks Sie in bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Marco der Vergangenheit verzapft haben. Aber mit ein bisschen Buschmann [FDP]: Wenn man nicht rechnen Kosmetik – das sage ich Ihnen – werden Sie die Katastro- kann! – Weitere Zurufe von der FDP) phe nicht abwenden können. – Nein, das muss jetzt mal deutlich ausgesprochen wer- ( [SPD]: Kommt noch ein In- den. Wer ständig die gesetzliche Rentenversicherung halt?) krankenhausreif redet, wie Sie das tun, – Das ist Inhalt. (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Das tut doch niemand! – Reinhard Houben [FDP]: Wie Lassen Sie mich nur einmal drei folgenschwere Fehler kann man nur so einen Unsinn reden!) aufzeigen. Erstens. Sie haben den Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt, also eine grundsätzliche Dämpfung der jähr- und sich dann als Notarzt anbietet, disqualifiziert sich für lichen Rentenerhöhung. eine vernünftige Rentenpolitik. Das kann ich Ihnen nicht durchgehen lassen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das stimmt doch gar nicht! Wir haben (Beifall bei der SPD und der LINKEN) für eine Steigerung gesorgt! Sie haben ja keine (B) Zum Schluss. Dieser Rentenpakt ist ein erster und gro- Ahnung!) (D) ßer Schritt. Wir werden im nächsten Jahr die Grundrente Zweitens. Sie haben die Rente mit 67 eingeführt. einführen und die Selbstständigen in das System der Al- terssicherung einbeziehen. Wir werden auch die Weichen Drittens. Sie haben – noch viel schlimmer; davon spre- über 2025 hinaus stellen. Ja, die Rentenpolitik, die wir chen heute nur wenige – die durchgesetzt. machen, kostet Geld, gar keine Frage. Aber die entschei- Das heißt, Sie haben die Menschen in Leiharbeit getrie- dende Frage lautet: Ist es der Gesellschaft etwas wert, ben und so einen riesigen Niedriglohnsektor geschaffen, die Alterssicherung in diesem Land für alle Generationen mit der Folge, dass mit diesen miserablen Löhnen die verlässlich zu gestalten? Herr Vogel, es gibt Nationen in Menschen unmöglich ausreichende Rentenanwartschaf- Europa, die für die Alterssicherung anteilig mehr ausge- ten erarbeiten können. Das haben Sie gemacht. ben. Wir sind ein starkes Land. Den sozialen Zusammen- halt zu sichern durch eine verlässliche Altersvorsorge, ist (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer eine gute Investition in die Zukunftsfähigkeit Deutsch- [CDU/CSU]: Wie ist denn Ihr Vorschlag?) lands. Deshalb ist heute ein guter Tag für die soziale Si- Kurzum: Sie haben Politik der Altersarmut betrieben. cherheit und den Zusammenhalt unseres Volkes. Das ist Ihr Werk. Herzlichen Dank. Und jetzt wollen Sie ein bisschen an der sozialpoliti- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten schen Stellschraube drehen, aber bloß deshalb, weil Ih- der CDU/CSU) nen massenhaft die Wähler weglaufen, weil Ihnen längst jegliche Glaubwürdigkeit in sozialen Fragen fehlt. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wie Jürgen Pohl, AfD, ist der nächste Redner. ist denn Ihr Vorschlag?) (Beifall bei der AfD) Fangen wir mit der Glaubwürdigkeit an. Zur Glaub- würdigkeit gehört, den Wählern die Wahrheit zu sagen. Jürgen Pohl (AfD): (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ma- Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Kollegen! chen Sie doch mal einen Vorschlag, wie es (Ulli Nissen [SPD]: Und Kolleginnen!) besser geht!) Liebe Gäste! Vor uns liegt ein Rentenpaket, das angeb- Seit fast 30 Jahren wird den Ostrentnern die Angleichung lich zur Verbesserung der sozialen Situation der Rentner ihrer Renten an die Westrenten versprochen. Dann sa- 6800 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Jürgen Pohl (A) gen Sie Ihren Wählern doch bitte, dass die jetzt geplante Ich sage Ihnen: Wir machen es besser. (C) Angleichung bis 2025 eine Rentenkürzung sein wird, (Beifall bei der AfD) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wie ist Ihr Vorschlag? Unglaublich!) Sie können noch 20 solcher vollkommen untauglichen Rentenkonzepte auf den Weg bringen; aber Ihr Abstieg weil gleichzeitig der Hochwertungsfaktor wegfällt und zur Splitterpartei wird dadurch nicht aufgehalten. die Brüder und Schwestern im Osten wieder einmal den Kürzeren ziehen werden. Danke schön. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ma- (Beifall bei der AfD) chen Sie doch mal einen Vorschlag, wie es besser geht!) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Das sagen Sie ihnen bitte einmal! Max Straubinger, CDU/CSU, ist der nächste Redner. (Beifall bei der AfD – Markus Kurth [BÜND- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Barbara NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch völliger Hendricks [SPD]: Herr Präsident, ich bitte um Schwachsinn!) eine kurze Zwischenbemerkung!) – Das ist kein Schwachsinn. – Wir Ostdeutsche fordern – Frau Kollegin Hendricks, ich habe dem Kollegen Max die sofortige Angleichung der Renten bei Beibehaltung Straubinger das Wort erteilt. des Hochwertungsfaktors für die Zeit, für die er noch ge- braucht wird. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Ich hatte mich aber schon gemeldet!) (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er spricht jetzt. Der Meuthen wollte doch die Rente abschaf- fen! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Max Straubinger (CDU/CSU): Weiß Herr Meuthen, was Sie hier erzählen?) Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Genossinnen und Genossen von der SPD, die Wir bringen heute ein Gesetzgebungsverfahren zum Brückenfrauen aus Artern haben mich um Rat gefragt: Abschluss, das der sozialen Sicherung der Menschen in „Warum tut die SPD so etwas?“ Die Brückenfrauen sind unserem Lande dient sowie der Altersversorgung bzw. eine streitbereite Gruppe von Frauen, die sich für das Ge- der Anerkennung von Lebensleistungen in besonderem (B) meinwohl einsetzt. Sie fragen, warum sie als Mütter, die Maße gerecht wird. Gleichzeitig wird eine bessere Ab- (D) ihre Kinder vor 1992 geboren haben, schlechter behan- sicherung der Menschen erfolgen, die aufgrund gesund- delt werden. heitlicher Einschränkungen am Arbeitsprozess und am Erwerbsleben nicht mehr teilnehmen können. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben Sie auch einen Vorschlag, wie man es besser Ich glaube, wir alle dürfen stolz sein – das gesamte macht?) Haus darf stolz sein –, dass es uns in diesem wirtschaft- lichen Umfeld ermöglicht ist, weitere große soziale Leis- Wollen Sie diesen Müttern sagen, dass wir kein Geld für tungen in puncto Alterssicherung und -vorsorge der Men- sie haben? Wir von der AfD fordern die volle Mütterrente schen auf den Weg zu bringen. für alle Kinder und vor allem die Freistellung der Mütter- rente von der Inanspruchnahme bei der Grundsicherung. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der AfD) Besonders als CSU-Politiker bin ich stolz, dass wir hiermit die Mütterrente weiter ausbauen, dass damit ein Meine Damen und Herren von der SPD, Ihre Wähler halber Rentenpunkt für vor 1992 geborene Kinder zur sind auch die in der DDR geschiedenen Frauen. Obwohl Anrechnung kommt und dass es gleichzeitig zu einer diese kämpfend bis vor die UNO gezogen sind, verwei- Verbesserung bei der Erwerbsminderungsrente kommt. gern Sie als SPD diesen Frauen die Gerechtigkeit. Wir als AfD fordern einen Härtefallfonds für den fehlenden Wenn der Kollege Birkwald und andere Kollegen, Versorgungsausgleich der DDR-Geschiedenen. Sie ma- auch solche von der SPD, hier immer wieder fragen: chen gar nichts. Was ist mit der Zusatzversorgung der „Was ist dann mit den Bestandsrentnern bei der Erwerb- DDR-Reichsbahner? Das sind 100 000 ehemalige Be- minderungsrente?“, so muss man schon anerkennen, dass schäftigte, die Sie im Regen stehen lassen. Bei der Wie- es in der Vergangenheit grundsätzlich andere Vorausset- dervereinigung wurden sie vergessen, genauso wie ande- zungen gab, um eine Erwerbsminderungsrente zu be- re: Bergleute, Postler, Krankenschwestern und Künstler. kommen. Bis 2002 gab es keine Abstriche, und deshalb Für die machen Sie nichts. galt die Zurechnungszeit nur bis zum 55. Lebensjahr – zu Liebe Genossinnen und Genossen von der SPD, wa- Recht. Gleichzeitig haben wir in der Vergangenheit die rum Sie keiner mehr wählt, ist jetzt kein Geheimnis Zurechnungszeit ständig angepasst. Auch deshalb ist die mehr. Ich stehe hier vor Ihnen als Vertreter einer neuen Kürzung um 10,8 Prozent unter den versicherungsmathe- Volkspartei, der Partei der Arbeiter und Angestellten. matischen Gesichtspunkten richtig, die wir hier mit be- rücksichtigen wollen. Wir legen damit einmal mehr die (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Grundlage dafür, das Rentenniveau zu sichern. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6801

Max Straubinger (A) Lieber Kollege Vogel, Sie haben von Manipulation Nein, Sie müssen als Bundesminister durchaus respek- (C) geredet. Das möchte ich zurückweisen. tieren, was die Kapitalanlagegesellschaften auch für die Alterssicherung der Menschen bei uns bedeuten (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] und Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es muss erlaubt sein, in einem Rentenversicherungssys- und dass es sich dabei nicht um eine mafiaähnliche Orga- tem immer wieder Anpassungen vorzunehmen. In der nisation handelt. Das muss ich Ihnen hier schon mit auf SPD hat man zunächst einem kleinen Irrglauben ange- den Weg geben. hangen. 1998 wurde unter Rot-Grün der sogenannte demografische Faktor, der unter Bundesminister Blüm Ich glaube, wir haben hier einen sehr guten Kompro- eingeführt worden ist, ausgesetzt. Dann ist 2004 ein miss zwischen der Union, CDU und CSU, und der SPD Nachhaltigkeitsfaktor eingebaut worden. gefunden. Ich bitte alle, hier dementsprechend die Zu- (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- stimmung zu erteilen. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Der besser war!) In diesem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerk- Knapp 15 Jahre später ist es dennoch richtig – darin gebe samkeit. – Herr Präsident, die Redezeit habe ich nicht ich dem Kollegen Markus Kurth recht –, darüber nach- ausgeschöpft. zudenken, ob hier nicht auch ein Veränderungsbedarf be- steht. Dazu sage ich Ja, werte Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU) Denn es ist auch richtig, etwas immer wieder anzupassen. Das hat die CDU/CSU-FDP-Regierung getan; da haben Vizepräsident : Sie nicht von Manipulation gesprochen. Jetzt begegnen Sie uns mit dem scharfen Vorwurf der Manipulation. Das Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die FDP die ist unmöglich. Dies sage ich ganz offen. Abgeordnete Gyde Jensen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der FDP) ordneten der SPD) Werte Kolleginnen und Kollegen, es ist heute sehr Gyde Jensen (FDP): deutlich geworden, dass der zweiten und der dritten Säu- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich le ein großes Misstrauen entgegengebracht worden ist: stehe hier heute stellvertretend für die junge Generation, einmal von der Kollegin Nahles, jetzt auch von Bundes- die sich wünschen würde, dass wir das hier heute nicht (B) minister Heil. Dafür habe ich kein Verständnis. Wenn der verabschieden. (D) Kollege Birkwald immer darauf setzt, Lebensstandard- sicherung einzufordern, so waren wir uns doch immer (Beifall bei der FDP – Hermann Gröhe [CDU/ einig, dass die Lebensstandardsicherung im Alter drei CSU]: Die Minderheit der jungen Generati- Säulen hat: on!) (Andrea Nahles [SPD]: Haben wir doch ge- Das Rentenpaket mit den Versprechungen des Fi- sagt!) nanzministers kostet, geschätzt bis 2030 – das haben wir einmal die gesetzliche Rente, dann die betriebliche Al- schon gehört –, eine viertel Billion Euro – wahnsinnig tersversorgung und die private Vorsorge. Ich kann nicht viel Geld, das für Investitionen in die Zukunft fehlt. Statt verstehen, dass heute in diesem Haus die betriebliche Al- mehr in die Zukunft zu investieren, macht die Große tersversorgung und die private Vorsorge in ein schiefes Koalition unverantwortliche milliardenschwere Wahlge- Licht gesetzt werden, weil sie auf Kapital setzen. schenke. Frau Kollegin Nahles, die Anlagen für eine Zusatz- (Beifall bei der FDP – Andrea Nahles [SPD]: vorsorge für im öffentlichen Dienst Beschäftigte, die Was heißt „Wahlgeschenke“? Rente! – Weite- Anlagen hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung re Zurufe von der SPD) und auch die Anlagen hinsichtlich der privaten Vorsorge fußen auf der Kapitalanlage. Wenn Sie heute darzulegen Die Frage der Finanzierung lagern Sie lieber in eine versuchen, das System der gesetzlichen Rentenversiche- Kommission aus. Ich verstehe nicht, warum Sie diese rung sei besser und wettbewerbsfähiger als die Kapital- Kommission überhaupt einsetzen, wenn Sie die Ergeb- anlagen, so muss ich das zurückweisen. Denn die Ka- nisse dieser Kommission gar nicht abwarten – alles ge- pitalanlagen verzinsen sich derzeit mit rund 2,5 Prozent, treu Ihrem Motto „Nach uns die Sintflut“. obwohl wir insgesamt eine niedrige Verzinsungsrate zu (Beifall bei der FDP) verzeichnen haben. Sie sind stabil; sie stellen einen sta- bilen Pfeiler dar. Der Zuschuss des Bundes zur Rentenversicherung ist Herr Bundesminister, ich habe kein Verständnis für der mit Abstand größte Posten im Bundeshaushalt. Es Ihre Aussagen, die Sie gegenüber dem Kollegen Vogel ist aber heute schon klar, dass Sie Erwartungen wecken, getroffen haben, dass er hier sozusagen ein Vertreter der die unfinanzierbar sind. Selbst bei gleichbleibend guter Kapitalanlagegesellschaften sei und so spreche. Konjunktur wie der derzeitigen – wir haben gestern erst gehört, dass die Wirtschaftsweisen ihre Prognose gesenkt (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Allianz!) haben – ist dieses Vorgehen nicht nur naiv, sondern auch 6802 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Gyde Jensen (A) grob ungerecht gegenüber der jungen Generation, die es entscheiden kann, wie ich Vorsorgeelemente – gesetz- (C) am Ende bezahlen muss. lich, privat und betrieblich – individuell kombiniere. (Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Markus (Beifall bei der FDP – Sven Lehmann [BÜND- Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss man sich leisten können!) Meine Damen und Herren, an dieser Prioritätenset- zung können wir ablesen, wie unwichtig das Thema Ge- Das Wichtigste: Ich möchte gerne wissen – heute schon, nerationengerechtigkeit dieser Großen Koalition und der online –, wie meine Rente in ein paar Jahren aussehen Bundesregierung ist. könnte. Ich will nicht in 20 Jahren von der Rentenversi- cherung einen Brief kriegen, wo drinsteht, was ich erwar- (Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ten kann. Ich will das jetzt wissen. NEN]: Das ist aber sehr einseitig!) (Beifall bei der FDP) Finanzminister Scholz hat sogar selbst einmal darauf hin- Ihr Konzept geht an dieser Sache vollkommen vorbei gewiesen, es gehe um die Balance zwischen den Leistun- und wird den Herausforderungen in einer ständig sich gen für die Älteren und den Belastungen für die Jüngeren. verändernden Welt nicht im Ansatz gerecht. Es wird (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wirklich Zeit, dass hier Generationengerechtigkeit auf NEN]: Was heißt das denn praktisch? Sagen die Tagesordnung kommt und zum Leitbild Ihrer Politik Sie das mal!) wird. Das passiert leider nicht. Ich appelliere an die jun- gen Politikerinnen und Politiker in der Großen Koalition: Was ist denn daraus geworden? Bei der Nachhaltigkeit Überlegen Sie sich das noch mal mit dieser Verabschie- der Rente schneidet Deutschland übrigens international dung. mittlerweile genauso schlecht ab wie bei den Bildungs- ausgaben. Beides belastet vor allem die Jungen. Danke. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP)

Zudem ist Bildung die soziale Frage des 21. Jahrhun- Vizepräsident Thomas Oppermann: derts, eine Frage, die darüber entscheidet, wie durchläs- Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für sig eine Gesellschaft ist und wie Aufstiegschancen ge- die Fraktion der SPD der Kollege Ralf Kapschack. nutzt werden können. (Beifall bei der SPD) (B) (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (D) NEN]: Alles Phrasen!) Ich bitte Sie ganz herzlich um etwas mehr Ruhe, damit wir den beiden letzten Rednern in dieser Debatte noch Mit immer höheren Belastungen, die Sie hier heute wahr- folgen können. – Bitte sehr, Herr Kapschack. Sie haben scheinlich beschließen werden, und viel zu geringen In- das Wort. vestitionen verspielen Sie genau diese Aufstiegschancen kommender Generationen. Ralf Kapschack (SPD): Meine Damen und Herren, ich möchte gern, dass Sie Sehr freundlich, Herr Präsident. – Herr Präsident! Lie- auch eines verstehen: Mit Ihren Vorschlägen zur Rente be Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Ich begeben Sie sich in einen Wettlauf mit Populisten – ei- war neulich mit dem Kollegen Vogel bei der Initiative nen Wettlauf, den Sie nicht gewinnen können. Populisten Neue Soziale Marktwirtschaft. werden immer mehr fordern und weiter falsche Verspre- (Andrea Nahles [SPD]: Oje! – Zurufe vom chungen machen, für die sie am Ende selbst gar nicht ein- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aha!) stehen müssen. Das sehen wir in Italien, das sehen wir in Polen. Das will ich für dieses Land nicht. Für einen Sozi ist das ja nun wirklich kein Heimspiel; aber das war interessant. Da ging es nämlich um Gene- (Beifall bei der FDP) rationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit, und das ist ja Sie machen Versprechungen, die niemals jemand wird auch der Kern der Debatte, die wir hier heute führen. halten können. Sie schaden so dem Vertrauen in die Poli- Ist das, was wir heute verabschieden, richtig und not- tik und in die Demokratie insgesamt. wendig, um auch Jüngeren die Aussicht auf eine ordent- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) liche Rente zu garantieren, oder ist es völlig falsch? Es gibt darüber nach wie vor nicht nur einen Dissens zur Wir müssen die Rente enkelfit machen. Wir müssen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, sondern wir ha- Zickzacklebensläufe mit bedenken und einbeziehen, ben in der Debatte gesehen: Darüber gibt es auch einen grundlegenden Dissens mit der FDP. Die Initiative Neue (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Soziale Marktwirtschaft macht wieder mit viel Geld Pro- NEN]: Wie denn? Sagen Sie mal konkret, was paganda und verunsichert Menschen mit Halb- und Un- denn!) wahrheiten. die starre Altersgrenze endlich aufheben und ein Renten- (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ist system aufbauen, in dem ich nach dem Baukastenprinzip leider wahr!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6803

Ralf Kapschack (A) Ein wesentliches Instrument, um gute Rente zu ge- Und wir beziehen Selbstständige in die gesetzliche Rente (C) währleisten, ist eine gute Arbeitsmarktlage. Darüber sind mit ein – ein längst überfälliger Schritt. sich, glaube ich, alle hier im Haus einig. Aber das alleine reicht nicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Eben! – Wir machen die gesetzliche Rente zukunftsfest. Darü- Andrea Nahles [SPD]: Natürlich nicht!) ber sind wir in der Tat unterschiedlicher Meinung. Weil die Absicherung im Alter eine zentrale Frage des Vertrau- Die SPD ist zutiefst davon überzeugt, dass die Ent- ens in Staat und Politik ist, ist es richtig, dass wir dafür scheidung, das Rentenniveau zu stabilisieren, eine Ent- auch mehr Steuergeld in die Hand nehmen. Sicherheit scheidung auch im Interesse der jüngeren Generation ist. durch Solidarität, darum geht es, nicht mehr und nicht (Beifall bei der SPD) weniger. Deshalb halten wir es auch für sinnvoll, das Niveau über Herzlichen Dank. 2025 hinaus zu stabilisieren, auch wenn wir das jetzt mit (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dem Koalitionspartner leider nicht hinbekommen. Nach- der CDU/CSU) haltigkeit hat nicht nur etwas mit Zahlen, mit Geld zu tun; Nachhaltigkeit hat auch etwas mit dem Schutz und der Stärkung bewährter Strukturen zu tun. Die gesetzli- Vizepräsident Thomas Oppermann: che Rente ist eine solche Struktur. Sie steht für ein zen- Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist der trales Versprechen des Sozialstaats: Sie steht für Sicher- Kollege Peter Weiß für die CDU/CSU. heit und Solidarität. (Beifall bei der CDU/CSU) Nun ist die Stabilisierung des Niveaus nicht in erster Linie ein Instrument, um Altersarmut zu bekämpfen; das Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): stimmt. Aber es hat schon etwas damit zu tun. Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist erstaunlich, was es!) man in einer solchen Debatte alles zum Thema Rente Denn würden wir das Rentenniveau weiter sinken las- vortragen kann. Aber bevor wir jetzt namentlich abstim- sen, müssten künftig Frauen und Männer immer länger men, bitte ich doch alle mal herzlich, zu gucken, über arbeiten, um eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu was wir denn wirklich nachher abstimmen. erhalten. Ist das Generationengerechtigkeit? (B) Erstens. Wir verbessern für die Zukunft die Berech- (D) (Dr. [SPD]: Nein!) nung der Erwerbsminderungsrente, also der Rente, die ich bekomme, wenn ich vorzeitig wegen Krankheit oder Nein, das ist es eben nicht, und das hat mit Wertschät- Unfall aus dem Erwerbsleben ausscheiden muss. Meine zung von Lebensleistung nichts zu tun. sehr geehrten Damen und Herren, das ist eine der wich- tigsten Nachrichten für die junge Generation, die jetzt (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias ins Arbeitsleben eintritt: Wenn es euch eines Tages, was W. Birkwald [DIE LINKE]) Gott verhüten möge, nicht möglich sein sollte, bis zum Deshalb ist nicht nur das Argument, hier würden Alte Schluss zu arbeiten, dann bekommt ihr eine Erwerbsmin- auf Kosten der Jungen bedient, sachlich falsch. Es wird derungsrente, von der man auch leben kann und bei der auch der Eindruck erweckt, eine ordentliche gesetzliche man nicht verhungern muss. Das ist eine Botschaft für Rente sei nicht zu finanzieren, und im Umkehrschluss die jungen Leute. würde Nichtstun auch nichts kosten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Andrea Nahles [SPD]: Genau!) ordneten der SPD) Das ist genauso falsch. Ich nehme lieber Geld in die Zu dem Zweiten, worüber wir abstimmen: In dem Be- Hand, um eine ordentliche Rente zu gewährleisten, als reich, in dem relativ wenig verdient wird, nämlich zwi- Grundsicherung zu finanzieren. schen 450 Euro und 1 300 Euro monatlich, ermäßigen wir die Beiträge zur Sozialversicherung. Denn Steue- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias rentlastungen nutzen diesen Leuten, die eh noch keine W. Birkwald [DIE LINKE]) Steuern zahlen, gar nichts. Wir rechnen ihnen aber auf Wir machen jetzt einen großen Schritt, um die gesetz- ihrem Rentenkonto einen höheren Anspruch zu. Auch liche Rente zu stärken: Wir verbessern die Mütterrente das ist eine wichtige Nachricht für alle jungen Leute, die und die Rente wegen Erwerbsminderung. Der Minister in einen Beruf einsteigen und am Anfang noch wenig hat darauf hingewiesen, dass es durchaus auch Überle- verdienen, oder für junge Mütter und Väter, die wegen gungen gibt, etwas für den Bestand zu tun. Nächstes Jahr Kindererziehung aus dem Beruf teilweise aussteigen und gehen wir die Grundrente an, um die Lebensleistung von nur Teilzeit arbeiten: Ihre Rentenansprüche in der Zu- Menschen zu honorieren, die lange gearbeitet, aber we- kunft stärken wir. Eine wichtige Nachricht für die jungen nig verdient haben. Leute! (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulli (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Nissen [SPD]: Sehr gut!) ordneten der SPD) 6804 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Peter Weiß (Emmendingen) (A) Deswegen verstehe ich diese Debatte über Generatio- gen Zuschuss von einer finanziellen Katastrophe zu re- (C) nengerechtigkeit, was junge Leute anbelangt, überhaupt den, ist doch schlicht gaga, Entschuldigung. Das werden nicht. Dieses Rentenpaket enthält zwei wichtige Punkte, wir doch noch hinbekommen, wenigstens 1 Prozent mehr für die all die stimmen müssen, denen es wirklich ernst Steuermittel in die Rente zu geben. ist mit den Interessen der jungen Generation. Dieses Ren- tenpaket ist zuallererst ein Angebot an die jungen Leute. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wer die Interessen der jungen Leute vertritt, muss heute der SPD) mit Ja stimmen. Trotzdem: Richtig ist auch, dass wir in den Jahren (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marco nach 2025 in besonders starkem Maße spüren werden, Buschmann [FDP]: Das Schlimme ist: Sie dass sich unsere Gesellschaft verändert. Die Zahl der Se- glauben das vermutlich sogar wirklich!) niorinnen und Senioren wird erfreulicherweise deutlich zunehmen. Aber es werden nicht genauso viele junge Drittens. Ja, wir verbessern die Mütterrente für all die- Leute neu ins Arbeitsleben eintreten. jenigen, die vor 1992 Kinder geboren haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, da geht es doch um Väter (Dr. Marco Buschmann [FDP]: Ach!) und Mütter, die ihre Kinder in Zeiten erzogen haben, in denen es noch keinen Rechtsanspruch auf einen Kinder- Deswegen ist es richtig, dass wir uns auf diese Situation gartenplatz gab. Da gab es noch keinen Rechtsanspruch ganz besonders vorbereiten. auf U‑3-Betreuung. Da gab es noch kein Elterngeld. Das heißt, man musste in der Regel wegen Kindererziehung (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Ja, und wie?) zumindest teilweise, wenn nicht ganz zu Hause bleiben. Deshalb haben wir mit der Rentenkommission eine Kom- Jetzt muss ich mal Folgendes fragen: Gibt es nicht aus mission eingesetzt, die genau dafür ein verlässliches, zu- der heutigen Sicht, aus der Sicht der heutigen Genera- kunftsfestes Modell entwickeln soll. tion, auch unter den Abgeordneten, nichts Gerechteres, als endlich diesen Müttern und Vätern ihre Kindererzie- (Johannes Vogel [Olpe] [FDP]: Aber erst ein- hungsleistung stärker anzuerkennen als in der Vergan- mal Fakten schaffen!) genheit? Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich rate (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- uns dringend, dafür nicht die alten Schlachten zwischen ordneten der SPD – Dr. Marco Buschmann kapitalgedeckter und umlagefinanzierter Altersversor- [FDP]: Sie übersteuern, inhaltlich und laut- gung zu schlagen. Wir brauchen beides. Im Übrigen stärketechnisch!) haben wir auch beides gemacht. Wir haben in der letz- (B) Jetzt zum Thema Finanzen. Meine verehrten Kollegin- ten Legislaturperiode mit Andrea Nahles und Wolfgang (D) nen und Kollegen, wir beraten über dieses Rentenpaket Schäuble ein Betriebsrentenstärkungsgesetz geschaffen, in einer Situation, in der wir am Ende dieses Jahres bei das am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist. der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rücklage in Höhe von 38 Milliarden Euro haben werden. Eine solch (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und hohe Rücklage hatten wir seit ewigen Zeiten nicht mehr. der SPD) Gleichzeitig haben wir einen Rentenversicherungsbei- Dabei machen wir zwei besonders gute Angebote. trag, der bei 18,6 Prozent liegt. Wenn wir das mit den ver- Das Erste ist: Wir machen eine Refinanzierung einer rein gangenen Jahren und Jahrzehnten vergleichen, erweist er steuerfinanzierten Betriebsrente für Niedrigverdiener. sich als ein historisch niedriger Rentenversicherungsbei- Zwei Drittel dessen, was der Arbeitgeber gibt, kann er trag. Das liegt natürlich daran, dass unser Arbeitsmarkt sich über die Steuer wieder zurückholen. Nur, im Bun- boomt, dass jeden Tag neue, zusätzliche sozialversiche- desfinanzministerium, Frau Staatssekretärin Hagedorn, rungspflichtige Arbeitsplätze in diesem Land geschaffen wartet man sehnsüchtig auf die massenhaften Anträge werden. In dieser Zeit eine solche Jammerorgie, was die für diese Rückerstattung. Ich kann nur sagen: Liebe Ar- Finanzen anbelangt, anzustimmen, ist völlig ungerecht- beitgeberinnen und Arbeitgeber, holt beim Finanzamt fertigt. Die Rentenversicherung steht stärker und finanzi- endlich die Kohle ab, die wir bereitgestellt haben, um ell besser da als je zuvor. stärkere Betriebsrenten zu bekommen! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Richtig ist: Mit dem, was wir heute beschließen, werden Mehrausgaben generiert; aber Mehrausgaben, Das Zweite ist: Wir haben den Gewerkschaften und die zu höheren staatlichen Zuschüssen führen. Ab dem den Arbeitgeberverbänden einen Sonderweg, das soge- Jahr 2022 kommt zusätzlich eine halbe Milliarde jährlich nannte Sozialpartnermodell, eröffnet, nämlich über Tarif- dazu. Im Jahr 2025 wird nach den heutigen Berechnun- verträge verstärkt Altersvorsorge zu machen. Meine Da- gen zum allerersten Mal die vorgesehene Zusatzfinan- men und Herren, wir haben heute den 8. November. Das zierung durch den Bund notwendig werden, wahrschein- Inkrafttreten des Gesetzes war am 1. Januar. Es ist höchs- lich in einer Höhe von 1,6 Milliarden Euro. 1,6 plus 0,5 te Zeit, dass uns wenigstens der erste Tarifvertrag zur macht zusammen 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2025. Das Stärkung der betrieblichen Altersrente, die wir möglich ist nicht einmal 1 Prozent der Gesamtausgaben der Ren- gemacht haben, auf den Tisch gelegt wird. Meine Auffor- tenversicherung. Bei einem solchen zusätzlich notwendi- derung an Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften ist: Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6805

Peter Weiß (Emmendingen) (A) Verhandelt endlich das, von dem ihr unbedingt wolltet, Jetzt bitte ich Sie alle, für die weiteren Abstimmungen (C) dass wir es ins Gesetz schreiben! Platz zu nehmen und die Gespräche einzustellen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Glocke des Präsidenten) der SPD) Ich darf Sie noch mal bitten, die Gespräche einzustellen Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn man alles und Platz zu nehmen, damit wir die weiteren Abstim- das zusammenrechnet, was wir in dieses Gesetz hinein- mungen durchführen können. Das gilt auch für die Kol- geschrieben haben, dann bleibt eine Botschaft: Wir stär- legen der AfD und der FDP, auch für den Vizepräsidenten ken die gesetzliche Rente. Wir machen sie generationen- Kubicki. gerecht. Es gibt nur gute Gründe, diesem Rentenpaket zuzustimmen. Darum bitte ich Sie herzlich. Bevor wir die nächste Abstimmung durchführen, wei- se ich darauf hin, dass mehrere schriftliche Erklärungen Vielen Dank. nach § 31 der Geschäftsordnung eingegangen sind.2) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5601. Wer stimmt für den Entschlie- Vizepräsident Thomas Oppermann: ßungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Ge- Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Deshalb gen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung der Fraktion schließe ich die Aussprache. der Linken ist der Entschließungsantrag mit den Stim- Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den von der men der übrigen Fraktionen des Hauses abgelehnt. Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes Dann kommen wir zu Tagesordnungspunkt 4 b. Ab- über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der stimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschus- gesetzlichen Rentenversicherung. Ich bitte um die nöti- ses für Arbeit und Soziales auf Drucksache 19/5586. Der ge Aufmerksamkeit und Konzentration, damit alle rich- Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschluss- tig abstimmen können. Bleiben Sie bitte sitzen! Ich bitte empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der um Einstellung der Gespräche im Lobbybereich bei der AfD auf Drucksache 19/4843 mit dem Titel „Anrech- Urne, die auf der Westseite steht; sonst muss ich Sie alle nungsfreistellung der Mütterrente beziehungsweise der bitten, Platz zu nehmen. Rente für Kindererziehungszeiten bei der Grundsiche- Wir haben zunächst eine Abstimmung in der zweiten rung im Alter“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- Beratung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales emp- lung? – Gegenstimmen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen von Linken, SPD, Grünen, CDU/CSU und FDP (B) fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf (D) Drucksache 19/5586, den Gesetzentwurf der Bundesre- gegen die Stimmen der AfD abgelehnt. Die Beschluss- gierung auf Drucksache 19/4668 und 19/5412 in der Aus- empfehlung ist angenommen. schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Wir kommen zu einer weiteren Abstimmung. Der Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wol- Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschluss- len, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltun- empfehlung auf Drucksache 19/5586 die Ablehnung des gen? – Damit ist der Gesetzentwurf mit der Mehrheit der Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/29 Abgeordneten von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung mit dem Titel „Vollständige Gleichstellung und gerech- der Fraktion Die Linke und gegen die Stimmen von AfD, te Finanzierung der Kindererziehungszeiten in der Ren- FDP und Grünen angenommen. te umsetzen – Mütterrente verbessern.“ Wer stimmt für Jetzt kommen wir zur diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent- haltungen? – Mit den Stimmen von CDU/CSU, Grünen, dritten Beratung SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und AfD ist die Beschlussempfehlung damit ange- und Schlussabstimmung. Die Fraktion der FDP hat na- nommen und der Antrag abgelehnt. mentliche Abstimmung verlangt. Deshalb bitte ich die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchsta- Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen be- be d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des An- setzt? – Auf der linken Seite des Hauses fehlt noch ein trags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/31 mit Schriftführer der Opposition. – Vorn beim Rednerpult dem Titel „Die Erwerbsminderungsrente stärken“. Wer fehlt noch ein Schriftführer der Opposition. – Jetzt eröff- stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt ne ich die Abstimmung. dagegen? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der Grü- nen und der AfD gegen die Stimmen der Linken ist die Gibt es Kollegen oder Kolleginnen, die ihre Stimm- Beschlussempfehlung mit den Stimmen der SPD, CDU/ karte noch nicht eingeworfen haben? Letzte Möglich- CSU und der FDP angenommen und der Antrag abge- keit! – Weitere Personen, die noch nicht abgestimmt ha- lehnt. ben, sehe ich nicht. Damit schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstim- Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/5526 mit dem mung wird Ihnen später bekannt gegeben.1) Titel „Gesetzliche Renten sichern und Altersarmut be-

1) Ergebnis Seite 6807 D 2) Anlagen 2 und 3 6806 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) kämpfen“. Jetzt wird nicht über die Beschlussempfeh- Bei einer Podiumsdiskussion in Dresden Ende Oktober (C) lung, sondern über den Antrag abgestimmt. Wer stimmt wurden die Chefredakteure von ARD und ZDF auf die- für diesen Antrag? – Das ist die Fraktion Die Linke. Wer sen Pakt angesprochen und wussten beide von nichts. stimmt gegen diesen Antrag? – Damit ist der Antrag mit Meine Damen und Herren, Bismarck hat einmal ge- den Stimmen der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen sagt: aller anderen Fraktionen des Hauses abgelehnt. Wenn irgendwo zwischen zwei Mächten ein noch so Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 sowie die Zusatz- harmlos aussehender Pakt geschlossen wird, muss punkte 2 und 3 auf: man sich sofort fragen, wer hier umgebracht werden 5. Beratung des Antrags der Abgeordneten Martin soll. Hebner, Markus Frohnmaier, Dr. Gottfried Curio, (Beifall bei der AfD) weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD Wenn dieser Global Compact bloß eine politische Er- Kein Beitritt zum Global Compact for Migration klärung ist, die keinerlei Folgen für die nationalen Parla- durch die Bundesrepublik Deutschland mente und die Gesetzgebung hat, warum regt sich dann Drucksache 19/5530 plötzlich überall Widerstand dagegen? Warum wollen ihn die USA, Australien, Ungarn, Österreich, Polen und ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Stephan Kroatien nicht unterzeichnen? Warum diskutiert man in Thomae, Alexander Graf Lambsdorff, Dr. Jens Italien, Dänemark und der Schweiz darüber, es ebenfalls Brandenburg (Rhein-Neckar), weiterer Abgeord- nicht zu tun? Sind das alles Populisten? Wohl kaum. neter und der Fraktion der FDP Die Antwort steht im Pakt. Diese globale Vereinba- Geordnete Zuwanderung erfordert mehr als rung – so heißt es dort – sei nur ein Meilenstein unserer den UN-Migrationspakt – Entwurf eines Ein- Bemühungen. Migration wird in diesem Dokument aus- wanderungsgesetzbuches vorlegen schließlich als Quelle von Wohlstand und nachhaltiger Drucksache 19/5534 Entwicklung dargestellt. Kein Wort davon, dass Migra- Überweisungsvorschlag: tion Länder auch destabilisieren kann. Der Unterschied Ausschuss für Inneres und Heimat (f) zwischen der Suche nach Asyl und der Suche nach ei- Auswärtiger Ausschuss nem besseren Leben wird verwischt. Der gesamte Text beschreibt Migrationspolitik ausschließlich aus der Sicht ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Filiz von Migranten. Polat, Luise Amtsberg, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- (Beifall bei der AfD) (B) NIS 90/DIE GRÜNEN (D) Zitat: Alle unsere Länder – das ist dort zu lesen – werden Umsetzung des Global Compact for Migra- zu Herkunfts-, Transit- und Zielländern. – Was für ein tion – Globale Standards für die Rechte von Märchen. Die meisten der Unterzeichnerländer werden Migrantinnen und Migranten stärken niemals Zielländer von Migranten. Drucksache 19/5547 (Beifall bei der AfD) Überweisungsvorschlag: Die Interessen der Aufnahmegesellschaften bleiben Auswärtiger Ausschuss (f) dagegen völlig unerwähnt. Dieses Dokument ist der erste Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Schritt, Migration zu einem Menschenrecht zu machen, Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe das Staatenrecht übersteigt und zu Völkergewohnheits- Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- recht wird. wicklung Federführung strittig (Beifall bei der AfD – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Haben Sie es gelesen?) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich Zitat: keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wir verpflichten uns, die im Globalen Pakt nieder- Erster Redner in dieser Debatte ist Dr. Alexander gelegten Ziele und Verpflichtungen im Einklang mit Gauland für die AfD. unserer Vision und unseren Leitprinzipien zu erfül- len … (Beifall bei der AfD) Allein die Formulierung „Wir verpflichten uns“ kommt Dr. Alexander Gauland (AfD): in dem Papier Dutzende Male vor. Etwa: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach al- Wir verpflichten uns, sicherzustellen, dass alle lem, was wir von offizieller Seite über den Global Com- Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus ihre pact for Migration zu hören bzw. nicht zu hören beka- Menschenrechte durch einen sicheren Zugang zu men, können wir davon ausgehen, dass es sich um einen Grundleistungen wahrnehmen können. völlig belanglosen Vertrag handelt, der außerdem für die Weniger empfindsame Gemüter nennen das Einwande- Unterzeichner absolut unverbindlich ist: nur eine Willen- rung in die Sozialsysteme. serklärung, kaum der Rede wert. Deswegen war es auch nicht nötig, die Öffentlichkeit im Vorfeld zu informieren. (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6807

Dr. Alexander Gauland (A) Dazu will sich die Bundesregierung also verpflichten, chem dieser Pakt spricht, steht auf dem Wege zur Preis- (C) allerdings „unverbindlich“. „Unverbindliche Verpflich- gabe der Souveränität unseres Landes. tungen“, meine Damen und Herren, das ist ein hölzernes Eisen. Meine Damen und Herren auf der Regierungs- (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer­ bank: Für wie dumm halten Sie uns alle und Ihre Wähler [CDU/CSU]: Da steht gerade das Gegenteil draußen eigentlich? im Pakt!)

(Beifall bei der AfD) Millionen von Menschen aus Krisenregionen werden an- gestiftet, sich auf den Weg zu machen. Linke Träumer Schon heißt es: Mit der Unterzeichnung des Global und globalistische Eliten wollen unser Land klammheim- Compact allein ist es noch nicht getan. Die Bundesre- lich aus einem Nationalstaat in ein Siedlungsgebiet ver- gierung muss sofort mit der Umsetzung beginnen, und wandeln. das hat sie im Auswärtigen Ausschuss ja bereits angekün- (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer­ digt – ganz unverbindlich natürlich. [CDU/CSU]: Glauben Sie das eigentlich sel- ber? – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE (Heiterkeit bei der AfD) GRÜNEN]: Migration ist eine globale He- Nicht rechtlich bindend, nur politisch erwünscht – wir rausforderung!) kennen diese Art schleichender Rechtsumwandlung auf – Das Geschrei ist offensichtlich Zustimmung. politischem Wege inzwischen zur Genüge. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, diesem Die Öffnung der Grenze im September 2015 war Vertrag nicht beizutreten und dem entsprechenden Doku- auch nicht rechtlich bindend, im Gegenteil: Das war ein ment nicht zuzustimmen. Er dient nicht deutschem Inte- Rechtsbruch, resse, und das haben wir hier zu wahren. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nee, war Ich bedanke mich. es nicht!) (Anhaltender Beifall bei der AfD) aber ein politisch erwünschter. Und schon gibt es erste Juristen, die ihn als rechtens darstellen. Die Übernahme Vizepräsident Thomas Oppermann: von Schulden anderer EU-Länder war ein klarer Bruch des Maastricht-Vertrages, aber eben politisch erwünscht. Bevor wir in der Debatte fortfahren, möchte ich das Politische Setzungen verwandeln sich gleichsam unter von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittel- (B) der Hand in geltendes Recht. te Ergebnis der namentlichen Abstimmung über das (D) Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung Österreichs Kanzler Kurz – wohl kein Populist – in der gesetzlichen Rentenversicherung bekannt geben: sieht die Gefahr, dass die Ziele des Paktes in künftige 644 Kolleginnen und Kollegen haben ihre Stimme ab- Gerichtsurteile einfließen und somit unsere souveräne gegeben. Mit Ja haben gestimmt 362, mit Nein haben Migrationspolitik eingeschränkt wird. gestimmt 222, Enthaltungen 60. Damit ist der Gesetzent- wurf in dritter Beratung angenommen. 1) (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Warum sieht die deutsche Kanzlerin diese Gefahr nicht? der CDU/CSU) Weil genau das ihr Ziel ist? Ist das auch Ihr Ziel, liebe Kollegen von der CDU/CSU? Der Meilenstein, von wel- 1) Anlage 4

Endgültiges Ergebnis Michael Brand (Fulda) Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Abgegebene Stimmen: 644; Dorothee Bär Dr. davon ja: 362 Sebastian Brehm Hans-Joachim Fuchtel nein: 222 (Börde) Ralph Brinkhaus Ingo Gädechens enthalten: 60 Dr. Dr. Ja Dr. André Berghegger Eckhard Gnodtke CDU/CSU Christoph Bernstiel Marie-Luise Dött Ursula Groden-Kranich Dr. Hansjörg Durz Hermann Gröhe Hermann Färber Klaus-Dieter Gröhler Norbert Maria Altenkamp Uwe Feiler Michael Grosse-Brömer Philipp Amthor Enak Ferlemann Astrid Grotelüschen Dr. Thorsten Frei Markus Grübel 6808 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Nikolas Löbel Bettina Margarethe (C) Bernhard Loos Dr. Wiesmann Fritz Güntzler Dr. Jan-Marco Luczak Patrick Schnieder Klaus-Peter Willsch Nadine Schön Elisabeth Winkelmeier- Becker Dr. Stephan Harbarth Dr. Thomas de Maizière Dr. Klaus-Peter Schulze Gisela Manderla Dr. Dr. (Weil am Paul Ziemiak Rhein) Dr. Matthias Zimmer Hans-Georg von der Marwitz Frank Heinrich (Chemnitz) Detlef Seif SPD Mark Helfrich Stephan Mayer (Altötting) Dr. Dr. Ingrid Arndt-Brauer Michael Hennrich Marc Henrichmann Dr. h. c. Hans Michelbach Björn Simon Dr. Dr. Katarina Barley Dr. Frank Steffel Karsten Möring Dr. Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Alexander Hoffmann Bärbel Bas Karl Holmeier () Dr. Dr. Gerd Müller Hans-Jürgen Irmer Axel Müller Johannes Steiniger Dr. Karl-Heinz Brunner Sepp Müller (Rostock) Christian Frhr. von Stetten Carsten Müller Marco Bülow (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Lars Castellucci Stephan Stracke (B) Torbjörn Kartes Max Straubinger Dr. Daniela De Ridder (D) Dr. Georg Nüßlein Karin Strenz Dr. Dr. Stefan Kaufmann Michael Stübgen Roderich Kiesewetter Florian Oßner Dr. Michael Kießling Dr. Hermann-Josef Tebroke Dr. Wiebke Esdar Dr. Henning Otte Hans-Jürgen Thies Dr. Dr. Markus Koob Dr. Dr. Fritz Felgentreu Carsten Körber Dr. Alexander Krauß Dr. Christoph Ploß Dr. Volker Ullrich Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Michael Gerdes Michael Kuffer Kerstin Vieregge Dr. Roy Kühne (Kleinsaara) Andreas G. Lämmel Alois Rainer Christoph de Vries Michael Groß Ulrich Lange Uli Grötsch Dr. Josef Rief Jens Lehmann Johannes Röring Dr. h. c. Rita Hagl-Kehl Dr. Norbert Röttgen () Dr. Dr. Dr. Erwin Rüddel Peter Weiß (Emmendingen) Hubertus Heil (Peine) Marian Wendt Gabriela Heinrich Dr. Carsten Linnemann Anita Schäfer (Saalstadt) Kai Whittaker Dr. Wolfgang Schäuble Annette Widmann-Mauz Dr. Barbara Hendricks Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6809

(A) AfD Dr. Birgit Malsack- (C) Winkemann Gabriele Hiller-Ohm Dr. Martin Rosemann Dr. Thomas Hitschler Corinna Miazga René Röspel Marc Bernhard Dr. Eva Högl Hansjörg Müller Dr. Peter Boehringer Volker Münz Susann Rüthrich Jürgen Braun Josip Juratovic Sebastian Münzenmaier Bernd Rützel Marcus Bühl Jan Ralf Nolte Matthias Büttner Johann Saathoff Johannes Kahrs Gerold Otten Tobias Matthias Peterka Ralf Kapschack Paul Viktor Podolay Dr. Dr. Gottfried Curio Jürgen Pohl Siegbert Droese (Aachen) Thomas Ehrhorn (Wetzlar) Dr. Martin Erwin Renner Carsten Schneider (Erfurt) Peter Felser Roman Johannes Reusch Dietmar Friedhoff Dr. Bärbel Kofler Ulrike Schielke-Ziesing Michael Schrodi Dr. Dr. Dr. Manja Schüle Markus Frohnmaier Elvan Korkmaz Jörg Schneider Dr. Götz Frömming Martin Schulz Dr. Alexander Gauland Dr. Christian Lange (Backnang) (Spandau) Dr. Frank Schwabe Albrecht Glaser Helge Lindh Franziska Gminder Dr. René Springer Heiko Maas Rita Schwarzelühr-Sutter Kay Gottschalk Beatrix von Storch Armin-Paulus Hampel Dr. Mariana Iris Harder-Kühnel Christoph Matschie (B) Sonja Amalie Steffen Dr. (D) Mathias Stein Dr. Roland Hartwig Dr. Christian Wirth Dr. Kerstin Tack Martin Hebner Markus Töns Udo Theodor Hemmelgarn FDP Carsten Träger Claudia Moll Grigorios Aggelidis Lars Herrmann Siemtje Möller Bettina Müller Marja-Liisa Völlers Christine Aschenberg- Detlef Müller (Chemnitz) Dirk Vöpel Dugnus Nicole Höchst Michelle Müntefering Nicole Bauer Dr. Rolf Mützenich Dr. Andrea Nahles Leif-Erik Holm Gülistan Yüksel Dr. Ulli Nissen (Rhein-Neckar) Thomas Oppermann Dr. Dr. Jens Zimmermann (Südpfalz) Mahmut Özdemir (Duisburg) Dr. Marco Buschmann Aydan Özoğuz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Carl-Julius Cronenberg Norbert Kleinwächter Bijan Djir-Sarai Jürgen Trittin Christian Dürr Jörn König (Minden) Nein Steffen Kotré Dr. Marcus Faber Dr. Rainer Kraft Daniel Föst CDU/CSU Dr. Rüdiger Lucassen Thomas Bareiß Mark Hauptmann Dr. Katrin Helling-Plahr Sönke Rix Markus Herbrand 6810 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Torsten Herbst Dr. Dr. Klaus Ernst (C) Katja Hessel Dr. Claudia Müller Susanne Ferschl Dr. Gero Clemens Hocker Beate Müller-Gemmeke Manuel Höferlin Johannes Vogel (Olpe) Dr. Christoph Hoffmann Friedrich Ostendorff Reinhard Houben Cem Özdemir Dr. André Hahn Lisa Paus Heike Hänsel Filiz Polat BÜNDNIS 90/ Matthias Höhn Gyde Jensen DIE GRÜNEN Tabea Rößner Dr. Claudia Roth (Augsburg) Luise Amtsberg Ulla Jelpke Thomas L. Kemmerich Corinna Rüffer Kerstin Andreae Lisa Badum Dr. Dr. Margarete Bause Katja Kipping Dr. Dr. Jan Korte Dr. Lukas Köhler Dr. Dr. Franziska Brantner Stefan Schmidt Kordula Schulz-Asche Agnieszka Brugger Konstantin Kuhle Dr. Wolfgang Strengmann- Dr. Sabine Leidig Kuhn Ekin Deligöz Margit Stumpp Katja Dörner Stefan Liebich Katharina Dröge Dr. Gesine Lötzsch () Dr. Harald Ebner Cornelia Möhring Kai Gehring Niema Movassat Dr. Jürgen Martens Fraktionslos Norbert Müller (Potsdam) Katrin Göring-Eckardt Mario Mieruch Zaklin Nastic Alexander Müller Dr. Frauke Petry Roman Müller-Böhm Dr. Alexander S. Neu Anja Hajduk (B) Frank Müller-Rosentritt Sören Pellmann (D) Britta Haßelmann Enthalten Dr. Dr. Bettina Hoffmann (Lausitz) CDU/CSU Tobias Pflüger Reinhold Dr. Bernd Reuther Dr. Eva-Maria Schreiber Dr. Kirsten Kappert-Gonther DIE LINKE Dr. h. c. Dr. Uwe Kekeritz Doris Achelwilm Frank Schäffler Helin Dr. Katja Keul Gökay Akbulut Matthias Seestern-Pauly Sven-Christian Kindler Frank Sitta Maria Klein-Schmeink Dr. Dietmar Bartsch Dr. Kirsten Tackmann Sylvia Kotting-Uhl Lorenz Gösta Beutin Dr. Oliver Krischer Matthias W. Birkwald Bettina Stark-Watzinger Stephan Kühn (Dresden) Heidrun Bluhm Dr. Marie-Agnes Strack- Christian Kühn (Tübingen) Christine Buchholz Kathrin Vogler Zimmermann Renate Künast Birke Bull-Bischoff Markus Kurth Jörg Cezanne Katja Suding Sevim Dağdelen Linda Teuteberg Sven Lehmann Stephan Thomae Steffi Lemke Dr. Sabine Zimmermann Dr. Tobias Lindner Anke Domscheit-Berg (Zwickau)

Wir fahren fort in der Debatte. Nächster Redner ist Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- Dr. Stephan Harbarth für die CDU/CSU. gen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt (Beifall bei der CDU/CSU) kommt wieder Sachlichkeit in die Debatte!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6811

Dr. Stephan Harbarth (A) Deutschland hat sich nach der Katastrophe des Zwei- Meine Damen und Herren, entweder ist das totales Un- (C) ten Weltkriegs entschlossen, verständnis internationaler Zusammenhänge – im Übri- gen im großen Unterschied zu Otto von Bismarck – (Zurufe von der AfD: Oh!) (Beifall bei Abgeordneten der FDP) die großen Herausforderungen der Zeit international anzugehen, und wir sind damit sehr gut gefahren. Wir oder es ist das blanke Unvermögen. organisieren unseren militärischen Schutz im Bündnis (Jürgen Braun [AfD]: Frau Merkel spaltet mit vielen Nationen; wir organisieren unsere Wirtschaft Europa!) international; wir organisieren den Umweltschutz in- ternational, und wir werden die Herausforderungen der Es ist einfach unbeschreiblich. Migration nur mit einem internationalen Ansatz bewäl- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP tigen können. und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) ordneten der SPD, der FDP und des BÜND- Wenn Sie glauben, wir könnten in einem solchen Com- NISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jan pact den anderen 179 Ländern jedes Komma und jedes Korte [DIE LINKE]) Wort vorschreiben, dann ist das Ausdruck von nationa- Vor welchen Herausforderungen stehen wir bei der lem Größenwahn. Migration im Kern? Warum ist der Migrationsdruck nach (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, Europa und nach Deutschland so hoch? Ist er so hoch, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE weil die Standards in der Welt zu verschieden sind oder GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das weil die Standards in der Welt zu einheitlich sind? machen Sie doch! – Jürgen Braun [AfD]: Sie (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Weil ihr die wollen die idiotische Politik von Frau Merkel Grenzen geöffnet habt!) in aller Welt durchsetzen! So ist es doch bei Ihnen!) Die Standards in der Welt sind zu unterschiedlich. Muss es also unser Ziel sein, diese Standards anzunähern, oder Wir müssen die Standards weltweit angleichen. Es ist muss es unser Ziel sein, diese Unterschiede zu vergrö- die Rede davon, dass Zugang zu Grundleistungen und zur ßern? Unser Ziel muss es sein, die Standards anzunähern. Gesundheitsversorgung geschaffen wird. Ich sage Ihnen: Das sind Mindeststandards, die in Deutschland längst (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- umgesetzt sind. Wir müssen aber sicherstellen, dass sie (B) ordneten der SPD, der FDP und des BÜND- auch in anderen Teilen der Welt umgesetzt werden. (D) NISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP [AfD]: Sozialistisches Gelaber! Nur noch So- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie zialisten hier!) des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) Deshalb ist es erforderlich, dass man sich die Frage, Ich könnte die Liste der wichtigen Punkte – Gesund- wie wir mit Migranten in dieser Welt umgehen, weltweit heitsversorgung, Grundleistungen – lange fortsetzen. stellt. Deshalb ist es erforderlich, dass man miteinander Fluchtursachenbekämpfung, Bekämpfung der Schleuser- ins Gespräch kommt, kriminalität, Grenzsicherung, Identitätsfeststellung und (Lachen bei Abgeordneten der AfD – Jürgen Rückführung – das alles wird in diesem Pakt adressiert. Braun [AfD]: Mit Gewalttätern ins Gespräch (Jürgen Braun [AfD]: Sie können sich auch kommen, Herr Harbarth!) wünschen, dass Hertha BSC die Champions dass man über die Ziele nachdenkt, dass man diese Zie- League gewinnt!) le zu Papier bringt, auch dann, wenn sie rechtlich nicht Ich will fragen: Gibt es jemanden klaren Verstandes, der verbindlich sind und die nationale Souveränität nicht ernsthaft glaubt, dass weniger Migranten nach Deutsch- einschränken. Denn wer die Diskussion über die gemein- land kommen, wenn sie in anderen Ländern keinen Zu- samen Ziele niemals beginnt, wird niemals zu gemeinsa- gang zu Grundleistungen haben? men Standards gelangen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ bei Abgeordneten der LINKEN) DIE GRÜNEN und des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) Gibt es jemanden klaren Verstandes, der ernsthaft glaubt, dass weniger Migranten nach Deutschland kommen, Es gibt eine Fraktion, die der Überzeugung ist: Wenn wenn sie anderenorts keinen Zugang zur Gesundheits- sich am Ende 180 Staaten dieser Welt dem Dokument an- versorgung haben? Mitnichten. Wer für den Globalen schließen, dann müsse das nach dem Prinzip gehen, dass Migrationspakt ist, der schafft die Voraussetzungen da- jeder einzelne Satz von Deutschland vorgegeben und von für, dass die Anreize, nach Deutschland zu kommen, zu- den anderen 179 Staaten abgenickt wird. rückgehen; (Jürgen Braun [AfD]: Das ist Ihre Politik, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie Herr Harbarth! Das macht Frau Merkel so!) bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE 6812 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Dr. Stephan Harbarth (A) GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Für illega- Herzlichen Dank. (C) le Zuwanderung! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Er sagt die Wahrheit!) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- denn die Menschen werden sich dann entschließen, in wie bei Abgeordneten der LINKEN – Jürgen den anderen Ländern zu bleiben, wo die Standards an- Braun [AfD]: Sie handeln gegen die Verfas- gehoben werden. sung! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit! Treffer! Versenkt! Die Vizepräsident Thomas Oppermann: sind ja ganz sprachlos vor Erschütterung! Jetzt Herr Harbarth, gestatten Sie eine Zwischenfrage des sind sie in der Defensive!) Kollegen Renner? Vizepräsident Thomas Oppermann: (CDU/CSU): Dr. Stephan Harbarth Die Kollegin von Storch von der AfD erhält Gelegen- Nein. – heit zu einer Kurzintervention. (Jürgen Braun [AfD]: Glauben Sie Ihre Mär- chen eigentlich, Herr Harbarth?) Beatrix von Storch (AfD): Wer sich entschließt, den Globalen Migrationspakt zu Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Harbarth, ich habe bekämpfen, der schafft die Voraussetzungen dafür, dass ein paar Nachfragen, die ich gerne stellen möchte. Ers- Menschen andere Länder verlassen werden, um nach Eu- tens. Warum besteht die Bundesregierung auf der Zeich- ropa, um nach Deutschland zu kommen. Dann kann man nung dieses Paktes? Wenn er doch so unverbindlich ist, sich fragen, warum. Entweder bekämpft er den Pakt, weil dann muss man ihn nicht zeichnen. er die internationalen Zusammenhänge nicht versteht (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hat (Zuruf von der AfD: USA!) er doch erklärt! Haben Sie nicht zugehört?) oder weil er sagt: Parteipolitisch fahre ich eigentlich mit dieser Angstmache Zweitens. Völkerrechtliche Verträge sind in der Regel nie rechtlich bindend; sie sind immer politisch bindend (Jürgen Braun [AfD]: Die Vereinigten Staaten von Amerika!) (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das stimmt nicht! Das ist Quatsch! Das ist totaler Quatsch! vor Migration gar nicht so schlecht. (B) Sie haben null Ahnung vom Völkerrecht!) (D) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD so- wie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und entfalten so die Wirksamkeit, die sie entfalten sol- und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – len – am Recht vorbei. Jürgen Braun [AfD]: Die Vereinigten Staaten (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben von Amerika sind blöd! Meinen Sie das?) Sie seine Rede nicht gehört?) Die AfD hat außer der Angstmache vor Migration in kei- nem einzigen Politikbereich irgendeine auch nur ansatz- Drittens. Glauben Sie ernsthaft, dass es auf diesem weise brauchbare Lösung präsentiert. Globus ein Land gibt, das diesen ganzen Verpflichtun- gen, die darin stehen – gerade weil sie unverbindlich (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LIN- sind –, nachkommen wird? Welches Land der Welt wird KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Leistungen für Asylbewerber und Migranten, vor al- sowie bei Abgeordneten der FDP – Michael len Dingen für Migranten, auf das Niveau von Deutsch- Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist die land heben wollen und können? Und wer wird das tun? Wahrheit! Genau so ist es! Bravo!) (Beifall bei der AfD) Der politische und der geistige Horizont dieses Hauses darf niemals an den deutschen Außengrenzen enden. Das ist doch denklogisch ausgeschlossen und an Dumm- (Jürgen Braun [AfD]: Wolkenkuckucksheim, heit nicht mehr zu überbieten. Herr Harbarth!) Ich glaube, dass Sie hier tatsächlich versucht haben, Das werden wir als Unionsfraktion niemals zulassen. an den Augen der Bevölkerung vorbei zu handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP (Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie NEN]: So ein Quatsch! Sie haben es nur die bei Abgeordneten der LINKEN) letzten Monate nicht mitbekommen, weil Sie Deshalb werden wir für diesen Pakt stimmen – im Inte- Ihren Job nicht gemacht haben!) resse Deutschlands. Und wer gegen diesen Pakt stimmt, handelt gegen das nationale Interesse Deutschlands. Es glückt Ihnen nicht; denn wir debattieren heute auf An- trag der AfD darüber. Sie haben versucht, diesen Meilen- (Jürgen Braun [AfD]: Sie handeln gegen stein, wie Herr Dr. Gauland gesagt hat, an der Öffentlich- Deutschland!) keit vorbei zu schieben. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6813

Beatrix von Storch (A) Die zentrale Frage aber bleibt: Warum werden hier nur CSU]: Das ist heute ein schlechter Tag für die (C) die Rechte der internationalen Migranten adressiert? Wa- AfD! Ein ganz schlechter Tag!) rum werden keine Pflichten von Migranten formuliert? Dann komme ich auf Ihre Ausführungen zu völker- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das rechtlichen Verträgen zurück. Ich kann mir sie eigent- ist falsch!) lich nur so erklären, dass das Völkerrecht heute in vielen Bundesländern nicht mehr zum Kernbereich der juristi- Es werden nur Verpflichtungen für uns formuliert. Wa- schen Ausbildung gehört. rum wird gesagt, dass Migration weltweit immer gut und positiv ist? Die AfD sagt: Migration ist nicht per se posi- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP so- tiv. Migration muss unseren Interessen dienen. wie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie hat Dr. Alexander Gauland [AfD]: Hahaha!) weder die Rede gehört noch den Pakt gelesen!) Wenn Sie einmal das Grundgesetz aufschlagen würden, Das Asylrecht ist ein Hilfsrecht, ja. Aber Migration dann könnten Sie dort das Gegenteil dessen lesen, was hat den deutschen Interessen zu dienen. Dieser Pakt dient Sie soeben ausgeführt haben. Aber die Unrichtigkeit die- nicht unseren Interessen. Dieser Pakt ist die größte Ge- ser Behauptung fügt sich nahtlos in die Reihe all der Un- fahr, die sogar Sie in dieser Legislatur heraufbeschworen richtigkeiten und Falschbehauptungen ein, mit denen Sie haben. Das will ganz schön viel heißen. dieses Land seit langem überziehen. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Vizepräsident Thomas Oppermann: GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Im Grund- Herr Dr. Harbarth, bitte. gesetz steht nichts über die Verträge drin!)

Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Vizepräsident Thomas Oppermann: Ich habe im Sommer ein Flüchtlingslager in Jordanien Wir fahren fort in der Debatte. Das Wort hat der besucht. Stellvertretende Ministerpräsident des Landes Nord- (Lachen bei der AfD) rhein-Westfalen, Dr. Joachim Stamp. Ich habe dort gesehen, wie die Menschen in diesem ar- (Beifall bei der FDP – Michael Grosse-­Brömer men Land leben. Vielleicht lachen Sie jetzt noch einmal. [CDU/CSU]: Ein schlechter Tag für die AfD heute! Ein schlechter Tag!) (B) Ich weiß nicht, was es über den Besuch eines Flücht- (D) lingslagers zu lachen gibt. Dr. Joachim Stamp, Minister (Nordrhein-Westfa- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, len): der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Der Pakt ren! Der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion enthält hat doch gar nichts mit Flüchtlingen zu tun! zwar lauter falsche Behauptungen, Es geht doch gar nicht um Flüchtlinge!) (Lachen bei Abgeordneten der AfD) Ich habe dieses Flüchtlingslager in Jordanien besucht. Ich habe dort erlebt, wie die Menschen weit entfernt von aber dennoch ist es gut, dass er vorliegt. Denn er zeigt deutschen Standards leben. Aber ich habe auch erlebt, uns jetzt quasi einmal öffentlich, amtlich, was in diesem wie der Umstand, dass sie Nahrung erhalten, dass sie Land von Verschwörungstheoretikern und rechten Trol- eine medizinische Grundversorgung haben und dass die len derzeit durch die sozialen Medien geblasen wird. Bei Kinder beschult werden, dazu führt, dass diese Menschen Facebook und bei Twitter kann man das sehen. sagen: Wir kommen nicht nach Europa, sondern wir blei- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie ben in Jordanien. bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- (Andrea Nahles [SPD]: Richtig!) NISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen daraus etwas lernen. Wir müssen dafür sor- Aber, meine Damen und Herren, was beispielsweise gen, dass in möglichst vielen Ländern der Welt die Vo- bei WhatsApp passiert, sehen wir nicht. raussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Men- (Jürgen Braun [AfD]: Führende Völkerrecht- schen sich nicht auf den Weg nach Europa machen. Dem ler auf der Welt haben unseren Standpunkt!) wird leider Ihr Vorgehen nicht gerecht. Sie wollen nicht, dass die Standards in diesen Ländern angehoben werden. Wir haben in Brasilien gesehen, wohin das führt. Sie, Herr Gauland, gehen mit Ihren Gesinnungsgenossen hin (Jürgen Braun [AfD]: Es geht in dem Pakt gar und verunsichern mit falschen Informationen die Bevöl- nicht um Flüchtlinge!) kerung. Das ist schäbig. Das ist, mit Verlaub, in hohem Maße töricht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Der Weltpo- GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/ litiker aus Düsseldorf!) 6814 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Minister Dr. Joachim Stamp (A) Aber, meine Damen und Herren, ich sage auch: Es schieben. Aber so weit reicht wahrscheinlich Ihr Hori- (C) wäre längst Aufgabe der Bundesregierung gewesen, zont nicht, meine Damen und Herren. sachlich und öffentlich über den UN-Migrationspakt auf- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten zuklären. der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Martin Hebner [AfD] – Jürgen Braun [AfD]: Können Drittens. Die AfD-Fraktionsvorsitzende behauptet, der Sie auch mal was zur Sache sagen?) Pakt öffne der millionenfachen Einwanderung aus Afri- ka Tür und Tor. Auch das ist natürlich völlig falsch. Das Sie haben zu lange geschwiegen und damit überhaupt Gegenteil ist richtig. Sie haben es vielleicht noch nicht erst die Möglichkeit für die Verschwörungstheoretiker begriffen, an wen sich dieser Pakt in erster Linie richtet. geschaffen, ihren Propagandafeldzug in den sozialen Medien zu starten. (Martin Hebner [AfD]: An Deutschland! – Jürgen Braun [AfD]: An Düsseldorf richtet (Widerspruch bei der AfD) er sich! An den großen Politikwissenschaftler Nutzen wir doch jetzt hier die Gelegenheit, um einmal aus Düsseldorf!) die Fakten klarzustellen. Es geht um 190 Länder. Schauen Sie sich einmal die Si- Erstens. Die AfD-Fraktion behauptet, der globale Pakt tuation an. Fahren Sie einmal in die betreffenden Länder. für Migration sei ein Angriff auf die nationale Souverä- Ich habe das getan. nität. Völlig falsch! (Jürgen Braun [AfD]: Absurd!) (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sagt Herr Wenn Sie sich einmal die Situation der Binnenmigran- Kurz, der österreichische Bundeskanzler! ten dort ansehen, dann stellen Sie fest: Das ist eine ganz Falsch! Sagt Herr Kurz!) andere Situation. Wir erfüllen hier in Deutschland längst Im Gegenteil wird im Text bereits zu Beginn festge- alle Standards, die in diesem Text stehen. Andere Länder schrieben, dass alle Länder in ihrer Migrationspolitik sind weit davon entfernt. Wenn sich diese Länder auch völlig souverän bleiben, meine Damen und Herren. nur ein Stück weit in unsere Richtung entwickeln, dann sinkt damit natürlich der Migrationsdruck auf Deutsch- (Beifall bei der FDP) land; das ist völlig logisch. Zweitens. Die AfD behauptet, der Text sehe ein Men- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU so- schenrecht auf Migration vor. Wiederum völlig falsch! wie der Abg. Aydan Özoğuz [SPD]) Der Pakt bekennt sich zu den allgemeinen Menschen- (B) rechten. Das auch zu tun, sollte, glaube ich, für jeden Sie behaupten, meine Damen und Herren, viertens, (D) anständigen Demokraten in diesem Haus eine Selbstver- das Ganze sei ein Angriff auf das Selbstbestimmungs- ständlichkeit sein. recht des deutschen Volkes. Auch das ist völlig falsch. Das kann schon allein deshalb nicht sein, weil gleich zu (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der Beginn des Textes klargestellt wird, dass der Pakt eben SPD) nicht rechtsverbindlich ist, sondern eine Absichtserklä- Ein Menschenrecht auf Migration gibt es nicht und wird rung zur besseren Regelung weltweiter Migration dar- auch in diesem Text nicht gefordert. stellt. Ich habe gerade ausgeführt, wie wichtig es ist, dass wir gerade mit Blick auf die Standards etwas für die (Jürgen Braun [AfD]: Sie haben doch vom vielen tun, die als Binnenflüchtlinge oder als Flüchtlin- Völkerrecht keine Ahnung als Politikwissen- ge in den Nachbarländern leben, damit sie sich in ihrer schaftler! – Abg. Petr Bystron [AfD] meldet Not nicht auf den Weg nach Europa machen. Ich dachte sich zu einer Zwischenfrage) eigentlich immer, das wäre Ihr Anliegen. Sie entlarven – Da können Sie sich noch so aufregen. Ich sage Ihnen sich hier als reine Verschwörungstheoretiker und sind gar übrigens: Schönen Gruß aus Düsseldorf, ich habe dort nicht an der Sache interessiert. auch mit Ihren Kollegen zu tun. Die befinden sich dort (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten auf einem ähnlichen Niveau. Wir halten das aus, meine der CDU/CSU und der SPD – Widerspruch Damen und Herren. bei Abgeordneten der AfD) (Beifall bei der FDP) Fünftens. Die AfD behauptet, der Pakt fördere die il- legale Migration. Völlig falsch! Im Gegenteil: Wenn Sie Vizepräsident Thomas Oppermann: sich einmal die Mühe machen würden, den Text zu lesen, Herr Stamp, gestatten Sie eine Zwischenfrage von der dann würden Sie feststellen, dass es genau darum geht, AfD? die illegale Migration zu bekämpfen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Dr. Joachim Stamp, Minister (Nordrhein-Westfa- len): Ich will Ihnen etwas sagen: Ich stehe als Flüchtlings- minister in Nordrhein-Westfalen jeden Tag in der Verant- Nein. – Aber ich möchte Ihnen eines sagen zum The- wortung, auch was das Thema Abschiebungen angeht, ma Menschenrechte – gerade das ist vielleicht spannend für Sie –: Wenn den Menschenrechten weltweit Geltung (Jürgen Braun [AfD]: Sie schieben ja nicht verschafft würde, dann könnten wir viel einfacher ab- ab! Wie viele schieben Sie ab?) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6815

Minister Dr. Joachim Stamp (A) auch was das Thema „Abschiebung von Gefährdern und Danke schön. (C) Kriminellen“ angeht. Wir leisten etwas, während Sie nur (Beifall bei der FDP – Zuruf von der FDP: dumm daherreden, meine Damen und Herren. Sehr gut!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Thomas Oppermann: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Abgeordnete Als jemand, der in der Praxis Tag für Tag damit zu tun Christoph Matschie für die Fraktion der SPD. hat, möchte ich Ihnen sagen, dass das, was in dem Pakt zum Datenaustausch oder zur Identitätsklärung drinsteht, (Beifall bei der SPD) natürlich einen Riesenvorteil für die Praxis bedeutet. Dann würde es uns auch viel einfacher fallen, Gefährder Christoph Matschie (SPD): und Kriminelle viel schneller loszuwerden. Sie sind die- Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- jenigen, die das verhindern wollen. ren! Der Umgang mit einer weltweit wachsenden Zahl von Flüchtlingen, von Migranten gehört sicherlich zu (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- den größten Herausforderungen, vor denen unsere Ge- ten der CDU/CSU und der Abg. Ulli Nissen sellschaften stehen. Unser Land hat das in den letzten [SPD] – Jürgen Braun [AfD]: Wie viele schie- Jahren auch in besonderer Weise erlebt. Wir haben dazu ben Sie ab?) eine sehr intensive, auch emotionale Debatte gehabt. In dieser Debatte sind mindestens zwei Dinge klar gewor- Meine Damen und Herren, die Behauptungen der AfD den: sind falsch, und das müssen wir gemeinsam vertreten und erklären. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung. Erstens. Wir brauchen einen offenen und ehrlichen Ich warne allerdings auch davor, den UN-Migrationspakt Umgang mit diesem Thema. zu überschätzen. Er ist eben nicht verbindlich, sondern Zweitens. Wir können die Probleme, die sich mit welt- eine Absichtserklärung – eine richtige Absichtserklä- weiter Migration verbinden, nur international gemein- rung –; deshalb sollten wir ihn nicht überschätzen. Inso- sam lösen. Nationale Regelungen allein helfen hier nicht fern stehen wir auch weiterhin in der Pflicht, tatsächlich weiter. etwas dafür zu tun, dass wir eine geordnete Einwande- rungs- und Flüchtlingspolitik hier in Deutschland hinbe- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten kommen. der CDU/CSU)

(B) (Widerspruch bei der AfD – Michael Grosse-­ Zuerst zur offenen und ehrlichen Debatte. Die AfD hat (D) Brömer [CDU/CSU]: Irgendwie ist die AfD nicht nur heute im Parlament beantragt, diesen internati- total aufgeregt! Wie kommt denn das?) onalen Vertrag abzulehnen, sondern sie hat eine Kampa- gne im Internet Vor diesem Hintergrund bin ich der FDP-Bundestags- (Ulli Nissen [SPD]: Eine ganz fiese!) fraktion ausgesprochen dankbar, dass sie jetzt noch ein- mal darauf hingewiesen hat, wie wichtig es ist, dass wir und in den sozialen Medien gestartet. ein Einwanderungsgesetz bekommen, das unterscheidet (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Fabian zwischen individuell Verfolgten, zwischen Kriegsflücht- Jacobi [AfD]: Hallo? Das nennt sich öffentli- lingen und denjenigen, die dauerhaft kommen wollen, che Diskussion!) die wir uns aber wie jedes andere Einwanderungsland auch selber aussuchen wollen, meine Damen und Herren. Sie behauptet darin, dass der Pakt zu einer massenhaf- ten Zuwanderung nach Deutschland führt. Sie behauptet, (Beifall bei der FDP – Manfred Todtenhausen mit dem Pakt werde die nationale Souveränität unseres [FDP]: Längst überfällig!) Landes

Wir brauchen in vielen Punkten schnelle Lösungen. (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sagt Herr Deswegen wiederhole ich unsere Forderung nach einem Kurz!) nationalen Migrationsgipfel von Bund, Ländern und und unser Selbstbestimmungsrecht ausgehebelt. Kommunen. (Jürgen Braun [AfD]: Herr Roth sagt, es sind Die Bundesregierung hat zu lange ihre Zeit verplempert nicht 82 Millionen! Ihr Staatsminister!) mit unnötigen Auseinandersetzungen über 30, 40 Leute, Schaut man in den Text dieser Vereinbarung, so wird die an der Grenze zurückgeführt werden, oder über die eines ganz schnell klar: Ihre Behauptungen sind frei er- Karriere von Herrn Maaßen. Konzentrieren wir uns auf funden. das Wesentliche! Setzen wir uns mit den Kommunen, mit den Ländern, mit dem Bund an einen Tisch! Bringen wir (Zuruf von der AfD: Nein!) die notwendigen Dinge auf den Weg! Ich sage das von Oder auf Deutsch: Die AfD verbreitet Lügen. Länderseite, ich sage es für Nordrhein-Westfalen: Wenn die Bundesregierung hier nicht aus den Puschen kommt, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – dann werden wir in den Ländern das selbst in die Hand Jürgen Braun [AfD]: Es sind keine 80 Milli- nehmen. onen!) 6816 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Christoph Matschie (A) Und warum verbreitet die AfD Lügen? Weil sie glaubt, je Der Globale Pakt bekräftigt das souveräne Recht (C) größer die Angst vor Migranten in diesem Land ist, desto der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst größer der politische Vorteil für die AfD. zu bestimmen ... (Jürgen Braun [AfD]: Sie spalten wieder Eu- (Fabian Jacobi [AfD]: Ja!) ropa, Herr Matschie!) Die AfD versucht jetzt, die Vereinbarung gegen den aus- Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist schäbig, drücklichen Vereinbarungstext auszulegen. und das ist verantwortungslos. (Jürgen Braun [AfD]: Im Rahmen des Pak- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) tes!) Sie liest das Gegenteil heraus, und das ist so grotesk wie Vizepräsident Thomas Oppermann: unsinnig. Was Sie machen, ist Verschwörungstheorie pur, Herr Kollege Matschie, gestatten Sie eine Zwischen- sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. frage des Kollegen Renner? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Christoph Matschie (SPD): der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Immer Nein, gestatte ich nicht. – Worum geht es in dem Pakt mehr Länder in Europa, die das nicht mehr wirklich? Warum liegt der Pakt in unserem deutschen In- mitmachen! Immer mehr Regierungen, die das teresse? Die Zahl der Menschen, die ihr Land verlassen, nicht mehr mitmachen!) wächst. Der Vertrag redet auch über die positiven Seiten von (Zuruf von der AfD) Migration; denn es gibt neben der ungewollten, neben der erzwungenen Migration auch gewollte Migration. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben mittlerwei- Es gibt wirtschaftlich starke Regionen, die Fachkräfte le etwa 260 Millionen Menschen außerhalb der Grenzen brauchen. Es gibt Menschen, die neue Herausforderun- ihrer Heimatländer. gen suchen. Es gibt Menschen, die ihre Lebensbedingun- (Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen selbst verbessern wollen. Das ist nichts Neues. Das NEN], an die AfD gewandt: Das ist in der Dis- zieht sich auch durch unsere deutsche Geschichte immer kussion das billigste Argument!) wieder. Dazu gehört auch unser wirtschaftlicher Erfolg. Das kann man auch in anderen Regionen der Welt beob- Und deshalb haben sich die Staaten in den Vereinten Na- achten. Schauen Sie einmal ins Silicon Valley! Dort sind tionen vor zwei Jahren gemeinsam auf den Weg gemacht, 50 Prozent aller Gründer von Start-ups nicht in den USA (B) einen solchen internationalen Pakt zu erarbeiten. Die Zie- geboren, sondern eingewandert. (D) le, die Grundsätze dieses Paktes finden sich jetzt genau in dem Text wieder. Es geht also nicht darum, Tor und Tür (Jürgen Braun [AfD]: Hochqualifiziert! Kei- zu öffnen, sondern es geht darum, Migration besser zu ne Wirtschaftsmigration! Hochqualifizierte regulieren. Das ist der Kern dieser Vereinbarung. Migration!) (Beifall bei der SPD – Zuruf von der AfD) Zuwanderung, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Innovation gehören eben auch zusammen, werte Kolle- – Schauen Sie in die Ziele hinein, Nummer 2, lesen bil- ginnen und Kollegen. det. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Dazu gehört auch ausdrücklich, „nachteilige Trieb- der CDU/CSU) kräfte“ für Migration – so steht es im Pakt – zu verrin- gern. Mit anderen Worten: Der Druck, die eigene Heimat Das alles macht klar: Der Pakt für eine geordnete und zu verlassen, soll abgebaut werden. Das führt nicht zu sichere Migration liegt in unserem deutschen Interesse. mehr Migration, das soll zu weniger Migration führen. Deshalb hat die Bundesregierung intensiv an diesem Pakt mitgearbeitet. (Beifall bei der SPD – Zuruf von der AfD) Zu den Zielen gehört auch der verstärkte Kampf gegen (Jürgen Braun [AfD]: Sie lassen ja jeden rein, Schleuser – Ziel Nummer 9 –, gegen Menschenschmug- Herr Matschie! Bei Ihnen können die Millio- gel – Ziel Nummer 10. Dazu gehört ein sicheres und nen ja kommen, ohne Prüfung kommen!) koordiniertes Grenzmanagement – Ziel Nummer 11. Im Deshalb wird Deutschland auch im Dezember diesem Gegensatz zu den Behauptungen der AfD geht es also da- Pakt zustimmen. Da können Sie hier noch so laut schrei- rum, illegale Migration einzudämmen. Der Pakt fordert en, wie Sie wollen. eine bessere internationale Zusammenarbeit für eine ge- ordnete und reguläre Migration. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Der AfD geht es nicht um unser Land. Mit Ihrer verleum- der CDU/CSU – Zurufe von der AfD) derischen Kampagne wollen Sie nur eines: Angst und Hass schüren in diesem Land. Im Gegensatz zu den Behauptungen der AfD legt der Pakt ausdrücklich fest, dass jedes Land weiterhin souve- (Jürgen Braun [AfD]: Schauen Sie einmal rän bleibt. Zu den leitenden Prinzipien gehört – ich darf in den Spiegel! Sie wissen Bescheid, Herr zitieren –: ­Matschie!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6817

Christoph Matschie (A) Dagegen setzen wir uns zur Wehr. Vizepräsident Thomas Oppermann: (C) Vielen Dank. – Nächste Rednerin in der Debatte ist (Beifall bei Abgeordneten der SPD) die Abgeordnete Sevim Dağdelen von der Fraktion Die Gestatten Sie mir einen letzten Gedanken. Morgen Linke. werden wir hier im Bundestag an den 9. November er- (Beifall bei der LINKEN) innern und damit auch an die Reichspogromnacht 1938. (Jürgen Braun [AfD]: Herr Matschie, das hat Sevim Dağdelen (DIE LINKE): mit dem Thema überhaupt nichts zu tun!) Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr verehrte Kolle- ginnen und Kollegen! Die Linksfraktion im Bundestag Es begann damit, dass Bürger, dass jüdische Bürger als hat die Verhandlungen zum UN-Migrationspakt von An- andersartig, als fremd diffamiert wurden. fang an begrüßt. Migration ist ein globales Thema, und es ist höchste Zeit, dass wir auch eine internationale Ver- (Jürgen Braun [AfD]: Lenken Sie nicht ab von ständigung zu einem solch globalen Thema haben. der antisemitischen Friedrich-Ebert-Stiftung! Lenken Sie nicht ab von den Maßnahmen der (Beifall bei der LINKEN) Ebert-Stiftung!) Jetzt aber führt Rechtsaußen eine regelrechte Angst- Es begann damit, dass Menschen ausgegrenzt wurden. Es kampagne gegen diese UN-Erklärung. Sie führen hier begann damit, dass Menschen für alle Probleme im Land Argumente an, wie etwa: Infolge dieses Paktes würden verantwortlich gemacht wurden. Millionen Menschen nach Deutschland zuwandern. – Das hält der Realität schlicht nicht stand. (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das ist pein- lich! – Weitere Zurufe von der AfD) (Beifall bei der LINKEN) Und dann brannten jüdische Geschäfte, brannten jüdi- Und es verwundert umso mehr, als die AfD die Mög- sche Häuser, brannten Synagogen. Und am Ende stand lichkeit einer Beteiligung an den Debatten der UNO in millionenfacher Mord. New York nicht wahrgenommen hat, als dieser Pakt ver- handelt wurde. Ja wo waren Sie denn mit Ihrer Kritik? (Zurufe von der AfD) (Beifall bei der LINKEN – Jürgen Braun Das ist die Geschichte, an die wir morgen erinnern. [AfD]: Wo ist denn heu- te? Wo ist Ihre Fraktionsvorsitzende heute, Frau Dağdelen?) (B) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, (D) der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Den Boden für diese schäbige Angstkampagne der GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Sagen Sie AfD hat allerdings diese Bundesregierung mit ihrer In- etwas zu Herrn Schulz!) formationspolitik bereitet. Und heute leben in diesem Land 20 Millionen Menschen, (Jürgen Braun [AfD]: Wo ist Ihre Fraktions- die eine Zuwanderungsgeschichte haben, 20 Millionen vorsitzende Sahra Wagenknecht heute?) Menschen, die unsere Nachbarn sind, manche seit Gene- rationen, manche erst neu. Ich war im zurückliegenden Jahr dreimal als einzige Ab- geordnete des Deutschen Bundestages bei den Debatten (Jürgen Braun [AfD]: Hören Sie auf mit der und Verhandlungen des Migrationspaktes in New York. Heuchelei!) Immer wieder wurde seitens der Bundesregierung ge- sagt, dass das auch im Bundestag und in Deutschland Was die AfD mit ihrer Hetzkampagne tut, ist im öffentlich debattiert werden würde. Nichts davon ist pas- wahrsten Sinne des Wortes Feuer legen. Sie hetzen Men- siert. Das finde ich wirklich unverantwortlich. schen gegeneinander auf. (Beifall bei der LINKEN) (Jürgen Braun [AfD]: Das ist peinlich, was Sie da erzählen!) Vizepräsident Thomas Oppermann: Die Lehre aus dem 9. November und der daraus folgen- Frau Dağdelen, gestatten Sie eine Zwischenfrage von den schrecklichen Geschichte steht in Artikel 1 unseres der AfD? Grundgesetzes: (DIE LINKE): Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sevim Dağdelen Nein. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Keiner der Punkte übrigens, die wir als Linke ange- Das muss unser Grundsatz bleiben, bei allem, was wir mahnt haben, wurde aufgenommen. Es geht beim Migra- tun. tionspakt eben nicht um die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration. Weder ein Stopp der Rüs- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, tungsexporte noch ein Stopp der zerstörerischen Freihan- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE delsabkommen mit den Ländern des Südens haben in den GRÜNEN) Pakt Eingang gefunden. Menschen verlassen ihre Heimat 6818 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Sevim Dağdelen (A) aber nicht freiwillig. Sie haben auch ein Recht darauf, ist bei Fragen der Migration nicht neu und leider auch (C) nicht zu migrieren. nicht überraschend. Ich sage Ihnen von der AfD: Sie geben vor, die Ursa- (Beatrix von Storch [AfD]: „Nützlichkeitsras- chen von Migration und Flucht zu bekämpfen. Aber wer sismus“!) von Freihandelsabkommen und Rüstungsexporten nicht Ich stimme Ihnen zu, Herr Minister Stamp: Die Bun- sprechen möchte, der sollte dann auch zur Bekämpfung desregierung hat es versäumt, frühzeitig der rechten Pro- von Fluchtursachen schweigen. paganda eine eigene leicht verständliche Erzählung über (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- den UN-Migrationspakt entgegenzusetzen. neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Erzählung also, nicht die Die Stimmen der afrikanischen und lateinamerika- Wahrheit! Es geht nicht um die Realität, son- nischen Länder mit ihrer Forderung nach Ursachenbe- dern um eine Erzählung!) kämpfung und Finanzierung wirtschaftlicher Entwick- lung in den Herkunftsländern wurden in New York nicht Das hat anscheinend auch Teile der Union in ihrem kla- gehört. Diese Länder haben zu Recht die Fixierung auf ren Bekenntnis zum UN-Migrationspakt verunsichert. die – Zitat – Nutzbarmachung von „Humankapital“ für Insofern war Ihre Rede heute, Herr Kollege Harbarth, für den reichen Norden kritisiert. Sie riefen nach globa- unsere Fraktion eine gute Rede, ein klares Signal. Die ler Gerechtigkeit, aber was sie jetzt bekommen, ist ein Stimme der Vernunft hat sich gestern in Ihrer Fraktion Braindrain, eine Abwanderung ihrer Fachkräfte. Dieser durchgesetzt. Vielen Dank dafür. Braindrain zugunsten der Profite großer Konzerne dient letztendlich der Enteignung der Länder des Südens. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – (Beifall bei der LINKEN) Jürgen Braun [AfD]: So ist die CDU heute! Sie wird von den Grünen gelobt! – Weitere Ich finde, dieses neoliberale Nützlichkeitsdenken ist zy- Zurufe von der AfD) nisch. – Auch wenn ich sonst kein Interesse daran habe, bitte ich Ein letztes Wort an die AfD: Gerade in puncto Brain- um die Aufmerksamkeit Ihrer Fraktion, Herr Gauland. drain ist Ihre Kritik am Migrationspakt unredlich und Warum die Stimme der Vernunft? Die rechte Allianz, heuchlerisch. Denn Sie fordern ja Einwanderung nach angeführt in Deutschland von der AfD, fährt eine der po- Nützlichkeitskriterien des großen Kapitals nach dem pulärsten Verschwörungstheorien auf und bewegt sich Vorbild Kanadas. Das ist Ihr Denken: Nützlichkeitsras- (B) hierbei im Kontext der Neuen Rechten, aber auch der (D) sismus. Das hat Die Linke schon früher abgelehnt, und Identitären Bewegung, wir werden es wieder ablehnen. (Jürgen Braun [AfD]: Diverser europäischer (Beifall bei der LINKEN – Lachen und Bei- Regierungen! Immer mehr europäische Re- fall bei Abgeordneten der AfD) gierungen sehen das genauso!) Sehen Sie der Wahrheit ins Auge: im Netzwerk der Rassisten in Europa und im Übrigen auch der rechtsextremen Alt-Right-Bewegung in den (Beifall bei Abgeordneten der AfD) USA. Das wurde in Ihren Reden deutlich. Aber interes- Deutschland ist seit der Gründung des Kaiserreichs 1871 santer sind die Redebeiträge außerhalb des Parlamentes ein Einwanderungsland. Hören Sie auf, im Namen einer auf Ihren jeweiligen Webseiten, auf den Wahlkampfver- völkischen Ideologie den Migrantinnen und Migranten anstaltungen in Bayern und wahrscheinlich jetzt auch in gleiche Rechte zu verweigern! Hören Sie auf mit Fake Sachsen. Ich bitte das Bundesinnenministerium und sei- News! ne nachgelagerten Behörden, hier genauer hinzuschauen. Sie suggerieren, dass eine Elite, angeführt von den (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. USA und dem Staat Israel, Migrantinnen und Migranten Aydan Özoğuz [SPD]) ansiedeln will mit dem erklärten Ziel, die weiße Rasse auszulöschen. Diese krude und verfassungsfeindliche Vizepräsident Thomas Oppermann: Bewegung ist beschämend und in ihrem Kern tief antise- Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die mitisch und schlicht menschenfeindlich. Grünen die Abgeordnete Filiz Polat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) LINKEN – Jürgen Braun [AfD]: Sagen Sie das mal Ihren grünen Genossen, die antisemi- Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): tisch unterwegs sind!) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Wir sagen ganz klar in alle Richtungen innerhalb und Kollegen! Dass vom rechten Rand Hetze, Rassismus und außerhalb des Parlamentes: Wer dazu schweigt, wer da Verschwörungstheorien kommen, nicht widerspricht, stimmt zu, meine Damen und Herren. (Widerspruch bei der AfD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6819

(A) Vizepräsident Thomas Oppermann: nität. Er setzt globale Standards, vor allem für Arbeits- (C) Frau Polat, gestatten Sie eine Zwischenfrage von migrantinnen und -migranten weltweit. Das ist sinnvoll, Herrn Renner von der AfD? und deshalb wollen wir uns in der Bundesrepublik die Leitlinien nicht nur zu eigen machen, sondern wir wollen sie auch konsequent umsetzen. Deshalb – noch einmal –: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Filiz Polat Lassen Sie sich nicht von den Rechten treiben oder, wie Nein. Herr Gauland einst sagte, „jagen“. Schließen Sie sich Lassen Sie mich eine konkrete Zahl nennen: Erstmals nicht der Koalition der Unwilligen an. Vielleicht noch seit der Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonven- einen Satz dazu: Herr Dobrindt hat nach dem Wahldeba- tion haben sich 192 Staaten auf gemeinsame internati- kel der CSU anscheinend dazugelernt und unterstützt den onale Standards für globale Migrationsbewegungen und Migrationspakt. die Stärkung der Rechte von Migrantinnen und Migran- Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen ten verständigt. Bündnis 90/Die Grünen – Herr Stamp, der sächsischen CDU, jetzt sind Sie gefragt. Machen Sie Sie müssen sich nicht auf den AfD-Antrag beziehen, Sie sich nicht zu Erfüllungsgehilfen der AfD, sonst erwecken können sich auf unseren Antrag beziehen – begrüßt den Sie den Eindruck, dass Sie doch eine Koalition mit dieser UN-Migrationspakt. Partei anstreben. Frau Bellmann aus Mittelsachsen, das (Jürgen Braun [AfD]: Wer hätte das gedacht? ist auch an Sie persönlich gerichtet. Wer hätte das von den Grünen erwartet? Sen- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sationell!) Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Er ist ein Meilenstein und ein Erfolg – Herr Minister erwartet von der Bundesregierung die zügige Umsetzung Maas, Sie haben es selbst gesagt – für den Multilatera- des Migrationspaktes in Deutschland. Dafür haben wir lismus. konkrete Forderungen im Antrag formuliert. Ob es Ihnen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tatsächlich ernst ist mit diesem Pakt, sehr geehrte Damen sowie des Abg. Ulrich Lechte [FDP]) und Herren von der Bundesregierung, und er nicht nur zu einer leeren Worthülse verkommt, wird sich spätestens Der Migrationspakt setzt klare und faire Leitlinien bei Vorlage des Einwanderungsgesetzes zeigen. Wir wer- für internationale Migrationsbewegungen. Der Migrati- den genau darauf achten, ob die Ziele und die Standards onspakt stärkt und schützt die Rechte von Migrantinnen des Migrationspakts darin berücksichtigt werden. und Migranten, insbesondere die von Frauen und Kin- dern; denn nach wie vor gelten die universellen Men- Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (B) schenrechte, Herr Gauland, für viele oftmals leider nur (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (D) auf dem Papier. Menschenhandel und Zwangsarbeit sind weltweit Realität. 46 Millionen Menschen sind in

ausbeuterischer Zwangsarbeit gefangen, beispielsweise Vizepräsident Thomas Oppermann: als Hausangestellte, auf dem Bau oder in der Landwirt- Vielen Dank. – Nächster Redner ist Frank Steffel für schaft. Ich komme aus Niedersachsen, ich weiß, wovon die CDU/CSU. ich spreche. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein wichtiges Ziel des Migrationspaktes – das ist das Ziel Nummer 17 – ist die Beseitigung aller Formen der Frank Steffel (CDU/CSU): Diskriminierung. Für uns ist es absolut unverständlich, Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten dass dieses Ziel infrage gestellt wird. Das sollten wir Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! doch alle verfolgen, oder etwa nicht, Herr Gauland? Es Ich finde die Debatte heute wichtig und richtig. Ich finde ist umso unverständlicher, dass Österreich – Sie haben sie übrigens auch gut und hoffe, dass viele Menschen zu- Österreich genannt – schauen. Ich finde es auch richtig, dass sich der Deutsche (Zuruf von der AfD: Und Israel auch!) Bundestag vor der Beschlussfassung in Marrakesch Ende November dieses Jahres noch einmal sehr ausführlich die Bekämpfung der Diskriminierung als Begründung mit einem Antrag der Koalitionsfraktionen zu diesem für seinen Ausstieg aus dem Pakt geliefert hat. Das ist Thema beschäftigen wird. befremdlich. Was ist das für eine Botschaft? Wie kann (Jürgen Braun [AfD]: Dank uns! Durch die man dagegen sein? AfD! Nur durch die AfD!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Denn die Menschen haben zu Recht die Erwartung, dass Jürgen Braun [AfD]: Das ist totalitäres Den- wir uns mit einem so bedeutenden Thema auch hier im ken! Totalitäres Denken heißt, es gibt keine Bundestag beschäftigen, obwohl wir formal nicht zu- andere Meinung! So ticken Sie!) stimmungspflichtig sind. Wir wollen die CDU, vor allem die Kollegen, die Mit- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – glieder der WerteUnion sind, aber auch Herrn Wendt, Widerspruch bei der AfD) inständig davor warnen, sich der rechten Allianz gegen den Migrationspakt anzuschließen und damit den Schul- Meine Damen und Herren, nicht jede Abkürzung terschluss mit den Rechtspopulisten Kurz, Orban und stimmt, und das stört mich auch bei dem, was wir hier Trump zu suchen. Der Pakt wahrt nationale Souverä- heute diskutieren. Dort steht: „GCM – Global Compact 6820 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Frank Steffel (A) for Migration“. Die eigentliche Formulierung lautet: und nicht alle Menschen, nicht viele Menschen nach Eu- (C) „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migra- ropa und insbesondere nach Deutschland kommen. tion“. Vielleicht sollten wir bei den Begriffen anfangen. Denn das heißt übersetzt: Globaler Pakt bzw. globale (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Vereinbarung für sichere, geregelte und regelgerechte, Jürgen Braun [AfD]: Migration ist nicht un- regelkonforme Migration. vermeidbar!) (Jürgen Braun [AfD]: Verlässliche! – Beatrix von Storch [AfD]: Verlässliche Migration!) Vizepräsident Thomas Oppermann: Herr Steffel, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Das ist ein großer, großer Unterschied. Herrn Renner? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Frank Steffel (CDU/CSU): Insofern hat Ihr Vorbild Lenin völlig recht: Sprache Ich gestatte von jedem eine Zwischenfrage; selbstver- fördert Bewusstsein. Lassen Sie uns klar darüber reden, ständlich. – Bitte. worüber wir reden; dann verstehen es die Menschen auch einfacher. Wir reden heute über sichere, geregelte und re- (AfD): gelkonforme Migration Martin Erwin Renner Danke schön, dass Sie mir das Wort erteilen. – Ich (Jürgen Braun [AfD]: Eigentlich geht es um mache es ganz kurz: Ich will diesen Schwurbeleien und illegale Migration!) diesen Wortverdrehungen, die wir seit einer Stunde hier hören, gar nicht so wahnsinnig viel hinzufügen. und eben nicht über ungeregelte, unsichere und nicht re- gelkonforme Migration, die ja in den vergangenen Jahren (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE eines der großen Probleme auf dieser Welt und auch in GRÜNEN]: Sie haben doch noch gar keine Deutschland war. Stunde geredet!) Das Ziel dieses globalen Paktes für geregelte, für re- Ich will einfach nur eine Frage, eine gespaltene Frage gelkonforme Migration ist es, dass die Menschen in allen stellen: Erklären Sie doch bitte einmal, was die Grund- Ländern dieser Welt in ihrer Heimat bleiben können, weil lage Ihrer Politik in diesem Bereich ist. Ich gebe Ihnen es Lebensperspektiven gibt, weil es wirtschaftliche Per- zwei Alternativen: Ist es, weil Sie das Fremde so sehr spektiven gibt, weil Fluchtursachen bekämpft werden, lieben, oder ist es Grundlage Ihrer Politik, weil Sie das (B) (D) weil Krieg und Terror bekämpft werden. Eigene so sehr hassen? Bitte geben Sie darauf eine Ant- (Jürgen Braun [AfD]: Sie fördern aber das wort. Gegenteil!) (Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der Und wenn sie denn ihre Heimat verlassen müssen, dann CDU/CSU und der SPD sowie bei Abge- sollen sie in möglichst vielen Ländern gleiche Rahmen- ordneten der FDP, der LINKEN und des bedingungen, bessere Rahmenbedingungen vorfinden; BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael mein Kollege Harbarth hat in einer sehr gelungenen Rede Grosse-­Brömer [CDU/CSU]: Es wird ja im- darauf hingewiesen. Es geht um den Zugang zu Gesund- mer peinlicher!) heitssystemen, und zwar nicht nur in Europa. (Beatrix von Storch [AfD]: Und das schafft Frank Steffel (CDU/CSU): der Pakt? Mein Gott!) Ich bedanke mich sehr für Ihre Frage, Herr Kollege. – Ich will Ihnen sagen, was die Grundlage unserer Politik Wo sollen denn kranke Migranten hin, wenn in vielen ist. Die Grundlage unserer Politik ist es, die großen He- Ländern der Welt der Zugang zum Gesundheitssystem rausforderungen dieses Planeten nicht alleine zu lösen, für Migranten eben nicht sichergestellt ist? sondern gemeinsam mit 200 Ländern auf dieser Welt. (Jürgen Braun [AfD]: Das ist doch Wolken- Das ist die erste Grundlage. kuckucksheim!) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Wo sollen denn Familien mit Kindern hin, wenn Kinder BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- von Migranten in vielen Ländern dieser Welt keinen Zu- geordneten der FDP und der LINKEN) gang zu Bildung haben, wenn es keine Grundsicherung gibt? Die zweite Grundlage ist, dass wir neben diesem Compact für gesteuerte, geregelte Migration dringend (Jürgen Braun [AfD]: Alle nach Deutsch- einen Compact with Africa – mit Afrika – brauchen. Da- land!) für arbeitet unser Entwicklungshilfeminister. Die Bun- deskanzlerin war gerade mit elf afrikanischen Ländern Also muss doch unser Interesse sein, mit einer interna- dabei, dafür zu sorgen, tionalen Vereinbarung in möglichst vielen Ländern die- ser Welt sicherzustellen, dass die Rahmenbedingungen, (Martin Erwin Renner [AfD]: Ich habe Ihnen wenn denn Migration unvermeidbar ist, besser werden zwei Alternativen gegeben!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6821

Frank Steffel (A) dass Krieg, Terror und Fluchtursachen bekämpft und Per- Und gegen all das sind Sie. Und wissen Sie, was mein (C) spektiven geschaffen werden. Verdacht ist? Sie sind dagegen, weil es Ihnen parteipo- litisch nutzt. (Jürgen Braun [AfD]: Da ist die Union seit 15 Jahren dran!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE Private Investitionen in Afrika sollen dazu führen, dass GRÜNEN – Widerspruch bei Abgeordneten Millionen und Hunderte Millionen von Menschen eine der AfD – Michael Grosse-Brömer [CDU/ Perspektive in ihrer Heimat haben. CSU]: Genau! Die Maske ist weg!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Denn am Ende, wenn Sie das alles ablehnen, machen Jürgen Braun [AfD]: Mit zwei Generationen sich mehr Menschen auf den Weg nach Europa, auf den haben Sie nichts bewirkt!) Weg nach Deutschland. Das führt dann dazu, dass Sie Ihre dumpfen Vorurteile weiter bedienen können und Übrigens: Auch dagegen ist die AfD. parteipolitisch davon profitieren. Das ist die eigentlich (Martin Erwin Renner [AfD]: Da hat doch niederträchtige Schweinerei Ihrer Politik. kein Mensch was dagegen!) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP Die AfD ist auch dagegen, dass wir den Entwicklungshil- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wi- feetat ein weiteres Mal erhöhen, um Perspektiven zu ver- derspruch bei der AfD) bessern und Investitionen in diesen Ländern zu stärken. Ich glaube, dass die Mehrheit der Menschen – inso- (Jürgen Braun [AfD]: Was?) fern ist es gut, dass wir heute darüber reden – diese Poli- tik nicht will. Wir müssen daher alle offensiver darüber Die AfD ist auch gegen humanitäre Hilfe. reden (Widerspruch bei der AfD) (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das machen Wenn Menschen richtig im Dreck sind, dann gehen Sie Sie ja eben nicht!) zu Herrn Assad und kriechen ihm in den Hintern, statt sich für humanitäre Hilfe für diese Menschen einzuset- und hier im Deutschen Bundestag mit Ihnen darüber zen. streiten. Sie sollen Ihre Zwischenfragen ruhig stellen; denn auch Ihre Frage war entlarvend. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP (B) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wi- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jürgen (D) derspruch bei Abgeordneten der AfD) Braun [AfD]: Sie haben ja nicht geantwortet!) Ich nenne Ihnen den nächsten Punkt. Wir sind – nach Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin da- einer ganz schwierigen Abwägung; das gilt für jeden ein- von überzeugt – und auch das Thema überlasse ich nicht zelnen Abgeordneten – Ihnen –, dass diese Vereinbarung mit 180 Nationen dieser Welt im deutschen Interesse liegt und Deutschland nutzt. (Jürgen Braun [AfD]: Hören Sie doch auf mit dem Unsinn!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) eben auch für Auslandseinsätze der Bundeswehr, die Sie Wer zustimmt, dient Deutschland, und wer es plump ab- ablehnen; denn wir wollen Krieg und Terror in diesen lehnt, schadet Deutschland und widerspricht deutschen Regionen bekämpfen und dafür sorgen, dass die Men- Interessen, und das ist in diesem Hause zuallererst die schen in ihrer Heimat sicher wohnen können. AfD. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Herzlichen Dank. ordneten der SPD, der FDP und des BÜND- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP NISSES 90/DIE GRÜNEN) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, ja, wir sind für bilaterale Abkommen. Wir glauben, dass Staaten versuchen soll- Vizepräsident Thomas Oppermann: ten, möglichst viel miteinander zu vereinbaren. Nächster Redner ist Martin Hebner für die Fraktion der AfD. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der AfD) Und wir sind für multilaterale Abkommen auch im Rah- men der UN, weil natürlich Staaten miteinander versu- chen sollten, weltweite Standards bei Klima, bei Handel, Martin Hebner (AfD): aber auch bei Menschenrechten und Migration zu schaf- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heuti- fen. ge Debatte kommt auf Antrag der AfD zustande; (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer­ des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuru- [CDU/CSU]: Man könnte es auch Eigentor fe von der AfD) nennen!) 6822 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Martin Hebner (A) denn die Bundesregierung wollte diese Debatte über Wir Bürger und Deutsche wollen selbst und souverän (C) den globalen Pakt für Migration schlichtweg vermeiden. über die Zulassung von Migration nach Deutschland ent- scheiden. Vom Auswärtigen Amt wird mitgeteilt: Herkunfts-, Transit- und Zielländer vereinbaren – angeblich völlig (Beifall bei der AfD) unverbindlich – nur die Steuerung von Migration. – Das Deutschland ist eine Nation, kein bloßes Siedlungsge- ist falsch. Sie wissen alle, dass die seinerzeit unverbind- biet. liche UN-Menschenrechtserklärung heute zwingendes Recht ist. Und der globale Pakt definiert Migrantenmen- (Beifall bei der AfD) schenrechte, einschließlich des Rechts auf Migration in das Land der Wahl des jeweiligen Migranten. Vizepräsident Thomas Oppermann: (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wa- Herr Hebner, gestatten Sie eine Zwischenfrage der rum haben Sie sich nicht vorbereitet?) Kollegin Polat? Meine Damen und Herren, er zielt direkt darauf ab, bin- dendes Recht, Völkerrecht zu werden, Ius cogens zu sein. Martin Hebner (AfD): Eine Ratifizierung braucht es nicht. Österreich hat das er- Nein. – Wir sind ein Rechtsstaat, halten Menschen- kannt und verweigert die Annahme. Klug und besonnen rechte ein und fordern deren Einhaltung. erklärt Österreich zusätzlich den Pakt für sich als recht- Spezielle Migrantenmenschenrechte, wie sie der Glo- lich nicht verbindlich. „Persistent Objector“ heißt das bale Pakt erfindet, gibt es nicht. im Völkerrecht. Man muss klare Einwanderungsregeln zwischen Staaten gestalten und darf nicht individuelle (Beifall bei der AfD – Wolfgang Kubicki Migrantenmenschenrechte erfinden und damit den Rah- [FDP]: Steht auch gar nicht drin! Lesen! – men des Völkerrechts erweitern. Peter Beyer [CDU/CSU]: Mal lesen!) (Beifall bei der AfD) Die direkte Verwerfung, die mit seiner geplanten Umset- zung verbunden sein wird, wird unser schon jetzt arg ge- Meine Damen und Herren, im Verhältnis der Staaten schundenes Land bis zur Unkenntlichkeit verändern. Wir geht es immer um Interessen. 55 afrikanischen Staaten brauchen ein valides Einwanderungsgesetz, aber keinen beispielsweise sind eine Macht. Das jährliche Bevöl- Migrationspakt. kerungswachstum Afrikas von über 30 Millionen Men- schen entspricht der Bevölkerung aller Benelux-Länder Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. zusammen, und das Jahr für Jahr. Glauben Sie, dass der (Beifall bei der AfD) (B) globale Pakt hier ein einziges Problem Afrikas oder gar (D) Deutschlands löst? Vizepräsident Thomas Oppermann: (Zuruf von der FDP: Ja, sicher!) Die Gelegenheit zu einer Kurzintervention erhält die Meinen Sie, dass die im Globalen Pakt vereinbarte Abgeordnete Claudia Moll von der SPD. Meinungszensur, dass Migration nur positiv dargestellt werden darf, ein einziges Problem Afrikas oder Deutsch- Claudia Moll (SPD): lands löst? Sehr geehrter Herr Hebner, ich habe nicht wie Sie eine (Wolfgang Kubicki [FDP]: Wo steht denn, Universität besucht. Ich habe auch keine Akademie be- dass das nicht dargestellt werden darf?) sucht. Meine Akademie war das Leben. Meinen Sie, dass es für Deutschland hilfreich ist, die (Lachen bei Abgeordneten der AfD) derzeit mindestens 19 Petitionen zum Globalen Pakt im – Das ist lustig, ne? Lachen Sie nur! – Wissen Sie, was Petitionsausschuss weiterhin gezielt politisch zu unter- ich gelernt habe? Ich habe gelernt, dass es nicht wichtig drücken? ist, was man hat, wer man ist, was man besitzt oder wo- (Beifall bei der AfD) her man kommt, sondern dass nur wichtig ist, was einen als Menschen ausmacht. Meinen Sie, dass es Afrika hilft, wenn illegale Migrati- on durch schlichte Registrierung der Migranten über die (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf IOM und die UN zur legalen, also gesteuerten Migration von der AfD: Kommen Sie zur Sache jetzt!) umdefiniert wird? Wissen Sie, was ich gerade tue? Ich schäme mich fremd, (Aydan Özoğuz [SPD]: Das ist kompletter Blödsinn!) (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das haben Sie mir schon gesagt!) Meinen Sie, dass es keine Kriminalität mehr gibt, wenn Täter nicht mehr nach äußeren Merkmalen erfasst und dass wir hier mit diesem Lügenantrag unsere Zeit ver- geordnet strafrechtlich verfolgt werden dürfen? schwenden. Ich schäme mich so etwas von fremd, dass wir diesen Antrag in diesem Haus besprechen müssen. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Können Sie die Haben Sie ihn überhaupt vernünftig durchgelesen? Rede eigentlich auch frei halten, oder wird Ih- nen das aufgeschrieben?) (Zurufe von der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6823

Claudia Moll (A) – Ja, beschimpfen Sie mich ruhig. Das können wir gleich Dann haben Sie gerade etwas von „antisemitisch“ er- (C) gerne unter vier Augen tun. Dann darf ich nämlich sagen, zählt. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Israel die- was ich will. Am liebsten würde ich nämlich noch etwas sem Globalen Pakt für Migration nicht beitreten wird. ganz anderes sagen. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ganz dezidiert: Israel und dort maßgebliche Leute be- der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN) zeichnen diesen Pakt als Pakt der Wölfe, und in ein Land, in dem man Schafe hat, lässt man keine fremden Wölfe Vizepräsident Thomas Oppermann: hinein. Das tut man nicht. Von daher hat Israel das ganz Bevor Sie antworten, Herr Hebner, gebe ich der Kol- klar abgelehnt. legin Polat ebenfalls die Gelegenheit zu einer Kurzinter- Sie sagen, wir seien antisemitisch. Dann müssten Sie vention. Sie können dann auf beide zusammen antwor- auch sagen, dass Australien, USA, Tschechien und Polen, ten. Österreich, Ungarn, Kroatien etc. antisemitisch sind. Ich habe nächste Woche einen Termin mit dem Schweizer Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Botschafter. Er ist für Sie bestimmt auch antisemitisch, wenn er sich gegen einen Pakt, der sein Land schädigt, Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte an die Stel- wendet. lungnahme der Kollegin anschließen. Es geht hier nicht nur darum, dass dies ein Lügenantrag ist. Aus dem Büro (Beifall bei Abgeordneten der AfD) des Kollegen Abgeordneten Hebner sind mehrere Petitio- Schauen Sie, wir machen nichts anderes, als dass wir die nen lanciert worden, die zutiefst antisemitisch sind Interessen unseres Landes – genauso wie andere Län- (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) der – wahrnehmen. und um deren öffentliche Mitzeichnung gebeten wird. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Eben Ich fordere auch die Fraktionen der Koalition auf, dem nicht!) Antrag nicht zu entsprechen, dass diese Petitionen öf- Dazu sind wir als Volksvertreter definitiv verpflichtet. fentlich behandelt werden, weil sie zutiefst antisemitisch sind. (Beifall bei Abgeordneten der AfD) (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Unsinn! – Ich möchte die Kollegen der anderen Fraktionen auf die- Jürgen Braun [AfD]: Die Grünen verbreiten se Verpflichtung explizit hinweisen. (B) ständig antisemitischen Kram!) Zu den Petitionen. Da hat sich bei einer Petition ein (D) Sie kommen aus dem Büro des Kollegen Hebner und Mitarbeiter entschuldigt, weil er irgendetwas als Antwort entsprechen der AfD-Kampagne, Verschwörungstheori- veröffentlicht hat. – Meine Damen und Herren, hier wer- en voranzutreiben. Zudem ist eine Mitarbeiterin der Bun- den öffentliche Petitionen im Interesse Deutschlands zu- destagsverwaltung diffamiert worden. Dazu müssen Sie rückgehalten, einen Pakt zu behandeln, und zwar mit der sich erklären. Die Frage ist, ob Sie den entsprechenden Aussage, das würde den interkulturellen Dialog gefähr- Mitarbeiter entlassen haben. den. Das heißt, wir dürfen uns als Deutsche nicht mehr zu einem Pakt, den Deutschland abschließt, melden, weil (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, er mit dem Ausland geschlossen wird. Meine Damen und bei der SPD und der LINKEN) Herren, das ist grober Unfug, was hier passiert. (Beifall bei der AfD – Steffi Lemke [BÜND- Vizepräsident Thomas Oppermann: NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden einfach Herr Hebner. wirres Zeug!) Der Kollege, der ein Antwortschreiben mit Namen Martin Hebner (AfD): veröffentlicht hat, ohne also den Namen herauszu- nehmen, hat sich dafür explizit entschuldigt, und zwar Meine Damen und Herren, das, was gerade hier ge- mündlich und schriftlich. äußert wurde, war ein wunderschönes Potpourri aus a) Emotionen und b) Falschaussagen. (Burkhard Lischka [SPD]: Das macht er hin- terher immer!) (Ulli Nissen [SPD]: Das sagen gerade Sie!) Man kann aber eines bitte nicht machen: Es kann nicht Wir wollen das einmal der Reihe nach durchgehen. sein, dass man glaubt, aufgrund eines einzelnen Problems eine gesamte Diskussion stoppen zu können. Könnte es Jeder hier, auch wenn er keine Universität besucht hat, eventuell sein, dass Sie mit diesem vorgeschobenen Ar- ist selbstverständlich gleichberechtigt. gument nur die gesamte Diskussion unterdrücken wol- (Ulli Nissen [SPD]: Sie sind ja großzügig len? Könnte es eventuell sein, dass Ihnen das aus ideo- heute!) logischen Gründen gerade zupasskommt? Ich will auch darauf hinweisen: Es gibt viele Petitionen, unter ande- Aber deswegen pauschal etwas zu verunglimpfen, liebe rem eine von Frau Vera Lengsfeld. Frau Lengsfeld hat Frau Kollegin, ist nicht richtig. mitnichten jemanden – darauf gebe ich Ihnen Brief und 6824 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Martin Hebner (A) Siegel – antisemitisch behandelt. Also bitte keine solche schen zweiter Klasse sind, sondern dass wir auch für sie (C) Pauschalbehauptung! die Menschenrechte überall durchsetzen. Herzlichen Dank. (Beifall der Abg. Steffi Lemke [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der AfD) Sie wissen doch, wie es in den Lagern bestellt ist, dass die Menschen in die Prostitution getrieben werden, dass Vizepräsident Thomas Oppermann: sie versklavt werden. Solange wir solche Zustände auf Meine Damen und Herren, auch wenn während der der Welt dulden, werden wir der Migration nicht Herr. Debatte ein Teil des Lichts ausgegangen ist, scheint es Deswegen müssen wir Lösungen finden. mir hell genug zu sein, um mit der Debatte fortzufahren. (Beifall bei der SPD) Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Lars Dieser Pakt soll die Steuerung und Ordnung im Be- Castellucci für die Fraktion der SPD. reich der Migration verbessern. Es ist das erste Mal, dass sich die Weltgesellschaft in dem Durcheinander, in dem (Beifall bei der SPD) sie sich befindet, aufmacht, gemeinsam auf der Ebene der Vereinten Nationen die Fragen der Migration zu lö- Dr. Lars Castellucci (SPD): sen. Das ist ein großartiger Schritt. Wir freuen uns, wenn Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kol- dieser Pakt im Dezember verabschiedet werden kann. leginnen und Kollegen! Warum bekämpft die AfD mit (Beifall bei der SPD) dieser Kraft die Vereinbarung, die uns vorliegt? (Wolfgang Kubicki [FDP]: Mit welcher Vizepräsident Thomas Oppermann: Kraft? – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch Herr Castellucci, gestatten Sie eine Zwischenfrage des [AfD]) AfD-Abgeordneten Kleinwächter? Ich erinnere an ein Zitat von Herrn Gauland aus dem (SPD): Jahr 2015. Ich zitiere Sie wirklich nicht gerne, aber Sie Dr. Lars Castellucci haben damals gesagt: Wir haben schon gehört, was diese Zwischenfragen bringen. Das bringt nichts. Deswegen lasse ich sie nicht Natürlich verdanken wir unseren Wiederaufstieg in zu. erster Linie der Flüchtlingskrise. Man kann diese (Beifall bei der SPD) (B) Krise ein Glück für uns nennen. Sie war sehr hilf- (D) reich. Man kann in diesem Land gerne und jederzeit eine andere Meinung haben, aber man sollte bei der Wahr- (Zurufe von der SPD: Hört! Hört!) heit bleiben. Sie tun so, als ob das alles geheim gewesen Sie sperren sich gegen diesen Pakt und gegen diese wäre. Das Gegenteil ist der Fall: Alle Dokumente dieser Vereinbarung, weil Sie die Probleme, die wir haben, gar Verhandlungen sind öffentlich. Wir Abgeordnete waren nicht beseitigen wollen. Sie leben vielmehr von den Pro- sogar eingeladen, nach New York, nach Genf, ins Aus- blemen. Wo Sie keine Probleme sehen, malen Sie sie ex- wärtige Amt zu kommen und mitzudiskutieren. Von Ihren tra an die Wand. Kollegen habe ich da niemanden gesehen. Wir Abgeord- nete waren sogar eingeladen, nach New York, nach Genf, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ins Auswärtige Amt zu kommen und mitzudiskutieren. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Von Ihren Kollegen habe ich da niemanden gesehen. Sie verhalten sich wie ein Arzt, der seinen Patienten Gift (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten verabreicht, in der Hoffnung, dass sie kränker werden der FDP) und das Wartezimmer voll machen. Ihre Politik macht Und warum habe ich da niemanden von Ihnen gesehen? dieses Land krank! Weil Sie gemerkt hätten, dass Sie mit Ihrer Hetze völlig isoliert sind, weil die Weltgesellschaft sich aufmachen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten will, Probleme zu lösen, und nicht, Probleme zu schüren. der CDU/CSU – Fabian Jacobi [AfD]: Wer re- giert denn hier?) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Beatrix von Storch [AfD]: Die Weltgesellschaft? – In diesem Global Compact geht es um ganz wichtige Dr. Alexander Gauland [AfD]: Die anderen Aufgaben, denen wir uns gemeinsam stellen. Es geht da- Länder, Herr Castellucci? Was ist denn mit rum, die Staaten zu unterstützen, damit niemand aus Not Kroatien und Dänemark?) fliehen muss. Das ist doch unsere vordringliche Aufgabe, der wir uns stellen müssen. Sie behaupten, wir würden zur Migration anstiften. Das Gegenteil ist der Fall: Wir wollen mit diesem Pakt (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Migration steuern und ordnen. Das ist unsere Aufgabe, und das steht in diesem Pakt. Es geht darum, die Menschenrechte weltweit durchzuset- zen, dass wir keine Menschen erster und zweiter Klasse (Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder haben, dass Migrantinnen und Migranten keine Men- [SPD]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6825

Dr. Lars Castellucci (A) Sie behaupten, dass wir unsere Souveränität aufgeben Sie haben doch Extremisten in Ihren Reihen, (C) würden. Jetzt verraten Sie den Leuten doch mal, wie man Herr Castellucci!) mit einem unverbindlichen Pakt, Sie missbrauchen dieses Haus. Sie missbrauchen das (Lachen bei Abgeordneten der AfD) Thema. Und das Schäbigste ist: Sie missbrauchen am der nicht mal unterschrieben wird, staatliche Souveräni- Ende die Menschen für Ihre verfassungsfeindliche Agen- tät aufgibt. Ihr Redner hat gerade nicht mal einen völ- da. kerrechtlichen Vertrag von einer einfachen Vereinbarung (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ unterscheiden können. DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Herr Abg. Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE] – Maaßen hat doch recht! Sie haben linksradi- Dr. Alexander Gauland [AfD]: Er versteht kale Kreise in der SPD! – Gegenruf des Abg. mehr von Völkerrecht als Sie!) Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Herr Braun ist mit den Nerven fertig!) Gehen Sie erst mal in irgendein juristisches Seminar zur Nachhilfe! Es ist doch peinlich, was Sie hier abliefern. Alle großen Fragen unserer Zeit, in erster Linie die Sicherung des Friedens, dann der Klimawandel und auch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten die Migration, werden wir nur in internationaler Zusam- der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Be- menarbeit, mit internationaler Verständigung beantwor- antworten Sie doch die Frage, warum die an- ten können. Der Globale Pakt ist ein großer Schritt in deren europäischen Länder das nicht wollen!) diese Richtung. Er findet unsere volle Unterstützung. Es gibt ein Recht auf eigene Meinung, aber es gibt kein Recht auf eigene Fakten. Ich will, dass Sie bei der Vielen Dank. Wahrheit bleiben. Bleiben Sie bei der Wahrheit! Das ist (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ihre Verantwortung als Abgeordnete. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sie bleiben nicht bei der Wahrheit!) Vizepräsident Thomas Oppermann: Sie spielen mit der Angst der Menschen. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin (Widerspruch bei der AfD) Gökay Akbulut für die Fraktion Die Linke. (B) Sie schüren die Ängste der Menschen. (Beifall bei der LINKEN) (D) (Fabian Jacobi [AfD]: Sie spielen mit dem Schicksal dieses Landes!) Gökay Akbulut (DIE LINKE): Jetzt passiert aber etwas ganz Erstaunliches, nämlich, Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und dass Sie selbst Angst verspüren. Ihr Kollege Herr Höcke Kollegen! Die Funktion dieser Debatte für die AfD ist spricht sogar von „politischer Bettnässerei“; denn bei Ih- doch ganz klar: Sie merken, dass Ihr einziges Thema nen geht die Angst um, dass Sie vom Verfassungsschutz „Merkel muss weg“ von den Menschen im Land nicht beobachtet werden könnten, weil man gar nicht so genau mehr als zentral angesehen wird, und schon wollen Sie weiß, wo denn die Verfassungsfeinde unter Ihnen sind, die nächste Sau durchs Dorf treiben. die Leute, die schon in den Ländern beobachtet worden (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) sind. (Zurufe von der AfD) Eine Angst- und Fake-News-Kampagne soll Ihr Thema wieder in die Schlagzeilen bringen, weil Sie zu Renten, Jetzt geben Sie plötzlich Gutachten in Auftrag und schau- Mieten, Einkommen und guter Arbeit einfach nichts zu en, wie Sie aus der Nummer wieder herauskommen. sagen haben. Ich will Ihnen mal eines sagen: Wie soll man es denn (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- nennen, wenn vom Mahnmal der Schande die Rede ist? neten der SPD) Wie soll man es denn nennen, wenn von Umsiedlung die Rede ist, von Umvolkung, wenn man von Siedlungsge- Ohne das Thema Migration wären Sie doch völlig aufge- biet spricht? schmissen. Ihre Rassenfantasien und Ihre Umsiedlungss- (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Was hat das zenarien können Sie einfach in die Tonne kloppen! mit dem Compact zu tun?) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN so- Wie soll man es denn nennen, wenn permanent Nazijar- wie des Abg. Ulrich Lechte [FDP]) gon in diesem Hohen Haus gepflegt wird? Das nenne ich verfassungsfeindlich. Wer sich Ihre Seiten im Netz anguckt, der sieht, dass Sie eine Kampagne mit Ihren Freunden von „PI-News“, (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem „Compact“ und „Ein Prozent“ hochziehen wollen. „Um- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- volkung“ dürfen Sie zwar nach Ihrem Gutachten zum geordneten der FDP – Jürgen Braun [AfD]: Verfassungsschutz nicht mehr sagen, aber genau diesen 6826 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Gökay Akbulut (A) Quatsch wollen Sie den Leuten mit Ihrer Angstkampagne herausforderungen in der Welt und bei uns ist. Sie ist ein (C) einreden. Damit werden Sie aber nicht durchkommen. Mosaikstück, das dafür notwendig ist.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der SPD sowie des Abg. Ulrich Lechte [FDP]) Dieser Antrag gibt mir Gelegenheit, darauf einzuge- hen, dass die AfD mit der Kampagne, die sie hier ge- Ich will zu Beginn auf einige Punkte des Pakts hin- startet hat, nicht erfolgreich sein wird; denn Deutschland weisen. wird den UN-Migrationspakt unterstützen, und das ist Erstens. Es ist ein rechtlich nicht bindender Koopera- auch gut so. Ihre rechte Hetzkampagne wird nicht erfolg- tionsrahmen, und das ist durchaus sinnvoll. Wir brauchen reich sein; sie ist zum Scheitern verurteilt. Stattdessen nicht nur bindendes Völkerrecht, sondern es ist auch wird Deutschland im Dezember in Marrakesch für die wichtig, dass man über Kooperationsmöglichkeiten spre- Annahme des Paktes stimmen, und das an der Seite von chen kann, darüber, gemeinsame Probleme gemeinsam mehr als 190 Nationen. zu lösen. (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Es werden immer weniger!) Zweitens gibt es selbstverständlich weiterhin eine kla- re Trennung zwischen legaler und illegaler Migration. Der geplante Pakt ist ein Eingeständnis, dass globale Darüber hinaus wird klar statuiert, dass es das souveräne Migration und ihre Herausforderung nur in internationa- Recht der Staaten ist, auf ihrem Hoheitsgebiet Migrati- ler Kooperation gestaltet werden können. Er setzt sich für onspolitik zu regeln und zu gestalten. Genau dabei bleibt die Unteilbarkeit der Menschenrechte für alle Menschen es. ein, und das in Zeiten, in denen der politische Diskurs um Migration weit rechts geführt wird. Ein sehr gutes und (Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD]) wichtiges Zeichen! Wenn Sie die Frage stellen, warum wir das eigentlich (Beifall bei der LINKEN) machen, muss man antworten: Ja, weil wir auf eine glo- Der Migrationspakt ist ein Schritt in die richtige Rich- bale Herausforderung auch eine globale Antwort brau- tung und ein positives Beispiel dafür, wie man Migration chen. international gestalten könnte, und da müssen wir hin. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Dass der Pakt rechtlich nicht bindend ist, sehe ich der SPD sowie des Abg. Ulrich Lechte [FDP]) sogar eher kritisch. Gerade in den Punkten, in denen er (B) sich für gleiche Rechte für alle Menschen einsetzt, würde Das ist aber in der Tat nicht das Einzige. Wir wissen ganz (D) ich mir eine stärkere Bindungswirkung wünschen. Die genau, dass wir bei diesen Herausforderungen auf allen Linke tritt daher für verbindliche internationale Abkom- Ebenen der Politik ansetzen müssen: Das gilt für die Lan- men zum Schutze von Migrantinnen und Migranten ein, despolitik, das gilt für die Bundespolitik, das gilt für den verbunden mit einer echten Fluchtursachenbekämpfung. europäischen Rahmen und eben auch für den internatio- Deshalb sind wir ganz klar dafür, dass sich Deutschland nalen Rahmen. für die Annahme des Global Compact for Migration ein- setzt. (Abg. Norbert Kleinwächter [AfD]: meldet sich zu einer Zwischenfrage) Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Vizepräsident Thomas Oppermann: neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Kollege? Vizepräsident Thomas Oppermann: Nächster Redner ist der Abgeordnete Thorsten Frei für Thorsten Frei (CDU/CSU): die Fraktion der CDU/CSU. Ich würde gerne, wenn Sie einverstanden sind, Herr (Beifall bei der CDU/CSU) Präsident, zunächst auf die Punkte eingehen, die mir wichtig sind.

Thorsten Frei (CDU/CSU): Natürlich gibt es auch auf nationaler Ebene noch jede Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Menge zu tun; das wissen wir. Es wäre natürlich zu wün- Es ist nicht das erste Mal, dass wir im Deutschen Bun- schen – Frau Polat, wenn Sie uns schon ungebetene Rat- destag über diese globale Vereinbarung einer regulären, schläge erteilen –, dass die Grünen im Bundesrat nicht sicheren und ordnungsgemäßen Migration beraten. Am länger verhindern, dass Staaten, aus denen die Menschen 19. April haben wir schon einmal darüber beraten. Aber nahezu keine Anerkennung als Flüchtlinge bei uns erhal- nicht nur Parlamentsdebatten, auch öffentliche Debatten ten, zu sicheren Herkunftsstaaten werden und die Men- bieten die Gelegenheit, über solche Themen zu sprechen. schen tatsächlich wieder dorthin abgeschoben werden Und beim Thema „Global Compact“ gibt es überhaupt können. nichts, was wir verschämt unter den Scheffel stellen soll- ten. Stattdessen sollten wir darüber sprechen, dass diese (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Vereinbarung nur ein Teil der Lösung für die Migrations- ordneten der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6827

Thorsten Frei (A) Das ist etwas, wo die Grünen dazu beitragen, dass ein rausforderungen so zu gestalten, dass sie auch unseren (C) Problem in Deutschland nicht gelöst werden kann, das Interessen gerecht werden. gelöst werden könnte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall des Abg. Frank Steffel [CDU/CSU]) ordneten der SPD und der FDP) Natürlich ist es richtig, dass wir auf europäischer Ebe- Deshalb werden wir dem auf Basis eines eigenen An- ne weiter daran arbeiten müssen, den Grenzschutz effek- trags, den wir noch in diesem Monat stellen werden, zu- tiver zu gestalten und hier zu besseren Lösungen zu kom- stimmen. men. Aber klar ist doch, meine sehr verehrten Damen Herzlichen Dank. und Herren, dass wir es bei der Migration mit einem so gewaltigen Thema zu tun haben, dass wir miteinander im (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Gespräch sein müssen. Wenn wir über Flüchtlingszahlen ordneten der SPD und des Abg. Ulrich Lechte im vergangenen Jahr von knapp 70 Millionen Menschen [FDP]) sprechen, wenn wir von Migrantenzahlen bei der UN von 258 Millionen Menschen sprechen – das sind 3,3 Prozent Vizepräsident Thomas Oppermann: der Weltbevölkerung –, dann kann man doch nicht so tun, Als nächste Rednerin hat das Wort die fraktionslose als würde uns das nichts angehen, als müssten wir nicht Abgeordnete Dr. Frauke Petry. mit Herkunfts-, Transit- und anderen Ländern sprechen. (Beifall des Abg. Mario Mieruch [fraktions- Darauf zielt dieser Compact ab. Schauen Sie sich die los]) Zielsetzungen doch einmal an. In Ziel Nummer 4 geht es darum, dass die Staaten die Menschen mit rechtlich kla- (fraktionslos): ren Identifikationspapieren ausstatten. In Ziel Nummer 9 Dr. Frauke Petry geht es um die gemeinsame Bekämpfung von Schleuser- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen kriminalität. Ziel Nummer 11 ist ein gemeinsamer und und Herren! Wir debattieren heute über den UN-Migrati- koordinierter, integrierter Grenzschutz. Es würde uns in onspakt. Das Fazit der bisherigen Diskussion ist, dass die der Tat helfen, wenn auch zwischen afrikanischen Län- meisten Redner – von der Linken bis zur Union – Flucht- dern Grenzschutz stattfinden würde, wenn auch dort und sonstige Wanderungsbewegungen permanent durch- Schleuserkriminalität bekämpft würde, weil, wenn Sie einanderbringen, so wie seit Jahren. Sie haben also wenig auf Migration erst an den Grenzen Deutschlands oder gelernt. Europas reagieren, Sie der Herausforderung nicht gerecht Nachdem es also nicht gelungen ist, den Bürgern werden. Deswegen muss man früher ansetzen. Genau das (B) weiszumachen, jeder Mensch auf der Suche nach einem (D) ist unser Punkt. Dabei geht es beispielsweise auch da- besseren Leben sei ein Flüchtling, für den Asylrecht oder rum, dass wir Fluchtursachenbekämpfung betreiben und die Genfer Flüchtlingskonvention anzuwenden ist, muss damit dafür sorgen, dass die Migration eingedämmt wer- nun eine Vereinbarung geschaffen werden, die de facto den kann. Das ist die Zielsetzung dieses Paktes, und er und allmählich bisher nicht existente Rechte für jeden wird dieser Herausforderung auch gerecht. wanderungswilligen Menschen festschreibt. Dabei wi- Klar ist doch, dass nicht jeder einzelne Punkt dieser dersprechen zahlreiche Passagen aus dem Compact ge- 10 Leitlinien und 23 Zielsetzungen unseren Vorstellun- nau dem Katalog an Menschenrechten, auf dem er an- gen entsprechen muss. Das ist ein Kompromiss. Das war geblich basiert. ein zweijähriges Ringen zwischen unterschiedlichen In- Ein Beispiel: Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung teressen. der Menschenrechte. Es gibt ein Menschenrecht auf Frei- zügigkeit im eigenen Land. Man darf seine Heimat ver- (Beatrix von Storch [AfD]: Welchen Punkt lassen, und man darf natürlich dahin zurückkehren. So lehnen Sie ab? Sagen Sie es einmal!) weit, so gut, aber eben auch nicht mehr. Von der linken – Frau von Storch, ich habe Ihnen doch gerade eben vier Parlamentshälfte ist kein politischer Realismus zu erwar- oder fünf Punkte benannt, mit denen klar die Zielsetzung ten; das wissen wir. Dass aber auch CDU/CSU und FDP erreicht wird, die wir als Zielland der Migration verfol- offenbar unfähig sind, zu erkennen, dass kein globales gen müssen. Dokument jemals in der Lage sein wird, Auswanderung oder Exil schönzureden – und das ist Migration, nichts (Beatrix von Storch [AfD]: Punkte, die Sie anderes –, das ist beschämend. Auswanderung und Exil ablehnen! Sagen Sie doch mal, was Sie ableh- im Ausland sind keine Problemlösungen. Sie sind immer nen!) nur ein Ventil für politische Konflikte, die dadurch mit- nichten gelöst werden – das wissen Sie –; im Gegenteil, Das ist das, was die Bundesregierung in den Verhandlun- sie wachsen durch Wanderungsbewegungen weiter. gen proaktiv eingebracht hat. (Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau!) (Beatrix von Storch [AfD]: Sagen Sie, was Sie ablehnen!) Migration, also Exil oder Auswanderung, zerreißt Fami- lien und Freundeskreise, destabilisiert Herkunfts- und Das ist das Ergebnis unserer Politik. Deshalb ist es rich- Zielländer. Das kann nicht unser Ansinnen sein. Des- tig, dass wir nicht an der Seite stehen, sondern mitma- wegen ist auch die Hypothese im Pakt falsch, es ginge chen, wenn es darum geht, internationale Migrationshe- darum, verbindlich zu konstatieren, Migration sei in der 6828 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Dr. Frauke Petry (A) Summe positiv. Nein, meine Damen und Herren, das ist internationalen Maßnahmen, liebe Kolleginnen und Kol- (C) Bürgerverdummung. Das ist komplett falsch. legen. Wenn der Pakt also dazu dienen soll, die Umsetzung Das EU-Türkei-Abkommen funktioniert, und es hat der Menschenrechte in all den Ländern zu befördern – einen wesentlichen Beitrag zum Rückgang der Flücht- das hat uns Herr Harbarth erklärt –, in denen sie nicht lingszahlen geleistet. Wir brauchen solche Abkommen funktionieren, dann erklären Sie den Bürgern, warum das mit weiteren Staaten, insbesondere auf dem afrikanischen mit diesem Pakt plötzlich gelingen soll, wo doch selbst Kontinent. Sie wissen, dass wir als Bundesrepublik für die allgemeinverbindliche Erklärung der Menschenrech- die Rücknahme von Personen nach der Zurückweisung te dies bisher nicht bewirken konnte. im neuen Transitverfahren bereits bilaterale Abkommen So, wie ich die westlichen Demokratien verstehe, sind abgeschlossen haben und dass wir weitere solcher Ver- wir im Bundestag den Wählern, den Bürgern dieses Lan- einbarungen brauchen und schließen werden. Schließlich des verpflichtet, so wie es in allen anderen Demokrati- werden wir auch das Aufenthaltsrecht von Fachkräften en auch der Fall ist. Laut einer repräsentativen Umfrage auf der Schiene der Fachkräftezuwanderung davon ab- ist ein Drittel der Deutschen für diesen Pakt, ein Drittel hängig machen, dass mit den jeweiligen Herkunftsstaa- ist dagegen, und ein Drittel weiß es nicht. Anerkannte ten ebenfalls Rücknahmeabkommen bestehen. westliche Demokratien, darunter neun europäische Staa- Sie sehen also: Wichtige Instrumente der Steuerung ten und Israel, werden diese Vereinbarung nicht unter- und Begrenzung der Zuwanderung sind, auch wenn schreiben. Ich schlage vor, dass alle Abgeordneten dieses sie nationalen Ursprungs sind, von Übereinkünften auf Hauses die verbleibenden Wochen bis zur Abstimmung transnationaler und auf internationaler Ebene abhängig. in ihren Wahlkreisen nutzen, um über die 32 Seiten des Wer nationale Maßnahmen fordert, muss wissen, dass Dokuments mit ihren Wählern zu diskutieren. Danach er diese nur im Konzert mit internationalen Maßnahmen treffen wir uns hier wieder. Wir werden sehen, wie sich in die Tat umsetzen kann. Oder es bleibt eben ein Täu- die Stimmung im Land entwickelt hat. schungsversuch. Genau mit diesem Täuschungsversuch Herzlichen Dank. sind Sie heute aufgeflogen, Herr Gauland. Sie sind auf- geflogen, weil Sie kein einziges inhaltliches Argument (Beifall des Abg. Mario Mieruch [fraktions- vorbringen konnten. Deswegen haben Sie sich in dieser los] – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann Debatte heute bis auf die Knochen blamiert. [FDP]: Treten Sie jetzt wieder in die AfD ein nach dieser Rede? War das die Bewer- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- bungsrede, Frau Petry? – Gegenruf der Abg. neten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE (B) Dr. Frauke Petry [fraktionslos]: Die Frage GRÜNEN – Lachen des Abg. Dr. Alexander (D) war nur peinlich! – Dr. Alexander Gauland Gauland [AfD]) [AfD]: Das war eine blöde Frage, Frau Strack-­ Zimmermann! Wie immer! – Gegenruf der Das ist ganz einfach erklärbar. Deshalb war es gut, dass Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann die Sache einmal im Parlament coram publico verhandelt [FDP]: Aber offensichtlich habe ich ins Herz wird, getroffen! – Gegenruf des Dr. Alexander Gauland [AfD]: Die FDP kann sich nie ent- (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sie bringen scheiden, ob sie mal vernünftig ist oder nicht!) es ja nicht ins Parlament!) dass Sie sich den Argumenten stellen müssen und nicht Vizepräsident Thomas Oppermann: länger nur in den dunklen Ecken der sozialen Medien in Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Michael immer nur eine Richtung feuern und ohne Argumente un- Kuffer für die Fraktion der CDU/CSU. terwegs sein können. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Ihre Geheimaktion ist Michael Kuffer (CDU/CSU): gescheitert, Herr Kuffer!) Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Es ist die Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich ist der Politik von CDU und CSU, die Zuwanderung zu steuern, Druck auf Staaten mit hohen Standards wie die Bun- sie zu begrenzen bzw. an unseren nationalen Interessen desrepublik Deutschland ungleich höher als auf Staaten auszurichten. Wir haben mit der Obergrenze einen klaren mit niedrigen Standards. Und genau da setzt der Global Rahmen gezogen, und wir haben mit den Vereinbarun- Compact an. gen der Koalition von Anfang Juli zur Zurückweisung im Transitverfahren gezeigt, dass wir bereit sind, dafür (Lachen bei der AfD – Dr. Alexander Gauland effektive nationale Maßnahmen zu ergreifen. [AfD]: Sagen Sie das Herrn Kurz, Herr ­Kuffer, (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Die wirken ja Ihrem Parteifreund!) nicht!) Genau hier wird deutlich, wie sehr der Pakt den deut- Aber wenn man im Ergebnis eine nachhaltige Begren- schen Interessen der Begrenzung und Steuerung der Zu- zung und Steuerung der Zuwanderung erreichen will, wanderung entspricht. Wir wollen den Schleusern das dann geht das nur im Zusammenspiel von nationalen und Handwerk legen und Menschen ohne Bleibeperspektive Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6829

Michael Kuffer (A) von vornherein davon abhalten, sich auf den Weg über Deshalb sage ich Ihnen als letzten Satz: Ich hätte (C) das Mittelmeer zu machen. nichts dagegen, wenn der Global Compact rechtlich bin- dend wäre. (Jürgen Braun [AfD]: Kampf gegen Schleuser ist da nicht vorgesehen, Herr Kuffer! Erzählen (Zurufe von der AfD: Oh! – Dr. Alexander Sie keinen Unsinn!) Gauland [AfD]: Ja, macht nur so weiter! Macht nur so weiter!) Genau das entspricht der Zielrichtung des Global ­Compact. Deutschland hätte dabei nichts zu befürchten, sondern nur etwas zu gewinnen. (Beifall des Abg. Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]) Vielen Dank. Ziel 9: Verstärkung der grenzübergreifenden Bekämp- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- fung der Schleusung von Migranten. ordneten der SPD und des Abg. Ulrich Lechte [FDP] – Jürgen Braun [AfD]: Ihr Realitätsver- (Jürgen Braun [AfD]: Das glauben Sie doch lust ist unglaublich!) nicht, Herr Kuffer!) Es ist unsere Politik, Fluchtursachen zu bekämpfen. Ge- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: nau das entspricht der Zielrichtung des Global Compact. Vielen Dank, Herr Kollege. – Damit schließe ich die Ziel 2: Minimierung nachteiliger Triebkräfte und struk- Aussprache. tureller Faktoren, die Menschen dazu bewegen, ihre Her- Wir kommen zu dem Antrag der Fraktion der AfD auf kunftsländer zu verlassen. Drucksache 19/5530 mit dem Titel „Kein Beitritt zum Wir wollen wissen, wer zu uns kommt, damit wir an Global Compact for Migration durch die Bundesrepublik funktionierenden Grenzen sauber unterscheiden können Deutschland“. Die Fraktion der AfD wünscht Abstim- zwischen denjenigen, die unsere Hilfe in der Not brau- mung in der Sache, die Fraktionen der CDU/CSU und chen, und denjenigen, die dieser Hilfe nicht bedürfen SPD wünschen Überweisung, und zwar an den Auswär- und sie missbrauchen wollen, zwischen denjenigen, de- tigen Ausschuss. ren Aufenthalt in unserem Land unseren Interessen dient, (Jürgen Braun [AfD]: Angsthasen!) und denjenigen, die unseren Interessen zuwiderhandeln. Wir stimmen nach ständiger Übung zuerst über den Genau das entspricht der Zielsetzung des Global Antrag auf Ausschussüberweisung ab. Ich frage des- (B) Compact: Ziele 4 und 11: Sicherstellung dessen, dass alle halb: Wer stimmt für die beantragte Überweisung? – Wer (D) Migranten über den Nachweis einer rechtlichen Identität stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Dann ist die- und ausreichend Dokumente verfügen sowie integriertes, ser Antrag gegen die Stimmen der AfD mit den Stimmen sicheres und koordiniertes Grenzmanagement. Ich füge aller anderen Fraktionen dieses Hauses angenommen. hinzu: auf der Basis einer nationalen Definition dessen, Die Überweisung ist so beschlossen. was reguläre und was irreguläre Migration ist. (Martin Hebner [AfD]: Dann ist es zu spät!) (Beatrix von Storch [AfD]: Illegal! Sie ist illegal!) Damit stimmen wir heute über den Antrag auf Drucksa- che 19/5530 nicht in der Sache ab. Das ist nämlich genau der Kern dieses Compact. Ich rufe Zusatzpunkt 2 auf. Interfraktionell wird Über- Wir wollen eine zügige Aufenthaltsbeendigung und weisung der Vorlage auf Drucksache 19/5534 an die in Rückführung von den Menschen, deren Bleiberecht en- der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla- det. gen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das wollt ihr schon lange, aber ihr macht es nicht!) Ich rufe den Zusatzpunkt 3 auf. Der Antrag der Frakti- on Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5547 mit Wir wollen uns dabei weniger mit den Herkunftsstaaten dem Titel „Umsetzung des Global Compact for Migrati- herumärgern. Genau das entspricht der Zielrichtung des on – Globale Standards für die Rechte von Migrantinnen Global Compact: Ziel 21: Zusammenarbeit beim Rück- und Migranten stärken“ soll an die in der Tagesordnung kehrmanagement. aufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. Die Feder- führung ist jedoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU Und ja, natürlich benennt der Global Compact nicht und SPD wünschen Federführung beim Auswärtigen nur repressive Maßnahmen, sondern auch Maßnahmen Ausschuss, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht zur Gewährleistung von Standards. Das Entscheidende Federführung beim Ausschuss für Inneres und Heimat. ist nur – damit komme ich zum Ende –, dass Deutschland alle diese Standards ausnahmslos längst erfüllt. Weil an- Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der dere Staaten sie nicht erfüllen, war der Migrationsdruck Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen, Feder- auf Deutschland in der Vergangenheit zu hoch. Deshalb führung beim Ausschuss für Inneres und Heimat. Wer liegt es im ureigenen deutschen Interesse, international stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt zu einer Angleichung der Standards zu kommen. dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Damit ist der Über- 6830 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) weisungsvorschlag mit den Stimmen von CDU/CSU und schnell zu Komplikationen. – Meine sehr verehrten (C) SPD gegen – – Bei den Linken habe ich es nicht gesehen. Damen und Herren! Die Debatte, die wir jetzt führen, schließt sich an sich sehr gut an die Debatte an, die ge- (Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Dagegen!) rade zum Global Compact for Migration geführt wurde. – Also, dann ist dieser Überweisungsvorschlag – Feder- führung beim Ausschuss für Inneres und Heimat – gegen Es geht darum, dass wir jetzt endlich das parlamen- die Stimmen von SPD und CDU/CSU mit den Stimmen tarische Verfahren eröffnen, was die Umsetzung eines der anderen Fraktionen dieses Hauses abgelehnt. wichtigen Anliegens der Regierungskoalition anbelangt, nämlich die vier Länder Tunesien, Algerien, Marokko (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und Georgien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. NEN]: Gegen die Stimmen von AfD und den Das ist ein wichtiger Punkt im innenpolitischen Bereich Grünen abgelehnt!) des Koalitionsvertrages. – Also, ich bitte um Entschuldigung. Die Debatte der letzten zwei Stunden hat mich etwas erschöpft. Ich frage Die Bundesregierung hat schnell gehandelt. Das Bun- jetzt noch einmal. desinnenministerium hat den Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Aus unserer Sicht geht von diesem Gesetzent- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: We- wurf sehr wohl ein richtiges und gutes Signal aus. Es hat gen der schlechten Argumente!) sich bereits bei der Einstufung der sechs Westbalkanlän- Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allem Ernst: Ich der im Jahr 2016 bewährt: Die Zahlen der Asylanträge lasse abstimmen über den Überweisungsvorschlag der aus diesen Ländern sind nach der Einstufung als sichere Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Federführung beim Herkunftsländer signifikant zurückgegangen. Ich bin der Ausschuss für Inneres und Heimat. Wer stimmt für die- festen Überzeugung, dass Ähnliches auch der Fall sein sen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – dürfte, wenn wir die vier genannten Länder als sichere Dann ist dieser Überweisungsvorschlag mit den Stim- Herkunftsstaaten einstufen. men von Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD gegen die Stimmen von CDU/CSU, SPD und Linken abgelehnt. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der Alleine im vergangenen Jahr sind insgesamt Fraktionen der CDU/CSU und SPD abstimmen, Feder- 15 000 Asylverfahren von Angehörigen aus diesen vier führung beim Auswärtigen Ausschuss. Wer für diesen Ländern durchgeführt worden. Das bedeutet: Die Mitar- Überweisungsvorschlag stimmt, den bitte ich um das beiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamtes für Migra- Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält tion und Flüchtlinge hatten bei 15 000 Verfahren sehr (B) sich? – Das ist ja interessant. Dann ist dieser Überwei- sorgfältig zu prüfen, ob ein Asylbewerberstatus oder der (D) sungsvorschlag mit den Stimmen von CDU/CSU und Status als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberech- SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen, tigter zu gewähren ist. In der überwiegenden Zahl der AfD und Linken bei Enthaltung der FDP angenommen. Verfahren waren die Bescheide negativ: Bei den Bewer- bern aus Georgien betrug die Anerkennungsquote gerade Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf: mal 0,6 Prozent, bei Marokko 4,1 Prozent, bei Algerien Erste Beratung des von der Bundesregierung 2,0 Prozent und bei Tunesien 2,7 Prozent. Das bedeu- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur tet, der überwiegende Teil der Bewerber aus diesen vier Einstufung Georgiens, der Demokratischen Ländern hatte von vornherein keine Perspektive, einen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Ma- Schutzstatus zuerkannt zu bekommen. rokko und der Tunesischen Republik als si- chere Herkunftsstaaten Deshalb ist es aus unserer Sicht nur logisch und sach- gerecht, dass wir diese Länder als sichere Herkunftsstaa- Drucksache 19/5314 ten einstufen. Es gibt in all diesen vier Ländern keine Überweisungsvorschlag: Gruppenverfolgung. Es gibt keine systematische Verfol- Ausschuss für Inneres und Heimat (f) gung. Es gibt auch keine unmenschliche oder unwürdige Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Behandlung oder Bestrafung von Personen, sodass es aus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Sicht der Bundesregierung keine Gründe gibt, diese Ein- stufung der vier Länder nicht vorzunehmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- (Beifall bei der CDU/CSU) nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Kollege Dr. Stephan Mayer für die Bundesregierung. Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus (Beifall bei der CDU/CSU) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Stephan Mayer, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister des Innern, für Bau und Heimat: Stephan Mayer, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister des Innern, für Bau und Heimat: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolle- ginnen und Kollegen! Bitte ohne Doktortitel, das führt Sehr gerne. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6831

(A) Sven Lehmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): den Erstaufnahmeeinrichtungen, gerade in den neuen (C) Vielen Dank, Herr Staatssekretär, dass Sie die Frage AnKER-Einrichtungen, die mittlerweile in Betrieb sind. zulassen. – Sie haben gerade sinngemäß behauptet, es Wir können sicherlich für eine neutrale und unabhängige gäbe in den Ländern, über die wir heute sprechen, keine Beratung noch mehr tun. Aber ich sage ganz offen: Die systematische und keine Gruppenverfolgung. Beratung muss auch in die Richtung gehen, dass gerade den Personen, bei denen von vornherein und mit großer Jetzt möchte ich Sie mit etwas konfrontieren und fra- Wahrscheinlichkeit klar ist, dass der Asylbescheid nega- gen, ob Ihnen das bekannt ist, dass nämlich in den drei tiv sein wird, sehr frühzeitig Perspektiven einer freiwilli- Ländern in Nordafrika, über die wir sprechen, Marokko, gen Rückkehr in das Heimatland – auch mit finanzieller Algerien und Tunesien, Homosexualität mit bis zu drei Hilfe – eröffnet werden. Jahren Haft bestraft wird, dass es allein in Tunesien in diesem Jahr 70 Verurteilungen deswegen gegeben hat Es geht also nicht nur darum, Asylverfahrensberatung und dass die Bundesregierung auf meine Anfrage ge- in die Richtung zu betreiben, dass man die Verfahren antwortet hat, dass ihr die Zahl über die Verurteilungen möglichst in die Länge zieht und möglichst alle rechts- in Algerien noch nicht einmal bekannt sei. Das heißt, in staatlichen Mittel ausschöpft. Vielmehr sollte Asylver- diesen Ländern findet eine strukturelle Diskriminierung fahrensberatung nach unserer Auffassung auch in die und Verfolgung gerade von sexuellen Minderheiten statt. Richtung gehen, dass man frühzeitig Perspektiven einer In dieses Klima kommen Sie mit einem Gesetzentwurf, Rückkehr in das Heimatland aufzeigt. der diesen Menschenrechtsverletzungen quasi ein Güte- Wie gesagt, es bleibt bei einer individuellen Prüfung siegel erteilt. der Anträge auch aller Bewerber aus sicheren Herkunfts- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN staaten. Aber ich bin der Überzeugung, dass es gerade sowie bei Abgeordneten der LINKEN) vor dem Hintergrund der starken Belastung und der ho- hen Anzahl an noch offenen Verfahren durchaus sach- Ich möchte Sie fragen, was Sie künftig dafür tun, da- gerecht ist, dass wir die Kapazitäten im Bundesamt für mit diesen vulnerablen Gruppen ein ordentliches Verfah- Migration und Flüchtlinge auf die Länder fokussieren, ren gewährleistet wird, oder ob Ihnen das einfach egal bei denen die Anerkennungsquoten deutlich höher sind ist, weil in Ihrem Gesetzentwurf im Gegensatz zu dem als bei den vier genannten Ländern Georgien, Algerien, Gesetzentwurf der FDP zum Beispiel noch nicht einmal Marokko und Tunesien. vorgesehen ist, dass es für diese vulnerablen Gruppen eine ordentliche Rechtsberatung gibt. Aus meiner Sicht ist durchaus auch wichtig, zu erwäh- nen, dass diese vier Länder selbst den Wunsch geäußert Stephan Mayer, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- haben, als sicheres Herkunftsland eingestuft zu werden. (B) nister des Innern, für Bau und Heimat: Es ist sehr wohl eine gewisse Anerkennung der Entwick- (D) Sehr geehrter Herr Kollege, ich danke Ihnen ganz lung in diesen Ländern, wenn man sie als sichere Her- herzlich für die Frage, weil sie mir die Möglichkeit gibt, kunftsländer einstuft. Das gilt aus meiner Sicht auch für intensiver darzulegen, dass es eben nicht so ist, wie Sie die drei Maghreb-Länder. Natürlich gibt es da in rechts- es darstellen, dass nämlich Bewerbern aus sicheren Her- staatlicher Hinsicht noch Defizite; das möchte ich gar kunftsländern kein ordnungsgemäßes und rechtsstaat- nicht leugnen. Aber es gibt in diesen drei Maghreb-Län- liches Verfahren zuteilwird. Das Gegenteil ist der Fall: dern, wie schon von mir ausgeführt – das wird durch die Selbstverständlich bleibt es auch bei Bewerbern aus entsprechenden Länderberichte des Auswärtigen Amtes sicheren Herkunftsstaaten bei einer Individualprüfung. untermauert –, keine strukturelle Gruppenverfolgung. Es Jeder einzelne Asylantrag wird natürlich individuell besteht die Möglichkeit, das dortige Justizsystem in An- geprüft. Nur die Verfahren sind etwas verkürzt. Das ist spruch zu nehmen. durchaus auch ein Vorteil. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Es besteht natürlich auch für Bewerber aus sicheren Herr Staatssekretär, erlauben Sie eine weitere Zwi- Herkunftsstaaten die Möglichkeit, gegen einen negativen schenfrage der Kollegin Polat? – Das würde dazu beitra- Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlin- gen, Ihre Redezeit zu verdreifachen. ge zu klagen, sich mit allen rechtsstaatlichen Mitteln, die auch anderen abgelehnten Bewerbern zur Verfügung ste- hen, zur Wehr zu setzen. Es stimmt also nicht, was immer Stephan Mayer, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- fälschlicherweise behauptet wird, nämlich dass Bewer- nister des Innern, für Bau und Heimat: ber aus Ländern, die als sichere Herkunftsstaaten einge- Es muss keine Verdreifachung sein. Dennoch lasse ich stuft werden, kategorisch gar kein Verfahren bekommen die Frage sehr gerne zu. oder dass deren Anträge pauschal abgelehnt werden. Das Gegenteil ist der Fall. Es bleibt bei einer individuellen Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Prüfung, selbstverständlich auch bei vulnerablen Perso- Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr nen. Parlamentarischer Staatssekretär Mayer, das passt ganz Es ist uns ein wichtiges Anliegen – und wir werden gut an dieser Stelle. Ich möchte die Frage des Kollegen dieses Anliegen demnächst konkret umsetzen –, nicht Lehmann wiederholen. Sie sind in Ihrer Antwort nur in nur die Rechtsberatung für vulnerable Personen, son- Teilen auf seine Frage eingegangen. Er hat sich explizit dern auch die Asylverfahrensberatung insgesamt deut- auf die Gruppenverfolgung in den genannten Herkunfts- lich zu verbessern. Da passiert schon sehr viel Gutes in ländern bezogen. Das Bundesverfassungsgericht sagt 6832 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Filiz Polat (A) ganz klar: Ein Land ist nicht als sicher einzustufen, wenn ich jedoch etwas länger erstaunt als sonst. Die Bundes- (C) Gruppenverfolgung belegt ist. – Mein Kollege hat ge- regierung lehnte nämlich erst am 18. Oktober 2018 – das sagt, dass es nicht nur eine strukturelle Diskriminierung ist noch gar nicht so lange her – genau an dieser Stelle gibt, sondern dass die homosexuelle Identität auch straf- einen gleichlautenden Gesetzentwurf der FDP-Fraktion bewehrt ist. Was sagen Sie dazu? Aus unserer Sicht ist ab. Nun bringt die Bundesregierung diesen als eigene hiermit das Kriterium, das das Bundesverfassungsgericht Vorlage in das Parlament ein, welche sie noch vor drei in seinem Urteil erwähnt hat, nicht erfüllt. Wochen so vehement abgelehnt hatte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der AfD) Wenn man den Gesetzentwurf der Bundesregierung Stephan Mayer, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- mit dem der FDP-Fraktion vergleicht, kommt man zu nister des Innern, für Bau und Heimat: dem Schluss, dass zwei Unterschiede feststellbar sind. Sehr geehrte Frau Kollegin Polat, für uns als Bun- Zum einen hat die Bundesregierung offenbar Schwie- desinnenministerium ist der Länderbericht des Auswär- rigkeiten mit dem Alphabet; denn Georgien kommt vor tigen Amtes von entscheidender Bedeutung. Die Län- Ghana in der alphabetischen Aufzählung. Das andere be- derberichte des Auswärtigen Amtes bezüglich der drei trifft ausschließlich die Aktualität der Berichte, in denen Maghreb-Länder beinhalten klar die Aussage, dass es begründet wird, warum diese Staaten sicher sind. Der keine strukturelle Gruppenverfolgung von Homosexu- Lagebericht des Auswärtigen Amtes im ursprünglichen ellen gibt. Vor diesem Hintergrund spricht aus unserer Entwurf der FDP stammt von Ende Januar 2016. Die Sicht überhaupt nichts dagegen, diese drei Länder als Bundesregierung bezieht sich in ihrem Gesetzentwurf sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Ich bin der festen auf Lageberichte des Auswärtigen Amtes von Febru- Überzeugung, dass dies ein wichtiges politisches Signal ar 2018 für Algerien, von Januar 2018 für Marokko und ist. Wir erwarten davon die klare Wirkung, dass die Zahl von März 2018 für Tunesien. Jetzt müsste man meinen, der Anträge aus diesen Ländern in der Folge zurückge- dass die Bundesregierung bei einem solch elementaren hen wird. und dringenden Thema ein paar sehr gute und gewichti- ge Gründe hat, einen inhaltsgleichen Gesetzentwurf zu- (Beifall bei der CDU/CSU) erst abzulehnen und dafür einen eigenen einzubringen. Ich möchte nachdrücklich für den Gesetzentwurf der Dass ein solch schwerwiegender Grund vorliegen könn- Bundesregierung werben. Ich bin froh, dass dieser Ge- te, darauf wies der Kollege Detlef Seif aus der CDU/ setzentwurf nun die parlamentarischen Beratungen er- CSU-Fraktion in seiner Rede vom 18. Oktober dieses reicht hat und im parlamentarischen Verfahren ist; denn Jahres sehr deutlich hin. Ich zitiere aus dem Plenarproto- koll von diesem Tag, Seite 6338: (B) aus unserer Sicht ist wichtig, dass wir möglichst zeitnah (D) diesen Gesetzentwurf so weit gedeihen lassen, dass aus Wir hatten Sie ihm Gesetzeskraft erwachsen kann, um dann die ent- sprechenden positiven Wirkungen zu haben, und zwar – damit sind die Kollegen von der FDP gemeint – sowohl in verwaltungstechnischer Hinsicht, was die Ent- gebeten, den Antrag zu schieben, um eventuell auch lastung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge weitere Länder berücksichtigen zu können, die im anbelangt, als auch im Hinblick auf die Signalwirkung in Moment in der Prüfung sind. Die FDP hat das abge- Richtung der vier genannten Länder. lehnt. Da bleibt uns heute nichts anderes übrig, als Ich freue mich auf eine konstruktive und intensive Be- dem Beschlussvorschlag des zuständigen Innenaus- fassung mit diesem Gesetzentwurf. schusses zu entsprechen. Wir laden Sie aber gerne ein, bei dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Beifall bei der CDU/CSU) positiv mitzuwirken. Nun, sehr geehrter Herr Kollege Seif, ich kann den Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Gesetzentwurf der Bundesregierung drehen und wenden, Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär Mayer. – Als wie ich will, aber ich finde leider keine weiteren Län- nächstem Redner erteile ich das Wort Lars Herrmann von der außer Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien. der AfD-Fraktion. Es bleibt exakt bei den Ländern, die seinerzeit die FDP schon vor drei Wochen vorgeschlagen hatte. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Lars Herrmann (AfD): Ich möchte gerne auf die Begründung im Gesetzent- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- wurf eingehen. Warum sieht die Bundesregierung aus- ren! Als parlamentarischer Neuling, der ich nun einmal gerechnet bei diesen Staaten die Einstufung als sichere bin, lernt man nicht nur jeden Tag, sondern fast stündlich Herkunftsländer als erforderlich? Zuerst führt die Bun- etwas Neues hinzu. Viele Abläufe unseres Parlaments- desregierung das Argument an, dass in Deutschland noch betriebes erklären sich jedoch recht schnell von allein immer viele Asylanträge gestellt werden, die von vorn- und sind auch nachvollziehbar, selbst wenn man nicht herein sehr geringe Erfolgsaussichten haben, und diese die hellste Kerze auf der Torte ist. Über das Vorgehen Anträge daher zügig bearbeitet und entschieden werden beim von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf können, sodass im Fall einer Ablehnung auch die Rück- eines Gesetzes zur Einstufung von Georgien, Algerien, kehr schneller erfolgen kann. Kommen wir also zu den Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer war konkreten Fallzahlen. Im Jahr 2017 nahm das Bundes- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6833

Lars Herrmann (A) amt für Migration und Flüchtlinge 222 683 Asylanträge die Regelung für sichere Herkunftsländer und spielt da- (C) an. Davon waren 1,5 Prozent aus Georgien, 1,05 Prozent mit nur der georgischen Mafia in die Hände. aus Algerien, 1,06 Prozent aus Marokko und 0,25 Pro- zent aus Tunesien. Sehr geehrte Damen und Herren, ich (Beifall bei der AfD) wiege satte 106 Kilo. So spricht auch die Kriminalitätsstatistik eine eindeu- tige Sprache. Dort heißt es: (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das ist zu viel!) Der Anteil der Fälle mit Tatverdächtigen aus den Maghreb-Staaten Algerien, Tunesien und Marokko Wenn ich 0,25 Prozent abnehme, bin ich immer noch sowie aus Georgien war weiterhin deutlich höher als kräftig gebaut. Wie die Bundesregierung hier „viel“ defi- der Anteil dieser Nationalitäten an der Gruppe der niert, verwundert mich sehr. Zuwanderer ... (Beifall bei der AfD) Bei den Maghreb-Ländern liegt der Anteil an Strafta- Es muss also noch andere Gründe geben. ten, die durch Zuwanderer begangen werden, bei 14 Pro- zent. Georgische Staatsangehörige begehen 5 Prozent Jetzt zu dem Argument, dass der Aufenthalt in Deutsch- der Straftaten und machen gerade einmal 0,8 Prozent der land schneller beendet wird und die Abschiebung zügig Zuwanderer aus, aber davor scheint die Bundesregierung erfolgen kann. Derzeit befinden sich 234 603 ausreise- die Augen verschließen zu wollen. pflichtige Ausländer in Deutschland. Ich meine „Aus- länder“ hier nicht abwertend, sondern als Arbeitsbegriff (Beifall bei der AfD) im Sinne des Aufenthaltsgesetzes oder des Asylgesetzes. Noch einmal: Es spricht nichts dagegen, Algerien, 234 603, diese Zahl steigt übrigens ständig. Seit 2016 ist Marokko, Tunesien und Georgien als sichere Herkunfts- sie um 13 Prozent gestiegen, und das ist viel. Mit Stand länder einzustufen. Jedoch wird der von der Bundesre- 30. April 2018 befinden sich rund 4 000 marokkanische, gierung erhoffte Effekt, Deutschland als Zielland unat- 1 500 tunesische und 3 900 algerische Staatsangehörige traktiv zu machen, mit dieser Maßnahme allein nicht in Deutschland, die ausreisepflichtig sind. Die noch nicht funktionieren. Nur wenn gleichzeitig auch der Druck auf erfolgte Abschiebung dieser ausreisepflichtigen Auslän- die Maghreb-Staaten dahin gehend erhöht wird – und der hängt nicht an der bisher fehlenden Einstufung als zwar merklich –, dass diese ihre Staatsbürger zurückneh- sichere Herkunftsländer, sondern ist ein Beleg für die men – bei Georgien funktioniert das – und Deutschland Unfähigkeit der Bundesregierung und das Scheitern der auch eine konsequente Abschiebungspolitik betreibt, von Frau Merkel ausgerufenen nationalen Kraftanstren- wird eine Verbesserung spürbar sein. Gleichzeitig brin- gung zur Rückführung. (B) gen alle mühevoll durchgeführten Abschiebungen nichts, (D) (Beifall bei der AfD) wenn die Betroffenen problemlos wieder nach Deutsch- land einreisen können. Nun könnte man fast meinen, die AfD-Fraktion sei gegen die Einstufung dieser Staaten als sichere Her- (Beifall bei der AfD) kunftsländer; aber dem ist nicht so – ganz im Gegenteil. Wir brauchen also auch noch einen effektiven Grenz- Ich möchte hier noch weitere und nicht ganz unwichtige schutz. Gründe darstellen, warum dringend gehandelt werden muss. Vielen Dank. Beginnen wir heute ausnahmsweise mit Georgien. Es (Beifall bei der AfD) werden Gruppen der organisierten Kriminalität aus Ge- orgien noch immer als eine der am häufigsten vertrete- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: nen Nicht-EU-Nationalitäten gemeldet, die an schwerer Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächster hat das und organisierter Kriminalität in der EU beteiligt sind. Wort der Kollege Helge Lindh, SPD-Fraktion. Georgische Gruppen und organisierte Kriminalität sind äußerst mobil, vorrangig an organisierter Eigentumskri- (Beifall bei der SPD) minalität beteiligt, insbesondere an organisierten Einbrü- chen und Diebstählen, und sie sind besonders aktiv in Helge Lindh (SPD): Frankreich, Griechenland, Deutschland, Italien und Spa- nien. Sie stellen eine besondere Bedrohung für die EU Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ist dar, weil ihre Aktivitäten oftmals als niedrige Verbrechen der heute in erster Lesung eingebrachte Gesetzentwurf abgetan werden, weil die Kontrolle, die sie auf kriminel- der abschließende Schritt in Fragen der Steuerung und le Märkte ausüben, stetig zunimmt und sie mit anderen Ordnung in der Migrationspolitik? Nein. Ist das der Gruppen der organisierten Kriminalität außerhalb der EU entscheidende, abschließende Schritt, mit dem wir si- zusammenarbeiten. – Diese Einschätzung stammt aus ei- cherstellen, dass Menschen, die keinen Anspruch und nem Bericht der Europäischen Kommission vom 20. De- letztlich keine Chance auf Schutz haben, gewiss nicht zember 2017 an das EU-Parlament und den Rat. hierherkommen? Nein. Das müssen wir feststellen, wenn wir ehrlich sind. Ist das jetzt ein Grund, aufzutrumpfen Nur leider kommt man eben auf europäischer Ebe- oder Genugtuung zu empfinden oder euphorisch zu sein, ne nicht zu der richtigen Schlussfolgerung, georgische weil uns das gelingt? Nein. Ist es aber andererseits, wie Staatsangehörige erst einmal visumspflichtig zu machen; suggeriert wird, die Abschaffung des individuellen An- nein, man versucht das lange und zähe Verfahren über spruchs auf Asyl? Nein, gewiss ist es das auch nicht. 6834 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Helge Lindh (A) Ich plädiere da für viel Ehrlichkeit; denn es ist – wir zu geben, als Integrierte in den Arbeitsmarkt, als in Aus- (C) wissen es genau – ein hochemotionales, hochkontrover- bildung Integrierte dieses Land nicht wieder verlassen zu ses Thema. Wir sehen es an den Kräfteverhältnissen im müssen. Das berücksichtigen wir in diesem Gesetzent- Bundesrat. Wir sehen es innerhalb der Fraktionen, auch wurf. innerhalb derjenigen, die diesen Gesetzentwurf wahr- scheinlich mehrheitlich ablehnen werden. Ich selbst habe Eine dritte Gruppe ist zu beachten – sie ist heute nicht es im Zusammenhang mit meinem politischen Förderer das Thema –; aber ich glaube, für einen gesamtheitlichen erlebt, der in den 1990er-Jahren aktiv war, als wir das Blick sollten wir darauf achten. Es gibt schon seit Jahr- Asylrecht reformiert haben und im Zuge dessen das Kon- zehnten viele Menschen aus diesen Ländern in Deutsch- zept der sicheren Herkunftsstaaten eingeführt wurde. Er land, besonders Marokkaner, aber nicht nur diese. Sie rang damit und wurde Mitglied der SPD. Wir sprechen haben aber in der Vergangenheit nicht wirklich Angebote also über ein kontroverses Thema. Dass es kontrovers ist, von Integrationspolitik von uns erfahren. Wir sollten in ist nicht das Problem. Die Frage ist aber, wie wir darüber dem Gesamtzusammenhang auch sie nicht aus dem Blick miteinander sprechen und was wir einander vorwerfen. verlieren. Im Kern geht es – so denke ich, und so sehen wir es – Dazu kommt eine vierte Gruppe. Es kann nicht sein – darum, dass wir ein Signal an diejenigen aussenden, die wie ich versuche zu erläutern –, dass wir diejenigen, die de facto keinen Anspruch und keine Chance haben, hier in den genannten Ländern wirtschaftlich, akademisch, als Asylbewerber, als Flüchtlinge anerkannt zu werden, beruflich keine Perspektive haben, über das Asylrecht die sich aber immer noch in ebendieser Hoffnung hier- hierherholen. Das kann für uns keine Antwort und keine herbewegen. Wir sind davon überzeugt, dass es nicht Lösung sein. Weil das so ist, ist aber unsere Verantwor- Sinn einer Asylpolitik sein kann, Menschen diese Hoff- tung diejenige, ihnen in ihren Ländern Perspektiven zu nung zu machen. Das ist eine Illusion, und es ist aus un- eröffnen. Wir sollten schauen, mit welchen Instrumenta- serer Sicht nicht verantwortungsbewusst, diese Hoffnung rien es eben nicht dauerhaft Massenarbeitslosigkeit von zu nähren. gut ausgebildeten Tunesierinnen und Tunesiern gibt. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielmehr ist es sinnvoll, in einem Gesamtpaket ohne Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Scheuklappen und ohne Isolation dieses zu betrachten. Kollegin Polat? – Ich sehe, dass Sie es zulassen. Damit ist der Schritt heute, diese vier Länder zu sicheren Herkunftsländern zu machen, gleichzeitig sinnvollerwei- (B) se damit verbunden, die Gesamtkonzeption von Migrati- Helge Lindh (SPD): (D) onspolitik zu denken und auch die Frage des Einwande- Ja, selbstverständlich. rungslandes und eines Einwanderungsgesetzes als höchst virulent und aktuell zu begreifen. Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall bei der SPD) Sehr geehrter Herr Präsident! Jetzt bin ich etwas ir- ritiert. Ich wusste nicht, dass die SPD sich von einem Ich denke, wir bewegen uns hier nicht als Technokra- Einwanderungsgesetz verabschiedet hat, das schon im ten der Migration – das ist in diesem Fall auch gut –, son- Verfahren ist und das durchaus legale Einreisewege für dern wir sollten uns die betroffenen Menschengruppen genau die Gruppe, die Sie gerade genannt haben, vor- anschauen. Das sind mindestens vier, wenn nicht fünf. sieht: Die Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus Ma- Da sind zum einen – es wurde eben angesprochen – die- rokko, die den Wunsch haben, nach Deutschland zu kom- jenigen, die tatsächlich Verfolgung erfahren, die schutz- men, sollen durch das Gesetz jenseits des Asylgesetzes bedürftig sind. Unsere Aufgabe ist es, im Rahmen dieser die Möglichkeit dazu bekommen. Oder habe ich das jetzt Gesetzgebung sicherzustellen, dass diejenigen hier tat- falsch verstanden? sächlich Schutz finden; denn Ziel dieser Gesetzgebung ist es nicht – das war auch nicht so in anderen Fällen (Zurufe von der SPD: Ja! Falsch!) der Deklaration als sichere Herkunftsstaaten –, die Aner- kennungsquote zu senken. Das ist nachweislich nicht der Fall. Aber wir haben zu gewährleisten – das ist nachweis- Helge Lindh (SPD): lich Aufgabe des BAMF und des Bundesinnenministeri- Frau Polat, Sie haben es falsch verstanden und selbst ums –, dass die vereinbarte spezielle Rechtsberatung für gerade die Antwort gegeben. Deshalb wies ich ja darauf besonders vulnerable Gruppen Realität wird. Das BAMF hin, dass gerade für diejenigen, die nicht über das Nadel- muss liefern, und wir erwarten, dass es liefert. öhr der Asylpolitik hierherkommen, es Sinn macht, dass wir Einwanderungspolitik machen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die zweite Gruppe, die unsere Beachtung verdient, Sie haben gesagt, die sollen dableiben!) sind diejenigen aus diesen Ländern, die – deshalb enthält dieser Gesetzentwurf eine Stichtagsregelung – hier schon – Frau Polat, es ist eine etwas simple Wahrnehmung, das erwerbstätig sind, die eine Ausbildung durchlaufen oder eine gegen das andere auszuspielen. – Ich glaube, der die einen solchen Vertrag bis zum Stichtag abgeschlossen Sinn eines Einwanderungsgesetzes kann doch nicht sein, haben. Es wäre ja irrsinnig, diesen nicht die Möglichkeit dass alle Tunesierinnen und Tunesier, die das Land Tune- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6835

Helge Lindh (A) sien schätzen und es aufbauen, nach Deutschland kom- ohne Integrationspolitik denken. Das ist auch mein Ap- (C) men und diesem Land fehlen. Es ist ein Sowohl-als-auch. pell an das Bundesinnenministerium, an Herrn Seehofer, an Herrn Mayer: Sie haben verkündet, Sie wollen Inte- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- gration betreiben; machen Sie es! Liefern Sie auch in wie bei Abgeordneten der FDP) diesem Bereich! Denken Sie beides zusammen! Denken Es ist doch nicht ein Entweder-oder. Diejenigen, die Sie, dass diejenigen, die hier sind, auch Angebote von hier arbeiten wollen, werden in einer bestimmten Grö- uns brauchen und wir nicht in den Kategorien „Grenzen ßenordnung die Möglichkeit dazu haben. Sie werden zu“, „Augen zu“, „abschieben, fertig“ denken können. dauerhaft oder zeitweilig hier bleiben, und sie werden Nein, das kann nicht funktionieren. Das ist zudem auch die Menschen in ihrem Land unterstützen. Gleichwohl ziemlich unpolitisch. muss es doch auch unser Interesse sein, dass ganz viele Ebenso ziemlich unpolitisch ist es aber auch, zu den- Akademikerinnen und Akademiker die Demokratie und ken, dieses Thema würde keinen bewegen und wäre nicht die Wirtschaft in Tunesien aufbauen, dass sie nicht hier- mit Unsicherheiten verbunden; wir könnten weiterma- herkommen, sondern in ihrem Land Perspektiven haben. chen wie bisher. Nein, wir müssen zur Kenntnis nehmen, Alles andere ist aus meiner Sicht verantwortungslos. so mein Eindruck, dass ein großer Teil der Bevölkerung (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) dieses Landes Asylrecht will, gleichzeitig aber Unsicher- heit, Verängstigung, Unklarheit empfindet, weil Unzu- Ich wollte noch eine fünfte Gruppe nennen. Die fünfte friedenheit herrscht – da müssen wir uns auch an die ei- Gruppe sind diejenigen, die hier eben keine Perspekti- gene Nase fassen – mit dem Migrationsmanagement der ve haben und nicht unter die Schutzberechtigten fallen. letzten Jahre. Das war nicht optimal. Das ist uns nicht Unsere Verantwortung ist es auch, bei diesem Verfah- gelungen. Es ist der Auftrag, zu begreifen, dies besser ren mit der Vermutungsregelung und mit dem Kriterium zu machen. „offensichtlich unbegründet“ dafür zu sorgen, dass die Betroffenen nicht als Wirtschaftsflüchtlinge diffamiert Letzten Endes ganz unpolitisch ist es aber, nicht nur werden. Ihr Begehren passt nicht in das Asylsystem, aber „Grenzen zu“ zu wollen, sondern – das erleben wir jedes es ist nachvollziehbar. Wahrscheinlich würden wir uns in Mal, das haben wir heute auch wieder gehört – die Politik ähnlichen Situationen nicht anders verhalten. Genauso der Integration und des Asyls zu nutzen, Stimmung auf ist es mit Georgiern, die teilweise über Schlepperbanden, Kosten von Flüchtlingen zu machen, ob sie nun als Wirt- teilweise über organisierte Kriminalität, teilweise über schaftsflüchtlinge oder eben Kriminelle verunglimpft Menschenhandel hierhergelangen. Es gibt keinen Grund, werden. sie als die Schuldigen darzustellen, aber es ist deutlich zu (B) machen, dass wir die Wege schließen, aufgrund derer sie Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (D) in Kriminalität geraten. Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte. Erlauben Sie mir abschließend, die letzten Minuten nutzend, noch etwas Grundsätzliches zu sagen. Diese Helge Lindh (SPD): Veränderung, die teilweise, wie wir eben erlebt haben, Das ist das Ende der Politik. Deshalb appelliere ich hochemotional diskutiert wird, ist ein Anlass, auch ein- an uns alle: Bringen wir Nüchternheit und Sachlichkeit mal Bilanz in Fragen der gesamten Migrations- und in dieses Thema! Wagen wir einfach mehr Politik bei der Asylpolitik zu ziehen, die wir erleben. Nach jeder De- Migration! batte, in der ich hier diskutieren darf, bekomme ich im Regelfall zig Posts, Briefe und Ähnliches, die mich als Vielen Dank. „zu ausländerfreundlich“ diffamieren, die mir – High- (Beifall bei der SPD – Ulla Jelpke [DIE light der letzten Wochen – ankündigen, man solle mich LINKE]: Überhaupt nicht zum Thema!) „an der nächsten Laterne aufhängen“ oder mir „den Kopf abschlagen“. Ich bekomme in geringerer Zahl und auch nicht mit Morddrohungen, was ich schätze, von anderer Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Seite den Vorwurf, Regelungen wie diese seien Verrat, Vielen Dank, Herr Kollege Lindh. – Als Nächstes seien Mord, seien ein Verlassen des humanitären Bodens spricht zu uns die Kollegin Linda Teuteberg, FDP-Frak- der Bundesrepublik. Ich glaube, diese Zuspitzung der tion. Debatte tut uns allen und tut diesem Land nicht gut, und wir müssen sie dringend verlassen. (Beifall bei der FDP)

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Linda Teuteberg (FDP): der FDP) Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen Es kann nicht weiter sein, dass wir Auseinanderset- und Kollegen! Ich gebe zu, ich bin nur bedingt über- zungen über soziale Fragen, über zentrale Identitäts- rascht, heute schon wieder an dieser Stelle zu stehen und fragen dieses Landes allein auf dem Boden der Migra- zum Thema „sichere Herkunftsstaaten“ zu sprechen. Es tions- und Asylpolitik austragen. Es wird dieses Land ist nicht einmal einen Monat her, dass wir hier über ge- auseinanderjagen. Es kann nicht funktionieren. Deshalb nau dieses Thema und einen fast wortgleichen Gesetzent- leite ich daraus klare Aufträge ab. Diese Vorlage, dieser wurf meiner Fraktion beraten haben. „Fast wortgleich“, Gesetzentwurf ist ein Baustein. Später heute werden wir das ist wichtig. Denn es wurde ja erwähnt: Wir haben noch einen anderen beraten. Wir können ihn aber nicht tatsächlich die Notwendigkeit besonderer Rechtsbera- 6836 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Linda Teuteberg (A) tung für Gruppen, die auch in sicheren Herkunftsstaaten den nächsten Wochen und Monaten intensiv dafür wer- (C) vermehrt von Asylgründen betroffen sind, explizit vorge- ben, dass diese Regelung endlich Gesetz wird; denn mit sehen; denn das ist uns ein wichtiges Anliegen. Argumenten allein ist der ideologischen Blockade der Grünen im Bundesrat offenbar nicht beizukommen – das (Beifall bei der FDP) haben wir in den vergangenen Jahren hinreichend deut- Unser Gesetzentwurf wurde gleichwohl am Ende auch lich gesehen –, sondern dafür brauchen wir eine öffent- mit den Stimmen der Regierungskoalition hier abgelehnt, liche Debatte mit der vernehmbaren Stimme auch der aber nicht etwa aus sachlichen Gründen. Ich darf Sie zi- Bürgerinnen und Bürger. Darum ist es gut, dass jetzt der tieren, Herr Seif. Sie haben hier am 18. Oktober gesagt: Gesetzentwurf der Koalition hier im Bundestag einge- „Grundsätzlich sind wir als Union mit dem Antrag der bracht ist. Ich baue darauf, dass wir hier gemeinsam über FDP sehr zufrieden.“ Ihre Ablehnung haben Sie damals die Grenzen von Opposition und Regierung hinweg für stattdessen damit begründet, Sie wollten noch mehr Zeit dieses Gesetz eintreten; denn in diesem Parlament und haben, um weitere Staaten in die Liste aufzunehmen und unter den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes gibt es auch um für Ihr Vorhaben im Bundesrat eine Mehrheit eine breite Mehrheit dafür. Dieser Mehrheit sollten wir zu suchen. Dass es einer gewissen Logik entbehrt, dass zum Durchbruch verhelfen. Mehrheiten leichter gefunden werden können, wenn man Vielen Dank. die Liste der Staaten erweitert – geschenkt. Doch heu- te zeigt sich für jeden sichtbar, dass diese Gründe nur (Beifall bei der FDP) vorgeschoben waren. Was Sie tun wollten und was Sie getan haben, war ein rein taktisches Manöver, um vor der Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Landtagswahl in Hessen Ihren grünen Wunschpartner zu schonen. Vielen Dank, Frau Kollegin Teuteberg. – Als Nächs- tes hat das Wort die Kollegin Ulla Jelpke, Fraktion Die (Beifall bei der FDP) Linke. Das immerhin ist Ihnen gelungen. Aber um welchen (Beifall bei der LINKEN) Preis? Dass wir Georgien und die Staaten des Maghreb zu sicheren Herkunftsstaaten erklären, ist überfällig. (DIE LINKE): Über die Gründe dafür haben wir hier bereits mehrfach Ulla Jelpke gesprochen. Gesprochen haben wir auch darüber, wes- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol- halb an den Ammenmärchen von Grünen und Linken, lege Lindh, ich muss wirklich sagen: Wie man so an dem dass dadurch das individuelle Asylgrundrecht unseres Thema vorbeireden kann, wie Sie es eben in Ihren neun Grundgesetzes infrage gestellt würde, nichts dran ist. Minuten gemacht haben, ist mir völlig unverständlich (B) (D) (Beifall bei Abgeordneten der FDP) (Christoph de Vries [CDU/CSU]: War gut! War super!) Auch in Zukunft wird jeder Einzelfall geprüft und das individuelle Asylrecht geschützt. Das ist für uns selbst- vor dem Hintergrund, dass es in den Maghreb-Staaten er- verständlich. Es wurde ja schon erwähnt, dass die Erfah- hebliche Menschenrechtsverletzungen gibt; auf die sind rungen mit der Einstufung der Westbalkanstaaten genau Sie mit keinem Wort eingegangen. Ich denke wirklich: belegen, dass das Ziel erreicht wird, die Verfahren auf die Es muss doch jedem hier die Schamesröte ins Gesicht wirklich schutzbedürftigen Personen zu konzentrieren treiben, wenn man über diese ganzen Menschenrechts- und zu beschleunigen. Ich wünschte, ebenso selbstver- verletzungen einfach so hinweggeht. Ich finde, das ist ein ständlich wäre für Grüne und Linke an dieser Stelle auch Skandal. der Umgang mit der Wahrheit; denn was Sie zu diesem (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Thema – da knüpfe ich gern auch an die Ausführungen NIS 90/DIE GRÜNEN) des Kollegen Lindh an – verbreiten, das hat wenig damit zu tun. Falschinformationen zu verbreiten, ist offenbar Im Gesetzentwurf steht, in den Maghreb-Staaten wür- kein Privileg der Kollegen auf der rechten Seite dieses den keine bestimmten sozialen Gruppen verfolgt. Wir Hauses. haben es heute schon gehört: Das stimmt einfach nicht. Homosexuelle müssen in allen drei Ländern mit Gefäng- (Beifall bei der FDP – Stephan Brandner nisstrafen bis zu drei Jahren rechnen. Die Bundesregie- [AfD]: Hallo?) rung relativiert es sogar. Auch Herr Mayer hat es heute Die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten ist erprobt einfach weggeschwiegen; er hat davon abgesehen, zu und bewährt. Sie ist grundgesetzlich und europarecht- diesem Punkt Stellung zu nehmen. Sie sagen in dem Ge- lich abgesichert. Sie ist damit ein wichtiges Instrument setzentwurf: „wenn sie öffentlich sichtbar gelebt wird“, im Werkzeugkasten der deutschen Migrationspolitik. Es dann wird sie verfolgt. Ich finde es einfach unglaublich ist unsere Pflicht und unsere Verantwortung, die beste- zynisch, wenn so argumentiert wird. Die Verfolgung von henden Möglichkeiten zur Ordnung und Steuerung von Homosexualität ist keine Bagatelle, sondern tatsächlich Migration auch zu nutzen. Das ist unsere Aufgabe, und eine Menschenrechtsverletzung. die nehmen wir hier und heute wahr. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der FDP) neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir werden daher hier im Haus, in den Ländern und Mit Verfolgung müssen übrigens auch Konvertiten, auch im Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern in Christen, Atheisten rechnen. Erst im April dieses Jahres Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6837

Ulla Jelpke (A) wurde der Christ Slimane Bouhafs aus einem algerischen Außerdem stellt die Bundesregierung damit alle (C) Gefängnis entlassen, nachdem er 20 Monate dort ver- Schutzsuchenden aus dem Maghreb unter den General- bringen musste, weil er angeblich den Islam und seine verdacht des Missbrauchs; denn wenn man schon vor Propheten beleidigt hat. Beginn eines Verfahrens das Ergebnis vorwegnimmt, verweigert man dem Antragsteller eine unvoreingenom- (Abg. Beatrix von Storch [AfD] meldet sich mene Prüfung. zu einer Zwischenfrage) (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das Ergebnis wird nicht vorweggenommen!) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Damit wird dann begründet, warum Sie diese Verfahren Abgeordneten von Storch? beschleunigen. Innerhalb einer Woche werden die dann abgefertigt. Die Antworten auf Kleine Anfragen zeigen übrigens: In diesen Schnellverfahren ist die Anerken- Ulla Jelpke (DIE LINKE): nungsquote halb so hoch wie in normalen Verfahren – bei Nein. – Sieben Kirchen wurden unter formalen Vor- gleichen Herkunftsländern. wänden geschlossen. Sind das keine Menschenrechtsver- letzungen? Die Regelung der – scheinbar – sicheren Herkunfts- länder ist also eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Sie beschneidet nachweislich den Schutzanspruch von neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Flüchtlingen. Sie erhöht das Risiko, dass Verfolgte ab- gelehnt und abgeschoben werden. Das ist eine Verhöh- Amnesty International informiert ausführlich über das nung des Asylrechts und meines Erachtens eine eklatante Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen im Maghreb. Missachtung der Lehren aus der deutschen Geschichte. Da ist die Rede von Hunderten von friedlichen Demons- tranten, die 2017 in Marokko verurteilt wurden, von (Beifall bei der LINKEN) Massenfestnahmen in der Rif-Region – die Westsahara Ich will hier noch einmal die Folgen für die Betrof- wurde ja völkerrechtswidrig besetzt –, fenen aufzeigen. Ihnen bleibt bei einem ablehnenden (Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Bis heute!) Bescheid nur eine Woche Klagefrist. Eine aufschiebende Wirkung hat diese Klage nicht, sie muss im Eilverfahren von wiederkehrender unverhältnismäßiger Gewalt ge- beantragt werden, und das von Menschen, die aufgrund gen Demonstranten. Amnesty International dokumentiert einer strengen Residenzpflicht im Wohnheim praktisch 173 Fälle von Folter mit einem – so muss man klar sa- interniert sind und nur eingeschränkten Zugang zu (B) gen – eindeutigen Foltermuster. In Algerien erhalten Ver- Rechtsanwälten haben. (D) treter von Menschenrechtsorganisationen seit 2005 keine Einreiseerlaubnis. Das sagt doch alles, meine Damen und Für diese Schutzberechtigten – so heißt es im Gesetz- Herren. entwurf – soll jetzt eine Rechtsberatung aufgebaut wer- den. Es wäre doch das Mindeste, meine Damen und Her- (Beifall bei der LINKEN) ren, diese ebenfalls gesetzlich zu verankern, und zwar für Die Pressefreiheit steht meist nur auf dem Papier. Kri- alle Asylsuchenden, und nicht nur unverbindlich anzu- tische Journalisten, Blogger werden kriminalisiert, wenn kündigen. sie zu laute Kritik an den Behörden üben oder gegen die sogenannte öffentliche Moral verstoßen. Von einer unab- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: hängigen Justiz kann überhaupt nicht die Rede sein. Die Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin. Justiz ist der Regierung hörig. Am massivsten werden übrigens Frauen unterdrückt. Ulla Jelpke (DIE LINKE): In Algerien gehen Männer, die minderjährige Mädchen Ich komme zum letzten Satz. – Jeder einzelne Asyl- vergewaltigen, straffrei aus, wenn sie ihr Opfer heiraten. antrag muss unvoreingenommen, fair geprüft werden. Wer behauptet, im Maghreb gebe es praktisch keine asyl- Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. relevante Verfolgung, betreibt eine politisch kalkulierte (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Weißwäscherei brutaler Menschenrechtsverletzungen. neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Herr Mayer, die Einstufung als sicheres Herkunftsland Herzlichen Dank, Frau Kollegin Jelpke. – Als Nächs- bedeutet, dass alle Asylanträge von dort erst einmal prin- tes die Kollegin Luise Amtsberg, Bündnis 90/Die Grü- zipiell als unbegründet gelten. Im Gesetzentwurf wird nen. auch behauptet, viele Asylanträge aus dem Maghreb (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hätten „von vornherein sehr geringe Erfolgsaussichten“. Nach dem, wie ich die Menschenrechtslage geschildert Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): habe, kann man einfach nur sagen: Es ist völlig unver- ständlich, warum das hier nicht ernsthaft diskutiert wird. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Entscheidend – das ist unser Problem mit (Beifall bei der LINKEN) dem Mittel der sicheren Herkunftsstaaten – ist, dass ein 6838 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Luise Amtsberg (A) Asylantrag unvoreingenommen geprüft wird – unvorein- land. Ich wünschte mir wirklich – das ist die Hauptkri- (C) genommen! –; denn nur so ist der wirklich individuelle tik –, Sie würden so viel Kraft, wie Sie auf die Einstufung Zugang zum Asylverfahren zu gewährleisten. Ich möchte als sichere Herkunftsländer verwenden, darauf verwen- das noch einmal herausheben, weil immer gesagt wird – den, die Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt Kollege Mayer hat es auch wieder gesagt –: Es findet voranzutreiben, doch trotzdem eine Prüfung statt, und was regen Sie sich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eigentlich so auf? und bei der LINKEN) Mir ist natürlich klar, dass eine Anhörung und auch dafür zu sorgen, dass endlich der Zugang zu Sprachkur- eine Prüfung stattfinden. Aber wer behauptet, dass diese sen gewährleistet ist, eine anständige Beratung tatsäch- Anhörung denselben Spielregeln folgt wie eine Anhö- lich unabhängig und flächendeckend gewährleistet wird; rung zu nicht eingestuften Ländern, dem unterstelle ich, denn das sind die wirklichen Herausforderungen. dass er sich mit dem Ablauf von so einem Asylverfahren noch nicht richtig auseinandergesetzt hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dazu höre ich von Ihnen wenig bis nichts, und das finde und bei der LINKEN) ich arg bedauerlich. Wenn man nämlich in der Anhörung grundsätzlich da- Die zweite Ansage, die Sie machen, ganz bewusst von ausgeht – das tun Sie in Ihrem Gesetzentwurf –, dass auch forcieren, gilt meiner Fraktion. Immer dann, wenn Menschen aus diesen vier benannten Ländern grundsätz- wir sagen: „Wir lehnen dieses Mittel ab; wir lassen es lich nicht schutzbedürftig sind, widerspricht das dem Ge- irgendwo scheitern; wir finden das nicht richtig“, und das danken der unvoreingenommenen und damit individuel- auch begründen, gibt es bei der Union diejenigen, die, len Prüfung ganz eklatant. wie ich finde, mangels Argumenten sagen: „Die Grünen, die sind halt grundsätzlich gegen Abschiebungen, wollen (Beifall der Abg. Katharina Dröge [BÜND- jeden reinlassen, wollen keine Grenzkontrollen, alles un- NIS 90/DIE GRÜNEN]) gesteuert, offene Grenzen“, und was weiß ich nicht noch Uns geht es darum, dass ein Mensch bei seiner Asylan- alles. Darauf möchte ich jetzt einmal reagieren; denn die- hörung nicht in die Lage gedrängt wird, das BAMF erst se Vorwürfe sind so billig wie haltlos. einmal davon überzeugen zu müssen, dass es in mehr Wir Grünen haben als Einzige in diesem Parlament oder weniger Einzelfällen in seinem Heimatland auch die Chance wahrgenommen, das Chaos im Bundesamt Verfolgung gibt. Der schutzsuchende Mensch soll sich mit neuen, zugegebenermaßen sehr naheliegenden Vor- in seiner Anhörung darauf konzentrieren dürfen, wie alle schlägen zu lösen, parlamentarisch aktiv zu werden. (B) anderen auch, sein ganz individuelles Schicksal darzu- (D) legen, zu erzählen, was ihm widerfahren ist; nicht mehr (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Sie und nicht weniger ist seine Rolle in diesem Asylverfah- wurden aber vorher im BMI geändert, nicht ren, meine Damen und Herren. aufgrund des Antrags! Also bitte!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir haben auch immer gesagt, dass jemand, der po- und bei der LINKEN) litisch nicht verfolgt wird, sich nicht auf das Asylrecht berufen kann. Wenn jemand kein asylunabhängiges Blei- Deshalb – für alle, die die Spannung nicht bis zum berecht hat, dann ist die Rückkehr in das Heimatland die Schluss aushalten können –: Wir lehnen diesen Gesetz- logische Konsequenz. Aber, meine Damen und Herren, entwurf natürlich ab. Der Grund, den ich gerade darge- wir sind eine Rechtsstaatspartei, und das heißt für uns, legt habe, ist nicht der einzige, meine Damen und Herren. dass wir nicht Umstände konstruieren – genau das pas- Wir haben das Thema gefühlt zum hundertsten Mal seit siert mit dieser Einstufung –, 2015 hier auf der Tagesordnung, und ich fürchte, dass es auch nicht das letzte Mal sein wird; denn Sie haben (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gefallen daran gefunden, die Welt in „sicher“ und „unsi- sowie Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) cher“ einzuteilen, nicht deshalb, weil sie sich so einteilen die zu einer Rückkehr führen. Das ist genau der Punkt: lässt, sondern deshalb, weil es Ihre einzige Antwort in dass wir nicht afghanische Jugendliche aus ihren Be- der Flüchtlingspolitik zu sein scheint. rufsschulklassen reißen, um sie in ein Krisenland abzu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schieben, dass wir nicht behaupten, in manchen Ländern und bei der LINKEN) sei es sicher, nur um dahin abzuschieben, dass wir nicht Menschen aus Krankenhäusern abholen, um sie abzu- Das ist eigentlich das zweite Argument für mich, das schieben, oder – wie wir es jetzt von Einzelnen aus der ausschlaggebend ist; denn Sie machen diese Frage in Union hören – Menschen nach Syrien abschieben, weil zweierlei Hinsicht zu einer populistischen Ansage, zum es innenpolitisch gerade irgendwie passt. Das ist nämlich einen deshalb, weil Sie den Menschen in Deutschland das Gegenteil von Rechtsstaatlichkeit und Humanität. vormachen, dass Sie mit der Einstufung dieser Länder (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Probleme lösen, dass weniger Flüchtlinge nach Deutsch- und bei der LINKEN) land kommen und anderes. Ich möchte einmal darauf verweisen: Wir reden hier von knapp 6 200 Menschen Ich könnte jetzt noch etwas zu Grenzschutz und Steu- in diesem Jahr, also einem verschwindend kleinen Anteil erung – Familiennachzug ist ein klassisches Steuerungs- innerhalb der Gruppe der Schutzsuchenden in Deutsch- instrument – und dem Resettlement-Programm der Ver- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6839

Luise Amtsberg (A) einten Nationen sagen. All das sehen Sie und wollen Sie Als nächster Redner spricht zu uns der Kollege (C) nicht. Michael Brand. Bezeichnend ist: Seit 13 Jahren trägt die Union die (Beifall bei der CDU/CSU) Verantwortung im Innenministerium. 13 Jahre hatten Sie die Chance, menschenrechtsbasierte Abkommen mit die- sen Ländern zu schließen, an der Menschenrechtsbilanz Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU): vor Ort wirklich etwas zu verändern; die Chance haben Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie nicht wahrgenommen. Ich frage mich wirklich: Wa- Über was sprechen wir heute hier? Wir sprechen nicht rum schielen Sie eigentlich immer zu den Grünen und darüber, dass Menschen, die in ihren Heimatländern ver- suchen unsere Unterstützung für solche Vorhaben? Das folgt und an Leib und Leben bedroht sind, künftig etwa kann ich nicht verstehen. Unsere Unterstützung werden kein Recht mehr auf Asyl hätten. Wir sprechen auch nicht Sie auch nicht bekommen. darüber, dass wir Länder wie Algerien, Marokko, Tune- sien und Georgien sich selbst überlassen; das wäre kurz- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sichtig und auch nicht im Interesse Deutschlands und sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE]) Europas an mehr Stabilität. Über all das sprechen wir Das dritte Argument für unsere Ablehnung bezieht nicht. Wir führen keine Schwarz-weiß-Debatte. Was wir sich auf ein Thema, mit dem Innenpolitiker häufig nicht als Koalition wollen, ist, in offensichtlich unbegründeten viel anfangen können: die Außenpolitik. Sie selbst zäh- Fällen, Verfahren zu beschleunigen, indem Anträge zü- len in der Begründung dieses Gesetzentwurfs zahlreiche giger bearbeitet und schneller entschieden werden kön- Menschenrechtsverletzungen in den Ländern, die Sie als nen, sodass im Falle einer Ablehnung auch die Rückkehr sicher einstufen wollen, auf: Berichte über Folter und schneller erfolgen kann. Misshandlungen in Polizeigewahrsam und Haftanstalten, Straflosigkeit von Beamten in solchen Misshandlungs- (Beifall bei der CDU/CSU) fällen, die gesetzlich angelegte Verfolgung von Homose- Zuwanderung besser steuern und begrenzen, beim Er- xualität, wir haben sie heute schon mehrfach behandelt. reichen dieses Ziels – das beweisen auch die Zahlen – Wenn Sie, Herr Kollege Mayer, sich hierhinstellen und sind wir deutlich vorangekommen. An offensichtlich sagen: „Das ist nicht systematisch“, dann frage ich mich: unbegründeten Asylverfahren kann doch niemand mit Was ist denn systematisch, wenn nicht das im Gesetz nie- Vernunft Interesse haben. Sie belasten Bund, Länder und dergeschriebene Verfolgen und Inhaftieren von Homose- Kommunen in vielfacher Hinsicht und gehen im Ergeb- xuellen? Welche Kategorie erfüllt das? nis zulasten der tatsächlich schutzbedürftigen Asylsu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN chenden, da für sie weniger Kapazitäten zur Verfügung (B) (D) und bei der LINKEN – Filiz Polat [BÜND- stehen. Das Recht auf politisches Asyl gilt aus guten NIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage können Gründen ausschließlich in Fällen politischer Verfolgung. wir auch an die SPD stellen!) Es liegt nicht zuletzt im Interesse der Länder selbst, Ich verstehe es nicht, und solange Sie keine Antwort dass sie als sichere Herkunftsländer anerkannt werden. auf diese Frage haben, werden wir in dieser Sache auch So war es doch auch bei den Ländern des westlichen nicht weiter ins Gespräch kommen können. Im Übrigen Balkans: Die Anzahl aussichtsloser Asylanträge ist hier sind das allesamt Punkte, die nicht wir als Grüne uns aus- nachweislich erheblich gesunken. Liebe Kolleginnen gedacht haben, sondern es sind Vorgaben des Bundesver- und Kollegen, wir erinnern uns an die Bilder, als die fassungsgerichts: Es muss Verfolgungsfreiheit im ganzen damalige kosovarische Präsidentin am Busbahnhof der Land herrschen; die gibt es in allen drei genannten Län- Hauptstadt Pristina ihre Bürger eindringlich aufgefordert dern, über die wir hier diskutiert haben, nicht. Nehmen hat, im Land zu bleiben, weil sie dort gebraucht werden Sie das bitte endlich zur Kenntnis, und hören Sie auf, uns und ihre offensichtlich unbegründeten Anträge keine dafür zu kritisieren, dass wir mit guten Argumenten die- Aussicht auf Erfolg haben. Deswegen: Die Einstufung sem Vorhaben ein Ende setzen. bestimmter Länder als sichere Herkunftsstaaten ist ver- antwortbar und sogar geboten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/ Vizepräsident Wolfgang Kubicki: DIE GRÜNEN]: Das hat doch mit der Ansage Frau Kollegin Amtsberg, bleiben Sie kurz bei mir. der kosovarischen Präsidentin nichts zu tun!) Ich werde ignoriert, ich sehe das schon. – Frau Kollegin Ungebremste Zuwanderung will niemand, Humanität Amtsberg, vielleicht darf ich auf Ihre Eingangsbemer- und Hilfsbereitschaft für verfolgte Menschen hingegen kung eingehen und darauf hinweisen: Selbstverständlich schon. Es geht um das Schicksal von Menschen und um haben Sie das Recht, zu fragen, auch wenn Sie noch re- eine bessere Ordnung für Europa. Ich lasse jetzt mal be- den; aber ich bin nicht verpflichtet, diese Zwischenfrage wusst die Extrempositionen außen vor; denn die kennt zuzulassen. man ja schon: Auf der linken Seite spricht die Linke (Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- entgegen den Fakten schrill und ideologisch von „Zynis- NEN]: Das ist richtig! So habe ich die Ge- mus“ und „blankem Hohn“ – Frau Jelpke hat in der letz- schäftsordnung auch verstanden, Herr Präsi- ten Debatte gesagt, das Recht auf Asyl würde angeblich dent!) abgeschafft werden –, und von der rechten Seite kommt 6840 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Michael Brand (Fulda) (A) genauso schrill und ideologisch die kaltherzige Parole Entsprechend den Vorgaben des Bundesverfas- (C) „Das Boot ist voll.“ sungsgerichts wurde geprüft, ob die Verfolgungs- freiheit landesweit besteht und ob nicht nur be- Ich glaube, dass wir – deswegen haben wir das im stimmte Gruppen verfolgungsfrei sind, andere Koalitionsvertrag so festgeschrieben – eine angemessene Gruppen dagegen verfolgt werden. Regelung brauchen. Ich zitiere:

Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung wer- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: den Algerien, Marokko und Tunesien sowie weitere Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Staaten mit einer regelmäßigen Anerkennungsquote unter fünf Prozent zu sicheren Herkunftsstaaten be- stimmt. Der Individualanspruch auf Einzelfallprü- Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU): fung bleibt unberührt. Gleichzeitig wird durch eine Das war das Zitat, sehr geehrter Herr Präsident. – spezielle Rechtsberatung für besonders vulnerable Ich denke, dass auch mit dem Koalitionsvertrag der Fluchtgruppen deren besondere Schutzwürdigkeit schwarz-grünen Regierung in Baden-Württemberg da- berücksichtigt. rauf richtet reagiert worden ist. Deswegen richte ich den Das sind die Fakten. Ich finde, das ist eine sehr ausge- Appell an die Grünen im Bund – die eben nicht schwarz- wogene Regelung, die CDU/CSU und SPD hier gefunden weiß denken sollten, wie links und rechts –, sich zu besin- haben. Die FDP hat sich ja auch in diese Richtung geäu- nen, auch jetzt bei den Verhandlungen zwischen Schwarz ßert, bei der letzten Debatte noch etwas beeinflusst durch und Grün in Hessen und auch in Sachsen-Anhalt bei der die Hessenwahl, aber geschenkt, die Wahlen sind rum. sogenannten Kenia-Regierung. Ich zitiere die Fraktions- Auch aus den Reihen der Grünen gab es unterschiedliche vorsitzende der Grünen nach der letzten Regierungser- Positionen; auch das, Frau Amtsberg, gehört erwähnt. klärung der Bundeskanzlerin: „Tun Sie endlich, was zu Ministerpräsident Kretschmann spricht anders als Herr tun ist.“ Ich glaube, dass wir eine sehr ausgewogene Habeck. Und jeder weiß, dass das Vorhaben beim ersten Lösung haben. Deswegen: Nicht schwarz-weiß denken, Versuch im Jahr 2016 im Bundesrat gescheitert ist. sondern den Weg frei machen. Ich glaube, das ist eine sehr vernünftige Lösung. Ich möchte die Debatte nicht dazu nutzen, in Schwarz- weiß-Denken zu verfallen, sondern ich möchte die Gele- Vielen Dank. genheit nutzen, an die Grünen zu appellieren, den Weg (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- im Bundesrat freizumachen; denn Ihre Forderung, die ordneten der FDP) Länder, die ich genannt habe, beim Aufbau von Rechts- (B) staatlichkeit und Stärkung von Zivilgesellschaft zu unter- (D) stützen, ist richtig. Deshalb tun wir das ja auch. Die Axt Vizepräsident Wolfgang Kubicki: an das Asylrecht zu legen, wäre natürlich falsch, auch Vielen Dank, Herr Kollege. Ich weise darauf hin, dass da haben Sie recht. Deswegen bleibt der Individualan- einem nachfolgenden Redner der CDU/CSU-Fraktion spruch auf Einzelfallprüfung, auch bei den Verfahren bei die Redezeit um eine Minute gekürzt wird. – Ich rufe als sicheren Herkunftsländern, und natürlich dürfen Men- nächste Rednerin die Kollegin Gabriela Heinrich von der schenrechtsverletzungen nicht unter den Teppich gekehrt SPD-Fraktion auf. werden. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der FDP) Gabriela Heinrich (SPD): Wenn die Bundesregierung anhand von Rechtslage, Rechtsanwendung und dem Heranziehen der Schutzquo- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- ten im Asylverfahren – ich nenne sie noch einmal: 2017 ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedes Jahr kom- liegen sie bei Georgien bei 0,6 Prozent, bei Algerien bei men Menschen aus Tunesien, Algerien, Marokko und 2 Prozent, bei Marokko bei 4,1 Prozent, bei Tunesien Georgien zu uns. Darunter sind viele junge Männer. Sie bei 2,7 Prozent – und der sorgfältigen Prüfung der poli- bringen Hoffnungen mit – auf berufliche Chancen, auf tischen Verhältnisse zu dem nachvollziehbaren Ergebnis eine Zukunft, die sie in ihrer Heimat eben nicht sehen. kommt, dass es in diesen Staaten – das muss man diffe- Gerade in Nordafrika strömen viele junge Menschen auf renziert betrachten; es sagt ja keiner, es gebe keine Men- den Arbeitsmarkt, häufig gut ausgebildet, aber genügend schenrechtsverletzungen – generelle, systematische und Arbeitsplätze gibt es für sie in ihren Ländern nicht. durchgängige Verfolgung nicht gibt, muss daraus auch Deshalb versuchen viele, nach Europa zu kommen. eine politische Handlung entstehen und angemessen ge- Über die Asylanträge von 15 000 Menschen aus diesen handelt werden. Staaten wurde im letzten Jahr in Deutschland entschie- (Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- den. Für die allermeisten hat die Entscheidung nur ei- NEN]: Das sehen wir nicht anders!) nes gebracht: Enttäuschung. Weil das Asylrecht für die meisten nicht der richtige Weg ist. Deshalb ist es gut, das Im Übrigen finden Sie auch in dem Gesetzentwurf der Recht auf Asyl und die Regeln für Erwerbsmigration klar Bundesregierung eine Stellungnahme zu dem, was Sie zu trennen. Dabei wird uns in Zukunft das Fachkräftezu- zum Bundesverfassungsgericht gesagt haben. Ich zitiere wanderungsgesetz helfen. Aus Sicht der SPD ist das ein abschließend: großer Fortschritt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6841

Gabriela Heinrich (A) 2017 lag die Schutzquote für Tunesien, Algerien, Ma- Der vorliegende Gesetzentwurf kann dabei helfen, für (C) rokko und Georgien – wie schon häufig hier erwähnt – alle Beteiligten schneller Klarheit zu schaffen und das nur zwischen 0,6 und 4,1 Prozent. Anders als behauptet, Recht auf Asyl und die Erwerbsmigration klarer vonei- kommen auch die Gerichte in der Regel zu keiner ande- nander zu trennen. Deswegen mein Appell: Lassen Sie ren Entscheidung. Nur in 28 Fällen, das sind 2 Prozent, in den kommenden Beratungen – und vor allem später wurde seitens der Gerichte im ersten Quartal 2018 ein auch im Bundesrat – dieses Vorhaben nicht aus Prinzip Schutz ausgesprochen. scheitern. (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank. Das ist aber kein Grund für die Einstufung!) (Beifall bei der SPD) Mit dem Gesetz zur Einstufung weiterer sicherer Her- kunftsstaaten wollen wir tatsächlich pragmatisch vorge- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: hen. Wir senden damit das Signal aus, dass das Asylrecht Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes hat das nicht der richtige Weg ist, wenn es um Erwerbsmigrati- Wort der Kollege Stephan Thomae, FDP-Fraktion. on geht. Das bedeutet auch: Wir wollen den Menschen aus diesen Staaten keine falschen Hoffnungen machen. (Beifall bei der FDP) Dabei ist für uns als SPD-Bundestagsfraktion besonders wichtig: Eine Einstufung als sicheres Herkunftsland – Stephan Thomae (FDP): darüber haben wir heute schon viel debattiert – bedeu- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kolle- tet eben nicht, dass niemand mehr aus diesen Ländern gen! Meine Damen und Herren! Für die Freien Demokra- Schutz erhalten könnte. ten muss eine richtige Asyl-, Flüchtlings- und Einwande- rungspolitik einerseits weltoffen sein, aber andererseits Besonders wichtig ist mir deshalb, dass wir in Zukunft auch klare Regeln setzen. Das erscheint uns bei diesem für besonders vulnerable – also besonders verletzliche – Gesetzentwurf der Regierung der Fall zu sein. Das er- Fluchtgruppen eine spezielle Rechtsberatung anbieten staunt nicht weiter, weil die Freien Demokraten – Sie ha- werden. ben das schon mehrfach gehört haben – schon im Februar (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: dieses Jahres einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der Also nicht einmal für alle!) nach gleichen Prinzipien vorgeht, Das Konzept soll und muss so schnell wie möglich vom (Beifall bei der FDP – Luise Amtsberg Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgearbeitet [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Sie ab- geschrieben haben von der Bundesregierung!) (B) werden. (D) (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: den aber die Koalition damals noch ablehnte, unter an- Das ist nicht im Haushalt eingestellt!) derem mit dem Hinweis darauf, dass im Bundesrat noch unklar sei, ob die Mehrheiten dort sicher seien. Es wird unter anderem denjenigen helfen, die wegen ih- (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Was rer sexuellen Orientierung in Nordafrika verfolgt werden. war denn Ihre Intention? Die Hessenwahl viel- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten leicht?) der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/ Jetzt, drei Wochen später, sind Sie auch nicht sicherer DIE GRÜNEN]: Die Caritas hat Sie aufgefor- oder unsicherer geworden. Deshalb liegt es natürlich dert, dafür etwas im Haushalt einzustellen!) nahe, anzunehmen, dass das Motiv damals bestand, vor Das ist letztlich der gleiche Weg, den wir grundsätz- den Landtagswahlen in Hessen den dortigen grünen Ko- lich mit einer unabhängigen Verfahrensberatung gehen alitionspartner zu schonen. wollen: Wenn die Antragsteller und Antragstellerinnen (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ist von Beginn an beraten werden, wissen sie, was auf sie aber eine sehr kleine Münze! Herr Kollege, zukommt. Sie wissen dann, dass sie bei der Anhörung im diese kleine Münze haben Sie doch gar nicht Asylverfahren alle Fakten auf den Tisch legen müssen. nötig!) So können wir besser sicherstellen, dass auch in Zukunft Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern Somit wende ich mich an die Kolleginnen und Kol- Schutz in Deutschland erhalten, wenn sie ihn brauchen, legen von den Grünen. Bei aller Wertschätzung denke und damit den individuellen Anspruch jedes Einzelnen ich, dass es zunächst einmal gut ist, dass jetzt klargestellt sichern. ist: Die Einstufung als ein sicheres Herkunftsland heißt nicht, dass ein Individualanspruch auf Einzelfallprüfung (Beifall bei der SPD) ganz entfällt. Es ist schon einmal gut, dass wir uns darauf verständigen können. Es heißt nur, es gibt eine wider- Meine Damen und Herren, gerade die Probleme in legliche Vermutung, dass jemand, der aus einem solchen Nordafrika lösen wir nicht durch das Asylrecht. Wir set- Land stammt, keiner Verfolgung unterliegt, die einen zen als Große Koalition auf eine starke Entwicklungs- Asylanspruch auslöst. zusammenarbeit und auf eine Transformationspartner- schaft. Wir fördern Wirtschaftsentwicklung, Ausbildung, (Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Qualifizierung und auch Arbeitsvermittlung, um vor Ort NEN]: Danke, Herr Thomae! Endlich hat das Chancen zu schaffen. mal jemand ausgesprochen!) 6842 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Stephan Thomae (A) Niemand behauptet, dass die Quote null sei, dass es ich Ihren Einwand – das hoffe ich jedenfalls –, teile ihn (C) in diesen Ländern keine Verfolgung gebe, die zum Asyl aber nicht. berechtigt. Aber von Herrn Staatssekretär Mayer haben wir auch schon gehört, dass die Anerkennungsquoten Jetzt habe ich nur noch wenig Zeit. Ich will noch einen dermaßen gering seien – zwischen 0,6 und 1,4 Prozent Punkt hinzufügen, nachdem Sie, Frau Kollegin Amtsberg, im Jahr 2017 –, dass jedenfalls die gesetzliche Vermu- sagten: Wir sollten nicht zu viel Zeit und Energie ver- tung bestehe, dass jemand in einem solchen Land keiner schwenden und uns nicht immer und immer wieder mit Verfolgung unterliegt, die einen Asylanspruch auslöst. diesem gleichen Thema der sicheren Herkunftsländer be- schäftigen. – Es ist aber doch ein Anliegen der Grünen, (Abg. Luise Amtsberg meldet sich zu einer sich genau denjenigen zuzuwenden, punktgenau sozusa- Zwischenfrage) gen, die wirklich schutzbedürftig sind. Und das können wir doch eigentlich besser, Natürlich, Frau Kollegin Amtsberg, verstehe ich schon – vielleicht nehme ich jetzt die Antwort auf Ihre (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Schöne Argu- Frage vorweg –, dass Sie sagen: Dann ist doch die An- mente!) hörung – Sie nannten es – voreingenommen. – Sie for- derten, dass jeder Bewerber eine unvoreingenommene wenn wir uns – auch im Rahmen unserer Integrations- Chance erhalten soll, seinen Antrag zu stellen. Aber das bemühungen – punktgenau auf diejenigen konzentrieren heißt doch nicht, dass die Behörde voreingenommen können, die unseres Schutzes wirklich bedürfen. Das ist wäre. auch das, was die FDP – die Grünen übrigens auch – mit dem Konzept eines Einwanderungsgesetzbuches, in dem auch ein integrationspolitisches Leitbild enthalten ist, Vizepräsident Wolfgang Kubicki: will. Herr Kollege, erlauben Sie trotzdem eine Zwischen- Aus diesem Grunde – frage der Kollegin Amtsberg?

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Stephan Thomae (FDP): Kommen Sie jetzt zum Schluss, Herr Kollege. Natürlich erlaube ich sie.

Stephan Thomae (FDP): Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – wird die FDP nicht nur dem heutigen Überweisungs- Vielen Dank, Herr Kollege Thomae, dass Sie die Frage vorschlag zustimmen, sondern auch das Gesetzesvorha- (B) zulassen. Um Sie zu beruhigen: Sie haben meine Frage ben insgesamt in der Ausschussberatung wohlwollend (D) noch nicht beantwortet. Ich war Ihnen aber sehr dankbar, begleiten. dass Sie eben zumindest richtig dargestellt haben, wo wir die Probleme sehen. Vielen Dank. Die unvoreingenommene Prüfung ist das eine. Das (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten andere ist: Man kann ja auch die Auffassung vertreten, der CDU/CSU) dass es gerade für Menschen aus den Ländern, für die die Schutzquote vielleicht vollkommen korrekterweise – das Vizepräsident Wolfgang Kubicki: unterstelle ich jetzt mal – sehr, sehr niedrig ist, deutlich aufwendiger ist, Verfolgung nachzuweisen. Aus dieser Vielen Dank, Herr Kollege Thomae. – Als Nächstes Vermutung heraus könnte man ja vielleicht auch ablei- der Kollege Christoph de Vries, CDU/CSU-Fraktion. ten, dass man gerade für solche Länder, die als sicheres (Beifall bei der CDU/CSU) Herkunftsland eingestuft wurden – also weniger Prüfung, weil man zwar unvoreingenommen, aber sozusagen mit Voraussetzungen ins Asylverfahren geht –, die richtigen Christoph de Vries (CDU/CSU): Schutzgründe in einem verkürzten Verfahren, das eben Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! anderen Spielregeln folgt, erst recht nicht herausfinden Wenn man der Debatte folgt, könnte man schon fast sa- kann. Das wäre die Haltung der Fraktion der Grünen. Ich gen: Und täglich grüßt das Murmeltier. Das ist ja schon frage Sie, ob Sie das nachvollziehen können. fast ein Déjà-vu vergangener Debatten: Erinnern wir uns an den ersten Anlauf, die Maghreb-Staaten als sichere Stephan Thomae (FDP): Herkunftsstaaten zu deklarieren. Ich glaube, auch bei der Einstufung der Westbalkanstaaten hatten wir damals ei- Ich jedenfalls teile Ihre Befürchtungen nicht; denn nen ähnlichen Verlauf. Ein Muster ist immer gleich: Wenn natürlich ist es jedem unbenommen in dem Verfahren in es darum geht, die missbräuchliche Inanspruchnahme aller Ausführlichkeit darzulegen, weshalb er persönlich des Asylrechts einzudämmen und sich auf die wirklich doch einer individuellen Verfolgung aus politischen, eth- Schutzbedürftigen zu konzentrieren, dann stoßen wir hier nischen, sexuellen oder religiösen Gründen unterliegt. als verantwortungsbewusste Regierungskoalition auf den Das kann er ja in diesem Verfahren tun, das ihm offen- Widerstand der Grünen in Bundestag und Bundesrat. Das steht. Er muss nur in der verkürzten Frist Klage erheben. ist leider die traurige Realität, meine Damen und Herren. Aber im Verfahren hat er genau die gleiche Zeit wie der andere auch, seine Gründe darzutun. Von daher verstehe (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6843

Christoph de Vries (A) Dass die Westbalkanstaaten seit 2016 als sichere Her- Denn wie Sie da argumentieren, das ist doch nichts als (C) kunftsländer gelten, haben wir ja auf grüner Seite allein blanker Linkspopulismus, das ist die systematische Aus- einem einzigen verantwortungsbewussten Spitzenpoliti- blendung aller Fakten, und das ist auch ein Ignorieren der ker zu verdanken. Denn nur durch die Unterstützung des gesellschaftlichen Stimmung in Deutschland. Ministerpräsidenten Kretschmann, der damals sehr ver- nünftig agierte und der sich der Verweigerungshaltung (Zuruf der Abg. Luise Amtsberg [BÜND- seiner Partei widersetzte, konnten die Westbalkanstaaten NIS 90/DIE GRÜNEN]) und einige afrikanische Staaten als sichere Herkunfts- Die Zahlen sind ja alle genannt worden. Die Einstu- staaten deklariert werden. Daran kann man sehen: Herr fung als sicheres Herkunftsland entspricht deutschem Kretschmann betet nicht nur für die deutsche Kanzlerin, Recht, sie entspricht europäischem Recht, sie führt zu ei- sondern er weiß auch, was Vernunft heißt, meine Damen ner Beschleunigung der Asylverfahren, und sie hilft, den und Herren – und das ist auch gut so. Aufenthalt von Menschen in Deutschland schneller zu (Beifall bei der CDU/CSU) beenden, die aus asylfremden Gründen nach Deutschland gekommen sind. Damit werden wir weniger attraktiv als Wenn ich mir die Entwicklung der Asylbewerberzah- Zielland, ohne dass wir den Anspruch auf ein individuel- len aus dieser Region anschaue, dann kann ich nur sagen: les Prüfrecht damit einschränken. Das muss doch auch in Gut so! Das Resultat kann sich ja wirklich sehen lassen. unserem Interesse sein. Nun können Sie natürlich sagen: Daran können Sie sich ein Beispiel nehmen, liebe Grü- Herr de Vries, andere Partei, das interessiert uns alles ne. Denn wie sieht denn der Faktencheck für den West- nicht, unsere Klientel ist davon ja nicht betroffen. balkan aus? Die Gesamtzahl der Asylanträge aus dieser Region ist seit 2015 um 85 Prozent gesunken. Das zeigt (Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- doch, wie wirksam dieses Instrument der Einstufung als NEN]: Das stimmt ja nicht!) sichere Herkunftsstaaten bei der Eindämmung unberech- tigter Asylbegehren ist. Und warum ist das so? Weil die Aber Sie können ja auch in Ihre eigenen Reihen schauen, Menschen von Anfang an wissen, dass sie keine Bleibe- Frau Amtsberg. Selbst Ihre eigenen Leute, die Verant- perspektive haben, und sich deshalb erst gar nicht auf den wortung tragen, distanzieren sich ja zum Teil von dieser Weg machen. Genau das muss doch in unser aller Inte- wirklichkeitsfremden Asyl- und Antiabschiebepolitik. resse sein, meine Damen und Herren. Ich kann Ihnen ein letztes Zitat Ihres Ministerpräsi- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) denten nicht ersparen. Er hat gesagt, man dürfe sich nicht Ein anderer Spitzenpolitiker der Grünen wirft uns immer an Themen abarbeiten, bei denen man nichts ge- regelmäßig vor, keine verantwortungsbewusste Politik winnen könne, wie etwa die Ausweitung der Einstufung (B) zu betreiben. Er sagt zur Flüchtlingspolitik – ich zitiere als sichere Herkunftsländer auf die Maghreb-Staaten. Ich (D) Robert Habeck –: „Dieses Auf-Sicht-Fahren ist das Pro- sage Ihnen: Recht hat er. Die Grünen können mit einer blem.“ Man habe Deutschland nicht ausreichend auf die Ablehnung nichts gewinnen, aber unser Land kann eine Zahl der Flüchtlinge vorbereitet. Ich sage Ihnen: Wenn Menge verlieren, wenn Sie im Bundesrat weiter blockie- die Grünen schon 2016 nicht gegen die Einstufung der ren. Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten gewe- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und sen wären, dann hätten wir schon längst schnellere und der FDP) rechtssichere Asylverfahren bei dieser Personengruppe erreicht. Wir betreiben eine verantwortungsbewusste Migrations- (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch der politik, und ich glaube, es wäre gut, wenn die Grünen Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE endlich auch damit anfangen. GRÜNEN]) Vielen Dank. Und nicht nur das: Wir hätten uns auch viel mehr um (Beifall bei der CDU/CSU) die wirklich schutzbedürftigen Menschen in Deutschland kümmern können, um die Menschen, die tatsächlich von Bürgerkrieg und politischer Verfolgung bedroht und ge- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: flohen sind. Wir hätten auch unsere Kapazitäten besser Vielen Dank, Herr Kollege de Vries. – Als letzter Red- einsetzen können, um diesen Menschen deutlich schnel- ner hat der Kollege Christoph Bernstiel das Wort: für ei- ler in unsere Gesellschaft zu verhelfen und sie in den Ar- nen Vier-Minuten-Beitrag. beitsmarkt zu integrieren. Robert Habeck – um bei ihm zu bleiben – hat ja nach (Beifall bei der CDU/CSU) der Hessenwahl mit sehr breiter Brust gesagt, der Erfolg der Grünen fuße auf Fachlichkeit, auf Sachlichkeit und Christoph Bernstiel (CDU/CSU): darauf, dass die Grünen sich am Ende der Populismus­ Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und skala bewegen würden. Ich sage Ihnen: Unser Land wäre Kollegen! Liebe Zuschauer! In den letzten Jahren hat die einen großen Schritt weiter, wenn Sie diesem Anspruch Große Koalition zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um auch in der Asylfrage endlich gerecht werden würden, die Migration in unserem Land zu steuern und vor allem meine Damen und Herren. illegale Migration zu verhindern. Zu nennen ist hier das (Beifall bei der CDU/CSU) EU-Türkei-Abkommen, die Neuregelung des Familien- 6844 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Christoph Bernstiel (A) nachzuges für subsidiär Geschützte und die Einstufung brauchen wir jetzt auch für die Maghreb-Staaten und (C) der Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer. Georgien. (Zuruf der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) (Beifall bei der CDU/CSU) Darüber hinaus, liebe Grünen, haben wir die Entwick- Meine Damen und Herren, es gibt also viele gute lungshilfe im Niger erst kürzlich verdoppelt. Wir haben Gründe, warum man diesem Gesetz zustimmen sollte. Migrations- und Beratungszentren in Nordafrika ein- Wenn Sie aber noch immer keinen gefunden haben, dann gerichtet. Wir haben im Bundesamt für Migration und möchte ich Ihnen gerne noch einen neuen nennen: die Flüchtlinge 1 650 neue Stellen geschaffen, und wir wer- Kriminalitätsprävention. Das Bundesfamilienministeri- den weitere 4 500 Stellen entfristen. Wir haben die Rück- um hat Anfang 2017 eine Studie vorgelegt, in der in Nie- nahmeverfahren von abgelehnten Asylbewerbern mit dersachsen untersucht wurde, wie vor allem junge Män- zahlreichen Staaten in Afrika verbessert, und wir haben ner, die keine Aussicht auf Anerkennung als Flüchtling neun AnKER-Zentren eingerichtet, die inzwischen sehr haben, sozusagen durch Gewalt auffallen. Das betrifft effektiv arbeiten. besonders Marokkaner, Algerier, Tunesier. Sie stellten 2016 nur 0,9 Prozent der Niedersachsen, sind aber trotz- Mit diesem Bündel an Maßnahmen ist es uns ge- dem für 17,1 Prozent der registrierten Gewalttaten ver- lungen, die Zahl der in Deutschland ankommenden antwortlich. Genau diesen Flüchtlingen könnten wir in Flüchtlinge – da schaue ich einmal zur AfD – von über Zukunft schon in ihren Heimatländern klarmachen, dass 745 000 Menschen im Jahr 2016 auf aktuell 142 000 Per- ein Antrag auf Asyl in Deutschland wenig Chancen auf sonen zu senken. Wir sind also auf einem guten Weg. Erfolg hat, und wir könnten sie damit an ihrer Einreise Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist uns noch hindern. nicht genug. Deshalb planen wir weitere Maßnahmen wie zum Beispiel den besseren Zugriff auf das Auslän- Da ich jetzt schon fast am Ende meiner Redezeit bin, derzentralregister, ein Gesetz zur besseren Durchsetzung überspringe ich einmal die Tatsache, dass Frontex an der der Ausreisepflicht und eben die Einstufung von Alge- Grenze zu Marokko über 65 Tonnen Rauschgift beschlag- rien, Marokko, Tunesien und Georgien als sichere Her- nahmt hat. Das wurde übrigens mit Geld erworben, das kunftsstaaten. kriminelle Schleuserbanden mit Flüchtlingen verdienen, die sie über das Mittelmeer schleusen. Meine Vorredner haben bereits ausführlich verdeut- licht, warum dieses Gesetz richtig und auch notwendig Zusammenfassend möchte ich sagen, dass es ein gutes ist. Als letzter Redner in der Debatte möchte ich deshalb Gesetz ist und dass es mehr Gründe gibt, die dafür spre- noch einmal die wichtigsten Punkte zusammenfassen chen als dagegen. Dennoch gibt es immer wieder ideolo- und um einen weiteren Punkt ergänzen. gisierte Gegenstimmen im Bundesrat. Ich hoffe, dass es (B) dieses Mal nicht so ist. Ich setze auch darauf, dass wir in (D) Die Anerkennungsquote für Asylanträge in allen vier meinem Bundesland Sachsen-Anhalt, in dem die Grünen genannten Ländern liegt unter 5 Prozent. Das bedeutet: neben CDU und SPD mitregieren, diesmal eine Zustim- 95 Prozent aller Anträge werden abgelehnt, weil sie die mung hinbekommen. Ich freue mich auf die Beratungen Kriterien für Asyl oder Flüchtlingsschutz nicht erfüllen. in den Ausschüssen. Dennoch wurden seit 2017 – damit Sie mal eine Zahl ha- ben – 11 700 Anträge beim BAMF gestellt. Das heißt, die Danke. Mitarbeiter müssen sich mit Anträgen beschäftigen, die Kapazitäten binden, und sie haben dadurch keine Mög- (Beifall bei der CDU/CSU) lichkeit, Anträge von Menschen, die wirklich schutzbe- rechtigt sind, intensiver zu prüfen und vor allen Dingen Vizepräsident Wolfgang Kubicki: auch schneller zu bearbeiten. Helfen Sie also bitte mit, Herr Kollege, herzlichen Dank. Sie haben jetzt meine diese Mitarbeiter im BAMF zu entlasten. Langmut extrem beansprucht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich die Aussprache. Denn nachdem ein Staat als sicheres Herkunftsland ein- gestuft wurde, können Asylverfahren erheblich beschleu- Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent- nigt werden, und auch Abschiebungen werden erleich- wurfs auf Drucksache 19/5314 an die in der Tagesord- tert. Die Frist dafür verkürzt sich beispielsweise auf eine nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es Woche. dazu anderweitige Vorschläge? – Das höre und sehe ich nicht. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ein weiterer wichtiger Punkt war: Das Auswärtige Amt bescheinigt allen vier Ländern, dass sie sicher sind – Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, da schaue ich wieder zu Ihnen von den Grünen –, auch möchte ich gerne eine geschäftsleitende Bemerkung ma- wenn es dort natürlich noch Defizite gibt. Aber wichtig chen. Wir hängen etwas in der Debatte. Wenn die Tages- in diesem Zusammenhang ist – das wurde schon mehr- ordnung so abgearbeitet wird, wie vorgesehen, dann wür- fach betont; bitte akzeptieren Sie das auch –, dass der den wir morgen früh um 3 Uhr fertig sein. Angesichts der Anspruch auf Individualprüfung nicht erlischt, wenn wir Bedeutung des morgigen Tages bitte ich die Parlamenta- diese Länder als sicher einstufen. Gleichzeitig hat ja die rischen Geschäftsführer dringend darum, sich Gedanken Vergangenheit gezeigt, dass, nachdem wir die Balkan- darüber zu machen, ob diese Verfahrensgestaltung sinn- staaten als sicher eingestuft haben, die Zahl der Antrag- voll ist und ob es nicht Möglichkeiten der Verkürzung steller von dort signifikant gesunken ist. Dieses Signal gibt. Das ist eine ganz herzliche Bitte. Das betrifft übri- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6845

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) gens auch die Mitarbeiter dieses Hauses, die morgen früh Es ist Grundlage der deutschen Außenpolitik, dass (C) alle um 9 Uhr wieder hier sein müssen. wir gemeinsam agieren. Die elf Monate, in denen wir im Ausschuss über diesen Antrag debattiert haben, zeigen Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf: wie in einem Brennglas, was um uns herum passiert: Der Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Konflikt in der dauert an. Russland setzt seine richts des Verteidigungsausschusses (12. Aus- Nachbarn weiter unter Druck. Selbst neutrale Staaten wie schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Schweden und Finnland suchen die Nähe zur NATO. Es Hänsel, Michel Brandt, Christine Buchholz, wei- ist augenscheinlich, dass das Manöverbegehren Russ- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE lands offensiv ausgelegt ist. Es ist augenscheinlich, dass Russland massiv in Modernisierung und in Aufrüstung Zwei-Prozent-Rüstungsziel der NATO ablehnen investiert. Deswegen macht uns der INF-Vertrag zurzeit Drucksachen 19/445, 19/1033 so viele Sorgen. Der INF-Vertrag beinhaltet ja ein Verbot der nuklearen Mittelstreckensysteme. Es gibt Anlass zur Über die Beschlussempfehlung des Verteidigungs- Sorge, dass Russland dieses Abkommen zurzeit unter- ausschusses werden wir später namentlich abstimmen. läuft. Alle sind aufgefordert, hier ein besseres Miteinan- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die der zu finden. Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Wir müssen jedenfalls die Sicherheitspolitik wie- der in den Mittelpunkt unserer politischen Betrachtung Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der stellen; und diese Sicherheitspolitik hat zwei Ausrich- Kollege Henning Otte, CDU/CSU-Fraktion. tungen: Dialog und militärische Stärke. Deswegen ist (Beifall bei der CDU/CSU) es gut, dass wir ein deutliches Signal für die Bündnis- verteidigung senden, dass wir das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr nach der Konzeption der Bundeswehr und Henning Otte (CDU/CSU): nach dem Weißbuch aufgebaut haben. Deutschland steht Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- zu den Verpflichtungen. Deswegen sind wir auch für ren! Heute debattieren wir abschließend den Antrag der unsere baltischen Partner vor Ort mit der sogenannten Fraktion Die Linke gegen das sogenannte 2-Prozent-Ziel, Vornepräsenz, mit dem Air Policing, das heißt mit der das heißt einen Antrag gegen Investitionen für mehr Si- Luftraumüberwachung, weil die drei baltischen Staaten cherheit. Es ist gut, dass wir diesen Antrag mit Mehrheit selbst keine Luftraumüberwachung durchführen können. ablehnen werden; denn er ist ideologisch aufgebaut. Des- Deswegen ist es auch gut, dass mit dem Manöver „Tri- wegen ist noch einmal deutlich herauszuheben, was im dent Juncture“ in Norwegen deutlich gezeigt wird, wie (B) Parteiprogramm der Fraktion Die Linke steht, nämlich die Zusammenarbeit funktioniert, wie wir besser werden (D) ein Ausstieg Deutschlands aus der NATO und die Auflö- können, um ein deutliches Signal der Stärke zu zeigen. sung der NATO. Deutschland übernimmt die Führung für VJTF in den Meine Damen und Herren, die NATO ist das erfolg- Jahren 2019 und 2023. reichste Verteidigungsbündnis und garantiert uns Sicher- Aber allein die NATO ist nicht der Garant, sondern wir heit, Frieden und Freiheit. müssen zusätzlich unsere Systeme nutzen – die Vereinten (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Nationen, die Europäische Union –, um auch auf dem neten der FDP – Heike Hänsel [DIE LINKE]: afrikanischen Kontinent für Stabilität Sorge zu tragen. Tosender Applaus!) Denn das sind unsere unmittelbaren Nachbarn, ebenso wie der Nahe Osten. Deswegen ist es gut, dass wir mit Deswegen ist es nicht zu verstehen, warum die Grünen einer eigenen Irak-Mission für Stabilität in der Ausbil- diesem Antrag zustimmen wollen. dung sorgen und unseren Beitrag mit den AWACS-Fä- (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- higkeiten im Kampf gegen den furchtbaren „Islamischen NEN]: Ja, das überrascht Sie jetzt!) Staat“ leisten. Dieser Kampf war erfolgreich und sichert uns auch hier Frieden und Freiheit, meine Damen und Es geht ja darum: Wer für den Antrag der Linken ist, ist Herren. gegen die Solidarität im Bündnis. Das würde einen ver- hängnisvollen deutschen Sonderweg bedeuten. Wir als Deswegen ist es wichtig, als klares Ziel zu haben, Union stehen für eine verantwortungsvolle Sicherheits- 2 Prozent des BIP in das Verteidigungsbudget zu inves- politik. Wir wollen, dass Deutschland im Bündnis fest tieren. Das ist auch im Koalitionsvertrag so festgelegt: verankert ist und dass wir Sicherheitspolitik gemeinsam gemeinsam mehr Geld für die Sicherheit, gemeinsam in mit unseren Partnern gestalten: mit den Vereinten Nati- und mit der NATO die Sicherheit Deutschlands stärken. onen, mit der NATO und mit der Europäischen Union. Das ist der richtige Weg. Wir freuen uns auf die Haushaltsgespräche und hoffen, Lassen Sie mich an dieser Stelle auch einen Gruß dass dort die Grundlage für eine funktionsfähige Streit- nach Helsinki richten. Dort hat die Europäische Volks- kraft gesetzt wird. Stärke und Zusammenhalt sind gute partei mit deutlicher Mehrheit zum Spit- konservative Werte. Nur wer schwach ist, läuft Gefahr, zenkandidaten gewählt. Herzlichen Glückwunsch! Auf angegriffen zu werden. Deswegen ist Frieden das Ergeb- ein gutes Miteinander! nis von Stärke und nicht von Schwäche. Wir jedenfalls (Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel stehen für diese Sicherheitspolitik, für die Sicherheit un- [DIE LINKE]: Europawahlkampf, oder was?) seres Landes. Und wir danken unseren Soldatinnen und 6846 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Henning Otte (A) Soldaten für ihren Beitrag für Frieden und Freiheit. Des- Gestern im Ausschuss sagte die Ministerin dazu – ich zi- (C) wegen lehnen wir den Antrag der Fraktion Die Linke ab. tiere –: „Das ist alles noch nebulös.“ Herzlichen Dank. An dieser Stelle will ich Folgendes sagen: Ich bin seit einem Jahr Abgeordneter des Deutschen Bundestages. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) (Stephan Brandner [AfD]: Das ist auch gut so!) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Ich hätte nie gedacht, mit welcher Schamlosigkeit und Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächster spricht zu teilweise Frechheit eine Ministerin sich hinstellt und uns der Kollege Rüdiger Lucassen, AfD-Fraktion. sagt, dass die Planungen ihres eigenen Hauses „noch ne- bulös“ seien. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Henning Otte [CDU/CSU]) Rüdiger Lucassen (AfD): Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Eigentlich Und das Schlimmste daran: Die Abgeordneten der CDU kann Die Linke den Antrag zurückziehen. beklatschen diese zur Schau gestellte Unzulänglichkeit noch. (Zurufe von der LINKEN: Was? – Quatsch!) Fünf Jahre ist Ursula von der Leyen jetzt im Amt, län- Die Linke will, dass die Bundesregierung das 2-Pro- ger als jeder ihrer fünf Vorgänger. Aber außer Program- zent-Ziel zum Wiederaufbau der Bundeswehr nicht um- men für Kitas, eine unsinnige Arbeitszeitverordnung, setzt. Beschimpfung der Soldaten, sie hätten ein Haltungspro- blem, und Razzien in Kasernen wegen alter Panzerbilder (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aha!) hat sie nichts erreicht. Das tut die Bundesregierung sowieso nicht. Sie hat sich (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Dagmar dazu zwar vor vier Jahren verpflichtet, aber was interes- Ziegler [SPD]: Was sind „alte Panzerbilder“?) siert Bundeskanzlerin Merkel ihr Geschwätz von ges- tern. Und noch besser: Ministerin von der Leyen setzt Der Zustand der Bundeswehr hat sich kein Stück verbes- stattdessen ein eigenes Ziel, nämlich nur noch 1,5 Pro- sert. zent vom BIP. Aber auch diese neue Zielmarke, liebe Genossen, wird die Regierung nicht einhalten. Seien Sie (Beifall bei der AfD) (B) ganz gewiss: Was Die Linke will, eine entmilitarisierte Für das Manöver in Norwegen musste wieder die gesam- (D) Bundeswehr, setzt die CDU um. Das ist Deutschland im te Truppe nach Material durchsucht werden. Jahr 2018! (Henning Otte [CDU/CSU]: Was haben Sie (Beifall bei der AfD – Heike Hänsel [DIE denn ein Jahr gemacht?) LINKE]: Wo sind Sie denn unterwegs, Herr Lucassen?) Die Verantwortung dafür sieht die Ministerin bei ande- ren: bei ihren Vorgängern, ja sogar bei den NATO-Part- Die Bundesregierung hält sich nur noch an Verträge nern, wie sie gestern erklärt hat. Die hätten nämlich auch und Gesetze, wenn es ihr in den Kram passt. Diese ge- zu viel reduziert. Welch eine Chuzpe! sichtslose Masse an treuen Gefolgsleuten hier im Par- lament macht das alles mit. Das Prinzip „Selbstbetrug“ Dann die sogenannten Trendwenden: Wo ist das neue nach Art des Hauses von der Leyen setzt sich fort: Ziel- Personal? Im Beschaffungsamt, in der Cyberabwehr, in marken setzen, schwer leserliche Konzeptionen heraus- der restlichen Truppe. Die Auslandseinsätze in Afgha- geben – und danach wird nichts in die Tat umgesetzt. nistan, in Mali. Raumgewinne nur noch durch die Tali- ban und andere Islamisten. Keine Erfolge, nirgends. Ihre (Beifall bei der AfD) großangekündigte Rüstungskooperation mit Frankreich bei einem neuen Kampfjet: bereits am Ende, bevor sie Jüngstes Beispiel: das Fähigkeitsprofil der Bundes- richtig angefangen hat. wehr. Sehr geehrte Kollegen von der CDU, haben Sie sich mal die Mühe gemacht und die Kosten der dort ge- Unsere Bundeswehr wieder aufzubauen, wird unend- nannten Vorhaben addiert? Offenbar nicht. Denn sonst lich viel Kraft und Geld kosten. könnten Sie erkennen, dass die dort gelisteten Beschaf- fungsvorhaben weit über die 1,5-Prozent-Marke Ihrer Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Ministerin hinausgehen. Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: 1,5 Prozent sind Propaganda!) Rüdiger Lucassen (AfD): In Ihrem eigenen Finanzplan ist das alles nicht hinterlegt. 2 Prozent des BIP werden da kaum reichen. Leicht Eine klassische Luftnummer. wird das nicht, aber wir werden es machen. Verlassen Sie sich darauf. (Beifall bei der AfD – Henning Otte [CDU/ CSU]: Das stimmt doch gar nicht!) (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6847

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: steht, die im Baltikum für die Landesverteidigung zu- (C) Als Nächster spricht zu uns der Kollege Dr. Fritz ständig sind. Felgentreu, SPD-Fraktion. Bei meinen Gesprächen dort haben unsere litauischen (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Henning Verbündeten immer wieder zum Ausdruck gebracht, wie Otte [CDU/CSU]) erleichtert sie darüber sind, dass die NATO ihre Verant- wortung so ernst nimmt. Wer nämlich in unmittelbarer Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Nachbarschaft eines so viel größeren, stärkeren und da- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach die- bei nachweislich zum Einsatz militärischer Gewalt berei- ser allgemeinen Tirade wollen wir mal zum Thema zu- ten Nachbarn lebt, rückkehren. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das ist (Beifall bei Abgeordneten der SPD) die NATO nicht?) Das Thema ist die Beschlussempfehlung des Verteidi- wie Russland das nun einmal ist, dem braucht man den gungsausschusses in Reaktion auf einen der üblichen An- Wert der NATO nicht lange zu erklären, Herr Neu. ti-NATO-Anträge der Linken. Ich will das mal so sagen, weil der Aufhänger, den die Linken wählen, in diesem (Beifall bei Abgeordneten der SPD so- Fall das 2-Prozent-Rüstungsziel der NATO, ihnen doch wie des Abg. Henning Otte [CDU/CSU] – in Wirklichkeit relativ egal ist. Sie sagen heute, liebe Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das Ag- Kollegin Sommer, Sie seien gegen das 2-Prozent-Ziel, gressionspotenzial ist klasse!) aber eigentlich sind Sie gegen die NATO. Ein solches Bündnis preiszugeben, wäre auch für uns (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Ja! Wir sträflicher Leichtsinn. Wir sind ein reiches Land mit sind gegen die NATO! Das stimmt!) über 80 Millionen Menschen. Wir leben mitten auf dem allzeit unruhigen Kontinent Europa, ohne durch natürli- Alle Ihre NATO-Anträge sind Variationen ein und des- che Grenzen vor auswärtiger Gefahr geschützt zu sein. selben Themas: Deutschland raus aus der NATO, NATO Trotzdem leisten wir uns eine historisch einmalig kleine auflösen. Armee von unter 200 000 Soldatinnen und Soldaten. Das (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Sie ist das Ergebnis von über 60 Jahren Mitgliedschaft in die- haben das richtig erschlossen!) sem starken Bündnis und – vollkommen richtig – auch in der Europäischen Union. Weil wir die NATO haben, Das ist Ihr sicherheitspolitisches Alleinstellungsmerk- kommen wir mit einer kleinen Armee aus; weil wir wis- mal, und aus gutem Grund werden Sie damit auch in Zu- (B) sen, dass wir uns im Notfall auf dieses Bündnis verlassen (D) kunft allein bleiben. können, das stärker ist als jeder denkbare Gegner. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Aber die Ge- werkschaften sind dabei!) Aber, meine Damen und Herren, dieser hohe Grad an Sicherheit ist eben keine Selbstverständlichkeit. Er ver- Denn die NATO, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist langt uns auch etwas ab. Wir können uns nur so lange auch heute, fast 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krie- auf unsere Verbündeten verlassen, solange sich unsere ges und in einer Phase neuer Risiken und Konflikte, das Verbündeten auf uns verlassen können. Deshalb geht die Rückgrat der europäischen Sicherheit. Sie ist tatsächlich Mitgliedschaft in der NATO mit Verpflichtungen einher: das erfolgreichste Sicherheitsbündnis in der Geschichte, (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Was ist, (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sicher- wenn sich ein Land nicht an die Verpflich- heit von wem?) tungen hält wie die Türkei? Was machen Sie wenn wir den Erfolg eines solchen Bündnisses daran dann? Nichts machen Sie!) messen, dass es möglichst vielen Menschen einen mög- mit der Verpflichtung, unseren militärischen Beitrag zur lichst stabilen Frieden sichert. Deshalb ist es kein Zufall, Bündnisverteidigung zu leisten, selbstverständlich mit dass Länder, deren Frieden und Sicherheit gestört oder finanziellen Verpflichtungen und auch mit der Pflicht, zerbrochen worden sind, Länder wie die Ukraine oder mit unseren Partnern, zum Beispiel der Türkei, über den Georgien, die Mitgliedschaft in der NATO als wichtigs- richtigen politischen Weg für die NATO zu debattieren tes Ziel ihrer Außenpolitik definieren. und, wo das notwendig ist, auch zu streiten. (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Und was ist mit der Türkei? Führt völkerrechtswid- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) rige Kriege als NATO-Mitglied!) Denn wir sind ein Bündnis freier Länder, Mir ist das im Oktober auf einer Reise nach Litauen noch einmal sehr deutlich geworden. Wie Sie wissen, (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sie führt dort die Bundeswehr die in ständig wechselnder machen sich gerade lächerlich!) Zusammensetzung übenden NATO-Truppen in der Stär- keine Vasallen, die Gefolgschaft leisten. Auch das ist ke eines Bataillons. Die im NATO-Jargon „Enhanced eine Stärke der NATO. Forward Presence“ genannten Einheiten garantieren den Ländern an der NATO-Ostflanke, dass das Bündnis (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dort permanent sichtbar an der Seite der kleinen Armeen der CDU/CSU und der FDP) 6848 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): (C) Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- ren! Es wurde gerade schon gesagt: Die Forderung der Linken „Raus aus der NATO“ ist nicht neu. Ich darf die (SPD): Dr. Fritz Felgentreu Linken als Antragsteller daran erinnern, dass das soge- Nein, es ist zu spät für Zwischenfragen. nannte „aim to … guideline“ von 2 Prozent des BIP be- schlossen wurde, nachdem die russische Aggressionspo- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: litik durch die Annexion der Krim und den Beginn des Schade. Konflikts in der Ostukraine für die NATO zunehmend zu einem Bedrohungsszenario wurde. (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Scha- (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sie de!) vergessen den Putsch!)

Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Daher erneuerten die Staatschefs der NATO-Staaten auf ihren Gipfeltreffen in Wales und Warschau die Zusage, Was bedeutet das für die Investitionen in die Bundes- den Wehretat in ihren Ländern diesem Ziel anzunähern. wehr, zu denen wir uns gegenüber der NATO bekannt ha- Die Linke penetriert immer wieder, ben? Wir bewegen uns auf eine NATO-Quote von 2 Pro- zent der deutschen Wirtschaftsleistung zu. Die Koalition (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Sexis- hat sich darauf verständigt, dass wir bis 2024 1,5 Prozent tisch! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: erreichen wollen. Wie es danach weitergeht, wird die Zu- Oh, das ist jetzt aber ein bisschen obszön, was kunft zeigen. Für die SPD jedenfalls gilt: Wir haben kein Sie da sagen!) 2-Prozent-Ziel, wir haben ein 100-Prozent-Ziel. dass das System NATO auf Krieg angelegt sei und sie (Beifall bei Abgeordneten der SPD) daher abgeschafft gehöre. Wir wollen eine Bundeswehr, die mit Personal, Waffen Das Thema Frieden, liebe Kollegen der Linken, ist für und Gerät in vollem Umfang so ausgestattet ist, wie sie Sie nämlich nur dann wichtig, wenn es gegen die NATO es ihrer Struktur nach schon heute sein müsste. und gegen die USA geht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – (Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Das ist aber Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Die jetzt eine ganz alte Schallplatte!) bräuchtet ihr für Altersheime und im Bil- Und kommen Sie mir nicht mit Donald Trump – da krie- (B) (D) dungsbereich!) ge ich das große Gähnen –: Das war schon immer linke Um dieses Ziel zu erreichen, liebe Kolleginnen und Kol- US-Politik. legen, wird die Koalition der Bundeswehr schon mit dem (Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Oje!) Haushalt 2019 über 4 Milliarden Euro mehr zur Verfü- gung stellen als im vergangenen Jahr. Selbst Barack Obama – er war keine drei Monate im Amt – hat die Linke als – Zitat – „Kriegstreiber mit Cha- (Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Sie haben risma“ bezeichnet; na, immerhin. Die „FAZ“ titelte zu gerade noch 300 Millionen draufgelegt!) Recht: „Der neue alte Feind“ der Linken. Was den Einsatz dieser Mittel angeht, so setzt die Bei Russland messen Sie als Linke mit anderem Maß. SPD-Fraktion auf die Stärke des Staates. Die Landes- verteidigung ist die ureigentliche hoheitliche Aufgabe (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Nicht der Staatsgewalt. Das dafür Notwendige, so unsere fes- wirklich!) te Überzeugung, muss der Staat alleine tun können, das Für eine Verurteilung der Besetzung der Ostukraine und heißt, ohne sich von externen Beratern abhängig zu ma- der Annexion der Krim fand sich bis heute bei Ihnen kei- chen. ne Mehrheit. Sie sollten sich schämen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Das stimmt Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte. doch überhaupt nicht! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Sie müssen sich mal besser Dr. Fritz Felgentreu (SPD): informieren! – Gegenruf des Abg. Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Getroffene Hun- Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. de bellen!) (Beifall bei der SPD) Das NATO-Bündnis ist seit 63 Jahren ein wesentlicher Pfeiler deutscher Sicherheitspolitik. Wir sind eingebettet Vizepräsident Wolfgang Kubicki: in Artikel 5 des Vertrages, und das ist auch gut so. Als die Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Felgentreu. – Als Nächs- NATO gegründet wurde, waren die Folgen des Zweiten tes die Kollegin Dr. Marie-Agnes Strack-­Zimmermann. Weltkriegs allgegenwärtig. Deshalb haben sich westliche Staaten zur Absicherung dieses jungen, so fragilen Frie- (Beifall bei der FDP) dens zusammengeschlossen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6849

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Heike Hänsel (DIE LINKE): (C) Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegen Neu? Hier findet wieder eine Märchenstunde erster Güte statt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Aber erst Herr Kollege Neu, Sie sehen heute so schick aus. Sind jetzt, seit Sie am Mikrofon sind! – Henning Sie mit dem Motorrad gekommen? – Nein, ich erlaube Otte [CDU/CSU]: Fängt gerade erst an!) die Zwischenfrage nicht. Ich möchte eines ganz klar feststellen: Wir haben es (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der oft genug gemacht, wir haben die Krim jedes Mal als völ- FDP) kerrechtswidrig verurteilt.

Bereits sechs Jahre später wurde die junge Bundesre- (Beifall bei der LINKEN) publik Teil der NATO. Deutschland steckte da noch in Und im Gegensatz zu Ihnen setzen wir uns für die ter- den Kinderschuhen. Die Aufnahme in das Westbündnis ritoriale Integrität aller Staaten ein; das möchte ich hier war für Deutschland und seine Zukunft von historischer klar festhalten, weil Sie hier ständig mit Ihren neu aufge- Bedeutung. wärmten Geschichten kommen. Die heutigen 29 Mitgliedstaaten bieten nicht nur (Beifall bei der LINKEN – Michael Brand Schutz, sondern sie sind auch dafür zuständig, dass die [Fulda] [CDU/CSU]: Für einen Aggressor Welt stabil bleibt. Das System kollektiver Sicherheit ver- Milosevic! – Henning Otte [CDU/CSU]: Für hindert nämlich auch nationale Alleingänge, die die Welt die Ukraine zum Beispiel und für die Krim!) immer nur ins Unheil gestürzt haben. Interessant finde ich auch, dass die AfD neuerdings Meine Damen und Herren, es gab die Bundeswehr nie der Bundesregierung dabei hilft, ihren Aufrüstungshaus- ohne die NATO, und es wird sie auch nicht außerhalb halt zu kaschieren. Das ist eine ganz neue Rolle; das fin- der NATO geben. Die Parteien, die ein Problem damit de ich auch sehr interessant. haben, seien daran erinnert: Wir haben auch an anderer (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann Stelle steigende Verteidigungsausgaben zugesagt, näm- [FDP]: Märchenstunde! – Michael Brand lich im Rahmen der Europäischen Union. Wenn man in [Fulda] [CDU/CSU]: Ja, was denn jetzt? Es (B) einem Bündnis Verantwortung übernimmt, kann man gibt kein Geld? Es gibt zu viel Geld?) (D) nicht gemeinsam etwas aushandeln und sich dann vom Acker machen. Verlässlichkeit ist eine wesentliche Vo- Denn in der kommenden Sitzungswoche will die Bun- raussetzung des Zusammenhalts. Es ist bedauerlich ge- desregierung den größten Anstieg des Rüstungshaushalts nug, dass die Bundesregierung das in Bezug auf den Irak seit Ende des Kalten Krieges beschließen lassen. Sie genau so gemacht hat: erst verhandeln, aber dann weg folgt damit einer Aufrüstungslogik, die die NATO bereits vom Fenster. 2014 beschlossen hat, mit dem Ziel, die Militärausgaben auf jeweils 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhö- Meine Damen und Herren, wir brauchen eine starke hen. Nach Schätzungen würde das bedeuten, dass je nach Bundeswehr voller Einsatzbereitschaft in einer funkti- Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik pro Jahr zwi- onierenden europäischen Verteidigungsunion und, ja, schen 70 und 80 Milliarden Euro für militärische Zwecke in einem stabilen transatlantischen Bündnis. Deswegen ausgegeben würden. Das wäre nahezu eine Verdopplung brauchen wir auch erhöhte Verteidigungsausgaben. der jetzigen Militärausgaben. Wir halten das außenpoli- tisch und innenpolitisch für falsch und gefährlich. Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Deutschland ist den Kinderschuhen von 1955 entwachsen. Deutschland (Beifall bei der LINKEN) ist Gott sei Dank erwachsen. Wir müssen auch für uns Herr Felgentreu, wenn ich Sie höre, dann stelle ich Verantwortung übernehmen. Wenn man Frieden in Frei- fest: Das ist das Gegenteil von dem, was Andrea Nahles heit sichern will, bedeutet das, liebe Kollegen von den und Sigmar Gabriel immer sagen, nämlich: kein 2-Pro- Linken, dass wir uns sogar für die Freiheit derjenigen zent-Ziel, weg von der Aufrüstung. einsetzen, die dieses kollektive Bündnis zerstören wol- len. (Dr. Fritz Felgentreu [SPD]: Dann haben Sie nicht zugehört!) (Beifall bei der FDP) Sie erzählen hier etwas ganz anderes. Man sieht auch: Die Bundesregierung kommt diesem Ziel immer näher. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Der Fahrplan liegt nämlich bei den NATO-relevanten Ausgaben bei fast 60 Milliarden Euro bis 2023. Und Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Strack-­jetzt soll Frau von der Leyen zu ihrem Rekordhaushalt Zimmermann. – Als Nächstes für die Fraktion Die Linke in diesem Jahr auch noch 320 Millionen Euro obendrauf die Kollegin Heike Hänsel. bekommen. (Beifall bei der LINKEN) (Wolfgang Hellmich [SPD]: Jawohl!) 6850 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Heike Hänsel (A) Wir wollen diesen Rüstungswahnsinn stoppen. Wir wollen die Idee des gemeinsamen europäischen (C) Hauses aufbauen, statt aufzurüsten. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte Diese Hochrüstungspolitik der NATO trägt nämlich nicht [CDU/CSU]: Sagen Sie das mal der Ukraine!) zu mehr Sicherheit in Europa und in der Welt bei. Das 2-Prozent-Ziel übrigens – darüber spricht kaum (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Also, jemand – würde Deutschland zur größten Militärmacht in wer sich die Reden von AfD und Linken Europa machen. Wer kann das eigentlich ernsthaft wol- anhört, der kann nur mit dem Kopf schüt- len? teln! So was Ideologisches! Meine Güte! – Dr. ­Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann Sagen Sie mal, wo leben Sie eigentlich, in [FDP]: Hier wohnen ja auch ein paar Leute welchem Land?) mehr! – Henning Otte [CDU/CSU]: Eine star- ke Feuerwehr ist immer gut!) Im Gegenteil: Die NATO-Staaten haben mit ihrer Kriegs- politik schon viel zu viele Länder zerstört. Schauen In diesen Tagen begehen wir das Ende des Ersten Sie sich den Irak an. Schauen Sie sich Afghanistan an. Weltkrieges vor 100 Jahren. Das führt uns doch vor Au- Schauen Sie sich Libyen oder den Norden Syriens und gen, wohin ein hochgerüstetes Deutschland zweimal im die Überfälle der Türkei dort an. All das muss endlich ein letzten Jahrhundert geführt hat: in die Katastrophe. Ende haben. (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Beifall bei der LINKEN) [FDP]: Gehen Sie mal in den Geschichtsun- terricht zurück, Frau Kollegin! Haben Sie die Diese Politik richtet sich auch eindeutig gegen Russ- Schule geschwänzt?) land. Wir halten das für friedensgefährdend in Zeiten, Unsere Geschichte mahnt uns: Abrüstung ist das Gebot (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Klar! der Stunde. Ist ein Friedensengel, der Putin! Mein Gott! – (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Henning Otte [CDU/CSU]: Sie schreiben hier neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Märchen! Frau Hänsel schreibt Märchen! Das Henning Otte [CDU/CSU]: Sie erzählen nicht sind Märchengeschichten!) nur Märchen, Sie machen Geschichtsum- in denen der INF-Vertrag über atomare Abrüstung von schreibung!) (B) (D) Trump aufgekündigt wird und die NATO immer weiter Wir benötigen das Geld dringend für soziale Sicher- an Russland heranrückt. Sie wird eine neue weltweite heit statt für militärische Unsicherheit. Allein mit den Rüstungsspirale in Gang setzen; das werden wir sehen. Ausgaben für neue Kampfschiffe könnten über 250 00 Deshalb: Wir wollen nicht zurück in den Kalten Krieg à bezahlbare Wohnungen gebaut werden. la Herr Otte und Ihrer Abschreckungspolitik. (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [FDP]: Ach du liebes bisschen! – Michael [CDU/CSU]: Ja, genau! Das ist der Garant Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Wie naiv sind Sie für Frieden! – Michael Brand [Fulda] [CDU/ denn eigentlich? Das tut ja weh!) CSU]: Rosa Luxemburg hat da mitformuliert!) Die Bundesregierung gibt jetzt viel Geld aus, damit ihre Wenn wir uns die Ausgaben anschauen, sehen wir: Panzer auf panzerfesten Straßen schnellstmöglich von Die NATO-Staaten allein in der EU geben fast 300 Milli- West nach Ost fahren können. Aber die Dörfer, durch arden Euro für Rüstung aus. Russland gibt 60 Milliarden die diese Panzer fahren, die haben nicht mal genügend Euro für Rüstung aus. Diese Zahlen sprechen ihre eigene Hebammen für die Grundversorgung. Die haben keine Sprache. Krankenhäuser mehr, keine Busverbindung. (Lachen des Abg. Michael Brand [Fulda] (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Ist das [CDU/CSU]) schlimm!) Genau deswegen fordern wir vertrauensbildende Maß- Da ist alles marode. Davon haben die Menschen die nahmen. Schnauze voll. Die Menschen dort wollen endlich sozi- ale Sicherheit. (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Ja, genau!) (Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ist pure Idelogie! – Wir wollen nicht, dass aus Nachbarn Feinde gemacht Henning Otte [CDU/CSU]: Diese Kinder sol- werden. len ja auch in Sicherheit groß werden!) (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Da wende ich mich auch an Sie, liebe Kolleginnen Krim! Ukraine! – Dr. Marie-Agnes Strack-­ und Kollegen von der SPD. Wenn Sie sich ernsthaft in Zimmermann [FDP]: Sagen Sie das mal den der GroKo, wie Sie es ja ständig beteuern, erneuern wol- Leuten auf der Krim!) len, dann kümmern Sie sich um die Lebensinteressen der Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6851

Heike Hänsel (A) Menschen und haben Sie den Mut, heute mit uns gegen schaften die Kampagne „Abrüsten statt aufrüsten“ ge- (C) das 2-Prozent-Aufrüstungsziel der NATO zu stimmen. startet haben. (Beifall bei der LINKEN) (Henning Otte [CDU/CSU]: Sie rüsten auf in Ihrer Rede!) Es gibt viel wichtigere Ziele, für die wir uns einset- zen müssen. Die Bundesregierung hat den nachhaltigen Ich kann nur alle auffordern, sie zu unterstützen. Man Entwicklungszielen der Vereinten Nationen zugestimmt. kann dafür seine Unterschrift leisten unter http://abrues- Aber da ist immer kein Geld da. ten.jetzt/. Das ist die Botschaft. (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das Danke. eine tun, ohne das andere zu lassen! Mein Gott, Frau Hänsel! Ich frage mich, ob Sie das (Beifall bei der LINKEN – Dr. Marie-Agnes wirklich glauben!) Strack-Zimmermann [FDP]: Das war der Wer- beblock! Können Sie das wiederholen, bitte? So ist es zum Beispiel beim UN-Ziel, den Hunger auf der Zum Mitschreiben!) Welt auszuradieren bis 2030. Davon höre ich nichts in diesem Haushalt. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Sylvia Pantel [CDU/CSU]: Da arbeitet unser Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes spricht zu Minister dran! – Henning Otte [CDU/CSU]: uns der Kollege Jürgen Trittin. Wir wollen, dass Kinder in Sicherheit groß werden! – Sylvia Pantel [CDU/CSU]: Und zur (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schule gehen können!) Dafür benötigen wir nur ein Drittel von dem, was die Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): NATO-Staaten jedes Jahr für Rüstung ausgeben. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich den Vorrednern lausche, muss ich sagen: Wir führen hier Und: Sie erfüllen auch nicht Ihren eigenen Koalitions- keine Debatte über die NATO. Man kann auch für die vertrag. Da steht zum Beispiel, Deutschland wird neue NATO sein, ohne für hemmungslose Aufrüstung zu sein. Initiativen für Rüstungskontrolle und Abrüstung ergrei- fen. Wo, bitte schön, sind denn Ihre Initiativen? Ich sehe (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- überall nur Aufrüstung: in Deutschland, in Europa, in der NEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN NATO. und des Abg. Johannes Schraps [SPD] – (B) Henning Otte [CDU/CSU]: Ah! Jetzt kommt (D) (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das der Staatsmann! – Dr. Marie-Agnes Strack-­ liegt an der politischen Kurzsichtigkeit!) Zimmermann [FDP]: Sehr staatsmännisch!) Das ist eine völlig unglaubwürdige Politik, die Sie hier Am kommenden Sonntag jährt sich zum 100. Mal das machen. Ende des Ersten Weltkrieges – ein Krieg, in den mein (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Großvater noch gezogen ist NIS 90/DIE GRÜNEN – Henning Otte [CDU/ (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann CSU]: INF-Vertrag!) [FDP]: Nicht nur Ihrer!) Wenn Herr Außenminister Heiko Maas von der SPD unter der Parole: Jeder Schuss ein Russ’. Jeder Stoß ein letzte Woche im „Spiegel“ schreibt, er möchte Abrüstung Franzos’. – Das ist etwas, was wir uns heute gar nicht und Rüstungskontrolle und Deutschland bleibt Friedens- mehr vorstellen können. Und da muss es uns doch besor- macht, dann frage ich mich: Wo leben Sie denn eigent- gen, dass im letzten Jahr die weltweiten Militärausgaben lich, Herr Außenminister? auf 1,74 Billionen Dollar angestiegen sind. Das ist doch das Problem, mit dem wir uns auseinanderzusetzen ha- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: ben. Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. Marie-Agnes Heike Hänsel (DIE LINKE): Strack-Zimmermann [FDP]: Das liegt daran, Ja. – Diese Bundesregierung ist Rüstungsexportwelt- dass die Waffen heute mehr kosten als im meister, und sie will zur größten Militärmacht werden. Zweiten Weltkrieg!) (Henning Otte [CDU/CSU]: Ach! Das auch Es muss uns doch besorgen, wenn die größte und noch! – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: stärkste Militärmacht der Welt – und das ist die NATO – Oje, oje! – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: bei dieser Aufrüstungsentwicklung an vorderer Front In welchem Märchen sind Sie gerade unter- mitspielt. Das wird so ein bisschen kaschiert von Ihnen. wegs?) Aber die Erklärung von Wales lautet ja: Wir wollen da- rauf abzielen, das zu erreichen. Wir werden uns mit vielen Menschen dagegenstellen, die letztes Wochenende übrigens auf die Straße für Abrüs- (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann tung gegangen sind und gemeinsam mit den Gewerk- [FDP]: Genau!) 6852 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Jürgen Trittin (A) Wissen Sie, was das heißt? Das hat ungefähr den rechtli- nis, dass die europäischen NATO-Mitglieder dreimal so (C) chen Gehalt von der Zeile: „Danach lasst uns alle streben viel ausgeben wie Russland. brüderlich mit Herz und Hand.“ (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Steuer- (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ gelder! – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten Was ist das für eine Milchmädchenrechnung? – der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann­ [FDP]: Rot-Grün 2002! – Dr. Marie-Agnes Strack-­ Trotzdem überfallen wir keinen!) Zimmermann [FDP]: Wer hat denn die Sol- daten nach Afghanistan geschickt? Das waren Das ist die Realität. Und wenn Sie dann immer noch Sie doch! – Michael Brand [Fulda] [CDU/ glauben, dass eine Fähigkeitslücke vorhanden ist, dann CSU]: Was haben Sie denn gegen unsere sage ich Ihnen: Diese Fähigkeitslücke hat nicht mit mehr Hymne?) Geld zu tun, sondern damit, dass wir das Geld falsch aus- geben, Frau Ministerin. – Nein, das ist 2014 beschlossen worden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das Problem, das Sie daraus gemacht haben, ist, dass sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Sie aus einer unverbindlichen Absichtserklärung plötz- Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Man lich eine bindende Haushaltsrichtlinie gemacht haben. kann das doch nicht alles summieren!) Sie haben sich das zu eigen gemacht. Das hat überhaupt gar nichts mit Russland zu tun. Man muss es an dieser Stelle sagen: Sie haben sich vorgenommen, den Rüstungsetat um ein Drittel zu erhö- (Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Wo er recht hen. Das haben Sie hier eben vorgetragen. Wenn Sie das hat, hat er recht!) 2‑Prozent-Ziel umsetzen, dann wird Deutschland alleine mehr für Rüstung ausgeben als Russland, Das war schlicht und ergreifend eine Antwort auf das Vorgehen des größten NATO-Zerstörers überhaupt, näm- (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: 1990 lich Donald Trump. über 2 Prozent!) (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann mehr ausgeben als die Atommächte Großbritannien und [FDP]: Das fing schon zehn Jahre vorher an!) Frankreich. Ich glaube, dieser Weg, auf dem wir uns hier Um Donald Trump zu beschwichtigen, um einen Han- bewegen, ist falsch. delskrieg abzuwenden, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) (D) (Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie erzählen und bei der LINKEN) ja auch Märchen, Herr Trittin!) In den letzten Tagen habe ich oft gelesen, warum CDU haben sich Frau Merkel, die SPD und die CDU die allge- und SPD bei Wahlen so schlecht abschneiden. Als ge- meine Absichtserklärung von Wales in der Interpretation meinsame Erklärung gab es: Sie streiten zu viel. Darüber Donald Trumps zu eigen gemacht, nämlich dass das die sollten Sie einmal nachdenken. Beiträge zur NATO sind, die man zu leisten habe. In die- (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann ser Logik argumentieren Sie heute hier. [FDP]: Das sagt der große Trittin, der Ober- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spalter!) sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Ich glaube das nicht. Ich glaube, dass Sie deswegen ver- Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Da war lieren, weil es viele Punkte gibt, an denen Sie sich zu er noch gar nicht im Amt! – Dr. Marie-Agnes einig sind. Dies ist eines der Beispiele, wo Sie sich zu Strack-Zimmermann [FDP]: Zum Thema! einig sind. Wir diskutieren hier doch nicht zum Thema Dosenpfand!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wenn man dann über die Frage spricht, ob das über- haupt nötig ist – diese Frage muss ja beantwortet wer- Und erzählen Sie mir nicht, liebe Genossinnen und den –, Genossen, dass ihr das 2‑Prozent-Ziel nicht mögt. (Henning Otte [CDU/CSU]: Ja, natürlich ist (Thomas Hitschler [SPD]: Doch, genau! Ge- das nötig!) nau das erzählen wir!) müssen Sie doch auf das Argument eingehen: Wo ist die Da lese ich aber anderes. Ich habe dieser Tage einen Auf- Fähigkeitslücke, die die NATO gegenüber Russland hat? satz eures ehemaligen Außenministers gelesen, der ge- (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Rich- sagt hat: 1,5 Prozent sind gut, das machen wir auch – das tig!) ist das, was ihr in der Koalition beschlossen habt –, und dann nehmen wir noch einmal 0,5 Prozent und geben die Die NATO gibt 14-mal so viel für Verteidigung aus wie in einen europäischen Verteidigungsfonds, dann ist man Russland. Wenn man den Anteil der Amerikaner und der bei den 2 Prozent. – Ich sage: Da liegt euer Problem, dass Kanadier rausrechnet, dann kommt man zu dem Ergeb- ihr in diesen Fragen vor den Schwarzen einknickt und Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6853

Jürgen Trittin (A) genau das macht, was sie vorher gesagt haben, nur mit Deutschlands und wichtiger Grundpfeiler des Bündnis- (C) fünf Jahren Verspätung. ses. Wir haben den Anspruch, weltweit für Frieden und Freiheit zu sorgen. Diesem müssen wir in letzter Konse- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN quenz auch mit militärischen Mitteln Gewicht verleihen. und bei der LINKEN – Dr. Marie-Agnes Nur so können wir glaubwürdig sein, glaubwürdig in den Strack-Zimmermann [FDP]: Die Parteien lie- Augen der Bündnispartner, aber auch glaubwürdig in den ben ihre alten Minister!) Augen von Terroristen oder Aggressoren. Ich glaube, dass das ganz schwierig wird. Wir hatten Seit der Wiedervereinigung wurde der Verteidigungs- gestern eine Debatte zum Thema INF-Vertrag und wer- haushalt heruntergekürzt. Von rund 2,4 Prozent des BIP den dieses Thema auch gleich wieder debattieren. Das Anfang der 90er wurde der Etat bis Anfang 2000 mehr Außenministerium – das sozialdemokratisch geführte als halbiert, was mit dazu führte, dass 2002 auf dem Außenministerium, Heiko Maas, SPD – ­NATO-Gipfel in Prag erstmals eine Vereinbarung über (Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist aber ein einen bestimmten Beitrag vom BIP getroffen wurde. Mit deutsches Außenministerium!) dem Ergebnis dieser Sparpolitik sind wir heute konfron- tiert: Die Bundeswehr muss an allen Ecken und Enden weigert sich, öffentlich zu erklären, dass, wenn der knapsen und für größere Übungen oder Einsätze Materi- INF-Vertrag aufgekündigt würde, die Bundesregierung al zusammenklauben. Unsere Soldatinnen und Soldaten keine Stationierung von nuklearen Waffen – hier: Mit- machen es irgendwie möglich, das benötigte Material zur telstreckenraketen – in Deutschland zulassen wird. Das Verfügung zu haben, wie wir es zurzeit in Norwegen se- wurde strikt verweigert. Ich sage Ihnen: Das ist nicht hen. Das ehrt sie, aber es ist eine Mangelverwaltung und mehr 1918, das ist 1981, was da passiert. Die Sozialde- unwürdig für ein Land, das wirtschaftlich so gut dasteht mokratie hält fest an der nuklearen Teilhabe, sie weigert wie Deutschland. sich, auszuschließen, dass nukleare Mittelstreckenrake- ten hier stationiert werden sollen. Damit bewegen Sie Meine Damen und Herren, für Frieden und Freiheit sich wieder in der Helmut Schmidt’schen Logik der Ab- in der Welt einzutreten, bedeutet auch, Investitionen zu schreckung. tätigen, zum einen in Entwicklungshilfe, zum anderen im militärischen Bereich, um deren Erfolg und den Schutz (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann der Zivilbevölkerung langfristig zu sichern. Auch dies [FDP]: Das Beste, was der Mann gemacht hat, bekämpft Fluchtursachen. ist der NATO-Doppelbeschluss!) Als Abgeordneter und letztendlich Verantwortlicher Und Abschreckung, das ist ein Konzept, das man auf möchte ich keinen Soldaten der Bundeswehr mit man- (B) Englisch zu Recht mit „MAD“ abkürzt; das ist nämlich gelhafter Ausrüstung in einen Einsatz schicken. Ich (D) die Bedrohung mit gegenseitigem Selbstmord. Wir alle möchte auch niemanden in einen Einsatz schicken, der haben gedacht, dass wir diesen Irrtum langsam überwun- vorher mit mangelhafter Ausrüstung ausgebildet wurde. den hätten. Aber bei euch scheint das nicht der Fall zu Deshalb müssen wir eine auskömmliche Finanzierung sein. sicherstellen. Indem die Bundesregierung den Verteidi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gungshaushalt deutlich erhöht hat, trägt sie diesem Er- und bei der LINKEN) fordernis Rechnung. Das ermöglicht, hohle Strukturen aufzufüllen und die Ausrüstung unserer Streitkräfte auf einen normalen, einsatzbereiten Stand zu bringen. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank, Herr Kollege Trittin. Es ist Ihnen gelun- Meine Damen und Herren, was wären die Folgen ei- gen, die Kollegin Strack-Zimmermann richtig in Wal- nes grundsätzlichen Abrückens vom 2‑Prozent-Ziel? Für lung zu bringen. Das ist ja schon mal was. – Als Nächs- mich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben tes spricht zu uns der Kollege Jens Lehmann, CDU/ wir eine Bundeswehr als Teil der NATO, die finanziell CSU-Fraktion. so aufgestellt ist, dass sie ihre Aufgaben erfüllen kann, oder Sie finden eine Mehrheit und schaffen die Bundes- (Beifall bei der CDU/CSU) wehr ab und verteidigen unsere Werte allein mit der Frie- denstaube in der Hand. Den Weg der Antragsteller einer Jens Lehmann (CDU/CSU): mangelfinanzierten Bundeswehr auf Kosten der Sicher- heit unserer Soldaten lehnen wir selbstverständlich ab. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den NATO-Gipfeln in Wales und Warschau sind wir die Ver- Meine Damen und Herren, aufgrund der angespannten pflichtung eingegangen, unsere Verteidigungsausgaben Situation – zum Beispiel in der Ukraine, in Nordafrika in den nächsten zehn Jahren in Richtung 2 Prozent des oder im Nahen und Mittleren Osten – kann kein Zweifel BIP zu steigern. An diesem Ziel wollen und werden wir daran bestehen: Auf uns muss als Bündnispartner Verlass festhalten. sein. Dazu gehört Planbarkeit bei den finanziellen Bei- trägen im Sinne des 2‑Prozent-Ziels. Werte Antragsteller, Dafür gibt es gute Gründe. Angesichts der veränderten auch Sie kommen doch in den Genuss des Schutzes von außenpolitischen und sicherheitspolitischen Lage in der NATO und Bundeswehr und genießen Ihr Leben in Frie- Welt brauchen wir eine starke Bundeswehr mit der best- den und Freiheit. möglichen Ausstattung und Ausrüstung – zum Schutz unserer Soldaten und unserer Sicherheit. Die Bundes- (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann wehr ist Teil der außenpolitischen Handlungsfähigkeit [FDP]: Das haben die nicht kapiert!) 6854 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Jens Lehmann (A) Oder wie gedenken Sie, den Staaten im Baltikum oder aus der NATO austreten. Das sind Ihre realitätsfernen (C) den gepeinigten Menschen beizustehen, die unter gewalt- Motive. tätigen Regimen leiden? Die jetzt beschlossene deutliche Steigerung des Verteidigungshaushaltes ist der richtige (Beifall bei der AfD sowie des Abg. Mario Weg, zunächst auf 1,5 Prozent des BIP bis 2024, wie es Mieruch [fraktionslos]) die Bundeskanzlerin zugesichert hat. Es geht Linken und Grünen in ihrer Ideologie auch gar (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Genau, nicht um Realität. Ihre Vision vom universellen Frieden zunächst!) wollen Sie durch verordnete Abschaffung von Rüstungs- ausgaben erreichen. Das ist aber angesichts der Verhält- – Zunächst. – Damit machen wir unsere Hausaufgaben nisse völlige Realitätsverweigerung. für das Wohl unserer Soldaten, unserer Bevölkerung und für das Gelingen der Zusammenarbeit in der NATO. Wer- (Beifall bei der AfD) te Kollegen der Linken, es stünde Ihnen gut zu Gesicht, Solange auf dieser Welt Kräfte existieren, die unsere Art, Ihre ideologischen Grabenkämpfe nicht länger auf dem zu leben, zutiefst verachten und bekämpfen, müssen wir Rücken unserer Soldaten auszutragen. in der Lage sein, uns zu verteidigen. Das sind die Reali- (Beifall bei der CDU/CSU) täten. Deutschland ist ein verlässlicher Bündnispartner. Ge- Dabei sind Linke und Grüne scheinheilig. Sie verach- mäß ihrem politischen Gewicht und als eine der wirt- ten den Wert von Staatlichkeit in Form einer Armee, pro- schaftlich stärksten Nationen muss die Bundesrepublik fitieren aber gleichzeitig von der Sicherheit, die ihnen der am Weg zum 2‑Prozent-Ziel festhalten. Deshalb lehnt organisierte Staat gewährt; denn ohne Sicherheit kann meine Fraktion Ihren Antrag ab. kein politisches Gemeinwesen existieren. (Beifall bei der CDU/CSU) (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie sind ja voll auf Regierungskurs!)

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Beim vieldiskutierten 2-Prozent-Ziel geht es aber auch Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes spricht gar nicht um Aufrüstung, sondern es geht um Ausrüstung; zu uns der Kollege Gerold Otten, AfD-Fraktion. denn welche Mittel nötig sind, die Bundeswehr wieder in die Lage zu versetzen, ihren verfassungsmäßigen Auftrag (Beifall bei der AfD) zu erfüllen, nämlich den der Verteidigung, wird nicht am Erreichen der 2-Prozent-Zielmarke gemessen, sondern (B) das wird im Fähigkeitsprofil der Bundeswehr definiert. (D) Gerold Otten (AfD): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem aktuellen Mittelansatz im Haushaltsjahr 2019 Der vorliegende Antrag der Linken ist überflüssig, weil sowie der mittelfristigen Finanzplanung sind aber weder es sich beim 2-Prozent-Ziel nicht um eine rechtlich ver- die geplanten Zwischenschritte in 2023 bzw. 2027 noch bindliche Verpflichtung handelt, sondern um eine poli- die Umsetzung der nationalen Ambitionen 2032 zu errei- tische Willenserklärung aller NATO-Staaten, den Ver- chen. Schon in diesem Jahr klafft eine deutliche Lücke teidigungsausgaben endlich wieder mehr Bedeutung zwischen geplanten und notwendigen Ausgaben. Dieser beizumessen. Fehlbetrag wird von Jahr zu Jahr größer. Allein der In- vestitionsstau bei der Beschaffung von Munition beläuft Ein Blick zurück in die Entstehungsgeschichte dieser sich heute bereits auf mehr als 20 Milliarden Euro. Absichtserklärung zeigt aber auch interessante Aspekte in Bezug auf das Erinnerungsvermögen der daran beteilig- Dank des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr kennen ten Parteien. Es war nämlich SPD-Verteidigungsminister wir die notwendigen Kosten für die Auffüllung der hoh- Struck, der bereits 2002 in Prag einer unverbindlichen len Strukturen der Streitkräfte. Die Bundesregierung hält Erklärung zustimmte, dass 2 Prozent des Bruttoinland- sich aber aus Rücksicht auf die SPD auch hier nicht an produkts für die Verteidigung aufzuwenden sind. Außen- ihre eigenen Planungen und Vorgaben. Die AfD hat in minister war damals übrigens der Grüne . den Haushaltsberatungen mehrfach darauf hingewiesen und entsprechende Anpassungen vorgeschlagen – leider (Henning Otte [CDU/CSU]: Ach, das ist ja erfolglos. ein Ding!) (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Oh, also noch Zwölf Jahre später in Wales war es dann SPD-Au- mal zurück!) ßenminister Steinmeier, der das 2-Prozent-Ziel mitun- terzeichnete. Aus dem 2-Prozent-Ziel sind nun dank der Das ist insofern bemerkenswert, als die Union damit Querelen in der Bundesregierung gerade noch 1,5 Pro- gegen die eigenen Berechnungen des Verteidigungsmi- zent geworden, und die auch erst in 2024, wobei es mehr nisteriums stimmte, das ja bekanntermaßen von einer als fraglich ist, ob diese Quote dann überhaupt erreicht CDU-Ministerin geleitet wird – wobei Leitung in dem wird. Fall eher fraglich sein dürfte. Betrachtet man die Änderungsanträge der Linken zum (Beifall bei der AfD sowie des Abg. Mario Einzelplan 14, dann wird deutlich, was Sie eigentlich an- Mieruch [fraktionslos] – Jürgen Braun [AfD]: streben: Sie wollen keine Bundeswehr, Sie wollen auch „Leydung“!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6855

Gerold Otten (A) Ich fasse kurz zusammen: Der Antrag der Linken ist Noch dazu ist es Teil unseres Staatsverständnisses, über (C) nicht nur unnötig, substanzlos und ideologiebasiert, son- Bündnisse, also über Freunde in der Not, mehr Sicherheit dern gleicht auch einer außenpolitischen Geisterfahrt. für unser Land herzustellen. Denn nur, wer über verläss- Deutschland würde damit bei den NATO-Partnern unbe- liche Partnerschaften tiefe Beziehungen zu anderen Län- rechenbar werden wie ein unsicherer Kantonist. dern aufbaut, kann den Frieden bewahren. Meine Damen und Herren, die AfD ist die Partei der (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Henning Sicherheit, Otte [CDU/CSU] – Helin Evrim Sommer (Lachen bei der LINKEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Da ist die Türkei ja ein schöner [DIE LINKE]: Das ist ein Witz!) Freund!) ohne die politische Freiheit nur ein sinnentleerter Begriff Es ist daher vollkommen richtig, aktiver Teil der NATO ist. zu sein und innerhalb der NATO Teil der Strukturen, der Kommandostäbe zu sein und einen Teil der Verantwor- (Stephan Brandner [AfD]: Genau!) tung zu tragen. Unsere Richtschnur in Fragen der Sicherheit ist die der (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Realpolitik. Wir lehnen daher den unsinnigen und ideo- Abg. Henning Otte [CDU/CSU]) logiegetriebenen Antrag der Linken ab und stimmen der vorliegenden Beschlussempfehlung zu. Bei der beeindruckenden NATO-Übung „Trident Junc­ture“ wurde mir aber auch klar: So etwas haben wir Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. seit vielen Jahren, seit Jahrzehnten nicht mehr gemacht. (Beifall bei der AfD sowie des Abg. Mario Gemeinsame Verteidigung kann man nicht einfach fest- Mieruch [fraktionslos]) schreiben und dann nie üben. Erst in der Praxis kann man feststellen, welche Defizite es gibt – wie sie sich auch immer wieder zeigen: bei der bisherigen Struktur, Pro- Vizepräsidentin Claudia Roth: bleme mit dem Material, Probleme bei der Ersatzteilla- Vielen Dank. – Schönen guten Tag, liebe Kolleginnen ge. Die mangelhafte Ersatzteillage kommt nicht nur zu und Kollegen. Hause bei jedem Besuch zur Sprache, sondern zeigt sich Die nächste Rednerin: Siemtje Möller für die auch im Übungsbetrieb und im Grundbetrieb in Deutsch- SPD-Fraktion. land immer wieder. Und ja, auch in den Einsätzen zeigt sie sich. Vor allem diese mangelhafte Ersatzteillage ist (Beifall bei der SPD) über die Maßen strapaziert worden. (B) (D) Siemtje Möller (SPD): In der Praxis vor Ort in Norwegen hat sich auch ge- zeigt, welche Veränderungen wir jetzt, wo Landes- und Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bündnisverteidigung als Auftrag wieder zum Tragen Am Wochenende konnte ich als eine der wenigen Abge- kommen, durchlaufen müssen. ordneten – neben anderen aus der CDU- und SPD-Frakti- on, namentlich die Kollegen Hitschler und Oswin Veith; Diesen Herausforderungen lässt sich nicht – „nur“, Herr Albani war, glaube ich, auch da – bei meinem Be- muss ich dazu sagen – mit mehr Geld begegnen. Davon such der NATO-Übung „Trident Juncture“ live erleben, bin ich überzeugt, lieber Jürgen Trittin; das werden Sie was es heißt, gemeinsam in einem Bündnis zu verteidi- aus unserer Fraktion auch nicht anders hören. Sie lassen gen. sich meistern durch die Verbesserung der Prozesse: in der Vor Ort, bei den Soldatinnen und Soldaten der 1. Pan- Planung, in der Strukturierung und vor allen Dingen in zerdivision, bei den Sanitätseinheiten und vor allen der Beschaffung, im Zusammenwirken zwischen Indus- Dingen bei den Logistikeinheiten, habe ich erlebt, wie trie, militärischer Expertise und Verwaltung. gemeinsame Verteidigung funktionieren kann, sollte Tatsächlich ist dies auch das, was ich im Gespräch mit und – ja – auch, warum sie nötig und zweckmäßig ist. den Amerikanern, wenn man in eine tiefer gehende Dis- Warum also ist Verteidigung innerhalb eines Bündnis- kussion einsteigt, immer wieder höre: Es geht um Fähig- ses heute nötig und zweckmäßig? Sicher, die Kritik an keiten, um Materialbeiträge, nicht um abstrakte Zahlen, der NATO ist legitim, auch das Betonen der Reformnot- die von den eigentlichen Forderungen nach verlässlichen wendigkeit und das Befragen, wohin die Reise mit der Beiträgen und auch den eigentlichen Problemen, die es NATO gehen soll. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass zu beheben gilt, ablenken. die Welt sich verändert hat und wir uns an diese Verän- (Beifall bei der SPD) derungen anpassen müssen – innerhalb gemeinsamer Bündnisse. Mir ist es wichtiger, dass Deutschland durch mehr Es ist bestimmt sogar so, dass auch unser sogenannter Verantwortung in der Sicherheitspolitik wahrgenommen Westen nicht fehlerlos war und ist. Dennoch ist die Welt wird – und nicht, weil wir viel Geld ausgeben. Unser im Umbruch, und auf uns allein gestellt, wären wir den Ziel muss es sein, die Bundeswehr gut aufzustellen. Wir Bedrohungen nicht gewachsen. müssen in unseren Bündnissen unsere Beiträge leisten, ja; denn nur gemeinsam mit unseren Bündnispartnern (Beifall bei der SPD – Dr. Marie-Agnes können wir Teil einer schlagkräftigen Sicherheitsstruk- Strack-Zimmermann [FDP]: So ist es!) tur sein. Um hier erfolgreich zu sein, müssen wir unsere 6856 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Siemtje Möller (A) Prozesse, vor allen Dingen die Beschaffungsprozesse, Ich sage Ihnen eins: Ich war vor zwei Wochen in Li- (C) reformieren. tauen zusammen mit General Vollmer, unserem Inspek- teur des Heeres. Wenn Sie mit den Litauern sprechen, Ich möchte einen Teil meiner Redezeit jetzt noch auf stellen Sie fest: Für sie ist Sicherheit nichts Selbstver- den Kommentar zum INF-Vertrag verwenden. Lieber ständliches, auch nichts Abstraktes. Sie fühlen sich als Jürgen Trittin, Heiko Maas tut alles, damit der INF-Ver- ein Land mit 2,5 Millionen Einwohnern von ihrem größ- trag erhalten bleibt. Ich betone das: Er tut alles dafür, da- ten Nachbarn konkret bedroht. Sie sind sehr froh, dass sie mit es nicht zu einer Stationierungsdebatte kommt, die Mitglied der NATO sind und dass wir dort vor Ort sind. Sie hier jetzt recht mutwillig herbeiführen wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Alexander der CDU/CSU) S. Neu [DIE LINKE]: Er sollte das offen er- Wir als Deutschland haben mit dieser Bundesregie- klären!) rung in dieser Parteienkonstellation 2014 die Zusage Der Antrag der Linken ist meiner Meinung nach abzu- gemacht, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Ver- lehnen, weil er der Vielschichtigkeit der Thematik nicht teidigung auszugeben. Diese Zusage hat diese Bundesre- gerecht wird, was ich ausreichend ausgeführt habe. gierung 2016 wiederholt. Wir haben jetzt das Jahr 2018, und jetzt soll das nicht mehr gelten. Jetzt spricht die Bun- Vielen Dank. desregierung von Ausgaben in Höhe von 1,5 Prozent des (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten BIP für Verteidigung. Das müsste Ihnen von der Linken der CDU/CSU) eigentlich entgegenkommen. Mich hingegen wundert das sehr; denn die anderen 28 NATO-Staaten arbeiten darauf hin, 2 Prozent ihres BIPs für Verteidigung auszugeben. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Möller. – Nächster Redner (Beifall der Abg. Dr. Marie-Agnes in der Debatte: Dr. Marcus Faber für die FDP-Fraktion. Strack-Zimmermann [FDP]) (Beifall bei der FDP – Zurufe vom BÜND- Der 29. NATO-Staat, Deutschland, die größte Volkswirt- NIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Trittin hat sich schaft in Europa, sagt: Nein, 1,5 Prozent sind irgendwie zu einer Kurzintervention gemeldet!) auch 2 Prozent. – Das sind sie aber eben nicht. – Das muss man uns körpersprachlich mitteilen. Frau von der Leyen, stellen Sie sich nur eine Minu- (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- te lang vor, Sie würden zusammen mit Herrn Scholz ein (B) NEN]: Ich habe mich gemeldet und bin auf- Haus bauen wollen, und Sie verabreden, jedes Jahr je- (D) gestanden! – Gegenruf der Abg. Dr. Marie-­ weils 500 Euro zur Seite zu packen, damit Sie in zehn Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Zu spät! Jahren ein Haus haben. Weggegangen, Platz vergangen!) (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- – Das machen wir nach Herrn Faber. Jetzt ist Dr. Faber an NEN]: Da kriegst du kein Haus für, nicht mal der Reihe, und dann gibt es eine Kurzintervention. – Herr eine Hütte!) Dr. Faber, bitte. Nach vier Jahren kommt Herr Scholz zu Ihnen und sagt: Frau von der Leyen, es ist gut, dass Sie das machen; aber Dr. Marcus Faber (FDP): ich packe nur 300 Euro zur Seite. – Das würden Sie wahr- Sie können gerne nach mir alle eine Kurzintervention scheinlich nicht so gut finden. Nach zehn Jahren hätten vornehmen. – Frau Hänsel, Sie wollte ich sowieso gerade Sie dann auch nicht dieses Haus, das Sie zusammen bau- noch mal ansprechen. Ich habe mich schon sehr gewun- en wollten, sondern Sie hätten vielleicht ein Haus ohne dert: Sie sprechen hier in diesem Haus von einer Mär- Dach. Dann würde es reinregnen. Wir als Freie Demo- chenstunde, dabei ist es doch Ihre Fraktion, die diesen kraten wollen, dass die NATO ein stabiles Haus ist, in das Antrag auf die Tagesordnung gesetzt hat. es nicht reinregnet. (Beifall bei der FDP und der SPD) (Beifall bei der FDP) Diese Märchenstunde habe ich bisher auch nur bei Ih- Deswegen stehen wir zum 2-Prozent-Ziel der NATO. nen gesehen; denn Sie sprechen von dem Respekt für die Wir würden uns wünschen, dass diese Bundesregierung territoriale Integrität der Staaten; das ist gut, da bin ich das auch täte; denn Deutschland muss ein verlässlicher völlig bei Ihnen. Partner in Europa sein. Wir müssen die Bundeswehr aus- (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Der bei rüsten; darum geht es. Die hohlen Strukturen der Bun- der AfD nicht!) deswehr sind zu füllen. Aber ich habe von Ihnen recht wenig zur territorialen In- Dazu stehen wir als Freie Demokraten. Wir wollen tegrität Georgiens gehört 3 Prozent des BIP für vernetzte Sicherheit ausgeben, 2 Prozent für Verteidigung, 0,7 Prozent für Entwick- (Beifall bei der FDP – Zurufe von der LIN- lungshilfe, und wir wollen auch in die diplomatischen KEN) Beziehungen investieren. Deswegen lehnen wir den An- oder zur territorialen Integrität der Ukraine. trag der Linksfraktion ab. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6857

Dr. Marcus Faber (A) Vielen Dank. Heike Hänsel (DIE LINKE): (C) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Ja, danke schön. – Ich wollte bei der SPD-Kollegin der CDU/CSU) einfach noch mal nachfragen. Wir haben den Antrag ge- stellt, das 2-Prozent-Ziel abzulehnen. Im Wahlkampf ha- ben Sie immer gesagt, Sie lehnen dieses 2-Prozent-Ziel Vizepräsidentin Claudia Roth: ab. Wenn man Andrea Nahles heute fragt, sagt sie, sie Vielen Dank, Dr. Faber. – Weil der Kollege Faber lehnt es ab. Auch Sigmar Gabriel lehnt es ab usw. Aber schon am Pult stand, wollte ich ihn nicht zurückschi- Sie sind auf dem Pfad dahin. Sie machen eine totale Auf- cken. Deswegen kommen jetzt die Kurzinterventionen rüstungspolitik. Dabei haben Sie in Ihrem Koalitionsver- von Jürgen Trittin und von Frau Hänsel. – Frau Möller, trag festgehalten: Wir sind für Abrüstung; Deutschland die Kurzinterventionen beziehen sich auf Ihre Rede. Sie braucht Abrüstungsinitiativen. Deshalb meine Frage: Wo haben im Anschluss selbstverständlich die Möglichkeit, sind Ihre Abrüstungsinitiativen? Können Sie mir Bei- zu antworten. – Jürgen Trittin, bitte. spiele nennen, wo Sie sich für Abrüstung einsetzen? Und wie verhalten Sie sich jetzt konkret in der Abstimmung Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): über das 2-Prozent-NATO-Aufrüstungsziel? Liebe Frau Möller, ich habe mich zu der Kurzinter- vention gemeldet, weil Sie mit Ihrer Rede schon fertig Vizepräsidentin Claudia Roth: waren. Sonst hätte ich Sie gefragt. Vielen Dank. – Jetzt Frau Möller, bitte schön. Ich darf Ihnen und werde Ihnen nicht sagen, was ges- tern zumal in geheimer Sitzung des Auswärtigen Aus- Siemtje Möller (SPD): schusses diskutiert wurde. Auf der Tagesordnung stand Lieber Jürgen Trittin, Sie haben gerade eigentlich das die Frage: Wie geht die Bundesrepublik Deutschland wiederholt, was Sie schon in Ihrem Redebeitrag gesagt mit der Aufkündigung des INF-Vertrages oder einer haben. Ich möchte dazu genau dasselbe sagen, was ich möglichen Suspendierung um? In diesem Zusammen- auch in der Debatte über Syrien und eine mögliche Be- hang kann ich aus den Äußerungen insgesamt – ich teiligung der Bundeswehr gesagt habe: Wir sind da noch würde mich freuen, wenn ich Unrecht behielte – nur die nicht. Es gilt, alles zu tun, damit dieser Zustand nicht ein- Schlussfolgerung ziehen, dass das sozialdemokratisch tritt. Und genau das tut Heiko Maas. geführte Bundesaußenministerium die Aussage, dass es eine Stationierung nuklearer Mittelstreckenraketen in (Beifall bei der SPD) Europa ablehnt, bisher verweigert, weil Sie von der SPD Wir reden doch keine Stationierungsdebatte herbei, son- (B) das wohl nicht für klug halten. (D) dern wir sagen: Wir sind da noch nicht, und wir tun alles, (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Rich- damit der Vertrag erhalten bleibt. Sie können es mir glau- tig!) ben – ich weiß, dass das bei Heiko Maas in guten Händen ist –: Wir tun alles dafür! Das ist die Sache. Darauf habe ich hingewiesen. (Beifall bei der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Ich gelte in meiner Partei ja gelegentlich als rot-grünes Sehr gut! Klare Ansage!) Fossil. Liebe Frau Hänsel, vielen Dank für diese Frage. Ich (Michaela Noll [CDU/CSU]: Nicht nur da!) habe es in meinem Redebeitrag deutlich gesagt: Wir wer- – Die Bezeichnung „Fossil“ ehrt einen. den den Antrag ablehnen, weil er der Thematik und der Komplexität dieser Diskussion nicht gerecht wird. Wir (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann haben immer gesagt: Wir lehnen das 2-Prozent-Ziel in [FDP]: Kommt darauf an, wie alt das Fossil dieser Abstraktion ab. ist!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Daher werden Sie mir verzeihen, wenn ich sage, dass ich darüber erschrocken bin – ich bedauere ausdrücklich, Dazu stehe ich. Sie haben die Formulierung „2 Prozent“ dass ich das sagen muss –, dass die Sozialdemokratie in meinem Redebeitrag nicht gehört, weil ich sie bewusst in Deutschland aus der Debatte der 80er-Jahre über die nicht benutzt habe, weil ich die Diskussion für eine vor- Nachrüstung und die Unlogik der Abschreckung so we- geschobene halte, weil sie am eigentlichen Ziel vorbei- nig gelernt hat, dass sie sich in dieser Frage bisher nicht geht. positioniert hat, jedenfalls nicht in Person des Bundesau- ßenministers. (Beifall bei der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das Ziel muss sein, eine gut ausgerüstete, gut ausge- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) bildete Bundeswehr zu haben mit Strukturen und Prozes- sen dahinter, sodass es funktioniert und wir unsere gut ausgebildeten Soldatinnen und Soldaten guten Gewis- Vizepräsidentin Claudia Roth: sens in einen Einsatz schicken können. Über abstrakte Vielen Dank, Jürgen Trittin. – Jetzt Frau Hänsel. – Zahlen zu sprechen, behebt das Problem nicht. Aber Ihr Frau Möller, Sie haben dann nachher ein bisschen mehr Antrag behebt das Problem auch nicht, und deswegen Zeit für die Antwort. – Frau Hänsel, bitte kurz. lehnen wir diesen Antrag ab. 6858 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: und sie verdienen das größte Maß an Sicherheit bei der (C) Vielen Dank, Frau Möller. – Nächste Rednerin: Karin Ausübung ihrer Tätigkeit für uns. Strenz für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall der Abg. Dr. Marie-Agnes (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Strack-Zimmermann [FDP]) Wie gewährleisten wir das? Durch die – das klingt et- Karin Strenz (CDU/CSU): was abstrakt; das wurde schon gesagt – schrittweise Er- Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen höhung der Verteidigungsausgaben auf bis zu 2 Prozent und Kollegen! Gestern habe ich wieder eine Besucher- des Bruttoinlandsprodukts bis zum Jahr 2024. gruppe aus meinem Wahlkreis empfangen. Wann immer Besuchergruppen da sind, zieht sich ein Thema wie ein Aber ein Wort zur Genese. Der damalige Außenmi- roter Faden durch die Unterhaltungen: Sicherheit. Si- nister – Klammer auf: SPD; Klammer zu – und heutige cherheit war noch vor Jahren etwas scheinbar Selbstver- Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat an genau ständliches. Das Thema wurde oftmals furchtbar müde dem NATO-Gipfel 2014 in Wales teilgenommen, hat die belächelt. Heute ist das ein Thema, welches die Gemüter Umsetzung der Beschlüsse zu diesem Ziel mit vorberei- erhitzt und ganz reale Sorgen um das Heute und auch das tet und unterstützt. Zitat Steinmeier aus der „Welt“ vom Morgen markiert. Ich meine, zu Recht. 16. Juni 2017: „Deutschland muss seine militärischen Fähigkeiten stärken.“ Das mag in der SPD nicht jeder so Angesichts der vielen Konflikte in unserer Welt, die gesehen haben – sieht es auch heute noch nicht – und durch die Medienberichterstattung schon morgens am erklärt möglicherweise die angezogene Handbremse des Frühstückstisch in die Küchen flimmern, im Auto aus sozialdemokratischen Finanzministers. dem Radio schallen, die ersten Seiten unserer Zeitungen zieren und als Eilmeldungen die Displays unserer Han- Es gibt aber keine Alternative zur Einhaltung von dys verstopfen, sind wir alle heute sensibler. All das hat internationalen Vereinbarungen. Alles andere wäre ein dem Wort „Sicherheit“ endlich wieder die wahre Bedeu- Bruch, der Verlust von Glaubwürdigkeit und ein irrepara- tung zurückgegeben. Friedlich und frei leben, jetzt und bler Anflug von Beliebigkeit, den wir uns als Bundesre- auch in den kommenden Generationen, ist endlich wie- publik Deutschland in einer so fragilen Welt wie der heu- der ein Thema. tigen nicht leisten sollten; denn mehr Konflikte bedeuten Es ist unsere Verpflichtung als Parlament, für die Bür- auch mehr Engagement, und zwar auf mehreren Ebenen. gerinnen und Bürger die bestmögliche Sicherheitsstruk- Der vernetzte Ansatz beschreibt das sehr gut. Deshalb tur zu schaffen. Das Wie müssen wir allerdings verständ- müssen wir mehr investieren. Die Frage nach der Not- lich erklären und darum werben, dass unsere Idee von wendigkeit stellt sich für meine Fraktion überhaupt nicht. (B) (D) Sicherheit auch vom Souverän mitgetragen wird. Das ist (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) nicht immer leicht oder einfach, aber unumgänglich und notwendig. Ein Wort zu PESCO und der Zusammenarbeit der Mit- gliedstaaten der Europäischen Union im Rahmen der Ge- Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, in meinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Das Ihrem Antrag vermisse ich leider genau diesen Aspekt, Wir in Europa gefällt mir dabei am allerbesten. Es ist auch der in meinen Augen ein elementarer Bestandteil unse- eine Form der Emanzipation. Frau Strack-Zimmermann,­ res täglichen Miteinanders ist. Gewissermaßen bleiben ich meine gar nicht, wir seien schon aus den Kinderschu- Sie sich treu, indem Sie jedwede militärische Maßnahme hen rausgewachsen. Ich glaube, damit fangen wir erst konsequent ablehnen, Herr Dr. Neu. Damit suggerieren richtig an. Das Wir, das Ziel dieser Maßnahme, bedeutet Sie, dass ausschließlich mit den Instrumenten der Ent- Vernetzung, Aufbau und gleiche Standards; Standards wicklungshilfe und der Diplomatie sich die Welt zum bei Material, Ausrüstung und Ausbildung. Unsere Bun- Besseren wenden lassen würde. Das tut sie aber nicht. deswehr muss in die Lage versetzt werden und auch in Ich wünschte, es wäre so. Das ist auch einer der Gründe, der Lage sein, jederzeit und bestmöglich auf unterschied- warum wir hier nach den Debatten über Mandatierungen liche Verantwortlichkeiten zu reagieren. namentlich abstimmen: Damit in der Bevölkerung jeder weiß, wer wo steht. Das ist ein Zeichen der Transparenz, Gut beraten ist die Gemeinschaft, wenn jedes und das halte ich für ausgesprochen wichtig. ­NATO-Mitglied seine eigenen Fähigkeiten steigert, um Aber wir Politiker müssen bei Entscheidungen auch die NATO in ihrer Gesamtheit zu stärken. Ich möchte an klare Antworten geben. Wir müssen mit Sinn und Ver- dieser Stelle einen großen Dank an unsere Bundeswehr stand erklären und klar definierte Ziele erkennen und aussprechen; denn mein Eindruck vor Ort im Wahlkreis festlegen. Das verlangen nicht nur unsere Bürger, son- hat sich bestätigt: Die Truppe ist hochmotiviert. Sie ver- dern auch die Truppe und ihre Angehörigen. Nicht im- richtet ihren Dienst für unser Land aus Überzeugung, mer hat man – jetzt rede ich von mir persönlich – bei auch unter nicht optimalen Umständen. solchen Entscheidungen Flugzeuge im Bauch, sondern (Beifall bei der CDU/CSU) hin und wieder schlägt einem eine solche Entscheidung auch kräftig auf den Magen. Dennoch ist es für unsere Deshalb muss mit den steigenden Anforderungen im Bundeswehr wichtig, dass wir mit großer Mehrheit ent- Zuge der sicherheitspolitischen Gefährdung auch ein scheiden, da die Soldatinnen und Soldaten täglich für uns personeller und materieller Anstieg einhergehen. Das Gesundheit und Leben aufs Spiel setzen. Also gebührt muss unser Ziel sein. Die Union unterstützt die verant- ihnen ganz besonders großer Respekt vor ihrer Leistung, wortungsvolle Haltung der Bundesregierung und will in Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6859

Karin Strenz (A) Zukunft dann auch die Umsetzung der 2-Prozent-Verein- Nächster Redner in der Debatte: Dr. Karl-Heinz (C) barung. Brunner aus Illertissen für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Denken Sie bitte an Ihre Redezeit. Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen Karin Strenz (CDU/CSU): und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren Ich bin gleich fertig. auf den Zuschauertribünen! Wenn ich am kommenden Samstag wieder in meinem Wahlkreis bin und auf dem Vizepräsidentin Claudia Roth: Wochenmarkt mit den Menschen über dieses Thema und die heutige Debatte spreche, dann kann ich sogar ver- Nein, nicht gleich, sondern schnell. stehen, wenn sie zu mir sagen: Was macht ihr denn da überhaupt? Über was redet ihr denn da? Was ist das über- Karin Strenz (CDU/CSU): haupt für eine Diskussion? – Diese Diskussion ist heute Ich bin sofort fertig. in manchem Bereich absolut absurd. Ich sage das, liebe Kolleginnen und Kollegen, - Vizepräsidentin Claudia Roth: de deshalb, weil mit großer Hingabe vom 2-Prozent-Ziel Sofort. gesprochen wird und offensichtlich der eine oder andere überhaupt nicht weiß, wovon er redet. Deshalb möchte ich gerne das Beispiel des Kollegen Faber aufnehmen, Karin Strenz (CDU/CSU): um ein bisschen Wahrheit reinzubringen. Das ist ein Versprechen im Sinne der Sicherheit. – Noch ein einziger Satz zu Frau Hänsel. Natürlich gibt Richtig ist es, dass dann, wenn man sich gegenseitig es wichtige, sehr wichtige Ziele. Aber ich glaube, keines verspricht: „Jeder gibt 500 Euro“, jeder dann auch diese können wir ohne Sicherheit im Land umsetzen. 500 Euro gibt. Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden gegenüber Ihrer Bank folgendes Versprechen im Rahmen (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ohne Frieden!) der Finanzierung Ihres Hauses geben: Ich zahle das Dar- lehen immer nur in Raten in Höhe von 2 Prozent meines Danke schön. Einkommens ab. – Was würde diese Bank sagen, wenn (Beifall bei der CDU/CSU) Sie kein Einkommen mehr haben und nichts mehr zum (B) Ausgeben da ist? (D) Vizepräsidentin Claudia Roth: (Zuruf des Abg. Dr. Marcus Faber [FDP]) Vielen Dank, Frau Kollegin. – Da wir weit hinter un- Daher würde die Bank Ihren Vorschlag ganz schnell ab- serem Zeitplan sind, bitte ich Sie: Halten Sie sich an die lehnen, und die Angelegenheit wäre erledigt. Redezeiten. Warum sage ich das, liebe Kolleginnen und Kollegen, Die Kolleginnen und Kollegen möchte ich darauf hin- meine sehr verehrten Damen und Herren? Weil es 2 Pro- weisen, dass wir gerade eine Bundestagsdebatte führen. zent von irgendetwas nicht gibt. Das Bruttoinlandspro- Es ist schon bemerkenswert, dass viele Kollegen nicht dukt kann nach oben und kann auch deutlich nach unten einmal ihren eigenen Fraktionskollegen zuhören, son- gehen. dern andere Gespräche führen. Diese mögen ja interes- sant sein. Aber wir hier oben sind der Meinung, dass wir Ich erinnere mich sehr gut an den Chart von Vertei- dann einfach die Sitzung unterbrechen, bis Sie Ihre Ge- digungsministerin von der Leyen: Die Verteidigungsaus- spräche beendet haben. gaben waren im Jahr 2008 prozentual am höchsten, weil es diesem Land damals am schlechtesten ging. Seien wir (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der doch glücklich darüber, dass wir derzeit ein hohes Brut- FDP) toinlandsprodukt haben, das es uns ermöglicht, nahe an Das gilt hier für die Mitte der CDU/CSU-Fraktion. 1,5 Prozent bei den Ausgaben für die Verteidigung zu Das gilt ebenso für da hinten: Auch die Weinbauern sind kommen, das es uns ermöglicht, auch die ODA-Quote heftig dabei. zu erhöhen, das es uns ermöglicht, das zu erledigen, was wir erledigen müssen, nämlich unseren Soldatinnen und (Henning Otte [CDU/CSU]: Keine Diskrimi- Soldaten Material zur Verfügung zu stellen, Ausrüstung nierung!) auf den Hof zu stellen und nicht wie beim A400M immer Das gilt auch für SPD und Linke. nur nachzubessern, sondern den Auftrag im Land und im Bündnis ordnungsgemäß zu erledigen. Ich glaube, das (Andrea Nahles [SPD]: Das ist Die Linke, hat die Koalition, das haben wir Sozialdemokraten sauber nicht die SPD!) hingekriegt. Das haben wir geliefert, und das ist wirklich gut für dieses Land und für die Sicherheit Deutschlands. – Doch, ich habe gesehen, wer dabei war, zum Beispiel Herr Heil. Ich würde Herrn Heil jetzt nicht unbedingt zur (Beifall bei der SPD – Heike Hänsel [DIE Linken zählen. LINKE]: Überhaupt nicht!) 6860 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Dr. Karl-Heinz Brunner (A) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich halte die nahmeaspiranten herangetreten sind, war, dass die neuen (C) 2-Prozent-Debatte auch deswegen für vollkommen ab- Länder nur beitreten können, wenn sie einen signifikan- surd, da ich trotz aller gut gemeinten Papiere aus dem ten militärischen Beitrag leisten. Das heißt aber natürlich Verteidigungsministerium – das Weißbuch, die Konzep- auch, dass sich die bisherigen NATO-Mitglieder tunlichst tion der Bundeswehr, um nur einige zu nennen – immer an ihre eigenen Regeln halten sollten. Eigentlich traurig, nur feststelle, was uns fehlt, nämlich die Antwort auf eine dass man so etwas überhaupt erwähnen muss. Aber in der entscheidende Frage in diesem Land. Die Frage ist: Was letzten Zeit gewinnt man immer öfter den Eindruck, dass will Deutschland sicherheitspolitisch eigentlich? wir es mit Regeln und Verträgen nur noch dann haben, wenn wir sie anderen vorhalten können. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das frage ich mich auch! Wo wollen Sie denn hin?) So werfen wir den Griechen zum Beispiel immer wie- der den Verstoß gegen EU-Verträge vor. Aber im Gegen- Wo sind unsere politischen Interessen? Wo sind unsere satz zu Deutschland hält Griechenland seine NATO-Ver- technologischen Interessen? Wo sind unsere standort- pflichtungen ein. politischen Interessen? Wo sind die verteidigungspoliti- schen Interessen Deutschlands? Wo wollen wir hin? Ich (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Die Leute le- sage ganz deutlich: in eine friedliche Zukunft. Aber wir ben in Griechenland auf der Straße!) müssen das definieren. Andere Länder, verehrte Kolle- Auch so ein kleines Land wie Estland übererfüllt mit ginnen und Kollegen, bezeichnen dies als nationale Si- 2,4 Prozent die NATO-Forderung. Dagegen sind unsere cherheitsstrategie. 1,5 Prozent, auf die man sich irgendwann einmal geeinigt (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Frieden schaf- hat, leider ein Armutszeugnis. fen mit immer mehr Waffen!) Wir haben die Bundeswehr jahrelang systematisch ka- Mir ist es egal, wie wir sie bezeichnen. Aber wir brau- puttgespart und sind selber schuld, wenn es jetzt teuer chen sie in diesem Land. Wir brauchen diese Debatte wird. Ich habe Mitte der 90er-Jahre, als ich selber gedient darüber mit der Bevölkerung, mit dem Parlament. Wir habe, die Mangelverwaltung erleben müssen. Wer billig müssen sprechen und debattieren, um festzuschreiben, kauft, kauft zweimal; das weiß oben auf den Tribünen wo es in diesem Land sicherheitspolitisch hingeht. Ich jeder. glaube, dazu sind wir, die Abgeordneten des Deutschen Selbst wenn wir den NATO-Beschluss nur als Richt- Bundestages, nicht nur aufgerufen. Das ist unsere Pflicht linie auffassen, muss man doch einsehen, dass dieses und Schuldigkeit. Rüstungsziel für uns erstrebenswert ist. Denn Trump hat (Beifall bei Abgeordneten der SPD) deutlich gemacht, dass amerikanische NATO-Truppen (B) kein Geschenk sind. Sie sind im wahrsten Sinne ein Deal. (D) Das müssen wir mit aller Transparenz in diesem Land, in Die Stabilität Europas erhalten am Ende nicht nur Wirt- einer großen Demokratie, erreichen. schaftsvereinbarungen, sondern auch – so weh das dem Wenn dazu die heutige Debatte gedient hat, spreche einen oder anderen tun mag – amerikanische Truppen. ich gerne über 1,5 Prozent, über 1,7 Prozent oder über Wir reden oft von der Verantwortung Deutschlands in der 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wenn wir aber nur Welt, von der Verlässlichkeit Deutschlands als Partner. über Prozentzahlen sprechen, dann halte ich die Debatte Heute können wir zeigen, dass wir dieser nachkommen. für müßig, bedanke mich jetzt aber trotzdem recht herz- Daher lehnt die blaue Partei den Antrag der Linken ab. lich für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) (Beifall der Abg. Dr. Frauke Petry [fraktions- los]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Karl-Heinz Brunner. – Nächster Redner: Vizepräsidentin Claudia Roth: Mario Mieruch. Vielen Dank, Kollege Mieruch. – Der letzte Redner in dieser Debatte, dem Sie jetzt bitte Ihr Gehör schenken, ist Mario Mieruch (fraktionslos): Eckhard Gnodtke für die CDU/CSU-Fraktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen (Beifall bei der CDU/CSU) und Herren! Thema „2 Prozent Rüstungsausgaben“: Von links wird auf den Emotionsknopf gedrückt und erklärt, Eckhard Gnodtke (CDU/CSU): dass die deutschen Rüstungsausgaben damit die höchs- ten auf dem europäischen Kontinent wären. – Sie haben Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! recht. Das entspricht – simple Prozentrechnung nach Ma- Meine Damen und Herren! Nach 37 Milliarden Euro im thematik in Klasse 7 – dem Anteil der größten Volkswirt- Jahr 2017 und 38,5 Milliarden Euro im Jahr 2018 wird schaft, die wir nun einmal sind. der Verteidigungsetat im Jahr 2019 bei 42,9 Milliarden Euro liegen. Der Etat wird sich 2019 insoweit gegenüber Aber wir wollen nicht über Prozentrechnung spre- 2018 um 11,2 Prozent erhöhen. Damit bewegen wir uns chen, sondern über die Wurzeln dieser 2-Prozent-Klau- zwar immer noch nicht so massiv auf das für 2024 ge- sel. Diese liegen nicht in Wales oder in Warschau, son- steckte Ziel zu, wie wir uns das erhofft hatten. Die Eck- dern sie liegen bei der damaligen NATO-Erweiterung im daten des Verteidigungshaushalts 2019 machen jedoch Jahr 2002. Der Anspruch, mit dem wir damals an Auf- einen großen Schritt hierzu aus. Dem liegt die Erkenntnis Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6861

Eckhard Gnodtke (A) zugrunde, dass die in der NATO zusammengeschlosse- Dazu kann ich eigentlich nur Sie, werte Frau Kollegin (C) nen Länder handlungs- und verteidigungsfähig sein und Möller, zitieren. Sie haben vorhin auf das Fähigkeits- bleiben müssen, eben weil es um die Fähigkeit zur Ver- profil und die Fähigkeiten der Bundeswehr verwiesen. teidigung des eigenen Landes im Bündnis – und es geht Wenn man gemäß dem Fähigkeitsprofil die Bundeswehr nur im Bündnis – geht. unterstützen will, so kommt man nicht wegen des 2‑Pro- zent-Ziels als abstrakte Größe – das haben auch Sie, Herr Deutschland wiederum ist in den Verteidigungspla- Dr. Brunner, gesagt –, sondern aufgrund dessen, was nungen der NATO fest verankert und geht damit politisch zu beschaffen und zu veranlassen ist, wohl zwingend verbindliche Verpflichtungen ein. Grundlage der Planun- in Richtung der Summe, die dann 2024 2 Prozent des gen der NATO sind zunächst einmal – Sie kennen das – BIP ausmachen wird. Warten wir es ab! Wie auch im- die NATO-Fähigkeitsziele. Bricht man diese NATO-Fä- mer, eine Steigerung um gut 11 Prozent der Mittel für higkeitsziele auf unsere nationalen Belange herunter, so den Haushalt 2019 im Vergleich zu 2018 ist schon einmal kommt man sehr schnell zum Fähigkeitsprofil der Bun- eine entscheidende Wegmarke. Entscheidend werden im deswehr 2018. Aus den veröffentlichten Grundzügen die- nächsten und im übernächsten Jahr die dann folgenden ses Fähigkeitsprofils geht hervor, dass eine Entwicklung Haushaltsberatungen und der daraus hervorgehende Etat des Fähigkeitsprofils in drei Zwischenschritten, nämlich sein. über die Jahre 2023 über 2027 bis 2031, Folgendes vor- sieht – ich nenne nur die wichtigsten Punkte –: Bis 2023 Insgesamt sind wir auf einem guten Weg. Unterstüt- legt das Fähigkeitsprofil den Schwerpunkt auf die Auf- zen Sie uns bitte dabei, indem Sie im nächsten Jahr ei- gaben Deutschlands als Rahmennation der NATO-Speer- nem Wachstum des Verteidigungsetats genauso wie in spitze – VGTF –, für die Deutschland eine vollausge- diesem Jahr zustimmen. Für heute bitte ich Sie darum, stattete Brigade stellen muss. Im Zusammenhang zum den Antrag der Fraktion Die Linke abzulehnen. Beispiel mit der Ausrüstung dieser Brigade – ich denke Herzlichen Dank. aber auch an die NATO-Übung in Norwegen – muss es darum gehen, mit dem zusätzlich benötigten Geld soge- (Beifall bei der CDU/CSU) nannte hohle Strukturen zu füllen. Das heißt, das Aus- leihen von Großgerät zwischen den Verbänden mit dem damit verbundenen Earmarking muss auf mittlere Sicht Vizepräsidentin Claudia Roth: schlichtweg der Vergangenheit angehören. Dann wird es Vielen Dank, Kollege Gnodtke. – Frau Möller hat Sie in Zukunft um die Digitalisierung – besser noch: die Cy- leider nicht gehört, weil sie mit Herrn Kahrs geredet hat. berverteidigung – gehen. Aber gut, dann gibt es auch keine Kurzintervention.

(B) Des Weiteren – auch dies kann man dem veröffent- Ich schließe die Aussprache. (D) lichten Teil des Fähigkeitsprofils entnehmen – sind Ka- Uns liegen zur Abstimmung mehrere Erklärungen pazitäten im Weltraum zu schaffen bzw. zu belegen für gemäß § 31 unserer Geschäftsordnung vor.1) satellitengestützte Überwachung und für vernetzte Luft- verteidigungsanlagen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Verteidigungsausschusses zum An- Schließlich wird es darum gehen, das zu Ende zu brin- trag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Zwei-Pro- gen, womit wir in diesem Jahr beschaffungsmäßig ziem- zent-Rüstungsziel der NATO ablehnen“. Der Ausschuss lich weit gekommen sind, womit wir aber noch nicht empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck- ganz am Ziel angelangt sind, nämlich allen Soldaten eine sache 19/1033, den Antrag der Fraktion Die Linke auf vollständige persönliche und hochmoderne Ausstattung Drucksache 19/445 abzulehnen. Wir stimmen nun über bzw. Ausrüstung zukommen zu lassen, also auch den die Beschlussempfehlung auf Verlangen der Fraktion Die Soldatinnen und Soldaten, die hier in Deutschland ihren Linke namentlich ab. Ich bitte, wie gewohnt, die Schrift- Beitrag zur Landesverteidigung leisten, und eben nicht führerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze nur denen, die im Ausland eingesetzt sind. einzunehmen und uns mit Winkelementen zu zeigen, ob die Urnen da sind – Herr Lehrieder macht das richtig – All dies – und das ist keine neue Erkenntnis; das wird und ob die Plätze besetzt sind. – Wir sind übereinstim- immer wieder gesagt – wird Geld, sehr viel Geld kosten. mend der Meinung, dass alles okay ist. Deswegen eröffne ich jetzt die Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Werte Kolleginnen und Kollegen, vorhin wurde auf die Äußerung von Frau Nahles verwiesen; ich habe mir Gibt es Kolleginnen oder Kollegen, die ihre Stimme das zufälligerweise aufgeschrieben. Sie hat gesagt, dass noch nicht abgegeben haben? – Das ist nicht der Fall. die Bundeswehr in den letzten zehn Jahren herunterge- Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, wie ge- spart worden sei auf ein Niveau, „wo die Soldatinnen und wohnt, die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Soldaten im Einsatz teilweise sogar gefährdet sind, weil Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung ihnen notwendige Ausstattung fehlt“. Weiter sagte sie: wird Ihnen später bekannt gegeben.2) Wir tun alles, um die Bundeswehr auf dieser Ebe- Ich darf darauf hinweisen: Die Abstimmung ist been- ne auch zu unterstützen. Aber wir sind auch nicht det. Das heißt, alle Kolleginnen und Kollegen können die bereit, den Verteidigungshaushalt so zu steigern, wie das von einigen gefordert wird. 2‑Prozent-Ziele 1) Anlage 5 usw. sind illusorisch und unterstützen wir nicht. 2) Ergebnis Seite 6865 A 6862 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) Plätze wieder einnehmen und ihre Gespräche woanders Betreiberunabhängige Ermittlung und (C) führen, damit wir fortfahren können Sicherung der Ewigkeitskosten der Kohle als Mandatserweiterung für die Kohle- Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 32 a bis kommission 32 i sowie zu den Zusatzpunkten 4 a bis 4 i. Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren Drucksache 19/4850 ohne Debatte. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Wir kommen zunächst zu den unstrittigen Überwei- Finanzausschuss sungen. Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a bis 32 c, 32 f bis 32 i sowie die Zusatzpunkte 4 a bis 4 c und 4 e bis h) Beratung des Antrags der Abgeordneten 4 i auf: Margit Stumpp, Oliver Krischer, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der 32. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Breitband für alle – Digitale Infrastruk- ergänzenden Regelung der statistischen tur flächendeckend ausbauen Verwendung von Verwaltungsdaten und zur Regelung der Übermittlung von Ein- Drucksache 19/5306 zelangaben zu multinationalen Unterneh- Überweisungsvorschlag: mensgruppen an statistische Stellen Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 19/5315 Ausschuss Digitale Agenda Überweisungsvorschlag: i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Sabine Zimmermann (Zwickau), Susanne Ausschuss für Inneres und Heimat Ausschuss Digitale Agenda Ferschl, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Aktive und präventive Arbeitsmarktpoli- Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen tik umsetzen – Qualifizierung ausweiten Eisenbahngesetzes und Arbeitslosenversicherung stärken Drucksache 19/5524 Drucksache 19/5421 Überweisungsvorschlag: (B) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) (D) Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz abschätzung c) Erste Beratung des von der Bundesregie- ZP 4 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Stephan Brandner, Kay Gottschalk, Stefan zes zur Durchführung von Verordnungen Keuter, weiteren Abgeordneten und der Frak- der Europäischen Union zur Bereitstel- tion der AfD eingebrachten Entwurfs eines lung von Produkten auf dem Markt und Gesetzes zur Flexibilisierung des Zinssatzes zur Änderung des Neunten und Zwölften bei Steuernachzahlungen und Steuererstat- Buches Sozialgesetzbuch tungen Drucksache 19/5456 Drucksache 19/5491 Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Finanzausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Haushaltsausschuss f) Beratung des Antrags der Abgeordne- ten Dr. Gesine Lötzsch, Matthias Höhn, b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter Stephan Brandner, Marc Bernhard, Siegbert und der Fraktion DIE LINKE Droese, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion der AfD eingebrachten Entwurfs eines Ostdeutsche Bundesländer von Aufwen- Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bun- dungen für DDR-Renten entlasten desverfassungsgerichtsgesetzes (Gesetz zur Drucksache 19/4614 Einführung der Begründungspflicht) Überweisungsvorschlag: Drucksache 19/5492 Haushaltsausschuss (f) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Inneres und Heimat g) Beratung des Antrags der Abgeordneten c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Annalena Baerbock, Lisa Badum, Oliver Katja Suding, Grigorios Aggelidis, Christine Krischer, weiterer Abgeordneter und der Aschenberg-Dugnus, weiterer Abgeordneter Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6863

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) Update und Add-ons für den Digitalpakt Überweisungsvorschlag: (C) Schule – Umfassende Bund-Länder-Strate- Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Haushaltsausschuss gie für digitale Bildung in der Schule i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Drucksache 19/4451 Thomas Ehrhorn, Peter Boehringer, Stephan Überweisungsvorschlag: Brandner, weiterer Abgeordneter und der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- Fraktion der AfD schätzung (f) Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Verbot von Tierexporten aus Deutsch- Ausschuss Digitale Agenda land – Insbesondere in Nicht-EU-Länder, Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen bei nicht EU-rechtskonformen Transport-, Haushaltsausschuss Haltungs- und Schlachtbedingungen sowie Sicherstellung der Einhaltung der EU-Tier- e) Beratung des Antrags der Abgeordneten transportvorgaben auf dem Gebiet der Grigorios Aggelidis, Katja Suding, Nicole Bundesrepublik Deutschland und Ausar- Bauer, weiterer Abgeordneter und der Frakti- beitung von geeigneten Straf- beziehungs- on der FDP weise Ordnungswidrigkeitsvorschriften für Verstöße gegen die EU-Tiertransportvor- Update für das Elterngeld gaben Drucksache 19/5072 Drucksache 19/5532 Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Inneres und Heimat Finanzausschuss Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an Ausschuss für Arbeit und Soziales die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu Haushaltsausschuss überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Dann sind f) Beratung des Antrags der Abgeordneten die Überweisungen so beschlossen. Dr. Christoph Hoffmann, Alexander Graf Wir kommen nun zu drei Überweisungen, bei denen Lambsdorff, Grigorios Aggelidis, weiterer die Federführung strittig ist. Abgeordneter und der Fraktion der FDP Tagesordnungspunkt 32 d: Alternativen zur Zerstörung des UNESCO-­ (B) Weltnaturerbes Selous in Tansania aufzei- Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja (D) gen Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Drucksache 19/5461 DIE LINKE Überweisungsvorschlag: Einführung eines Kinderweihnachtsgelds Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (f) Drucksache 19/101 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Si- cherheit Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Matthias Seestern-Pauly, Katja Suding, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter Federführung strittig und der Fraktion der FDP Interfraktionell wird Überweisung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/101 mit dem Titel Amt des Unabhängigen Beauftragten für „Einführung eines Kinderweihnachtsgelds“ an die in der Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. gesetzlich sichern Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen Drucksache 19/5495 Federführung beim Finanzausschuss. Die Fraktion Die Linke wünscht Federführung beim Ausschuss für Arbeit Überweisungsvorschlag: und Soziales. Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungs- Finanzausschuss vorschlag der Fraktion Die Linke, Federführung beim h) Beratung des Antrags der Abgeordne- Ausschuss für Arbeit und Soziales. Wer stimmt für die- ten Bernd Reuther, Frank Sitta, Christine sen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – ­Aschenberg-Dugnus, weiterer Abgeordneter Enthaltungen? – Keine. Der Überweisungsvorschlag ist und der Fraktion der FDP abgelehnt. Zugestimmt hat Die Linke. Gegen diesen Vor- schlag waren die anderen Fraktionen: SPD, Bündnis 90/ Ausbau der dritten Start- und Landebahn Die Grünen, CDU/CSU, FDP und AfD. des Flughafens München Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der Drucksache 19/5529 Fraktionen der CDU/CSU und SPD abstimmen: Feder- 6864 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) führung beim Finanzausschuss. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag: (C) Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer Haushaltsausschuss (f) Ausschuss für Inneres und Heimat (f) enthält sich? – Ein ziemlich logisches Ergebnis: Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Überweisungsvorschlag ist angenommen mit den Stim- Federführung strittig men von AfD, FDP, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD bei Gegenstimmen vonseiten der Linken. Der Antrag soll an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse überwiesen werden. Auch da ist die Tagesordnungspunkt 32 e: Federführung strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und Beratung des Antrags der Abgeordneten Heidrun SPD wünschen Federführung beim Haushaltsausschuss. Bluhm, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Gesine Die Fraktion Die Linke wünscht Federführung beim Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Ausschuss für Inneres und Heimat. DIE LINKE Ich lasse wieder zuerst über den Überweisungsvor- Gleichwertige Lebensverhältnisse und Chan- schlag der Fraktion Die Linke – Überweisung an den cengleichheit für Ländliche Räume herstellen Ausschuss für Inneres und Heimat – abstimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt Drucksache 19/3164 dagegen? – Wer enthält sich? – Der Überweisungsvor- Überweisungsvorschlag: schlag ist abgelehnt. Zugestimmt hat Die Linke. Alle an- Ausschuss für Inneres und Heimat (f) deren Fraktionen haben diesen Überweisungsvorschlag Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Sportausschuss abgelehnt. Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ich lasse jetzt über den Überweisungsvorschlag der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Fraktionen CDU/CSU und SPD – Federführung beim Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss – abstimmen. Wer stimmt für die- Ausschuss für Kultur und Medien sen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Ausschuss Digitale Agenda Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kom- Enthaltungen? – Keine. Der Überweisungsvorschlag ist munen angenommen. Zugestimmt haben SPD, Bündnis 90/Die Federführung strittig Grünen, CDU/CSU, FDP, AfD. Dagegen war Die Linke. Der Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 33 a bis 33 r sowie che 19/3164 mit dem Titel „Gleichwertige Lebensver- die Zusatzpunkte 5 a bis 5 c und Tagesordnungspunkt 23 hältnisse und Chancengleichheit für Ländliche Räume auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorla- herstellen“ soll an die in der Tagesordnung aufgeführten gen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. (B) Ausschüsse überwiesen werden. Die Federführung ist (D) strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD wün- Tagesordnungspunkt 33 a: schen Federführung beim Ausschuss für Inneres und Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- Heimat. Die Fraktion Die Linke wünscht Federführung regierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten beim Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Gesetzes zur Änderung des Fleischgesetzes Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der Drucksache 19/4721 Linken – Federführung beim Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft – abstimmen. Wer stimmt für diesen Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- Vorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – ses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Aus- Keine. Der Überweisungsvorschlag ist abgelehnt. Die schuss) Linke hat ihrem eigenen Vorschlag zugestimmt. Dagegen waren SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU, FDP Drucksache 19/5128 und die AfD-Fraktion. Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ich lasse jetzt über den Überweisungsvorschlag der empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- Fraktionen CDU/CSU und SPD – Federführung beim che 19/5128, den Gesetzentwurf der Bundesregierung Ausschuss für Inneres und Heimat – abstimmen. Wer auf Drucksache 19/4721 in der Ausschussfassung anzu- stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Der Überweisungs- der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand- vorschlag ist angenommen. Alle Fraktionen mit Ausnah- zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – me der Linken haben diesem Vorschlag zugestimmt. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Zugestimmt haben Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Zusatzpunkt 4 d: CDU/CSU, AfD. Dagegen war niemand, und enthalten Beratung des Antrags der Abgeordneten Jan hat sich die FDP-Fraktion. Korte, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, weiterer Ab- Dritte Beratung geordneter und der Fraktion DIE LINKE und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Keine Schlechterstellung von NS-Opfern bei Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim und stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzent- Anhebung der pauschalierten Leistungen für wurf ist angenommen. Zugestimmt haben Linke, SPD, NS-Opfer Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und AfD. Enthalten Drucksache 19/4884 hat sich die FDP-Fraktion. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6865

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) Zwischendurch gebe ich Ihnen das von den Schrift- haben gestimmt 129, Enthaltungen 2. Die Beschluss- (C) führerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der empfehlung des Verteidigungsausschusses ist damit an- namentlichen Abstimmung über den Antrag der Frak- genommen.1) tion Die Linke „Zwei-Prozent-Rüstungsziel der NATO ablehnen“ bekannt: abgegebene Stimmen 651. Mit Ja ha- ben gestimmt 520 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein 1) Anlage 6

Endgültiges Ergebnis Thorsten Frei Roderich Kiesewetter Carsten Müller (Braunschweig) Abgegebene Stimmen: 650; Dr. Hans-Peter Friedrich Michael Kießling (Hof) Stefan Müller (Erlangen) davon Dr. Georg Kippels Michael Frieser Petra Nicolaisen ja: 520 Volkmar Klein nein: 128 Hans-Joachim Fuchtel Axel Knoerig Michaela Noll enthalten: 2 Ingo Gädechens Jens Koeppen Dr. Georg Nüßlein Dr. Thomas Gebhart Markus Koob Wilfried Oellers Alois Gerig Florian Oßner Ja Carsten Körber Eberhard Gienger Alexander Krauß Josef Oster CDU/CSU Eckhard Gnodtke Dr. Günter Krings Henning Otte Ursula Groden-Kranich Sylvia Pantel Dr. Michael von Abercron Rüdiger Kruse Hermann Gröhe Martin Patzelt Stephan Albani Michael Kuffer Klaus-Dieter Gröhler Dr. Joachim Pfeiffer Norbert Maria Altenkamp Dr. Roy Kühne Michael Grosse-Brömer Stephan Pilsinger Andreas G. Lämmel Astrid Grotelüschen Dr. Christoph Ploß Philipp Amthor Katharina Landgraf Markus Grübel Eckhard Pols Artur Auernhammer Ulrich Lange Manfred Grund Thomas Rachel Peter Aumer Dr. Silke Launert Oliver Grundmann Kerstin Radomski Dorothee Bär Jens Lehmann Monika Grütters Alexander Radwan Thomas Bareiß Paul Lehrieder Fritz Güntzler Alois Rainer Norbert Barthle Dr. Andreas Lenz Olav Gutting Eckhardt Rehberg (B) Maik Beermann Dr. Ursula von der Leyen (D) Christian Haase Lothar Riebsamen Manfred Behrens (Börde) Antje Lezius Dr. Stephan Harbarth Josef Rief Veronika Bellmann Andrea Lindholz Matthias Hauer Johannes Röring Sybille Benning Patricia Lips Mark Hauptmann Dr. Norbert Röttgen Dr. André Berghegger Nikolas Löbel Dr. Matthias Heider Stefan Rouenhoff Melanie Bernstein Bernhard Loos Mechthild Heil Erwin Rüddel Christoph Bernstiel Dr. Jan-Marco Luczak Thomas Heilmann Albert Rupprecht Peter Beyer Karin Maag Marc Biadacz Frank Heinrich (Chemnitz) Stefan Sauer Yvonne Magwas Peter Bleser Mark Helfrich Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Thomas de Maizière Norbert Brackmann Rudolf Henke Dr. Wolfgang Schäuble Gisela Manderla Dr. Reinhard Brandl Michael Hennrich Jana Schimke Dr. Astrid Mannes Michael Brand (Fulda) Marc Henrichmann Tankred Schipanski Matern von Marschall Silvia Breher Ansgar Heveling Dr. Claudia Schmidtke Hans-Georg von der Marwitz Sebastian Brehm Dr. Heribert Hirte Patrick Schnieder Andreas Mattfeldt Ralph Brinkhaus Christian Hirte Nadine Schön Stephan Mayer (Altötting) Dr. Carsten Brodesser Alexander Hoffmann Felix Schreiner Dr. Michael Meister Gitta Connemann Karl Holmeier Dr. Klaus-Peter Schulze Jan Metzler Astrid Damerow Dr. Hendrik Hoppenstedt Uwe Schummer Michael Donth Hans-Jürgen Irmer Dr. h. c. Hans Michelbach Armin Schuster (Weil am Marie-Luise Dött Thomas Jarzombek Dr. Mathias Middelberg Rhein) Hansjörg Durz Andreas Jung Dietrich Monstadt Torsten Schweiger Hermann Färber Ingmar Jung Karsten Möring Detlef Seif Uwe Feiler Alois Karl Marlene Mortler Johannes Selle Enak Ferlemann Anja Karliczek Elisabeth Motschmann Dr. Patrick Sensburg Axel E. Fischer (Karlsruhe- Torbjörn Kartes Dr. Gerd Müller Thomas Silberhorn Land) Volker Kauder Axel Müller Björn Simon Dr. Dr. Stefan Kaufmann Sepp Müller Tino Sorge 6866 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Frank Steffel Bärbel Bas Helge Lindh Swen Schulz (Spandau) (C) Dr. Wolfgang Stefinger Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Lischka Frank Schwabe Albert Stegemann Dr. Karl-Heinz Brunner Kirsten Lühmann Stefan Schwartze Andreas Steier Katrin Budde Heiko Maas Andreas Schwarz Sebastian Steineke Martin Burkert Caren Marks Rita Schwarzelühr-Sutter Johannes Steiniger Bernhard Daldrup Katja Mast Rainer Spiering Peter Stein (Rostock) Dr. Daniela De Ridder Christoph Matschie Svenja Stadler Christian Frhr. von Stetten Dr. Karamba Diaby Dr. Matthias Miersch Sonja Amalie Steffen Dieter Stier Esther Dilcher Klaus Mindrup Mathias Stein Gero Storjohann Sabine Dittmar Susanne Mittag Kerstin Tack Stephan Stracke Dr. Wiebke Esdar Falko Mohrs Max Straubinger Saskia Esken Claudia Moll Michael Thews Karin Strenz Yasmin Fahimi Siemtje Möller Markus Töns Michael Stübgen Dr. Johannes Fechner Bettina Müller Carsten Träger Dr. Peter Tauber Dr. Fritz Felgentreu Detlef Müller (Chemnitz) Ute Vogt Dr. Hermann-Josef Tebroke Dr. Edgar Franke Michelle Müntefering Marja-Liisa Völlers Hans-Jürgen Thies Ulrich Freese Dr. Rolf Mützenich Dirk Vöpel Alexander Throm Dagmar Freitag Andrea Nahles Gabi Weber Dr. Dietlind Tiemann Sigmar Gabriel Dietmar Nietan Bernd Westphal Antje Tillmann Michael Gerdes Ulli Nissen Dirk Wiese Thomas Oppermann Markus Uhl Martin Gerster Gülistan Yüksel Timon Gremmels Josephine Ortleb Dr. Volker Ullrich Dagmar Ziegler Michael Groß Mahmut Özdemir (Duisburg) Arnold Vaatz Stefan Zierke Uli Grötsch Aydan Özoğuz Oswin Veith Dr. Jens Zimmermann Bettina Hagedorn Christian Petry Kerstin Vieregge Rita Hagl-Kehl Detlev Pilger Volkmar Vogel (Kleinsaara) AfD Metin Hakverdi Sabine Poschmann Christoph de Vries Sebastian Hartmann Florian Post Dr. Bernd Baumann Kees de Vries (B) Dirk Heidenblut Achim Post (Minden) Marc Bernhard (D) Marco Wanderwitz Hubertus Heil (Peine) Florian Pronold Andreas Bleck Kai Wegner Gabriela Heinrich Dr. Sascha Raabe Peter Boehringer Dr. h. c. Albert Weiler Wolfgang Hellmich Martin Rabanus Stephan Brandner Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Barbara Hendricks Andreas Rimkus Jürgen Braun Dr. Anja Weisgerber Gustav Herzog Sönke Rix Marcus Bühl Peter Weiß (Emmendingen) Gabriele Hiller-Ohm Dennis Rohde Matthias Büttner Ingo Wellenreuther Thomas Hitschler Dr. Martin Rosemann Petr Bystron Marian Wendt Dr. Eva Högl René Röspel Tino Chrupalla Kai Whittaker Frank Junge Dr. Ernst Dieter Rossmann Joana Cotar Annette Widmann-Mauz Josip Juratovic Susann Rüthrich Dr. Gottfried Curio Bettina Margarethe Thomas Jurk Bernd Rützel Siegbert Droese Wiesmann Oliver Kaczmarek Sarah Ryglewski Thomas Ehrhorn Klaus-Peter Willsch Johannes Kahrs Johann Saathoff Dr. Michael Espendiller Elisabeth Winkelmeier- Elisabeth Kaiser Axel Schäfer (Bochum) Peter Felser Becker Ralf Kapschack Dr. Dietmar Friedhoff Oliver Wittke Gabriele Katzmarek Marianne Schieder Dr. Anton Friesen Emmi Zeulner Ulrich Kelber Udo Schiefner Markus Frohnmaier Paul Ziemiak Cansel Kiziltepe Dr. Nils Schmid Dr. Götz Frömming Dr. Matthias Zimmer Arno Klare Uwe Schmidt Dr. Alexander Gauland Lars Klingbeil Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Axel Gehrke SPD Dr. Bärbel Kofler Dagmar Schmidt (Wetzlar) Albrecht Glaser Ingrid Arndt-Brauer Daniela Kolbe Carsten Schneider (Erfurt) Franziska Gminder Heike Baehrens Elvan Korkmaz Johannes Schraps Wilhelm von Gottberg Ulrike Bahr Anette Kramme Michael Schrodi Kay Gottschalk Doris Barnett Christine Lambrecht Dr. Manja Schüle Armin-Paulus Hampel Dr. Matthias Bartke Christian Lange (Backnang) Ursula Schulte Mariana Iris Harder-Kühnel Sören Bartol Dr. Karl Lauterbach Martin Schulz Verena Hartmann Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6867

(A) Dr. Roland Hartwig FDP Frank Schäffler Dr. André Hahn (C) Jochen Haug Grigorios Aggelidis Dr. Wieland Schinnenburg Heike Hänsel Martin Hebner Renata Alt Matthias Seestern-Pauly Matthias Höhn Udo Theodor Hemmelgarn Christine Aschenberg- Frank Sitta Andrej Hunko Waldemar Herdt Dugnus Judith Skudelny Ulla Jelpke Martin Hess Nicole Bauer Dr. Hermann Otto Solms Kerstin Kassner Karsten Hilse Jens Beeck Bettina Stark-Watzinger Dr. Achim Kessler Nicole Höchst Dr. Jens Brandenburg Dr. Marie-Agnes Strack- Katja Kipping Martin Hohmann (Rhein-Neckar) Zimmermann Jan Korte Dr. Bruno Hollnagel Mario Brandenburg Benjamin Strasser Jutta Krellmann Leif-Erik Holm (Südpfalz) Katja Suding Caren Lay Johannes Huber Carl-Julius Cronenberg Linda Teuteberg Sabine Leidig Fabian Jacobi Britta Katharina Dassler Michael Theurer Ralph Lenkert Stephan Thomae Dr. Marc Jongen Bijan Djir-Sarai Manfred Todtenhausen Uwe Kamann Christian Dürr Stefan Liebich Dr. Florian Toncar Jens Kestner Hartmut Ebbing Dr. Gesine Lötzsch Dr. Andrew Ullmann Stefan Keuter Dr. Marcus Faber Thomas Lutze Gerald Ullrich Norbert Kleinwächter Daniel Föst Pascal Meiser Johannes Vogel (Olpe) Enrico Komning Otto Fricke Nicole Westig Jörn König Thomas Hacker Cornelia Möhring Katharina Willkomm Steffen Kotré Katrin Helling-Plahr Niema Movassat Dr. Rainer Kraft Markus Herbrand Norbert Müller (Potsdam) Fraktionslos Rüdiger Lucassen Torsten Herbst Zaklin Nastic Frank Magnitz Katja Hessel Mario Mieruch Dr. Alexander S. Neu Dr. Lothar Maier Dr. Gero Clemens Hocker Dr. Frauke Petry Jens Maier Manuel Höferlin Sören Pellmann Dr. Birgit Malsack- Dr. Christoph Hoffmann Nein Victor Perli Winkemann Reinhard Houben Tobias Pflüger (B) Ulla Ihnen SPD (D) Ingrid Remmers Hansjörg Müller Olaf In der Beek Dr. Katarina Barley Martina Renner Volker Münz Gyde Jensen Marco Bülow Eva-Maria Schreiber Sebastian Münzenmaier Dr. Christian Jung Dr. Petra Sitte Thomas L. Kemmerich AfD Helin Evrim Sommer Jan Ralf Nolte Karsten Klein Jürgen Pohl Kersten Steinke Ulrich Oehme Dr. Marcel Klinge Dr. Robby Schlund Friedrich Straetmanns Gerold Otten Daniela Kluckert Dr. Kirsten Tackmann Tobias Matthias Peterka Pascal Kober DIE LINKE Jessica Tatti Paul Viktor Podolay Dr. Lukas Köhler Alexander Ulrich Stephan Protschka Carina Konrad Doris Achelwilm Kathrin Vogler Martin Reichardt Wolfgang Kubicki Gökay Akbulut Dr. Sahra Wagenknecht Martin Erwin Renner Konstantin Kuhle Dr. Dietmar Bartsch Harald Weinberg Roman Johannes Reusch Ulrich Lechte Lorenz Gösta Beutin Katrin Werner Ulrike Schielke-Ziesing Michael Georg Link Matthias W. Birkwald Jörg Schneider (Heilbronn) Heidrun Bluhm Hubertus Zdebel Uwe Schulz Oliver Luksic Christine Buchholz Pia Zimmermann Thomas Seitz Till Mansmann Birke Bull-Bischoff Sabine Zimmermann (Zwickau) Martin Sichert Christoph Meyer Jörg Cezanne Detlev Spangenberg Alexander Müller Sevim Dağdelen BÜNDNIS 90/ Dr. Dirk Spaniel Roman Müller-Böhm Fabio De Masi DIE GRÜNEN René Springer Frank Müller-Rosentritt Dr. Diether Dehm Beatrix von Storch Dr. Martin Neumann Klaus Ernst Luise Amtsberg Dr. Harald Weyel (Lausitz) Susanne Ferschl Kerstin Andreae Wolfgang Wiehle Brigitte Freihold Lisa Badum Dr. Heiko Wildberg Bernd Reuther Sylvia Gabelmann Margarete Bause Dr. Christian Wirth Dr. Stefan Ruppert Nicole Gohlke Dr. Danyal Bayaz Uwe Witt Dr. h. c. Thomas Sattelberger Dr. Canan Bayram 6868 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Dr. Franziska Brantner Ottmar von Holtz Dr. Tobias Lindner Kordula Schulz-Asche (C) Agnieszka Brugger Dieter Janecek Dr. Irene Mihalic Dr. Wolfgang Strengmann- Dr. Anna Christmann Dr. Kirsten Kappert-Gonther Claudia Müller Kuhn Ekin Deligöz Uwe Kekeritz Beate Müller-Gemmeke Margit Stumpp Katja Dörner Katja Keul Ingrid Nestle Markus Tressel Katharina Dröge Sven-Christian Kindler Friedrich Ostendorff Harald Ebner Maria Klein-Schmeink Cem Özdemir Jürgen Trittin Matthias Gastel Sylvia Kotting-Uhl Lisa Paus Dr. Julia Verlinden Kai Gehring Oliver Krischer Filiz Polat Daniela Wagner Stefan Gelbhaar Stephan Kühn (Dresden) Tabea Rößner Katrin Göring-Eckardt Christian Kühn (Tübingen) Claudia Roth (Augsburg) Enthalten Erhard Grundl Renate Künast Corinna Rüffer Anja Hajduk Markus Kurth Ulle Schauws SPD Britta Haßelmann Monika Lazar Dr. Gerhard Schick Dr. Bettina Hoffmann Sven Lehmann Dr. Frithjof Schmidt Leni Breymaier Dr. Anton Hofreiter Steffi Lemke Stefan Schmidt Hilde Mattheis

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 33 b: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- ses für Recht und Verbraucherschutz (6. Aus- Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- schuss) regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungs- Drucksache 19/5579 gesetzes und milchrechtlicher Bestimmungen Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sowie zur Aufhebung der Rindfleischetikettie- empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- rungs-Strafverordnung che 19/5579, den Gesetzentwurf der Bundesregierung Drucksache 19/4728 auf Drucksache 19/4851 in der Ausschussfassung anzu- nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand- ses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Aus- zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – (B) schuss) (D) Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Drucksache 19/5138 Zugestimmt haben Die Linke, die SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und FDP. Dagegen hat niemand ge- Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft stimmt. Enthalten hat sich die Fraktion der AfD. empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- che 19/5138, den Gesetzentwurf der Bundesregierung Wir kommen zur auf Drucksache 19/4728 in der Ausschussfassung an- dritten Beratung zunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, jetzt um und Schlussabstimmung. Ich bitte jetzt diejenigen, die das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erhe- sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung ben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der angenommen, und zwar von allen Fraktionen des Hohen Gesetzentwurf ist angenommen. Zugestimmt haben die Hauses. FDP, die CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, die SPD und Die Linke. Enthalten hat sich die Fraktion der AfD. Wir kommen zur Tagesordnungspunkt 33 d: dritten Beratung Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich jetzt zu erhe- zes zum Internationalen Güterrecht und zur ben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderung von Vorschriften des Internationa- Gesetzentwurf ist mit der Zustimmung aller Fraktionen len Privatrechts angenommen. Drucksache 19/4852 Tagesordnungspunkt 33 c: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- Zweite und dritte Beratung des von der Bun- ses für Recht und Verbraucherschutz (6. Aus- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- schuss) setzes zur Förderung der Freizügigkeit von EU-Bürgerinnen und -Bürgern sowie zur Drucksache 19/5578 Neuregelung verschiedener Aspekte des Inter- Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz nationalen Adoptionsrechts empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- Drucksache 19/4851 che 19/5578, den Gesetzentwurf der Bundesregierung Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6869

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) auf Drucksache 19/4852 in der Ausschussfassung anzu- Tagesordnungspunkt 33 g: (C) nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand- richts des Ausschusses für Recht und Verbrau- zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Gibt cherschutz (6. Ausschuss) es keine. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung an- genommen. Zugestimmt haben die FDP, die CDU/CSU, zu dem Streitverfahren vor dem Bundesver- Bündnis 90/Die Grünen, SPD und die Fraktion der Lin- fassungsgericht 2 BvQ 91/18 ken. Dagegengestimmt hat die Fraktion der AfD. Drucksache 19/5552 Wir kommen zur Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- dritten Beratung che 19/5552, eine Stellungnahme abzugeben und den Präsidenten zu bitten, einen Prozessbevollmächtigten zu und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem bestellen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich jetzt zu erhe- Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be- ben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. schlussempfehlung ist angenommen. Für die Beschluss- Der Gesetzentwurf ist angenommen. Zugestimmt haben empfehlung haben die CDU/CSU- und die SPD-Fraktion die FDP-Fraktion, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, gestimmt. Dagegen war die Fraktion der FDP. Enthalten SPD und die Fraktion Die Linke. Dagegengestimmt hat haben sich die AfD-Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen die AfD-Fraktion. und Die Linke. Tagesordnungspunkt 33 e: Tagesordnungspunkte 33 h bis 33 r. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Menschenrechte und Tagesordnungspunkt 33 h: humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- der Abgeordneten Michel Brandt, Zaklin Nastic, onsausschusses (2. Ausschuss) Eva-Maria Elisabeth Schreiber, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE Sammelübersicht 114 zu Petitionen Drucksache 19/5082 Menschenrechtsverletzungen durch Unter- nehmen konsequent ahnden – Historische Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Nie- Möglichkeit für völkerrechtsverbindliches mand. Sammelübersicht 114 ist angenommen. (B) (D) Abkommen nutzen Tagesordnungspunkt 33 i: Drucksachen 19/961, 19/2116 Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- onsausschusses (2. Ausschuss) Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitä- re Hilfe empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Sammelübersicht 115 zu Petitionen Drucksache 19/2116, den Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 19/5083 auf Drucksache 19/961 abzulehnen. Wer stimmt für die- se Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenom- enthält sich? – Zugestimmt haben die SPD-Fraktion, men. Zugestimmt haben die CDU/CSU-Fraktion, SPD, die CDU/CSU-Fraktion, die Fraktion der FDP und die FDP und AfD. Gegenstimmen kamen von der Fraktion AfD-Fraktion. Dagegen war die Fraktion Die Linke. Die Linke. Enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grünen. Enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grünen. Sammelüber- sicht 115 ist angenommen. Tagesordnungspunkt 33 f: Tagesordnungspunkt 33 j: Beratung der Dritten Beschlussempfehlung des Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- Wahlprüfungsausschusses onsausschusses (2. Ausschuss)

zu Einsprüchen anlässlich der Wahl zum Sammelübersicht 116 zu Petitionen 19. Deutschen Bundestag am 24. September Drucksache 19/5084 2017 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- Drucksache 19/5200 tungen? – Keine. Damit ist die Sammelübersicht 116 von allen Fraktionen positiv angenommen worden. Der Wahlprüfungsausschuss empfiehlt in seiner Be- Tagesordnungspunkt 33 k: schlussempfehlung auf Drucksache 19/5200, die aus den Anlagen ersichtlichen Beschlussempfehlungen zu Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- Wahleinsprüchen anzunehmen. Wer stimmt für diese Be- onsausschusses (2. Ausschuss) schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Einstim- Sammelübersicht 117 zu Petitionen mig; alle Fraktionen haben der Beschlussempfehlung zugestimmt. Drucksache 19/5085 6870 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- (C) gen? – Keine. Zugestimmt haben die SPD, Bündnis 90/ hält sich? – Sammelübersicht 122 ist angenommen. Zu- Die Grünen, CDU/CSU, FDP und die AfD-Fraktion. Da- gestimmt haben die Fraktionen der SPD, der CDU/CSU gegengestimmt hat Die Linke. Sammelübersicht 117 ist und der FDP. Dagegengestimmt haben die Fraktionen angenommen. von Bündnis 90/Die Grünen und der AfD. Enthalten hat sich die Fraktion der Linken. Tagesordnungspunkt 33 l: Tagesordnungspunkt 33 q: Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- onsausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- onsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 118 zu Petitionen Sammelübersicht 123 zu Petitionen Drucksache 19/5086 Drucksache 19/5091 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- tungen? – Keine. Zugestimmt haben die Fraktionen der Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- SPD, der CDU/CSU, der FDP und der AfD. Dagegen- tungen? – Keine. Sammelübersicht 123 ist mit den Stim- gestimmt haben Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. men der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und der FDP Sammelübersicht 118 ist damit angenommen. angenommen. Gegenstimmen kamen von den Fraktionen der Linken, von Bündnis 90/Die Grünen und der AfD. Tagesordnungspunkt 33 m: Tagesordnungspunkt 33 r: Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- onsausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- onsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 119 zu Petitionen Sammelübersicht 124 zu Petitionen Drucksache 19/5087 Drucksache 19/5092 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- tungen? – Keine. Zustimmung von SPD, Bündnis 90/Die Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ent- Grünen, CDU/CSU und der AfD-Fraktion. Dagegenge- haltungen? – Keine. Sammelübersicht 124 ist mit den stimmt haben die Fraktion der FDP und Die Linke. Sam- Stimmen der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU an- melübersicht 119 ist angenommen. genommen. Dagegen waren AfD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion der Linken. Tagesordnungspunkt 33 n: (B) Zusatzpunkt 5 a: (D) Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- onsausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- Sammelübersicht 120 zu Petitionen schuss) zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ Drucksache 19/5088 CSU und SPD Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- Den INF-Vertrag als Grundpfeiler atomarer tungen? – Keine. Zugestimmt haben die SPD-Fraktion, Sicherheitsarchitektur und Kernelement eu- CDU/CSU und AfD. Dagegen waren Die Linke, Bünd- ropäischer Sicherheit erhalten nis 90/Die Grünen und die Fraktion der FDP. Sammel- Drucksachen 19/956, 19/1925 übersicht 120 ist angenommen. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- Tagesordnungspunkt 33 o: lung auf Drucksache 19/1925, den Antrag der Fraktionen Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 19/956 anzu- onsausschusses (2. Ausschuss) nehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be- Sammelübersicht 121 zu Petitionen schlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben Drucksache 19/5089 die Fraktionen von SPD, CDU/CSU und FDP. Gegen- stimmen kamen von der Fraktion der AfD, Enthaltungen Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ent- von der Linken und vom Bündnis 90/Die Grünen. haltungen? – Keine. Sammelübersicht 121 ist mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der CDU/CSU, der FDP und Zusatzpunkt 5 b: von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dagegenge- Beratung des Antrags der Abgeordneten stimmt haben die AfD und die Fraktion der Linken. Dr. Marcus Faber, Alexander Graf Lambsdorff, Tagesordnungspunkt 33 p: Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti- onsausschusses (2. Ausschuss) Invictus Games nach Deutschland holen – Einsatzgeschädigten Soldatinnen und Solda- Sammelübersicht 122 zu Petitionen ten den Rücken stärken Drucksache 19/5090 Drucksache 19/4535 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6871

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dage- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (C) gen? – Keine Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt. So, nun kommt ein bisschen Zug rein. Zugestimmt haben die Fraktionen von FDP, AfD und Bündnis 90/Die Grünen. Gegenstimmen kamen von den (Heiterkeit – Beifall bei der AfD) Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der Linken. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf: Zusatzpunkt 5 c: Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU und Beratung des Antrags der Abgeordneten Steffi SPD, AfD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ Lemke, Harald Ebner, Uwe Kekeritz, weiterer DIE GRÜNEN Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Wahl der Mitglieder des Kuratoriums der „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Konvention für Biologische Vielfalt stärken Europas“ Drucksache 19/5551 Drucksachen 19/5501, 19/5502, 19/5503, Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dage- 19/5504, 19/5505 gen? – Wer enthält sich? – Ich sehe keine Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt. Zugestimmt haben Bündnis 90/ (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Die Grünen und die Fraktion der Linken. Dagegen waren NEN]: Wir haben das nicht verstanden! Kön- die Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der nen Sie das wiederholen? – Gegenruf des Abg. AfD. Peter Beyer [CDU/CSU]: Das war Situations- komik!) Tagesordnungspunkt 23: – Das machen wir nachher bilateral, Frau Kollegin. – Wir Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- stimmen zunächst über den Wahlvorschlag der Fraktio- richts des Ausschusses für Ernährung und Land- nen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 19/5501 ab. wirtschaft (10. Ausschuss) Wer stimmt diesem Wahlvorschlag zu? – Wer stimmt da- – zu dem Antrag der Abgeordneten Karlheinz gegen? – Enthaltungen? – Keine. Dann ist dieser Wahl- Busen, Dr. Gero Clemens Hocker, Carina­ vorschlag einstimmig angenommen. Konrad, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Wir kommen zu dem Wahlvorschlag der Fraktion der AfD auf Drucksache 19/5502. Wer stimmt für die- Unwürdige Tiertransporte stoppen sen Wahlvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Dann ist (B) dieser Wahlvorschlag gegen die Stimmen der CDU/CSU (D) – zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ und der AfD mit den Stimmen der anderen Fraktionen DIE GRÜNEN abgelehnt. Moratorium für Tiertransporte in außer- europäische Länder aussprechen Wir stimmen nun über den Wahlvorschlag der Frakti- on der FDP auf Drucksache 19/5503 ab. Wer stimmt die- Drucksachen 19/435, 19/448, 19/4658 sem Wahlvorschlag zu? – Wer stimmt dagegen? – Dann Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner ist dieser Wahlvorschlag gegen die Stimmen der AfD mit Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses ange- Fraktion der FDP auf Drucksache 19/435 mit dem Titel nommen. „Unwürdige Tiertransporte stoppen“. Wer stimmt für Wahlvorschlag der Fraktion Die Linke auf Drucksa- diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – che 19/5504. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussempfehlung ist mit Wer stimmt dagegen? – Dann ist dieser Wahlvorschlag Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der gegen die Stimmen der AfD mit den Stimmen der ande- AfD bei Gegenstimmen von der FDP, vom Bündnis 90/ ren Fraktionen des Hauses angenommen. Die Grünen und von der Fraktion der Linken angenom- men. Wahlvorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5505. Wer stimmt für diesen Wahl- Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf vorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Dann ist auch die- Drucksache 19/4658 empfiehlt der Ausschuss die Ableh- ser Wahlvorschlag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion nung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der anderen Fraktionen dieses Hauses auf Drucksache 19/448 mit dem Titel „Moratorium für angenommen. Tiertransporte in außereuropäische Länder aussprechen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenpro- (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ be: Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen sehen wir keine. DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt wieder die Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt freundliche Präsidentin!) haben die CDU/CSU, die SPD und die Fraktion der FDP. Gegenstimmen waren von Bündnis 90/Die Grünen, von – Frau Kollegin Roth, es geht noch weiter. Ich bleibe der AfD-Fraktion und von der Fraktion Die Linke. noch kurz hier sitzen, aber dann. Jetzt gibt es einen Wechsel, und ich übergebe das Prä- (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ sidentenamt an meinen Kollegen Herrn Kubicki. DIE GRÜNEN]: Aber dann!) 6872 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: Ich warte, bis hier Ruhe eingekehrt ist, bevor ich Heiko (C) Maas das Wort gebe. – Darf ich die Kolleginnen und Kol- Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU und legen bitten, Platz zu nehmen? Lieber Herr Hofreiter, das SPD, AfD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ gilt auch für Sie. DIE GRÜNEN Ich gebe jetzt als erstem Redner in der Aktuellen Stun- Wahl der Mitglieder des Kuratoriums der de Heiko Maas, dem Bundesminister des Auswärtigen, „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“ das Wort. Drucksachen 19/5506, 19/5507, 19/5508, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten 19/5509, 19/5510 der CDU/CSU) Wir stimmen über den Wahlvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 19/5506 ab. Wer Heiko Maas, Bundesminister des Auswärtigen: stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt dage- gen? – Ich sehe keine Gegenstimme. Damit ist der Wahl- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und vorschlag einstimmig angenommen. Herren Abgeordnete! Ein Ereignis wird im politischen Sprachgebrauch schnell als „Meilenstein“ bezeichnet. Wir kommen nun zu dem Wahlvorschlag der Frak- Die Zahl solcher Meilensteine weckt gewisse Zweifel, tion der AfD auf Drucksache 19/5507. Wer stimmt für ob das immer berechtigt ist. Als jedoch 1987, also mitten diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Dann im Kalten Krieg, der Vertrag über das Verbot bodenge- ist dieser Wahlvorschlag gegen die Stimmen der CDU/ bundener Mittelstreckenraketen geschlossen wurde, war CSU-Fraktion und der AfD-Fraktion mit den Stimmen das zweifellos ein Meilenstein. Der INF-Vertrag liefert der übrigen Fraktionen des Hauses abgelehnt. den Beleg dafür, dass Verständigung in Zeiten extremer Konfrontation möglich ist, dass alle Seiten sicherer le- Wir stimmen nun über den Wahlvorschlag der Frakti- ben, wenn gegenseitiges Misstrauen überwunden wird. on der FDP auf Drucksache 19/5508 ab. Wer stimmt für Michail Gorbatschow und Ronald Reagan wussten dies, diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Dann als sie den Vertrag unterzeichneten. Und daran sollten ist dieser Wahlvorschlag gegen die Stimmen der AfD mit sich auch diejenigen erinnern, die heute in Washington den Stimmen der anderen Fraktionen des Hauses ange- und Moskau politische Verantwortung tragen. nommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wahlvorschlag der Fraktion Die Linke auf Drucksa- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE che 19/5509. Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – GRÜNEN) Wer stimmt dagegen? – Dann ist dieser Wahlvorschlag (B) gegen die Stimmen der AfD-Fraktion mit den Stimmen Von der Logik der Entspannungspolitik ist die Welt (D) der anderen Fraktionen dieses Hauses angenommen. heute leider meilenweit entfernt. Bittere Bestandsauf- Ich stelle fest, dass es einzelne Mitglieder der CDU/ nahme, mit der wir uns aber nicht abfinden dürfen, ist: CSU-Fraktion gibt – ich schätze mal: drei bis vier –, die Die multilateralen Regelwerke werden löchriger, und wir auch gegen diesen Wahlvorschlag gestimmt haben; aber drohen auf eine Zeit zuzusteuern, in der gerade Nukle- das hat auf die Entscheidung keinerlei Auswirkung. arwaffen keinerlei Beschränkungen mehr unterliegen. Wir kommen schließlich zum Wahlvorschlag der Frak- Diese Entwicklung kommt nicht aus dem Nichts. Schon tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5510. Präsident Obama forderte vor Jahren Russland auf, die Wer stimmt für diesen Wahlvorschlag? – Wer stimmt da- Vorwürfe einer möglichen Verletzung des INF-Vertrags gegen? – Dann ist dieser Wahlvorschlag gegen die Stim- auszuräumen. Wir stehen dazu mit Russland in einem men der AfD mit den Stimmen aller anderen Fraktionen engen Dialog. Ich habe meinen russischen Kollegen des Hauses angenommen. Lawrow darauf angesprochen und ihn aufgefordert, ge- rade jetzt, in dieser Diskussion, in der die Kündigung Nun übergebe ich den Sitz wieder an die von mir sehr des Vertrages zu befürchten ist, volle Transparenz herzu- geschätzte Kollegin Roth. stellen. Nächste Woche tagt die Hohe Arbeitsgruppe für Sicherheitspolitik, deren Wiederaufnahme wir im Mai in (Heiterkeit) der Bundesregierung beschlossen haben. Auch dort wer- den wir diese Themen ansprechen. Das war auch unsere Vizepräsidentin Claudia Roth: Botschaft beim NATO-Russland-Rat, der auch auf unser Wir kommen jetzt vom kühlen Norden in den warm- Betreiben letzte Woche getagt hat. So viel zum Thema herzigen Süden. – Ich gebe den Kolleginnen und Kolle- Dialog mit Russland. gen jetzt die Möglichkeit, den Raum zu verlassen oder Platz zu nehmen. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Auf welcher Ebene denn?) Ich rufe jetzt Zusatzpunkt 6 auf: Gegenüber den USA setzen wir uns dafür ein, den Aktuelle Stunde von Präsident Trump angekündigten Ausstieg nicht vor- schnell zu vollziehen, sondern gemeinsam mit uns Eu- auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und ropäern die verbleibenden Spielräume zum Erhalt des SPD Vertrages auszuloten. Auch darüber habe ich mit mei- Zur Zukunft des INF-Vertrags als Kernele- nem amerikanischen Kollegen gesprochen, und unser ment europäischer Sicherheit Staatssekretär ist zur Stunde in Washington, um diese Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6873

Bundesminister Heiko Maas (A) Gespräche fortzuführen. Warum tun wir das? Wir wol- denn dauerhafte Sicherheit auf unserem Kontinent kann (C) len den INF-Vertrag behalten, weil wir nicht wollen, dass es nur mit- und niemals gegeneinander geben. Deutschland oder irgendein anderes Land in Europa zum Schauplatz einer nuklearen Aufrüstungsspirale wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ten der CDU/CSU und der Abg. Katja Keul (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) der CDU/CSU und des Abg. Dr. Marcus Faber [FDP]) Ich möchte alle Punkte ansprechen, die nicht nur bei uns, sondern auch an anderer Stelle in Europa diskutiert Deshalb brauchen wir diesen Vertrag. werden: Uns besorgt die Stationierung nuklearfähiger Raketen in Kaliningrad. Wir können auch nicht die Au- Aber das reicht uns noch nicht; denn wir verfolgen gen davor verschließen, dass unsere östlichen Partner in in der Abrüstungspolitik keine fossilen Prinzipien. Wir Europa darüber noch mehr besorgt sind. Ebenso wichtig wollen noch mehr, und wir brauchen auch noch mehr. So ist, dass sich der Austausch eben nicht in gegenseitigen wichtig der INF-Vertrag für die globale Rüstungskont- Schuldzuweisungen erschöpft; in diesem Stadium befin- rollarchitektur ist, sein Erhalt alleine würde Frieden in den wir uns gerade. Denn: Aus zwei Monologen entsteht Europa noch nicht sichern. noch lange kein vernünftiger Dialog. Wir stehen in der Abrüstungs- und Rüstungskontroll- Wir wollen – zweitens – die Diskussion über ein um- politik vor einer völlig neuen Situation und vor vielen fassendes, internationales Transparenzregime für Rake- neuen Herausforderungen. Der Ost-West-Gegensatz ist ten und Marschflugkörper voranbringen; denn egal ob im längst nicht mehr die eine bestimmende Frage. Asymme- Nahen und Mittleren Osten oder in Ostasien: Schon der trien haben längst zugenommen. Länder wie China rüs- Wettlauf um solche Waffen lässt die Konflikte weltweit ten ihre Raketen- und Nukleararsenale deutlich auf, ohne eskalieren. dass dies in irgendeiner Weise von Vertrauensbildung begleitet wäre. Durch die rasante technologische Ent- Rüstungskontrolle muss – drittens – wieder Kernbe- wicklung verschwimmen zudem die Grenzen zwischen standteil der internationalen Diplomatie werden. Man konventionellen und nuklearen Bedrohungen. Auch die hatte nicht den Eindruck, dass das in den letzten Jahren Entwicklung immer neuer Waffensysteme vergrößert die der Fall gewesen ist. Deshalb werde ich in den nächsten Unberechenbarkeit und beeinflusst das sogenannte stra- Tagen Gespräche in Peking dazu nutzen, um auch dort tegische Gleichgewicht. für Transparenz und Rüstungskontrolle zu werben; denn da ist es bitter notwendig. Wir brauchen mehr internationale Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (B) der CDU/CSU und der FDP) (D) (Beifall bei der SPD) Wir müssen – viertens – dafür sorgen, dass völker- Dabei stehen vier Punkte im Zentrum unserer Politik: rechtliche Standards mit der Entwicklung hochmoderner Waffenarten Schritt halten. Was wie Zukunftsfantasie Wir brauchen – erstens – einen offenen Austausch klingt, ist in Teilen bereits tödliche Realität. Vollautono- zwischen den USA, Europa und Russland über die Si- me Waffensysteme, die außerhalb jeglicher menschlicher cherheit in Europa. Voraussetzung dafür ist, dass die Eu- Kontrolle töten, gehören weltweit geächtet. Das ist das ropäische Union mit einer Stimme spricht. Erst wenn wir Ziel einer Initiative bei den Vereinten Nationen, die wir das Bewusstsein schaffen, dass wir in Europa in einem als Bundesregierung bereits auf den Weg gebracht haben. gemeinsamen Raum der Sicherheit leben, werden wir Und ich würde mich freuen, wenn diese Initiative vom nach außen wirklich handlungsfähig sein. ganzen Haus unterstützt werden würde. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- Gerade hier brauchen wir eine europäische Ostpolitik. wie bei Abgeordneten der LINKEN) Ziel ist, gemeinsam mit unseren östlichen Nachbarn in Meine Damen und Herren, die Frage menschlicher der Europäischen Union auf unsere östlichen Nachbarn Kontrolle stellt sich aber auch bei anderen neuartigen jenseits der EU-Außengrenzen zuzugehen. Letzten En- Systemen wie Hyperschallwaffen oder weltraumgestütz- des geht es um die unteilbare Sicherheit aller Europäer. ten Waffen. Darüber wird nicht nur diskutiert; sie werden (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Hört! längst schon entwickelt. Bei einer Konferenz in Berlin im Hört!) kommenden Jahr wollen wir uns mit Fragen zur Regulie- rung solcher Waffensysteme international beschäftigen. In diesem Verständnis sollten wir den Austausch mitei- Und wir werden im nächsten Jahr unseren Sitz im Sicher- nander und auch mit den USA und Russland suchen. Ziel heitsrat dafür nutzen, damit das auch dort Thema wird. muss sein, durch gegenseitige Transparenz längst verlo- rengegangenes Vertrauen wieder aufzubauen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Paul Ziemiak [CDU/CSU]) (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden Verbün- Dabei können wir an die positiven Erfahrungen aus der dete für all das brauchen, Verbündete, um die weltweiten von uns angestoßenen Initiative zur konventionellen Aufrüstungstendenzen zu stoppen. Wir werden daran ar- Rüstungskontrolle im Rahmen der OSZE anknüpfen; beiten, dass Abrüstung international wieder in den Vor- 6874 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Bundesminister Heiko Maas (A) dergrund gerückt wird. Und dabei müssen wir Friedens- Wir reden heute in der Tat allerdings von einer Situ- (C) stifter sein; ation, in der der INF-Vertrag letztendlich seine Wirkung verloren hat. Der INF-Vertrag, lieber Herr Außenminis- (Beifall bei der SPD) ter, ist tot. Die Amerikaner wollen ihn nicht mehr, und die denn letztlich ist eine Lehre der Entspannungspolitik Russen wollen ihn nicht mehr – nicht, weil sich die Be- weiter gültig: Nur Verlässlichkeit und Transparenz schaf- drohungssituation in Europa so verändert hätte, dass wir fen Vertrauen, und nur Vertrauen schafft Sicherheit. uns feindlich gegenüberstehen, sondern weil beide Län- der erkannt haben, dass rund um Europa und Russland Vielen Dank. neue Mächte Entwicklungen für neue Systeme vollzogen haben, die wir gar nicht mehr kontrollieren können. Das (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) haben Sie, Herr Minister, ja völlig richtig ausgeführt.

Vizepräsidentin Claudia Roth: Dann ist es doch höchste Zeit, dass wir uns auf das konzentrieren, was sich im außereuropäischen Umfeld Vielen Dank, Heiko Maas. – Nächster Redner: Ar- entwickelt. Und das können wir nur, wenn wir diejeni- min-Paulus Hampel für die AfD-Fraktion. gen, mit denen wir bis zum Mauerfall und bis zum Fall (Beifall bei der AfD) der Sowjetunion in einer gespannten Atmosphäre lebten, heute mitnehmen. Armin-Paulus Hampel (AfD): Ich gebe Ihnen, Herr Maas, ja recht – ich sehe nur kei- Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen! Liebe Gäste im ne Taten, von Frau Merkel schon gar nicht –, dass wir Deutschen Bundestag! Wer den INF-Vertrag verstehen auf die Russen zugehen müssen. Und spätestens dann will, muss die Geschichte der Abrüstungs- und Limitati- müssen Sie doch sagen: Jetzt beenden wir die Sankti- onsgespräche in den 1970er- und 1980er-Jahren kennen. onspolitik und kommen auch in diesem Bereich zu einer Kooperation mit Russland. – Denn nur wenn Sie das hin- Der INF-Vertrag war einer davon, sozusagen der kriegen, können Sie auch auf den Rest der Welt einwir- krönende Abschluss. Es gab aber auch SALT I. Es gab ken. Das ist doch das Allesentscheidende. START I, START II und New START. Es gab MB- FR-Verhandlungen in Wien. Sie sind alle erfolgreich ge- (Beifall bei der AfD) laufen. Warum? Weil man eine Sache damals auf westli- cher Seite, im Osten sowieso, berücksichtigt hat: nämlich Es ist die Frage gestellt worden: Braucht man jetzt dass Sie, wenn Sie den Frieden wollen, auch die Rüstung einen neuen NATO-Doppelbeschluss? Nein, ich glaube, einen neuen NATO-Doppelbeschluss braucht man nicht; (B) dafür haben müssen, um abzuschrecken. Das ist das ei- (D) gentliche Erfolgsgeheimnis aller Verhandlungen damals denn beide Länder sind daran überhaupt nicht interes- gewesen. Die westlichen Nationen, die NATO-Staaten, siert. Die Amerikaner wie die Russen sind nicht an einer hatten eben in jeder Schublade, abgestuft, das notwendi- Verlängerung von INF interessiert. ge Potenzial, um einen möglichen Gegner von einem An- Die Herausforderung für uns besteht darin, mit dem griff abzuhalten. Das war der eigentliche Grund für die russischen Partner in Moskau zu einer Einigung zu kom- Erfolgsgeschichte der Abrüstungsverhandlungen in den men, damit wir gemeinsam global wirken – da gebe ich 1970er- und 1980er-Jahren, meine Damen und Herren. Ihnen völlig recht, Herr Maas –, um auf Länder wie Indi- Auf der anderen Seite standen diejenigen, die mit Frie- en, Pakistan, China und andere Einfluss nehmen zu kön- densmut und Friedensinitiative glaubten, die Welt schön- nen. Es muss also nicht unser Ziel sein, eine Konfrontati- reden zu können. Sie erinnern sich an die Demonstrati- onspolitik mit Russland fortzuführen und die Raketen zu on in : 350 000 Menschen gegen die Nachrüstung. zählen, die eventuell in Königsberg oder Rumänien oder Das Gegenteil war der Fall: Nicht die Friedenspolitik der anderswo aufgestellt wurden, im Gegenteil. Bewegten, bis hin zu Willy Brandt, war das Entscheiden- de – das wird ja heute in der Geschichtsdarstellung so Reisen Sie nicht zuerst nach Peking! Reisen Sie zuerst schön umgedreht –, sondern das Beharren auf der Posi- nach Moskau, Herr Maas! Kommen Sie mit den Russen tion, dass wir, wenn die Russen damals ihre SS 20 nicht und den Amerikanern dahin gehend ins Gespräch, dass abgerüstet hätten, mit einer Pershing dagegengehalten wir uns gemeinsam für eine globale Vereinbarung zur hätten. Das hat den Frieden in Europa erhalten – das und Reduzierung oder gar für die Abschaffung von INF-Waf- nichts anderes. fen einsetzen können! Für Deutschland, für Europa, für Russland und letztendlich zum Segen des Rests der Welt. (Beifall bei der AfD) Danke schön. Es war ja ein sozialdemokratischer Bundeskanzler, der mit dem NATO-Doppelbeschluss genau das klar er- (Beifall bei der AfD) kannt hat. Meine Herren von der Sozialdemokratie, ich kann Ihnen nur sagen: Früher hatten Sie einen Schmidt, Vizepräsidentin Claudia Roth: heute haben Sie Schulz, und deswegen sind Sie auf dem Weg zur 5-Prozent-Hürde. Vielen Dank. – Nächster Redner: Roderich Kiesewetter für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der AfD – Marianne Schieder [SPD]: Billig, billig, billig!) (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6875

(A) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Ich appelliere auch an Außenminister Lawrow und Präsi- (C) dent Putin: Schaffen Sie Transparenz! Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind gera- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- de Zeitzeugen eines beispiellosen Verfalls und Kollapses wie der Abg. Josip Juratovic [SPD] und Frank der internationalen Rüstungsarchitektur. Unsere Aufga- Müller-Rosentritt [FDP]) be ist nicht, das zu kommentieren, sondern ist es, hand- lungsfähig zu bleiben. Stellen Sie das Vertrauen wieder her! Dann sind auch wir bereit, russische Vorwürfe aufzugreifen und zu entkräf- Handlungsfähig heißt für uns als Bundesrepublik ten. Ich spreche von der Raketenabwehr in Rumänien Deutschland, dass wir uns auf den Dreiklang von nuklea- und einem System, das bis 2020 in Polen aufgestellt wird rer Rückversicherung, von vertrauensbildenden Maß- und eben nicht den Vertrag verletzt. Daraus ergeben sich nahmen und von dem Drängen auf eine funktionierende für mich drei Folgerungen. Rüstungskontrolle besinnen. Diese drei Bereiche bilden Erstens. Wir als CDU/CSU müssen gemeinsam in der die Kernaufgabe, die wir erfüllen müssen, um Rüstungs- Koalition daran arbeiten, dass Europa zusammensteht kontrolle zu ermöglichen. und dafür kämpft, dass dieser Mittelstreckenabrüstungs- Woran liegt das? In den letzten 30 Jahren hat sich das vertrag erhalten bleibt. sicherheitspolitische Umfeld – das haben wir alles gehört; Zweitens. Wenn wir ihn erhalten wollen, müssen wir das wissen wir – dramatisch verändert, auch im Bereich ihn vermutlich öffnen. Das ist ein sehr langwieriger Pro- der Nuklearfähigkeit bestimmter Länder. Indien, China, zess, und es wird sicherlich sehr schwer sein, China und Pakistan und Iran verfügen inzwischen über Fähigkeiten, andere – ich habe mit einigen Kollegen die Ehre, Sie, die Bestandteil eines INF-Vertrags sein müssten. Herr Außenminister, am Wochenende zu begleiten – zu überzeugen. Ich glaube, da überheben wir uns auch ein (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Genau!) bisschen. Aber wir haben als Verfechter der regelbasier- China hat so viele Raketen. 80 Prozent seines Raketenpo- ten internationalen Ordnung auch die Pflicht, China, das tenzials fielen unter einen potenziellen INF-Vertrag. sich als neuer Verfechter einer internationalen Handels- ordnung begreifen will, daran zu erinnern, dass weltwei- Aber entscheidender ist, wie sich Russland in den letz- tes Vertrauen nur durch Rüstungskontrolle zu schaffen ten zehn Jahren verhalten hat. Bereits im Jahr 2007, bei ist. Das Gefühl von Sicherheit ist notwendig. der Münchener Sicherheitskonferenz, hat der russische (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Außenminister Lawrow gesagt: Der INF-Vertrag ist ein der SPD) (B) Relikt des Kalten Krieges. – Und Putin sagte – ich war (D) damals zugegen –: Das ist universell sowieso nicht ein- Ein anderer Gedanke: Ich warne davor, in diesem Kli- setzbar. – Das heißt, bereits im Jahr 2007 sagte Russland ma einseitig Nuklearwaffen aus Europa abzuziehen. Wir auf internationaler Bühne, dass der INF-Vertrag obsolet würden nur eine neue Debatte entfachen. zu werden scheint. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Statt aber die Zeit zu nutzen und mit dem wichtigsten Wir würden sie beispielsweise in Polen entfachen. Das Partner, den USA, in ein Einvernehmen zu kommen, hat ist etwas, was wir nun wirklich überhaupt nicht gebrau- Russland in den letzten zehn Jahren eine Entwicklung chen können. vorweggenommen, die ein Scheitern des INF-Vertrags einkalkuliert hat. Das führt mich zu meinem dritten Punkt. Wir sollten uns darauf einstellen, dass der INF-Vertrag womöglich Bereits im Jahr 2014 hat Obama sehr deutlich ge- scheitert. Deshalb müssen wir alles tun, dass dies nicht macht, dass es Verdachtsmomente gibt, dass Russland zu einer Nachrüstungsdebatte in Europa führt, sondern gegen diesen Vertrag verstößt. Bis zum Frühjahr dieses zu einer Fähigkeitsdebatte. Jahres hat Russland geleugnet, dass es neue Systeme ent- wickelt und – wie wir hören – offensichtlich auch dis- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) loziert hat. Das bedeutet, dass wir zehn Jahre lang Zeit- Wir haben heute bereits über das 2‑Prozent-Ziel gespro- zeugen geworden sind, wie Russland nicht am Erhalt des chen. Zu dieser Fähigkeitsdebatte gehört auch, ballisti- INF-Vertrags gearbeitet hat, obwohl die Obama-Admi- sche Raketenabwehr und Abwehr von Marschflugkör- nistration sehr intensiv darauf hingewirkt hat. pern zu leisten. Das ist ein hoher Aufwand, das ist kein Pappenstiel; und das müssen wir auch unserer Bevölke- Daraus müssen wir doch Folgerungen ziehen. Eine der rung gegenüber sehr klar vertreten. Folgerungen ist, dass wir Europäer ein ganz hohes In- teresse am Erhalt des INF-Vertrages haben. Wir werden Mir kommt es auf Folgendes an, liebe Kolleginnen ihn aber nicht erhalten, wenn wir nicht zusammenstehen und Kollegen: Die letzten zehn Jahre wurden von Russ- und wenn wir nicht deutlich machen, dass Russland ihn land genutzt, um den Vertrag schleichend zu untergraben. unterläuft. Deswegen ist unser Rat an die USA – der Au- Die Amerikaner sollten sich jetzt nicht unnötigerweise in ßenminister hat es eben angesprochen –, nicht vorzeitig eine Position bringen, in der sie der Beelzebub für das aus dem Vertrag auszusteigen und Russland quasi einen russische Vorgehen werden. Das sollten wir gemeinsam Vorwand für eine offizielle nukleare Aufrüstung zu lie- verhindern. Deshalb sollten wir als Europäer zusammen- fern, sondern alles für den Erhalt des Vertrages zu tun. stehen. 6876 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Roderich Kiesewetter (A) In diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit. Russland darüber hinaus massiv in die Modernisierung (C) seiner nuklearen Fähigkeiten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: USA auch! Nicht vergessen!)

Vizepräsidentin Claudia Roth: Diese Strategie darf nicht ignoriert werden. Vielen Dank, Roderich Kiesewetter. – Nächster Red- ner: Bijan Djir-Sarai für die FDP-Fraktion. Die Fragen lauten: Wie geht man künftig mit Russ- land um? Wie geht man künftig mit China um? Das sind (Beifall bei der FDP) Fragen, die in der Tat auf Ihrer Reise, Herr Minister, eine außerordentlich wichtige Rolle spielen werden. Deutsch- Bijan Djir-Sarai (FDP): land und Europa stehen also vor realen nuklearen Be- drohungen, auf die es bislang leider keine Antwort gibt. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es Hinzu kommt, dass die USA unter Präsident Trump kein direkt auf den Punkt zu bringen: Eine Aufkündigung des Garant mehr für unsere Sicherheit sind. Das ist in letzter INF-Vertrages ist gefährlich für Deutschland, für Europa Zeit mehr als deutlich geworden. und für die gesamte internationale Gemeinschaft. Der INF-Vertrag ist ein bilateraler Vertrag zwischen (Beifall bei der FDP) den USA und Russland. Wer sich für seinen Erhalt einset- Lange galt dieser Vertrag als Meilenstein der nuklea- zen möchte, dem bleibt nicht viel mehr, als zwischen bei- ren Abrüstung. Er sorgte am Ende des Kalten Krieges den Parteien zu vermitteln. Dies scheint zum gegenwär- für Annährung und Vertrauen. Die Welt von heute und tigen Zeitpunkt allerdings nicht sonderlich erfolgreich zu die Konflikte von heute sind aber komplexer gewor- sein. Außerdem steht das Scheitern des Vertrages nicht den. In dieser neuen Welt brauchen wir mehr Abrüstung erst seit kurzem zur Debatte. Jedem war klar, wie Präsi- und mehr Rüstungskontrolle. In dieser gefährlichen dent Trump mit internationalen Abkommen umgeht, und Welt braucht die internationale Ordnung mehr Vertrau- jedem war klar, was sein Sicherheitsberater John Bolton en und mehr Transparenz. Heute aber stehen wir an ei- von diesem INF-Vertrag hält, nämlich nichts. Wenn sich nem Scheideweg. Kündigen die Vereinigten Staaten den die Bundesregierung nun also überrascht und betroffen INF-Vertrag auf, so könnte dies weltweit einen Verlust zeigt, dann ist das eher ein Zeichen der Hilflosigkeit. Es von Sicherheit und Stabilität zur Folge haben. ist also höchste Zeit, dass sich Deutschland und Europa endlich der Realität stellen. Das bedeutet, endlich außen- (B) Der INF-Vertrag hält nicht mehr, was er einst ver- und sicherheitspolitisch erwachsen zu werden. Europa (D) sprach; denn so bedeutsam der Vertrag in seinen frühe- muss die richtigen Schlussfolgerungen aus dieser Debat- ren Jahren war, so sehr hat er in den vergangenen Jahren, te ziehen. wenn nicht Jahrzehnten, an seiner Wirkung eingebüßt. Die ursprüngliche Transparenz wird heute von den Ver- (Beifall bei der FDP) tragspartnern nicht mehr gewährleistet. Das Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen ist schon lange nicht mehr Meine Damen und Herren, die globale Sicherheitslage vorhanden. Spätestens seit 2014 steht der Vorwurf im ist bedenklich; das muss ich hier in diesem Raum nie- Raum, dass Russland den Vertrag regelmäßig verletzt. mandem erklären. Das mögliche Scheitern des INF-Ver- Gegenseitige Vorwürfe stehen dabei sowohl in Russland trages ist nur eine von vielen Baustellen der internati- als auch in den USA auf der Tagesordnung. Die Kritik onalen Politik. Daher werden auf globaler Ebene neue der US-Administration kommt nicht erst seit Präsident und zeitgemäße Konzepte notwendig sein. Diese werden Trump; diese Kritik hat es schon unter Präsident Obama benötigt; denn wir brauchen eine Abrüstungs- und Rüs- gegeben. tungskontrollpolitik im Sinne des Multilateralismus, im Sinne der modernen Politik des 21. Jahrhunderts. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Auch die NATO hat sich in den vergangenen Jahren diesbezüglich kritisch Richtung Russland geäußert. Dass Denn heute geht es weder ausschließlich um Russland unabhängig davon Staaten wie China, Iran und Pakistan und die USA noch um die altbekannten Waffensysteme. nuklear aufrüsten, stellt die Sinnhaftigkeit des bilateralen Es geht um neue Akteure auf der internationalen Bühne, INF-Vertrages zudem komplett infrage. Die Zeiten der und es geht um neue Waffensysteme. Diesen Herausfor- bipolaren Weltordnung sind vorbei. Dies sollten auch die derungen müssen wir uns als Deutsche, als Europäer, als internationalen Regelwerke widerspiegeln. westliche Allianz stellen. Die Bundesregierung sollte ih- ren kommenden Sitz im UN-Sicherheitsrat dafür nutzen Meine Damen und Herren, wir müssen uns mit aller und die Sicherheit Europas nicht in die Hände anderer Deutlichkeit fragen, was das Vertragsende für uns, vor legen. allem für uns Europäer, bedeuten könnte. Erstens bleibt festzuhalten, dass russische Mittelstreckensysteme für Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. die USA nur eine sehr indirekte Bedrohung darstellen. Diejenigen, die von der Zerstörungskraft in erster Linie (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten betroffen sind, sind wir Europäer. Zweitens investiert der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6877

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: darauf drängen, dass diese verhängnisvolle Strategie auf- (C) Vielen Dank, Kollege Djir-Sarai. – Nächste Rednerin: gegeben wird, wenn sie den INF-Vertrag retten will. Kathrin Vogler für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der LINKEN) neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mir wün- Kathrin Vogler (DIE LINKE): schen, dass dieses Parlament heute eine klare Botschaft Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und an beide Vertragsparteien sendet, endlich die Verfikati- Herren! Der INF-Vertrag, über den wir heute reden und onskommission des INF einzuberufen und ernsthaft und den Präsident Trump gerne kündigen möchte, ist ja nicht zielgerichtet zu verhandeln und so gegenseitige Inspek- einfach irgendein Vertrag. Der INF-Vertrag ist deswe- tionen wieder zu ermöglichen. Wir sagen klar und deut- gen so wichtig, weil er nicht nur Obergrenzen enthält, lich: Verhandeln ist besser als drohen. sondern erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg auch die (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- vollständige Abrüstung einer bestimmten Waffengattung NIS 90/DIE GRÜNEN) geregelt hat, nämlich der atomaren landgestützten Mit- telstreckenraketen. Damit war das Wettrüsten in diesem Allerdings müssen wir leider davon ausgehen, dass Bereich beendet und eine Gefahr gebannt, die die Welt ein US-Präsident, der Twittereinträge und Wahlkampf- mehrfach an den Rand eines alles vernichtenden Atom- kundgebungen nutzt, um wichtige internationale Verträ- kriegs geführt hat. ge aufzukündigen, etwas stärkere Signale benötigt, um wieder zur Vernunft zu kommen. Deswegen fordere ich Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich in den Sie, Herr Maas, auf, deshalb fordere ich die Bundesregie- 80er-Jahren von Haus zu Haus gelaufen bin und Un- rung auf, öffentlich klarzustellen, dass eine Stationierung terschriften für den Krefelder Appell gesammelt habe. weiterer atomarer Waffen auf dem Boden der Bundesre- Millionen Unterschriften kamen damals zusammen, und publik Deutschland nicht infrage kommt. in jedem Dorf gründete sich eine Friedensinitiative. Wir waren entschlossen, die wachsende Atomkriegsgefahr in (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Europa nicht einfach widerstandslos hinzunehmen. Am neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Ende hatten die riesigen Demonstrationen, die Appelle, und des Abg. Martin Schulz [SPD]) die Blockaden vor Raketenstützpunkten, aber auch die Das deutlichste Zeichen allerdings wäre meiner Ansicht vielen Aktivitäten der Friedensfreundinnen und -freunde nach, den einmütigen Beschluss dieses Hauses aus dem in der DDR und in anderen Ostblockstaaten Erfolg. Jahre 2010 endlich auf den Weg zu bringen, Atomwaffen (B) (Beifall bei der LINKEN) aus Deutschland abzuziehen und sich dem Atomwaffen- (D) verbotsvertrag der UNO anzuschließen. Als Michail Gorbatschow und Ronald Reagan 1987 den INF-Vertrag unterzeichneten, taten sie das auch in (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- dem Bewusstsein, dass die wahnsinnige Aufhäufung NIS 90/DIE GRÜNEN) von atomarem Vernichtungspotenzial in Europa von der Jetzt werden Sie mir natürlich entgegenhalten, dass Mehrheit der Menschen nicht hingenommen wird. Diese es gerade die atomare Teilhabe im Rahmen der NATO Unterzeichnung machte den Menschen in Ost und West sei, die der Bundesrepublik eine Mitsprache über die Hoffnung, Hoffnung auf ein Ende der Blockkonfrontati- US-Atomwaffen sichere. Das hören wir immer wieder. on und Hoffnung auf eine Friedenszeit nach dem Kalten Meine Damen und Herren, spätestens heute muss Ihnen Krieg. Dieser Vertrag hat hervorragend funktioniert – bis doch klar sein, dass das ein Mythos ist und wie wenig vor einigen Jahren. Seit der Aufstellung des NATO-Ra- weit Ihre Mitsprache reicht. ketenabwehrsystems in Osteuropa kommt es immer wie- der zu gegenseitigen Vorwürfen zwischen Russland und Wolfgang Ischinger, der Vorsitzende der Sicherheits- den USA, die jeweilige Gegenseite würde den Vertrag konferenz, hat erst kürzlich darauf hingewiesen, wie sehr verletzen. Allerdings dürfte das kein Grund sein, den ge- eine Aufkündigung des INF-Vertages durch die USA die samten INF-Vertrag infrage zu stellen; denn er enthält ja anderen NATO-Staaten brüskiert. Schließlich ist noch in gute Regelungen für genau diese Art von Konflikten. der Abschlusserklärung des Gipfels von Warschau fest- gelegt worden, dass man sich gemeinsam mit Russland (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- um eine Ausräumung der strittigen Punkte bemühen wer- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) de. Aber das scheint die derzeitige US-Regierung nicht Er hat ein umfassendes Verifikationsregime, und er re- die Bohne zu interessieren. gelt ganz genau, dass die beiden Seiten gegenseitig ihre Meine Damen und Herren, die Doomsday Clock, die Waffensysteme überprüfen können. Doch jetzt hat sich die Gefahr eines Atomkriegs anzeigt, steht heute auf zwei die NATO selbst ein Bein gestellt: Mit ihrer Strategie „no Minuten vor zwölf. So nah an der Selbstvernichtung der business as usual“, mit der sie nach der Annexion der Menschheit durch die zerstörerischsten Instrumente, die Krim Russland unter Druck setzen will, behindert sie den sie je erfunden hat, waren wir seit dem Koreakrieg 1953 militärischen Informationsaustausch und verschüttet die nicht mehr, Kommunikationskanäle, die so wichtig wären für solche Verifikationsmaßnahmen. Darauf muss die Bundesregie- (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Die Leier rung meiner Ansicht nach eine Antwort finden. Sie muss kenne ich schon!) 6878 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Kathrin Vogler (A) nicht einmal auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Wir Grüne haben bereits 2010 hier im Bundestag ge- (C) Schon John F. Kennedy hat es auf den Punkt gebracht, warnt, dass der Aufbau eines NATO-Raketenabwehrsys- als er sagte: tems die Gefahr einer weltweiten Rüstungs- und Proli- ferationsspirale heraufbeschwört, insbesondere gerade Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, dann, wenn die globale Machtverteilung durch aufstre- oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende. bende Mächte neu bestimmt wird. Außerdem konnte der Lassen wir es nicht so weit kommen. Vorwurf der Russen, die Raketenabwehrsysteme könnten auch offensiv bestückt werden und seien ebenfalls ein (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Verstoß gegen den INF-Vertrag, bis heute nicht hieb- und NIS 90/DIE GRÜNEN) stichfest ausgeräumt werden. Notwendig und hilfreich wären in dieser Lage endlich gegenseitige Inspektionen, Vizepräsidentin Claudia Roth: wie sie der Vertrag gerade vorsieht, Vielen Dank, Kathrin Vogler. – Nächste Rednerin: Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und zwar Inspektionen der Raketenabwehrsysteme auf der einen und der umstrittenen russischen SSC-8-Rake- Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ten auf der anderen Seite. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Kündigung des Klimaabkommens Außerdem haben beide Seiten ein gemeinsames Inte- von Paris, dem Austritt aus dem UN-Menschenrechts- resse bezüglich der Einbeziehung Chinas. Nur gemein- rat, aus der UNESCO, der einseitigen Kündigung des sam können sie genug Druck aufbauen, um China dazu Iran-Deals, nun also die Kündigung des INF-Vertrages! zu bringen, über Rüstungskontrolle zu reden. (Karsten Hilse [AfD]: Abschied vom Migra- (Armin-Paulus Hampel [AfD]: So ist es!) tionspakt!) Solange aber Präsident Trump Tag für Tag bestätigt, dass Es ist der nächste Schritt im konsequenten Ausstieg aus ihm multilaterale Verpflichtungen lästig sind, dürfte es internationalen Verpflichtungen, wobei die Frage der schwierig sein, überhaupt ernsthafte Verhandlungen mit Vertragsverletzung durch andere in der Regel gerade irgendwem zu führen. nicht im Zentrum gestanden hat. Ja, in diesem Fall gibt es tatsächlich Vorwürfe gegen- Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die amerikani- (B) über Russland, dass neue bodengestützte nuklearfähige sche Außenpolitik derzeit von dem Irrglauben geleitet ist, (D) Marschflugkörper entwickelt würden, die eine Reichwei- allein auf dieser Welt ohne Partner auskommen zu kön- te von über 500 Kilometern haben und damit gegen den nen. Für uns heißt das, dass wir unsere ureigenen Sicher- INF-Vertrag verstoßen würden. Diese Vorwürfe werden heitsinteressen selbst vertreten müssen. Wir Grüne er- seit 2014 erhoben und sind sicher keine Erfindung von warten von der Bundesregierung, dass sie sich klar gegen Trump. Die Republikaner im Kongress machen schon die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa länger Druck, endlich Konsequenzen zu ziehen. Die Fra- ausspricht und dass sie sich innerhalb der NATO für die ge ist nur, was für Konsequenzen. Was soll es bringen, Überwindung einer Politik der nuklearen Abschreckung den Vertrag zu kündigen und damit auch Russland of- einsetzt. fiziell zu erlauben, unbegrenzt Mittelstreckenraketen zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stationieren, wo immer man gerade will? und bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir wollen keine neuen Mittelstreckenraketen in Europa, weder russische noch amerikanische. Wir wollen, dass Ein solcher Schritt macht nur Sinn, wenn es einem gar beide Seiten sich an ihre Verpflichtungen halten. Wenn nicht um die Einhaltung durch den Vertragspartner geht, es ihnen gelingt, China mit ins Boot zu holen, umso bes- sondern darum, selbst die lästige Verpflichtung unbe- ser. Wir betrachten den Erhalt des INF-Vertrages als zen- dingt loszuwerden. Europäische Sicherheitsinteressen trales europäisches Sicherheitsinteresse. All dies muss spielen dabei leider keine vorrangige Rolle mehr. die Bundesregierung laut und deutlich kommunizieren; Das war nicht immer so. 1987 war ein historischer denn es gibt im Kongress durchaus noch Partner, die uns Moment, der für immer bewiesen hat: Verständigung verstehen. Bei unserer Parlamentarierreise in der letzten und Abrüstung sind möglich, wenn man nur will. 2009 Woche wurde uns von demokratischer Seite geradezu hat sich Präsident Obama in einer denkwürdigen Rede nahegelegt, dies bei jeder Gelegenheit im Kongress an- zu einer atomwaffenfreien Welt bekannt. Ein Jahr später zusprechen. konnte eine Vereinbarung zur Reduzierung strategischer Die Bundesregierung muss aber auch ihre Handlungs- Atomwaffen erzielt werden. Der Preis dafür war damals spielräume nutzen, wenn es zum Beispiel darum geht, die allerdings hoch. Obama musste einer künftigen Moder- 122 Staaten zu unterstützen, die sich für einen Atomwaf- nisierung der bestehenden Nuklearwaffen in einem bis fenverbotsvertrag ausgesprochen haben. dato ungesehenen Ausmaß zustimmen. Außerdem drohte schon damals die Debatte um den Raketenabwehrschirm (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN neues Misstrauen zu schaffen. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6879

Katja Keul (A) Die Produktion von Material für die Nuklearwaffen Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist im deutschen (C) durch die Firma Urenco und die Belieferung von Atom- und im europäischen Interesse, die Begrenzung von staaten muss beendet werden. Atomarsenalen und das Verbot von landgestützten Mit- telstreckenwaffensystemen zu erhalten und zu sichern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Deswegen ist es wichtig, festzustellen: Der INF-Vertrag sowie bei Abgeordneten der LINKEN) ist noch nicht tot, und, Herr Kollege Hampel, wir sollten Und mehr denn je fordern wir Grüne jetzt den Abzug ihn auch nicht totreden. der Atomwaffen aus Deutschland, wie es der Bundestag (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Er ist schon 2010 einstimmig beschlossen hat. tot! Weiter!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Der INF-Vertrag braucht eine Modernisierung. Warum braucht er eine Modernisierung? Weil es heute nicht Die Modernisierung der Tornados als Trägersysteme mehr zeitgemäß ist, dass er nur Amerika und Russland muss beendet werden. Das drohende unrühmliche Ende umfasst. Auch andere Mächte wie China müssen einge- des Mittelstreckenraketenverbotsvertrages belegt einmal bunden werden. mehr: Nukleare Teilhabe und nukleare Abschreckung sind der falsche Weg. (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Genau!) Vielen Dank. Wir müssen auch darüber sprechen, dass er nicht mehr zeitgemäß ist in einer Zeit, in der es andere Waffensys- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teme gibt. Es gibt neue Waffensysteme: Hyperschallwaf- und bei der LINKEN) fen, vollautomatisierte Waffen oder Weltraumwaffen. Wir brauchen eine Überarbeitung, eine Modernisierung Vizepräsidentin Claudia Roth: des INF-Vertrages. Vielen Dank, Katja Keul. – Nächster Redner: Nikolas Wenn es so weit kommen sollte, dass tatsächlich eine Löbel für die CDU/CSU-Fraktion. einseitige Aufkündigung erfolgt – das müssen wir ver- (Beifall bei der CDU/CSU) hindern –, dann braucht es eine deutsche, eine franzö- sische, eine europäische Initiative, um den INF-Vertrag neu auszuhandeln. Das muss unsere Antwort auf die An- (CDU/CSU): Nikolas Löbel kündigung aus den USA sein. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der INF-Vertrag war der Anfang vom Ende des Kalten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (B) Krieges. Die einseitige Aufkündigung dieses INF-Vertra- (D) ges könnte der Anfang vom Ende der friedvollen Welt Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und sein, die ich kennengelernt habe. Kollegen, gerade im Hinblick auf das hundertjährige Ju- biläum des Endes des Ersten Weltkriegs am kommenden Der INF-Vertrag ist der Stabilitätsanker für Frieden Wochenende – – und Freiheit auf der Welt und erst recht in Europa. Ma- chen wir uns nichts vor: Der INF-Vertrag steht auf der (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Jubiläum wür- Kippe. Der amerikanische Präsident hat in der für ihn be- de ich das nicht nennen, Herr Kollege!) kannten intellektuellen Kürze angekündigt, dass die USA – Ja, vielleicht ist es nicht Jubiläum zu nennen, aber es ist ihn einseitig aufkündigen und sich zurückziehen würden. ein Tag des Innehaltens. Er hat nicht gesagt, wann, er hat nicht gesagt, wie, und er hat auch nichts zu den in Artikel 15 vorgesehenen Be- (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Mit Jubel hat dingungen dafür gesagt. Doch jenseits dieser Politik der das nichts zu tun!) scharfen Rhetorik und der intellektuellen Kürze bedarf es eines tieferen Einblicks in die Materie; denn es ist 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges, Herr Kol- kein Problem von Donald Trump allein. Das Problem des lege Hampel, sollten wir innehalten. Wir sollten uns gut INF-Vertrages besteht schon eine geraume Zeit. überlegen: Wie wirken wir für die Zukunft, übrigens auch hier im Parlament? Die Lehre der Geschichte ist, Ich glaube, das Hauptproblem des INF-Vertrages ist dass wir erkennen müssen, dass mehr Multilateralismus, mangelndes Vertrauen, mangelndes Vertrauen zwischen mehr internationales Vertrauen, mehr internationale, ge- Ost und West, mangelndes Vertrauen zwischen Russland, meinsame Sicherheitsstruktur die Antwort darauf sein Europa und Amerika. Schon seit 2006 erleben wir eine muss, dass das, was vor 100 Jahren geschehen ist, nie Erosion der europäischen Sicherheitsstruktur. Vielleicht wieder passieren darf. Das sind wir nicht nur dieser, son- müssen wir feststellen, dass Europa ein bisschen zu ar- dern auch den kommenden Generationen schuldig. Der rogant war, vielleicht sind wir es manchmal immer noch; INF-Vertrag ist dafür ein Stabilitätsanker. denn wir haben die Reformfähigkeit der russischen Ar- mee völlig unterschätzt und die wirtschaftliche Abhän- (Armin-Paulus Hampel [AfD] meldet sich zu gigkeit Russlands von der EU überschätzt. Russland hat einer Zwischenfrage) sich ganz klar auf den Weg gemacht. Es hat gezeigt, dass Vielen Dank. es ein gesteigertes Interesse hat, in die militärische Kon- frontation zwischen GUS-Staaten einzutreten. Das ist (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- klar gegen den erklärten Willen der NATO und der EU. ordneten der SPD) 6880 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: hält, dass damit das Risiko steigt, dass Europa wieder ein (C) Vielen Dank, Nikolas Löbel. – Herr Hampel, in der Schlachtfeld der Nuklearmächte wird. Aktuellen Stunde gibt es keine Zwischenfragen. Keiner von uns hier kann den Anspruch erheben, ein Nächster Redner: Dr. Roland Hartwig für die fertiges Konzept zu haben. Aber erlauben Sie mir, einige AfD-Fraktion. Ideen zu skizzieren für die Diskussionen, die jetzt wahr- scheinlich ihren Auftakt finden werden. (Beifall bei der AfD) Wir sollten uns bemühen, alle relevanten Staaten – China ist bereits angesprochen worden – für ein neues Dr. Roland Hartwig (AfD): Vertragswerk zu gewinnen. Ein Vertragswerk, das zwei Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Hauptakteure und ein Waffensystem untersagt, welches einer langen Zeit erfolgreicher Friedenspolitik in Euro- sich andere Akteure in steigender Zahl aneignen, kann pa mehren sich leider die Stimmen, die uns am Beginn langfristig keinen Bestand haben. eines neuen Kalten Krieges sehen. Ich denke, sie haben recht. Keine drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer Das neue Regime sollte nicht nur auf landgestütz- geht wieder eine Trennlinie durch Europa, und auch an te Mittelstreckenraketen beschränkt sein, sondern auch dieser Trennlinie wird scharf geschossen. seegestützte Systeme mit einschließen. Auch die Einbe- ziehung von ballistischen, atomar bewaffnungsfähigen In der Ostukraine sind seit 2014 mehr als 10 000 Men- Kurzstreckenraketen wäre zu überlegen. schen ums Leben gekommen. Als Reaktion zeigt die Wenn wir von der Sicherheit des europäischen Kon- NATO an der Ostgrenze Präsenz und hält gegenwärtig tinents sprechen, dann sollten wir auch die in Europa mit 50 000 Soldaten ein Manöver in Norwegen ab. Das gelagerten substrategischen Kernwaffen einer erneuten ist das größte Manöver seit Ende der Sowjetunion. Die Betrachtung unterziehen. Ein begrenzter Nuklearkrieg Russen organisieren seit Jahren Großmanöver. Im Sep- würde letztlich auch zu unseren Lasten gehen. tember haben sie zusammen mit China ein solches mit über 300 000 Soldaten durchgeführt. In diesem Zusammenhang ist es aber auch wichtig, zu erwähnen: Wir brauchen eine überzeugende konventio- Weltweit steigen die Rüstungsausgaben seit Jahren nelle Verteidigung, um im Falle eines Angriffs nicht ge- massiv an, und mit Nordkorea ist die Anzahl der poten- nötigt zu sein, vorschnell die nukleare Keule einzusetzen. ziellen Atommächte auf mindestens neun gestiegen. De facto sind wir also wieder in einem neuen Rüstungswett- (Beifall bei der AfD) lauf. Eine zusätzliche Herausforderung stellen dabei – das Als der „Spiegel“ 1962 mit dem Titel „Bedingt abwehr- ist schon angesprochen worden – neue Waffensysteme (B) bereit“ auf die mangelnde Ausstattung der Bundeswehr (D) dar, wie kleine, technisch hochentwickelte Kernwaffen, verwies, wurden die verantwortlichen Journalisten we- Überschallwaffen, Weltraumwaffen, autonome Waffen, gen Landesverrats verfolgt. Daraus entwickelte sich da- aber auch neue Methoden der Kriegsführung, beispiels- mals eine Regierungskrise. Heute ist die mangelhafte weise die hybride Kriegsführung. Ausrüstung der Bundeswehr für viele ein Problem, aber Wir haben als AfD dem hier diskutierten Antrag der offensichtlich für niemanden in der Regierung. Fraktionen der CDU/CSU und SPD im Auswärtigen (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Ausschuss zugestimmt, da die in ihm enthaltenen For- derungen von elementarer Bedeutung für die Sicherheit Gorbatschow hat mal gesagt: Wir können einen dauer- unseres Landes und in Europa sind. Wir möchten jedoch haften Frieden in Europa nur dann gewährleisten, wenn zu bedenken geben: Die wechselseitigen Anschuldigun- auch die westlichen Strukturen, Institutionen und Denk- gen der Russen und der Amerikaner, den INF-Vertrag weisen überprüft werden. Auch das sollten wir in Angriff verletzt zu haben, und die Hinweise auf die nicht im Ver- nehmen. Wir können nicht einseitig in Russland einen trag berücksichtigten Arsenale anderer Staaten sind klare Feind sehen. Ja, die politischen Wertvorstellungen sind Anzeichen dafür, dass der INF-Vertrag den aktuellen An- auseinandergedriftet, aber wir müssen wieder den Weg forderungen nicht mehr gerecht wird. zueinander suchen. (Armin-Paulus Hampel [AfD]: So ist es!) Auch wir in Europa müssen unsere Hausaufgaben machen. Ergreifen wir deshalb die gegenwärtige Krise Von daher erwarten wir, dass der Vertrag aufgekündigt des INF-Vertrags als Chance, an einem neuen, globalen wird. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation er- Vertragswerk mitzuarbeiten, das den Anforderungen der scheint uns heute ein neues Vertragswerk geboten, das heutigen Zeit wirklich gerecht wird. alle relevanten Akteure und auch eventuell neue Waffen- systeme mit einbezieht. Vielen Dank. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD)

Wir müssen sehen, wie unmittelbar Deutschland und Vizepräsidentin Claudia Roth: Europa davon betroffen sind; denn der angekündigte Vielen Dank, Dr. Hartwig. – Nächster Redner: Thomas Rückzug der Amerikaner aus dem INF-Vertrag macht Hitschler für die SPD-Fraktion. den Weg wieder frei für die Stationierung landgestütz- ter Mittelstreckenraketen in der EU und in der Kalinin- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten grader Exklave. Es ist wichtig, dass man sich vor Augen der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6881

(A) Thomas Hitschler (SPD): Auf der Suche nach den richtigen Antworten stellt (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle- man schnell fest, dass die Welt komplizierter geworden gen! Am 22. Oktober 1983 versammelten sich etwa ist. Der „Westen“ ist nicht mehr so leicht zu identifizie- 500 000 Menschen im Bonner Hofgarten, um gegen die ren. Unser engster Verbündeter, die Vereinigten Staaten, Stationierung von Atomraketen in Deutschland und für haben sich – so hat es den Anschein – verändert. Der Frieden und Abrüstung in Europa zu demonstrieren. nächste europäische Nachbar, Russland, fährt eine eigene klare machtpolitische Agenda. (Beifall des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) China ist zu einer globalen Supermacht erwachsen, die selbst eine starke nukleare Komponente hat. Was sind Das waren großartige Bilder, die mit einer klaren Bot- also die richtigen Antworten? schaft versehen waren: Wir brauchen in Deutschland nicht mehr Mittel zur Massenvernichtung, wir brauchen Erstens. Europa muss geschlossen – einheitlich – mit weniger. allen Staaten eine gemeinsame starke Initiative für neue Abrüstungsverträge auf den Weg bringen. Wir müssen (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der klarmachen, dass wir in der Ablehnung möglicher Neu- LINKEN) stationierungen auf unserem Kontinent einig sind. Keine Meine Generation – ich bin Jahrgang 1982 – kennt neuen atomaren Mittelstreckenwaffen in Europa, Kolle- diese Demonstration und den damaligen Grund, nämlich ginnen und Kollegen! die reale Möglichkeit eines zivilisationsendenden Nukle- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten arkriegs, eigentlich nur aus den Geschichtsbüchern. Da- der LINKEN) für bin ich dankbar, Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Zweitens. Deutschland hat eine besondere Mittler- rolle. Wir kennen die Vereinigten Staaten; wir kennen Wir haben gelernt, wie gut und wichtig die Einigung Russland. Wir wissen, dass Frieden in Europa nicht ohne der beiden Supermächte auf den INF-Vertrag 1987 und Russland möglich ist und dass wir eine tiefe freund- der erklärte Wille, diese Bedrohung abzubauen, für die schaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Verbindung damalige Welt waren. Auch aufgrund dieser Entschei- mit den Vereinigten Staaten erhalten wollen. Wir wissen, dungen hatte meine Generation das Privileg, im Rahmen dass dies beides gleichzeitig möglich ist. Daraus wächst einer europäischen Friedensordnung aufzuwachsen, die eine besondere Verantwortung, wie ich meine, aber diese Bedrohung nicht kannte, in einer Welt, die nicht gleichzeitig auch eine Chance, zwischen genau diesen (B) bedroht war von nuklearem Overkill und nicht abhängig beiden Staaten zu vermitteln, für eine neue Politik der (D) von einem Gleichgewicht des Schreckens. Entspannung, die wir alle dringend nötig haben. (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Doch!) Drittens. China muss Teil dieser neuen Überlegun- Die aktuelle Entwicklung alarmiert mich deshalb sehr, gen sein. Das haben wir heute schon mehrfach gehört. Kolleginnen und Kollegen. Die Welt hat sich in den letzten 35 Jahren radikal ver- ändert, und jedes zukünftige Abkommen muss dies wi- Meine Generation, die 1983 noch nicht einmal in den derspiegeln. Durch die Einbeziehung der Volksrepublik Kinderschuhen steckte, hat bislang in allen Bereichen ließe sich auch der Druck von Russlands Südostgrenze ihres Lebens eine Friedensdividende eingestrichen, auch nehmen und die gesamte Entscheidung zur Abrüstung weil unsere Vorgängerinnen und Vorgänger den Wahn- erleichtern. Wir müssen also ein Angebot formulieren, sinn nuklearer Aufrüstung erkannt und sicher auch mit einen gemeinsamen Weg aufmachen, anstatt nur Kon- Blick auf ihre eigenen Kinder und Enkelkinder und im frontation zu suchen, Kolleginnen und Kollegen. Gedanken daran, welche Welt man ihnen hinterlassen sollte, die richtigen Schritte gegangen sind. Die Verant- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) wortung, dieses friedenspolitische Erbe ist jetzt auf uns Viertens. Wir müssen neue vertrauensbildende Maß- und auch auf meine Generation übergegangen. Es ist jetzt nahmen schaffen. Misstrauen ist das größte Hindernis an uns, das zu bewahren, was damals erreicht wurde, es für ein Fortbestehen des INF-Vertrags oder auch für eine vielleicht sogar auszubauen und besser zu machen. neue Initiative. Wir müssen Wege der Transparenz schaf- Meine Generation hat überhaupt keine Lust, zu über- fen, etwa durch gegenseitige Inspektionsbesuche, bei den kommenen Denkmustern zurückzukehren, die ich teil- neuen russischen Raketen, aber auch beim US-Raketen- weise auch heute wieder gehört habe, und mit den glei- abwehrsystem. chen Antworten des Kalten Krieges auf eine komplett neue Welt zu reagieren: nicht mit neuer nuklearer Auf- Unsere Vorgängerinnen und Vorgänger haben in ihrer rüstung, nicht mit neuer Stationierung von Atomwaffen, Zeit erkannt, dass die alten Denkmuster nicht mehr funk- nicht mit neuem nuklearen Schrecken. tionieren. Ich bitte Sie daher alle, auch für und im Namen meiner Generation: Lassen Sie uns heute dem drohenden (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wahnsinn mit Vernunft begegnen. der LINKEN) Vielen Dank. Das sind die falschen Antworten, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD) 6882 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Deswegen muss klar sein, dass Russland diese Befürch- (C) Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner für tungen und Sorgen des westlichen Bündnisses aus der die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Dr. Volker Ullrich. Welt schaffen muss, und zwar dringend. (Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel (Beifall bei der CDU/CSU) [DIE LINKE]: Aber wie denn? Mit welchem Mechanismus?) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Dafür gibt es innerhalb des Vertrages Mechanismen, und Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- wir fordern, dass diese Mechanismen auch eingesetzt ren! Die Unterzeichnung des INF-Vertrags im Jahr 1987 werden. war in der Tat ein welthistorisches Ereignis. Dem ist ein Die Frage darf nicht sein, wann diese Mechanismen in jahrzehntelanges Ringen um die Sicherheitsarchitektur Kraft treten oder angewandt werden, sondern wann wir und um die Rüstungskontrolle in Europa vorausgegan- Ergebnisse vorliegen haben. Das ist die wichtige Frage, gen. Ich darf daran erinnern, dass nach Abrüstungsschrit- um die es jetzt geht. ten in den 70er-Jahren die Sowjetunion mit der Ankün- digung der Aufstellung von SS-20-Raketen 1979 die Aber wir müssen auf weitere Entwicklungen einen Sicherheitsarchitektur in Europa stark gefährdet hat. sorgsamen Blick richten. Dabei geht es um die Frage, wie wir mit einer weiteren Aufrüstungsspirale in der Welt (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Genauso war umgehen. Die Sicherheitsarchitektur in der Welt hat sich es!) verändert. Es gibt mehr Staaten, die Atomwaffen besit- zen, und auch die Frage, inwieweit ein mögliches Atom- Das westliche Bündnis hat darauf mit Transparenz und waffenarsenal Chinas eine destabilisierende Wirkung auf Offenheit reagiert, aber auch mit Zusammenhalt im west- die Welt hat, muss klar und deutlich angesprochen wer- lichen Bündnis und mit dem Angebot, in Abrüstungsver- den. Wir haben weltweit nicht nur ein Problem mit so- handlungen zu treten und gleichzeitig aber Stärke zu be- genannten Mini-Nukes mit unter 500 Kilometern Reich- weisen, indem man mit dem NATO-Doppelbeschluss die weite, sondern auch mit Interkontinentalraketen mit über Stationierung eigener Raketen vorgesehen hat. 5 500 Kilometern Reichweite. (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Helmut Wir müssen im Rahmen einer globalen Sicherheitsar- Schmidt! Sagen Sie das Ihren sozialdemokra- chitektur auf all diese Aspekte Rücksicht nehmen. Des- tischen Koalitionären!) wegen muss die klare Forderung an die deutsche Politik sein, dass die strategische Rüstungskontrolle zu einem (B) Das hat dazu geführt, dass nach 1983 und nach vielen (D) Debatten in der damaligen Bundesrepublik Deutschland Kernbestandteil unserer Außenpolitik wird und wir alles das westliche Bündnis und die Sowjetunion sich 1987 dafür tun, dass wir im Rahmen von multilateralen Bünd- endgültig auf den INF-Vertrag einigen konnten. Es war nissen auf Abrüstung und eine weitere Kontrolle hinwir- klar und deutlich, dass dieses Ereignis zu einer stabilen ken. Das muss der Weg der deutschen Außenpolitik sein. Friedens- und Freiheitsordnung beigetragen hat und dass (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) die Beendigung des Kalten Krieges und gegebenenfalls auch die Überwindung der Teilung Europas und die deut- Gleichzeitig möchte ich auch sagen, dass unser Weg sche Einheit ohne diesen Schritt nicht möglich gewesen nach wie vor darin besteht, im westlichen Bündnis zu wären. Auch daran sollten wir heute erinnern. stehen und dass wir bei der Definition der europäischen Sicherheitsarchitektur auch unsere europäischen Partner (Beifall bei der CDU/CSU) im Blick haben müssen. Gerade unsere östlichen Nach- barn haben ein starkes Interesse daran, dass Europa auch Deswegen ist es umso bitterer, wenn dieser Vertrag zu ihrem Schutz beiträgt und dass die Interessen unserer infrage steht und wenn die Trump-Administration an- Nachbarn auch unsere Interessen sind, weil es nur eine kündigt, sich gegebenenfalls aus diesem Vertrag zurück- gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur geben zuziehen. Das macht uns große Sorge, und diese Sorge kann. artikulieren wir auch klar und deutlich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber unsere Sorge betrifft ebenfalls auch Entwick- Meine Damen und Herren, ja, es ist eine der großen lungen in Russland selbst. Es ist augenfällig, dass hier Fragen unserer Generation, wie wir mit dem Thema Entwicklungen vorliegen, die mit dem Vertrag nicht in der atomaren Rüstung umgehen. Der Historiker Yuval Einklang zu bringen sind und die wiederum selbst eine ­Harari, einer der klügsten Köpfe unserer Zeit, ist un- Bedrohung für die Sicherheit in Europa darstellen. Auch längst gefragt worden, was die großen Themen für das das muss man klar und deutlich ansprechen. 21. Jahrhundert, für unsere Generation, seien. Er nannte Russland hat bis heute nicht die Befürchtungen aus ganz am Anfang das Thema der atomaren Abrüstung. Es dem Weg geräumt, dass sie selber landgestützte Marsch- ist unsere Verpflichtung, die wir klug und besonnen an- flugkörper mit Atomraketen mit über 500 Kilometern gehen müssen. Reichweite entwickeln. Herzlichen Dank. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Dafür gibt es (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- den Verifikationsbeschluss!) ordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6883

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: führen wird, genau der richtige Weg, den er uns hier ge- (C) Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ullrich. – Als Nächstes zeigt hat. Herr Minister, ich will mich ausdrücklich auch für die SPD-Fraktion der Kollege Martin Schulz. im Namen meiner Fraktion dafür bei Ihnen bedanken. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD)

Martin Schulz (SPD): Wir müssen mit Klarheit in diese Auseinandersetzung Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kol- gehen leginnen und Kollegen! Der Abschluss des INF-Vertra- (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja! Jetzt!) ges war ein historischer Schritt. Es war ein Moment, in dem der Weltfrieden ein Stück sicherer wurde. Ich glau- – natürlich, klar, beruhigen Sie sich doch –, und diese be, dass Reagan und Gorbatschow, als sie diesen Ver- Klarheit hat einen besonderen Bezugspunkt. trag unterzeichneten – Herr Hitschler hat das, finde ich, eindrucksvoll gesagt –, den folgenden Generationen ein (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Bisher war Geschenk gemacht haben, nämlich eine Sicherheit und nichts klar!) einen Zusammenhalt, wie wir es vorher nicht kannten. Aber wir dürfen uns auch keine Illusionen machen. Die nukleare Auseinandersetzung der 70er- und 80er-Jah- Das Misstrauen, das vor der Vertragsunterzeichnung re war eine Auseinandersetzung zwischen der Sowjetuni- den Kalten Krieg prägte, kehrt ein Stück weit zurück. Es on und den Vereinigten Staaten. Die größte nukleare Ge- kehrt zurück, weil wir in den letzten Jahren Entwicklun- fahr, die es im Moment auf dieser Welt gibt, wird durch gen haben, die uns besorgt machen müssen, und zwar auf die Spannungen zwischen den atomgerüsteten Staaten beiden Seiten. Natürlich ist die völkerrechtswidrige An- Indien und Pakistan verursacht. Die Frage einer weite- nexion des Territoriums eines souveränen Staates durch ren Aufrüstung im Chinesischen Meer, die Frage einer einen anderen Staat ein völkerrechtswidriger, aggressiver Konfrontation im pazifischen Raum ist mindestens so Akt, der durch den Willen der Russische Föderation be- dramatisch wie die Frage der eventuellen erneuten Stati- gangen wurde. Das ist eine Veränderung der politischen onierung von Systemen in Europa. Architektur in Europa, wie wir sie vorher so nicht kann- In diesem Lichte ist die mutwillige Zerschlagung der ten. Fähigkeiten der Vereinten Nationen durch einen ameri- (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Na ja!) kanischen Präsidenten, der sagt: „Diese Organisation ist obsolet, wir brauchen sie nicht mehr“, eine der größten Ein Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der Gefahren. Deshalb, finde ich, ist das, was der Außen- (B) ohne Konsultation seiner Nachbarn erklärt: „Wir wollen minister unseres Landes eben gesagt hat, der richtige (D) aus diesem INF-Vertrag aussteigen“, aber gleichzeitig Weg. Wir müssen die Frage über den INF-Vertrag und alle multilateralen Strukturen infrage stellt, sät weltwei- den Einbezug anderer Atommächte in diesen Vertrag auf tes Misstrauen. die Tagesordnung setzen. Den Dialog mit China darüber (Beifall bei der SPD) zu suchen, den Dialog mit Indien darüber zu suchen, ein weltweites Regime der nuklearen Abrüstung anzustre- Das, meine Damen und Herren, ist die Ausgangslage, in ben, das ist übrigens die Tradition der deutschen Sozial- der wir uns befinden. demokratie seit jeher gewesen. Deshalb, finde ich, hat Heiko Maas mit dem, was er hier vorgetragen hat, den richtigen Weg beschrieben. Der (Beifall bei der SPD) erste Schritt ist doch, dass wir zu dem Ausgangspunkt zurückkehren, dass die Lösung der internationalen Kon- Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Hampel, für Ihre flikte nicht durch unilaterale Maßnahmen erfolgen darf, Beleidigungen. Von Ihnen beleidigt zu werden, ist die sondern dass sie die Stärkung der multilateralen Struktu- größte Ehre, die einem Demokraten in Deutschland zu- ren zur Grundvoraussetzung hat. teilwerden kann. Übrigens: Eine der multilateralen Strukturen, die zum (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Abschluss des INF-Vertrages führte, war Jahre vorher die des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jens Schaffung der Konferenz für Sicherheit und Zusammen- Kestner [AfD]: Haha!) arbeit in Europa; denn es war jedem klar, dass Europa das Schlachtfeld für eine atomare Auseinandersetzung zwi- Man muss eine klare Haltung haben. Die Bundesre- schen der damaligen Sowjetunion und den Vereinigten gierung muss als Mittlerin – ich habe im Bundestags- Staaten gewesen wäre. wahlkampf dafür geworben, meine Partei tut das auch heute; Herr Hitschler hat das auf den Punkt gebracht – Jetzt müssen wir uns ehrlich machen. Sollte es zu eine eigene Position beziehen. Das heißt, wir wollen vom einer erneuten Aufrüstungsspirale kommen, weil die- Grundsatz her keine Atomwaffen auf unserem Territori- ser Vertrag gekündigt wird, wird das Aufmarschgebiet, um, und schon gar keine neuen Systeme. Und wir wollen, das Stationierungsgebiet und das potenzielle Schlacht- dass die, die da sind, abgezogen werden. feld wieder Europa sein, wieder auch unser Land sein. Deshalb ist die Bundesregierung natürlich in besonderer Vielen Dank. Weise gefordert, und deshalb sind die Roadmap und, da- mit verbunden, die Dialoge, die Heiko Maas in China (Beifall bei der SPD) 6884 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Das ändert nichts daran, dass wir die Dialogstränge brau- (C) Vielen Dank, Herr Kollege Schulz. – Als Nächs- chen. Es ist übrigens auch im ureigenen amerikanischen ter spricht zu uns der Kollege Markus Koob, CDU/ Interesse, die Vorwürfe, die es vonseiten Russlands ge- CSU-Fraktion. genüber den USA gibt, ebenfalls öffentlich und transpa- rent zu entkräften. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Man muss aber kein ausgewiesener Freund der aktu- Markus Koob (CDU/CSU): ellen US-Regierung sein, um die Sorge und die daraus entstehende Frage der Administration, die es im Übri- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Tribünen! Wir erle- gen auch schon unter Obama gegeben hat, wie mit der ben heute eine seltene Einmütigkeit in einer strategischen sehr wahrscheinlichen Verletzung des Vertrages durch Frage im Rahmen einer Aktuellen Stunde. Dass das so die russische Seite umzugehen ist, verstehen zu kön- ist, liegt daran – das ist schon oft erwähnt worden –, dass nen. Verhandlungen über Verstöße, die wir jetzt führen der Washingtoner Vertrag über nukleare Mittelstrecken- müssen, machen allerdings nur dann Sinn, wenn sich die systeme aus dem Jahr 1987 die Welt tatsächlich verändert russische Seite grundsätzlich gesprächsbereit zeigt. Die und den Kalten Krieg ein Stück weit beendet hat. Wir diplomatischen Versuche der amerikanischen Adminis- haben es schon gehört. tration, die Russen zur Einhaltung des INF-Vertrages zu bewegen, sind in der Vergangenheit leider nicht erfolg- Dieser Vertrag hat die Welt berechenbarer und damit reich gewesen. auch sicherer gemacht. Er hat für Annäherung gesorgt und Vertrauen zwischen den Großmächten aufgebaut. Es ist bedauerlich, dass der Multilateralismus, der die Der Vertrag wurde damals vor allem deshalb möglich, Sicherheit und die Stabilität auf der Welt stärken soll, so weil zwei mutige Präsidenten, Ronald Reagan und unter Druck steht; denn zum Multilateralismus gibt es ge- Michail Gorbatschow, erkannt haben, dass Abrüstung rade in der Sicherheitspolitik keine Alternative. Dennoch notwendig und dies in einem Vertrag festzuhalten ist. sollten wir Europäer uns von dem möglichen Rückzug Wie meine Kolleginnen und Kollegen, die schon vor der USA aus dem INF nicht entmutigen lassen, sondern, mir gesprochen haben, bin auch ich ein Verfechter in- wie wir das zum Beispiel auch schon bei dem Atomab- ternationaler Lösungen, wenn es um die Frage globaler kommen mit dem Iran getan haben, versuchen, das Heft Herausforderungen geht. Wie auch bei anderen Themen des Handelns in die eigene Hand zu nehmen. wie Klimawandel, Migration oder Vermüllung der Welt- meere kann nur die Staatengemeinschaft gemeinsam zu (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (B) einer nachhaltigen Lösung kommen. Auch ich bin da- (D) her ein Unterstützer des verfolgten Ziels des bilateralen Wir werden zwar das Problem nicht lösen können, INF-Vertrags, Test, Entwicklung und Stationierung nu- aber es liegt an uns, dass wir eigene europäische Initiati- klearer Mittelstreckensysteme zu verbieten, insbeson- ven auf den Weg bringen; denn die europäische Sicher- dere auch deshalb, weil die Herausforderungen über die heit liegt in allererster Linie im europäischen Interesse. Jahre nicht kleiner, sondern größer geworden sind. Wir haben viel darüber gesprochen, dass Europa in den Angesichts zahlreicher technischer Neuerungen – auch letzten Jahren auseinandergedriftet ist, dass wir unter- das ist heute schon mehrfach angesprochen worden – schiedliche Interessen in Ost- und Westeuropa haben. und der Reduzierung auf nukleare Mittelstreckensyste- Ich glaube, diese Frage der Sicherheitspolitik ist eine me hat sich die Bedrohungslage trotz des existierenden Frage, die Ost- und Westeuropa eint, weil alle europäi- INF-Vertrages in den letzten Jahren verschlechtert. Aber schen Länder die gleichen Sicherheitsinteressen haben. auch unabhängig von der technischen Entwicklung steht Das sollten wir nutzen und entsprechend versuchen, in der Vertrag unter erheblichem Druck. So hat erst vor die Verhandlungen einzubringen. kurzem Russland die Existenz eines neuen Raketensys- tems zugegeben. Auch die russische Beschwichtigung, Wir haben schon mehrfach gehört, dass der INF-Ver- dass diese Systeme lediglich eine Reichweite von unter trag in seiner ursprünglichen Konstruktion als eine bi- 500 Kilometern hätten, was nach NATO-Einschätzung laterale Vereinbarung zwischen den USA und Russland nicht der Fall ist, ist für uns Europäer keine beruhigende nicht ausreichen wird, um die Herausforderungen der Nachricht. Zukunft anzugehen. Wir brauchen eine breitere Aufstel- lung, wir brauchen eine Einbeziehung Chinas, Indiens Wir haben auch gehört, dass es Vorwürfe gibt, die von und Pakistans, und wir brauchen – damit komme ich am Russland bis jetzt leider nicht entkräftet worden sind. Wenn ich von Ihnen, Frau Kollegin Vogler, den Vorwurf Schluss zum Beginn meiner Rede zurück – mutige Prä- höre, dass die NATO nach der völkerrechtlichen Anne- sidenten, die erkennen, dass Abrüstung notwendig ist, xion der Krim zu einer „No business as usual“-Politik wenn wir weiterhin in einer friedlichen und sicheren Welt übergegangen sei, dann ist das ein starkes Stück; denn leben wollen. die völkerrechtswidrige Annexion ist eben „no business as usual“. Vielen Dank. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Man stellt (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- sich doch selbst ein Bein!) ordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6885

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: verletzt. Russland hat es lange Zeit versäumt, diese Vor- (C) Vielen Dank, Herr Kollege Koob. – Als letzter Redner würfe auszuräumen. Doch was muss Konsequenz daraus in der Aktuellen Stunde erhält das Wort der Kollege Josip sein? Aus dem Abrüstungsvertrag auszusteigen? Auf gar Juratovic, SPD. keinen Fall. (Beifall bei der SPD) Aufgabe von uns Deutschen muss es sein, uns ge- meinsam mit unseren europäischen Partnern breiter aufzustellen, zu verhandeln, Druck auszuüben. Dabei Josip Juratovic (SPD): müssen wir andere Nuklearmächte wie China einbinden, Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kol- die in diesem Abkommen genau wie Indien und Pakistan legen! Wir Sozialdemokraten, wie bereits von meinen überhaupt nicht berücksichtigt sind, die aber auf der in- Vorrednern zum Ausdruck gebracht wurde, sehen den ternationalen Bühne auch sicherheitspolitisch an Bedeu- künftigen Gesprächen zwischen US-Präsident Donald tung gewonnen haben. Unser Ziel ist es, das Abkommen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin durch Verhandlungen zu verbessern und zeitgemäßer zu zur Zukunft des INF-Vertrages mit großer Besorgnis ent- machen – nicht der Bruch. gegen. Die Ankündigung des US-Präsidenten Trump, aus dem Abkommen aussteigen zu wollen, alarmiert mich als Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD wird nicht Außen- und Verteidigungspolitiker besonders. tatenlos dabei zuschauen, wie Abkommen aufgelöst wer- Der INF-Vertrag – das wurde hier schon ausführlich den, ohne dass sie sinnvoll abgelöst werden, ohne dass benannt – verbietet Russland und den USA unter ande- es einen sicherheitspolitischen Fahrplan gibt. Wir halten rem den Bau und den Besitz landgestützter, atomar be- die einseitige Auflösung des INF-Abkommens für grob waffneter Marschflugkörper mit einer Reichweite von fahrlässig und bitten die Bundesregierung, alles dafür 500 bis 5 500 Kilometern. Diese Rüstungskontrolle von zu tun, dass die Verhandlungspartner Russland und USA Kurz- und Mittelstreckenraketen sind der technische Teil sich gemeinsam an einen Tisch setzen, um die Differen- des Abkommens. zen auszuräumen. Doch die politische und hochgradig symbolische Be- (Beifall bei der SPD) deutung dieses Vertrages ist mindestens genauso zentral. An dieser Stelle möchte ich mich ausdrücklich bei Der INF-Vertrag war und ist ein Bekenntnis zum Erhalt Außenminister Heiko Maas bedanken, der mit dem Ziel des Friedens. Wir erinnern uns: Das Abkommen war eine einer europäischen Friedenspolitik beharrlich in Euro- Wegmarke, der erste Abrüstungsvertrag der Nachkriegs- pa um Partner wirbt. Kolleginnen und Kollegen, es ist geschichte, der vor allem für die Sicherheit der Bundes- höchste Zeit für eine gemeinsame europäische Außen- (B) republik von großer Bedeutung war. und Sicherheitspolitik. Es ist nicht Zeit für das einseitige (D) Ich habe die 80er-Jahre noch vor Augen: die Angst Brechen des Abrüstungsabkommens. Gerade heute dür- so vieler Menschen in Deutschland vor Eskalation, die fen wir Brücken nicht abbrechen; wir müssen sie rund­ dringlichen Appelle der Friedensbewegung, die Massen- erneuern, das Fundament stärken, die Pfeiler auf festen demonstrationen. Ich selbst wurde als 20-jähriger Soldat Grund stellen. infolge des russischen Einmarsches in Afghanistan für Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. drei Monate an die bulgarische Grenze mobilisiert. So greifbar war die Kriegsgefahr. Dieses mulmige Gefühl (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten bin ich bis heute nicht losgeworden. der CDU/CSU) Dem Abschluss des INF-Vertrags 1987 kam dann eine unschätzbare Bedeutung zu: als erstes deutliches Vizepräsident Wolfgang Kubicki: gemeinsames Stoppsignal, als erster deutlicher Beitrag Vielen Dank, Herr Kollege Juratovic. – Damit findet zur realen und verbalen Abrüstung – verbunden mit der die Aktuelle Stunde ihr Ende. Hoffnung, dass es in Europa nie wieder Krieg gibt. Daran erinnere ich nicht aus Sentimentalität – das ist mir ganz Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b auf: wichtig –, sondern mit Blick auf die aktuelle Entwick- lung. a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Lange war der Frieden nicht mehr so bedroht wie der- Zehnten Gesetzes zur Änderung des Zwei- zeit durch chauvinistisch agierende Großmächte. Putin ten Buches Sozialgesetzbuch – Schaffung und Trump – so unterschiedlich sie auch sein mögen, so neuer Teilhabechancen für Langzeitar- ähnlich ticken sie im Hinblick auf autokratische Tenden- beitslose auf dem allgemeinen und sozialen zen. Beide treffen zunehmend eigenmächtige, unilatera- Arbeitsmarkt (Teilhabechancengesetz – le Entscheidungen. Aufgabe der Bundesregierung muss 10. SGB II-ÄndG) es sein, diesem Handeln im Rahmen einer europäischen Friedenspolitik entgegenzuwirken, den Gesprächsfaden Drucksache 19/4725 nicht abreißen zu lassen. Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- (Beifall bei der SPD) schusses für Arbeit und Soziales (11. Aus- schuss) Liebe Kolleginnen und Kollegen, tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass Russland das INF-Abkommen Drucksache 19/5588 6886 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- Menschen, die zwar einmal eine ordentliche Ausbildung (C) schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung abgeschlossen haben, aber deren Betrieb in einer Region, in der es Strukturwandel gegeben hat, eingestellt wurde. Drucksache 19/5589 Diese Menschen haben den Anschluss verloren. Wir re- b) Beratung der Beschlussempfehlung und des den auf der anderen Seite über Menschen, die manchmal Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozi- in zweiter, dritter Generation den Zugang zu Erwerbs- ales (11. Ausschuss) tätigkeit nicht hatten. Wir reden über alleinerziehende Menschen, über Leute, die ganz lange aus dem Beruf – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine heraus sind und die besondere Hilfen brauchen – und Zimmermann (Zwickau), Susanne Ferschl, zwar keine kurzatmigen Maßnahmen, sondern eine län- Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeord- gerfristige Perspektive auf sozialversicherungspflichtige neter und der Fraktion DIE LINKE Arbeit. Diese Perspektive schaffen wir heute mit diesem Perspektiven für Langzeiterwerbslose Gesetz. durch gute öffentlich geförderte Be- (Beifall bei der SPD – Katja Mast [SPD]: schäftigung Endlich!) – zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Es geht hier nicht um Scheinbeschäftigung. Denn uns Müller-Gemmeke, Anja Hajduk, Sven ist klar, dass für die meisten Menschen in Deutschland Lehmann, weiterer Abgeordneter und der Arbeit nach wie vor mehr ist als Broterwerb. Es geht um Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Es geht darum, Neue Perspektiven für langzeitarbeits- Kolleginnen und Kollegen zu haben. Es geht darum, sei- lose Menschen durch einen Sozialen Ar- ne Leistung zu spüren. Deshalb, meine Damen und Her- beitsmarkt ermöglichen ren, ist es richtig, dass wir 4 Milliarden Euro investieren, um diesen Menschen jetzt eine Chance zu geben – eine Drucksachen 19/2593, 19/591, 19/5588 Chance nicht nur auf Arbeit und Einkommen für ihre Fa- Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen milien, sondern eine Chance auch auf soziale Sicherheit ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke sowie drei und soziale Teilhabe an dieser Gesellschaft. Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Ich bin den Parlamentariern der Koalitionsfraktionen vor. im Besonderen außerordentlich dankbar dafür, dass sie Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für im Rahmen der parlamentarischen Beratung dafür ge- die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre und sorgt haben, dass aus einem guten Gesetz (B) (D) sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem Das ist richtig!) Herrn Bundesminister Hubertus Heil das Wort. ein noch besseres geworden ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- der CDU/CSU) ten der CDU/CSU – Pascal Kober [FDP]: Durch die Vorschläge der FDP! Peter Weiß Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Sozi- [Emmendingen] [CDU/CSU]: Durch unseren ales: Charme!) Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Sie haben beispielsweise Regelungen durchgesetzt, dass Damen und Herren! Mit Blick auf den Arbeitsmarkt in in tarifgebundenen Unternehmen, die Arbeitsplätze an- Deutschland gibt es Grund zur Freude und zum Stolz bieten – ob in der freien Wirtschaft, bei Kommunen oder für unser Land, weil wir auf den ersten Blick eine aus- bei Wohlfahrtsverbänden –, nicht nur der Mindestlohn, gezeichnete Lage am Arbeitsmarkt haben: den höchsten sondern der Tariflohn gezahlt wird. Es ist eine Frage der Stand sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung seit praktischen Vernunft, dass uns das gelungen ist. der deutschen Einheit, die zweitniedrigste Erwerbslosen- quote in der Europäischen Union. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber: Wir haben nach wie vor trotz dieser guten Entwicklung, die maßgeblich auf dem wirtschaftlichen Ich möchte mich insbesondere bei den Kolleginnen Aufschwung der letzten Jahre beruht, einen verfestigten und Kollegen der Koalitionsfraktionen bedanken. Ich Sockel von Langzeitarbeitslosigkeit, von Menschen, die sehe zum Beispiel Herrn Weiß, Herrn Stracke, Frau nicht die Chance hatten, von dieser guten wirtschaftli- Tack, Frau Mast, Herrn Whittaker und viele andere mehr, chen Entwicklung zu profitieren. Deshalb ist es richtig, die mitgeholfen haben, dass wir auch bei der Frage des dass wir heute anpacken. Ich bin stolz darauf, dass wir Zugangs zu dieser Möglichkeit ein bisschen liberaler heute den sozialen Arbeitsmarkt im Deutschen Bundes- geworden sind. Nach sechs Jahren Leistungsbezug in- tag beschließen werden. nerhalb der letzten sieben Jahre gibt es die Chance auf Förderung. Für Schwerstbehinderte oder Bedarfsge- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) meinschaften mit Kindern besteht die Möglichkeit, nach Wir reden hier über Menschen, die es aus sehr un- fünf Jahren Leistungsbezug diese dauerhafte Förderung terschiedlichen Gründen schwer hatten. Darunter sind der sozialversicherungspflichtigen Arbeit in Anspruch Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6887

Bundesminister Hubertus Heil (A) zu nehmen. Das, meine Damen und Herren, sind zwei In der ersten Lesung hat mein Kollege René Springer (C) wesentliche Fortschritte aus der parlamentarischen Be- ausgeführt: Alle Beschäftigungsprogramme in der Ver- ratung. gangenheit sind grandios gescheitert. Milliarden wurden verbrannt, Erwartungen enttäuscht, und in vielen Fällen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) wurde sogar die Integration in den Arbeitsmarkt verhin- Herr Whittaker, man muss es offen sagen: Es ist Ihr dert. – Wir müssen aber gar nicht Jahrzehnte zurück- Verdienst, dass wir dafür auch den Betreuungsschlüssel gehen, wir müssen nur ein paar Kilometer nach Süden verbessert haben, damit wir dieses Instrument in den Job- gehen, nach Österreich. Da gab es im letzten Jahr ein centern gut umsetzen. Darauf können Sie stolz sein; das ähnliches Programm. Das hieß „Aktion 20 000“. Man will ich Ihnen einmal sagen. Gemeinsam haben wir etwas wollte 20 000 vor allen Dingen ältere Langzeitarbeitslose Gutes erreicht. Das zeigt: Diese Koalition redet nicht nur, in den Arbeitsmarkt integrieren. Das Projekt ist grandios sie streitet manchmal, aber sie sorgt vor allen Dingen für gescheitert. Wir von der AfD-Fraktion sind nach Wien bessere Lebenschancen für Menschen in diesem Land; gefahren denn um die geht es. Es geht nicht um parteipolitische (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Und Ihre Interessen. FPÖ-Freunde besucht!) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) und haben uns informiert, warum das passiert ist. Ab 1. Januar 2019 geht es mit dem sozialen Arbeits- Sie wollten ursprünglich Beschäftigung bis zum Min- markt in Deutschland los. Wir nehmen 4 Milliarden destlohn fördern. Dafür wurden Sie kritisiert. Jetzt haben Euro für zwei Instrumente in die Hand, die wir auf den Sie das ausgeweitet auf Tariflöhne. Die Österreicher wa- Weg bringen. Jetzt geht es darum, aus diesem Gesetz in ren viel großzügiger. Die haben bis zur Beitragsbemes- Deutschland Realität werden zu lassen: in den Jobcen- sungsgrenze von 5 000 Euro im Monat gefördert, und tern, mit den Praktikern. trotzdem haben sie im ersten halben Jahr nur 3 500 Stel- Mein Appell geht heute an die freie Wirtschaft, an die len geschaffen. Daraufhin wurde dieses Projekt für ge- Kommunen, an die Träger, langzeitarbeitslosen Men- scheitert erklärt und eingestampft. 3 500 Stellen in Ös- schen eine Chance zu geben. Wir werden sie dabei mit terreich bedeuten auf die Bundesrepublik Deutschland Lohnkostenzuschüssen unterstützen. Das ist gut inves- übertragen ungefähr 35 000 Stellen im ersten halben tiertes Geld, weil – ich sage es noch einmal – für Men- Jahr. Was ich mich jetzt frage: 35 000 Stellen im ersten schen Arbeit mehr ist als Broterwerb, und auch lang- halben Jahr, wäre das jetzt ein Erfolg, oder wäre das ein zeitarbeitslose Menschen haben das Recht, jetzt vom Misserfolg? Aufschwung zu profitieren. Dafür sorgt diese Bundesre- Worauf ich hinauswill: Jedes Start-up muss seinen (B) gierung, dafür sorgt diese Koalition. Geldgebern einen klaren Businessplan vorgeben, in dem (D) drinsteht, welche Zwischenziele man bis wann erreichen Herzlichen Dank. will. Bei Ihnen: kein Plan, keine Zahlen, keine konkreten (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ziele. Herr Minister, Sie wollen hier zu einem Blindflug starten. Dafür wollen Sie 4 Milliarden Euro von uns ha- ben. Wir von der AfD werden Ihnen die Starterlaubnis zu Vizepräsident Wolfgang Kubicki: diesem Blindflug nicht erteilen. Vielen Dank, Herr Minister. – Als Nächstes für die AfD-Fraktion der Kollege Jörg Schneider. (Beifall bei der AfD – Katja Mast [SPD]: Soziale Kälte!) (Beifall bei der AfD) Auch wir von der AfD sprechen uns dafür aus, Lang- zeitarbeitslosen zu helfen, sie zu fördern. Jörg Schneider (AfD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: ren! Liebe Zuschauer! Bevor man eine Reise antritt, soll- Ach!) te man sich eigentlich über das Ziel im Klaren sein. Was Das muss aber ein klares Ziel haben, und das muss die In- das Teilhabechancengesetz betrifft, so habe ich Zweifel, tegration in den ersten Arbeitsmarkt sein. Sie wollen fünf dass Sie überhaupt auch nur diese erste Hürde schaffen. Jahre lang fördern – fünf Jahre! –, und danach gibt es für Ich zitiere. Auf der einen Seite steht: „Ziel ist es“, die entsprechend subventionierten Arbeitgeber nicht ein- Langzeitarbeitslosen „wieder eine Perspektive zur Teil- mal die Pflicht zur Weiterbeschäftigung. Herr Minister, habe am Arbeitsmarkt zu eröffnen.“ Andererseits sagen das ist doch keine Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Sie: „ … arbeitsmarktfernen Personen, die auf absehba- Das, was Sie hier vorhaben, ist, innerhalb dieser Legis- re Zeit keine realistische Chance auf eine Integration in laturperiode die Statistiken für Langzeitarbeitslose etwas den allgemeinen Arbeitsmarkt haben, soziale Teilhabe zu zu schönen. Das ist keine Perspektive für langzeitarbeits- ermöglichen.“ Ja, was wollen Sie denn jetzt eigentlich? lose Menschen in diesem Land, Herr Minister. Integration in den Arbeitsmarkt oder Beschäftigungsthe- (Beifall bei der AfD) rapie? Sie sind sich über das Ziel nicht im Klaren, Sie gehen aber einfach mal los. So kann das meiner Meinung Herr Minister, Ihr Projekt wird scheitern. Das ist sicher. nach nicht funktionieren. Dieses Scheitern werden Sie allerdings gut verstecken können; denn es gibt keine klaren Kriterien, an denen wir (Beifall bei der AfD) Ihr Gelingen messen können. Alleine die Verweigerung 6888 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. 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Jörg Schneider (A) dieser klaren Kriterien zeigt uns recht deutlich: Sie wis- Begriff von Arbeit, in dem soziale Teilhabe, gesellschaft- (C) sen selber, dass dieses Projekt scheitern wird. Deswegen: liche Teilhabe selbstverständlich zur Arbeit dazugehört. Stoppen Sie dieses Projekt! Noch ist Zeit dafür. Wir von der AfD werden Sie gerne dabei unterstützen. Wir wer- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- den Ihren Gesetzentwurf deswegen ablehnen. ordneten der SPD) Ich danke Ihnen. Deshalb unterbreiten wir mit diesem Gesetz ein wirk- lich attraktives und ernstgemeintes Angebot an alle Ar- (Beifall bei der AfD – Katja Mast [SPD]: beitgeberinnen und Arbeitgeber in Deutschland, an die Falsch und schäbig, was Sie hier tun! Falsch Privatwirtschaft wie den öffentlichen Dienst. Wir bieten und schäbig!) an, für Menschen, die seit zwei Jahren Arbeitslosen- geld II beziehen, über zwei Jahre absteigend, also degres- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: siv gestaltet, einen Lohnkostenzuschuss zu zahlen. Und wir bieten an, für Menschen, die sechs und noch mehr Vielen Dank, Herr Kollege Schneider. – Als Nächster Jahre langzeitarbeitslos sind, über fünf Jahre einen Lohn- spricht zu uns für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege kostenzuschuss zu zahlen; aber nicht in immer gleicher Peter Weiß. Höhe, sondern wir fangen in den ersten zwei Jahren mit (Beifall bei der CDU/CSU) 100 Prozent an, dann geht es schrittweise nach unten, so- dass der Arbeitgeber einen Teil des Lohns selbst bezah- len muss. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit diesen beiden Instrumenten eröffnen wir die „Deutscher Arbeitsmarkt erreicht Rekordniveau“, das Möglichkeit, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass war der Titel der „Wirtschaftswoche“ am letzten Diens- Arbeitgeber sich einen Ruck geben und auch einem Men- tag. Die Dynamik am Arbeitsmarkt sorgt dafür, dass schen, von dem sie denken: „Das ist ein sehr schwieri- immer mehr Menschen, die arbeitslos waren, wieder in ger Mensch, mit dem habe ich mehr Mühe“, eine echte Arbeit kommen. Auch die Langzeitarbeitslosen finden Chance am Arbeitsmarkt geben. Wir zählen darauf, dass zunehmend Zugang zum Arbeitsmarkt. Aber es gilt nach die deutschen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gerade wie vor die Regel: Je länger arbeitslos, umso schwieriger. angesichts des Fachkräftemangels in unserem Land be- Vor allen Dingen bei den Menschen, die fünf Jahre und reit sind, diesen Menschen eine Chance zu geben. Dafür noch länger langzeitarbeitslos sind, bewegt sich relativ schaffen wir heute das Instrumentarium. wenig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (B) (D) Aber wann, wenn nicht jetzt, in dieser hervorragenden ordneten der SPD) konjunkturellen Situation, besteht eine echte Chance, Aber – das ist das Entscheidende für uns – Geld allein die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit aufzubrechen? ist wenig. Wir bieten gleichzeitig an, dass diese Langzeit- Genau das ist das Ziel unseres Gesetzes. Wir wollen arbeitslosen durch ein Coaching vorbereitet und begleitet die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit aufbrechen und werden, dass jemand ihnen hilft, ihre vielfachen Schwie- Menschen, die zum Teil schon die Hoffnung aufgegeben rigkeiten, mit denen sie zu kämpfen haben, zu überwin- haben, dass sie je wieder Beschäftigung finden könnten, den. Wir lassen die Langzeitarbeitslosen nicht alleine. in Beschäftigung bringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Hinzu kommt – der Bundesarbeitsminister hat hier zu Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE Recht meinen Kollegen Kai Whittaker angesprochen –: GRÜNEN]: Und warum erst nach sechs Jah- Wir brauchen in den Jobcentern geeignetes Personal, ren?) das sich noch konzentrierter um diesen Personenkreis kümmert. Ich freue mich, dass morgen der Verwaltungs- Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht nicht ausschuss der Bundesagentur für Arbeit einen Haushalt einfach um Beschäftigung irgendwelcher Art, sondern verabschieden wird, in dem noch 400 zusätzliche Stellen es geht um echte Arbeit, um Teilhabe am Arbeitsleben. für Menschen vorgesehen sind, die in unseren Jobcentern ­Oswald von Nell-Breuning, einer der großen Sozialethi- helfen, Langzeitarbeitslosen eine Chance zu geben. ker, hat einmal gesagt: Arbeit bloß um der „Beschäftigung“ willen wäre Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Arbeit um ihrer selbst willen. Zur Arbeit gehört ein Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Sinn oder Ziel, um dessentwillen man arbeitet. An- dernfalls ist es keine Arbeit. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Deswegen betone ich: Wir wollen echte Arbeit. „Echte Deswegen fordere ich Sie, liebe Kollegen, auf, heute Arbeit“ heißt Geld verdienen mit ordentlicher Leistung, mit Ihrer Zustimmung zum Teilhabechancengesetz die- heißt Teilhabe am Arbeitsleben und am gesellschaftli- ser Chance für Langzeitarbeitslose das Tor zu öffnen. chen Leben, heißt auch, ein Stück weit Selbsterfüllung zu finden, weil man stolz darauf ist, was man arbeitet. Das Vielen Dank. unterscheidet uns vielleicht von einer anderen Fraktion, die das nicht kapiert hat. Wir haben einen umfassenden (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6889

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Es ist schade, dass wir den Menschen nicht wirklich (C) Ich erteile das Wort nunmehr dem Kollegen Pascal eine selbstbestimmte Teilnahme am Arbeitsleben ermög- Kober, FDP-Fraktion. lichen. Es muss doch darum gehen, dass die Menschen Fähigkeiten erwerben, mit denen sie sich dann, auf ei- (Beifall bei der FDP) genen Beinen stehend, bei verschiedenen Arbeitgebern bewerben können. Es kann nicht ausreichend sein, nur Pascal Kober (FDP): Teilhabe zu finanzieren. Da springen Sie zu kurz. Das ist Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr sehr schade. geehrter Herr Bundesminister! Lieber Hubertus Heil, was Sie mit dem Teilhabechancengesetz vorlegen, ist ein (Beifall bei der FDP – Dr. Martin Rosemann richtiger Schritt in die richtige Richtung. Aber das ist zu [SPD]: Im Gegensatz zu euch erhöhen wir die wenig, Sie springen zu kurz; denn wie der Name schon Eingliederungsmittel!) sagt, legen Sie den Schwerpunkt auf Teilhabe und viel zu wenig auf nachhaltige Qualifikation für eine nachhaltige Das zweite ganz große Problem, lieber Martin Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Das ist schade; Rosemann, ist, dass Sie eben keine nachhaltige Sozial- denn Sie nutzen nicht die herausragend gute Lage am Ar- politik betreiben. beitsmarkt und die Möglichkeit, den Fachkräftemangel (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Oh!) zu mindern. Hier hätten Sie ehrgeiziger sein und mehr erreichen können. Es muss doch darum gehen, die Ursachen für Lang- (Beifall bei der FDP) zeitarbeitslosigkeit früh zu erkennen und früh anzu- gehen. Wenn nach wie vor 50 000 Schülerinnen und Wir wissen alle, dass nachhaltige Integration in den Schüler ohne Schulabschluss die Schule verlassen, Sie Arbeitsmarkt am besten durch Qualifikation im ersten aber gleichzeitig in einem Zeitraum von vier Jahren Arbeitsmarkt gelingt. Da hätten Sie die Schnittstelle zwi- 150 000 Langzeitarbeitslose mit 4 Milliarden Euro för- schen Jobcenter und erstem Arbeitsmarkt deutlich ver- dern wollen, dann geht das mathematisch nicht auf. Ich bessern müssen, verbessern können. Ich bin gespannt, kann Ihnen da wirklich nur raten, sich an Ihren früheren womit sich die 400 zusätzlich eingestellten Mitarbeiter Bundesvorsitzenden zu erinnern. Er sagte einmal: Wenn in Zukunft beschäftigen sollen. Tatsächlich ist es die man das nebeneinanderlegt, muss man kein Mathemati- wichtige Frage, ob wir sogenannte Arbeitgeberservices ker sein, da reicht Volksschule Sauerland, um zu wissen, oder Betriebsakquisiteure stärken können, damit eben das kann nicht gehen. die Schnittstelle zwischen Arbeitergebern und erstem Ar- beitsmarkt sowie den Jobcentern verbessert wird. Das ist Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, der Gro- (B) notwendig. Wir müssen Arbeitgeber des ersten Arbeits- ßen Koalition, bemühen Sie sich wirklich einmal um (D) marktes dafür gewinnen, dass sie die Möglichkeiten, die eine nachhaltige Sozialpolitik. Das bedeutet eben, dass dieses neue Gesetz bietet, für die Qualifikation von Men- man auch an den Ursachen ansetzt und nicht nur später schen, die langzeitarbeitslos sind, tatsächlich kennenler- an den Symptomen. Präventive Maßnahmen wären sinn- nen und nutzen. voll. Der § 16h SGB II beispielsweise wäre zu stärken gewesen. (Beifall bei der FDP) So wie das Gesetz im Moment ausgestaltet ist, wird es (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Wir haben den am Ende vor allen Dingen dazu führen, dass Sozialunter- Deckel weggemacht beim 16h!) nehmen und Kommunen rasch Beschäftigungsangebote machen werden. Das geht schnell. Deshalb werde ich den Das haben Sie versäumt. Die Mittel für das Bildungs- Verdacht nicht los, dass es Ihnen vor allen Dingen darum und Teilhabepaket möchten Sie erst in einem halben geht: um ein schnelles Aufhübschen der Arbeitslosensta- Jahr erhöhen. Das sind alles verpasste Chancen für die tistik, bevor es zur Evaluation der Koalitionsergebnisse Jugendlichen von heute, die am Ende vielleicht die Lang- durch die SPD kommt. zeitarbeitslosen von morgen sein werden. (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Ach, Herr Kober, Vielen Dank. Sie wissen doch besser, dass das nicht der Fall ist! Das ist das gleiche Argument wie von der (Beifall bei der FDP) AfD! Da hätte ich mehr erwartet! – Zuruf von der SPD: Dummes Geschwätz!) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Lieber Herr Bundesminister, liebe Kolleginnen und Vielen Dank, Herr Kollege Kober. – Als nächste Red- Kollegen der Fraktion, ich bin ja froh, dass Sie die Kritik nerin hat das Wort die Kollegin Sabine Zimmermann, der FDP aus der ersten Lesung mit Ihren Änderungsan- Fraktion Die Linke. trägen aufgegriffen haben und mehr Mittel für die Wei- terbildung während der Beschäftigungsphase einplanen. (Beifall bei der LINKEN) Statt wie ursprünglich maximal 1 000 Euro pro Weiterbil- dung sind es jetzt 3 000 Euro für den gesamten Zeitraum von fünf Jahren. Das ist sicherlich eine Verbesserung in Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): die richtige Richtung. Aber es wird nicht ausreichen, um Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- abschlussorientierte Weiterbildung zu finanzieren. ren! Wissen Sie, wenn ich Ihnen so zuhöre, dann frage 6890 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Sabine Zimmermann (Zwickau) (A) ich mich manchmal: Wie weit weg sind Sie von der Re- auch nicht gut finde. So habe ich es gemeint, nicht so, (C) alität? dass ich SGB-II-Empfängern in irgendeiner Form ans Schienbein treten will. Sind Sie bereit, anzuerkennen, (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das frage ich dass Sie hier gerade versuchen, eine falsche Intention in mich bei Ihnen auch!) die Debatte zu bringen? Kennen Sie eigentlich die Lebenslagen von langzeiter- werbslosen Menschen? (Beifall bei der CDU/CSU)

(Katja Mast [SPD]: Ja, kennen wir!) Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Kennen Sie die? Herr Whittaker, ich kann Ihnen ganz deutlich sagen, (Katja Mast [SPD]: Ja!) was hier steht: Herr Whittaker, Sie kommen mir gerade recht, muss Wir nennen sie manchmal etwas despektierlich ich Ihnen sagen. „Gründungsmitglieder“. (Lachen bei der CDU/CSU – Kai Whittaker Das steht hier im Protokoll, lesen Sie es bitte nach. Es [CDU/CSU]: Ich habe immer recht!) heißt „wir“, das sind Sie und niemand anderes. Deswe- gen finde ich es schon sehr unangemessen, Menschen so Bei der ersten Lesung – ich hoffe, Sie können sich daran zu bezeichnen. erinnern; wenn nicht, helfe ich Ihnen mal auf die Sprün- ge – sagten Sie: (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das sind Fake News, was Sie hier verbreiten! Un- Gerade heute war zu lesen, dass 469 000 SGB-II-Be- verschämtheit!) zieher seit dem 1. Januar 2005 im System sind. Wir nennen sie manchmal etwas despektierlich „Grün- Ich bin jetzt beim Herrn Heil. Worauf bitte wollen Sie dungsmitglieder“. stolz sein? Millionen Beschäftigte können von ihrer Ar- beit nicht leben. Sie erhalten ergänzend Hartz IV oder Also wissen Sie, ich muss Ihnen ehrlich sagen: „Despek- gehen einem Zweit- oder Drittjob nach. Ich denke, Sie tierlich“ heißt den nötigen Respekt vermissen lassen. So kennen die Zahlen: 3,4 Millionen Menschen. Das ist sprechen Sie über Langzeiterwerbslose. Sie sollten sich schon sehr viel. Jeder dritte Erwerbslose ist länger als ein dafür wirklich schämen; das muss ich Ihnen so deutlich Jahr ohne Arbeit. Von den Langzeiterwerbslosen, die ihre sagen. Arbeitslosigkeit beenden können, schafft nur jeder achte (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt. (B) Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE (D) GRÜNEN]) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Wenn dann noch Minister Heil zu den Arbeitsmarkt- Frau Kollegin, gestatten Sie bitte eine weitere Zwi- zahlen und einer gesunkenen Arbeitslosenquote sagt, schenfrage des Kollegen Weiß? Es hält ihn kaum auf den darauf könne Deutschland stolz sein, dann muss ich Sie Sitzen. fragen, Herr Heil: Worauf bitte? Worauf wollen Sie stolz sein? Millionen Beschäftigte können von ihrer Arbeit Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): nicht leben. Ach, Herr Weiß, Sie hatten vorhin schon Ihren Auf- tritt. Ich glaube, das reicht. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Torbjörn Kartes [CDU/CSU]: Das ist auch Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des despektierlich!) Kollegen Whittaker? Erwerbslose Menschen in Deutschland sind im Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): EU-weiten Vergleich am stärksten von Armut bedroht. Ja, gerne. Das Armutsrisiko liegt bei 70 Prozent. Egal ob mit Arbeit oder ohne Arbeit: Für viele Menschen in unserem Land sind die Aussichten und die Arbeits- und Lebensbedin- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: gungen schlecht. Darauf kann man einfach nicht stolz Dann halte ich die Redezeit an. sein, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Herr Whittaker. Die Menschen brauchen gute Arbeit, Arbeit, von der sie leben können. Davon gibt es zu wenig. Viel zu viele erwerbslose Menschen werden aufs Abstellgleis gescho- Kai Whittaker (CDU/CSU): ben oder im Hartz-IV-System gedemütigt. Darauf, Herr Frau Kollegin, weil Sie mich auf dieses Zitat ange- Heil, kann man nicht stolz sein; das muss ich Ihnen auch sprochen haben: Sind Sie bereit, anzuerkennen, dass das so deutlich sagen. Das ist nämlich ein Schlag ins Gesicht. Wort „Gründungsmitglieder“ nicht ein Wort ist, das ich erfunden habe, sondern das in sämtlichen Fachgesprä- Die Linke fordert schon seit 20 Jahren einen sozia- chen, die es unter uns SGB-II-Politikern gibt, ganz be- len Arbeitsmarkt. Unsere guten Anträge haben Sie leider kannt ist? Es heißt deshalb „despektierlich“, weil ich es immer wieder abgelehnt. Nun endlich wollen Sie einen Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6891

Sabine Zimmermann (Zwickau) (A) sozialen Arbeitsmarkt einrichten. Aber ich glaube, dieses schen. Deshalb brauchen wir einen Perspektivwechsel (C) Teilhabechancengesetz der Bundesregierung bleibt nur hin zu einer solidarischen Arbeitsmarktpolitik. Wir dür- eine Alibipolitik und schafft eben keine Teilhabe auf dem fen niemanden alleine lassen und auch niemanden aufge- ersten Arbeitsmarkt, Herr Weiß. Sechs Jahre Hartz-IV- ben. Der soziale Arbeitsmarkt ist genau der richtige Weg. Bezug als Voraussetzung grenzt den Großteil aus. Sechs Jahre – das muss man sich mal vorstellen! – müssen Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN langzeiterwerbslos sein, um in den sozialen Arbeitsmarkt sowie bei Abgeordneten der SPD) zu kommen. Sie machen hier Menschen Hoffnungen, die Beim sozialen Arbeitsmarkt müssen aber Ziel und Weg Sie einfach nicht erfüllen. Die Jobcenter sind finanziell zusammenpassen. Sonst scheitert nicht nur das Instru- immer noch zu schlecht ausgestattet. Die zusätzlichen ment, sondern auch die Idee. Deshalb waren die Ände- Mittel sind nicht zweckgebunden. Somit ist zu befürch- rungen – Stichwort „Tariflohn“ – dringend notwendig. ten, dass viele Jobcenter die Gelder anderweitig verwen- Aber wir haben noch immer an manchen Stellen Kritik. den, zum Beispiel für den Verwaltungsetat. Zentral bleibt die Frage: Wer profitiert eigentlich vom Besonders unverständlich ist auch, dass beim Teil- sozialen Arbeitsmarkt? Es gibt nun eine Härtefallrege- habeinstrument keine Beiträge für die Arbeitslosenver- lung für Schwerbehinderte und Personen mit Kindern. sicherung vorgesehen sind. Somit handelt es sich um Aber warum nur für diesen Personenkreis? Was ist bei- Beschäftigte zweiter Klasse. Das werden wir nicht hin- spielsweise mit einer Frau, die 54 Jahre alt und bereits nehmen. fünf Jahre arbeitslos ist? Auch Ältere und Alleinstehende brauchen doch soziale Teilhabe. (Beifall bei der LINKEN) Zur neuen Regelung, die sechs Jahre Leistungsbezug Sie bleiben vor allem in Ihrem Sanktionsdenken ver- als Voraussetzung vorsieht: Wenn die Chancen auf Be- haftet. Auch das neue Instrument ist nicht freiwillig, son- schäftigung schon vor den sechs Jahren gering sind, dann dern Erwerbslose können wieder zugewiesen werden. bedeutet das lange Warten doch nichts anderes, als dass Wann verstehen Sie endlich, dass Zwangsmaßnahmen sich die Langzeitarbeitslosigkeit weiter verfestigt, mit all kein Instrument für eine gute Arbeitsmarktpolitik sind? ihren Folgen. Das macht einfach keinen Sinn. Auch die Die Linke fordert die Abschaffung der Sanktionen. sechs Jahre sind zu lang. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich komme zum Schluss. Dass es bessere Konzepte Wir kritisieren auch, dass der Lohnkostenzuschuss gibt, zeigt unser Antrag heute. Sie können ihm zustim- stark abgesenkt wird, und zwar auf 70 Prozent. Ich habe (B) men. Wir haben auch einen Änderungsantrag zu Ihrem die Bundesregierung nach den Gründen dafür gefragt. (D) Gesetzentwurf. Wenn Sie unserem Antrag nicht zustim- Die Antwort lautet – ich zitiere –: Der Lohnkostenzu- men können, Herr Heil, dann können Sie vielleicht un- schuss ist aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung serem Kompromissvorschlag zustimmen. Das würde vor und Transparenz auf die im Gesetzentwurf genannten allen Dingen Ihren schlechten Gesetzentwurf wesentlich Prozentsätze festgesetzt. – Diese Begründung ist fatal. verbessern. Wie kann man denn Lohnkostenzuschüsse verwaltungs- Danke schön. technisch einfach ausgestalten, wenn es um Chancen und Perspektiven von Menschen geht? Die Menschen sind (Beifall bei der LINKEN) unterschiedlich. Sie haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Der Zuschuss muss nicht zur Arbeitsverwal- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: tung, sondern – individuell ausgestaltet – zu den Men- Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes hat die schen passen. Nur so entstehen neue Chancen. Kollegin Beate Müller-Gemmeke das Wort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutliche Kritik haben wir auch beim Thema Zuwei- Ich will darauf hinweisen, dass ich die Kurzinterven- sung. Zwang darf es nicht geben. Das verletzt die Würde tion des Kollegen Weiß, um die er gebeten hat, nicht der Menschen. Auch langzeitarbeitslose Menschen müs- zulasse, weil Sie, Herr Whittaker, noch reden und die sen natürlich das Recht haben, sich selbstbestimmt und Möglichkeit haben, klarzustellen, was missverständlich frei einen Arbeitsplatz auszusuchen. Das gilt im Übrigen geschildert worden ist. auch für die andere Seite. Kein Arbeitgeber wird sich einfach einen Beschäftigten zuweisen lassen. Deshalb (Heiterkeit bei der SPD) fordern wir eine doppelte Freiwilligkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): und bei der LINKEN) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi- Sehr geehrte Regierungsfraktionen, beim sozialen nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Arbeitsmarkt geht es um einen Paradigmenwechsel: Gäste! Wenn Menschen lange arbeitslos sind, wenn sie statt Programme ein Regelinstrument, nicht kurzfristig, das Gefühl haben, dass sie nicht gebraucht werden, wenn sondern fünf Jahre, keine Maßnahmen, sondern echte gesellschaftliche Teilhabe, soziale Kontakte und Wert- Beschäftigung. Wir hätten dem Gesetz trotz aller Kritik schätzung fehlen, dann macht das etwas mit den Men- gerne zugestimmt; denn der soziale Arbeitsmarkt ist uns 6892 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Beate Müller-Gemmeke (A) ein besonderes Anliegen. Aber dann kam der letzte Än- dere das Handwerk. Deswegen ist es richtig und notwen- (C) derungsantrag, mit dem Sie das Instrument „Teilhabe am dig gewesen, dass wir im parlamentarischen Verfahren Arbeitsmarkt“ gleich wieder zum 1. Januar 2025 außer die Orientierung am Tariflohn durchgesetzt haben, und Kraft setzen. Das ist für uns in keiner Weise akzeptabel. zwar dort, wo Tariflöhne gezahlt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Für den sozialen Arbeitsmarkt müssen in der nächsten der CDU/CSU) Zeit verlässliche Strukturen aufgebaut werden. Dazu Wir wollen sinnvolle Arbeit fördern. Deswegen ist es braucht es Planungssicherheit. Aber statt Planungssicher- richtig, dass die Kriterien Zusätzlichkeit, öffentliches In- heit gibt es jetzt wieder ein Verfallsdatum. Einem sozia- teresse und Wettbewerbsneutralität wegfallen. Wir wol- len Arbeitsmarkt, der beendet wird, bevor er überhaupt len keine bürokratischen Lösungen mehr durch das Bun- begonnen hat, können wir nicht zustimmen. desverwaltungsamt, sondern einen örtlichen Konsens mit (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Elf Jahre!) den Sozialpartnern. Deswegen stärken wir die Rolle der Sozialpartner im Verfahren noch einmal. Deshalb werden wir uns enthalten. (Beifall bei der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen die Leute, die für das Instrument infrage kommen, schon vor der Teilnahme optimal und indivi- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: duell fördern. Es muss immer genau geprüft werden: Ist Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes für die das tatsächlich die richtige Förderung? Wer ist tatsäch- SPD-Fraktion der Kollege Dr. Martin Rosemann. lich der richtige, der passende Arbeitgeber? Ich halte die (Beifall bei der SPD) Diskussion über die Freiwilligkeit für ziemlich abstrakt; denn in der Praxis wird es niemanden geben, der einen Dr. Martin Rosemann (SPD): Arbeitgeber oder einen potenziell Beschäftigten dazu zwingt, einen bestimmten Arbeitsplatz zu besetzen. Viel- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! mehr wird es darum gehen, für jeden den optimalen Ar- Meine Damen und Herren! Man kann vorweg sagen: Wir beitgeber bzw. optimalen Beschäftigten, den optimalen haben im parlamentarischen Verfahren ein richtig gutes Arbeitsplatz zu finden. Gesetz noch besser gemacht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Mit dem Gesetz kommt der soziale Arbeitsmarkt in NIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann schreibt das (B) Deutschland. Das hat die SPD durchgesetzt. doch in das Gesetz!) (D) (Beifall bei der SPD) Wir wollen auch während des Einsatzes des Instruments Wir schaffen damit Teilhabe durch Arbeit für Men- die optimale individuelle Unterstützung, eine beschäfti- schen, die sehr lange draußen sind und die deshalb keine gungsbegleitende Betreuung, und zwar individuell und Chancen mehr auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Wir ganzheitlich. Dazu gehört auch das Thema Qualifizie- nehmen sehr viel Geld in die Hand, liebe Beate Müller-­ rung. Deswegen ist es richtig, dass wir das nicht davon Gemmeke. Dann muss dieses Geld gerade für diejenigen abhängig machen, ob sich der Arbeitgeber beteiligt. eingesetzt werden, die trotz bestmöglicher anderweitiger Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Förderung keine Perspektive auf dem ersten Arbeits- Kollegen, für uns als Sozialdemokratinnen und Sozial- markt haben. demokraten steht die individuelle Unterstützung im Vor- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE dergrund. Das gilt übrigens auch für die Qualifizierung. GRÜNEN]: Und setzen sie außer Kraft!) Deswegen bin ich über das verwundert, was die FDP hier erzählt hat. Wir waren es doch, die in der letzten Legisla- Das muss zielgenau sein. Ich glaube, dass wir das im turperiode Weiterbildungsprämien im SGB II eingeführt parlamentarischen Verfahren noch besser hinbekommen haben. haben, weil wir den Jobcentern mehr Flexibilität vor Ort geben. Wer in den letzten sieben Jahren sechs Jahre im (Beifall bei der SPD – Pascal Kober [FDP]: Leistungsbezug war, wird gefördert. Es gibt aber Aus- Wir haben es erst verdreifacht!) nahmeregelungen für Bedarfsgemeinschaften mit Kin- Wir sind es jetzt, die den Budgetdeckel für die §§ 16e, dern und für Schwerbehinderte. Damit sind wir in der f und h im SGB II abschaffen. Das Ganze muss natürlich Lage, genau diejenigen zu erreichen, die gerade diese finanziell hinterlegt werden. Auch hier wundere ich mich. Unterstützung brauchen. Als ihr das letzte Mal regiert habt, wurde der Eingliede- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- rungstitel massiv gekürzt. Wir sind es jetzt, die – damit ten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke diese Förderung ermöglicht wird – den Eingliederungsti- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Men- tel, den Verwaltungstitel und den Passiv-Aktiv-Transfer schen sind unterschiedlich!) erhöhen und damit Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzie- ren. Wir wollen gute Arbeit fördern. Deswegen wollen wir die ganze Palette der möglichen Arbeitgeber erreichen: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Kommunen, Sozialverbände, Privatwirtschaft, insbeson- der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6893

Dr. Martin Rosemann (A) Endlich haben wir es geschafft. Der soziale Arbeits- Kollege Vogel war lange genug bei der BA beschäftigt, (C) markt kommt. Wir packen die verfestigte Langzeitar- um zu wissen, dass eine BA mit ihrem Forschungsinstitut beitslosigkeit an. sehr wohl eine Evaluation durchführen wird, bevor sich der Deutsche Bundestag erneut damit beschäftigt. Inso- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: fern klammern Sie sich hier an einen Strohhalm, nur um Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte. heute nicht zustimmen zu müssen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Dr. Martin Rosemann (SPD): ordneten der SPD – Pascal Kober [FDP]: Sie Zur Frage, ob es richtig ist, das Instrument zu befris- haben nicht zugehört, was ich gesagt habe!) ten: Wir wollten das nicht. Wir haben viele Verbesserun- Frau Müller-Gemmeke, noch einmal zur Befristung: gen durchgesetzt und dafür auch einen Preis gezahlt. Das Ganze läuft bis 2029; so lange werden Menschen durch dieses Instrument tatsächlich gefördert. Das sind Vizepräsident Wolfgang Kubicki: elf Jahre. Wenn das keine Langfristigkeit ist, dann weiß Kommen Sie jetzt zum Schluss. ich auch nicht. Frau Kollegin Zimmermann, Ihnen muss ich sagen – Dr. Martin Rosemann (SPD): Sie haben Ihre Redezeit für Ihren Antrag gar nicht so Ich komme zum Ende, Herr Präsident. – Jedes Instru- richtig verwendet –: Ihr Antrag ist genau das Gegenteil ment muss aber eine parlamentarische Mehrheit im Deut- von dem, was wir als Ziel haben, nämlich die Menschen schen Bundestag haben. Deswegen sage ich: Das ist eine in Arbeit zu bringen. Scheindiskussion. Wir schaffen heute ein gutes Instru- ment. Heute ist ein guter Tag für die Langzeitarbeitslosen (Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE in Deutschland, für ein solidarisches Deutschland und für LINKE]: Deswegen ist unser ja auch besser! den Sozialstaat als verlässlicher Partner der Beschäftig- Der ist viel besser!) ten und der Arbeitslosen in Deutschland. Sie wollen die Menschen in irgendwelchen Scheinbe- Ich danke Ihnen. schäftigungsinstituten parken. Das ist es, was Sie tat- sächlich vorhaben. Das hilft den Menschen überhaupt (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nicht; das haben wir zuhauf ausprobiert. Solche Politik der CDU/CSU) brauchen wir in diesem Land nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (B) (D) Jetzt als Nächster der Kollege Kai Whittaker, CDU/ Es geht doch darum, hier die große Linie im Blick zu CSU-Fraktion. haben. Wir haben in diesem Land knapp über 2 Millio- nen Arbeitslose. (Beifall bei der CDU/CSU) (Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Trotzdem 2 Millionen!) Kai Whittaker (CDU/CSU): Herr Präsident! Werte Kollegen! Mich erschreckt die So wenig wie noch nie, aber immer noch zu viel. Knapp Kleingeistigkeit der Redner hier von der Opposition. die Hälfte davon ist länger als ein Jahr arbeitslos, viele von diesen mehrere Jahre. Für diese Menschen schaffen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – wir heute mit diesem Gesetz ein Recht auf eine zwei- Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) te Chance, damit sie am Erwerbsleben wieder teilhaben Ich musste mir hier anhören, Herr Schneider, dass Sie ei- können. Das ist doch die große Aufgabe, die wir heute nen Business Case verlangen. Herr Schneider, wir reden haben. hier von Menschen, nicht von Maschinen, die irgendwel- Zweitens ist es auch ein Signal an diese Menschen; che Kennzahlen zu erfüllen haben, und wir versuchen, schließlich werden wir dieses Jahr auch noch ein Fach- diese Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. kräfteeinwanderungsgesetz beschließen. Natürlich müs- Im Übrigen steht in Ihrem Wahlprogramm mehr oder we- sen wir auch den Bürgern in Deutschland ein Signal niger dasselbe. Also stellen Sie sich nicht hierhin, und geben, dass wir sie nicht vergessen haben, sondern sie sagen Sie nicht, Sie wollten dies gar nicht unterstützen. weiterhin auf unserer Agenda sind. Ich bin sehr froh (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – darüber, dass wir es gemeinsam geschafft haben, einen Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE Schwerpunkt bei Menschen zu setzen, die in Bedarfsge- GRÜNEN]: Das wissen Sie doch gar nicht!) meinschaften – so nennen wir das – leben, die Kinder ha- ben; denn es ist uns wichtig, den Teufelskreis zu durch- Auch was die FDP sagt, wundert mich übrigens. Ges- brechen, dass Hartz IV in die nächste und übernächste tern haben Sie im Ausschuss allen Änderungsanträgen Generation vererbt wird. Damit muss endlich Schluss zugestimmt. Die einzige Kritik, die Sie hatten, war, dass sein. im Gesetzentwurf keine Evaluation vorgesehen ist. Die Bundesregierung hat jetzt aber in das Gesetz hineinge- schrieben – Herr Rosemann hat es gesagt –, dass die Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Regelungen Ende 2024 auslaufen, damit der nächste Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Deutsche Bundestag erneut darüber abstimmen kann. Ihr Kollegin Zimmermann? 6894 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Kai Whittaker (CDU/CSU): leid, dass Sie immer versuchen, zu suggerieren, wir seien (C) Herzlich gerne. Sie hat mir ja vorhin ebenfalls eine irgendwie nicht für die Hartz-IV-Empfänger zuständig Zwischenfrage gestattet. oder versuchten nicht, sie in Arbeit zu bringen. (Beifall bei der CDU/CSU) Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Whittaker. Vielen Dank, Herr Prä- Das ist wirklich unter der Gürtellinie und ein schlechter sident. – Ich habe eine ganz einfache Frage. Sie sagten Beitrag zur Debattenkultur in diesem Land. gerade, dass die Erwerbslosen einen Rechtsanspruch ha- (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ben. Wo haben die Erwerbslosen nach Ihrem Gesetz ei- ist es!) nen Rechtsanspruch auf eine Stelle im sozialen Arbeits- markt? Ich bin wirklich dankbar, dass wir es nicht nur ge- schafft haben, mehr Geld in den Haushalt zu packen, Kai Whittaker (CDU/CSU): sondern dass wir es auch geschafft haben – Herr Minis- ter, Sie haben es angesprochen –, mehr Personal zu be- Also, wir schaffen – – kommen. Die 400 neuen Stellen hat Kollege Weiß schon angesprochen. Dazu kommen noch über 700 sogenannte Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): kw-Stellen. Das sind Stellen, die eigentlich wegfallen Ich habe nichts davon gelesen, dass die einen Rechts- sollen. Diese Stellen werden wir beibehalten. Es gibt anspruch haben; aber ich habe es jetzt gehört. Deswegen also zusätzlich über 1 000 Stellen in der Verwaltung. Die wundere ich mich. Inhaber dieser Stellen müssen sich darum kümmern, Ar- beitgeber zu finden, die entsprechende Arbeitsplätze an- (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE bieten. Sie müssen dann natürlich auch mit den Coaches GRÜNEN]: Ich habe es auch nicht gelesen!) und den Arbeitslosen sprechen, um ein gutes System aufzubauen. Für das Erreichte bin ich sehr dankbar. Jetzt Vizepräsident Wolfgang Kubicki: hoffe ich, dass wir mit mehr Geld, mit mehr Personal, Die Frage ist verstanden worden, Frau Kollegin mit mehr Freiheit auch für die Jobcenter jetzt alle Vo- Zimmermann. raussetzungen dafür geschaffen haben, dass tatsächlich ein Durchbruch im Kampf gegen verfestigte Langzeitar- Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): beitslosigkeit gelingen kann. Ich bin da sehr zuversicht- Gut. lich. (B) Wenn man über den Tag hinausdenkt – Herr Heil, Sie (D) Kai Whittaker (CDU/CSU): hatten das schon mal angedeutet, auch in der Presse –, Sie müssen mir schon die Chance geben, zu antwor- erkennt man, dass wir über Hartz IV weiter sprechen ten; sonst wird es schwierig. müssen. Dieses Gesetz wird nicht das letzte Änderungs- gesetz gewesen sein. Da gibt es viel zu tun. Wenn ich an (Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE die überbordende Bürokratie denke, wenn ich an gewisse LINKE]: Jawohl! Aber gerne!) Schwierigkeiten denke, die zum Teil in der Kommuni- Also noch einmal: Wir schaffen ein neues Instrument: kation zwischen Jugendhilfe, kommunalen Trägern und § 16i SGB II. Wir sagen: Wer die Kriterien erfüllt – sechs auch den Jobcentern bestehen, dann ist für mich klar, Jahre im System, sieben Jahre erwerbslos –, der hat die dass wir dringend etwas tun müssen, um die Verwaltun- Möglichkeit, an diesem Programm teilzunehmen. gen zu entlasten, um bei der Vermittlung in Arbeit wir- kungsvoller zu werden. (Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Die Mög- lichkeit!) (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es hat doch gerade die Rechtsver- Das ist ein Recht auf eine zweite Chance. einfachung gegeben!) (Susanne Ferschl [DIE LINKE]: Chance!) Ich bin gerne bereit, zusammen mit meiner Fraktion Ich finde, das ist mehr, als bisher im Gesetz enthalten daran zu arbeiten, dass wir Hartz IV nicht rückabwi- war. Deshalb finde ich es von Ihnen einfach eine Un- ckeln, sondern dass wir es zum Wohle der Menschen in verschämtheit, sich hierhinzustellen und zu sagen, diese unserem Land weiterentwickeln. Menschen würden von uns vergessen. Das ist nicht der Fall. Vielen Dank. Ich finde, dass auch das, was Sie vorhin versucht ha- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ben zu suggerieren – ich meine diesen kurzen Einwand ordneten der SPD) vorhin, als Sie den Unionsfraktionen vorwarfen, sie hät- ten keine Ahnung von Arbeitslosen –, unverschämt ist. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Wissen Sie, wir beschäftigen uns sehr wohl auch mit Vielen Dank, Herr Kollege Whittaker. – Als letzter diesen Menschen. Es sind nicht nur Sie, die irgendwel- Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Kollege che Experten haben und die mit Betroffenen sprechen; Stephan Stracke, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. es arbeiten auch alle anderen Fraktionen hier ernsthaft an der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Ich bin es wirklich (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6895

(A) Stephan Stracke (CDU/CSU): Arbeitsleistung erbringen, dann kann dies natürlich auch (C) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und auf den Betriebsfrieden Wirkungen entfalten; deswegen Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben Re- müssen wir uns das genau anschauen. Deswegen haben kordbeschäftigung in unserem Land. Davon profitieren wir gesagt: Wir müssen dieses Instrument auch gesetz- unvermindert auch Menschen, die schon länger arbeitslos lich befristen. Wir haben ein gesetzliches Verfallsdatum sind. Im letzten Jahr ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen durchgesetzt. Bis Ende 2024 tritt dieser Lohnkostenzu- um 93 000 Personen zurückgegangen. Das ist erfreulich. schuss außer Kraft. Dann ziehen wir Bilanz und sehen, Aber richtig ist auch: Wer länger als drei Jahre arbeitslos ob das Instrument wirkt oder nicht. ist, hat es schwer, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir lassen fassen; und dies wollen wir ändern. die Menschen nicht allein. Wir unterstützen dort gezielt, (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE wo es notwendig ist. Das tun wir mit einer engmaschigen GRÜNEN]: Drei Jahre?) beschäftigungsbegleitenden Betreuung. Wir stärken die Sozialpartner vor Ort und verhindern damit auch Wett- Wenn langzeitarbeitslose Menschen das Gefühl ha- bewerbsverzerrungen zwischen geförderter und ungeför- ben, keinen Platz in dieser Gesellschaft zu haben, die derter Beschäftigung. Wir sorgen auch für mehr Personal sich so häufig über das Erwerbsleben beschreibt, dann ist und mehr finanzielle Spielräume für die Jobcenter. Ich dies auf Dauer keine Situation, die erträglich ist. Darauf finde, wir haben ein stimmiges Gesamtkonzept vorge- geben wir als Koalition nun eine kraftvolle Antwort. Wir legt. Jetzt kommt der Praxistest. Wir orientieren uns da- setzen bei den Arbeitgebern an, geben hohe Anreize – un- bei an dem Grundsatz „Fördern und Fordern“. Daran hal- terlegt mit viel Geld –, Arbeitsplätze für langzeitarbeits- ten wir fest. Er hat sich bewährt. Es gibt nichts Besseres. lose Menschen anzubieten. Zentraler Bestandteil unseres Ich bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzesvorhaben. Gesetzentwurfs sind dabei zwei Lohnkostenzuschüsse. Herzliches Dankeschön. Der erste Zuschuss richtet sich an Menschen, die noch relativ arbeitsmarktnah sind. Wir bauen damit eine sta- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- bile Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. Wir haben dabei ordneten der SPD) durchgesetzt, dass die Jobcenter auch dieses Instrument mit genügend Mitteln ausstatten können. Der Deckel, Vizepräsident Wolfgang Kubicki: den es bislang für diese Mittel gab, ist weg. Ich glaube, Vielen Dank, Herr Kollege Stracke. – Damit schließe es ist ein gutes Ergebnis, das wir hier als Koalition insge- ich die Aussprache. samt erzielt haben. Tagesordnungspunkt 10 a. Wir kommen zur Abstim- (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) mung über den von der Bundesregierung eingebrachten (D) Gesetzentwurf zur Änderung des Zweiten Buches So- Wir streichen auch die Nachbeschäftigungspflicht. Da- zialgesetzbuch – Schaffung neuer Teilhabechancen für mit machen wir dieses Instrument gangbarer und attrakti- Langzeitarbeitslose auf dem allgemeinen und sozialen ver. Insofern setzen wir auch große Hoffnungen in diesen Arbeitsmarkt. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales Bereich. empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung Der zweite Lohnkostenzuschuss richtet sich an dieje- auf Drucksache 19/5588, den Gesetzentwurf der Bundes- nigen Arbeitslosen, die schon sehr lange arbeitslos sind regierung auf Drucksache 19/4725 in der Ausschussfas- und oftmals den Halt in ihrem Leben verloren haben. sung anzunehmen. Hierzu liegen ein Änderungsantrag Unser Ziel ist es, dass wir sie wieder auf eigene Beine der Fraktion Die Linke sowie drei Änderungsanträge der stellen, sodass sie ihr Leben selbst gestalten können. Ar- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir zuerst beit gibt Struktur, Arbeit stärkt das Selbstwertgefühl und abstimmen. die innere Zufriedenheit. Das erfordert Zeit, Kraft und Wir beginnen mit dem Änderungsantrag der Fraktion Geduld. Wir wollen Erfolg für unser Gesetz. Deswegen Die Linke auf Drucksache 19/5602. Wer stimmt dafür? – orientieren wir den Zuschuss zunächst am gesetzlichen Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Dann Mindestlohn. Überall dort, wo die Arbeitgeber Tariflohn ist dieser Änderungsantrag der Fraktion Die Linke mit zahlen, orientiert sich der Zuschuss am Tariflohn. Das ist den Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion sinnvoll, das ist praxistauglich und korrigiert im Übrigen Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen aller anderen auch das, was die Sozialdemokraten ursprünglich im Ko- Fraktionen des Hauses abgelehnt. alitionsvertrag haben wollten, nämlich den gesetzlichen Mindestlohn. Das korrigieren wir nun in großer Gemein- Wir kommen nun zu den Änderungsanträgen der samkeit, weil es richtig ist. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei der CDU/CSU) Änderungsantrag auf Drucksache 19/5603. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich ist sich? – Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen von es richtig, dass auf diese Weise der Zuschuss für den ein- Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die zelnen Förderfall teurer wird. Wir müssen uns natürlich Linke gegen die Stimmen aller anderen Fraktionen des auch die Wirkungen in den Betrieben genauer anschauen. Hauses abgelehnt. Wenn Beschäftigte, geförderte und ungeförderte, neben- einanderstehen und unter Umständen genau oder annä- Änderungsantrag auf Drucksache 19/5604. Wer hernd das Gleiche verdienen, aber eine unterschiedliche stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dage- 6896 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) gen? – Enthaltungen? – Keine. Dann ist dieser Antrag mit – Ach, meine Fraktion war auch dagegen. Ich bitte viel- (C) den Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion mals um Entschuldigung, dass ich die FDP übersehen Die Linke und der Fraktion der Freien Demokraten gegen habe. Es wird nie wieder vorkommen. die Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD abgelehnt. (Heiterkeit) Änderungsantrag auf Drucksache 19/5605. Wer Ich glaube, das wird schlimme Folgen haben. – Jeden- stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt da- falls ist das Ergebnis klar. Auch bei Gegenstimmen der gegen? – Das ist auch wieder einfach. Damit ist dieser FDP-Fraktion ist diese Beschlussempfehlung angenom- Änderungsantrag mit den Stimmen von Bündnis 90/Die men. Grünen und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen aller anderen Fraktionen des Hauses abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 sowie Zusatz- punkt 7 auf: Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand- 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten zeichen. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Reinhard Houben, Michael Theurer, Thomas Wer enthält sich? – Dann ist der Gesetzentwurf mit den L. Kemmerich, weiterer Abgeordneter und der Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen Fraktion der FDP von FDP und AfD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Attraktivität Deutschlands für ausländisches Grünen und der Fraktion Die Linke in zweiter Beratung Kapital sichern angenommen. Drucksache 19/4216 Dritte Beratung Überweisungsvorschlag: und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Auswärtiger Ausschuss Finanzausschuss Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Gesetzentwurf auch in der dritten Beratung mit den ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Katharina Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen Dröge, Kerstin Andreae, Dr. Konstantin von von FDP und AfD bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Schlüsseltechnologien und Kritische Infra- struktur schützen – Standortattraktivität für Tagesordnungspunkt 10 b. Wir setzen – – Investitionen sichern (B) (D) (Unruhe bei der SPD) Drucksache 19/5565 – Ich darf die SPD-Fraktion doch bitten, Siegesfeierlich- Überweisungsvorschlag: keiten später zu halten. Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Auswärtiger Ausschuss Tagesordnungspunkt 10 b. Wir setzen die Abstim- Ausschuss für Inneres und Heimat Finanzausschuss mung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Arbeit und Soziales auf Drucksache 19/5588 fort. Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen­ abschätzung Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Be- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak- tion Die Linke auf Drucksache 19/2593 mit dem Titel Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für „Perspektiven für Langzeiterwerbslose durch gute öf- die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- fentlich geförderte Beschäftigung“. Wer stimmt für diese nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Dann Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu- ist diese Beschlussempfehlung gegen die Stimmen der nächst dem Kollegen Reinhard Houben, FDP-Fraktion. Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller anderen Frak- tionen des Hauses angenommen. (Beifall bei der FDP) Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung emp- Reinhard Houben (FDP): fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/591 Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt ein mit dem Titel „Neue Perspektiven für langzeitarbeitslose kluges Zitat: „Märkte sind wie Fallschirme, sie funktio- Menschen durch einen Sozialen Arbeitsmarkt ermögli- nieren nur, wenn sie sich öffnen.“ Ich frage mal freund- chen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – lich die SPD-Fraktion: Wer hat es erfunden? Helmut Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist Schmidt, meine Damen und Herren. diese Beschlussempfehlung bei Enthaltung der Fraktion (Beifall bei der FDP) Die Linke und Ablehnung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Mehrheit der übrigen Fraktionen dieses Doch wie ist die Lage im Moment hier in Deutsch- Hauses angenommen. land? Wir als Liberale haben den Eindruck, der Protektio- nismus greift langsam sehr stark um sich. Voran gehen zu (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE unserer Verwunderung die Union und Wirtschaftsminis- GRÜNEN]: Die FDP hat auch abgelehnt!) ter Peter Altmaier. Das Bekenntnis zur Marktwirtschaft Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6897

Reinhard Houben (A) bei der Union ist inzwischen fast schon so Folklore wie man offensichtlich besonders Angst hat, hier in Deutsch- (C) die Bergmannskapelle der nordrhein-westfälischen Sozi- land. Chinesische Investoren sind nicht notwendigerwei- aldemokraten. se schlecht. Wenn Sie sich die Zahlen und Berichte vom bayerischen Automobilzulieferer Grammer ansehen: Der (Beifall bei der FDP – Widerspruch bei Abge- ist sehr zufrieden mit seinem chinesischen Investor. ordneten der CDU/CSU) Deutschland profitiert wie kein anderes Land auf der Peter Altmaier träumt von staatlich gelenkter Indus- Welt vom globalen Freihandel. Deswegen sollten wir triepolitik. Er hat sogar mal die Idee gehabt, zumindest beim Freihandel besonders Wortführer sein und nicht scheinbar, Staatsfonds einzuführen. Das ist inzwischen selbst intern in Deutschland Hürden aufbauen. wieder eingesammelt worden. Er will nicht nur kritische Infrastruktur, sondern auch hochinnovative Unterneh- (Beifall bei der FDP) men besonders einer Kontrolle unterwerfen und öffnet Deswegen unsere Forderung an den Wirtschaftsminister, damit natürlich Willkür Tür und Tor. Dies bedeutet, mei- an die Koalition und an die Bundesregierung: Hören Sie ne Damen und Herren, nicht nur Unsicherheit für auslän- auf die Wirtschaftsförderer und auf die Wirtschaftsfor- dische Investoren, sondern auch eine hohe Unsicherheit scher! Hören Sie auf die Wirtschaftsverbände! Treten der Eigentümer und Unternehmer hier in Deutschland, Sie mutig gegenüber China auf! Stärken Sie die WTO! die gegebenenfalls ihr Unternehmen veräußern wollen. Deutschland braucht Mut zu Innovationen statt Angst vor (Beifall bei der FDP) Investoren. In seiner Regierungserklärung hat Peter Altmaier er- Vielen Dank. klärt, das Ministerium solle zu einem Serviceministe- (Beifall bei der FDP) rium werden. Es ist nur ein merkwürdiges Verständnis von Service, wenn Wirtschaftsverbände wie BDI, DIHK, BGA und VDMA sich gegen die Verschärfung der Inves- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: titionsregeln aussprechen. Der DIHK befürchtet, dass die Vielen Dank, Herr Kollege Houben. – Als Nächster Verschärfung die ausländischen Investoren abschrecken spricht zu uns der Kollege Mark Hauptmann, CDU/ wird und dass zugleich weitere Hürden aufgebaut wer- CSU-Fraktion. den, vor allen Dingen für deutsche Investoren im Aus- (Beifall bei der CDU/CSU) land. Dies wäre natürlich fatal; denn unser Wohlstand hängt zum großen Teil natürlich auch davon ab, dass deutsche Unternehmen im Ausland investieren können. Mark Hauptmann (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kollegen! (B) (Beifall bei der FDP) Werte Gäste! Deutschland ist und bleibt eine der of- (D) Die Kritik der Wirtschaftsweisen von diesem Diens- fensten und zugänglichsten Volkswirtschaften auf der tag ist vernichtend. Statt den Zugang zum Standort zu Welt. Gerade diese Offenheit, die sich in unserem Wirt- erschweren und ausländische Investoren abzuschrecken, schaftssystem widerspiegelt, macht es auch so attraktiv sollte die deutsche Wirtschaftspolitik eher die Standort- für ausländische Direktinvestitionen. Wir in der Union – qualität verbessern und versuchen, ausländische Direkt- beginnend mit Peter Altmaier an der Spitze des Bundes- investitionen anzuziehen. wirtschaftsministeriums – bekennen uns explizit zu die- sem freien und fairen Welthandel, zu diesen freien und (Beifall bei der FDP – Zuruf von der FDP: fairen offenen Märkten und dem Zugang dazu, um so die Das ist der Punkt!) Chancen der Globalisierung im freien Güter- und Kapi- Der Sachverständigenrat spricht in diesem Zusammen- talverkehr durch wechselseitige Investitionen und inter- hang schon von Protektionismus. Wer hätte gedacht, dass nationale Beteiligungen zu realisieren. ein CDU-Wirtschaftsminister mal mit diesem Vorwurf Ich gebe Ihnen ein Beispiel, Herr Houben, aus mei- konfrontiert werden kann? Natürlich muss es bei einigen nem Südthüringer Wahlkreis. Mittlerweile ist der größ- äußerst kritischen Industrien die Möglichkeit staatlicher te Arbeitgeber in Südthüringen eine japanische Firma. Eingriffe geben. Dass sich hier ausländisches Kapital in den deutschen (Zuruf von der CDU: Aha!) Mittelstand eingekauft hat, ist eine Win-win-Situation, ein Geschenk für die vielen Arbeitnehmer in meinem Aber das muss wirklich der allerkleinste Teil sein, über Wahlkreis; den wir sprechen. (Michael Theurer [FDP]: Das ist das, was wir (Zuruf von der CDU: Ist es doch auch!) Ihnen sagen!) Wir sehen eben nicht nur das Problem, dass diese Struk- denn ständig eröffnen wir neue Produktionsstätten. turen geschützt werden sollen; wir sehen vor allen Din- gen das Problem, dass dann die Eigentumsfrage nicht Ich teile Ihre Einschätzung, werter Herr Kollege, dass mehr richtig beantwortet werden kann. wir internationales Kapital in Deutschland brauchen. Ausländische Investitionen sind explizit der Treibstoff Direktinvestitionen sind keine Einbahnstraße. Deut- für Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze in diesem sche Unternehmen investieren massiv innerhalb und Land. Aber jetzt kommt der Unterschied zwischen der außerhalb Europas. Ihre Investitionen in China liegen freien Marktwirtschaft und der sozialen Marktwirtschaft, weitaus höher als die Investitionen von China, vor dem so wie wir sie in der Union seit Ludwig Erhard veran- 6898 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Mark Hauptmann (A) kert sehen. Die soziale Marktwirtschaft ist eben dadurch dritten Finanzierungsstufe – da reden wir über Investiti- (C) gekennzeichnet, dass sie den unfairen Wettbewerb inter- onen von 10 Millionen Euro aufwärts – einen Bedarf an national zu unterbinden versucht und dass durch sozia- zusätzlichem Kapital haben. le Verankerung dafür gesorgt wird, dass es Spielregeln Dieses zusätzliche Kapital können wir einerseits gerade in einem international bzw. global aufgestellten durch die Beteiligung beispielsweise von deutschen Finanzsystem gibt. Fondsgesellschaften decken, durch weitere Family Of- Sehr geehrter Herr Kollege, diese Regeln sind derzeit fices, die hier investieren. Aber ich glaube, dass wir vor in Gefahr. Sie sind in Gefahr durch ausländische Inves- allem ausländisches Kapital für die deutsche Venture-Ca- toren, die massiv staatliche Beteiligung beinhalten. Sie pital-Landschaft anwerben müssen – darin liegt letztend- sind dadurch in Gefahr, dass wir sie verschieben und uns lich auch eine Chance, werte Kollegen –, damit solche nach anderen Spielregeln richten, beispielsweise chine- Investitionen, die heute schon von israelischen, ameri- sischen Spielregeln. Sie wissen, was es bedeutet, wenn kanischen, norwegischen Firmen geleistet werden, der ein deutsches Unternehmen nicht die Möglichkeit hat, in Wirtschaftlichkeit und dem Wachstumsprozess am deut- China eine Firma zu erwerben, sondern einem Joint-Ven- schen Standort zugutekommen. ture-Zwang unterliegt, wenn es keine Rechtsstaatlich- keit, keinen Schutz des geistigen Eigentums gibt, so wie Mit dem geschätzten Kollegen Theurer war ich gerade wir ihn hier in Deutschland kennen. Dann verschieben mit dem Bundeswirtschaftsminister in Asien unterwegs. sich diese Marktmechanismen. Wir haben die unglaubliche Dynamik gesehen, die sich in der Bevölkerungsregion Nummer eins und der Welt- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wachstumsregion Nummer eins entfaltet. Jeder in Asien hat den Hochtechnologiestandort Deutschland auf dem Umgekehrt müssen wir darauf achten, dass wir bei glo- Schirm: Qualität „made in “, Produkte, die in balen Investoren, die nach Deutschland kommen, an- ihren Branchen auf dem Weltmarkt führend sind. Keiner mahnen, sich an diese Regeln zu halten, so wie wir sie in Asien hat den Start-up- und Venture-Capital-Markt auf in der sozialen Marktwirtschaft mit der Verankerung bei dem Schirm. Deswegen, glaube ich, ist es unsere Aufga- Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Deutschland haben. be, vor allem ausländisches Kapital aus Asien, aus der Deswegen gibt es gute Gründe, warum wir aktuell arabischen Welt für die deutsche Fondslandschaft zu ge- auch verschiedene Stufen von Investitionen überprüfen. nerieren, um hier Wachstumsprozesse zu verwirklichen. Der bekannteste Fall ist natürlich KUKA, ein Unterneh- Wenn uns das nicht gelingt, dann werden Unternehmen men im Hochtechnologiebereich, in der Robotik, das von gerade in einer entscheidenden Wachstumsphase, wenn einem chinesischen Investor übernommen worden ist. sie die dritte und vierte Finanzierungsstufe durchlaufen, Ich glaube, es erfüllt nicht nur uns in der Unionsfraktion, ihren Finanzierungsgebern, maßgeblich amerikanisch (B) sondern viele Menschen mit Sorge, wenn die Gefahr be- geprägten Fonds, über den Atlantik folgen, und wir ver- (D) steht, dass man sich in den deutschen Mittelstand, in ei- lieren die Wertschöpfung, wir verlieren die Steuerein- nen Hochtechnologiebereich einkauft und dieser Bereich nahmen, das Humankapital und die Wachstumsprozesse, möglicherweise verlagert wird, oder wenn die Akteure, die dahinterstehen. die hier investieren, durch staatliche Beteiligung und staatliche Finanzierungen den Wettbewerb ausschalten, Von daher ergeben sich aus den heute vorliegenden gemäß dem sich andere Firmen an solch einer Firma be- Anträgen und der heutigen Debatte zwei Chancen, ers- teiligen könnten. tens ein Level Playing Field, wie es international heißt, zu schaffen – wir brauchen gleiche Spiegelregeln für (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Investitionen; wir müssen dafür sorgen, dass wir diese Spielregeln europäisch definieren und auch weltweit ex- Von daher müssen wir gerade in diesem Zusammenhang portieren –, zweitens bei der Anwerbung ausländischen schauen, dass wir diesen Fairnesscharakter wahren. Kapitals deutlich zu machen, dass vor allem im Ven- Gleiche Spielregeln für alle! Unsere hohen Standards ture-Capital-Bereich, im Hochtechnologie-, im Risikobe- der sozialen Marktwirtschaft auch für andere Länder! Ich reich ausländisches Kapital mehr als willkommen ist. So glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt. sollten wir diese Debatte in diesem Haus weiterführen. Ich möchte allerdings noch einen weiteren Punkt auf- Herzlichen Dank. greifen, der über die Anträge der FDP und der Grünen hinausgeht. (Beifall bei der CDU/CSU)

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: NEN]: Da gibt es einen Unterschied!) Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes der Kolle- Ich bin nämlich auf der anderen Seite zutiefst davon ge Steffen Kotré, AfD-Fraktion. überzeugt: Wir müssen in Deutschland auch aktiv aus- (Beifall bei der AfD) ländisches Kapital anwerben. Wo brauchen wir das? Wir waren in den letzten Jahren in diesem Land, gerade auch in der Hauptstadt Berlin, ziemlich erfolgreich darin, in Steffen Kotré (AfD): der Breite eine Venture-Capital-Landschaft aufzubauen, Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen die junge, innovative Start-ups und Gründungen unter- und Herren! Herr Houben, ich würde die Dinge nicht so stützt hat, gerade in der ersten und zweiten Finanzie- locker sehen, wie Sie das hier gerade beschrieben haben; rungsstufe. Wir erkennen allerdings jetzt, dass wir ab der denn wenn sich Unternehmen unter staatlichem Einfluss, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6899

Steffen Kotré (A) mit staatlichem Geld hier bei uns einkaufen – in deut- Schauen wir doch mal woanders hin: In den USA gibt (C) sche Mittelständler, in Technologieführer, in andere Un- es das Committee on Foreign Investments in the United ternehmen –, dann besteht die Gefahr, dass Know-how States. Dort wird aktiv daran gearbeitet, Know-how-Ab- abgesaugt wird, dann besteht die Gefahr, dass wir Patente fluss zu verhindern; da sind viele Ministerien und Fach- verlieren, Technologie verlieren, und dann fehlt uns das bereiche involviert. Im Gegensatz dazu findet das bei hier in Deutschland. Das würde ich nicht so gerne bei- uns so nicht statt: Unsere Gremien sind schwerfällig und seitewischen. Wenn wir darauf bestehen, dass das nicht passiv. Wir fordern hier ein gleichwertiges Gremium, passiert, hat das auch nichts damit zu tun, dass wir Di- welches unsere Interessen in diesem Bereich wirklich rektinvestitionen hier in Deutschland behindern. Wenn es schützt. sich um Schlüsseltechnologien handelt, in die ausländi- sche Unternehmen investieren, um an Know-how ranzu- (Beifall bei der AfD) kommen, dann verliert unsere Volkswirtschaft wertvolles Aber Strukturen müssen natürlich mit Leben erfüllt Vermögen. Wenn es sich um kritische Infrastruktur han- werden. Das heißt, wir müssen interessengeleitet vorge- delt, dann besteht die Gefahr, dass wir abhängig werden. hen, und wir müssen diesen scheinbar – mir scheint es Wir müssen uns da schon darum kümmern, dass hier kein manchmal so – krampfhaften Internationalismus endlich Ausverkauf stattfindet. ablegen. Eine Prise Patriotismus kann dabei nicht scha- (Beifall bei der AfD) den, meine Damen und Herren. Wir müssen uns natürlich die Instrumente schaffen, (Beifall bei der AfD) die das verhindern. Sie haben in Ihrem Antrag geschrie- An diesem Punkt fordere ich die Bundesregierung ben, dass Sie ein solches Instrument, das jetzt in der auf, entsprechende Kriterien aufzustellen, wonach stra- Diskussion steht, eigentlich nicht haben wollen. Aber da tegische Schlüsselindustrien und -branchen und kritische sage ich: Nein, ein solches Instrument ist durchaus sinn- Infrastrukturen erst mal identifiziert werden. Wir fordern voll. Es ist noch nicht alles; aber es ist durchaus sinnvoll, dann natürlich auch dazu auf, dass entsprechende Inves- dass hier die Eingriffsschwellen gesenkt werden und der titionen in diese Bereiche unterbunden werden. Staat auch früher intervenieren kann. (Michael Theurer [FDP]: Da müssen Sie unse- Jetzt haben Sie Angst davor, dass ausländisches Kapi- rem Antrag zustimmen, weil das steht so drin!) tal ausbleibt; aber das sehe ich nicht. Das sehe ich auch in anderen Ländern nicht. Dort gibt es freien Kapital- Wir brauchen kein zweites KUKA-Fiasko. verkehr, dort gibt es einen attraktiven Investitionsmarkt, und es gibt gleichzeitig auch einen konsequenten Schutz (Beifall bei der AfD) (B) strategischer Industrien. Schauen Sie in die USA: Dort Zu diesem Thema gehört auch, dass einige ausländi- (D) funktioniert es ja. Und nein, staatliche Intervention zur sche Unternehmen in Verruf geraten sind. Es gibt Hin- Verhinderung unerwünschter Investitionen darf nicht Ul- weise, dass Telekommunikationsunternehmen Geräte tima Ratio sein; es sollte Standard sein. Selbstverständ- liefern, die unsere Daten ausspionieren. Auch da erwar- lich müssen wir entsprechende Definitionen auf den Weg te ich Konsequenz von der Bundesregierung, dass sie bringen, was eine unerwünschte Investition ist, das ist endlich aus dem Dornröschenschlaf erwacht und unsere völlig klar; aber trotzdem sollte es ein Standard werden. Volkswirtschaft entsprechend schützt; denn das ist eine Diese Definition, von der ich gerade sprach, hat es Frage der Souveränität und der Selbstbestimmung, und nicht gegeben. Die Bundesregierung hat es ja bisher diese Frage wollen wir einfach in unserem Sinne beant- abgelehnt, sich darüber Gedanken zu machen, wie wir wortet wissen. unsere Volkswirtschaft in diesem Bereich schützen. Die Vielen Dank. Bundesregierung, so mein Eindruck, ist nicht willens, deutsche Interessen in diesem Bereich ausreichend zu (Beifall bei der AfD) vertreten. (Beifall bei der AfD) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank. – Als Nächstes hat das Wort der Kollege Es scheint der Bundesregierung auch egal zu sein, Markus Töns, SPD-Fraktion. wenn hier der Ausverkauf deutscher Schlüsseltechnolo- gien anfängt. Der Kollege hat KUKA erwähnt – das beste (Beifall bei der SPD) Beispiel dafür –: Ein führender Roboterentwickler ist, ich sage mal so, geopfert worden. Und folgerichtig hat die Markus Töns (SPD): Bundesregierung in ihrer ignoranten Art in der Druck- sache 19/4216 auch geschrieben, dass sie ausländische Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also, Herr Investitionen in strategischen Bereichen nicht verbieten Houben, erst mal eine Frage: Was haben Sie gegen das will. Angeblich stünde dem auch hier wieder das Grund- „Steigerlied“? gesetz entgegen. Aber das ist falsch. Das Grundgesetz (Reinhard Houben [FDP]: Nichts!) ist für uns Deutsche gemacht. Ich weiß, das wollen nicht alle hier im Saal hören; es ist aber so, und – da kann sich Ich kann Ihre Aufregung gar nicht verstehen. Frau Merkel auf den Kopf stellen – das bleibt auch so. (Reinhard Houben [FDP]: Ich habe mich (Beifall bei der AfD) nicht aufgeregt!) 6900 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Markus Töns (A) In dem schönsten Stadion Deutschlands, das in meiner die in Unternehmen mit ausländischer Beteiligung arbei- (C) Heimatstadt steht, wird das vor jedem Heimspiel gesun- ten. gen, und da singen dann nicht nur Sozialdemokraten, da (Reinhard Houben [FDP]: Sehr richtig!) singen 60 000 Menschen. Ich finde, das ist eine schöne Sache; das gehört dazu. Ich habe nichts gegen das „Stei- Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen aber gerlied“. auch – das ist wichtig, Herr Houben –, dass es Bereiche gibt, bei denen wir genauer hinsehen müssen. (Beifall bei der SPD – Michael Theurer [FDP]: Wenn Sie den Kollegen Houben rich- Damit komme ich zum zweiten Punkt: dem Schutz der tig verstanden hätten: Das war keine Kritik an kritischen Infrastruktur. Gemeint sind Waren und Dienst- der SPD, sondern an der CDU!) leistungen, die für unser tägliches Zusammenleben un- entbehrlich sind. Die Außenwirtschaftsverordnung in Es geht in dieser Frage um zwei Sachen: Es geht Verbindung mit dem Gesetz über das Bundesamt für Si- erstens um Deutschlands Rolle als Wirtschaftsstandort. cherheit in der Informationstechnik, BSI-Gesetz, bietet Unternehmer aus unterschiedlichen Teilen der Welt sind eine klare Definition hierfür. Dazu gehören zum Beispiel wirtschaftlich in Deutschland tätig; das finden wir gut, Strom- und Wasserversorgung, die Versorgung mit Le- und das soll auch so bleiben. Und es geht zweitens – das bensmitteln und Medikamenten und auch Hochtechno- ist, glaube ich, der entscheidende Punkt; das ist mir be- logie. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf sonders wichtig – um den Schutz von Menschen, die in verlassen können, dass diese Dinge zuverlässig verfüg- Deutschland kritische Infrastruktur nutzen. Damit sind bar sind. Ich will es ganz deutlich sagen: Es geht nicht zum Beispiel eine gesicherte Wasserversorgung, ein um den Schutz von Wasserrohren und Stromleitungen; es funktionierendes Stromnetz und auch der öffentliche Per- geht um den Schutz der Menschen in diesem Land und sonennahverkehr gemeint. Auch hier muss der Staat ge- der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. nauer hinsehen; darauf werde ich später noch eingehen. Deshalb hat das Wirtschaftsministerium übrigens Aber zunächst zu Deutschlands Rolle als Wirtschafts- schon 2017, damals unter der Führung der SPD, genau standort. Immer mehr ausländische Unternehmer ent- die richtigen Grundlagen geschaffen. Wir haben 2017 scheiden sich, sich wirtschaftlich in Deutschland zu überhaupt erst eine Meldepflicht für Übernahmen im betätigen. Das ist auch ein Zeichen des Vertrauens, vor Bereich der kritischen Infrastruktur eingeführt. Das geht allem in das Know-how deutscher Arbeitnehmerinnen auf die Initiative der sozialdemokratischen Wirtschafts- und Arbeitnehmer. minister Gabriel und Zypries zurück. Darauf baut die jetzige Bundesregierung auf, indem sie eine Absenkung (Beifall bei der SPD) der Aufgreifschwelle prüft. Wir sind froh, dass sich Herr (B) Altmaier die sozialdemokratische Wirtschaftspolitik zum (D) 3 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten in Un- Vorbild nimmt; das ist übrigens immer eine gute Idee, ternehmen mit ausländischer Beteiligung; auch deshalb sich Sozialdemokraten zum Vorbild nehmen. sind ausländische Investitionen eine Bereicherung für Deutschland. Soweit stimmen wir übrigens mit der FDP (Beifall bei der SPD) überein. Für uns Sozialdemokraten zeigt sich hier aber Wenn die FDP hier von einer Abriegelung gegen aus- auch: Unsere sozialen Rechte sind eben kein Wettbe- ländisches Kapital spricht, ist das schlichtweg falsch, werbsnachteil. Im Gegenteil: Ausländische Unternehmer Herr Houben. Es geht hier doch darum, dass die Bundes- entscheiden sich bewusst für Deutschland als Investiti- regierung in einem Bereich prüft, der für unser Gemein- onsstandort mit einer hochqualifizierten Arbeitnehmer- wesen unglaublich wichtig ist. Das ist kein Protektionis- schaft und sozialer Sicherung. Das muss an dieser Stelle mus, wie Sie das sagen. Hier muss die FDP erkennen, mal klar gesagt werden. dass der Markt eben nicht alles regelt und dass wir einen staatlichen Prüf- und Regulierungsrahmen brauchen. (Beifall bei der SPD – Reinhard Houben Teile der FDP haben das übrigens auch erkannt und for- [FDP]: Da haben wir ja auch nichts dagegen, dern seit Monaten eine Absenkung der Prüfschwelle auf Herr Kollege!) 10 Prozent. In dem Antrag, über den wir heute sprechen, In meiner Heimatstadt – das ist vielleicht ganz inte- haben Sie diese Forderung abgeräumt. Stattdessen geht ressant – gehören ausländische Direktinvestitionen übri- es Ihnen nur noch um die Meldepflichten. Das ist doch gens zur Stadtgeschichte. Jedes Kind in Gelsenkirchen ein Formelkompromiss Ihrer Fraktion. Die Mutigen in kennt heute den Namen Thomas Mulvany, ein irischer der FDP haben sich dabei wohl nicht durchgesetzt. Ingenieur und Unternehmer, der 1855 in Gelsenkirchen (Reinhard Houben [FDP]: Die haben sich in die Zeche Hibernia abgeteuft hat; so nennt man das im der Fraktion nicht gemeldet!) Bergbau. So wie Mulvany damals die neueste Technik für den Stollenbau aus England mitgebracht hat, können Neben den Bemühungen auf nationaler Ebene müssen ausländische Direktinvestitionen auch heute neue Ent- wir auch europäisch stärker zusammenarbeiten, wenn es wicklungen ankurbeln. Mulvany ist – um das auch zu sa- um kritische Infrastruktur geht. Wir haben in der EU seit gen – seit mehr als 100 Jahren Ehrenbürger meiner Stadt. mehr als einem halben Jahrhundert keine abgeschotte- ten nationalen Volkswirtschaften mehr. Wir haben einen Ich möchte noch mal betonen: Deutschland ist und gemeinsamen Binnenmarkt, und das ist gut so. Deshalb bleibt offen für ausländische Investitionen. Das ist auch ist es nur konsequent, dass wir auch einen gemeinsamen im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rahmen für die Prüfung ausländischer Direktinvesti- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6901

Markus Töns (A) tionen haben. Es ist richtig, dass die Bundesregierung tegische Unternehmensentscheidungen künftig irgendwo (C) zusammen mit europäischen Partnern den Vorstoß ge- im fernen New York oder in Shanghai getroffen werden. macht hat, dass wir uns europäisch stärker koordinieren. Auch das geht auf die Initiative sozialdemokratischer (Frank Schäffler [FDP]: Immer die gleiche Wirtschaftsminister zurück und ist ein Beispiel für gute Leier!) deutsch-französische Zusammenarbeit. Aktuell läuft das Ich kann diese Sorgen gut verstehen – gleich ob es Gesetzgebungsverfahren dazu auf europäischer Ebene. sich um einen Heuschreckenfonds aus den USA oder um Bevor ich zum Schluss komme, noch ein Wort zu einen chinesischen Staatsfonds handelt. Ja, ausländische Ihnen, Herr Kotré: KUKA ist nun wirklich kein gutes Investitionen, die hier Arbeitsplätze schaffen und zum Beispiel dafür; denn es hat keine Investitionsinteressen Wohlstand der Mehrheit in unserem Land beitragen, sind deutscher Unternehmen bzw. deutscher Investoren bei auch uns als Linke herzlich willkommen; aber wir müs- KUKA gegeben. Die Kanzlerin hat sich darum bemüht; sen Instrumente schärfen, mit denen der Staat dort ein- aber es gab sie schlichtweg nicht. schreiten kann, wo solche Investitionen eine Bedrohung für diesen Wohlstand oder gar für die Sicherheit und Ord- Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. nung in unserem Land darstellen, liebe Kolleginnen und Ich wiederhole noch einmal: Erstens. Deutschland ist Kollegen. und bleibt offen für ausländische Investitionen. Zwei- tens. Wir müssen unsere kritische Infrastruktur wirksam (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- schützen. Drittens. Indem wir diese beiden Ziele verei- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) nen, grenzen wir uns klar von protektionistischen Ten- Deswegen begrüßen wir es als Linke, wenn es jetzt auf denzen ab. verschiedenen Ebenen zumindest vorsichtige Initiativen WTO-rechtswidrige Schutzzölle, wie sie die USA ak- gibt, ausländische Investitionen besser zu kontrollieren. tuell erheben, wird es in der EU nicht geben. Unser Kon- Dabei ist es aus unserer Sicht dringend notwendig, die zept ist Investitionsoffenheit plus Besonnenheit. Aus- grundsätzliche Schwelle, ab der eine solche Kontrolle ländische Direktinvestitionen heißen wir willkommen. überhaupt möglich ist, abzusenken – zumindest auf eine Und wir prüfen dort, wo es um die Sicherheit und die Beteiligung von 10 Prozent der Stimmrechte. Wenn es öffentliche Ordnung in Deutschland geht. Ich denke, das um Investitionen in zentrale Bereiche unserer Infrastruk- ist eine vernünftige Leitschnur für unsere Wirtschaftspo- tur geht – um den Energie-, IT- und, ja, auch um den sen- litik, meine Damen und Herren. siblen Telekommunikationsbereich –, dann muss wegen der besonderen Relevanz dieser Investitionen künftig Zum Abschluss: Glück auf! jedwede Beteiligung überprüft werden. (B) (D) (Beifall bei der SPD) Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, hat übrigens ja auch die CSU in Bayern im Wahlkampf gefordert und sogar im Bundesrat beantragt. Ich bin sehr Vizepräsident Wolfgang Kubicki: gespannt, was davon in der Bundesregierung jetzt umge- Vielen Dank, Herr Kollege Töns. – Als Nächstes für setzt wird oder ob das einmal mehr nur Wahlkampfgetöse die Fraktion Die Linke der Kollege Pascal Meiser. war, wie wir es von der CSU schon kennen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN – Bernhard Loos [CDU/CSU]: Ja, ja, die CSU ist die beste Par- tei überhaupt!) Pascal Meiser (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und – Ich lasse mich gerne überraschen – auch positiv. Kollegen! Immer mehr Menschen machen sich auch hier- Doch ich sage Ihnen auch: Dabei dürfen wir es nicht zulande zu Recht Sorgen darüber, was eine rücksichts- belassen. Die Instrumente der Investitionskontrolle müs- lose Globalisierung mit ihnen und ihrem Leben macht. sen künftig auch dazu genutzt werden, Unternehmen Diese Sorgen sollten wir ernst nehmen. und deren Beschäftigte bei Bedarf vor sogenannten Heu- Doch worüber macht sich die FDP in dem vorliegen- schreckenfonds zu schützen – Fonds, die nach dem Mot- den Antrag Sorgen? Sie sorgt sich, dass ausländische to „Kaufen, Plündern, Wegwerfen“ agieren und über gut Investoren auch weiterhin möglichst ungestört tun und laufende Unternehmen herfallen. lassen können, was sie wollen. Das ist doch absurd, liebe Ein aktuelles Beispiel, das Sie alle kennen dürften, Kolleginnen und Kollegen. ist der Automobilzulieferer Neue Halberg Guss. Dieser (Beifall bei der LINKEN) Automobilzulieferer wurde im Januar dieses Jahres vom Großinvestor Prevent aus Bosnien aufgekauft. Dieser In- Schauen wir uns einmal die Fakten an: Die Zahl der vestor verfährt immer wieder nach dem gleichen Muster: Unternehmensübernahmen durch ausländische Inves- Erst kauft er gutlaufende Zulieferbetriebe auf, um dann toren ist in Deutschland in den letzten Jahren deutlich die Preise von einem auf den anderen Tag in die Höhe zu angestiegen. Immer öfter geraten dabei auch sensible In- treiben. Damit lassen sich kurzfristig massive Extrapro- frastruktur und Schlüsseltechnologien ins Visier der In- fite machen. Doch sobald der Abnehmer abspringt, wer- vestoren. Und immer mehr Beschäftigte sorgen sich, was den die Werke ihrem Schicksal überlassen oder gleich mit ihnen und ihren Arbeitsplätzen passiert, wenn stra- geschlossen. 6902 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Pascal Meiser (A) Genau so ist es jetzt bei der Neuen Halberg Guss Und es hilft auch nichts, die Augen davor zu verschlie- (C) gekommen. Deren Leipziger Werk soll komplett ge- ßen, dass die Zahl der prüfungsrelevanten Unterneh- schlossen werden. Am Standort Saarbrücken stehen etwa menserwerbe seit 2015 deutlich angestiegen ist. Beispie- 300 Beschäftigte vor dem Aus. Mit sozialer Marktwirt- le sind ja genannt worden. schaft hat das doch wohl ganz sicher nichts mehr zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. Schaut man sich die Investitionen unter dem Aspekt der Sicherheit an, der ja immer wieder diskutiert wird, (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. sieht man, dass auch Infrastrukturen sicherheitsrelevant Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sind. Davor verschließt die FDP die Augen. Deswegen NEN]) können wir diesem Antrag nicht zustimmen. Ich sage Ihnen: Wenn Beschäftigte und ihre Betriebs- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – räte in solchen Fällen Alarm schlagen, weil sie die be- Reinhard Houben [FDP]: Das ist falsch! Lesen gründete Befürchtung haben, dass ein ausländischer Sie ihn doch bitte erst mal!) Investor ihren Betrieb für kurzfristige Gewinne plattma- chen will, dann muss auch hier künftig eine Überprüfung Wir begrüßen es, dass sich die Bundesregierung der und gegebenenfalls die Untersagung einer solchen Inves- Aufgabe gestellt hat. Es ist ja nicht einfach. Das ist ja kei- tition erfolgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ne banale Diskussion. Es ist nicht damit getan, zu sagen: (Beifall bei der LINKEN) Wir senken jetzt mal die Schwelle von 25 Prozent auf 15 oder 10 Prozent. Es ist auch keine banale Diskussion, Das ist es, was die Beschäftigten in einer solchen Si- Klarheit darüber zu schaffen, was Schutz der öffentlichen tuation zu Recht erwarten können. Lassen Sie uns diesen Sicherheit und Ordnung eigentlich bedeutet, angesichts Erwartungen gemeinsam gerecht werden! Der Antrag der hybrider Investitionen, angesichts von Cyberwirtschaft, FDP leistet zu diesen Herausforderungen leider nicht den angesichts der Infrastrukturfrage. Das ist eine schwieri- geringsten Beitrag. ge Aufgabe. Dieser schwierigen Aufgabe muss man sich seriös stellen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) (Michael Theurer [FDP]: Was will denn die Bundesregierung jetzt?) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Das beste Argument gegen Protektionismus ist ein Vielen Dank, Herr Kollege Meiser. – Als Nächstes transparenter und klarer Prüfmechanismus ohne Politi- für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin sierung der Prüfung selbst. Das muss die Bundesregie- (B) Kerstin Andreae. rung leisten. (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Theurer [FDP]: Das fordert die FDP Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): übrigens! Das fordern wir! Das steht doch in Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich unserem Antrag!) meine, es ist ja gut, dass deutsche Unternehmen in China Natürlich muss die Höhe der Prüfschwelle gut über- und im Ausland investieren. Es ist auch gut, dass aus- legt werden. Keiner hat ein Interesse daran, dass wir ländische und chinesische Unternehmer in Deutschland einen Prüfteppich über alle ausländischen Investitionen investieren. Wir haben eine vernetzte Welt. Es ist aber legen, dass drei Monate Stillstand herrscht, bis diese In- eben nicht gut, wenn Standards und Normen verschoben vestitionen getätigt werden können. Das wäre unglaub- werden, und es ist nicht gut, wenn die Marktbedingungen lich viel Aufwand. Daran hat keiner ein Interesse. nicht fair sind. Natürlich sind wir gegen Protektionismus und für offene Märkte; aber eben zu fairen und transpa- Es gibt eine Strategie der Chinesen, die heißt „Made renten Bedingungen auf beiden Seiten. Das ist eine der in China 2025“. Es geht um die Weltmarktführerschaft Voraussetzungen. in zehn Technologien und großen Branchen. Es gibt da- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rauf keine Antwort aus Deutschland; es gibt darauf kei- ne Antwort aus Europa. Wir fordern, dass endlich eine Das Bekenntnis zu offenen Märkten darf uns doch Diskussion über eine europäische Antwort und über eine nicht blind für Probleme machen. Der Antrag der FDP zukunftsgerichtete europäische Industriepolitik auf den redet diese Probleme wirklich klein. Weg gebracht wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Reinhard Houben [FDP]: Lesen Sie ihn doch bitte mal! – Michael Theurer [FDP]: Das tun Wir müssen uns doch etwas einfallen lassen, wie wir wir nicht!) unsere Wirtschaft stärken – nicht in der Abwehr, sondern indem wir etwas Eigenes entwickeln, indem wir eine eu- Es hilft doch nichts, wirtschaftliche Offenheit zu ro- ropäische Industriepolitik voranbringen. Wir brauchen mantisieren, wenn einer der Partner nachweislich unfair Investitionen in Zukunftsbranchen – Stichwort „Digita- spielt. lisierung“ –, vor allem in eine CO2-arme und CO2-freie (Beifall der Abg. Katharina Dröge [BÜND- Wirtschaft. Die Aufgaben sind zu groß, als dass wir es NIS 90/DIE GRÜNEN]) alleine machen könnten. Deswegen steht Bündnis 90/Die Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6903

Kerstin Andreae (A) Grünen so sehr für ein geeintes Europa: weil wir diese wäre wichtig, bei dieser sehr schwierigen Frage in die (C) Frage nur noch europäisch angehen können. Diskussion zu gehen. Aber die Antworten, die die FDP gibt, sind eben nicht weitreichend genug. Sie sagen: Wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bleiben bei der Prüfschwelle von 25 Prozent. Wir fordern eine europäische Industriepolitik mit langfristigem Horizont. Wir fordern, dass man sich den Was mich dabei vor allem stört, ist der alte FDP-Re- veränderten Bedingungen nüchtern, klar und mit Ruhe flex, der bei dem Wort „Industriepolitik“ sofort ausgelöst stellt. Wir fordern, dass die Bundesregierung sich der wird. Das ist heute nicht mehr adäquat. Wir werden eine Diskussion, die auch auf europäischer Ebene geführt Antwort darauf finden müssen, dass in anderen Ländern, wird, im Hinblick auf die Schaffung eines Rahmens – das in anderen Regionen, in anderen Teilen der Weltwirtschaft wird ja übrigens von Herrn Machnig sehr unterstützt – massiv Industriepolitik betrieben wird. Wir wollen keine für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen staatliche, interventionistische Industriepolitik. Aber wir in der Europäischen Union stellt und dass diese voran- wollen eine kluge Bundesregierung, die sich diesen He- gebracht wird. Und wir fordern eine Wirtschaftspolitik, rausforderungen stellt, die auf europäischer Ebene fragt: die sowohl nachhaltig als auch vorausschauend ist, aber „Welche Branchen brauchen eigentlich Unterstützung?“, keineswegs naiv. und die im Bereich Forschung auch unterstützt und am Ende vielleicht sogar Geld in die Hand nimmt. Wir wol- Danke schön. len eine kluge europäische Industriepolitik. Das ist viel mehr, als nur die Frage aufzuwerfen: Was ist mit Prüf- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schwellen und dem Untersagen von Investitionen?

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Insofern: Sie haben recht: Dass Sie die Debatte heute Vielen Dank, Frau Kollegin Andreae. – Das Wort zu hier angestoßen haben, ist sinnvoll. Ihre Antworten sind einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Michael aber leider nicht unsere. Theurer. Danke schön.

Michael Theurer (FDP): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Kollegin Kerstin Andreae hat hier eine Diskussion eingefordert. Es wäre Vizepräsident Wolfgang Kubicki: an der Stelle nur fair gewesen, liebe Kollegin Andreae, Dann ist das auch mal gesagt worden. – Als Nächstes wenn Sie darauf hingewiesen hätten, dass diese Diskus- spricht zu uns der Kollege Mario Mieruch, fraktionsloser sion hier heute nur deshalb stattfindet, weil die Freien (B) Abgeordneter. (D) Demokraten einen Antrag gestellt haben. Sie loben die Bundesregierung. Wir wissen doch überhaupt nicht, was die Bundesregierung konkret vorschlägt. Das soll über Mario Mieruch (fraktionslos): den Verordnungsweg geregelt werden, am Parlament Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen vorbei. Wir haben dafür gesorgt, dass hier über diese Fra- und Herren! Dann kann ich an der Stelle der FDP auch ge diskutiert wird. noch einmal danken, dass sie das Thema angestoßen hat. Ich möchte das aber direkt mit einer spannenden Frage In der Tat: Wir Freien Demokraten sind der Meinung, verknüpfen. Denn so toll wie es ist, ausländische In- dass wir eine europäische Außenwirtschaftsgesetzge- vestitionen im Land zu haben, sollten wir uns die Frage bung brauchen, die es dann auch ermöglicht, entspre- stellen: Wie viel davon ist für eine Volkswirtschaft, die chende Investitionen ausländischer Investoren zu prüfen, gleichzeitig auch eine Solidargemeinschaft ist, überhaupt aber eben auf der Grundlage klar nachvollziehbarer Kri- erstrebenswert? terien; denn es kann nicht sein, dass der Staat willkürlich in die Verfügungsautonomie von privaten Eigentümern Ich habe mir den Punkt 8 des Antrages der FDP einmal eingreift. Das wäre eine Abkehr von der Marktwirtschaft, herausgezogen: und das ist der falsche Weg. … in Kooperation mit der deutschen Wirtschaft Lö- (Beifall bei der FDP – Bernd Westphal [SPD]: sungen für den langfristigen Erhalt und die Stärkung Das ist der falsche Adressat! Das muss die innovativer deutscher Unternehmen der Zukunfts- Kommission machen!) und Schlüsseltechnologien … zu erarbeiten …

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Ja, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wenn wir den fo- kussieren, dann landen wir faktisch eigentlich bei einem Vielen Dank. – Frau Kollegin Andreae, Sie möchten Thema, das in der Diskussion viel wichtiger ist, als zu antworten? – Bitte, Sie haben das Wort. versuchen, mehr ausländisches Kapital hereinzuholen, nämlich der Frage: Wie stärken wir unsere einheimische Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Industrie? Denn im Idealfall wäre es ja prima, wenn der Vielen Dank. – Absolut: Wenn die FDP den Antrag Konsument – völlig egal, ob national oder international – nicht gestellt hätte, hätten wir heute nicht diese Debat- Wert auf deutsche Qualitätsprodukte legt und diese be- te. Es ist richtig, dass die Bundesregierung oftmals die vorzugt. „Made in Germany“ hieß das früher, und das Diskussion mit dem Parlament und mit den Abgeordne- war trotz einer harten Währung auch vor dem Euro ein- ten, im Übrigen auch im Ausschuss, dazu nicht sucht. Es mal eine richtig erfolgreiche Sache. 6904 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Mario Mieruch (A) Um die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen – das verordnung, davon rund die Hälfte China betreffend. (C) greift der Punkt 7 Ihres Antrages in Ansätzen auf –, müs- Zwischen 2015 und heute verzeichnen wir ein Ansteigen sen die deutschen Unternehmen mit ihrer Innovations- des ausländischen Investitionsvolumens von 500 Milli- kraft im globalen Wettbewerb immer drei Schritte voraus onen auf aktuell 10 Milliarden Euro. Bundesbankpräsi- sein, Stichwort „Technologieführerschaft“. Das lässt dent Weidmann aber weist uns darauf hin, dass deutsche sich aber nicht verordnen. Das könnten wir hier aber zu- Investitionen in China immer noch 16-mal höher sind als mindest erleichtern durch mehr Profitabilität, damit die umgekehrt. Unternehmen durch Selbstfinanzierung in Expansion, in Entwicklung investieren können, damit sie gesunde Ei- Zur Sache selbst: Der Bundesrat hat am 27. April 2018 genkapitalquoten erwirtschaften können, um Rezessio- eine Entschließung verabschiedet, nach der die Bundes- nen auch ohne massive Verschuldung überstehen zu kön- regierung die sogenannte Eingriffsschwelle des § 56 der nen. Steuern, Nebenkosten, Bürokratie, Überregulierung Außenwirtschaftsverordnung absenken möge. Die Bun- wären hier die notwendigen Hebel. desregierung bereitet deshalb Überlegungen vor, die erst- mals im Wirtschaftsausschuss am 26. September 2018 Stichwort „Rezession“, in dieser Diskussion vielleicht angesprochen wurden. Eine endgültige Festlegung über auch ganz wichtig. Seit dem Crash 2008 geht es unge- den Umfang und die konkrete Ausgestaltung von Än- bremst bergauf. Diese Entwicklung ist ein klein wenig derungen der Außenwirtschaftsverordnung gibt es aber untypisch für den klassischen Konjunkturzyklus, und sie noch nicht. Wir debattieren heute also quasi ins Blaue, ist sicherlich endlich. Entweder endet das in einem übli- allein auf der Grundlage von einem, wie Sie von der FDP chen Abschwung oder in einer Blase, deren Ende wirk- so schön schreiben, „Wunsch des Bundesrates“. Andere lich nicht erstrebenswert wäre. Berücksichtigen Sie also Initiativen, wie zum Beispiel eine EU-weite Verordnung, bitte auch diese Aspekte in dieser Diskussion. Bevor wir sind ebenfalls in Entstehung. Das sollten die Grünen, die in die europäische Lösungsfindung einsteigen, wäre es jetzt gerade das Gegenteil behauptet haben, vielleicht ganz sinnvoll, wenn wir unseren eigenen Regelungsbe- einmal nachlesen. darf vorher gemeinsam debattieren und den ersten Schritt vor dem zweiten machen würden. Deutschland, Italien und Frankreich sind schon im Februar 2017 mit der Bitte an die Europäische Kom- Vielen Dank. mission herangetreten, sich zeitnah mit der Frage staat- lich gelenkter strategischer Direktinvestitionen von (Beifall der Abg. Dr. Frauke Petry [fraktions- unionsfremden Investoren in europäischen Hochtech- los]) nologieunternehmen zu beschäftigen, mit dem Ziel, die Eingriffsbefugnisse der Mitgliedstaaten im Kontext Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (B) unionsfremder Beteiligungen an sicherheitsrelevanten (D) Herzlichen Dank, Herr Kollege Mieruch. – Als letzter Schlüsseltechnologieunternehmen zu stärken. Die Euro- Redner hat das Wort der Kollege Bernhard Loos, CDU/ päische Kommission hat dazu am 14. September 2017 ei- CSU-Fraktion. nen entsprechenden Verordnungsvorschlag vorgelegt, der jetzt das reguläre Gesetzgebungsverfahren durchläuft. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein Abschluss des Verfahrens soll noch in diesem Jahr stattfinden. Interessant ist eine Regelung auf EU-Ebene Bernhard Loos (CDU/CSU): vor allem auch deshalb, weil damit Umgehungen durch Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Schachtelinvestitionen über EU-Mitgliedsländer zu ver- Kollegen! Manchmal hat man ja schon das Gefühl, um hindern wären. mit Karl Valentin zu sprechen: „Es ist schon alles gesagt, Lassen Sie mich aber noch einige grundsätzliche An- nur noch nicht von allen.“ So wird heute für alles eine merkungen machen. Eine Prüfung nach AWV dient der Lösung geboten, aber auch das Gegenteil davon. Heute Beantwortung der Frage, ob von solchen Investitionen überbieten sich ja FDP und Grüne mit eilig geschriebenen eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Anträgen im Wettbewerb um die Sorge um Investitionen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder für in Deutschland und zugleich um den Bestand deutscher wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Hightechfirmen, schlagen aber völlig unterschiedliche Deutschland nach der Außenwirtschaftsverordnung aus- Lösungen vor. geht. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der FDP Die Änderung der Außenwirtschaftsverordnung vom und den Grünen, ich darf zu Ihrer aller Beruhigung fest- 14. Juli 2017 hat sichergestellt, dass für die Durchfüh- stellen: Ihre Zukunftsangst ist in beide Richtungen völlig rung der Prüfungen ein angemessener zeitlicher Rah- unbegründet. men zur Verfügung steht, dass Übernahmen kritischer (Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau!) Infrastrukturen und bestimmter Schlüsseltechnologien beim BMWI angemeldet werden müssen und dass das Die Attraktivität Deutschlands für ausländisches Kapital Prüfverfahren nicht durch missbräuchliche gesellschafts- hängt nicht in erster Linie von Eingriffsschwellen oder rechtliche Gestaltungen ausgehebelt werden kann. Die Meldepflichten ab, sondern von den hervorragenden in- Bundesregierung prüft deshalb jetzt die vom Bundesrat novativen Mitarbeitern in meist kleinen und mittelstän- angeregte Absenkung der Prüfeintrittsschwelle. dischen Hightechfirmen und vor allem von einem hohen Bildungsstandard in unserem Land. Allein im letzten Jahr Grundsätzlich gilt: Wir müssen offen bleiben für In- gab es rund 70 Prüfverfahren nach der Außenwirtschafts- vestitionen in Deutschland durch ausländische Firmen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6905

Bernhard Loos (A) Deutschland steht als offene Volkswirtschaft für die Frei- Bitte tun Sie sich und uns einen Gefallen: Versuchen Sie, (C) heit der Wirtschaft, für eine offene Welthandelsordnung, gerade im Hinblick auf den morgigen Tag, die Tagesord- allerdings auch auf Basis der Gegenseitigkeit in Form nung, was die Reden angeht, etwas zu straffen. deutscher Kapitalbeteiligungen im Ausland. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Wir werden das Absenken des Schwellenwertes genau SPD und der FDP) abwägen und eng definieren müssen, welche Bereiche Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf: darunterfallen. Dies alles ist ein noch offener Entschei- dungsprozess. Ich sage an dieser Stelle für meine Per- – Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- son: Ich betrachte eine Absenkung differenziert. Dies ist regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- aus meiner Sicht kein alleiniger Heilsweg; denn sie wirft zes zur steuerlichen Entlastung der Familien weitere Fragen auf, zum Beispiel nach den Eigentums- sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher rechten der Firmeninhaber und der zusätzlichen Bürokra- Regelungen (Familienentlastungsgesetz – Fa- tie und Handhabbarkeit. mEntlastG) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Drucksache 19/4723 Trotzdem haben wir von der CDU/CSU auch große Sym- Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz- pathien für die Aufforderung des Bundesrates. ausschusses (7. Ausschuss) Noch ein Wort zu China. Es müssen Asymmetrien im Drucksache 19/5583 chinesischen Marktzugang konsequent abgebaut werden. – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) Es darf keine selektive, sondern es muss eine umfassen- gemäß § 96 der Geschäftsordnung de Öffnung stattfinden. Gleichbehandlung ausländischer Unternehmen auf dem chinesischen Markt muss gegeben Drucksache 19/5591 sein. Aber ich halte auch nichts von einer übertriebe- Hierzu liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der nen Angstmacherei und zitiere dazu abschließend Bun- AfD, ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP sowie desbankpräsident Jens Weidmann, der laut Reuters am zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die 20. September 2018 sagte: Grünen vor. Über den Änderungsantrag der Fraktion der Ich meine, wir sollten hier mit Augenmaß vorgehen AfD sowie über den Änderungsantrag der Fraktion der und uns vor einem Investitionsprotektionismus hü- FDP werden wir später namentlich abstimmen. Nach ten ... Statt chinesischen Investoren mit besonderen einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aus- Maßnahmen zu begegnen, wäre es ... besser, sprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre hierzu keinen (B) Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. (D) – so Weidmann – Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- auf die Entwicklung angemessener multilateraler ner dem Kollegen Michael Schrodi, SPD-Fraktion, das Regeln und auf gegenseitige Gleichbehandlung im Wort. Marktzugang hinzuwirken. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Deshalb: Statt der heutigen Schnellschüsse von FDP der CDU/CSU) und Grünen sollten wir also eine gründliche, umfassende Diskussion zu diesen Fragen führen. Michael Schrodi (SPD): Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da- men und Herren! 9,8 Milliarden Euro – um diese Summe (Beifall bei der CDU/CSU) entlasten wir Familien in Deutschland, mit dieser Sum- me unterstützen wir Familien in Deutschland. Dies ist ein Vizepräsident Wolfgang Kubicki: starkes familienpolitisches Zeichen und deshalb auch ein Vielen Dank, Herr Kollege. – Damit schließe ich die guter Tag für die Familien in Deutschland. Aussprache. (Beifall bei der SPD) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Drei Aspekte möchte ich herausheben. Erstens. Nach den Drucksachen 19/4216 und 19/5565 an die in der dem sogenannten Existenzminimumbericht wäre das Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Kindergeld nur um 3 Euro erhöht worden. Wir erhöhen Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. das Kindergeld als Maßnahme zur finanziellen Stärkung Dann sind die Überweisungen so beschlossen. von Familien um spürbare 10 Euro und entsprechend Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, auch den Kinderfreibetrag. möchte ich meine dringliche Bitte an die Geschäftsfüh- Zweitens. Wir erhöhen den Grundfreibetrag und glei- rer der Fraktionen wiederholen, sich über den heutigen chen die kalte Progression damit aus. Ablauf der Tagesordnung noch einmal Gedanken zu ma- chen. Ich persönlich halte es nicht für sinnvoll, dass wir Drittens. Wir tun das weit über das verfassungsrecht- 3 Uhr morgen früh ansteuern. lich Notwendige hinaus. Knapp 6 Milliarden Euro sind verfassungsrechtlich nicht erforderlich, darunter auch die (Beifall des Abg. Andreas G. Lämmel [CDU/ Anhebung des Kindergeldes mit 1,5 Milliarden Euro und CSU]) der Ausgleich der kalten Progression. Die Entlastung ist 6906 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Michael Schrodi (A) eine bewusste politische Entscheidung zur Stärkung von dort helfen, wo wir es steuerlich nicht können. Das ist die (C) Familien und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. richtige Antwort auf die Gerechtigkeitsfrage. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Übrigens: Durch ein Gutachten in der Anhörung ist Übrigens: Dieses Familienstärkungsgesetz soll gleich- auch bestätigt, dass Bezieher relativ niedriger Einkom- zeitig mit dem vorliegenden Familienentlastungsgesetz men bis weit in höhere Einkommensbereiche prozentual zum 1. Juli 2019 in Kraft treten. Während die Opposition am stärksten entlastet werden. Besonders kräftig fällt die noch kritisiert, schnüren wir ein Gesamtpaket für Kinder relative Entlastung für Familien mit Kindern mit gerin- und Familien in Deutschland und beginnen heute mit ei- gem Bruttoeinkommen aus, die von der Kindergelder- nem sehr guten Familienentlastungsgesetz. Für das wün- höhung stark profitieren. sche ich mir eine breite Zustimmung. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gesetze aber sollten immer unter dem Aspekt der Gerechtigkeit betrachtet werden. Wir müssen uns nichts Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: vormachen: Wir hatten in den letzten Jahren mit Blick auf das Kindergeld immer auch die Diskussion über die Vielen Dank. – Der nächste Redner ist für die Anrechnung dieser Leistungen auf die Grundsicherung. AfD-Fraktion der Kollege Kay Gottschalk. Das verstehen viele nicht. Es gibt aber zwei Möglichkei- (Beifall bei der AfD) ten, darauf zu reagieren. Die Opposition wird dies und andere Dinge wahrscheinlich kritisieren. Die Grünen gingen bei der ersten Lesung sogar so weit, zu behaup- Kay Gottschalk (AfD): ten, wir würden die Menschen mit diesem Gesetz enttäu- Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Liebe schen, falsche Hoffnungen schüren und so das Vertrauen Bürger auf den Tribünen! Gestatten Sie zunächst eine in die Demokratie beschädigen. Man sollte mit solchen Zwischenbemerkung. Ich muss mich langsam als Orakel Anschuldigungen zunächst einmal sehr vorsichtig umge- von Berlin bezeichnen, sagte ich doch am 11. Oktober in hen. Daneben fordern Sie – in Ihren Worten – eine Anhe- meiner Rede zum Familienentlastungsgesetz: bung des Entlastungsbeitrags für Alleinerziehende. Dazu haben Sie einen Änderungsantrag eingebracht. – Das Wir schlagen etwas Unbürokratisches, Faires und hört sich ja ganz toll an. In Ihrem eigenen Antrag aber Transparentes vor, schreiben Sie: – einen Mechanismus, der tatsächlich die kalte Progressi- (B) (D) on beendet und Ihre Steuergier reduzieren würde, meine Gleichzeitig ist zu beachten, dass diese Form der Damen und Herren von der Regierung – steuerlichen Entlastung derzeit deutlich weniger als die Hälfte aller Alleinerziehenden erreicht ... Bei wie es vielleicht Herr Merz hier vorgetragen hätte; einem Großteil wirkt sich die Entlastung mangels Frau Merkel ist nicht da, entsprechendem Einkommen faktisch nicht aus. – wie heute auch – Sie werfen uns vor, wir würden die Menschen täu- schen, aber Sie bringen einen Antrag ein und sagen: Es sie bekäme jetzt Pickel, aber vielleicht werden ei- kommt nichts an. nige Kollegen der CDU in Melancholie schwelgen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- Wohlgemerkt: am 11. Oktober. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen gar (Michael Theurer [FDP]: Sie sprechen in nichts!) Rätseln!) Wir wissen, dass wir bei Ihrem Antrag über die Frage Drei Wochen später war Herr Merz Ihr Kandidat für von steuerlichen Entlastungen sprechen. Wir wollen aber den Parteivorsitz. Sollte er meine Rede gehört haben und alle erreichen. Die erreichen wir eben nicht mit Ihrem An- sich dadurch aufgefordert gefühlt haben, so möchte ich trag. Weil wir alle Familien entlasten wollen, bringen wir mich in aller Form bei Frau Kramp-Karrenbauer ent- weitere Maßnahmen auf den Weg. Das Gute-Kita-Gesetz schuldigen. bringt eine Qualitätsoffensive und Gebührensenkungen. Das bringt den Alleinerziehenden etwas. Okay. Neudeutsch scheine ich nun Influencer zu sein. Dass ich nun, aber auch unsere Partei, die inhaltlichen (Beifall bei der SPD) Leitlinien und die Arbeit der FDP beeinflusse, muss an dieser Stelle schon Erwähnung finden. Wir gehen an das Ende des Kooperationsverbotes he- ran für mehr Investitionen in Schulen. Und wir werden Das liegt aber wahrscheinlich an der Inhaltsleere Ihres mit dem Familienstärkungsgesetz gerade für Familien Kollegen Lindner. Denn keine drei Wochen nachdem in der Grundsicherung etwas tun: von kostenloser Schü- ich hier den Vorschlag gemacht habe, dass wir mit einer lerbeförderung und kostenlosem Essen in Schulen und sehr simplen Formel sozusagen einen Tarif auf Rädern Kitas bis hin zum Kinderzuschlag, den wir erhöhen und bekommen, indem wir ganz einfach oben im Zähler die entbürokratisieren. Wir beantworten diese Gerechtig- vorvorhergehende tatsächliche Veränderungsrate der keitsfrage, indem wir den Grundsicherungsempfängern Preise nehmen, ins Verhältnis setzen zur Quote des Er- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6907

Kay Gottschalk (A) mittelten und Prognostizierten und das Ganze multipli- Wir kommen also zu dem Ergebnis: Es ist mehr als (C) zieren mit dem Herbstgutachten – – notwendig, die Formel anzuwenden. Das Familienentlas- tungsgesetz, Herr Schrodi, verdient den Namen nicht. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie unbedingt in die „heute-show“ mit (Dr. Wiebke Esdar [SPD]: 10 Milliarden im dem Geschwafel? – Sebastian Brehm [CDU/ Jahr!) CSU]: Die stimmt aber nicht, die Formel!) Sie lassen den Familien nur wenig, und das würden Sie ihnen wahrscheinlich auch noch sehr gerne für Ihre – Hören Sie mir doch zu. – Mit der Veränderungsrate rot-schwarzen träumerischen Projekte der EU nehmen. würden wir einen Tarif auf Rädern haben, etwas, was Sie hier im Hause seit Jahren diskutieren. Das würde Ihrer (Michael Schrodi [SPD]: Sie wollen das Kin- Steuergier tatsächlich erstmals einiges aus den Händen dergeld abschaffen! Sagen Sie das doch mal schlagen. laut!) Aber in meiner Rede zum Haushalt sagte ich einiges Heute ist man mit dem 1,3-Fachen des Durchschnittsver- mehr. Ich schlug eine Indexierung der Pendlerpauschale dienstes Spitzenverdiener. Nehmen Sie das zur Kenntnis. vor. Zu Ihrem jämmerlichen Verhalten gestern in der Cum/ (Michael Theurer [FDP]: Sie sind ein ver- Ex-Debatte: Ich kann wirklich verstehen, dass Normal- kanntes Genie offensichtlich!) verdiener, die sogenannten Normalos, in diesem Land alles nicht mehr als gerecht empfinden. Ich schlug gleichzeitig vor, dass man den Arbeitneh- (Beifall bei der AfD) mer-Pauschbetrag indexiert. Und siehe da gestern im Finanzausschuss: Die lieben Kollegen von der FDP Dennoch: Trotz aller Kritik am vorliegenden Gesetz- brachten einen mit heißer Nadel gestrickten Entschlie- entwurf – wir könnten das Kindergeld kritisieren; ßungsantrag ein, der heute im weiteren Verlauf unter (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Wie kann man dem Tagesordnungspunkt „Vermeidung von Umsatz- Kindergeld kritisieren? Was für ein Blödsinn!) steuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet“ zur Debatte stehen wird. in dem 400-seitigen Bericht, den das BMF angefordert hat, wird es als ineffizient bezeichnet – wird meine Frak- (Michael Theurer [FDP]: Haben Sie denn tion dem Familienentlastungsgesetz zustimmen; denn wenigstens zugestimmt?) immerhin lassen Sie den Menschen das, was die kalte Progression ihnen nehmen würde. (B) Das alles ist nicht schlecht, meine Damen und Herren, (D) für eine Partei, der Sie immer vorwerfen, sie würde sich (Michael Schrodi [SPD]: Mehr, weit mehr!) hier nicht konstruktiv an den Diskussionen beteiligen Wir stehen für die Menschen, die da draußen die Werte und nur kritisieren. Nun nehmen die Parteien der Regie- schaffen und arbeiten. Wir sind die neue Partei des klei- rungskoalition und der übrigen Oppositionsfraktionen nen Mannes, Herr Schrodi, Sie schon lange nicht mehr, unsere Vorschläge dankbar auf, und das haben Sie gestern auch gezeigt. (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Wir haben nichts (Beifall bei der AfD – Michael Schrodi aufgenommen! – Steffi Lemke [BÜND- [SPD]: Geistig klein! Ein Kleingeist!) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Da haben Sie was falsch verstanden! Wahrlich nicht!) An dieser Stelle bitte ich zumindest die Kollegen der CDU/CSU und auch der FDP: Machen Sie sich ehrlich. aber sie kritisieren uns trotzdem dafür. Das nenne ich Po- Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu. Sie haben litikpopulismus. quasi den gleichen Gesetzentwurf eingebracht und nur das Datum geändert, nämlich auf 2019. (Beifall bei der AfD – Steffi Lemke [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Gnadenlose Selbst- (Michael Theurer [FDP]: Wir haben es besser überschätzung!) formuliert!) Beim Solizuschlag hätten Sie uns auch folgen können. Lassen Sie mich noch eines anführen. Hätten wir die Sie wollen bis zum Ablauf des Solidarpaktes warten. Fol- Formel bereits in den 60er-Jahren eingeführt – damals gen Sie uns auch da und nehmen die Änderungen zum lag der Spitzensteuersatz bei dem 15,1-Fachen –, dann 1. Januar 2019 vor, ehe es die Regierung macht, die die wären wir heute nicht in der Situation, dass mittlerweile Entscheidung darüber im Finanzausschuss permanent circa 3,7 Millionen Menschen in Deutschland den Spit- aussetzt. zensteuersatz zahlen. Das sind wohlgemerkt 2,5 Millio- nen mehr als 2002. (Michael Theurer [FDP]: Das geistige Eigen- tum liegt bei uns, Herr Kollege!) (Michael Schrodi [SPD]: Sie verwechseln Progression und kalte Progression, weil Sie Es bleibt das Fazit: Folgen Sie dem Antrag der AfD. keine Ahnung haben, was Sie da reden!) Packen Sie die Reform endlich an, und legen Sie Ihre ideologische Brille ab; denn dieses Land hat Reformen Prognosen zufolge werden es 2020 mehr als 5 Millionen bitter nötig. Der Stillstand der Merkel-Ära muss auf je- Menschen sein. den Fall beendet werden. Heute haben Sie die Chance 6908 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Kay Gottschalk (A) dazu. Folgen Sie bitte unserem Vorschlag, und stimmen Drittens stellen wir Gerechtigkeit her, indem wir dafür (C) sie unserem Änderungsantrag zu. sorgen, dass in den nächsten beiden Jahren die kalte Pro- gression gar nicht erst entsteht. Diese ist nämlich unfair, Danke schön. und deshalb bekämpfen wir sie schon seit Jahren. Es gibt (Beifall bei der AfD) seit 2014 einen Beschluss – Olav Gutting, ein Kollege aus der CDU/CSU-Fraktion, hat sich dafür eingesetzt –, dass wir die Inflation für die nächsten beiden Jahre be- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: rechnen lassen und dann die Eckwerte, nicht nur den Der Kollege Johannes Steiniger ist der nächste Redner Grundfreibetrag, entsprechend so verschieben, dass die für die CDU/CSU-Fraktion. kalte Progression ausgeglichen wird, und das ist gut so. (Beifall bei der CDU/CSU) Seit dem ersten Referentenentwurf hat die Opposition versucht, den Gesetzentwurf zu zerreden und die Entlas- Johannes Steiniger (CDU/CSU): tungen kleinzumachen. Da wurde zum Beispiel gesagt: Ihr macht nur das, was ihr verfassungsrechtlich müsst. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Das ist schlichtweg falsch. Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für die Kinder, für die Eltern und (Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Ja!) für die Familien in Deutschland, heute ist ein guter Tag für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutsch- Oder es wurde gesagt: Das sind doch nur „Brotkrumen“ – land, und heute ist auch ein guter Tag für die Koalition Zitat eines Kollegen der FDP aus der ersten Lesung –, die aus CDU, CSU und SPD; denn wir beschließen heute ei- ihr verteilt; eine Aussage, die angesichts von 10 Milliar- nes der zentralen Entlastungsprojekte dieser Legislatur. den Euro schlicht von Unkenntnis zeugt. (Michael Theurer [FDP]: Das wäre aber der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und erste Tag in dieser Legislaturperiode!) der SPD) Wir sind verlässlich und halten das, was wir versprochen Liebe Opposition, gerne zeige ich Ihnen, warum das haben, alles falsch ist; das ist sozusagen Servicekoalition für Sie. Fakt ist: Wir entlasten weit über den Betrag hinaus, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) der uns durch die Verfassung vorgeschrieben wird. Beim Kinderfreibetrag gehen wir deutlich über das hinaus, was nämlich eine Entlastung in Höhe von rund 10 Milliarden die Bundesregierung in ihrem Existenzminimumbericht Euro pro Jahr und von knapp 35 Milliarden Euro bis ins berechnet hat. Es wurde darauf hingewiesen: Statt der (B) Jahr 2022. Das ist ein kräftiger Schluck aus der Pulle, (D) vorgeschriebenen Erhöhung um 108 Euro, erhöhen wir und das werden viele Bürgerinnen und Bürger spüren, um 192 Euro. Das sind 80 Prozent mehr als vorgeschrie- wenn sie am Ende des Jahres mehr Geld in der Tasche ben. haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) ordneten der SPD – Markus Herbrand [FDP]: Na ja!) Beim Kindergeld haben wir vor Jahren entschieden, Wir erhöhen erstens das Kindergeld und den Kinder- dass, obwohl das Verfassungsgericht nichts sagt, das freibetrag. Dieses Geld landet sofort in den Taschen der Kindergeld entsprechend angehoben wird. Auch hier ma- Familien. chen wir sehr viel mehr, indem wir das Kindergeld um 10 Euro erhöhen werden. Man muss den Familien in Deutschland sagen, dass die AfD das Kindergeld gar nicht haben will. Herr Gott- Zum Mitschreiben: Von den 10 Milliarden Euro, die schalk hat in der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass im Gesetzentwurf vorgesehen sind, hat die Koalition man das Kindergeld vielleicht gar nicht braucht. In Ihrem rund 6 Milliarden Euro, also 60 Prozent, zusätzlich oben- Wahlprogramm kommt der Begriff „Kindergeld“ übri- drauf gesetzt. Das ist eine gute politische Leistung. Sie gens nicht vor. kann sich sehen lassen. Deswegen stimmen wir heute dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu. (Jörn König [AfD]: Weil wir die Familien noch mehr entlasten wollen!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- wie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] Auch eben haben wir wieder gehört, man müsste den [SPD]) Begriff eigentlich kritisieren. Das müssen die Menschen in Deutschland wissen. Wir machen genau das Gegen- Aber es geht nicht nur um nackte Zahlen. Die Experten teil: Wir erhöhen das Kindergeld für die Menschen in in der Anhörung am Montag haben bestätigt: Es bleibt Deutschland. konkret etwas im Geldbeutel der Menschen in Deutsch- land hängen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Nun hört sich das alles – 10 Milliarden, 35 Milliar- Wir erhöhen zweitens den Grundfreibetrag. Dieses den, Anhebung des Kindergeldes und anderes – relativ Geld geben wir an alle Steuerzahlerinnen und Steuerzah- abstrakt an. Was bedeutet das eigentlich für die einzelne ler zurück. Familie? Ich möchte das an zwei Beispielen aufzeigen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6909

Johannes Steiniger (A) Nehmen wir ein Elternpaar mit zwei Kindern. Herr Gottschalk hat ja schon Redezeit gehabt – würde ich (C) Beide Eltern sind berufstätig und verdienen im Jahr jetzt keine Zwischenfrage zulassen. 40 000 Euro. (Karlheinz Busen [FDP]: Zusammen?) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Jawohl, verstanden. – Jeweils, das habe ich gerade gesagt. – Durch das, was wir heute beschließen, spart diese Familie im Jahr 2020 – halten Sie sich fest – über 600 Euro. Wir verringern deren Johannes Steiniger (CDU/CSU): Steuerlast um knapp 8 Prozent. Das ist eine richtig gute Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn Leistung, die wir und die Regierung bringen. die Inhalte des Gesetzentwurfs sehr viel Gutes bringen, so ist doch eines nicht gut gelaufen: Das Gesetzgebungs- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang verfahren fing viel zu spät an und musste dann im Par- Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- lament sehr schnell durchgezogen werden, um die not- NEN]: Und die Leute, die die Hälfte verdie- wendigen Fristen einzuhalten. Bereits im Juni habe ich nen?) den Finanzminister auf diese Problematik hingewiesen. Nun kann man natürlich einwenden, dass das ein Extrem- Ich bin zwar froh, dass wir den Abschluss in dieser Wo- fall ist, dass das Menschen sind, die viel Steuern bezah- che hinkriegen; aber wir sollten schon überlegen, ob wir len und entsprechend viel davon profitieren. beim nächsten Mal die Berichte nicht schon sehr viel früher bekommen können, damit Anhörung, Berichter- Nehmen wir ein zweites Beispiel. Wieder eine Familie stattergespräch, Abschluss im Ausschuss und die dritte mit zwei Kindern. In diesem Fall verdient ein Elternteil Lesung im Plenum nicht innerhalb von vier Tagen pas- 40 000 Euro, und das andere Elternteil kümmert sich sieren müssen. Das ist meine Anregung und auch meine Vollzeit um die Kinder. Für diese Familie bedeuten die Forderung an die Regierung. Maßnahmen, die wir heute beschließen, im Jahr 2020 eine Entlastung um über 450 Euro, die insbesondere bei Zum Abschluss. Ich habe deutlich gemacht: Wir set- dieser Familie sehr gut ankommt. zen hier mit dem Familienentlastungsgesetz wirklich was auf die Schiene. Wir machen wirklich was für die Eltern, Wir wollen in die Familien in Deutschland investie- für die Kinder und für die Familien in Deutschland, wir ren, und wir reduzieren deren Steuerlast durch das, was machen was für die Steuerzahler. Deswegen stimmen wir wir heute beschließen. Beide Beispiele zeigen im Üb- heute gerne zu und werben auch um Ihre Zustimmung. rigen: Das sind keine Brotkrumen, sondern das ist eine richtige Entlastung, die die Familien in Deutschland spü- Herzlichen Dank. (B) ren werden. (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Ingrid Arndt-Brauer [SPD]) der SPD) Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb be- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: schließen wir heute keine Kleinigkeit. Das zeigen nicht Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege nur diese beiden Beispiele – das haben wir auch in der Markus Herbrand. Anhörung am Montag von den Sachverständigen gehört. Wir machen das nicht, weil die Verfassung uns das vor- (Beifall bei der FDP) schreibt; denn wir tun mehr als das. Wir machen das, weil die Entlastung der Steuerzahler und der Familien Markus Herbrand (FDP): in diesem Land wichtig ist – wichtig deshalb, weil die Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- Bürgerinnen und Bürger in diesem Land von der guten ren! Die Koalition feiert heute das sogenannte Familie- Konjunktur und von den gefüllten Staatskassen profitie- nentlastungsgesetz, aber sie feiert alleine. Die Familien ren sollen, wichtig deshalb, weil Mütter und Väter, die feiern leider nicht mit, weil es einfach zu wenig ist. ohnehin schon die schwerste Aufgabe überhaupt haben, bei dieser auch unterstützt werden müssen. (Beifall bei der FDP) (Abg. Kay Gottschalk [AfD] meldet sich zu Denn bei dem Gesetz handelt es sich im besten Falle um einer Zwischenfrage) ein Familienminimalentlastungsgesetz. Es werden fast nur die Mindestanforderungen umgesetzt, Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Bei Ihnen ist das Glas immer halb leer! – Dr. Wiebke Esdar [SPD]: 80 Prozent mehr beim Kinderfreibetrag!) Johannes Steiniger (CDU/CSU): Ich bin nachher, beim vorletzten Tagesordnungspunkt die aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten sind oder um 2.30 Uhr, noch mal mit einer Rede dran. Im Interesse sich aus der Selbstverpflichtung des Bundestages erge- aller – ben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Michael Schrodi [SPD]: Wir haben es doch der SPD) gerade vorgerechnet! Lesen bildet!) 6910 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Markus Herbrand (A) Wir sprechen über die Steuerfreistellung des Existenzmi- wiederholen Sie das, was wir schon gestern (C) nimums und die kalte Progression. widerlegt haben?) Meine Damen und Herren, für Familien ist es ganz Diejenigen, die den regelmäßigen Ausgleich der Wir- wenig, für einige andere ist es nichts. Die Mehrheit der kung der kalten Progression verhindern wollen, wollen alleinerziehenden Mütter oder Väter, die auf Sozialhilfe damit eigentlich nur eines erreichen: Sie wollen die ent- angewiesen sind, hat nichts von alledem. Sie bekommen sprechenden Mehreinnahmen für neue Ausgabenorgien die Erhöhung des Kindergeldes am nächsten Tag auf die bereitstellen: Rentenpaket etc. Leistungen des Staates angerechnet. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) (Michael Schrodi [SPD]: Dazu habe ich auch was gesagt! Sie scheinen es nicht verstehen zu Sie wollen halt Jahr für Jahr darüber entscheiden, ob Sie wollen oder zu können! – Dr. Wiebke Esdar den Menschen das Geld zurückgeben. Wir finden, es gibt [SPD]: Familienstärkungsgesetz!) gute Gründe dafür, den Tarif auf Rädern einzuführen. Es fehlt ein Gesamtkonzept zur Entlastung aller. (Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Lothar (Beifall bei der FDP) Binding [Heidelberg] [SPD]) Deshalb haben wir da zwei Anträge gestellt. Herr Kol- Dann müssten wir das nicht mehr jährlich entscheiden, lege Gottschalk, den Tarif auf Rädern haben wir schon auch Sie nicht, Herr Binding, sondern nur einmal. gefordert, da waren Sie vermutlich noch in der SPD – so lange ist das schon her. (Michael Schrodi [SPD]: Geben wir jetzt zu wenig oder zu viel? Sie müssen sich jetzt mal (Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP) entscheiden!) Deshalb müssen wir uns da nicht rechtfertigen. Der zweite Antrag betrifft die Kindergelderhöh- (Kay Gottschalk [AfD]: Umgesetzt habt ihr ung. Sie sagen immer: Wir erhöhen das Kindergeld um das nicht! Schade eigentlich!) 10 Euro. – Davon kann zumindest für 2019 überhaupt Wir haben den Tarif auf Rädern beantragt – eine ganz alte keine Rede sein; Forderung von uns. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Lisa Wir wollen so erreichen, dass dem Steuerzahler automa- Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) tisch zurückgegeben wird, was ihm durch das Zusam- menspiel aus Preissteigerung und progressivem Steuerta- denn das Kindergeld wollen Sie ja erst ab dem 1. Juli er- (B) rif genommen wird, ohne dass er sich dagegen wehren höhen. (D) kann – er ist dem hilflos ausgeliefert. (Abg. Kay Gottschalk [AfD] meldet sich zu Von der SPD hörte ich dazu mehrfach, dass die kalte einer Zwischenfrage) Progression ein Phantom sei. (Michael Schrodi [SPD]: Das stimmt doch Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: überhaupt nicht! Das ist unwahr!) Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Ich habe mal nachgesehen, was ein Phantom ist: eine „unwirkliche Erscheinung“, steht im Internet. Nein, die Markus Herbrand (FDP): kalte Progression ist natürlich kein Phantom, sie ist real. Dazu mal ein paar Zahlen: Allein hierdurch generierte Nein, im Augenblick nicht. – Den Kinderfreibetrag, der Staat in den Jahren 2011 bis 2015 Mehreinnahmen von dem nur die Besserverdienenden profitieren, erhö- in Höhe von 28,2 Milliarden Euro, die bis heute nicht hen Sie ab dem 1. Januar. Daraus folgen – ich gebe zu: ausgeglichen sind, wirklich in Einzelfällen – Ungerechtigkeiten, die in der öffentlichen Anhörung explizit angesprochen worden (Beifall bei der FDP) sind. trotz permanent steigender, sprudelnder Steuereinnah- (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sagt men. Man könnte auch von leistungsloser Bereicherung die Partei der Besserverdiener!) durch den Staat sprechen. (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Jawohl!) Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt. Sie sind weder selber aktiv geworden, noch haben Sie unserem Antrag Wer diese Wirkung in Zweifel zieht – und das tun Sie dazu zugestimmt. Warum machen Sie das nicht, wenn eigentlich immer –, der verkennt die Realität. Deshalb Sie behaupten, Familien helfen zu wollen? spreche ich in diesem Zusammenhang gerne von Reali- tätsverweigerung. Ganz klar: Aus unserer Sicht greift das Gesetz zu kurz. Dennoch werden wir ihm zustimmen. Weniger ist ein- (Beifall bei der FDP – Lothar Binding [Hei- fach besser als nichts. delberg] [SPD]: Stimmt ja gar nicht! Wir zie- hen das nicht in Zweifel! – Michael Schrodi Danke schön. [SPD]: Das ist nicht richtig! Das haben wir gestern schon im Ausschuss gesagt! Wieso (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6911

(A) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: gibt – bündeln und ersetzen. Dazu, wie das bezahlt wer- (C) Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege den kann, haben wir als Linke – zumindest hinsichtlich Jörg Cezanne. der Einkommen- und der Vermögensteuer – grundlegende Vorschläge gemacht. Grundgedanke dieser Vorschläge: (Beifall bei der LINKEN) Bezieher niedriger und vor allem mittlerer Einkommen werden entlastet, Besserverdienende und Reiche zahlen Jörg Cezanne (DIE LINKE): mehr. Nach unserem Vorschlag würden Alleinstehende Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem ohne Kinder mit einem Monatseinkommen von bis zu vorliegenden Gesetz wird das Kindergeld angehoben: 7 000 Euro brutto von einer Steuerentlastung profitieren. im nächsten Jahr um insgesamt 60 Euro und 2020 um (Beifall bei der LINKEN) insgesamt 120 Euro im Vergleich zu heute. Gleichzeitig steigt der Kinderfreibetrag in der Einkommensteuer, und Sie machen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das die Eckwerte werden angepasst, Gegenteil – der dritte Haken am Gesetz –: Sie ändern nicht die Steuersätze, sie ändern nicht die Verteilung der (Sepp Müller [CDU/CSU]: Das ist gut so!) Steuerbelastung; Sie verschieben nur die Grenzwerte, ab was zu einer kleinen Steuererleichterung führen wird. denen ein höherer Steuersatz gezahlt werden muss. Das ist so weit erst mal okay, wenn es um die kalte Progressi- Der größte Haken – das kann ich Ihnen nicht erspa- on geht, führt aber – genauso wie der Kinderfreibetrag – ren –: Eine Entlastung der ärmsten Familien in unserer zu einer ungerechten Bevorzugung Bezieher hoher Ein- Gesellschaft wird damit nicht gelingen. kommen. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sauerei!) Die Zahlen: Wer 2019 30 000 Euro zu versteuern hat, Wir hatten es schon häufig gesagt: Bezieher von Hartz IV wird im Vergleich zu 2018 um 77 Euro jährlich entlastet. haben von einem höheren Kindergeld gar nichts, weil Wer auf 250 000 Euro Steuern zahlen muss, erzielt einen ihnen das Kindergeld sofort angerechnet wird. Sie zah- Steuernachlass in Höhe von 320 Euro. Das ist falsch, und len auch keine Steuern. Deshalb haben sie auch von der das lehnen wir ab. Steuerentlastung nichts. (Beifall bei der LINKEN) (Johannes Steiniger [CDU/CSU]: Es ist aber Einen schrägen und aus unserer Sicht falschen Steuertarif eine steuerliche Maßnahme!) auf Räder zu stellen, ändert daran leider nichts, und des- Damit wird das stetig zunehmende Problem der Kinder- halb werden wir dem auch nicht zustimmen. armut überhaupt nicht angegangen – ein schwerwiegen- (B) Der vorliegende Gesetzentwurf bringt einige Verände- (D) der Fehler. rungen. Seinen pompösen Namen „Familienentlastungs- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- gesetz“ hat er nicht verdient. Er geht an verschiedenen NIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stellen in die falsche Richtung. Bei aller Kritik enthält Markus Herbrand [FDP] – Michael Schrodi er mit der Kindergelderhöhung aber eine wichtige Ent- [SPD]: Dafür haben wir die anderen Maßnah- lastung für Familien. Deshalb werden wir uns bei diesem men! Die müssen Sie mitberücksichtigen! Das Gesetzentwurf enthalten. habe ich Ihnen gesagt, Herr Cezanne!) Danke schön. – Das wollen Sie doch auch mit Ihrem Familienstär- (Beifall bei der LINKEN) kungsgesetz gar nicht wirklich ändern.

(Michael Schrodi [SPD]: Doch, doch!) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Zweiter Haken: Ein Spitzenverdiener hat durch die Nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen: die Steuerentlastung aufgrund des höheren Kinderfreibetrags Kollegin Lisa Paus. jährlich 182 Euro mehr im Portemonnaie, das Kindergeld (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) steigt aber nur um 120 Euro. Diese ungerechte Vertei- lungswirkung steuerlicher Freibeträge ist ein generelles Problem. Es ließe sich allerdings leicht überwinden: Das Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kindergeld müsste so hoch angesetzt sein, dass es der Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 3 Millio- Steuerersparnis von Spitzenverdienern entspricht. Das nen Kinder leben in Deutschland in Armut. Sie von der bedeutet: 328 Euro Kindergeld im Monat für alle – auch Koalition beschließen heute Ihr sogenanntes Familie- für Hartz-IV-Bezieher, Alleinerziehende –, und zwar nentlastungsgesetz mit einem Volumen von 10 Milliar- jetzt und sofort. Genau das ist unser Vorschlag. den Euro, (Beifall bei der LINKEN) (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Wir entlasten ja auch!) Um das Problem grundsätzlich zu lösen, wäre aller- dings ein Systemwechsel hin zu einer Kindergrundsi- und ich frage Sie: Was meinen Sie, was die Eltern die- cherung der beste Weg. Sie würde unabhängig von der ser Kinder empfinden – darunter sind übrigens sehr viele Steuer gezahlt und könnte die verschiedenen Fördermit- Familien, die arm trotz Arbeit sind –, wenn sie morgen tel – Kindergeld, Kinderzuschlag, Alleinerziehendenzu- oder schon heute Abend in der Tagesschau hören, dass schlag, Kinderfreibetrag und all das, was es sonst noch 10 Milliarden Euro mehr für Familien zur Verfügung ge- 6912 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Lisa Paus (A) stellt werden, und sie, wenn sie sich erkundigen, was das dem es eben heißt: 10 Milliarden Euro für alle anderen, (C) für sie konkret bedeutet, erfahren, dass sie nicht einen 0 Cent gegen Kinderarmut. einzigen Euro von diesen 10 Milliarden Euro bekommen Ein Familienentlastungsgesetz, das den Namen ver- werden? Was meinen Sie, was diese Menschen denken? dient, hätte alle Kinder in allen Familien entlastet. Es Wir sagen: Alle Kinder von allen Familien gehören in hätte endlich die automatisierte und verbesserte Auszah- den Mittelpunkt. Wir können nicht einfach 3 Millionen lung des Kinderzuschlages eingeführt und damit gezielt Kinder hinten runterfallen lassen. Familien zusätzlich unterstützt, die arm trotz Arbeit sind, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und es hätte auch Kinder aus Hartz-IV-Familien bei die- sowie bei Abgeordneten der LINKEN – sem Entlastungspaket berücksichtigt. Das wäre „Priorität Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist doch gegen Kinderarmut“ gewesen. Quatsch! Sie denken falsch! – Michael Schrodi (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN [SPD]: Machen wir auch nicht!) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Übrigens: Für diese 3 Millionen Kinder ist es auch Es hätte damit die Weichen für eine Kindergrundsiche- überhaupt kein Trost, dass das Gesetz Familienentlas- rung für alle Kinder gestellt, unabhängig vom Status ih- tungsgesetz heißt, weil von diesen 10 Milliarden Euro, rer Eltern; denn jedes Kind sollte uns wirklich gleich viel die Sie immer wieder vor sich hertragen, bestenfalls die wert sein. Hälfte tatsächlich bei den Familien ankommt. Konkret: Für Kinder sind nur 20 Prozent von dieser Gesamtsumme (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgesehen – und davon eben kein einziger Euro für Kin- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) der, deren Eltern auf Sozialleistungen angewiesen sind. Wir schlagen mit einem Änderungsantrag außerdem Sie sagen immer, Sie würden viel mehr machen, als vor, den steuerfreien Grundfreibetrag stärker anzuhe- Sie verfassungsrechtlich tun müssten. 5,8 Milliarden ben, als Sie das heute tun wollen. Anders als bei Ihrer Euro mehr: Ja, das stimmt, aber davon kommt eben nur Regelung zur kalten Progression würden von unserem sehr wenig den Familien zugute. Nur ganze 5 Prozent des Vorschlag alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler glei- zusätzlichen Geldes kommen den Kindern zugute, und chermaßen profitieren. Gerade die zum Mindestlohn be- das ist nach wie vor, liebe Koalition, lächerlich. schäftigte Verkäuferin würde durch unseren Vorschlag doppelt so stark entlastet werden wie bei Ihnen. Sie hätte (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – statt 100 Euro 200 Euro mehr Netto vom Brutto. Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was ist das für eine Logik? – Michael Schrodi (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (B) [SPD]: Arbeitnehmer haben auch Kinder! Auch diesen Antrag können Sie jetzt noch annehmen; (D) Wenn wir Arbeitnehmer entlasten, entlasten ich fordere Sie dazu auf. Bisher haben Sie ihn abgelehnt. wir auch die Familien!) Mit diesem Gesetzentwurf haben Sie wieder einmal die – Herr Schrodi, Sie wissen, ich habe die Bundesregie- Chance für mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland rung gefragt: Können Sie mir sagen, wie viel davon an verpasst. die Familien geht? Die Bundesregierung hat die Antwort (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) verweigert, und Sie und ich wissen, es gibt einen guten Grund dafür. Es ist nämlich maximal die Hälfte des Ge- samtvolumens. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Vielen Dank. – Die nächste Rednerin: Dr. Wiebke (Michael Schrodi [SPD]: Wie kommen Sie auf ­Esdar, SPD-Fraktion. 5 Prozent? Sagen Sie das mal! Wie kommen Sie auf 5 Prozent? Das ist unseriös!) (Beifall bei der SPD) Im Übrigen: Alleinerziehenden gönnen Sie mit diesem Dr. Wiebke Esdar (SPD): Gesetzentwurf nicht einmal den Inflationsausgleich, und das kann ich nur noch schäbig nennen. Wir haben einen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kol- entsprechenden Änderungsantrag eingebracht, und Sie leginnen und Kollegen! Familien zu stärken und Famili- haben ihn abgelehnt. en zu entlasten: Das war unsere Zusage an die Menschen in diesem Land, und diese werden wir mit diesem Fami- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lienentlastungsgesetz jetzt auch einlösen. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Der Kinderschutzbund hat dann auch gemeinsam mit Wir werden erstens das Kindergeld und den Kinder- 14 Verbänden und 13 Wissenschaftlern kritisiert, dass bei freibetrag erhöhen, wir werden zweitens den Grundfrei- diesem Gesetzentwurf die Chance – ich zitiere – „nicht betrag der Einkommensteuer erhöhen, und wir werden für eine grundsätzliche und nachhaltige Neuausrichtung drittens die kalte Progression durch die Eckwertever- bei der Förderung ... von Familien genutzt wurde“ – und schiebung ausgleichen. Mit satten 10 Milliarden Euro das, obwohl das der Titel Ihres Gesetzentwurfs eigentlich werden wir die Menschen jährlich entlasten. verspricht. Der Kinderschutzbund sieht einen eklatanten Widerspruch zwischen Ihrem Versprechen, die Kinderar- An dieser Stelle will ich erst einmal schauen, was das mut prioritär bekämpfen zu wollen, was ja im Koalitions- in konkreten Zahlen heißt, und ich will diese Frage mit vertrag steht, und diesem konkreten Gesetzentwurf, in den Berechnungen beantworten, die Professor Truger für Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6913

Dr. Wiebke Esdar (A) seine Stellungnahme zu unserer öffentlichen Anhörung Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, das (C) angefertigt hat. sind dann die Entlastungen, von denen auch diejenigen profitieren, die nicht von Steuerentlastungen profitieren, Betrachten wir das Median-Bruttoeinkommen in weil sie keine Einkommensteuer zahlen. Wir sind jetzt in Höhe von 45 000 Euro im Jahr: Alleinstehende mit die- der Steuergesetzgebung, aber wir haben auch die Kinder sem Einkommen entlasten wir zukünftig jeden Monat in Armut, um die es uns ja auch geht, im Blick. Diese um 17 Euro. Ein Ehepaar mit dem gleichen Einkommen werden wir aber eben mit dem Familienstärkungsgesetz, kommt auf eine Entlastung von 20 Euro pro Monat, und das wir zum 1. Juli 2019 einführen wollen, entlasten. eine Familie mit zwei Kindern und diesem Einkommen entlasten wir um 39 Euro im Monat. Das wird am Ende (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: spürbar bei den Menschen ankommen. Davon bin ich Bis dahin ist noch ein halbes Jahr Zeit!) überzeugt. – Ja, aber hier sind wir mit dem Arbeitsministerium (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und dem Familienministerium dran, und ich halte es, ehr- der CDU/CSU) lich gesagt, schon für eine Frage von Seriosität. Sie stel- len sich hierhin und sagen, wir würden nichts machen, Wir haben die gesetzlichen Änderungen so angelegt, während Ihnen bekannt ist, dass wir mit einem anderen dass Bezieher niedriger Einkommen prozentual zu ihrem Gesetzgebungsverfahren an dieser Stelle etwas tun. Bruttoeinkommen am stärksten durch den Gesetzent- wurf entlastet werden. Das bedeutet, dass sich die Ent- (Beifall bei der SPD) lastungen im Bereich „Geringere Bruttoeinkommen“ – Meine Damen und Herren, durch dieses Maßnahmen- insbesondere bei Familien mit Kindern – am stärksten paket sorgen wir dafür, dass Familien und Alleinerzie- auswirken, sodass diejenigen, die das Geld auch wirklich hende entlastet werden. benötigen, monatlich am meisten davon profitieren. Das ist unser Ziel, und das erreichen wir. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Dieses Familienentlastungsgesetz – das sage ich jetzt auch noch einmal ganz deutlich an meine Vorrednerin, Dr. Wiebke Esdar (SPD): Frau Paus von den Grünen, gerichtet – ist ein wesentli- Ja. – Das ist finanzpolitisch seriös und am Ende auch cher Baustein unserer Strategie zur Stärkung von Fami- sozial gerecht. lien. Wir werden darüber hinaus aber weitere spürbare finanzielle Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger Danke schön. (B) (D) umsetzen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der der CDU/CSU) Krankenversicherung haben wir bereits beschlossen. Wir werden die Gleitzone bei den Midijobs verlängern Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: und die Absenkung des Beitrags zur Arbeitslosenversi- Liebe Kolleginnen und Kollegen, der letzte Red- cherung anpacken. Wir wollen den Solidaritätszuschlag ner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege zwar nicht für die oberen Zehntausend, aber für 90 Pro- Dr. Michelbach. – Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihm zent der Zahlenden 2021 abschaffen. zuhören würden. Er hat es als letzter Redner vor der na- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der mentlichen Abstimmung ohnehin schwer. CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Im Rahmen des Gute-Kita-Gesetzes investiert der Bund 5,5 Milliarden Euro, um die Qualität der Kitas zu erhö- Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): hen und Gebührenfreiheit für Kinder aus einkommens- Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Fast ge- schwachen Familien zu erreichen. betsmühlenartig höre ich von der Opposition, diese Ko- alition tue ihre Arbeit nicht. Meine Damen und Herren, Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: das ist grundlegend falsch. Diese Koalition muss auch Lassen Sie eine Zwischenfrage zu? nicht zur Sacharbeit zurückkehren. Heute beweisen wir: Diese Koalition leistet intensive Sacharbeit.

Dr. Wiebke Esdar (SPD): (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Nein, an dieser Stelle nicht. Wir haben schon gesagt, Ja, wir haben viel Zeit für die Regierungsbildung be- dass wir nicht bis nachts um 3 Uhr hier sitzen wollen. nötigt. Das hatte die Aufnahme der Gesetzgebungsarbeit etwas verzögert. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Etwas?) Schließlich werden wir – und darum geht es an der Stel- le – den Kinderzuschlag und die Mittel für das Schul- Aber seit dem Sommer geht es mit hoher Intensität vo- starterpaket erhöhen. Daneben werden wir das Bildungs- ran. Der heute vorliegende Entwurf eines Familienentlas- und Teilhabepaket endlich entbürokratisieren. tungsgesetzes ist ein Beleg dafür. Auf der Tagesordnung 6914 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Dr. h. c. Hans Michelbach (A) dieser Sitzungswoche finden Sie noch mehr Belege für Tag zur Arbeit gehen und von ihrer Arbeit leben müssen, (C) meine Aussage. Wir haben versprochen, und wir liefern meine Damen und Herren. für die Bürger – insbesondere zur Entlastung ihrer Leis- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- tungen, meine Damen und Herren. ordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Menschen wissen selbst am besten, was sie mit Die Koalition kann stolz auf diese Steuerentlastung sein. ihrem Geld machen wollen. Das sage ich auch mit Blick Das lassen wir uns auch nicht von der Opposition kaputt- auf den Solidaritätszuschlag, dessen ganzheitliche Ab- reden. Tatsachen sind Tatsachen. schaffung ich aus verfassungsrechtlichen Gründen für unabdingbar halte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten neten der SPD – Zuruf der Abg. Steffi Lemke der AfD) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich sage das auch mit Blick auf die Anhörung im Finanz- Wir setzen eben nicht nur um, was verfassungsrecht- ausschuss. Nicht wenige Experten haben dort gefordert, lich ohnehin geboten ist, wie die Opposition zu Unrecht der Gesetzgeber solle sich grundlegend mit dem Tarif- behauptet. Meine Damen und Herren, die Entlastung be- verlauf auseinandersetzen. Die höchste Progressionsstu- trägt in ihrer Gesamtwirkung 9,8 Milliarden Euro jähr- fe dürfe nicht schon beim 1,5-Fachen eines Facharbeiter- lich. gehaltes greifen, so deren Votum bei der Anhörung. Wir (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: sollten diese Mahnung ernst nehmen. Zur Erinnerung: In Großartig!) den Anfangsjahren der Bundesrepublik griff der Spitzen- steuersatz erst beim 15-Fachen des Facharbeiterlohns. Davon entfallen 4,1 Milliarden Euro auf verfassungs- rechtliche Vorgaben. Die restlichen 5,7 Milliarden Euro, (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Kay also deutlich mehr als die Hälfte, sind die Entlastung, die Gottschalk [AfD]: Danke!) nicht verfassungsrechtlich geboten ist. In vier Jahren ent- Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns daranma- lasten wir die Bürger in Höhe von 35 Milliarden Euro, chen müssen, den Mittelstandsbauch im Einkommen- meine Damen und Herren. steuertarif kontinuierlich abzuflachen. Dazu gehört na- türlich auch Freiraum in den Haushalten. Deswegen kann (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ich solche Schnellschüsse, die hier stattfinden – Anträge ordneten der SPD) ohne Haushaltstitel –, einfach nicht akzeptieren. Das hier sind Showanträge von der FDP. Ohne Haushaltstitel For- (B) Das ist die Wahrheit. Warum erkennen Sie das einfach (D) nicht an? derungen zu stellen, ist unseriös, unsolide, meine Damen und Herren. Das ist die Situation. Es ist ja eigentlich konfus und auch sehr interessant, dass die Grünen von den Steuerzahlern immer mehr for- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und dern, um eine weitere Umverteilung an diejenigen vor- der SPD – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmer- zunehmen, die überhaupt keine Steuern zahlen. Steuer- mann [FDP]: Dafür sind Sie aber sehr enga- entlastung kann nur dort stattfinden, wo Steuern gezahlt giert!) werden! Das ist doch ganz selbstverständlich. Sie, meine Damen und Herren von der FDP, missbrau- chen die Forderung nach der Soliabschaffung inzwischen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- als eine Art politischen Running Gag. ordneten der SPD) (Markus Herbrand [FDP]: Handlungsbedarf!) Das muss doch auch Oppositionslogik sein, meine Da- men und Herren. Wenn Sie diesen politischen Running Gag jede Wo- che bringen, dann ist das zur Erreichung des Ziels eher Wir müssen die Spielräume auf der Einnahmenseite schädlich. Letzten Endes wollen wir diesen Weg gemein- nutzen, um die Menschen stärker am Wohlstand zu betei- sam mit unserem Koalitionspartner gehen. Deswegen ligen. Die Steuerzahler werden es im Geldbeutel merken. werden wir auch hierzu einen klaren Antrag auf den Weg Diese Entlastung ist wichtig und richtig. Sie ist ein Bei- bringen, meine Damen und Herren. Dafür brauchen wir trag zur Steuergerechtigkeit und zur Leistungsgerechtig- die FDP nicht. keit; denn Steuergerechtigkeit heißt auch, dass der Fiskus nicht der Hauptprofiteur von Einkommensverbesserun- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) gen sein darf. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Deshalb bekämpfen wir auch die kalte Progression. Lassen Sie eine Zwischenfrage zu? 32,1 Millionen Steuerzahler werden 2019 für die kalte Progression von 2018 entlastet. Das ist letzten Endes der Weg in die Entlastung der Bürger. Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Nein, wir wollen ja irgendwann aufhören. (Beifall bei der CDU/CSU) (Zurufe von der FDP: Oh! – Dr. Marie-Agnes Leistung – dazu stehen wir – muss sich lohnen, gerade Strack-Zimmermann [FDP]: Sie glauben doch und vor allem bei den Durchschnittsbürgern, die jeden selber nicht, was Sie erzählen!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6915

(A) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehe- (C) Jawohl. nen Plätze einzunehmen. – Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die namentli- che Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion (CDU/CSU): Dr. h. c. Hans Michelbach der AfD auf Drucksache 19/5606. Dieses Familienentlastungsgesetz ist und bleibt ein großer Wurf für unsere Bürger. Es sorgt für Planungs- Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stim- sicherheit. Es eröffnet gerade Familien zusätzliche fi- me noch nicht abgegeben hat? – Ich frage noch einmal: nanzielle Spielräume. Es bringt mehr Netto vom Brutto Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme für alle. Das muss auch für den weiteren Verlauf dieser noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann Legislaturperiode unser Leitsatz bleiben, meine Damen schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführe- und Herren. Wir liefern heute. Herzlichen Dank für die- rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin- ses Familienentlastungsgesetz! nen. Vielen Dank. Wir kommen nun zur zweiten namentlichen Abstim- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- mung, liebe Kolleginnen und Kollegen, und zwar über ordneten der SPD) den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksa- che 19/5607. Sind die Schriftführerinnen und Schriftfüh- rer an den Urnen? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: zweite namentliche Abstimmung. Vielen Dank, Kollege Michelbach. – Ich schließe die Aussprache. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stim- Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- me noch nicht abgegeben hat? – Liebe Kolleginnen und desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur steuer- Kollegen, haben Sie alle Ihre Stimme abgegeben? – Das lichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung ist der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die weiterer steuerlicher Regelungen. Der Finanzausschuss Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung 1) empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- zu beginnen. che 19/5583, den Gesetzentwurf der Bundesregierung Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen auf Drucksache 19/4723 anzunehmen. Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung. Wir haben dazu vier Änderungsanträge vorliegen. Davon stimmen wir über zwei mittels Handzeichen ab (Unterbrechung von 18.56 bis 19.04 Uhr) (B) und über zwei namentlich. Wir kommen zunächst zu der (D) Abstimmung über zwei Änderungsanträge mittels Hand- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: zeichen. So, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Ich beginne mit dem Änderungsantrag der Fraktion unterbrochene Sitzung erneut. Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5608. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Das sind die Grü- Ich nenne Ihnen das von den Schriftführerinnen und nen und die Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Schriftführern festgestellte Ergebnis der namentlichen Das sind die Koalition und die AfD. Wer enthält sich? – Abstimmung, und zwar zunächst der Abstimmung über Die FDP. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt. den Änderungsantrag der AfD zu der zweiten Beratung Ich komme zum Änderungsantrag der Fraktion Bünd- des Gesetzentwurfs der Bundesregierung – Drucksa- nis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5609. Wer stimmt chen 19/4723, 19/5583 und 19/5606 –: Insgesamt wur- für den Änderungsantrag? – Das ist die Fraktion der Grü- den abgegeben 640 Stimmen. Mit Ja, also für den Än- nen. Wer stimmt dagegen? – Die Koalition, die FDP, die derungsantrag der AfD, haben 86 Kollegen gestimmt, AfD. Wer enthält sich? – Die Linke. Damit ist auch dieser mit Nein haben gestimmt 552, Enthaltungen 2. Damit ist Änderungsantrag abgelehnt. dieser Änderungsantrag abgelehnt. Wir kommen jetzt zu den beiden namentlichen Ab- (Jürgen Braun [AfD]: Fast die Mehrheit!) stimmungen, und zwar zunächst zum Änderungsantrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 19/5606. Ich bitte 1) Ergebnis Seite 6918 B

Endgültiges Ergebnis Ja Jürgen Braun Thomas Ehrhorn Marcus Bühl Dr. Michael Espendiller Abgegebene Stimmen: 639; AfD Matthias Büttner Peter Felser davon Dr. Bernd Baumann Petr Bystron Dietmar Friedhoff ja: 85 Marc Bernhard Tino Chrupalla Dr. Anton Friesen Andreas Bleck Joana Cotar Markus Frohnmaier nein: 552 Peter Boehringer Dr. Gottfried Curio Dr. Götz Frömming enthalten: 2 Stephan Brandner Siegbert Droese Dr. Alexander Gauland 6916 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Dr. Axel Gehrke Dr. Dirk Spaniel Alois Gerig Paul Lehrieder (C) Albrecht Glaser René Springer Eberhard Gienger Dr. Andreas Lenz Franziska Gminder Beatrix von Storch Eckhard Gnodtke Dr. Ursula von der Leyen Kay Gottschalk Dr. Harald Weyel Ursula Groden-Kranich Antje Lezius Armin-Paulus Hampel Wolfgang Wiehle Hermann Gröhe Andrea Lindholz Mariana Iris Harder-Kühnel Dr. Heiko Wildberg Klaus-Dieter Gröhler Patricia Lips Verena Hartmann Dr. Christian Wirth Michael Grosse-Brömer Nikolas Löbel Dr. Roland Hartwig Uwe Witt Astrid Grotelüschen Bernhard Loos Jochen Haug Markus Grübel Dr. Jan-Marco Luczak Martin Hebner Nein Manfred Grund Karin Maag Udo Theodor Hemmelgarn Oliver Grundmann Yvonne Magwas Waldemar Herdt CDU/CSU Monika Grütters Dr. Thomas de Maizière Lars Herrmann Dr. Michael von Abercron Fritz Güntzler Gisela Manderla Martin Hess Stephan Albani Olav Gutting Dr. Astrid Mannes Karsten Hilse Norbert Maria Altenkamp Christian Haase Matern von Marschall Nicole Höchst Philipp Amthor Dr. Stephan Harbarth Hans-Georg von der Marwitz Martin Hohmann Artur Auernhammer Jürgen Hardt Andreas Mattfeldt Dr. Bruno Hollnagel Peter Aumer Matthias Hauer Dr. Michael Meister Leif-Erik Holm Dorothee Bär Mark Hauptmann Jan Metzler Johannes Huber Thomas Bareiß Dr. Matthias Heider Dr. h. c. Hans Michelbach Fabian Jacobi Norbert Barthle Mechthild Heil Dr. Mathias Middelberg Dr. Marc Jongen Maik Beermann Frank Heinrich (Chemnitz) Dietrich Monstadt Uwe Kamann Manfred Behrens (Börde) Mark Helfrich Karsten Möring Jens Kestner Veronika Bellmann Rudolf Henke Marlene Mortler Stefan Keuter Sybille Benning Michael Hennrich Elisabeth Motschmann Norbert Kleinwächter Dr. André Berghegger Marc Henrichmann Dr. Gerd Müller Enrico Komning Melanie Bernstein Ansgar Heveling Axel Müller Jörn König Christoph Bernstiel Dr. Heribert Hirte Sepp Müller Steffen Kotré Alexander Hoffmann Carsten Müller (B) Peter Beyer (D) Dr. Rainer Kraft Peter Bleser Karl Holmeier (Braunschweig) Rüdiger Lucassen Norbert Brackmann Dr. Hendrik Hoppenstedt Stefan Müller (Erlangen) Frank Magnitz Dr. Reinhard Brandl Hans-Jürgen Irmer Dr. Dr. Lothar Maier Michael Brand (Fulda) Thomas Jarzombek Petra Nicolaisen Jens Maier Dr. Helge Braun Andreas Jung Michaela Noll Dr. Birgit Malsack- Silvia Breher Ingmar Jung Dr. Georg Nüßlein Winkemann Sebastian Brehm Alois Karl Wilfried Oellers Corinna Miazga Ralph Brinkhaus Anja Karliczek Florian Oßner Andreas Mrosek Dr. Carsten Brodesser Torbjörn Kartes Josef Oster Hansjörg Müller Gitta Connemann Volker Kauder Henning Otte Sebastian Münzenmaier Astrid Damerow Sylvia Pantel Christoph Neumann Roderich Kiesewetter Martin Patzelt Ulrich Oehme Michael Donth Michael Kießling Dr. Joachim Pfeiffer Gerold Otten Marie-Luise Dött Dr. Georg Kippels Dr. Christoph Ploß Tobias Matthias Peterka Hansjörg Durz Volkmar Klein Eckhard Pols Paul Viktor Podolay Hermann Färber Axel Knoerig Thomas Rachel Jürgen Pohl Uwe Feiler Jens Koeppen Kerstin Radomski Stephan Protschka Enak Ferlemann Markus Koob Alexander Radwan Martin Reichardt Axel E. Fischer (Karlsruhe- Carsten Körber Alois Rainer Martin Erwin Renner Land) Rüdiger Kruse Dr. Roman Johannes Reusch Dr. Maria Flachsbarth Michael Kuffer Eckhardt Rehberg Ulrike Schielke-Ziesing Thorsten Frei Dr. Roy Kühne Lothar Riebsamen Dr. Robby Schlund Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Josef Rief Jörg Schneider (Hof) Andreas G. Lämmel Johannes Röring Uwe Schulz Michael Frieser Katharina Landgraf Dr. Norbert Röttgen Thomas Seitz Hans-Joachim Fuchtel Ulrich Lange Stefan Rouenhoff Martin Sichert Ingo Gädechens Dr. Silke Launert Erwin Rüddel Detlev Spangenberg Dr. Thomas Gebhart Jens Lehmann Albert Rupprecht Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6917

(A) Stefan Sauer Marian Wendt Dr. Eva Högl Johann Saathoff (C) Anita Schäfer (Saalstadt) Kai Whittaker Frank Junge Axel Schäfer (Bochum) Dr. Wolfgang Schäuble Annette Widmann-Mauz Josip Juratovic Dr. Nina Scheer Bettina Margarethe Thomas Jurk Marianne Schieder Jana Schimke Wiesmann Oliver Kaczmarek Udo Schiefner Tankred Schipanski Klaus-Peter Willsch Johannes Kahrs Dr. Nils Schmid Dr. Claudia Schmidtke Elisabeth Winkelmeier- Ralf Kapschack Uwe Schmidt Christian Schmidt (Fürth) Becker Gabriele Katzmarek Ulla Schmidt (Aachen) Patrick Schnieder Emmi Zeulner Ulrich Kelber Dagmar Schmidt (Wetzlar) Nadine Schön Paul Ziemiak Cansel Kiziltepe Carsten Schneider (Erfurt) Felix Schreiner Dr. Matthias Zimmer Arno Klare Johannes Schraps Dr. Klaus-Peter Schulze Lars Klingbeil Michael Schrodi Uwe Schummer SPD Dr. Bärbel Kofler Dr. Manja Schüle Armin Schuster (Weil am Ingrid Arndt-Brauer Daniela Kolbe Ursula Schulte Rhein) Heike Baehrens Elvan Korkmaz Martin Schulz Torsten Schweiger Ulrike Bahr Christine Lambrecht Swen Schulz (Spandau) Detlef Seif Doris Barnett Dr. Karl Lauterbach Frank Schwabe Johannes Selle Dr. Matthias Bartke Helge Lindh Stefan Schwartze Dr. Patrick Sensburg Sören Bartol Burkhard Lischka Andreas Schwarz Thomas Silberhorn Bärbel Bas Kirsten Lühmann Rita Schwarzelühr-Sutter Björn Simon Lothar Binding (Heidelberg) Caren Marks Rainer Spiering Tino Sorge Leni Breymaier Katja Mast Svenja Stadler Jens Spahn Dr. Karl-Heinz Brunner Christoph Matschie Sonja Amalie Steffen Frank Steffel Katrin Budde Hilde Mattheis Mathias Stein Dr. Wolfgang Stefinger Marco Bülow Dr. Matthias Miersch Kerstin Tack Albert Stegemann Martin Burkert Klaus Mindrup Claudia Tausend Andreas Steier Bernhard Daldrup Susanne Mittag Markus Töns Sebastian Steineke Dr. Daniela De Ridder Falko Mohrs Carsten Träger Johannes Steiniger Dr. Karamba Diaby Claudia Moll (B) Ute Vogt (D) Peter Stein (Rostock) Esther Dilcher Siemtje Möller Marja-Liisa Völlers Christian Frhr. von Stetten Sabine Dittmar Bettina Müller Dirk Vöpel Dieter Stier Dr. Wiebke Esdar Detlef Müller (Chemnitz) Gabi Weber Gero Storjohann Saskia Esken Michelle Müntefering Bernd Westphal Stephan Stracke Yasmin Fahimi Dr. Rolf Mützenich Dirk Wiese Max Straubinger Dr. Johannes Fechner Andrea Nahles Gülistan Yüksel Karin Strenz Dr. Fritz Felgentreu Dietmar Nietan Dagmar Ziegler Michael Stübgen Dr. Edgar Franke Ulli Nissen Stefan Zierke Dr. Peter Tauber Thomas Oppermann Ulrich Freese Dr. Jens Zimmermann Dr. Hermann-Josef Tebroke Dagmar Freitag Josephine Ortleb Hans-Jürgen Thies Michael Gerdes Mahmut Özdemir (Duisburg) FDP Alexander Throm Martin Gerster Christian Petry Dr. Dietlind Tiemann Timon Gremmels Detlev Pilger Renata Alt Antje Tillmann Kerstin Griese Sabine Poschmann Christine Aschenberg- Markus Uhl Michael Groß Florian Post Dugnus Dr. Volker Ullrich Uli Grötsch Achim Post (Minden) Nicole Bauer Arnold Vaatz Bettina Hagedorn Florian Pronold Jens Beeck Oswin Veith Rita Hagl-Kehl Dr. Sascha Raabe Dr. Jens Brandenburg Kerstin Vieregge Metin Hakverdi Martin Rabanus (Rhein-Neckar) Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sebastian Hartmann Sönke Rix Karlheinz Busen Christoph de Vries Dirk Heidenblut Dennis Rohde Carl-Julius Cronenberg Kees de Vries Hubertus Heil (Peine) Dr. Martin Rosemann Britta Katharina Dassler Kai Wegner Gabriela Heinrich René Röspel Bijan Djir-Sarai Dr. h. c. Albert Weiler Wolfgang Hellmich Dr. Ernst Dieter Rossmann Christian Dürr Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Barbara Hendricks Michael Roth (Heringen) Hartmut Ebbing Dr. Anja Weisgerber Gustav Herzog Susann Rüthrich Dr. Marcus Faber Peter Weiß (Emmendingen) Gabriele Hiller-Ohm Bernd Rützel Daniel Föst Ingo Wellenreuther Thomas Hitschler Sarah Ryglewski Otto Fricke 6918 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Thomas Hacker Michael Theurer Amira Mohamed Ali Britta Haßelmann (C) Katrin Helling-Plahr Stephan Thomae Cornelia Möhring Dr. Bettina Hoffmann Markus Herbrand Manfred Todtenhausen Niema Movassat Dr. Anton Hofreiter Torsten Herbst Dr. Florian Toncar Norbert Müller (Potsdam) Ottmar von Holtz Katja Hessel Dr. Andrew Ullmann Zaklin Nastic Dieter Janecek Dr. Gero Clemens Hocker Gerald Ullrich Dr. Alexander S. Neu Dr. Kirsten Kappert-Gonther Manuel Höferlin Johannes Vogel (Olpe) Sören Pellmann Katja Keul Dr. Christoph Hoffmann Nicole Westig Victor Perli Sven-Christian Kindler Reinhard Houben Katharina Willkomm Tobias Pflüger Maria Klein-Schmeink Ulla Ihnen Ingrid Remmers Sylvia Kotting-Uhl Olaf In der Beek DIE LINKE Martina Renner Oliver Krischer Gyde Jensen Stephan Kühn (Dresden) Doris Achelwilm Dr. Christian Jung Christian Kühn (Tübingen) Gökay Akbulut Eva-Maria Schreiber Thomas L. Kemmerich Renate Künast Simone Barrientos Dr. Petra Sitte Karsten Klein Markus Kurth Dr. Dietmar Bartsch Helin Evrim Sommer Dr. Marcel Klinge Monika Lazar Lorenz Gösta Beutin Kersten Steinke Daniela Kluckert Sven Lehmann Matthias W. Birkwald Friedrich Straetmanns Pascal Kober Steffi Lemke Heidrun Bluhm Dr. Kirsten Tackmann Dr. Lukas Köhler Dr. Tobias Lindner Birke Bull-Bischoff Jessica Tatti Carina Konrad Dr. Irene Mihalic Jörg Cezanne Alexander Ulrich Wolfgang Kubicki Claudia Müller Sevim Dağdelen Kathrin Vogler Konstantin Kuhle Beate Müller-Gemmeke Fabio De Masi Dr. Sahra Wagenknecht Ulrich Lechte Ingrid Nestle Dr. Diether Dehm Harald Weinberg Michael Georg Link Friedrich Ostendorff Anke Domscheit-Berg Katrin Werner (Heilbronn) Cem Özdemir Klaus Ernst Hubertus Zdebel Oliver Luksic Lisa Paus Susanne Ferschl Pia Zimmermann Till Mansmann Filiz Polat Brigitte Freihold Sabine Zimmermann Christoph Meyer Tabea Rößner Sylvia Gabelmann (Zwickau) (B) Alexander Müller Corinna Rüffer (D) Nicole Gohlke Roman Müller-Böhm Manuel Sarrazin Dr. Gregor Gysi BÜNDNIS 90/ Frank Müller-Rosentritt DIE GRÜNEN Ulle Schauws Dr. Martin Neumann Dr. André Hahn Dr. Gerhard Schick (Lausitz) Heike Hänsel Luise Amtsberg Dr. Frithjof Schmidt Hagen Reinhold Matthias Höhn Lisa Badum Stefan Schmidt Bernd Reuther Andrej Hunko Margarete Bause Kordula Schulz-Asche Dr. Stefan Ruppert Ulla Jelpke Dr. Danyal Bayaz Dr. Wolfgang Strengmann- Dr. h. c. Thomas Sattelberger Kerstin Kassner Dr. Franziska Brantner Kuhn Frank Schäffler Dr. Achim Kessler Agnieszka Brugger Margit Stumpp Dr. Wieland Schinnenburg Katja Kipping Dr. Anna Christmann Markus Tressel Matthias Seestern-Pauly Jan Korte Ekin Deligöz Jürgen Trittin Frank Sitta Jutta Krellmann Katja Dörner Dr. Julia Verlinden Judith Skudelny Caren Lay Katharina Dröge Daniela Wagner Dr. Hermann Otto Solms Sabine Leidig Harald Ebner Beate Walter-Rosenheimer Bettina Stark-Watzinger Ralph Lenkert Matthias Gastel Dr. Marie-Agnes Strack- Michael Leutert Kai Gehring Enthalten Zimmermann Stefan Liebich Stefan Gelbhaar Benjamin Strasser Dr. Gesine Lötzsch Katrin Göring-Eckardt Fraktionslos Katja Suding Thomas Lutze Erhard Grundl Mario Mieruch Linda Teuteberg Pascal Meiser Anja Hajduk Dr. Frauke Petry

Nun das von den Schriftführerinnen und Schriftfüh- Mit Ja haben gestimmt 150, mit Nein haben gestimmt 487, Enthaltungen 3. rern festgestellte Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung, nämlich über den Änderungsantrag der (Stephan Thomae [FDP]: Ganz knapp!) Fraktion der FDP: Hier wurden abgegeben 640 Stimmen. Damit ist auch dieser Änderungsantrag abgelehnt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6919

(A) Endgültiges Ergebnis Jörn König Katrin Helling-Plahr Nein (C) Abgegebene Stimmen: 640; Steffen Kotré Markus Herbrand CDU/CSU davon Dr. Rainer Kraft Torsten Herbst Rüdiger Lucassen ja: 150 Katja Hessel Dr. Michael von Abercron Frank Magnitz nein: 487 Manuel Höferlin Stephan Albani Dr. Lothar Maier enthalten: 3 Dr. Christoph Hoffmann Norbert Maria Altenkamp Jens Maier Reinhard Houben Philipp Amthor Dr. Birgit Malsack- Ulla Ihnen Artur Auernhammer Ja Winkemann Olaf In der Beek Peter Aumer Corinna Miazga AfD Gyde Jensen Dorothee Bär Andreas Mrosek Thomas Bareiß Dr. Bernd Baumann Dr. Christian Jung Hansjörg Müller Norbert Barthle Marc Bernhard Thomas L. Kemmerich Volker Münz Maik Beermann Andreas Bleck Karsten Klein Sebastian Münzenmaier Manfred Behrens (Börde) Peter Boehringer Dr. Marcel Klinge Christoph Neumann Veronika Bellmann Jürgen Braun Daniela Kluckert Ulrich Oehme Sybille Benning Marcus Bühl Pascal Kober Gerold Otten Dr. André Berghegger Matthias Büttner Dr. Lukas Köhler Tobias Matthias Peterka Melanie Bernstein Petr Bystron Carina Konrad Paul Viktor Podolay Christoph Bernstiel Tino Chrupalla Wolfgang Kubicki Jürgen Pohl Peter Beyer Joana Cotar Stephan Protschka Konstantin Kuhle Marc Biadacz Dr. Gottfried Curio Martin Reichardt Ulrich Lechte Peter Bleser Siegbert Droese Martin Erwin Renner Michael Georg Link Norbert Brackmann Thomas Ehrhorn Roman Johannes Reusch (Heilbronn) Dr. Reinhard Brandl Dr. Michael Espendiller Ulrike Schielke-Ziesing Oliver Luksic Michael Brand (Fulda) Peter Felser Dr. Robby Schlund Till Mansmann Dr. Helge Braun Dietmar Friedhoff Jörg Schneider Christoph Meyer Silvia Breher Dr. Anton Friesen Uwe Schulz Alexander Müller Sebastian Brehm Markus Frohnmaier Thomas Seitz Roman Müller-Böhm (B) Ralph Brinkhaus (D) Dr. Götz Frömming Martin Sichert Frank Müller-Rosentritt Dr. Carsten Brodesser Dr. Alexander Gauland Detlev Spangenberg Dr. Martin Neumann Gitta Connemann Dr. Axel Gehrke Dr. Dirk Spaniel (Lausitz) Astrid Damerow Albrecht Glaser René Springer Hagen Reinhold Alexander Dobrindt Franziska Gminder Beatrix von Storch Bernd Reuther Michael Donth Kay Gottschalk Wolfgang Wiehle Dr. Stefan Ruppert Marie-Luise Dött Armin-Paulus Hampel Dr. Heiko Wildberg Frank Schäffler Hansjörg Durz Mariana Iris Harder-Kühnel Dr. Christian Wirth Dr. Wieland Schinnenburg Hermann Färber Verena Hartmann Uwe Witt Matthias Seestern-Pauly Uwe Feiler Dr. Roland Hartwig Frank Sitta Enak Ferlemann Jochen Haug FDP Judith Skudelny Axel E. Fischer (Karlsruhe- Udo Theodor Hemmelgarn Land) Renata Alt Dr. Hermann Otto Solms Waldemar Herdt Dr. Maria Flachsbarth Christine Aschenberg- Bettina Stark-Watzinger Lars Herrmann Dugnus Thorsten Frei Dr. Marie-Agnes Strack- Martin Hess Dr. Hans-Peter Friedrich Nicole Bauer Zimmermann Karsten Hilse Jens Beeck (Hof) Benjamin Strasser Nicole Höchst Dr. Jens Brandenburg Michael Frieser Katja Suding Martin Hohmann (Rhein-Neckar) Hans-Joachim Fuchtel Linda Teuteberg Dr. Bruno Hollnagel Karlheinz Busen Ingo Gädechens Leif-Erik Holm Carl-Julius Cronenberg Michael Theurer Dr. Thomas Gebhart Johannes Huber Britta Katharina Dassler Stephan Thomae Alois Gerig Fabian Jacobi Bijan Djir-Sarai Manfred Todtenhausen Eberhard Gienger Dr. Marc Jongen Christian Dürr Dr. Florian Toncar Eckhard Gnodtke Uwe Kamann Hartmut Ebbing Dr. Andrew Ullmann Ursula Groden-Kranich Jens Kestner Dr. Marcus Faber Gerald Ullrich Hermann Gröhe Stefan Keuter Daniel Föst Johannes Vogel (Olpe) Klaus-Dieter Gröhler Norbert Kleinwächter Otto Fricke Nicole Westig Michael Grosse-Brömer Enrico Komning Thomas Hacker Katharina Willkomm Astrid Grotelüschen 6920 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Markus Grübel Nikolas Löbel Dr. Claudia Schmidtke Elisabeth Winkelmeier- (C) Manfred Grund Bernhard Loos Christian Schmidt (Fürth) Becker Oliver Grundmann Dr. Jan-Marco Luczak Patrick Schnieder Emmi Zeulner Monika Grütters Karin Maag Nadine Schön Paul Ziemiak Fritz Güntzler Yvonne Magwas Felix Schreiner Dr. Matthias Zimmer Olav Gutting Dr. Thomas de Maizière Dr. Klaus-Peter Schulze Christian Haase Gisela Manderla Uwe Schummer SPD Dr. Stephan Harbarth Dr. Astrid Mannes Armin Schuster (Weil am Ingrid Arndt-Brauer Jürgen Hardt Matern von Marschall Rhein) Heike Baehrens Matthias Hauer Hans-Georg von der Marwitz Torsten Schweiger Ulrike Bahr Mark Hauptmann Andreas Mattfeldt Detlef Seif Doris Barnett Dr. Matthias Heider Dr. Michael Meister Johannes Selle Dr. Matthias Bartke Mechthild Heil Jan Metzler Dr. Patrick Sensburg Sören Bartol Thomas Heilmann Dr. h. c. Hans Michelbach Thomas Silberhorn Bärbel Bas Frank Heinrich (Chemnitz) Dr. Mathias Middelberg Björn Simon Lothar Binding (Heidelberg) Mark Helfrich Dietrich Monstadt Tino Sorge Leni Breymaier Rudolf Henke Karsten Möring Jens Spahn Dr. Karl-Heinz Brunner Michael Hennrich Marlene Mortler Frank Steffel Katrin Budde Marc Henrichmann Elisabeth Motschmann Dr. Wolfgang Stefinger Marco Bülow Ansgar Heveling Dr. Gerd Müller Albert Stegemann Martin Burkert Dr. Heribert Hirte Axel Müller Andreas Steier Bernhard Daldrup Alexander Hoffmann Sepp Müller Sebastian Steineke Dr. Daniela De Ridder Karl Holmeier Carsten Müller Johannes Steiniger Dr. Karamba Diaby Dr. Hendrik Hoppenstedt (Braunschweig) Peter Stein (Rostock) Esther Dilcher Hans-Jürgen Irmer Stefan Müller (Erlangen) Christian Frhr. von Stetten Sabine Dittmar Thomas Jarzombek Dr. Andreas Nick Dieter Stier Dr. Wiebke Esdar Andreas Jung Petra Nicolaisen Gero Storjohann Saskia Esken Ingmar Jung Michaela Noll Stephan Stracke Yasmin Fahimi Alois Karl Dr. Georg Nüßlein Max Straubinger (B) Dr. Johannes Fechner (D) Anja Karliczek Wilfried Oellers Karin Strenz Dr. Fritz Felgentreu Torbjörn Kartes Florian Oßner Michael Stübgen Dr. Edgar Franke Volker Kauder Josef Oster Dr. Peter Tauber Ulrich Freese Ronja Kemmer Henning Otte Dr. Hermann-Josef Tebroke Dagmar Freitag Roderich Kiesewetter Sylvia Pantel Hans-Jürgen Thies Michael Gerdes Michael Kießling Martin Patzelt Alexander Throm Martin Gerster Dr. Georg Kippels Dr. Joachim Pfeiffer Dr. Dietlind Tiemann Timon Gremmels Volkmar Klein Dr. Christoph Ploß Antje Tillmann Kerstin Griese Axel Knoerig Eckhard Pols Markus Uhl Michael Groß Jens Koeppen Thomas Rachel Dr. Volker Ullrich Uli Grötsch Markus Koob Kerstin Radomski Arnold Vaatz Bettina Hagedorn Carsten Körber Alexander Radwan Oswin Veith Rita Hagl-Kehl Rüdiger Kruse Alois Rainer Kerstin Vieregge Metin Hakverdi Michael Kuffer Dr. Peter Ramsauer Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sebastian Hartmann Dr. Roy Kühne Eckhardt Rehberg Christoph de Vries Dirk Heidenblut Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Lothar Riebsamen Kees de Vries Hubertus Heil (Peine) Andreas G. Lämmel Josef Rief Kai Wegner Gabriela Heinrich Katharina Landgraf Johannes Röring Dr. h. c. Albert Weiler Wolfgang Hellmich Ulrich Lange Dr. Norbert Röttgen Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Barbara Hendricks Dr. Silke Launert Stefan Rouenhoff Dr. Anja Weisgerber Gustav Herzog Jens Lehmann Erwin Rüddel Peter Weiß (Emmendingen) Gabriele Hiller-Ohm Paul Lehrieder Albert Rupprecht Ingo Wellenreuther Thomas Hitschler Dr. Stefan Sauer Marian Wendt Dr. Eva Högl Dr. Andreas Lenz Anita Schäfer (Saalstadt) Kai Whittaker Frank Junge Dr. Ursula von der Leyen Dr. Wolfgang Schäuble Annette Widmann-Mauz Josip Juratovic Antje Lezius Andreas Scheuer Bettina Margarethe Thomas Jurk Andrea Lindholz Jana Schimke Wiesmann Oliver Kaczmarek Patricia Lips Tankred Schipanski Klaus-Peter Willsch Johannes Kahrs Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6921

(A) Ralf Kapschack Dr. Nils Schmid Andrej Hunko Kai Gehring (C) Gabriele Katzmarek Uwe Schmidt Ulla Jelpke Stefan Gelbhaar Ulrich Kelber Ulla Schmidt (Aachen) Kerstin Kassner Katrin Göring-Eckardt Cansel Kiziltepe Dagmar Schmidt (Wetzlar) Dr. Achim Kessler Erhard Grundl Arno Klare Carsten Schneider (Erfurt) Katja Kipping Anja Hajduk Lars Klingbeil Johannes Schraps Jan Korte Britta Haßelmann Dr. Bärbel Kofler Michael Schrodi Jutta Krellmann Dr. Bettina Hoffmann Daniela Kolbe Dr. Manja Schüle Caren Lay Dr. Anton Hofreiter Elvan Korkmaz Ursula Schulte Sabine Leidig Ottmar von Holtz Christine Lambrecht Martin Schulz Ralph Lenkert Dieter Janecek Dr. Karl Lauterbach Swen Schulz (Spandau) Michael Leutert Dr. Kirsten Kappert-Gonther Helge Lindh Frank Schwabe Stefan Liebich Katja Keul Burkhard Lischka Stefan Schwartze Dr. Gesine Lötzsch Sven-Christian Kindler Kirsten Lühmann Andreas Schwarz Thomas Lutze Maria Klein-Schmeink Caren Marks Rita Schwarzelühr-Sutter Pascal Meiser Sylvia Kotting-Uhl Katja Mast Rainer Spiering Amira Mohamed Ali Oliver Krischer Christoph Matschie Svenja Stadler Cornelia Möhring Stephan Kühn (Dresden) Hilde Mattheis Sonja Amalie Steffen Niema Movassat Christian Kühn (Tübingen) Norbert Müller (Potsdam) Dr. Matthias Miersch Mathias Stein Renate Künast Zaklin Nastic Klaus Mindrup Kerstin Tack Markus Kurth Dr. Alexander S. Neu Susanne Mittag Claudia Tausend Monika Lazar Sören Pellmann Falko Mohrs Michael Thews Sven Lehmann Victor Perli Claudia Moll Markus Töns Steffi Lemke Tobias Pflüger Siemtje Möller Carsten Träger Dr. Tobias Lindner Ingrid Remmers Bettina Müller Ute Vogt Dr. Irene Mihalic Martina Renner Detlef Müller (Chemnitz) Marja-Liisa Völlers Claudia Müller Bernd Riexinger Michelle Müntefering Dirk Vöpel Beate Müller-Gemmeke Eva-Maria Schreiber Dr. Rolf Mützenich Gabi Weber Ingrid Nestle Dr. Petra Sitte Andrea Nahles Bernd Westphal Friedrich Ostendorff (B) Helin Evrim Sommer Cem Özdemir (D) Dietmar Nietan Dirk Wiese Kersten Steinke Lisa Paus Ulli Nissen Gülistan Yüksel Friedrich Straetmanns Filiz Polat Thomas Oppermann Dagmar Ziegler Dr. Kirsten Tackmann Tabea Rößner Josephine Ortleb Stefan Zierke Jessica Tatti Corinna Rüffer Mahmut Özdemir (Duisburg) Dr. Jens Zimmermann Alexander Ulrich Manuel Sarrazin Christian Petry Kathrin Vogler Ulle Schauws Detlev Pilger DIE LINKE Dr. Sahra Wagenknecht Dr. Gerhard Schick Sabine Poschmann Doris Achelwilm Harald Weinberg Dr. Frithjof Schmidt Florian Post Simone Barrientos Katrin Werner Stefan Schmidt Achim Post (Minden) Dr. Dietmar Bartsch Hubertus Zdebel Kordula Schulz-Asche Florian Pronold Pia Zimmermann Lorenz Gösta Beutin Dr. Wolfgang Strengmann- Dr. Sascha Raabe Matthias W. Birkwald Sabine Zimmermann Kuhn Martin Rabanus Heidrun Bluhm (Zwickau) Margit Stumpp Andreas Rimkus Birke Bull-Bischoff Markus Tressel Sönke Rix Jörg Cezanne BÜNDNIS 90/ Jürgen Trittin DIE GRÜNEN Dennis Rohde Sevim Dağdelen Dr. Julia Verlinden Dr. Martin Rosemann Fabio De Masi Luise Amtsberg Daniela Wagner René Röspel Dr. Diether Dehm Lisa Badum Beate Walter-Rosenheimer Dr. Ernst Dieter Rossmann Anke Domscheit-Berg Margarete Bause Michael Roth (Heringen) Klaus Ernst Dr. Danyal Bayaz Enthalten Susann Rüthrich Susanne Ferschl Dr. Franziska Brantner Bernd Rützel Brigitte Freihold Agnieszka Brugger AfD Sarah Ryglewski Sylvia Gabelmann Dr. Anna Christmann Stephan Brandner Johann Saathoff Nicole Gohlke Ekin Deligöz Axel Schäfer (Bochum) Dr. Gregor Gysi Katja Dörner Fraktionslos Dr. Nina Scheer Dr. André Hahn Katharina Dröge Marianne Schieder Heike Hänsel Harald Ebner Mario Mieruch Udo Schiefner Matthias Höhn Matthias Gastel Dr. Frauke Petry 6922 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich (A) Damit komme ich zurück zum Gesetzentwurf. Wer Zu dem Gesetzentwurf liegen drei Änderungsanträge (C) diesem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um sowie zwei Entschließungsanträge der Fraktion der FDP das Handzeichen. – Ich sehe die Zustimmung der Ko- sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ alitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Die Grünen vor. Über zwei Änderungsanträge der Frak- sich? – Enthaltung der FDP und der Linken. Was ist mit tion der FDP werden wir später namentlich abstimmen. der AfD? Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für (Jürgen Braun [AfD]: Enthaltung!) die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. Es gibt keinen – Auch Enthaltung. Damit ist der Gesetzentwurf in zwei- Widerspruch. – Dann ist das so beschlossen. ter Beratung angenommen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als Erstes Wir kommen zur die Kollegin Ingrid Arndt-Brauer für die SPD-Fraktion. dritten Beratung (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU]) und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – (SPD): Das sind die SPD-Fraktion, CDU/CSU-Fraktion und Ingrid Arndt-Brauer FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Niemand dage- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! gen. Enthaltungen? – Enthaltung der Linken, der Grünen Liebe Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger auf der und der AfD-Fraktion. Damit ist der Gesetzentwurf an- Tribüne! Wir kommen heute zu einem sehr wichtigen genommen. Gesetz. Es hört sich vielleicht ein bisschen unbedeutend an: „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen Liebe Kolleginnen und Kollegen, die heutige Tages- beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung ordnung soll um die Beratung einer Beschlussempfeh- weiterer steuerlicher Vorschriften“. lung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf Drucksache 19/5632 – Antrag auf Als das Gesetz eingebracht wurde, haben wir es noch Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens – Jahressteuergesetz genannt. Das macht die Bedeutung erweitert und dies gleich als Zusatzpunkt 21 aufgerufen des Gesetzes ein bisschen deutlicher. Wir ändern nicht werden. Dieses Verfahren entspricht der langjährigen nur das Einkommensteuergesetz. Wir ändern auch die Praxis des Deutschen Bundestages. Gibt es dagegen Wi- Lohnsteuer-Durchführungsverordnung. Wir ändern das derspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so be- Körperschaftsteuergesetz. Wir ändern Teile des Gewer- schlossen. besteuergesetzes, des Umsatzsteuergesetzes, des Finanz- verwaltungsgesetzes, des Zerlegungsgesetzes, des Grun- (B) Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 21 auf: derwerbsteuergesetzes, des Investmentsteuergesetzes (D) Beschlussempfehlung des Ausschusses für und des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes. Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Wir ändern also sehr viele Dinge, kleine und große, be- (1. Ausschuss) deutende und unbedeutende. Ich möchte ein paar Dinge herausgreifen. Die Kollegen können das danach noch er- Antrag auf Genehmigung zur Durchführung gänzen. eines Strafverfahrens Wir fanden, dass es an der Zeit war, die Elektromobi- Drucksache 19/5632 lität stärker zu fördern. Das tun wir mit diesem Gesetz. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Der Ausschuss Die Steuervorteile bei der Dienstwagenbesteuerung wer- empfiehlt, die Genehmigung zu erteilen. Wer stimmt den wir weiter ausbauen. Menschen, die einen elektro- dieser Empfehlung zu? – Das sind alle Fraktionen. Ge- motorbetriebenen Dienstwagen fahren, werden eine um genstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist die Beschluss- 50 Prozent stärkere Entlastung erfahren. Wir werden empfehlung angenommen. auch die private Nutzung betrieblicher Elektrofahrräder vollständig steuerbefreien. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Lisa – Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfäl- Wir erwarten uns Anreize dafür, dass Menschen umstei- len beim Handel mit Waren im Internet und gen, die vorher ganz anders unterwegs waren, und sagen: zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschrif- Ja, das ist ein gutes Gesetz. Ich werde mich jetzt umo- ten rientieren. Ich werde jetzt entsprechend der Verordnung zum Elektromobilitätsgesetz Elektrofahrzeuge anschaf- Drucksachen 19/4455, 19/4858, 19/5159 Nr. 4 fen und als Arbeitgeber den Arbeitnehmern zur Verfü- Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz- gung stellen; diese können sie dann nutzen. ausschusses (7. Ausschuss) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Drucksache 19/5595 Wir werden hierbei keine Pseudoelektromobilität för- – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) dern, sondern echte Elektrofahrzeuge. gemäß § 96 der Geschäftsordnung Das wird Auswirkungen haben. Finanzielle Kos- Drucksache 19/5596 ten werden entstehen. Das geht los im Jahre 2019 mit Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6923

Ingrid Arndt-Brauer (A) 240 Millionen Euro und geht bis 2022 mit einem Spit- Vielen Dank. (C) zenbetrag von 285 Millionen Euro. Vom Arbeitgeber gewährte Jobtickets und analog auch Bahncards werden (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ebenfalls steuerfrei gestellt. Das ist ein gutes Gesetz. Wir der CDU/CSU) werden da eine Umsteuerung hinbekommen. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Beifall bei der SPD) Der nächste Redner ist für die AfD-Fraktion der Kol- Ferner werden wir, genauso wie es im Gesetz ange- lege Albrecht Glaser. deutet ist, etwas beim Handel mit Waren im Internet ver- (Beifall bei der AfD) ändern. Wir haben im Moment die Situation: Jeder, der irgendwie Handel in Deutschland treibt, ist natürlich um- satzsteuerpflichtig. Auch wenn man Handel auf Plattfor- Albrecht Glaser (AfD): men im Internet treibt, muss man Umsatzsteuer zahlen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- Es ist allerdings so, dass gerade ausländische Firmen sich ren! Die Sumerer haben im 3. Jahrtausend vor Christus dabei so präsentieren, dass es die Kunden nicht merken, Gesetze in Stein gemeißelt und keine Steuern abführen. Das ist ein Problem. (Zuruf von der FDP: Das ist schon etwas Wir haben uns überlegt: Wie kommen wir diesem länger her!) Problem bei? Wie schaffen wir es, dass alle, die auf deutschen Plattformen Waren anbieten, steuerpflichtig – ich komme auch zum Urknall, kein Problem – und die- werden? Wir konnten das nur so hinbekommen: Die se Steine öffentlich aufgestellt. Dies war sehr transparent Plattformen müssen dafür sorgen, dass die Unternehmen, und führte zu großer Rechtssicherheit. Wir sehen hier den die bei ihnen handeln, Umsatzsteuer zahlen. Wie kann Unterschied zwischen einer antiken Hochkultur und ei- eine Plattform das tun? Sie kann erst einmal schauen, wer ner zeitgenössischen, eher niederen Zivilisation. bei ihr handelt. Manche Firmen kennt man, andere Fir- (Beifall bei der AfD) men kennt man nicht. Schon das Etikett „Vermeidung von Umsatzsteuer- Wir sind der Meinung – nur so geht es –, dass die ausfällen“ ist irreführend; die Kollegin hatte das gerade Plattformen von den Firmen Bescheinigungen anfordern, dargelegt. Denn bei dem Artikelgesetz handelt es sich um die ausweisen: Hier wird Umsatzsteuer gezahlt, bzw. hier das, was man früher „Jahressteuergesetz“ nannte. Da ist gibt es eine Umsatzsteuernummer. Das ist ein ganz neu- vieles drin, und das meiste davon hat mit Umsatzsteuer es Verfahren. Wir haben keine Erfahrung damit und sind gar nichts zu tun. Warum nennt man das also so? Schau- (B) deswegen unterwegs gewesen. Wir haben alle möglichen fenster! Neben dem Umsatzsteuerausfallvermeidungsge- (D) Firmen vorher informiert. setz wird zudem parallel über das Familienentlastungs- Wir sind der Meinung, dass es zumutbar ist, dass sich gesetz beraten, das in Wahrheit „Gesetz zur Vermeidung die Firmen, die hier handeln, eine Umsatzsteuernummer heimlicher Steuererhöhungen durch Inflation“ genannt besorgen. Eine Umsatzsteuernummer können sie entwe- werden müsste. Ich bitte um Entschuldigung, Herr der bei ihrem zuständigen Finanzamt oder, wenn es sich Michelbach, aber es ist so. um ausländische Firmen handelt, bei Zentralfinanzäm- Zum Potpourri des Umsatzsteuerausfallvermeidungs- tern bekommen. Die Plattformen müssen im Moment die gesetzes ein paar Bemerkungen. Am markantesten ist Umsatzsteuernummern noch in Papierform in Erfahrung darin die Neuregelung des geldwerten Vorteils für die bringen. Bis wir ein funktionierendes EDV-System ha- private Nutzung eines Dienstfahrzeugs. Bekanntlich gibt ben, werden wir das so praktizieren. Aber es wird nicht es seit vielen Jahren die sogenannte 1-Prozent-Regelung, lange dauern, dass auch das digital passieren wird; das ist die Sie alle kennen. Zur Klimarettung soll nunmehr die wichtig für uns. private Nutzung von E-Fahrzeugen und bestimmten Hy- briden privilegiert werden durch Halbierung des Zurech- Wir haben Vorbilder: Die Briten machen das schon nungssatzes. Hier wird wieder einmal das Steuerrecht und nehmen 1 Milliarde Steuern ein. Das ist ein Anreiz als Mittel für menschliche Verhaltenskonditionierung für uns, es den Briten gleichzutun. Das sollten wir auch missbraucht. In Wahrheit ist das Steuerrecht jedoch ein machen. Instrument der Staatsfinanzierung. Eine solche Dressur- Das Jahressteuergesetz, dessen Entwurf wir vorlegen, vorschrift lehnen wir ab. ist gut. Es gibt dort sehr viele Dinge, die wir reparieren (Beifall bei der AfD) und verbessern. Sie sollten zustimmen. Wir werden zu- sätzliche Einnahmen generieren und Steuerschlupflöcher Markant ist weiter – dazu wurde eine Anhörung durch- schließen. geführt; übrigens kam auch dieser ganze Vorgang in der Anhörung kritisch zur Sprache – die Einführung einer Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Haftung der Betreiber von IT-Plattformen, auf denen umsatzsteuerpflichtige Geschäfte abgeschlossen werden. Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Die Haftung eines Dritten, der nicht Steuerschuldner ist, ist unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten stets eine heikle Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Sache. Bezüglich außereuropäischer Akteure mag man Wir werden Gerechtigkeit erzeugen. Ich möchte Sie sich eine Möglichkeit dieser Art vorstellen, ohne Frage. ermutigen, zuzustimmen. Innereuropäisch und national ist die vorgesehene Rege- 6924 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Albrecht Glaser (A) lung als unangemessen und ungerecht abzulehnen, zu- nicht reicht – in fünf Minuten schon gar nicht. Es bleibt (C) mal für die Plattformbetreiber erhebliche Kontroll- und daher festzustellen: Die Sumerer konnten es besser. Mitteilungspflichten in Papierform zu Hunderttausenden Herzlichen Dank. entstehen. Trotz massiver Bedenken aus dem Kreis der Sachverständigen wird das Projekt heute völlig unver- (Beifall bei der AfD) ändert durchgezogen; es wird geradezu gelobt. Der sehr eingeschränkte Nutzen solcher Anhörungen wird hier er- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: neut deutlich. Die AfD lehnt diesen Haftungszugriff auf Als Nächstes hat das Wort der Kollege Uwe Feiler, Nichtsteuerschuldner, die damit für die Steuern anderer CDU/CSU-Fraktion. Leute einstehen sollen, ab. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der AfD) Die steuerliche Freistellung bestimmter Gesundheits- Uwe Feiler (CDU/CSU): leistungen von Arbeitgebern an ihre Mitarbeiter ist sach- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und gerecht, weil der allgemeinen Gesundheitsfürsorge dien- Kollegen! Mit der heutigen Beratung des Entwurfs ei- lich. Ähnliches gilt auch für die Steuerfreistellung von nes Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen Fahrtkostenzuschüssen von Arbeitgebern an ihre Mitar- beim Onlinehandel treten wir auch als Finanzpolitiker beiter; das steht im Gesetzespaket drin. Das finden wir wieder den Beweis an, dass die Struck’sche Regel, nach außerordentlich gut. der kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es ein- gebracht wurde, auch Jahre nach ihrer Aufstellung noch (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Dann können Gültigkeit besitzt. Das schließt sogar Gesetzentwürfe ei- Sie doch zustimmen! Aber Sie lehnen es ab!) nes SPD-geführten Finanzministeriums ausdrücklich ein. – Wir können nicht zustimmen, wenn das Gewicht der 20 Änderungen haben wir in den Beratungen inner- Dinge, gegen die wir Bedenken haben, größer ist als das halb der Koalition vereinbart, und aus meiner Sicht ha- der Dinge, denen wir zustimmen können. Das ist das Pro- ben wir zahlreiche Verbesserungen umgesetzt, auf die blem eines solchen Paketes. viele Akteure gewartet haben und die über den Titel des Nicht zu Unrecht taucht das Thema Solidaritätszu- Gesetzes deutlich hinausgehen. Auch die Kolleginnen schlag als Zusatzantrag nunmehr erneut auf. Dem wird und Kollegen der Opposition haben sich größtenteils in- die AfD natürlich auch zustimmen, weil es ihr ureigenes haltlich mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt und Anliegen ist und mit echter Entlastung für Steuerzahler sich in das Verfahren eingebracht. (B) zu tun hat. Die Verzögerungstaktik der Bundesregierung Die beiden Anträge zum Solidaritätszuschlag und zur (D) als ganz spezielle Maßnahme unmittelbar vor der nächs- Verzinsung, über die wir gleich namentlich abstimmen ten Bundestagswahl ist intolerabel. werden, sind trotz aller Sympathie, die ich für sie inhalt- lich empfinde, plumpe Versuche, einen Keil in die Koa- Das Gleiche gilt für die Verzinsung von Steuer- lition zwischen CDU/CSU und SPD zu treiben. Ja, Sie nachzahlungsansprüchen. Die seit Jahren bestehen- wissen: Wir sind uns dort noch nicht einig. Wir haben de Regelung der Abgabenordnung, wonach im Monat dort noch Beratungsbedarf. Sie, meine Damen und Her- 0,5 Prozent, also jährlich 6 Prozent, Zinsen geschuldet ren von der FDP, hätten es ja auch anders haben können, werden, war im normalen Zinsumfeld angemessen. In wenn Sie ein bisschen mehr Mut zur Verantwortung ge- der EZB-Zinswelt stellt sie eine verfassungswidrige Be- habt hätten. lastung des Steuerbürgers dar. Das Bundesverfassungs- gericht hat sich bereits 2015 in Urteilsbegründungen in (Beifall des Abg. Rainer Spiering [SPD]) dieser Richtung geäußert. Die FDP stellt daher – in der Wir sind jetzt zusammen mit der SPD in Regierungsver- Sache völlig zu Recht – einen Zusatzantrag, die jetzige antwortung. Wir sind koalitionstreu, und deswegen und Regelung durch eine Ankoppelung an den Basiszinssatz aus Verantwortung für unser Land lehnen wir Ihre beiden des § 247 BGB zu ersetzen. Als der Gerechtigkeit ver- Anträge ab. pflichtete Fraktion werden wir dem zustimmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Allerdings muss hinzugefügt werden, dass die AfD der SPD) eine nahezu gleichartige Regelung in Form eines Gesetz- entwurfs unter Drucksache 19/5491 bereits vor längerer In 16 Artikeln ändern wir 15 Finanzgesetze – von der Zeit eingebracht hatte, die heute in den Finanzausschuss Abgabenordnung über das Einkommensteuergesetz bis verwiesen wurde. Wohl in Kenntnis dieses Vorgangs hat hin zum Körperschaftsteuergesetz, sodass der Arbeitstitel die FDP einen früheren allgemeinen Antrag vor wenigen „Jahressteuergesetz“ durchaus seine Berechtigung hat. Stunden ebenfalls in einen Gesetzentwurf umgewandelt. Bitte sehen Sie mir nach, dass ich nur einige wenige Wir haben diese Fraktionsdienstleistung für die FDP ger- Punkte in meiner Rede aufgreifen werde. Zunächst ein- ne erbracht, zumal sie der Gerechtigkeitsfindung dient. mal darf ich auf den Kern des Gesetzes eingehen, der ihm (Beifall bei der AfD) seinen Namen gab. Fraktionsübergreifend bestand Ein- vernehmen darüber, dass der Fiskus auf das Wachstum Das gesamte Gesetzgebungsverfahren bleibt höchst im Onlinehandel reagieren muss, um sicherzustellen, unbefriedigend. Viele weitere Punkte der Novellierung dass auch in der digitalen Welt getätigte Umsätze real sind öffentlich überhaupt nicht diskutierbar, weil die Zeit versteuert werden. Dabei stehen die Betreiber von Han- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6925

Uwe Feiler (A) delsplattformen, die mit diesem Geschäftsmodell ihre der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs leis- (C) Umsätze generieren, in der Pflicht, dabei mitzuwirken, ten und bürokratische Hemmnisse abbauen. dass sich insbesondere im Ausland ansässige Händler (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und nicht dem Zugriff der Finanzbehörden entziehen kön- des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) nen. Das sind wir aus Gründen der Steuergerechtigkeit vor allem auch unseren inländischen Unternehmern und Auch der ehrenamtlich getragene Vereinssport profi- dem Einzelhandel schuldig, die der Umsatzsteuer nicht tiert von diesem Gesetz. ausweichen können. (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Sehr gut! – Katja (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Hessel [FDP]: Jetzt wird es aber schwierig!) der SPD) Die Sportdachverbände haben künftig Planungssicher- heit, wenn sie ihre Mitgliedsvereine organisatorisch Wir setzen diesen Anspruch mit der Pflicht um, dass beim Spielbetrieb unterstützen, indem wir weiter von ei- nur bei den Finanzbehörden registrierte Händler auf nen Zweckbetrieb ausgehen, wenn jeweils in einer Liga Plattformen handeln dürfen und dass der Plattformbetrei- mehrheitlich Amateurspieler zum Einsatz kommen und ber haftet, wenn er sich diese Registrierung nicht vor- deren Anzahl gegenüber der an Lizenzspielern überwiegt. legen lässt bzw. Hinweisen der Finanzverwaltung nicht folgt oder wenn ihm Erkenntnisse vorliegen, die eine of- (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Sehr gute Lö- fenbare umsatzsteuerliche Pflichtverletzung eines Händ- sung!) lers beinhalten. Meine Damen und Herren, zum Ende meiner Rede möchte ich jedoch die Zeit nutzen, mich bei allen Betei- Wichtig ist mir dabei insbesondere, dass der Platt- ligten für die guten Beratungen und Hinweise zu bedan- formbetreiber hier nicht mit investigativen Methoden ken. Mein Dank gilt besonders den Vertreterinnen und aktive Nachforschungen zu seinen Geschäftspartnern an- Vertretern des Bundesfinanzministeriums, die uns sehr stellen muss, aber sehr wohl Beschwerden von Kunden, mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben. Mein Dank zum Beispiel über fehlerhafte Rechnungen oder Ähnli- gilt natürlich auch meinem Kollegen Fritz Güntzler, der ches, nachgehen und entsprechend handeln muss. mir heute seine Redezeit geschenkt hat. Vielen Dank, lie- ber Fritz! Als wenig dienlich erachte ich in diesem Zusammen- hang den Vorschlag der Kollegen der FDP, die ausschließ- Die Zahl der Änderungsanträge und die intensiven lich Unternehmen in Drittstaaten von der Regelung um- Gespräche im Ausschuss, in Berichterstattergesprächen fasst sehen wollen. Ich stimme Ihnen zwar zu, dass wir und in den Anhörungen haben gezeigt, dass Steuerpoli- (B) den Aufwand für die Unternehmen und die Finanzbehör- tik immer für Diskussionen Anlass bieten kann. Sowohl (D) den senken könnten. Allerdings würden wir uns vieler die Länder als auch das Bundesfinanzministerium haben neuer Briefkastenfirmen in Deutschland erfreuen, die uns bereits signalisiert, dass wir uns in naher Zukunft mit über diesen Weg der Registrierung entkommen wollen, weiteren Projekten ähnlicher Zielrichtung auseinander- gleichwohl aber ihre Geschäfte über das Ausland abwi- setzen können. ckeln würden. Zumindest Großbritannien musste diese Ich bitte um Zustimmung Ihrerseits zu einem wirklich Erfahrung machen. guten Gesetz und schenke uns die restlichen 30 Sekun- den meiner Redezeit. Gewünscht hätten wir uns natürlich auch, dass direkt mit Inkrafttreten des Gesetzes ein vollständiges elekt- Vielen Dank. ronisches Registrierungssystem zur Verfügung stehen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- würde. Das war jedoch unrealistisch, sodass wir für eine ordneten der SPD) Übergangszeit auf eine Papierbescheinigung zurückgrei- fen müssen. Das Finanzministerium hat uns in diesem Zusammenhang aber zugesichert, kurzfristig an der Um- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: setzung einer elektronischen Registrierung zu arbeiten. Ich bedanke mich auch und rufe auf die Kollegin Katja Hessel von der FDP-Fraktion. Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz haben wir auch gute Nachrichten für viele Arbeitnehmerinnen (Beifall bei der FDP) und Arbeitnehmer. Sogenannte Jobtickets, die Arbeit- geber ihren Angestellten zusätzlich zum Gehalt kosten- Katja Hessel (FDP): frei zur Verfügung stellen, müssen künftig nicht mehr Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das mit dem geldwerten Vorteil versteuert werden, sondern Jahressteuergesetz mit neuem Namen zeigt, dass diese bleiben sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitge- Bundesregierung kein stringentes steuerpolitisches Kon- ber steuerfrei. Lediglich die Entfernungspauschale wird zept hat. Sie hat keinen Kompass, sondern sie wuselt sich gekürzt, da steuersystematisch für eine kostenlose und einfach durch: steuerfreie Überlassung eines Tickets schwerlich Auf- (Beifall bei der FDP) wendungen entstehen können, die jedoch Voraussetzung dafür sind, diese über die Entfernungspauschale geltend eine kleine Änderung hier, eine kleine Reparatur da, wo- machen zu können. Dennoch werden wir damit einen bei die meisten Reparaturen auch noch nachträglich auf wichtigen Beitrag zur Steigerung der Attraktivität und Anregung des Bundesrates erfolgt sind. Eine Entlastung 6926 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Katja Hessel (A) der hart arbeitenden Menschen und Unternehmen durch Über den Solidaritätszuschlag haben wir in diesem (C) Bürokratieabbau oder gar Steuersenkung – Fehlanzeige. Hause in dieser Legislaturperiode schon mehrfach disku- tiert, aber noch nie abgestimmt. Heute haben wir die Ge- Im Gegenteil: In vielen Fällen wird noch mehr Büro- legenheit, dies nachzuholen. Wir haben nämlich unseren kratie aufgebaut. So wird bei der Einführung der soge- Antrag, den Solidaritätszuschlag mit Auslaufen des Soli- nannten Plattformhaftung für die Umsatzsteuer – Kollege darpaktes abzuschaffen, zur Abstimmung gestellt. Dies Feiler hat es ja gerade ausgeführt – auch eine Papierbe- ist für uns eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit scheinigung für inländische Unternehmen gefordert. und nicht ein Mittel, die Kollegen der Union zu ärgern. Hierauf hätte man aber so lange verzichten können, so- lange es kein elektronisches Verfahren gibt, da diese Un- Wir haben durchaus Mut zu vielen Sachen; es ist si- ternehmen bei uns ja steuerlich erfasst sind. Somit gibt es cherlich nicht daran gescheitert. Nach Abwägung der eine bürokratische Hürde mehr für unsere Unternehmen. Vielzahl von Regelungen, die im Jahressteuergesetz ge- troffen, nicht getroffen bzw. schlecht getroffen worden Unterlassen werden hingegen notwendige Ände- sind, entscheidet sich die Fraktion der Freien Demokra- rungen, zu denen wir eigentlich verpflichtet sind. Wir ten, dem Gesetz nicht zuzustimmen. warten mal lieber wieder darauf, dass uns das Bundes- verfassungsgericht zu den Anpassungen verpflichtet. Im Vielen Dank. Steuerrecht ist dies ja leider zwischenzeitlich der Nor- malfall. (Beifall bei der FDP)

Am 25. April 2018 hat der BFH in einem Beschluss Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: die Verfassungsmäßigkeit der sogenannten Nachzah- Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege lungszinsen nach §§ 233a und 238 Abgabenordnung an- Jörg Cezanne. gezweifelt. Aus der hierzu ergangenen Pressemitteilung vom 14. Mai 2018 darf ich wie folgt zitieren: (Beifall bei der LINKEN) Der Gesetzgeber sei im Übrigen von Verfassungs wegen gehalten zu überprüfen, ob die ursprüngliche Jörg Cezanne (DIE LINKE): Entscheidung zu der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO gere- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass das gelten gesetzlichen Höhe von Nachzahlungszinsen ein Artikelgesetz ist, das verschiedene steuerliche Einzel- auch bei dauerhafter Verfestigung des Niedrigzins- fragen regelt, haben Sie jetzt schon verstanden. Ich will niveaus aufrechtzuerhalten sei oder die Zinshöhe zu dreien Stellung nehmen. herabgesetzt werden müsse. Dies habe er selbst auch erkannt, aber gleichwohl bis heute nichts getan ... Erstens. Das Anliegen der Bundesregierung, den Um- (B) satzsteuerbetrug im Onlinehandel einzuschränken, teilen (D) (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Wir prüfen!) wir voll und ganz. Es ist richtig, dass elektronische Platt- formen wie eBay oder Amazon hier stärker in die Pflicht Eben! Eine solche Maßnahme fehlt aber im Jahressteu- genommen werden. Es ist richtig, dass sie überprüfen ergesetz. Dort hätte sie hingehört. Wir haben dazu einen sollen, ob die Händler auf ihren Plattformen registriert Änderungsantrag gestellt, damit wir als Gesetzgeber ein- sind. Es ist richtig, dass sie im schlimmsten Falle auch in mal agieren können und nicht auf ein Urteil des Bundes- Haftung genommen werden können, wenn die Umsatz- verfassungsgerichts reagieren müssen. steuer hinterzogen wurde. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Aber auch andere für die Steuerpflichtigen notwendi- Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) ge Anpassungen sucht man vergeblich. So sind Pausch- Im Gesetzentwurf bleibt allerdings manches unklar. beträge bei der Einkommensteuer für die Steuerpflich- Wir haben zum Beispiel darauf hingewiesen, dass nicht tigen schon lange nicht mehr erhöht worden, teilweise geregelt ist, anhand welcher Kriterien unterschieden wer- sogar noch nie. Gerade in Zeiten, in denen wir über Kos- den soll, wann ein Umsatz einer Privatperson privat oder ten von Mobilität und Wohnraumknappheit diskutie- im unternehmerischen Rahmen erzielt worden ist. Diese ren, in denen immer mehr Menschen dazu gezwungen Unschärfen müssen in der ausstehenden Rechtsverord- werden, ihre Wohnung außerhalb von Ballungsräumen nung präzise geregelt werden. Und es bedarf mehr und zu suchen, wäre eine Anpassung der Pendlerpauschale besser qualifizierten Personals in der Steuerverwaltung, dringend erforderlich. Die Pendlerpauschale liegt bei damit das alles im Onlinehandel überhaupt vernünftig 30 Cent pro Entfernungskilometer auf dem Niveau von umgesetzt und kontrolliert werden kann; sonst bleibt al- 1991. Wir, die Fraktion der Freien Demokraten, haben les pure Rhetorik. hierzu einen Entschließungsantrag gestellt, damit die Bundesregierung hier tätig werden kann. Dafür wird aber (Beifall bei der LINKEN) die sogenannte 1-Prozent-Regelung für Elektroautos hal- biert. So richtig das Ziel der Förderung von alternativen Zum Zweiten. Bei der Dienstwagenbesteuerung haben Antriebsarten ist, so falsch ist dieser Weg. Hier wäre es wir grundlegende Probleme. Deshalb sind wir auch mit viel besser, die hierfür veranschlagten knapp 2 Milliar- der Berücksichtigung der E-Mobilität nicht vollständig den Euro in den Ausbau der notwendigen Infrastruktur zufrieden. Wir brauchen eine Verkehrswende und nicht zu investieren, als eine Mobilitätsideologie zu befördern. nur eine Wende in der Antriebstechnik. Deswegen be- darf es einer grundlegenden Reform der Besteuerung (Beifall bei der FDP) von Dienstwagen. Kernpunkt muss dabei sein, dass sich Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6927

Jörg Cezanne

(A) diese Besteuerung am CO2-Ausstoß orientiert und man Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) nicht immer größere Autos immer besser finanziert; das Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, tat- geht daneben. sächlich hat das diesjährige Jahressteuergesetz viel Licht, (Beifall bei der LINKEN) aber leider auch sehr viel Schatten. Ich möchte das nur an einem Thema exemplarisch deutlich machen, nämlich an Steuerbefreiungen für die Nutzung von Fahrrädern oder der Neuregelung für die Dienstwagenbesteuerung. E-Bikes sind vernünftig. Insbesondere dass das Jobticket herausgenommen wird, ist völlig richtig. Das ändert aber Zum einen gelingt mit dem Gesetz ein echter Durch- nichts an unserer grundsätzlichen Kritik. bruch für Dienstfahrräder, E-Bikes und auch Pedelecs. Es ist jetzt sechs Jahre her, dass wir Grüne mühsam die Dritter Punkt. An einer Stelle hat die Große Koaliti- Akzeptanz dafür hergestellt haben: Ja, Fahrräder können on jetzt aber doch noch ein Steuergeschenk für Unter- auch Dienstfahrzeuge sein. Heute nun folgt endlich der nehmen in den Gesetzentwurf geschmuggelt. Bislang nächste große Schritt: Der geldwerte Vorteil, der bei der sollte nur ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus privaten Nutzung von Dienstfahrzeugen entsteht und der Karlsruhe umgesetzt werden, das den sogenannten quo- normalerweise zu versteuern ist, wird mit diesem Gesetz talen Verlustuntergang bis Ende 2015, aber eben nur bis für Dienstfahrräder steuerfrei gestellt. dahin, für verfassungswidrig erklärt hatte und dessen An- wendung zu diesem Zeitpunkt aufhob. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Es ist umge- Das heißt, emissionsfreie Dienstfahrräder werden ge- setzt worden! Genau das!) genüber Dienstautos sogar bessergestellt. Übrigens gilt Es ist eine immer noch verbreitete Steuerpraxis von Un- die Entgeltumwandlungsmöglichkeit für Sozialversiche- ternehmen, Anteile an angeschlagenen anderen Unter- rungsbeiträge zukünftig auch für Dienstfahrräder. Das nehmen allein zu dem Zweck zu erwerben, die eigenen sind richtige ökologische Anreize in der Verkehrspolitik. Gewinne mit den Verlusten an anderer Stelle zu verrech- Das begrüßen wir vom Bündnis 90/Die Grünen ganz aus- nen und so Steuern zu sparen. Dieser quotale Verlustun- drücklich, meine Damen und Herren. tergang – Sie müssen sich das nicht merken – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Den haben wir sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – ja abgeschafft!) Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Und deswegen lehnen Sie es ab! Das ist gut!) hat diesen Handel mit Verlustvorträgen eingeschränkt, (B) um dieses Steuerschlupfloch wenigstens zu verkleinern. Wir begrüßen auch die ebenfalls neu vorgesehene (D) In der jetzt vorliegenden Fassung des Entwurfs wird der Steuerfreiheit von Jobtickets. Da diese aber weiterhin mit quotale Verlustuntergang – ein schönes Wort, ich finde es der Pendlerpauschale verrechnet werden müssen, wird immer nur gut – der Effekt vermutlich gering sein. Außerdem lassen Sie die BahnCard weiter außen vor. Wir hätten uns da noch (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Wie heißt das mehr vorstellen können. noch mal? – Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Können Sie noch mal erklären, was das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist?) Insgesamt erfolgt aber ein deutlicher Schritt in Rich- nicht nur bis Ende 2015, wie vom Bundesverfassungsge- tung Ökologisierung, weil das steuerliche Privileg des richt geurteilt, sondern eben dauerhaft aufgehoben. Das Dienstautos gegenüber anderen Verkehrsmitteln zurück- zwischenzeitlich gestopfte Steuerschlupfloch ist jetzt gedreht wird. Es gibt also sehr viel Licht in diesem Be- wieder offen. Das vermiest uns ein wenig die Laune und reich. bringt uns auch dazu, dass wir dem Gesetz nicht zustim- Sehr viel dunkler Schatten aber liegt auf der Neure- men werden. gelung zum Dienstauto selbst. Sie wissen, wir Grünen (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Scha- setzen uns seit vielen Jahren dafür ein, dass die milliar- de!) denschwere steuerliche Subvention von spritschlucken- den SUVs und anderen Großlimousinen durch Pauschal- Aber wir enthalten uns, wenn Ihnen das Freude bereitet, besteuerung endlich beseitigt wird. Das heißt, wir wollen weil das mit der Umsatzsteuer eine vernünftige Regelung die derzeit sehr niedrige pauschale Besteuerung der Pri- ist. vatnutzung von Dienstwagen in Höhe von 1 Prozent des Listenpreises ökologisieren. Nutzer von Fahrzeugen mit Vielen Dank. einem hohen CO2-Ausstoß wollen wir höher besteuern (Beifall bei der LINKEN) als die, deren Autos die europäischen Grenzwerte ein- halten, um die ökologischen Dreckschleudern endlich zu sanktionieren. Emissionsfreie reine E-Fahrzeuge wollen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: wir mit 0,5 Prozent besteuern. Die Kollegin Lisa Paus hat das Wort für Bündnis 90/ Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Machen wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ja!) 6928 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Lisa Paus (A) Sie von der Koalition führen jetzt zwar die 0,5-Pro- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (C) zent-Regel für Elektroautos ein, was wir begrüßen; aber Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Sie reißen mit dem Hintern ein kratergroßes Loch in Michael Schrodi. diese positive Wirkung, weil Sie die neue Regelung für Hybridfahrzeuge öffnen. Das kommt erst mal ganz un- (Beifall bei der SPD) scheinbar daher, aber ich sage Ihnen: Das hat das Poten- zial, uns nach dem Dieselskandal in den nächsten zwei, Michael Schrodi (SPD): drei Jahren den nächsten Skandal zu bescheren, nämlich Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten den Hybridskandal. Damen und Herren! Mit den Kolleginnen und Kollegen (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- im Deutschen Bundestag verbindet mich nicht nur die SES 90/DIE GRÜNEN) Leidenschaft für die Politik; mit einigen verbindet mich auch die Leidenschaft fürs Fußballspiel. Warum? Das möchte ich Ihnen jetzt am Beispiel des Por- sche Cayenne verdeutlichen. (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Sehr gut!) (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann Dieter Janecek winkt schon. Fabio De Masi ist mit da- [FDP]: Oh ja! Böse, böse!) bei, Fritz Güntzler. Ich sehe auch Frank Schäffler hier aus der FDP-Fraktion. Von den Sozialdemokraten sind Ein Porsche Cayenne Benziner hat derzeit, je nach auch viele dabei, da hinten. Also, es verbindet, für den Bauart, einen Ausstoß von 200 bis 270 Gramm CO2 pro FC Bundestag Fußball zu spielen. Ich spiele schon länger Kilometer. Das ist das Doppelte und mehr des derzeit von Fußball, in der Jugend schon, in kleinen Vereinen, bei- der EU vorgesehenen Grenzwerts. spielsweise in meinem Heimatverein SC Olching, auch (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Damit fällt im Seniorenbereich. er raus!) (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann Seit kurzem gibt es diesen Porsche Cayenne auch als Hy- [FDP]: Ein bisschen genauer!) brid, und dieser Hybrid erfüllt die von Ihnen jetzt angeb- Im vorliegenden Gesetzentwurf geht es neben der lich so stark verschärften Umweltkriterien. Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen auch um sol- (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Eben nicht!) che Vereine – ob beim Fußball, beim Handball, beim Eishockey, beim Ringen –, in denen viele ehrenamtlich Dieses superschwere Auto wird jetzt durch die Batterien Tätige ermöglichen, dass Menschen ihrem Sport nach- noch schwerer und kann dann mit der sehr kleinen Reich- gehen. Der Bundesfinanzhof hat im Jahr 2015 ein Urteil weite des eingebauten Elektrohilfsmotors von ganzen gesprochen, das Probleme bereitet hat. Darin steht, dass (B) 44 Kilometer – immerhin! – elektrisch die nächste Tank- (D) es keine steuerliche Begünstigung für Sportdachverbän- stelle erreichen, wenn der Sprittank denn leer ist. Aber de gibt, wenn sie Ligabetrieb organisieren; ich verein- dieser Cayenne Hybrid hat nun einen Fahrzeugschein, fache das jetzt mal ein bisschen. Es dauerte einige Zeit, der ihn plötzlich als Umweltengel ausweist. Aufgrund bis klar wurde: Mensch, das betrifft alle Sportarten mit lobbybeeinflusster Annahmen für das Fahrverhalten Ligabetrieb. Wenn ein Dachverband wie der Bayerische (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Na, na, na!) Fußball-Verband Fußballligen organisiert, Schiedsrich- ter einteilt, Tabellen führt, dann betrifft ihn das, und die stößt dieses tonnenschwere Auto angeblich nur noch 72 Folgen wären dramatisch gewesen. Vereine hätten, so statt 270 Gramm aus. die Befürchtung, für jedes Spiel trennscharf nachweisen, (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Damit fällt er dokumentieren müssen, welche Spieler teilnehmen, ob raus! Bei 50 Gramm ist die Grenze!) sie bezahlt werden oder nicht. Dachverbände hätten die Organisationsleistungen den Vereinen voll in Rechnung Das ist Greenwashing der allerübelsten Sorte. stellen müssen. Das heißt, es hätte einen großen büro- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kratischen und finanziellen Aufwand für die Vereine und für die zahlreichen Ehrenamtlichen, die hier tätig sind, Sie setzen mit diesem Gesetz dem Ganzen auch noch gegeben. die Krone auf, indem Sie die private Nutzung dieses Por- sche Cayenne ab Januar nur noch halb so hoch wie bisher Nun kommt ein Beispiel für das, was „praktizierte Po- besteuern. litik“ heißt: Wir haben ein Problem erkannt, und wir ha- ben es gelöst. Wir haben im intensiven Austausch mit den (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist Betroffenen und mit dem Finanzministerium eine Lösung falsch, Frau Paus! Das ist falsch!) gesucht, die sachgerecht und praktikabel für Vereine ist Das ist Vollgas in die Sackgasse. So führt man Deutsch- und übrigens auch die Frage der Steuergerechtigkeit be- land industriepolitisch weiter in den Irrsinn. Deswegen rücksichtigt, nämlich dass nur der Amateursport steuer- werden wir da nicht mitmachen. lich gefördert wird und nicht der Profisport. Es ist uns gelungen, indem wir nun festhalten: Gemeinnützig ist Solche Licht-und-Schatten-Geschichten gibt es einige die Organisationsleistung von Dachsportverbänden nur in diesem Entwurf. Deswegen werden wir uns bei der dann, wenn in der Liga überwiegend, das heißt zu mehr Abstimmung über das Gesetz enthalten, meine Damen als 50 Prozent, Spieler teilnehmen, die keine Lizenzspie- und Herren. ler sind. Es ist nur eine kleine Änderung. Dies hat aber (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eine große und positive Auswirkung für Tausende Verei- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6929

Michael Schrodi (A) ne und für die Ehrenamtlichen, die hier tätig sind. Auch für gut. Sie wurde mit allen abgestimmt, ist richtig und (C) das ist ein kleiner Grund, dem Gesetz zuzustimmen. dafür da, dass wir unser Steuersubstrat in Deutschland bekommen. Danke schön. (Beifall bei der SPD – Fritz Güntzler [CDU/ (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- CSU]: Sehr richtig!) ordneten der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der dritte Bereich – Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: auf den sind wir mächtig stolz – ist ein Zeichen für eine Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt: der nachhaltige Verkehrs- und Umweltpolitik. Deswegen ist Kollege Sebastian Brehm, CDU/CSU-Fraktion. es umso verwunderlicher, dass die Grünen das Jahres- steuergesetz ablehnen; (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Hessel [FDP]) (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Nein! Enthaltung!) Sebastian Brehm (CDU/CSU): denn sie lehnen damit auch den Einstieg in den Umstieg Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ab. Kollegen! Heute können wir in der abschließenden Le- sung das Jahressteuergesetz 2018 verabschieden. Dieses Schauen wir uns diesen Gesetzentwurf einmal genau- Gesetz ist ein gutes Beispiel für die gute Zusammenar- er an. Wir führen die Steuerfreiheit für das Jobticket ein. beit mit der Opposition, aber auch für die gute Zusam- Das Jobticket ist die Fahrkarte für den Arbeitnehmer für menarbeit in unserer Koalition. den öffentlichen Nahverkehr. Das ist zukünftig wieder steuerfrei und sozialversicherungsfrei. Das macht das Liebe Kolleginnen und Kollegen, die eigentliche Ar- Jobticket für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer at- beit für ein solches Steuergesetz findet im Vorfeld und traktiv. Wir hatten das von 1994 bis 2004 schon einmal. nicht hier im Plenum statt. Es wurden viele Fachrunden Das wurde damals von der rot-grünen Regierung leider veranstaltet und Fachgespräche geführt. Die AfD hat sich abgeschafft. an diesen Fachgesprächen und Fachrunden nicht betei- ligt, und das hat man heute auch gemerkt; da fehlt das (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hintergrundwissen. Das merkte man auch an der Rede Hört! Hört!) von Ihnen heute, Herr Kollege Glaser. Es ist jetzt ein richtiges Signal, dass wir das Jobticket (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wieder freistellen. Damit erreichen wir, dass keine Staus (B) (D) der SPD) mehr verursacht werden und die Arbeitnehmerinnen und Ich habe schon in meiner letzten Haushaltsrede gesagt – Arbeitnehmer umsteigen. Jeder, der dieses Gesetz ab- das gilt auch für heute –: Raus aus dem Schaufenster und lehnt, lehnt auch die Unterstützung der Arbeitnehmerin- ran an den Schreibtisch! Vielleicht ist das beim nächsten nen und Arbeitnehmer in diesem Bereich ab. Das sollte Mal auch für Sie die Devise, und Sie beteiligen sich auch man beim Jahressteuergesetz 2018 wissen. an den Fachrunden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Jahressteuerge- ordneten der SPD) setz kann in drei große Bereiche geteilt werden: Des Weiteren fördern wir den Umstieg auf moderne Im ersten Bereich wurden viele Fragen geklärt, die Technologien, indem wir die Besteuerung der privaten sich aufgrund rechtlicher Veränderungen oder aufgrund Nutzung von Firmenautos für diejenigen, die das Auto der Rechtsprechung des BFH ergeben, zum Beispiel noch nutzen müssen, von 1 Prozent auf 0,5 Prozent redu- die Anpassung an das Zweite Pflegestärkungsgesetz, zieren. Das gilt für Elektrofahrzeuge und Hybridfahrzeu- also zum Beispiel die Umstellung von Pflegestufen auf ge. Wir haben uns an das Elektromobilitätsgesetz ange- Pflegegrade – das muss man auch im Steuergesetz abbil- lehnt. Darin sind ganz klare Vorgaben, welche Fahrzeuge den –, oder an das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Dieser bevorzugt sind und welche nicht. Damit schaffen wir es, Bereich wird immer in einem Steuergesetz sein. Insofern dass Elektro- und Hybridfahrzeuge nur noch halb so teu- werden wir das in den nächsten Jahren fortsetzen. er sind und der Nutzen doppelt so hoch ist. Ich glaube, das ist ein richtiger und ein notwendiger Schritt in die- Der zweite Bereich schließt in diesem Jahr wesentliche sem Jahressteuergesetz 2018. Lücken, zum Beispiel im Investmentsteuergesetz durch die Einschränkung der Cum/Cum-Geschäfte und ande- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und re notwendige Regelungen. Dazu gehört natürlich auch der SPD) der Bereich, der dem Gesetz den Namen gibt, nämlich die Vermeidung von Umsatzsteuerbetrug beim Handel Ein Weiteres – ich glaube, es ärgert Sie ein bisschen, mit Waren im Internet. Hier ist die Neuregelung die, dass dass das jetzt die Koalition gemacht hat –: Ich habe schon ein Onlineplattformbetreiber für die Umsatzsteuer haftet, in meiner letzten Rede zum Jahressteuergesetz gesagt: wenn keine Bescheinigung vorgelegt wird. Das betrifft Wenn wir einen Umstieg auf das Fahrrad, auf E‑Mobi- insbesondere die ausländischen Firmen, insbesondere lität, auf das E-Bike wollen, dann wollen wir das för- die aus dem Fernen Osten. Deswegen ist eigentlich die dern, indem wir keine Besteuerung der privaten Nutzung Frage, warum Sie das ablehnen. Ich halte die Regelung vornehmen. Wir haben das gefordert, und wir haben es 6930 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Sebastian Brehm (A) umgesetzt. Deswegen ist es richtig, dass das in diesem derungsanträgen hat die Fraktion der FDP namentliche (C) Gesetzentwurf steht. Abstimmung verlangt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- Wir stimmen zunächst mittels Handzeichen über den wie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] Änderungsantrag der FDP auf Drucksache 19/5614 ab. [SPD]) Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Die FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind Bündnis 90/Die Grünen, Ich glaube, es ist insgesamt ein sehr gutes Jahressteu- Linke und die Koalitionsfraktionen. Enthaltung? – Bei ergesetz 2018. In Kombination mit dem Baukindergeld Enthaltung der AfD ist dieser Änderungsantrag abge- und dem Familienentlastungsgesetz, das wir vorher be- lehnt. schlossen haben, schaffen wir eine wesentliche Entlas- tung für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen Wir kommen nun zu den beiden namentlichen Ab- und für junge Familien in unserem Land. Das ist ein gu- stimmungen. Gestatten Sie mir eine Bemerkung, bevor tes Signal, und deswegen bitte ich auch um Zustimmung. wir beginnen. Wir haben angesichts der langen Plenarzeit heute und der Tatsache, dass morgen früh die Gedenkver- Auch für den Mittelstand haben wir gute Lösungen anstaltung stattfindet, eine außerordentlich angespannte gefunden, indem wir den quotalen Verlustuntergang, wie Personalsituation bei den Damen und Herren des Plen- Sie so schön gesagt haben, erhalten haben. Das ist sys- ardienstes. Deswegen mussten wir heute Abend eine Re- tematisch richtig, und es ist auch vom Gericht so vor- duktion vornehmen: Es werden nur vier Urnen zur Ver- gegeben worden. Sanierungsgewinne sind übrigens auch fügung stehen. Die Urne, die üblicherweise vorne an der wieder steuerfrei, was im Insolvenzrecht eine wesentli- Lobby steht, wird nicht da sein. Ich bitte um Verständnis. che Rolle spielt. Wir schaffen damit systematisch eine Ich glaube, wir sind es den Kolleginnen und Kollegen Klarstellung, und wir schaffen damit auch viel Rechtssi- des Plenardienstes aus Fürsorgegründen schuldig, dass cherheit in offenen Fällen. wir Rücksicht nehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben aber noch (Beifall) viel vor. Es liegen weitere wichtige Aufgaben in der Steuergesetzgebung vor uns. Zum einen brauchen wir Wir kommen nun zur ersten namentlichen Abstim- für die privaten Einkommensteuerbezieher weitere Ent- mung, und zwar über den Änderungsantrag der FDP auf lastung. Das heißt, wir müssen auch die nächsten Jahre Drucksache 19/5612. Ich bitte die Schriftführerinnen darauf achten, dass für die Arbeitnehmerinnen und Ar- und Schriftführer, sich an den vier Urnen einzufinden. – beitnehmer netto mehr bleibt. Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? – Alle Plätze sind besetzt. Dann eröffne ich die erste namentliche Abstim- (Beifall der Abg. Michaela Noll [CDU/CSU]) mung. (B) (D) Deswegen brauchen wir für eine deutliche Entlastung Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das sei- eine sukzessive Anhebung des Grundfreibetrags. Zum ne Stimme nicht abgegeben hat? – Haben jetzt alle ihre anderen brauchen wir natürlich auch eine Modernisie- Stimme abgegeben? – Das ist der Fall. Ich schließe rung des Unternehmensteuerrechts und der Unterneh- die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und mensbesteuerung. Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. (Beifall der Abg. Katja Hessel [FDP]) Wir kommen zur zweiten namentlichen Abstimmung, Ich freue mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass und zwar über den Änderungsantrag der Fraktion der wir hier in den nächsten Wochen und Monaten weiter FDP auf Drucksache 19/5613. Sind die Plätze an den diskutieren, um deutliche Entlastungen für die Steuer- Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die zahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland zu schaf- zweite namentliche Abstimmung. fen. Lassen Sie uns heute zustimmen! Es ist ein gutes Jahressteuergesetz 2018. Vizepräsidentin Petra Pau: Herzlichen Dank. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgeben konnte? – Ich bitte, den Blick auf (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- die Abstimmungsurne rechts frei zu machen. Ich frage ein ordneten der FDP) letztes Mal: Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme zur zweiten namentlichen Abstimmung Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: nicht abgeben konnte? – Das ist nicht der Fall. Ich schlie- Vielen Dank, Herr Kollege Brehm. – Ich schließe die ße die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Aussprache. Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.1) Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf ei- Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen nes Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung (Unterbrechung von 20.05 bis 20.11 Uhr) weiterer steuerlicher Vorschriften. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- che 19/5595, den Gesetzentwurf der Bundesregierung Vizepräsidentin Petra Pau: auf den Drucksachen 19/4455 und 19/4858 in der Aus- Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. schussfassung anzunehmen. Es liegen dazu drei Ände- rungsanträge der Fraktion der FDP vor. Zu zwei Än- 1) Ergebnis Seite 6934 A Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6931

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die jetzt an Bundesregierung mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes (C) den weiteren Verhandlungen teilhaben möchten, Platz zu zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Han- nehmen, und um die nötige Aufmerksamkeit für das von del mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Er- steuerrechtlicher Vorschriften“, also an der ersten Ab- gebnis der beiden namentlichen Abstimmungen. stimmung, haben 643 Abgeordnete teilgenommen. Mit Ja haben 158 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 484, ein An der Abstimmung über den Änderungsantrag der Kollege oder eine Kollegin hat sich enthalten. Der Ände- FDP zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der rungsantrag ist damit abgelehnt.

Endgültiges Ergebnis Martin Hohmann Wolfgang Wiehle Ulrich Lechte Abgegebene Stimmen: 642; Dr. Bruno Hollnagel Dr. Heiko Wildberg Michael Georg Link (Heilbronn) davon Leif-Erik Holm Dr. Christian Wirth Oliver Luksic ja: 157 Johannes Huber Uwe Witt Till Mansmann nein: 484 Fabian Jacobi Christoph Meyer enthalten: 1 Dr. Marc Jongen FDP Alexander Müller Uwe Kamann Grigorios Aggelidis Roman Müller-Böhm Ja Jens Kestner Renata Alt Frank Müller-Rosentritt Stefan Keuter Christine Aschenberg- AfD Norbert Kleinwächter Dugnus Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dr. Bernd Baumann Enrico Komning Nicole Bauer Hagen Reinhold Marc Bernhard Jörn König Jens Beeck Bernd Reuther Andreas Bleck Steffen Kotré Dr. Jens Brandenburg Dr. Stefan Ruppert Peter Boehringer Dr. Rainer Kraft (Rhein-Neckar) Dr. h. c. Thomas Sattelberger Jürgen Braun Rüdiger Lucassen Mario Brandenburg Frank Schäffler Marcus Bühl Frank Magnitz (Südpfalz) Dr. Wieland Schinnenburg Matthias Büttner Dr. Lothar Maier Karlheinz Busen Matthias Seestern-Pauly Petr Bystron Jens Maier Carl-Julius Cronenberg Frank Sitta Tino Chrupalla Dr. Birgit Malsack- Britta Katharina Dassler (B) Judith Skudelny (D) Joana Cotar Winkemann Bijan Djir-Sarai Dr. Hermann Otto Solms Dr. Gottfried Curio Corinna Miazga Christian Dürr Bettina Stark-Watzinger Siegbert Droese Andreas Mrosek Hartmut Ebbing Dr. Marie-Agnes Strack- Thomas Ehrhorn Hansjörg Müller Dr. Marcus Faber Zimmermann Dr. Michael Espendiller Volker Münz Daniel Föst Benjamin Strasser Peter Felser Sebastian Münzenmaier Otto Fricke Katja Suding Dietmar Friedhoff Christoph Neumann Thomas Hacker Linda Teuteberg Dr. Anton Friesen Ulrich Oehme Katrin Helling-Plahr Michael Theurer Markus Frohnmaier Gerold Otten Markus Herbrand Stephan Thomae Dr. Götz Frömming Tobias Matthias Peterka Torsten Herbst Manfred Todtenhausen Dr. Alexander Gauland Paul Viktor Podolay Katja Hessel Dr. Florian Toncar Dr. Axel Gehrke Jürgen Pohl Dr. Gero Clemens Hocker Dr. Andrew Ullmann Albrecht Glaser Stephan Protschka Manuel Höferlin Gerald Ullrich Franziska Gminder Martin Reichardt Dr. Christoph Hoffmann Johannes Vogel (Olpe) Kay Gottschalk Martin Erwin Renner Reinhard Houben Nicole Westig Armin-Paulus Hampel Roman Johannes Reusch Ulla Ihnen Katharina Willkomm Mariana Iris Harder-Kühnel Ulrike Schielke-Ziesing Olaf In der Beek Verena Hartmann Dr. Robby Schlund Gyde Jensen Fraktionslos Dr. Roland Hartwig Jörg Schneider Dr. Christian Jung Jochen Haug Uwe Schulz Thomas L. Kemmerich Mario Mieruch Martin Hebner Thomas Seitz Karsten Klein Dr. Frauke Petry Udo Theodor Hemmelgarn Martin Sichert Dr. Marcel Klinge Waldemar Herdt Detlev Spangenberg Daniela Kluckert Nein Lars Herrmann Dr. Dirk Spaniel Pascal Kober Martin Hess René Springer Dr. Lukas Köhler CDU/CSU Karsten Hilse Beatrix von Storch Carina Konrad Dr. Michael von Abercron Nicole Höchst Dr. Harald Weyel Konstantin Kuhle Stephan Albani 6932 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Norbert Maria Altenkamp Fritz Güntzler Bernhard Loos Christian Schmidt (Fürth) (C) Philipp Amthor Olav Gutting Dr. Jan-Marco Luczak Patrick Schnieder Artur Auernhammer Christian Haase Karin Maag Nadine Schön Peter Aumer Dr. Stephan Harbarth Yvonne Magwas Felix Schreiner Dorothee Bär Jürgen Hardt Dr. Thomas de Maizière Dr. Klaus-Peter Schulze Thomas Bareiß Matthias Hauer Gisela Manderla Uwe Schummer Norbert Barthle Mark Hauptmann Dr. Astrid Mannes Armin Schuster (Weil am Maik Beermann Dr. Matthias Heider Matern von Marschall Rhein) Manfred Behrens (Börde) Mechthild Heil Hans-Georg von der Marwitz Torsten Schweiger Veronika Bellmann Thomas Heilmann Andreas Mattfeldt Detlef Seif Sybille Benning Frank Heinrich (Chemnitz) Dr. Michael Meister Johannes Selle Dr. André Berghegger Mark Helfrich Jan Metzler Dr. Patrick Sensburg Melanie Bernstein Michael Hennrich Dr. h. c. Hans Michelbach Thomas Silberhorn Peter Beyer Marc Henrichmann Dr. Mathias Middelberg Björn Simon Marc Biadacz Ansgar Heveling Dietrich Monstadt Tino Sorge Peter Bleser Dr. Heribert Hirte Karsten Möring Jens Spahn Norbert Brackmann Christian Hirte Marlene Mortler Frank Steffel Dr. Reinhard Brandl Alexander Hoffmann Elisabeth Motschmann Dr. Wolfgang Stefinger Michael Brand (Fulda) Karl Holmeier Dr. Gerd Müller Albert Stegemann Dr. Helge Braun Dr. Hendrik Hoppenstedt Axel Müller Andreas Steier Silvia Breher Hans-Jürgen Irmer Sepp Müller Sebastian Steineke Thomas Jarzombek Sebastian Brehm Carsten Müller Johannes Steiniger Andreas Jung (Braunschweig) Ralph Brinkhaus Peter Stein (Rostock) Ingmar Jung Stefan Müller (Erlangen) Dr. Carsten Brodesser Christian Frhr. von Stetten Alois Karl Dr. Andreas Nick Gitta Connemann Dieter Stier Anja Karliczek Petra Nicolaisen Astrid Damerow Gero Storjohann Alexander Dobrindt Torbjörn Kartes Michaela Noll Stephan Stracke Michael Donth Volker Kauder Dr. Georg Nüßlein Max Straubinger (B) Marie-Luise Dött Dr. Stefan Kaufmann Wilfried Oellers (D) Karin Strenz Hansjörg Durz Ronja Kemmer Florian Oßner Michael Stübgen Roderich Kiesewetter Josef Oster Dr. Hermann-Josef Tebroke Hermann Färber Michael Kießling Henning Otte Hans-Jürgen Thies Uwe Feiler Dr. Georg Kippels Sylvia Pantel Alexander Throm Enak Ferlemann Volkmar Klein Martin Patzelt Dr. Dietlind Tiemann Axel E. Fischer (Karlsruhe- Axel Knoerig Dr. Joachim Pfeiffer Antje Tillmann Land) Jens Koeppen Dr. Christoph Ploß Dr. Maria Flachsbarth Markus Koob Eckhard Pols Markus Uhl Thorsten Frei Carsten Körber Thomas Rachel Dr. Volker Ullrich Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Günter Krings Kerstin Radomski Arnold Vaatz (Hof) Rüdiger Kruse Alexander Radwan Oswin Veith Michael Frieser Michael Kuffer Alois Rainer Kerstin Vieregge Hans-Joachim Fuchtel Dr. Roy Kühne Eckhardt Rehberg Volkmar Vogel (Kleinsaara) Ingo Gädechens Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Lothar Riebsamen Christoph de Vries Dr. Thomas Gebhart Andreas G. Lämmel Josef Rief Kees de Vries Alois Gerig Katharina Landgraf Johannes Röring Kai Wegner Eberhard Gienger Ulrich Lange Dr. Norbert Röttgen Dr. h. c. Albert Weiler Eckhard Gnodtke Dr. Silke Launert Stefan Rouenhoff Marcus Weinberg (Hamburg) Ursula Groden-Kranich Jens Lehmann Erwin Rüddel Dr. Anja Weisgerber Hermann Gröhe Paul Lehrieder Albert Rupprecht Peter Weiß (Emmendingen) Klaus-Dieter Gröhler Dr. Katja Leikert Stefan Sauer Ingo Wellenreuther Michael Grosse-Brömer Dr. Andreas Lenz Anita Schäfer (Saalstadt) Marian Wendt Astrid Grotelüschen Dr. Ursula von der Leyen Dr. Wolfgang Schäuble Kai Whittaker Markus Grübel Antje Lezius Andreas Scheuer Annette Widmann-Mauz Manfred Grund Andrea Lindholz Jana Schimke Bettina Margarethe Oliver Grundmann Patricia Lips Tankred Schipanski Wiesmann Monika Grütters Nikolas Löbel Dr. Claudia Schmidtke Klaus-Peter Willsch Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6933

(A) Elisabeth Winkelmeier- Oliver Kaczmarek Marianne Schieder Dr. André Hahn (C) Becker Johannes Kahrs Udo Schiefner Heike Hänsel Oliver Wittke Ralf Kapschack Dr. Nils Schmid Matthias Höhn Emmi Zeulner Gabriele Katzmarek Uwe Schmidt Andrej Hunko Paul Ziemiak Ulrich Kelber Ulla Schmidt (Aachen) Ulla Jelpke Dr. Matthias Zimmer Cansel Kiziltepe Dagmar Schmidt (Wetzlar) Kerstin Kassner Arno Klare Carsten Schneider (Erfurt) Dr. Achim Kessler SPD Lars Klingbeil Johannes Schraps Katja Kipping Ingrid Arndt-Brauer Daniela Kolbe Michael Schrodi Jan Korte Heike Baehrens Elvan Korkmaz Dr. Manja Schüle Jutta Krellmann Christine Lambrecht Ulrike Bahr Ursula Schulte Caren Lay Dr. Karl Lauterbach Doris Barnett Martin Schulz Sabine Leidig Helge Lindh Dr. Matthias Bartke Swen Schulz (Spandau) Ralph Lenkert Burkhard Lischka Sören Bartol Frank Schwabe Michael Leutert Kirsten Lühmann Bärbel Bas Stefan Schwartze Stefan Liebich Heiko Maas Andreas Schwarz Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Gesine Lötzsch Caren Marks Rita Schwarzelühr-Sutter Leni Breymaier Thomas Lutze Katja Mast Rainer Spiering Dr. Karl-Heinz Brunner Pascal Meiser Christoph Matschie Katrin Budde Svenja Stadler Hilde Mattheis Amira Mohamed Ali Marco Bülow Sonja Amalie Steffen Dr. Matthias Miersch Cornelia Möhring Bernhard Daldrup Mathias Stein Klaus Mindrup Niema Movassat Dr. Daniela De Ridder Kerstin Tack Susanne Mittag Norbert Müller (Potsdam) Dr. Karamba Diaby Claudia Tausend Falko Mohrs Zaklin Nastic Esther Dilcher Michael Thews Claudia Moll Dr. Alexander S. Neu Sabine Dittmar Markus Töns Siemtje Möller Petra Pau Dr. Wiebke Esdar Carsten Träger Bettina Müller Sören Pellmann Saskia Esken Ute Vogt Detlef Müller (Chemnitz) Victor Perli Yasmin Fahimi Marja-Liisa Völlers (B) Michelle Müntefering Tobias Pflüger (D) Dr. Johannes Fechner Dirk Vöpel Dr. Rolf Mützenich Ingrid Remmers Dr. Fritz Felgentreu Gabi Weber Andrea Nahles Martina Renner Dr. Edgar Franke Bernd Westphal Dietmar Nietan Bernd Riexinger Ulrich Freese Dirk Wiese Ulli Nissen Eva-Maria Schreiber Dagmar Freitag Gülistan Yüksel Thomas Oppermann Dr. Petra Sitte Michael Gerdes Dagmar Ziegler Josephine Ortleb Helin Evrim Sommer Martin Gerster Stefan Zierke Mahmut Özdemir (Duisburg) Kersten Steinke Timon Gremmels Dr. Jens Zimmermann Christian Petry Friedrich Straetmanns Kerstin Griese Detlev Pilger DIE LINKE Dr. Kirsten Tackmann Michael Groß Sabine Poschmann Jessica Tatti Uli Grötsch Florian Post Doris Achelwilm Alexander Ulrich Bettina Hagedorn Achim Post (Minden) Gökay Akbulut Kathrin Vogler Rita Hagl-Kehl Florian Pronold Simone Barrientos Dr. Sahra Wagenknecht Metin Hakverdi Martin Rabanus Dr. Dietmar Bartsch Harald Weinberg Sebastian Hartmann Andreas Rimkus Lorenz Gösta Beutin Katrin Werner Dirk Heidenblut Sönke Rix Matthias W. Birkwald Hubertus Zdebel Hubertus Heil (Peine) Dennis Rohde Heidrun Bluhm Gabriela Heinrich Dr. Martin Rosemann Birke Bull-Bischoff Pia Zimmermann Wolfgang Hellmich René Röspel Jörg Cezanne Sabine Zimmermann (Zwickau) Dr. Barbara Hendricks Dr. Ernst Dieter Rossmann Sevim Dağdelen Gustav Herzog Michael Roth (Heringen) Fabio De Masi Gabriele Hiller-Ohm Susann Rüthrich Dr. Diether Dehm BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Thomas Hitschler Bernd Rützel Anke Domscheit-Berg Dr. Eva Högl Sarah Ryglewski Klaus Ernst Luise Amtsberg Frank Junge Johann Saathoff Susanne Ferschl Lisa Badum Josip Juratovic Axel Schäfer (Bochum) Brigitte Freihold Margarete Bause Thomas Jurk Dr. Nina Scheer Sylvia Gabelmann Dr. Danyal Bayaz 6934 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Canan Bayram Ottmar von Holtz Dr. Tobias Lindner Kordula Schulz-Asche (C) Agnieszka Brugger Dieter Janecek Dr. Irene Mihalic Dr. Wolfgang Strengmann- Dr. Anna Christmann Dr. Kirsten Kappert-Gonther Beate Müller-Gemmeke Kuhn Ekin Deligöz Katja Keul Ingrid Nestle Margit Stumpp Katja Dörner Sven-Christian Kindler Friedrich Ostendorff Markus Tressel Katharina Dröge Maria Klein-Schmeink Cem Özdemir Jürgen Trittin Harald Ebner Sylvia Kotting-Uhl Lisa Paus Dr. Julia Verlinden Matthias Gastel Oliver Krischer Filiz Polat Daniela Wagner Kai Gehring Stephan Kühn (Dresden) Tabea Rößner Stefan Gelbhaar Christian Kühn (Tübingen) Corinna Rüffer Beate Walter-Rosenheimer Erhard Grundl Renate Künast Manuel Sarrazin Anja Hajduk Markus Kurth Ulle Schauws Enthalten Britta Haßelmann Monika Lazar Dr. Gerhard Schick AfD Dr. Bettina Hoffmann Sven Lehmann Dr. Frithjof Schmidt Dr. Anton Hofreiter Steffi Lemke Stefan Schmidt Stephan Brandner

Wir kommen zum Ergebnis der zweiten namentlichen 121 Kolleginnen und Kollegen haben sich enthalten. Der Abstimmung. An dieser haben 639 Abgeordnete teilge- Änderungsantrag ist abgelehnt. nommen, 155 haben mit Ja gestimmt, 363 mit Nein, und

Endgültiges Ergebnis Kay Gottschalk Andreas Mrosek Christine Aschenberg- Dugnus Abgegebene Stimmen: 639; Mariana Iris Harder-Kühnel Hansjörg Müller Nicole Bauer davon Verena Hartmann Volker Münz Sebastian Münzenmaier Jens Beeck ja: 155 Dr. Roland Hartwig Christoph Neumann Dr. Jens Brandenburg nein: 363 Jochen Haug Martin Hebner Ulrich Oehme (Rhein-Neckar) (B) enthalten: 121 (D) Udo Theodor Hemmelgarn Gerold Otten Mario Brandenburg Waldemar Herdt Tobias Matthias Peterka (Südpfalz) Ja Lars Herrmann Paul Viktor Podolay Karlheinz Busen Carl-Julius Cronenberg AfD Martin Hess Jürgen Pohl Karsten Hilse Stephan Protschka Britta Katharina Dassler Marc Bernhard Nicole Höchst Martin Reichardt Bijan Djir-Sarai Andreas Bleck Martin Hohmann Martin Erwin Renner Christian Dürr Peter Boehringer Dr. Bruno Hollnagel Roman Johannes Reusch Hartmut Ebbing Jürgen Braun Leif-Erik Holm Ulrike Schielke-Ziesing Dr. Marcus Faber Marcus Bühl Johannes Huber Dr. Robby Schlund Daniel Föst Matthias Büttner Fabian Jacobi Jörg Schneider Otto Fricke Petr Bystron Dr. Marc Jongen Uwe Schulz Thomas Hacker Tino Chrupalla Uwe Kamann Thomas Seitz Katrin Helling-Plahr Joana Cotar Jens Kestner Martin Sichert Markus Herbrand Dr. Gottfried Curio Stefan Keuter Detlev Spangenberg Torsten Herbst Siegbert Droese Norbert Kleinwächter Dr. Dirk Spaniel Katja Hessel Thomas Ehrhorn Enrico Komning René Springer Dr. Gero Clemens Hocker Beatrix von Storch Dr. Michael Espendiller Jörn König Manuel Höferlin Dr. Harald Weyel Peter Felser Steffen Kotré Dr. Christoph Hoffmann Wolfgang Wiehle Dietmar Friedhoff Dr. Rainer Kraft Reinhard Houben Dr. Heiko Wildberg Dr. Anton Friesen Rüdiger Lucassen Ulla Ihnen Dr. Christian Wirth Markus Frohnmaier Frank Magnitz Olaf In der Beek Uwe Witt Dr. Götz Frömming Dr. Lothar Maier Gyde Jensen Dr. Alexander Gauland Jens Maier Dr. Christian Jung FDP Dr. Axel Gehrke Dr. Birgit Malsack- Thomas L. Kemmerich Albrecht Glaser Winkemann Grigorios Aggelidis Karsten Klein Franziska Gminder Corinna Miazga Renata Alt Dr. Marcel Klinge Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6935

(A) Daniela Kluckert Dorothee Bär Matthias Hauer Gisela Manderla (C) Pascal Kober Thomas Bareiß Mark Hauptmann Dr. Astrid Mannes Dr. Lukas Köhler Norbert Barthle Dr. Matthias Heider Matern von Marschall Carina Konrad Maik Beermann Mechthild Heil Hans-Georg von der Marwitz Konstantin Kuhle Manfred Behrens (Börde) Thomas Heilmann Andreas Mattfeldt Ulrich Lechte Veronika Bellmann Frank Heinrich (Chemnitz) Dr. Michael Meister Michael Georg Link Sybille Benning Mark Helfrich Jan Metzler (Heilbronn) Dr. André Berghegger Michael Hennrich Dr. h. c. Hans Michelbach Oliver Luksic Melanie Bernstein Marc Henrichmann Dr. Mathias Middelberg Till Mansmann Peter Beyer Ansgar Heveling Dietrich Monstadt Christoph Meyer Marc Biadacz Dr. Heribert Hirte Karsten Möring Alexander Müller Peter Bleser Christian Hirte Marlene Mortler Roman Müller-Böhm Norbert Brackmann Alexander Hoffmann Elisabeth Motschmann Frank Müller-Rosentritt Dr. Reinhard Brandl Karl Holmeier Dr. Gerd Müller Dr. Martin Neumann Michael Brand (Fulda) Dr. Hendrik Hoppenstedt Axel Müller (Lausitz) Dr. Helge Braun Hans-Jürgen Irmer Sepp Müller Hagen Reinhold Silvia Breher Thomas Jarzombek Carsten Müller Bernd Reuther Sebastian Brehm Andreas Jung (Braunschweig) Dr. Stefan Ruppert Ralph Brinkhaus Ingmar Jung Stefan Müller (Erlangen) Dr. h. c. Thomas Sattelberger Dr. Carsten Brodesser Alois Karl Dr. Andreas Nick Frank Schäffler Gitta Connemann Anja Karliczek Petra Nicolaisen Dr. Wieland Schinnenburg Astrid Damerow Torbjörn Kartes Michaela Noll Matthias Seestern-Pauly Alexander Dobrindt Volker Kauder Dr. Georg Nüßlein Frank Sitta Michael Donth Dr. Stefan Kaufmann Wilfried Oellers Judith Skudelny Marie-Luise Dött Ronja Kemmer Florian Oßner Dr. Hermann Otto Solms Hansjörg Durz Roderich Kiesewetter Josef Oster Bettina Stark-Watzinger Thomas Erndl Michael Kießling Henning Otte Dr. Marie-Agnes Strack- Hermann Färber Dr. Georg Kippels Sylvia Pantel (B) Zimmermann Uwe Feiler Volkmar Klein Martin Patzelt (D) Benjamin Strasser Enak Ferlemann Axel Knoerig Dr. Joachim Pfeiffer Katja Suding Axel E. Fischer (Karlsruhe- Jens Koeppen Dr. Christoph Ploß Linda Teuteberg Land) Markus Koob Eckhard Pols Michael Theurer Dr. Maria Flachsbarth Carsten Körber Thomas Rachel Stephan Thomae Thorsten Frei Dr. Günter Krings Kerstin Radomski Manfred Todtenhausen Dr. Hans-Peter Friedrich Rüdiger Kruse Alexander Radwan Dr. Florian Toncar (Hof) Michael Kuffer Alois Rainer Dr. Andrew Ullmann Michael Frieser Dr. Roy Kühne Eckhardt Rehberg Gerald Ullrich Hans-Joachim Fuchtel Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Lothar Riebsamen Johannes Vogel (Olpe) Ingo Gädechens Andreas G. Lämmel Josef Rief Dr. Thomas Gebhart Nicole Westig Katharina Landgraf Johannes Röring Alois Gerig Katharina Willkomm Ulrich Lange Dr. Norbert Röttgen Eberhard Gienger Dr. Silke Launert Stefan Rouenhoff Eckhard Gnodtke Jens Lehmann Erwin Rüddel Fraktionslos Ursula Groden-Kranich Paul Lehrieder Albert Rupprecht Mario Mieruch Hermann Gröhe Dr. Katja Leikert Stefan Sauer Dr. Frauke Petry Klaus-Dieter Gröhler Dr. Andreas Lenz Anita Schäfer (Saalstadt) Michael Grosse-Brömer Dr. Ursula von der Leyen Dr. Wolfgang Schäuble Nein Astrid Grotelüschen Antje Lezius Andreas Scheuer Markus Grübel Andrea Lindholz Jana Schimke CDU/CSU Manfred Grund Patricia Lips Tankred Schipanski Dr. Michael von Abercron Monika Grütters Nikolas Löbel Dr. Claudia Schmidtke Stephan Albani Fritz Güntzler Bernhard Loos Christian Schmidt (Fürth) Norbert Maria Altenkamp Olav Gutting Dr. Jan-Marco Luczak Patrick Schnieder Philipp Amthor Christian Haase Karin Maag Nadine Schön Artur Auernhammer Dr. Stephan Harbarth Yvonne Magwas Felix Schreiner Peter Aumer Jürgen Hardt Dr. Thomas de Maizière Dr. Klaus-Peter Schulze 6936 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Uwe Schummer SPD Lars Klingbeil Johannes Schraps (C) Armin Schuster (Weil am Ingrid Arndt-Brauer Daniela Kolbe Michael Schrodi Rhein) Heike Baehrens Elvan Korkmaz Dr. Manja Schüle Torsten Schweiger Ulrike Bahr Christine Lambrecht Ursula Schulte Detlef Seif Doris Barnett Dr. Karl Lauterbach Martin Schulz Johannes Selle Helge Lindh Dr. Matthias Bartke Swen Schulz (Spandau) Dr. Patrick Sensburg Burkhard Lischka Sören Bartol Frank Schwabe Thomas Silberhorn Kirsten Lühmann Bärbel Bas Stefan Schwartze Björn Simon Heiko Maas Lothar Binding (Heidelberg) Andreas Schwarz Tino Sorge Caren Marks Leni Breymaier Rita Schwarzelühr-Sutter Jens Spahn Katja Mast Dr. Karl-Heinz Brunner Rainer Spiering Frank Steffel Christoph Matschie Katrin Budde Svenja Stadler Dr. Wolfgang Stefinger Hilde Mattheis Marco Bülow Sonja Amalie Steffen Albert Stegemann Dr. Matthias Miersch Bernhard Daldrup Mathias Stein Andreas Steier Klaus Mindrup Dr. Daniela De Ridder Kerstin Tack Sebastian Steineke Susanne Mittag Dr. Karamba Diaby Claudia Tausend Johannes Steiniger Falko Mohrs Esther Dilcher Michael Thews Peter Stein (Rostock) Claudia Moll Sabine Dittmar Markus Töns Christian Frhr. von Stetten Siemtje Möller Dr. Wiebke Esdar Carsten Träger Dieter Stier Bettina Müller Saskia Esken Ute Vogt Gero Storjohann Detlef Müller (Chemnitz) Marja-Liisa Völlers Yasmin Fahimi Stephan Stracke Michelle Müntefering Dirk Vöpel Dr. Johannes Fechner Max Straubinger Dr. Rolf Mützenich Gabi Weber Dr. Fritz Felgentreu Karin Strenz Andrea Nahles Bernd Westphal Dr. Edgar Franke Michael Stübgen Dietmar Nietan Dirk Wiese Ulrich Freese Dr. Hermann-Josef Tebroke Ulli Nissen Gülistan Yüksel Dagmar Freitag Hans-Jürgen Thies Thomas Oppermann Dagmar Ziegler Michael Gerdes Alexander Throm Josephine Ortleb Stefan Zierke Martin Gerster (B) Dr. Dietlind Tiemann Mahmut Özdemir (Duisburg) Dr. Jens Zimmermann (D) Timon Gremmels Antje Tillmann Christian Petry Kerstin Griese Markus Uhl Detlev Pilger Michael Groß Enthalten Dr. Volker Ullrich Sabine Poschmann Uli Grötsch Arnold Vaatz Florian Post AfD Bettina Hagedorn Oswin Veith Achim Post (Minden) Rita Hagl-Kehl Stephan Brandner Kerstin Vieregge Florian Pronold Metin Hakverdi Volkmar Vogel (Kleinsaara) Martin Rabanus DIE LINKE Christoph de Vries Sebastian Hartmann Andreas Rimkus Kees de Vries Dirk Heidenblut Sönke Rix Doris Achelwilm Kai Wegner Hubertus Heil (Peine) Dennis Rohde Gökay Akbulut Dr. h. c. Albert Weiler Gabriela Heinrich Dr. Martin Rosemann Simone Barrientos Marcus Weinberg (Hamburg) Wolfgang Hellmich René Röspel Dr. Dietmar Bartsch Dr. Anja Weisgerber Dr. Barbara Hendricks Dr. Ernst Dieter Rossmann Lorenz Gösta Beutin Peter Weiß (Emmendingen) Gustav Herzog Michael Roth (Heringen) Matthias W. Birkwald Ingo Wellenreuther Gabriele Hiller-Ohm Susann Rüthrich Heidrun Bluhm Marian Wendt Thomas Hitschler Bernd Rützel Birke Bull-Bischoff Kai Whittaker Dr. Eva Högl Sarah Ryglewski Jörg Cezanne Annette Widmann-Mauz Frank Junge Johann Saathoff Sevim Dağdelen Bettina Margarethe Josip Juratovic Axel Schäfer (Bochum) Fabio De Masi Wiesmann Thomas Jurk Dr. Nina Scheer Dr. Diether Dehm Klaus-Peter Willsch Oliver Kaczmarek Marianne Schieder Anke Domscheit-Berg Elisabeth Winkelmeier- Johannes Kahrs Udo Schiefner Klaus Ernst Becker Ralf Kapschack Dr. Nils Schmid Susanne Ferschl Oliver Wittke Gabriele Katzmarek Uwe Schmidt Brigitte Freihold Emmi Zeulner Ulrich Kelber Ulla Schmidt (Aachen) Sylvia Gabelmann Paul Ziemiak Cansel Kiziltepe Dagmar Schmidt (Wetzlar) Dr. André Hahn Dr. Matthias Zimmer Arno Klare Carsten Schneider (Erfurt) Heike Hänsel Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6937

(A) Matthias Höhn Martina Renner Agnieszka Brugger Sven Lehmann (C) Andrej Hunko Bernd Riexinger Dr. Anna Christmann Steffi Lemke Ulla Jelpke Eva-Maria Schreiber Ekin Deligöz Dr. Tobias Lindner Kerstin Kassner Dr. Petra Sitte Katja Dörner Dr. Irene Mihalic Dr. Achim Kessler Helin Evrim Sommer Katharina Dröge Beate Müller-Gemmeke Katja Kipping Kersten Steinke Harald Ebner Ingrid Nestle Jan Korte Friedrich Straetmanns Matthias Gastel Friedrich Ostendorff Jutta Krellmann Dr. Kirsten Tackmann Kai Gehring Cem Özdemir Caren Lay Stefan Gelbhaar Jessica Tatti Lisa Paus Sabine Leidig Erhard Grundl Alexander Ulrich Filiz Polat Ralph Lenkert Anja Hajduk Kathrin Vogler Tabea Rößner Michael Leutert Britta Haßelmann Dr. Sahra Wagenknecht Corinna Rüffer Stefan Liebich Dr. Bettina Hoffmann Harald Weinberg Manuel Sarrazin Dr. Gesine Lötzsch Dr. Anton Hofreiter Katrin Werner Ulle Schauws Thomas Lutze Ottmar von Holtz Hubertus Zdebel Pascal Meiser Dieter Janecek Dr. Gerhard Schick Pia Zimmermann Amira Mohamed Ali Dr. Kirsten Kappert-Gonther Dr. Frithjof Schmidt Sabine Zimmermann Cornelia Möhring Katja Keul Stefan Schmidt (Zwickau) Niema Movassat Sven-Christian Kindler Kordula Schulz-Asche Norbert Müller (Potsdam) Maria Klein-Schmeink Dr. Wolfgang Strengmann- BÜNDNIS 90/ Zaklin Nastic Sylvia Kotting-Uhl Kuhn DIE GRÜNEN Dr. Alexander S. Neu Oliver Krischer Margit Stumpp Petra Pau Luise Amtsberg Stephan Kühn (Dresden) Markus Tressel Sören Pellmann Lisa Badum Christian Kühn (Tübingen) Jürgen Trittin Victor Perli Margarete Bause Renate Künast Dr. Julia Verlinden Tobias Pflüger Dr. Danyal Bayaz Markus Kurth Daniela Wagner Ingrid Remmers Canan Bayram Monika Lazar Beate Walter-Rosenheimer

(B) (D) Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetz- Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Druck- entwurf in der Ausschussfassung. Ich bitte diejenigen, die sache 19/5616. Wer stimmt für diesen Entschließungsan- dem Gesetz in der Ausschussfassung zustimmen wollen, trag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koaliti- hält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera- onsfraktionen und der Grünen – – tung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der FDP-Fraktion und der AfD-Fraktion bei Enthaltung (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die NEN]: Wir waren dagegen!) Grünen angenommen. – Ihr habt euch enthalten? Ihr habt dagegengestimmt, Dritte Beratung also mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem FDP-Fraktion – – Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzent- (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen NEN]: Wir waren dagegen!) die Stimmen der FDP-Fraktion und der AfD-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und der Fraktion – Weiß ich doch. Bitte verwirren Sie mich jetzt nicht. Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dritter Versuch: Dieser Entschließungsantrag wurde Wir kommen nun zur Abstimmung über die Entschlie- durch die Koalitionsfraktionen und die Fraktion Bünd- ßungsanträge. nis 90/Die Grünen abgelehnt – damit wird das Abstim- mungsverhalten jetzt klar –, während die FDP-Fraktion Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf und die AfD-Fraktion zustimmten. Das genügte aber Drucksache 19/5615. Wer stimmt für diesen Entschlie- nicht: Die Fraktion Die Linke hat sich enthalten. Daraus ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält folgt, dass dieser Entschließungsantrag abgelehnt wurde. sich? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen Ist das jetzt für alle klar und deutlich? der Koalitionsfraktionen, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- der FDP-Fraktion bei Enthaltung der AfD-Fraktion ab- ten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE gelehnt. GRÜNEN) 6938 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion prangert „immer drakonischere Unterdrückungsmaßnah- (C) Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5617. Wer men“ an. stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsan- Kolleginnen und Kollegen, ich fordere Sie dazu auf, trag wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, diese schweren Menschenrechtsverletzungen klar und der FDP-Fraktion und der AfD-Fraktion gegen die an- deutlich zu benennen und zu verurteilen. tragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Fraktion Die Linke abgelehnt. bei der CDU/CSU, der SPD und der LIN- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf: KEN) Beratung des Antrags der Abgeordneten Und ich fordere die Bundesregierung dazu auf, alle na- Margarete Bause, Kai Gehring, Jürgen Trittin, tionalen und internationalen Instrumente zu nutzen, um weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- dazu beizutragen, dass die Lager geschlossen werden, die NIS 90/DIE GRÜNEN Verbrechen aufzuklären und zu ahnden. Schwere Menschenrechtsverletzungen in Xin- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, jiang beenden, aufklären und ahnden bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN) Drucksache 19/5544 Überweisungsvorschlag: Auch außerhalb der Lager in Xinjiang herrscht die Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f) totale Kontrolle über die Menschen. Die Sicherheitsbe- Auswärtiger Ausschuss hörden wurden massiv aufgerüstet, mit modernster Tech- Ausschuss für Inneres und Heimat nologie wird jeder Schritt erfasst und überwacht. Kinder Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung werden von ihren Eltern getrennt und in Heimen der Ge- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union hirnwäsche unterzogen. Beten ist verboten, Moscheen werden niedergerissen. Das Ziel all dieser Maßnahmen: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für Die Kultur und Identität der muslimischen Minderheiten die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- in Xinjiang soll systematisch ausgelöscht werden. nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Kolleginnen und Kollegen, vorgestern musste China Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf Rede und Ant- Margarete Bause für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- wort stehen. Was dort vom Vertreter der chinesischen Re- nen. (B) gierung zur Situation in Xinjiang geäußert wurde, ist an (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zynismus und Menschenverachtung nicht zu überbieten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Margarete Bause (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sowie bei Abgeordneten der FDP) Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Rahile Dawut, 52, international bekannte Professorin, inhaftiert, Die Bundesregierung hat in Genf deutliche Kritik ge- weil sie zur Kultur der Uiguren forscht. Perhat Tursun, äußert. Das begrüßen wir ausdrücklich, aber dabei darf 49, prominenter Schriftsteller, inhaftiert, weil er sich es nicht bleiben. in seinem Werk mit uigurischen Traditionen beschäf- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, tigt. Ilham Turdi, Architekt, inhaftiert, weil er mit einer bei der CDU/CSU und der FDP) US-Bürgerin verheiratet ist. Erfan Hezim, 19, erfolgrei- cher Fußballer, inhaftiert, weil er mit seinem Fußballver- Deshalb fordern wir: Setzen Sie sich gegenüber Peking ein im Ausland war. Muyesser Muhemmet, 37, Mutter dafür ein, erstens, dass die Lager geschlossen werden, von drei Kindern, inhaftiert, weil sie die kasachische zweitens, dass unabhängige Beobachter und Journalisten Staatsbürgerschaft beantragen wollte. sich vor Ort ungehindert ein Bild von der Lage machen können. Nutzen Sie drittens alle internationalen Möglich- Kolleginnen, Kollegen, das sind nur einige Namen von keiten und Instrumente zur Aufklärung und Ahndung der schätzungsweise 1 Million Menschen, die in Xinjiang, Menschenrechtsverbrechen. Prüfen Sie viertens Sanktio- im Nordwesten Chinas, willkürlich, ohne Haftbefehl, nen gegen Unternehmen, die an Unterdrückungsmaßnah- ohne Gerichtsverfahren, ohne Kontakt zu Rechtsanwalt men in Xinjiang beteiligt sind. Und sorgen Sie fünftens oder Familie in einem Internierungslager eingesperrt dafür, dass uigurische Geflüchtete hier Schutz und Asyl sind. Ihre Heimat Xinjiang oder Ostturkestan hat sich für erhalten, ohne Wenn und Aber. die Uiguren und zunehmend auch für die Kasachen in einen Lagerstaat verwandelt, eine „no-rights zone“, ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gebiet der Rechtlosigkeit, wie die UN im August die- sowie bei Abgeordneten der SPD und der ses Jahres in ihrem Bericht festgestellt hat. Die Berichte LINKEN) von Human Rights Watch, den Vereinten Nationen und unabhängigen Forschungsstellen haben die Weltöffent- In den letzten Wochen konnten wir feststellen: Der lichkeit aufgeschreckt. Die UN-Hochkommissarin für Druck von außen lässt die chinesische Regierung nicht Menschenrechte, Michelle Bachelet, nennt die Lage in völlig kalt. Das einzige Mittel, das Wirkung zeigt, ist Xinjiang „zutiefst erschütternd“. Das Europaparlament nicht die Ermahnung im stillen Kämmerlein, sondern die Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6939

Margarete Bause (A) deutliche und öffentliche und mit anderen Ländern koor- in China erfahren hat. Mehr als 1 Million Uiguren – Frau (C) dinierte Kritik. Bause hat es angesprochen – werden dort interniert. Die Zahl wird noch einmal bedrückender, wenn man sie her- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterbricht. In dieser Provinz Chinas leben 10 Millionen und bei der FDP) Uiguren. Über 1 Million – vielleicht sind es 1,3 Millio- nen – sind interniert, das heißt, ungefähr 10 Prozent der Vizepräsidentin Petra Pau: Uiguren. Auf Deutschland übertragen wären das 8,2 Mil- Kollegin Bause, kommen Sie bitte zum Schluss. lionen Menschen, die interniert wären. Das entspricht der Größe von Niedersachsen – damit man eine Dimension von dem hat, was dort passiert. Margarete Bause (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, mein letzter Satz. – Peking mag Menschenrech- Menschen werden dort ohne richterlichen Beschluss te der wirtschaftlichen Entwicklung unterordnen. Für hinter Mauern und Stacheldraht festgehalten, in La- Deutschland und für Europa muss gelten: Menschen- gerkleidung und von Bewaffneten beaufsichtigt. Wir rechte sind nicht verhandelbar. haben gestern, Frau Kollegin Bause, gemeinsam mit Aktivisten, mit Uiguren gesprochen, die uns berichtet (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, haben von Willkür, Isolation, Trennung von Familien. bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Künstliche Intelligenz wird eingesetzt. Diese Lager – das kann man auch sagen – sind zu Versuchslabors der chi- Vizepräsidentin Petra Pau: nesischen Hightechindustrie geworden. In den Lagern Das Wort hat der Abgeordnete Michael Brand für die gibt es Überwachung 24 Stunden lang, bei Träumen wird CDU/CSU-Fraktion. geweckt und diejenigen werden zur Rede gestellt, um festzustellen, ob die Gehirnwäsche denn wirklich funkti- (Beifall bei der CDU/CSU) oniert hat. Häuser außerhalb werden mit QR-Codes aus- gestattet, damit Sicherheitskräfte die Informationen, die Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU): gesammelt wurden, sofort auf einen Blick bekommen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist die Perfektion des brutalen Überwachungs- und Kontrollstaates. Tragt Chinas Stimme überall hin. Man muss dem Westen die globale Diskursmacht streitig machen. Wenn man sich anschaut, dass die chinesische Füh- rung erst vor kurzem die Existenz nicht mehr leugnen So zitiert Kai Strittmatter, einer der besten China-Ken- konnte, ist die heutige Antwort der Offiziellen umso per- ner Deutschlands, der aus Peking berichtet, den Chef der (B) fider und zynisch. Man gesteht ein, es gibt solche Orte, (D) Kommunistischen Partei Xi Jinping. Das tut er in dem aber die, die dort interniert sind, sind „Nutznießer“ ei- gerade neu erschienenen Werk „Die Neuerfindung der nes angeblich „kostenlosen Berufsbildungsprogramms“. Diktatur – Wie China den digitalen Überwachungsstaat Dank des „Fortbildungsprogramms“ seien die „Auszu- aufbaut und uns damit herausfordert“. bildenden nun in der Lage, ihre Fehler zu erkennen“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau darum geht Wer anderes behauptet, betreibt angeblich Propaganda; es: Die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang haben es seien nur Missverständnisse, oder man würde eine an- etwas mit uns hier zu tun, und sie fordern uns hier. tichinesische Agenda verfolgen. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung gibt es brutale Repression und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Menschenrechtsverletzungen. Im Übrigen: Schon der bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Kontakt zu Freunden und Verwandten im Ausland oder GRÜNEN) regelmäßiges Beten reichen aus, um interniert zu werden. Sie fordern uns deswegen hier, weil wir kapieren Der lokale Regierungschef ist so weit gegangen, die müssen, dass es China nicht allein um wirtschaftliche Lager als Maßnahme „zum Schutz der Menschenrechte“ Dominanz geht, sondern um eine Herausforderung des zu bezeichnen. Ja, es ist so: Das Schweigen des Westens freiheitlichen westlichen Systems. Mit neuen Abhängig- ist angesichts ernstzunehmender Berichte über Umerzie- keiten versucht China, Länder gefügig zu machen, um hungs- und Zwangsarbeitslager sowie über Organhandel auch auf internationaler Ebene und bei internationalen und den Tod auf Bestellung ziemlich laut. Das Schwei- Organisationen kritische Stimmen verstummen zu las- gen ist ziemlich laut! Wahr ist auch: Deutschland gehört sen. Die EU braucht auch eine Strategie beim Thema zu den wenigen Ländern in der Europäischen Union, die „Neue Seidenstraße“, vor allem wegen ihrer langfristi- offen Kritik äußern. Aber ich will schon sagen: Das wird gen wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen auf nicht reichen. Europa. China macht mit neuen und verfeinerten Metho- den im eigenen Land Repression im Jahr 2018 zu einer (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ Negativ-Perfektion. DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unerschrocke- Das wird im Übrigen auch nicht vor dem UN-Men- nen Menschenrechtsaktivisten zu verdanken oder NGOs, schenrechtsrat reichen. Ich begrüße, was die Bundesre- wie zum Beispiel der Gesellschaft für bedrohte Völker, gierung dort vor zwei Tagen vorgetragen hat; man hat der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte oder ja für dieses Statement nur eine Minute Zeit. Aber, ich Human Rights Watch, dass die Welt überhaupt von der glaube, wir müssen neue Zeiten im Umgang mit China Existenz der Internierungslager in der Provinz Xinjiang einläuten, nämlich deswegen, weil ein Menschenrechts- 6940 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Michael Brand (Fulda) (A) dialog, den wir ja nur mit China führen, seit über einem Jürgen Braun (AfD): (C) Jahr überhaupt nicht stattfindet. Dass er jetzt im Dezem- Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Ihr Antrag, lie- ber stattfinden soll, finde ich prima. Aber ein Menschen- be Grüne und Grüninnen, war erst gestern Nachmittag rechtsdialog darf nun wirklich nicht zu einem Feigenblatt verfügbar. War das nur Schlamperei, oder steckt Absicht werden; denn bislang wird in den letzten Jahren Kritik dahinter? Reflexartig wird über die AfD hergezogen, zwar geäußert, aber es gibt keine Konsequenzen. Liebe wenn auch nur eine Verzögerung behauptet wird. Aber Kolleginnen und Kollegen, Dialog ohne echte Konse- die Regeln gelten hier im Haus offenbar nicht für alle quenzen ist wirkungslos. gleichermaßen. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem (Beifall bei der AfD) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- geordneten der SPD) Es gibt Fraktionen, die nehmen sich heraus, was sie wol- len. Das gilt für die Grünen wie für die SPD. Wenn die stille Diplomatie im Falle Chinas angeb- lich so zielführend ist, dann muss man schon die Fra- (Frank Schwabe [SPD]: Zur Sache, Herr ge stellen, warum eigentlich die Menschenrechtslage Braun!) in China immer dramatischer wird. Deswegen will ich Herr Schulz kann pöbeln, wie er will, Herr Kahrs pöbelt abschließend sagen: Wir und auch ich beurteilen diesen sogar noch mehr, auch im Ältestenrat. Antrag der Grünen, der mit vielen Fakten und viel Em- pathie verfasst worden ist, als einen guten Antrag. Ich (Frank Schwabe [SPD]: Reden Sie doch mal will ausdrücklich anbieten – wir als CDU/CSU haben im zum Thema, wenn Sie etwas zu sagen ha- Menschenrechtsausschuss unser Schwerpunktthema für ben! – Margarete Bause [BÜNDNIS 90/DIE das nächste Halbjahr festgelegt: „Religionsfreiheit: Die GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal was zur Sa- Menschenrechtslage religiöser Minderheiten in China“; che! – Zuruf von der CDU/CSU: Thema!) der Religionsbeauftragte der Bundesregierung ist bei der Natürlich müssen die Grünen wieder ihre ideologische Debatte heute auch dabei –, vielleicht einen fraktions- Weltsicht anbringen. übergreifenden Antrag zu formulieren. (Frank Schwabe [SPD]: Richtig, sind ja Mos- Vizepräsidentin Petra Pau: lems!) Herr Kollege. In Ihrem Antrag trifft man sofort auf die schlimmste Sprachverhunzung: Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU): (Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Das sagt der (B) (D) Ich glaube, wir müssen neben der dramatischen Lage Richtige!) der Uiguren auch die Lage der Tibeter, der Kasachen, der Mongolen, weiterer Turkvölker und die religiösen Min- „Uiguren und Uigurinnen“, zweite Zeile, „Kasachen und derheiten, also die Buddhisten, die Muslime, die Chris- Kasachinnen“, dritte Zeile. ten, einbeziehen. (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Kein Ich will schließen mit dem Zitat einer Wissenschaft- Wort über das Thema Menschenrechte! Das lerin, die mir heute zu dieser Debatte gemailt hat. Sie ist ja bitter! Mein Gott! – Frank Schwabe ist deutsche Staatsbürgerin, keine Uigurin, die sich mit [SPD]: Mensch, reden Sie doch zum Thema!) China beschäftigt und aus Angst ihren Namen nicht ver- Ihr Antrag tut schon beim Lesen weh. öffentlicht wissen will. (Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem Vizepräsidentin Petra Pau: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das können Sie gerne tun, Sie sprechen aber inzwi- Als ob es nicht klar wäre, dass auch Frauen inhaftiert schen auf Kosten der Redezeit Ihrer Kollegen. werden. (Frank Schwabe [SPD]: Frau Präsidentin, es Michael Brand (Fulda) (CDU/CSU): wird nicht zum Thema geredet!) Sie schrieb – das ist mein letzter Satz –: „Wer sein Gesicht nicht verlieren möchte, soll auch keinen Anlass Mit Ihren Sprachverhunzungen erklären Sie die deut- zu Gesichtsverlust geben.“ schen Bürger für blöd. Vielen Dank. (Beifall bei der AfD – Frank Müller-Rosentritt [FDP]: Das ist widerlich! – Dr. Daniela De (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Ridder [SPD]: Das ist wirklich beschämend, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- Herr Braun!) geordneten der FDP) Ein kommunistisches Gewaltregime tritt in der Regi- Vizepräsidentin Petra Pau: on Xinjiang im Nordwesten Chinas die Menschenrechte mit Füßen. Es wäre schön gewesen, wenn Sie in Ihrem Das Wort hat der Abgeordnete Jürgen Braun für die Antrag nicht nur lamentieren, sondern Ross und Reiter AfD-Fraktion. nennen würden. Kommunisten sind es, die in ganz China (Beifall bei der AfD) seit Generationen ein blutiges Unrechtsregime errichtet Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6941

Jürgen Braun (A) haben, die dort foltern und Menschen unter schlimms- Jürgen Braun (AfD): (C) ten Bedingungen einkerkern. Aber eine Partei, die von Wissen Sie, der Kollege Bystron ist bekannt für einen kommunistischen Funktionären wie Jürgen Trittin mitge- sehr deftigen Humor. gründet wurde, (Lachen bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, (Frank Schwabe [SPD]: Was? – Michael der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ist so pein- GRÜNEN) lich, so unterirdisch!) Und das sage ich mal ganz deutlich: Wir haben überhaupt ist auf dem linksextremen Auge eben blind. kein Interesse daran, an der Seite der Kommunistischen Partei Chinas zu marschieren, ganz gewiss nicht. Ganz (Beifall bei der AfD – Lachen bei der SPD, der gewiss nicht. LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: (Beifall bei der AfD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich!) Sie sind sich zu nichts zu dumm!) Sie haben doch Ihre alten maoistischen Freunde in allen Die Umerziehungslager in China gibt es schon seit möglichen Bereichen Ihrer Parteien. Maos Zeiten. Natürlich müssen die Menschenrechtsver- letzungen in Xinjiang aufhören. Natürlich müssen wir (Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Wo genau tun, was wir können, damit das geschieht, aber bitte in haben Sie die ausgemacht?) ganz China: Zu den verfolgten Hauschristen müssten Sie schauen, zu den Künstlern, die nicht regimetreu sind, zu Bei den Linken und bei den Grünen gehört das doch mas- den Regimekritikern, die den Kommunismus in China siv dazu. Sie verharmlosen doch den Kommunismus auf satthaben. allen Feldern. (Zuruf von der SPD: Erwischt!) (Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Das tun wir doch!) Komisch, dass die Uhr bei meiner Antwort weiterläuft. Das finde ich ja interessant. Das ist sehr bemerkenswert, wenn ich das so feststellen darf. Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Braun, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Vizepräsidentin Petra Pau: (B) Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Müller-­ (D) Rosentritt? Herr Braun, die Uhr hat so lange gestanden, wie der fragende Kollege auch stand und Ihre Antwort entgegen- nahm. Jetzt bitte ich Sie, Ihre Rede fortzusetzen. Jürgen Braun (AfD): Bitte schön, Herr Müller-Rosentritt, gerne. Jürgen Braun (AfD): Danke schön, Frau Präsidentin. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN], an Abg. Frank Müller-Rosentritt [FDP] gewandt: Das verlängert nur seine Redezeit! Vizepräsidentin Petra Pau: Ich würde es nicht machen! Da kam ja bisher Ansonsten haben wir in der Zwischenzeit, wie sich das nichts! Worauf hoffen wir da?) gehört – auf Initiative auch der CDU-Fraktion –, die über- zogene Redezeit anderen Rednern aus der CDU-Fraktion entsprechend abgezogen. Es ist die Aufgabe des Präsidi- Frank Müller-Rosentritt (FDP): ums, hier die Ordnung, wie sie verabredet ist, entspre- Vielen Dank. Ich entscheide das selbst. – Sehr geehr- chend aufrechtzuerhalten. Ich bitte, jetzt in der Sache ter Kollege, wenn das alles so schlimm ist in China, wie weiter zu diskutieren und nicht über solche Dinge. Sie das beschreiben, wie erklären Sie sich dann die Aus- sage Ihres Kollegen Petr Bystron in der deutsch-chinesi- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schen Parlamentariergruppe, der vor kurzem gegenüber NEN]: In der Sache wäre ganz gut!) den Chinesen sagte: Seien Sie versichert, liebe Kollegen aus China, wir marschieren Seit’ an Seit’ im Gleichschritt Jürgen Braun (AfD): mit Ihnen gemeinsam in die Zukunft. Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass ich wieder das Wort habe. (Lachen bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Was Sie vor allem versäumen, das ist der Blick auf GRÜNEN – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: den illegalen Organhandel. Ich spreche konkret von der Mit Kommunisten? Das ist krass! – Britta massenhaften Organentnahme bei Häftlingen, die eigens Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: zum Zweck des Organraubs in Lager gesperrt werden. Wie peinlich!) Auch den übrigen Fraktionen waren diese grauenvollen 6942 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Jürgen Braun (A) Menschenrechtsverletzungen in den letzten Jahren kein recht. Dann arbeiten Sie auch mit antijüdischen Kreisen (C) Antrag wert. zusammen. Es gibt ihn eben, den versteckten Linksextre- mismus in der SPD, von dem Herr Maaßen spricht. (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Ich habe das doch gerade angesprochen! Das ist (Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der doch gelogen! Das ist so was von primitiv!) SPD – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Peinlich Ihre Rede! Peinlich!) Wer den Kommunismus in China satthat, dessen Leib und Leben ist in Gefahr. Von 60 000 bis 100 000 ille- galen Transplantationen sprechen Menschenrechtler. Be- Vizepräsidentin Petra Pau: stätigt wird diese grausige Zahl auch durch einen offizi- Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Frank ellen Bericht des amerikanischen Kongresses von 2016. Schwabe das Wort. In China werden Falun-Gong-Anhängern und anderen (Beifall bei der SPD) Gefangenen weiterhin Organe entnommen, und das teil- weise ohne Narkose. Wo war in all den Jahren Ihr Antrag zum Thema Organhandel, zum Thema der massenhaften Frank Schwabe (SPD): Verstümmelung und Ermordung von Falun-Gong-An- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! hängern? Wo waren Sie? Ich habe nur darauf gewartet, zu sprechen, aber eigent- lich haben Sie recht: Man sollte nichts dazu sagen. Es (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE ist nämlich immer dasselbe: Am Ende war es immer der GRÜNEN]: Sagen Sie doch einmal einen Satz Moslem. Das ist eine ziemlich einfache Weltsicht, die Sie zur Sache! – Frank Schwabe [SPD]: Kann er haben, egal wie gepeinigt die Menschen sind. Das hat mit nicht, sind ja Moslems!) Menschenrechten – – Es ist nichts dagegen einzuwenden, sich für verfolgte (Karsten Hilse [AfD]: Die SPD!) Moslems einzusetzen, aber andere Minderheiten, die un- terdrückt werden, interessieren Sie nicht so sehr. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir haben einen Men- schenrechtsausschuss des Bundestages. Ziehen Sie doch (Frank Schwabe [SPD]: Sondern welche einfach Ihre Leute ab; denn mit Menschenrechten hat das Minderheiten interessieren uns?) nichts zu tun, was Sie hier machen, sondern mit dem ge- Sie haben offenbar ein besonderes Interesse am Islam. nauen Gegenteil davon. (Beifall bei der AfD – Dr. Daniela De Ridder (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der [SPD]: Immer die gleiche billige Polemik!) LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (B) Sollten nicht besser die Menschenrechte Ihr Maßstab (D) sein, also die der Uiguren, aber eben auch von Tibetern, Wir erleben weltweit leider einen Wettbewerb der per- Christen, Demokraten? Ihr einseitiges Engagement muss fidesten Menschenrechtsverletzungen. Es gibt zahlreiche einem Anhänger von Falun Gong oder einem demokra- Beispiele, und in der Tat: China ist einer der Paradestaa- tisch gesinnten chinesischen Studenten wie Hohn vor- ten – das muss man leider sagen –, und zwar in negativer kommen. Sie greifen sich ein spezielles Problem heraus: Art. Man könnte über vieles reden, zum Beispiel darü- das der Moslems. Warum nur die? ber, dass China bei der Zahl der verhängten Todesstrafen weltweit auf Platz eins steht. Wir könnten über die Be- (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf richte zum Organhandel und zur Organentnahme reden. von der SPD: Es ist wirklich widerlich!) Wir könnten diskutieren über die Unterdrückung freier Ein Wort an die SPD zum Thema Menschenrechte. Medien, über das Internet, über soziale Medien, über den Die SPD ist im Übrigen, was Menschenrechte angeht, Überwachungsstaat, über das, was in Tibet passiert. völlig orientierungslos. Das, was in Xinjiang passiert, was den Uiguren, im (Lachen der Abg. Dr. Daniela De Ridder Übrigen auch Kasachen und Kirgisen passiert, das setzt [SPD]) dem Ganzen allerdings die negative Krone auf. Ich will mich bei den Grünen bedanken, dass sie das Thema auf Da sollte nächsten Montag der Menschenrechtspreis der die Tagesordnung gesetzt haben; denn das gibt uns die SPD-Stiftung, bekanntermaßen benannt nach dem gro- Gelegenheit, darüber zu reden. Ich konnte es zuerst nicht ßen Friedrich Ebert, an die antisemitische und antiisra- glauben, als ich gelesen habe, dass Hunderttausende, elische Organisation Women’s March vergeben werden. vielleicht 1 Million Menschen in Umerziehungslagern (Frank Schwabe [SPD]: Damit kennen Sie sind. Vielen Dank an Human Rights Watch und andere, sich ja gut aus, Herr Braun!) die darüber entsprechend berichten. Es ist mittlerweile sogar regierungsamtlich von China bestätigt, allerdings Das sind verfassungsfeindliche Kräfte, das sind Ihre mit dem zynischen Begriff eines Berufsbildungszent- Freunde. rums versehen. (Beifall bei der AfD – Dr. Daniela De Ridder Wir hatten die Debatte über Religionsfreiheit erst vor [SPD]: Wer im Glashaus sitzt, Herr Braun, kurzem hier geführt. Es ist schön, dass der Beauftrag- sollte nicht mit Steinen werfen!) te für weltweite Religionsfreiheit heute bei uns ist. Wir Wenn es gegen den frei und demokratisch gewählten haben festgestellt, dass das Recht, seine Religion auszu- Präsidenten Donald Trump geht, ist Ihnen jedes Bündnis üben oder auch nicht auszuüben, jeder Mensch auf der Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6943

Frank Schwabe (A) Welt hat. Deswegen haben auch muslimische Uiguren kenswerterweise klargestellt ist: Es darf kein Mensch aus (C) das Recht. Deutschland nach Xinjiang abgeschoben werden. (Beifall der Abg. Gyde Jensen [FDP]) Vielen Dank. Es kann nicht sein, dass der Koran verboten wird, dass (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP jemand, der einen Gebetsteppich hat, eigentlich schon und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie unter dem Verdacht des Terrorismus steht. bei Abgeordneten der LINKEN) Es gilt für China das, was für alle auf der Welt gilt: Minderheitenkonflikte löst man nicht durch Repression, Vizepräsidentin Petra Pau: sondern dadurch, dass man Menschen integriert, dass man Minderheiten Rechte gibt, dass man Transparenz Für die FDP-Fraktion hat nun Gyde Jensen das Wort. herstellt und dass man diejenigen stärkt, die für das fried- (Beifall bei der FDP) liche Zusammenleben in der Gesellschaft werben. Frau Kollegin Bause hat eine ganze Reihe von Men- Gyde Jensen (FDP): schen aufgezählt, die in Gefängnissen sind. Eine dieser Personen ist Professor Ilham Tohti, der sein ganzes Le- Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen ben darauf verwandt hat, zwischen den Chinesen und und Kollegen! China ist nicht irgendein Land; das haben den Uiguren Frieden zu stiften. Er sitzt jetzt leider im wir heute schon mehrfach gehört. Wir müssen, wenn wir Gefängnis. Wir sollten alle gemeinsam deutlich machen, über China reden, wissen, mit was wir es eigentlich zu dass dieser Mensch freigelassen gehört. Das ist unsere tun haben. China ist ein Land der Gegensätze: Große Ar- gemeinsame Forderung an China. mut steht entgrenztem Reichtum gegenüber. Viele Men- schen auf dem Land leben so wie wir vor 100 Jahren, und (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem andernorts wachsen die Megacitys aus dem Himmel. Es BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- ist ein Land, das in bipolaren Machtstrukturen denkt, in geordneten der CDU/CSU und der FDP) einem Mächtegleichgewicht zwischen der Volksrepublik Wenn man die Berichte von Human Rights Watch und den USA. Dazwischen ist Europa kein machtpoliti- liest, hat man den Eindruck, dass in Xinjiang eigentlich scher Faktor mehr. ein Freiluftgefängnis entstanden ist. Wir reden über ein- Es ist nicht übertrieben, zu sagen: China ist die größ- gezogene Pässe und keine Reisefreiheit. Wir reden über te Herausforderung, wenn es darum geht, die Idee der Straßenkontrollen, die Feststellung der DNA, über ex- Menschenrechte, die für jeden Einzelnen gleichermaßen (B) zessiven Kameraeinsatz, willkürliche Hausdurchsuchun- gelten sollten, zu verteidigen, und zwar nicht, weil wir (D) gen und – so absurd das ist – den Einsatz von Hausgerä- es mit einer kommunistischen Diktatur zu tun haben, ten, um Menschen zu kontrollieren. Auch das geht heute; sondern weil es prominente Nachahmer gibt – Russland, Kollege Brand hat darüber geredet, was da an Überwa- bald eventuell Brasilien –, die die liberale Weltordnung chungsmechanismen ausprobiert wird. vollends infrage stellen; Herr Brand hat es auch ange- Die Forderung ist klar: Wir wollen, dass China die sprochen. Die Achse der Illiberalen wächst in einer Welt, Kampagne einstellt, die in Xinjiang gefahren wird – an- die sich zunehmend in diejenigen unterteilt, die einem geblich, um gegen den Terrorismus vorzugehen. Wir wol- neuen Staatsautokratismus anhängen, und diejenigen, die len volle Transparenz. Wir wollen, dass alle UN-Men- sich der liberalen Demokratie verpflichtet fühlen. schenrechtsgremien Möglichkeit haben, in Xinjiang vor Ort zu sein. Wir wollen im Übrigen auch, dass eine De- China ist doch das beste Beispiel dafür, wie wichtig legation des Menschenrechtsausschusses des Deutschen freiheitliche Werte in einer digital vernetzten Welt sind. Bundestages dorthin fahren kann, (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN sowie der Abg. Margarete Schon heute gibt es einen staatlichen Benimmkata- Bause [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) log – wir haben es gehört –, eine gelenkte Staatserzie- hung, quasi eine „Stasi 4.0“. Das ist nichts anderes als und zwar mit dem Programm, das wir uns vorstellen. die Perversion liberaler Grundsätze, Grundsätze, für die die Menschenrechte seit 70 Jahren stehen. Das hätte sich (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Dafür George Orwell in „1984“ nicht besser ausdenken können. sollte sich die Bundesregierung mal einsetzen, Wir müssen da ganz klar sein: Eine Trennung von univer- ja!) sellen Werten und ökonomischem Profit ist die Kapitu- Wir wollen, dass die Lager geschlossen werden, und wir lation vor Chinas Staatskapitalismus, ein Freifahrtschein wollen die sofortige Freilassung aller politischen Gefan- für die Untergrabung der Menschenrechte. genen. Meine Damen und Herren, die Situation der Uiguren Zum Schluss vielleicht ein Hinweis an uns selbst. Ich ist symptomatisch für ein Land, das mit allen Mitteln musste mit Schrecken feststellen, dass wir Uiguren nach nach Macht strebt. China hat jahrelang über das Beste- China abgeschoben haben. Ich kann mir überhaupt nicht hen von staatlichen Umerziehungslagern gelogen, sie gar vorstellen, wie so was passieren konnte. Ich halte das Ausbildungslager genannt, auch gerade erst wieder – ich für einen Skandal. Es ist richtig, dass mittlerweile dan- war da – vor dem UPR, dem Universal Periodic Review, 6944 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Gyde Jensen (A) in Genf. Das ist eigentlich eine Frechheit, will man sa- getan wird. Das ist natürlich etwas, was wir nicht akzep- (C) gen. tieren können. Vor allem die hohe Zahl der Eingesperrten ist hierbei verstörend. Ich muss sagen: Wir müssen viel- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten leicht mit der Bundesregierung noch mal über die Zahlen der SPD und des Abg. Frank Heinrich [Chem- sprechen; denn die Bundesregierung hat im August noch nitz] [CDU/CSU]) von 100 000 Inhaftierten gesprochen, und wenige Wo- Menschen verschwinden einfach, ohne dass ihre An- chen später sprach Human Rights Watch von 1 Million. gehörigen und Freunde wissen, ob sie noch leben und wo Am Ende gilt aber: Jeder Einzelne – Frau Bause hat sie sich befinden. Millionen Uiguren werden in China – einige erwähnt, Herr Schwabe hat einen erwähnt –, der wie auch Tibeter und Mongolen – wie Menschen zweiter zu Unrecht oder unter unmenschlichen Bedingungen ein- Klasse behandelt. Diese Masseninternierungslager müs- gesperrt ist, ist einer zu viel. sen international angeprangert werden, und die Verein- ten Nationen müssen ungehinderten Zugang zur Region (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Xinjiang erhalten. Herr Brand hat es angesprochen: Wir neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ als Menschenrechtsausschuss wollen genau dorthin fah- DIE GRÜNEN und des Abg. Markus Grübel ren. Wir wollen nicht akzeptieren, dass wir als einziger [CDU/CSU]) Ausschuss keine Einladung der Chinesen bekommen. Ich Die aktuelle Debatte, die wir hier über Menschen- möchte gerne mit Ihnen, Vertreterinnen und Vertretern rechtsverletzungen in China führen, ist nicht die erste, des Ausschusses, nach China reisen. und es wird wahrscheinlich auch nicht die letzte sein. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Ich will deshalb einmal zurückschauen; denn es gab da der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ in den letzten Jahren schon eine gewisse Veränderung. DIE GRÜNEN) Ich bin im Jahr 2009 in den Bundestag gewählt worden. Da habe ich mir hier noch die Debatten über die Nach- Im neu aufgenommenen Menschenrechtsdialog mit wirkungen der Olympischen Spiele in Peking angehört. China müssen deswegen die Bundesregierung und auch Wenn man sich heute, zehn Jahre später, anschaut, wie die EU mehr Haltung zeigen, genau hinschauen und über Menschenrechtsverletzungen in China geredet wird, deutlich kritisieren. Hausarreste, Repressionen gegen dann erkennt man, dass die Welt nun eine andere ist. Da- Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, Um- mals haben viele von oben herab auf die Volksrepublik erziehungscamps und digitale Sozialüberwachung lassen geschaut. Heute hat man manchmal das Gefühl, dass es jede Bereitschaft zur Freiheit vermissen. Aber genau auf umgekehrt ist. diese Freiheit und auf einen klaren Wertekompass kommt es in einer vernetzten Welt an. Das hat auch Hintergründe: China ist inzwischen das (B) Land mit den meisten Milliardären weltweit – 609 sind (D) Wenn Europa für China kein Machtfaktor ist, wenn es. Es ist auch ein Land, das nicht nur die Oberschicht, wir nicht klarmachen, was wir bei der Umsetzung von sondern auch die Mittelschicht aus der Armut geholt hat. Menschenrechten erwarten, dann droht Europa im bipo- Viele Menschen, die vorher in bitterer Armut gelebt ha- laren Spiel der Mächte zerrieben zu werden. Das können ben, leben jetzt dort besser. Es gibt in China einen riesi- wir hier nicht hinnehmen, das kann der Deutsche Bun- gen Wirtschaftsaufschwung. All das darf uns aber nicht destag nicht hinnehmen; denn Multilateralismus muss dazu verführen, auf diesem Auge blind zu sein. auf gemeinsamen Werten aufbauen, Menschenrechte müssen immer Teil der Lösung sein. Nur mit einer wer- (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. tefesten Europäischen Union können wir diese Aufgabe Dr. Daniela De Ridder [SPD] und Sylvia Kot- bewältigen und globale Regeln gestalten. ting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Herzlichen Dank. Unsere gemeinsame Kritik an den Entwicklungen in der Volksrepublik China ist allerdings nur glaubwürdig, (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD wenn wir mit einem Maß messen. Ich weiß, dass der und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Menschenrechtsausschuss das tut. Aber ich will an der der Abg. Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]) Stelle noch mal sagen: Wenn vermeintliche Islamisten in Guantánamo eingesperrt und gefoltert werden, wenn Vizepräsidentin Petra Pau: Sinti und Roma in Mitgliedstaaten der Europäischen Das Wort hat der Kollege Stefan Liebich für die Frak- Union verfolgt werden, wenn Schwule in Russland ver- tion Die Linke. folgt werden, dann ist das genauso schlimm wie die Ver- folgung von Muslimen und anderen in der Volksrepublik (Beifall bei der LINKEN) China; denn der Kampf für Menschenrechte ist unteilbar.

Stefan Liebich (DIE LINKE): (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Willkürliche Verhaftungen, Waterboarding, Schlafent- Nun weiß ich – viele von Ihnen, die schon mal in Chi- zug, Isolationshaft, Kontaktverbot zur Familie, so etwas na waren, wissen es vielleicht auch –, dass die Angst vor darf es nirgends auf der Welt geben. Wir haben Berichte Instabilität und Chaos in China real ist. Das ist nicht ein- von Human Rights Watch erhalten – wir haben hier da- fach Propaganda der Regierung. Es sind tatsächlich Din- rüber gesprochen –, nach denen genau so was 1 Million ge auch geschehen, über die wir auch sprechen müssen: Menschen in einer chinesischen Provinz, in Xinjiang, an- Es sind Hunderte Menschen umgebracht worden von Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6945

Stefan Liebich (A) Terroristen mit zum Teil islamistischem Hintergrund auf Viele Menschen in unserem Land wissen, glaube ich, (C) einem Bauernmarkt, in Polizeistationen, und es sind Tau- gar nicht, was für Zustände dort herrschen. Deswegen sende von Islamisten aus dieser Region auch an der Sei- ist es gut und richtig, dass die Grünen heute diesen An- te des IS im Mittleren und Nahen Osten unterwegs. Das trag auf die Tagesordnung haben nehmen lassen. China sind alles schreckliche Entwicklungen, über die wir hier schreckt in Xinjiang vor nichts zurück: 1 Million Uigu- nicht schweigen dürfen. Und trotzdem: Alles das recht- ren sind eingesperrt in sogenannten „Umerziehungsla- fertigt keine flächendeckende Überwachung, Bespitze- gern“, interniert, Bürger zweiter Klasse – jeder zehnte lung, Lager und Folter. Verbrechen und auch Terrorismus Uigure! Die Behörden setzen polizeiliche, militärische, müssen mit rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt werden! geheimdienstliche Mittel als Repressalien ein. Die Denk- und Lebensweise der politischen Führung und damit der (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Kommunistischen Partei in China muss angenommen neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE werden. Modernste Datenüberwachung: mit GPS, Über- GRÜNEN) wachungs-Apps, mit Hightechüberwachung. Es werden Nun haben die Grünen hier einen Antrag gestellt. Vie- Verhaftungen vorgenommen ohne Prozess, psychische les finde ich im Grundsatz richtig – wir müssen darüber und physische Gewalt angewendet und Todesstrafen in im Ausschuss reden, und ich freue mich auch auf die De- zahlreicher Form ausgesprochen. batten –, aber es gibt auch Punkte, die ich nicht teile – die Und als wäre das nicht schlimm genug: Die Interna- will ich hier kurz benennen –: Ich nenne den Hinweis, tionale Gesellschaft für Menschenrechte berichtet darü- „alle … Hafteinrichtungen“ in Xinjiang „zu schließen“ ber hinaus, dass insbesondere zum Tode Verurteilte oder und alle „inhaftierten Personen sofort und bedingungslos Gefangene aus Gewissensgründen, politische Gefange- freizulassen“; darüber müssen wir vielleicht noch mal re- ne – das sind vor allem die Uiguren, leider aber auch die den. Ich teile auch nicht die Forderung, dass wir uns nun Tibeter, Mitglieder der christlichen Hauskirchen, Kasa- an der Seite von Kasachstan und der Türkei gegenüber chen, Falun Gong – in großer Anzahl getötet werden, um China für den Schutz von Minderheitenrechten einsetzen ihre Organe verkaufen zu können. „Die Welt schaut bei sollten. Also, ausgerechnet an der Seite der Türkei und Organraub zu!“, so titelt der Beitrag auf der Internetsei- der kasachischen Autokratie, das finde ich nun wirklich te der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. absurd. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein unerträgli- (Beifall bei der LINKEN) cher Zustand in Xinjiang! Trotz dieser Kritik: Ich finde, der Antrag ist eine gute (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Grundlage für die Debatte, auf die ich mich sehr freue. SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (B) Ich bin mir sicher, dass alle in diesem Haus – außer der (D) AfD – der Auffassung sind, dass Menschenrechte univer- Wir müssen dies auf internationaler Ebene thematisie- sell sind. ren. Die Europäische Union hat das ja schon gemacht im (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Jahr 2013, die Amerikaner in 2016. Aber gerade Deutsch- neten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und land als starker Handelspartner von China und als starke des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Industrienation muss hier ein Zeichen setzen gegen die „Umerziehungslager“ und gegen die Menschenrechts- verletzungen, die in dieser Region immer weiter zuneh- Vizepräsidentin Petra Pau: men, gerade in den letzten Monaten extrem zugenommen Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege haben. Sebastian Brehm das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der CDU/CSU) ordneten der SPD, der FDP und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN) Sebastian Brehm (CDU/CSU): Auch unser Vorgehen gegen illegalen Organhandel Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! müssen wir noch stärker in den Vordergrund stellen. Des- Jeden Tag erreichen uns Meldungen über schwere Men- wegen möchten wir bitten, den Antrag an den Menschen- schenrechtsverletzungen aus den unterschiedlichen Re- rechtsausschuss zu überweisen, um auch die Aspekte gionen der Welt. Aber was uns aktuell aus China erreicht, noch in den Antrag mit einzubringen, die derzeit noch macht uns fassungslos: Neben den bereits bekannten fehlen. Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Tibetern und den Christen werden die Meldungen von Human Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir ha- Rights Watch und der UN über Menschenrechtsverlet- ben jetzt einen langen Sitzungstag und wir diskutieren zungen gegenüber den Uiguren immer schlimmer. viele Themen. Jedes Thema – Jahressteuergesetz und andere – hat seine individuelle Berechtigung, selbstver- Die autonome Region Xinjiang im Westen Chinas ist ständlich. In der letzten Woche haben wir über Religi- die Heimat von 10 Millionen Uiguren. Schon lange sind onsfreiheit als Grundpfeiler der Menschenrechte disku- die Uiguren der chinesischen Staatsführung ein Dorn im tiert. Wenn wir nun hören, dass Menschen als lebende Auge – natürlich: weil große Vorkommen von Erdöl, Organspender benutzt werden, dann ist dies mit unserem Kohle, Gold, Uran, Erdgas in dieser Region sind und des- christlichen Menschenbild, mit unserem Grundverständ- wegen diese Region von großer strategischer Bedeutung nis von Menschenrechten nicht vereinbar. Deswegen ist. Die Menschenrechte spielen dabei keinerlei Rolle. ist die heutige Debatte ein wichtiger Beitrag, um dieses 6946 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Sebastian Brehm (A) Thema wieder mehr in die Öffentlichkeit zu rücken, um – Ja, natürlich! Natürlich! Sie haben kein Recht auf ei- (C) auch ein deutliches Zeichen von Deutschland aus zu set- gene Fakten! zen. Deswegen danke ich Ihnen und freue mich auf die Diskussion im Ausschuss, dass wir auch hier noch mal (Lachen des Abg. Jürgen Braun [AfD]) Nachdruck verleihen können. Ich will nur sagen: Als ich ein Kind war, galt China als Herzlichen Dank. Land des Lächelns. Wenn Sie jetzt glauben, das lächer- lich machen zu können, dann sind Sie falsch gewickelt, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Herr Braun. ordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und des Abg. Frank Schwabe (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der [SPD]) Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Petra Pau: China ist ein Land der Widersprüche, ja; darauf wur- Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Dr. Daniela de bereits verwiesen. Ich finde es hochinteressant – auch De Ridder das Wort. Frau Jensen hat das ja schon angemerkt –, dass wir dort auch ganz interessante Entwicklungen, beispielsweise in (Beifall bei der SPD) Richtung des Arbeitsschutzgesetzes schon 2008 oder im Bereich des Umweltschutzes haben erleben können. Aber Dr. Daniela De Ridder (SPD): die Menschenrechtsverletzungen, sie wiegen schwerer, Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und das dürfen wir den Chinesen, gerade wenn sie unsere und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Freunde sind, auch gerne mit an die Hand geben. Vor allem: Liebe Frau Bause! Herzlichen Dank für die- sen Antrag. Der Zeitpunkt könnte nicht besser gewählt (Beifall der Abg. Gyde Jensen [FDP]) sein als mit dem heutigen Abend; denn wir befinden uns Aber, Frau Bause, es gibt auch Hoffnung. Sie ha- quasi am Vorabend der Reise des Außenministers nach ben heute vielleicht gelesen, dass das BAMF sich sehr China. Ich selber und der Kollege Kiesewetter, der jetzt deutlich positioniert hat – sicher auch auf Ihre Anre- leider nicht hier sein kann, haben die Gelegenheit, ihn gung hin – und festgestellt hat, dass auch uigurisch zu zu begleiten. Allerdings wird auch Frau Weidel mitfah- sein ein Asylgrund sein kann und sein muss und dass die ren, und ich bin sehr gespannt. – Herr Braun, Sie sind ja Abschiebungen der Uiguren nach China deshalb einge- wieder da. Haben Sie Ihr Interview für Ihre Social-Me- stellt werden müssen. Ich finde, es ist wirklich wichtig, dia-Kanäle möglicherweise schon hinter sich gebracht? (B) das an dieser Stelle noch einmal deutlich zu machen. (D) (Jürgen Braun [AfD]: Ich bin die ganze Zeit Das BAMF empfiehlt auch ganz dringend, die Uiguren hiergeblieben!) wegen der Lage ihrer Menschenrechte noch einmal sehr viel ernster zu nehmen und den Abschiebestopp hier auch – Dann nehmen Sie doch bitte Platz. Ich würde mich entsprechend zu würdigen. freuen, wenn auch Sie zuhören würden. – Frau Weidel wird auf dieser Reise auch mitfahren. Ich hoffe, dass sie (Beifall des Abg. Frank Schwabe [SPD]) auf dieser Reise, Herr Braun, noch viel lernen wird über Humanität und nicht nur über die Unterdrückung von Das, finde ich, ist eine ganz wichtige und richtige Ent- Muslimen. wicklung, und das zeigt eben, dass wir Parlamentarier auf diese Geschehnisse auch Einfluss nehmen können. (Jürgen Braun [AfD]: Sie sollten schon bei der Wahrheit bleiben!) Was mich aber noch viel mehr beunruhigt – das hat keineswegs, Herr Braun, nur mit den Muslimen zu tun –, Ich würde mich auch freuen, in der Tat, Frau Jensen, ist das Scoring-System in China. Also, ich finde es un- wenn wir dann Gelegenheit haben, das zu thematisieren vorstellbar, dass Menschen benotet werden – klassifiziert und auch anzusprechen, dass der Menschenrechtsaus- und gar deklassiert werden –, wenn sie einer bestimmten schuss dort auch mit empfangen werden sollte. Glaubensrichtung angehören, (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE AfD) GRÜNEN) und deshalb auch diskriminiert werden – wenigstens da Dafür – das dürfen Sie mir abnehmen – werde ich mich haben wir eine Schnittmenge; das freut mich ja, es lässt ganz persönlich auch gerne verwenden. mich noch hoffen, Herr Braun. (Jürgen Braun [AfD]: Bitte bleiben Sie bei (Lachen bei Abgeordneten der AfD) der Wahrheit!) – Ach hören Sie doch auf, zu brüllen! Nur weil Sie laut Auch die wirtschaftliche Lage werden wir natürlich sind, haben Sie nicht recht, Herr Braun. auf dieser Reise besprechen müssen und können. Aber für uns in der SPD – lassen Sie mich das noch einmal (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des ganz ausdrücklich betonen – heißt es nicht nur „Wirt- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen schaft first, Bedenken second“, nein, wir haben dieses Braun [AfD]: Ja! Sie sagen die Unwahrheit!) alles zu formulieren, und gerade wenn China ein Han- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6947

Dr. Daniela De Ridder (A) delspartner von uns ist, dann müssen wir auch die Men- Damit verstößt die chinesische Regierung gegen ihre (C) schenrechtsfrage thematisieren. eigene Verfassung und Chinas eigene internationale Menschenrechtsverpflichtungen. Solch ein Verhalten, die (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Also eigenen Versprechen zu brechen, sollte uns doch eigent- wäre es gut, wenn der Außenminister auch lich an was anderes erinnern, was im Zusammenhang mit mal Menschenrechte macht!) China immer zur Sprache kommt. Wenn Sie, Frau De Ridder, dort unterwegs sind und es zu Gesprächen über Wir werden das mit Sicherheit tun. Lieber Kollege, ich wirtschaftliche Zusammenarbeit kommt – die darf es ja bin auch sehr dafür, dass Sie das mit aufnehmen. Ich gerne geben –, nehmen Sie bitte mit: Die Grundlage jeder denke, es besteht Einigkeit hier im Hause, dass das auch Wirtschaftsbeziehung basiert auf Vertrauen und Einhal- noch in den Menschenrechtsausschuss überwiesen wer- ten von Verträgen. Aber wenn die Grundlage fehlt, wa- den sollte, dass es dort thematisiert werden sollte. Ich rum sollten dann Betriebe sich entsprechend verhalten? mache Ihnen das Angebot, dass wir, die wir mitreisen auf Vielleicht sollten deshalb der Auswärtige Ausschuss, der dieser Fahrt, dann auch bei Ihnen in den Ausschuss mit Wirtschafts- und der Menschenrechtsausschuss mal en- eingeladen werden sollten. Vielleicht können wir dann ger zusammenarbeiten, vielleicht auch mal gemeinsam berichten, welches unsere Erfolge in diesem Gespräch nach China oder an einen anderen Ort fliegen, wo es sol- waren. che Zustände gibt. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP so- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- wie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. ten der CDU/CSU, der FDP und des BÜND- Margarete Bause [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Michael Brand NEN]) [Fulda] [CDU/CSU]: Der sollte uns auch mal mitnehmen, der Außenminister! Der ist auch Wir unterstützen von daher den Großteil der Forde- für Menschenrechte zuständig!) rungen, die Sie in dem Antrag vorbringen. Ganz beson- ders sollten wir den nichtständigen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat der UN dafür nutzen, uns gegen diese Vizepräsidentin Petra Pau: Menschenrechtsverletzungen einzusetzen. Wir sollten Das Wort hat Frank Heinrich für die CDU/CSU-Frak- uns umfassend – wir sagen das auch immer in der Ent- tion. wicklungspolitik – für sklavenfreie Lieferketten und Pro- dukte einsetzen, auch gegenüber Firmen (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. (B) Gyde Jensen [FDP]) (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Zum (D) Beispiel Volkswagen!) Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU): und in der Öffentlichkeit, und zwar vom Regierungs- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und handeln über unternehmerische Tätigkeiten bis hin zum Kollegen! Im Menschenrechtsausschuss kriegen wir eine Kaufverhalten der Kunden. ganze Menge mit. Und eine ganze Menge bringt uns tief zum Nachdenken über unsere Menschlichkeit auf dieser Und doch sollten wir den Antrag weiterfassen, eben Erde. Die Geschehnisse, die wir unter anderem in dem nicht nur auf die Region Xinjiang beschränken. Die kol- benannten Frühstück vorgestern gehört haben, machen lektiven Rechte werden in China konsequent über die uns zusätzlich sprachlos. Das ist Ohnmacht im Quadrat. individuellen Rechte gestellt. Eine Ermahnung Chinas sollte sich daher nicht nur auf diese Region beziehen, Dennoch freue ich mich, dass Sie die Debatte ange- sondern alle Menschenrechtsverletzungen einbeziehen – stoßen haben; zwei unserer Kollegen haben das schon und das nicht nur in einer Minute Vortrag vor dem Aus- gesagt. Ich fasse noch mal zusammen, wovon wir hier schuss in Genf. reden: Die chinesische Regierung setzt Uiguren we- gen ihrer Religionszugehörigkeit Terroristen gleich und (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. sperrt sie in Camps ein, sogenannten Umerziehungsla- Dr. Daniela De Ridder [SPD]) gern, die „Fortbildungszentren“ genannt werden. Diese Ich komme zum Schluss. Wir fordern, dass ungehin- wachsen; es waren über die letzten Jahre bis zu 1 Million derter Zugang gewährt wird, sich zu Menschenrechten Insassen. Dort werden Personen erzogen und transfor- bekannt wird und die benannten auch umgesetzt werden. miert – ohne Gerichtsverfahren. Schon ein Anzeichen Möglicherweise müssen wir das in der Zukunft zu einer für religiösen Extremismus, wozu bereits das Enthalten Bedingung für eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehun- von Alkohol zählt, kann einen dort in den Knast brin- gen machen. gen. Es gibt den Zwang, Schweinefleisch zu essen, den Zwang, Alkohol zu trinken; Sie wissen: Es sind Muslime. (Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder Es wird versucht, das Bewahren der eigenen Sprache zu [SPD]) unterdrücken, also sie zu verbieten. Selbst ein Traum – mein Kollege Brand hat es gesagt – kann gefährlich wer- Denn sonst machen wir uns am Schluss an den Verbre- den; denn wenn nachts mit den Kameras wahrgenommen chen und dem vergossenen Blut, vielleicht sogar an ei- wird, dass ich etwas geträumt habe, werde ich morgens nem kulturellen oder tatsächlichen Völkermord bei den zur Befragung gebeten. Uiguren mitschuldig. 6948 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Frank Heinrich (Chemnitz) (A) Danke schön. einer persönlichen Anhörung ab und hat auf der Grund- (C) lage eines standardisierten Fragebogens entschieden. Im (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Wege dieses Verfahrens erhielten dann 247 062 Men- FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- schen eine positive Entscheidung. Der Fall des Franco SES 90/DIE GRÜNEN) A. zeigt besonders deutlich, welche Fehleranfälligkeit eine solche Vorgehensweise hat: Franco A., Deutscher, Vizepräsidentin Petra Pau: Bundeswehrsoldat, erhielt als syrischer Flüchtling Aner- Ich schließe die Aussprache. kennung, obwohl er kein einziges Wort arabisch spricht und seine Identität und das Fluchtgeschehen völlig frei Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf erfunden waren. Drucksache 19/5544 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- Meine Damen und Herren, wir haben aus derartigen verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung Vorgängen gelernt. Unser Anspruch muss es sein, eine so beschlossen. hohe Qualität der Verfahren sicherzustellen. Das BAMF ist mit der neuen Führung in der Verwaltung gut aufge- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 sowie den Zu- stellt. Es sind organisatorische Veränderungen auf den satzpunkt 8 auf: Weg gebracht. Es findet nunmehr auch eine engmaschige 15. Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- Dienst- und Fachaufsicht statt. regierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Wichtig ist aber auch, dass wir den Entscheidern die Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes richtigen Instrumente und Befugnisse an die Hand geben. Drucksachen 19/4456, 19/4548 Während im Asylantragsverfahren wie selbstverständ- lich der Antragsteller zur Mitwirkung verpflichtet ist, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- gibt es im Verfahren auf Widerruf oder Rücknahme der ses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss) Entscheidung – das ist spätestens drei Jahre nach Unan- Drucksache 19/5590 fechtbarkeit der Anerkennung durchzuführen – bis heu- te keine entsprechende Pflicht. Ein stumpfes Schwert, ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- wenn sich der Anerkannte einfach wegducken kann und richts des Ausschusses für Familie, Senioren, sagt: Ich wirke nicht mit. Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem An- trag der Abgeordneten Roman Johannes Reusch, (Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Sehr rich- Dr. Gottfried Curio, Stephan Brandner, weiterer tig!) Abgeordneter und der Fraktion der AfD (B) Besonders deutlich wird die Untauglichkeit der bis- (D) Obligatorische Altersfeststellung unbegleite- herigen Regelung auch bei den krankheitsbedingten ter minderjähriger Flüchtlinge Abschiebeverboten. Nach der jetzigen Rechtslage ist es nicht möglich, nach Anerkennung bzw. der Feststellung Drucksachen 19/471, 19/5584 des Abschiebeverbots ärztliche Dokumente verbindlich Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen anzufordern. Die Behörde kann nur durch Zufall erfah- ein Änderungsantrag der Fraktion der AfD sowie ein Ent- ren, ob der Abschiebegrund „Krankheit“ entfallen ist. schließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Deshalb ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu begrüßen. Sinnvoll ist auch der Vorschlag des Bundesrats, Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für zum Zweck der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr die die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- Datennutzung zuzulassen. Auch die erkennungsdienstli- nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. che Behandlung ist wichtig, sofern nicht bereits im An- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abge- tragsverfahren die Identität gesichert worden ist. Auch ordnete Detlef Seif für die CDU/CSU-Fraktion. die Vorlage von Dokumenten ist entscheidend. Bis heute können wir das nicht verlangen. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, die Kritik der Linken, dass das Gesetz überflüssig ist und dass die bisherige Über- Detlef Seif (CDU/CSU): prüfung im laufenden Jahr nur in 0,7 Prozent der Fälle zu Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und einer Aufhebung geführt hat, ist aus meiner Sicht zwei- Kollegen! Nach zweiter und dritter Lesung werden wir fach falsch. heute das Dritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes beschließen. Es handelt sich um einen weiteren wichti- Erstens. Durch die Gesetzesänderung wird die Behör- gen Baustein einer Politik, die einerseits das Recht auf de gerade erst in die Lage versetzt, im Rücknahme- und Asyl und internationalen Schutz anerkennt, aber anderer- Widerrufsverfahren engmaschig zu prüfen und hierdurch seits dafür Sorge trägt, dass das Asylrecht nur den Men- weitere Fälle zu ermitteln, bei denen die Bewilligung schen zugutekommt, die auch tatsächlich verfolgt sind. nicht zutreffend ist, weil falsche Informationen über Identität, Staatsangehörigkeit oder das Fluchtgeschehen Je niedriger Sorgfalt und Prüfdichte im Asylverfahren zugrunde lagen. sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit von Fehl- entscheidungen. So sah das BAMF in den Jahren 2015 Zweitens. Die Linken, aber leider auch die Grünen, und 2016 bei syrischen und eritreischen Antragstellern argumentieren stets so, dass sie darauf hinweisen, dass es sowie bei irakischen Minderheiten grundsätzlich von um geringe Fallzahlen geht. Daraus schließen Sie: Dann Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6949

Detlef Seif (A) brauchen wir nichts zu tun; wir brauchen keine Maßnah- chen Behandlung im Widerrufsverfahren ebenfalls ein (C) men auf den Weg bringen. Einsehen hatte. Nun ist nämlich auch angedacht, die Fingerabdrücke von den Ausländern zu nehmen, die (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: zum Zeitpunkt der Widerrufsprüfung das 14. Lebensjahr Das stimmt gar nicht! Das habe ich in der An- vollendet haben. Und als ob das alles an Lob und Freude hörung genau anders gesagt, Herr Seif!) nicht reichen würde, hat die Bundesregierung auch noch Ich erinnere an dieser Stelle an die Argumentation im unsere Forderung übernommen, den Ermessensspiel- Zusammenhang mit der BAMF-Außenstelle , bei raum über die Ausübung des Verwaltungszwangs einzu- der Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunfts- schränken. Damit ist das BAMF künftig dazu angehal- staaten oder aber jetzt in diesem Fall bei der Rücknahme ten, den Verwaltungszwang als Regel zur Anwendung zu von Asylbescheiden. Ich vermisse das klare Bekenntnis – bringen und nicht nur als Ausnahme. AfD wirkt, meine Sie können es ja gerne nachholen –, dass der Schutz nur sehr verehrten Damen und Herren! den verfolgten Menschen zugutekommen darf. (Beifall bei der AfD) (Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Sehr rich- Jetzt bedarf es nur noch zweier kleiner Modifikati- tig!) onen, die glücklicherweise allesamt in unserem Ände- Ich vermisse die klare Aussage, dass auch Sie sich gegen rungsantrag zu finden sind, und dann besteht der Hauch den Missbrauch des Asylrechts durch unberechtigte Per- einer Chance, dass die zu bewältigende Aufgabe tatsäch- sonen aussprechen. lich erfolgreich gemeistert werden kann. Es sei denn, der nächste BAMF-Skandal ist gewünscht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜND- Folgendes kommt auf uns zu: Durch das Bundesamt NIS 90/DIE GRÜNEN]) wurden im Jahr 2016 insgesamt 369 Regelüberprüfun- gen durchgeführt. 2017 gab es immerhin schon 1 293 die- Eins muss doch klar sein: Das Asylrecht dient aus- ser Überprüfungen. In den Jahren 2018 und 2019 müssen schließlich dem Schutz von Menschen, die verfolgt sind. noch 550 864 Verfahren überprüft werden, und bis 2020 Ich sage Ihnen: Jeder Fall, den wir falsch entscheiden, stehen insgesamt 773 000 Überprüfungen an. Obwohl (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: mangels Mitwirkungspflicht – die gibt es ja bisher noch Falsch hat das BAMF entschieden, nicht die nicht – 66 Prozent der angeschriebenen Ausländer nicht Leute!) reagieren, wurden immerhin 349 Widerrufs- und Rück- nahmeentscheidungen getroffen. Um diese Herausforde- jeder Fall, in dem wir einem Menschen Schutz zuspre- rung zu bewältigen und die Widerrufsüberprüfung auch (B) chen, der kein Schutz- oder Asylrecht verdient hat, ist ernsthaft und effektiv durchführen zu können, bedarf es (D) ein Fall zu viel. Er sendet das falsche Signal in unsere nicht nur einer Mitwirkungspflicht für die Betroffenen, Gesellschaft. sondern auch einer angemessenen Sanktionierungsmög- Vielen Dank. lichkeit. Der Verwaltungszwang ist eben nur ein Werk- zeug und keine Strafe. Ich bitte, das nicht zu vergessen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Aus diesem Grund sollte ein Verstoß gegen die Mitwir- ordneten der FDP) kungspflicht mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet werden können. Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall bei der AfD) Das Wort hat der Abgeordnete Lars Herrmann für die AfD-Fraktion. Losgelöst davon geht es um weitere ganz praxisnahe Änderungen. Beispielsweise macht es mehr als nur Sinn, (Beifall bei der AfD) die Bundespolizei als zuständige Behörde in § 19 Asyl- gesetz mit aufzunehmen. Wer an dieser Thematik schon Lars Herrmann (AfD): mal praktisch Hand angelegt hat, wird kaum zu einem Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- anderen Ergebnis kommen. Die Realität sieht mittlerwei- ren! Eins vorweg: Ich werde den Begriff „Ausländer“ in le nämlich so aus, dass Ausländer eben nicht mehr an der meiner Rede verwenden. Ich meine ihn als Arbeitsbegriff Grenze festgestellt werden, weil es ganz einfach keine im Sinne des Asylgesetzes und des Aufenthaltsgesetzes; Grenzkontrollen mehr gibt – Stichwort: Schengen. das muss man heutzutage ja immer und immer wieder (Zuruf von der AfD: Stichwort: Merkel!) betonen. (Beifall bei der AfD – Dagmar Ziegler [SPD]: Tatsächlich werden diese eben erst im Inland festge- Steht das jetzt in jeder Rede? – Zurufe von der stellt, oder sie suchen von selbst die Dienststellen der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bundespolizei, insbesondere am Wochenende und zur NEN) Nachtzeit, an großen Bahnhöfen wie Hamburg, Köln, Berlin, und auf. Derzeit hat die Bun- Ich hatte bereits in der letzten Debatte zu diesem The- despolizei keine rechtliche Befugnis, die Ausländer nach ma die Bundesregierung gelobt, weil man eine eklatante dem Asylgesetz erkennungsdienstlich zu behandeln, und Lücke im Asylgesetz endlich schließen möchte. Ich freue darf diese noch nicht einmal auffordern, sich in die zu- mich auch heute wieder darüber, dass die Bundesregie- ständige Erstaufnahmeeinrichtung oder Ausländerbehör- rung bezüglich der nachträglichen erkennungsdienstli- de zu begeben. Stattdessen wird sich mit umständlichen 6950 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Lars Herrmann (A) und oftmals aufwendigen Amtshilfeersuchen beholfen Ich wollte heute aber – und ich bleibe meinen Prinzipien (C) und improvisiert. Deshalb sollte sich auch niemand treu – Furor und Empörung wundern, wenn ein Asylantragsteller schon beim ersten Gespräch mit einem BAMF-Mitarbeiter mit drei Alias­ (Zuruf von der AfD: Was so ungefähr das identitäten und zwei verschiedenen Fluchtgeschichten Gleiche ist!) aufschlägt. in der Frage der Integration zurückfahren. Ein weiterer praktischer Aspekt, für den Ihnen viele Gerade weil ich Sie aufgrund Ihrer Positionierung be- Mitarbeiter beim BAMF, beim BKA, bei der Bundes- sonders wertschätze, Frau Jelpke, muss ich gestehen, dass polizei und den Ausländerbehörden dankbar sein wer- ich mich besonders geärgert habe, dass Sie in der Debatte den, wenn wir es denn beschließen, ist die Anpassung über sichere Herkunftsstaaten heute Morgen ausführten, der erkennungsdienstlichen Behandlung im Asylgesetz. dass wir mit unserem Gesetzentwurf – ich zitiere – „eine Bisher dürfen nämlich nur Lichtbilder gefertigt und die eklatante Missachtung der Lehren aus der deutschen Ge- Abdrücke der zehn Finger genommen werden. Zu einer schichte“ begingen. Ich finde, soweit Sie für sich bean- vollständigen erkennungsdienstlichen Behandlung gehö- spruchen können, Lehren aus der Geschichte zu ziehen, ren jedoch auch die Abnahme der Handflächenabdrücke, können wir das auch tun. Wir können das sowohl zu dem eine vernünftige Personenbeschreibung, die Schuhgröße, Gesetzentwurf zu den sicheren Herkunftsstaaten tun, aber körperliche Merkmale usw. Auch das brächte eine enor- auch zu dem Gesetzentwurf, um den es jetzt hier geht. me Steigerung der Möglichkeiten zur Identifizierung von Ich denke, wir müssen uns nicht gegenseitig belehren, Asylantragstellern mit sich und wäre damit ein Beitrag wer die besseren Lehren aus der Geschichte zieht. Wenn zur Gewährleistung einer gesicherten Identitätsfeststel- jemand meint, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein, lung. Und auch hier könnte man eine effiziente Bearbei- ohne jeden Zweifel, ist mir das fremd. Ich nehme für uns tung ermöglichen, wenn man die Asylantragsteller nicht in Anspruch, dass wir auch Zweifel haben und dass wir dreimal hintereinander fingert, sondern alle beteiligten nicht immer alles richtig machen. Ich würde mich freuen, Behörden in einem Abwasch wunschlos glücklich ma- wenn wir auch in Fragen der Integration interfraktionell chen, indem man nur noch einen Fingerabdruckbogen zu dieser Haltung kämen. verwendet. Außerdem, meine sehr geehrten Damen und Herren, so eine erkennungsdienstliche Behandlung tut Unabhängig davon sind wir aber der Überzeugung, nicht weh – versprochen! dass dieser Gesetzentwurf ein guter ist. Wir sehen uns darin durch die Anhörung bestätigt. Manche mögen eine Vielen Dank. andere Interpretation haben. Die Anhörung hat uns aber gezeigt: Das ist ein vernünftiger Gesetzentwurf. Ein (Beifall bei der AfD) (B) solches Gesetz bedeutet in der Verwaltungspraxis kon- (D) kret Beschleunigung, aber – das ist ein nicht unerheb- Vizepräsidentin Petra Pau: licher Grund – eine solche Beschleunigung kann auch Der Abgeordnete Helge Lindh hat für die SPD-Frak- eine Zumutung darstellen; das ist gar nicht zu leugnen. tion das Wort. Sie bedeutet nämlich einerseits eine zusätzliche Belas- tung für die Betroffenen, kann andererseits aber auch (Beifall bei der SPD) eine Vereinfachung für die Betroffenen darstellen. Herr Mazanke aus Berlin hat das deutlich geschildert. In der Praxis sieht es dort nämlich so aus, dass viele Verfahren Helge Lindh (SPD): zur Erteilung von Niederlassungserlaubnissen oder zum Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten nicht Ich danke Ihnen, Herr Herrmann, erst einmal für Ihre weiterbehandelt werden können, weil Widerruf- und wiederholte Erläuterung Ihrer deskriptiven Nutzung des Rücknahmeverfahren nicht beendet werden können. Er Ausdrucks „Ausländer“. Darf ich daraus schließen, dass hat anschaulich dargelegt, dass durch dieses Gesetz eine Sie damit sagen wollen, dass Ihre Fraktionskollegen den Beschleunigung des Verfahrens möglich ist. Begriff standardisiert, normativ, diffamierend verwen- Wenn es uns gelingen kann, sowohl die Verwaltungs- den? Ich weiß es nicht; aber das könnte ja ein Schluss aus praxis zu verbessern als auch eine Verbesserung für die dieser Erklärung sein. Betroffenen herbeizuführen, die nichts befürchten müs- (Jürgen Braun [AfD]: Sie sprechen in Rät- sen, wenn sie glaubhafte und wahrhafte Angaben ge- seln, Herr Lindh!) macht haben, dann ist das, glaube ich, eine Leistung. Wir sollten also alle daran arbeiten, die Verwaltungspraxis zu – Ja, zu viele Fremdwörter, ich weiß. Das schadet Ihrem beschleunigen und auch in der Hinsicht Lehren aus der Deutsch. Vergangenheit ziehen. (Lachen des Abg. Jürgen Braun [AfD]) (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Linda Teuteberg [FDP]) Ich wollte mich eigentlich nicht ärgern. Ich tue es jetzt aber schon wieder. Ich habe mich besonders geärgert Wir haben auch Veränderungen vorgenommen, indem über Ihren Antrag zur Altersfeststellung. wir maßvoll die Ratschläge des Bundesrates in Bezug auf die Datennutzung und in Bezug auf die erkennungs- (Zuruf von der AfD: Einzelschicksal!) dienstliche Behandlung aufgenommen haben. Wir haben Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6951

Helge Lindh (A) sie aber nur insoweit aufgenommen, wie sie nicht über rum machen Sie dann das Gesetz, wenn es (C) das Ziel hinausschießen. keiner braucht?) Wir haben ebenfalls – auch das kann man deutlich Nein, wenn keine Verdachtsmomente und Argumente sagen, weil es sonst unehrlich wäre – in der Anhörung vorliegen, wird nach Aktenlage entschieden und die Akte erkannt, dass die Möglichkeit besteht, dass eine Wel- geschlossen. Nur wenn es hinreichende Argumente und le von Klagen den Gegeneffekt erreicht, nämlich keine Fragepunkte gibt, wird überhaupt dieses Verfahren um- Beschleunigung, sondern eine Verlangsamung. Genau fassend ausgelöst. aus diesem Grund ist die aufschiebende Wirkung ausge- (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schlossen, und es greift das einstweilige Verfahren, das NEN]: Dann bräuchte es das Gesetz nicht!) sogenannte Eilverfahren. Es ist also mitnichten eine Masse von Widerrufen zu Sehr geehrte Damen und Herren, Sie können, wenn erwarten. Ich finde, dies können wir in aller Ehrlichkeit Sie den Gesetzentwurf ablehnen, für sich in Anspruch und Klarheit aussprechen. nehmen – ich habe es vorhin geschildert –, dass Sie die Maßnahmen für nicht verantwortbar, für ethisch fraglich (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU so- halten. Ich würde aber behaupten, dass wir als regie- wie der Abg. Linda Teuteberg [FDP]) rungstragende Koalition dasselbe tun können; denn wir Ich komme aber nun, nachdem ich versucht habe, zu gehen davon aus, dass es eben nicht selbstverständlich schildern, warum wir aus ganz pragmatischen Gründen ist, dass das Asylrecht von der Bevölkerung angenom- dieses Gesetz vertreten können und es als gutes Gesetz men wird, empfinden, doch noch zu dem Zusatzpunkt, der hier mit- (Zuruf der Abg. Canan Bayram [BÜND- debattiert wird – jetzt muss ich wieder zu meinem Ärger NIS 90/DIE GRÜNEN]) kommen –, nämlich der Frage der obligatorischen Alters- feststellung und dem Antrag der AfD. sondern wir dafür werben müssen, dass möglichst vie- le Menschen dieses humanitäre Asylrecht und unseren Ich verstehe gar nicht, warum Sie diesen Antrag stel- Ansatz eines humanitären Pragmatismus – ich werde len; das so oft wiederholen, bis Sie es nicht mehr hören kön- (Stephan Brandner [AfD]: Das glaube ich nen; denn dann habe ich es oft genug gesagt – mittragen. Ihnen!) Wenn es uns gelingt, Unklarheiten auszuräumen, das Gefühl und die Überzeugung zu wecken, dass wir das, denn wir haben eine Gesetzesgrundlage. § 42f SGB VIII was 2015/2016 in der Schnelligkeit an Unklarheiten ent- sieht ein dreistufiges Verfahren vor: Prüfung von Doku- (B) standen ist, dass wir Unsicherheiten, Verunsicherung, die menten, dann qualifizierte Inaugenscheinnahme und erst (D) populistisch genutzt werden könnten, beseitigen, ist das als dritte Stufe in besonderen Fällen die medizinische allein schon ein Mehrwert dieser Gesetzgebung, den man Untersuchung. Das gibt es bereits. nicht unterschätzen sollte. (Tino Chrupalla [AfD]: Das wird aber nicht (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gemacht!) der CDU/CSU und der Abg. Linda Teuteberg Es gibt – heiß diskutiert – verschiedene Verfahren, so in [FDP]) Hamburg und im Saarland; das wissen Sie auch. Es gibt zugleich Stimmen – diese muss man ernst nehmen – von Einen weiteren Punkt wage ich zu erwähnen: Sie wol- Medizinern, von Kinderärztinnen und Kinderärzten, die len ja – das wurde auch schon bei den Anhörungen im mit gutem Recht keine erzwungene medizinische Unter- Ausschuss gesagt – skandalisieren und erwecken den suchung wollen. Wollen Sie ernsthaft alle unbegleiteten Eindruck – ich halte das für einen falschen Eindruck –, minderjährigen Flüchtlinge verpflichten, gegenüber allen anerkannten Asylbewerbern, subsidi- är Schutzberechtigten, Genfer Konventionsflüchtlingen (Tino Chrupalla [AfD]: Ja!) werde ein Generalverdacht ausgesprochen und deshalb werde jetzt plötzlich das Widerrufsverfahren eingeführt. eine schamhafte Untersuchung, die, wenn geröntgt wird, Das ist aber nicht der Fall. Es ist bereits standardisiert. belastend ist oder die beim Zeigen der Genitalien zutiefst in die Integrität der Persönlichkeit eingreift, durchführen (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: zu lassen? Ich halte das für keine sinnvolle Maßnahme. Anlasslos!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) – Wenn Sie jetzt „anlasslos“ dazwischenrufen, haben Sie Darüber hinaus – das wissen Sie auch – ist die Alters- dem Vertreter des BAMF vielleicht nicht genau zugehört. feststellung ohnehin eine Thematik, die in dem gesamten (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zusammenhang zu sehen ist. Doch, habe ich!) Noch verwerflicher aber als dieses standardisierte Ver- In der Praxis wird es keineswegs immer so sein, dass in fahren, das Sie vorschlagen, ist aus meiner und aus unse- jedem Fall ein ausgedehntes Widerrufsverfahren stattfin- rer Sicht die Unterstellung, die Sie damit verbinden und den wird. die auch in Ihrem Antrag erkennbar ist. Sie unterstellen im Prinzip allen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlin- (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen, dass sie gar nicht unbegleitet oder zumindest nicht NEN]: Warum gibt es dann das Gesetz? Wa- minderjährig seien. Sie unterstellen ihnen allen, poten- 6952 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Helge Lindh (A) ziell kriminell zu sein. Ihr Hauptargument sind die Kos- in die Integrität der Asylverfahren wiederherzustellen. (C) ten. Ich möchte Ihnen aber eins mitteilen: Unbegleitete Ich weiß, die Kolleginnen und Kollegen von den Lin- minderjährige Flüchtlinge, ob sie nun tatsächlich min- ken und Grünen sehen das anders. Das ist auch ihr gutes derjährig sind oder doch nicht minderjährig sind, sind Recht. Demokratie lebt von diesen Unterschieden. zuerst eines – das ist unsere Rede –: Es sind Menschen, Allerdings – das möchte ich hier auch sagen – verwah- die menschenwürdig behandelt werden müssen. Deshalb re ich mich entschieden gegen die Vorwürfe und Unter- lehnen wir selbstverständlich Ihren Antrag ab. stellungen, die Sie mit Ihrer Ablehnung dieses Anliegens Vielen Dank. verbinden. Das mussten wir gestern auch in den Debat- ten im Ausschuss erleben, als Sie abstruse Verschwö- (Beifall bei der SPD) rungstheorien gesponnen haben. Die Überprüfung von 800 000 Schutzberechtigten haben Sie da als eine Ab- Vizepräsidentin Petra Pau: wicklung der Politik von bezeichnet. Und Für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin Linda den Befürwortern des Gesetzes vorgeworfen, unmensch- Teuteberg. liche Schikanen zu betreiben oder einen Generalverdacht zu erheben. Man kann, ja man muss dieser Koalition (Beifall bei der FDP) vieles vorwerfen. Wir müssen aber auch unterschiedliche Positionen aushalten. Ich finde, man kann der Regierung Linda Teuteberg (FDP): nicht vorwerfen, dass sie nicht gezeigt hätte, Verfolgten Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin- aus aller Welt in Deutschland Zuflucht bieten zu wollen. nen und Kollegen! Mit dem heute vorliegenden Gesetz wird gerade noch rechtzeitig eine wichtige Lücke im (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Asylrecht geschlossen. Einige Kollegen haben hier den Für uns Freie Demokraten ist die Bewahrung und Ver- Sachverhalt schon erläutert: Bis 2020 steht die regulä- teidigung des Asylrechts ein wichtiges Anliegen. Unsere re Überprüfung von fast 800 000 Schutztiteln durch das menschliche, humanitäre Haltung lassen wir uns nicht Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an. Bei über von Ihnen absprechen. der Hälfte der Fälle ist davon auszugehen, dass die Iden- titätsfeststellung im Asylverfahren unzureichend erfolgt (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ist. Es gibt also wahrlich einen Anlass für dieses Gesetz. der CDU/CSU) (Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Sehr rich- Wir wollen Menschen in Not helfen. Aber unsere Über- tig!) zeugung ist auch, dass wir dazu das Recht politisch so gestalten müssen, dass es nicht nur dem Wunsch, sondern (B) Angesichts dieser Tatsache ist es aus unserer Sicht auch der Wirklichkeit genügt. Und dass es dazu beiträgt, (D) zwingend notwendig, sicherzustellen, dass in diesen Vertrauen und breite Akzeptanz in unser Asylsystem auf Fällen nachträglich die Identität der Schutzberechtigten Dauer zu sichern. Dem dient nach unserer Überzeugung festgestellt wird. auch der vorliegende Gesetzentwurf. Darum stimmen (Beifall bei der FDP) wir ihm zu. Dazu bedarf es auch der Mitwirkung der Betroffenen. Vielen Dank. Genau darum geht es beim vorliegenden Gesetzentwurf. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten In dem, wie schon im Asylverfahren, eine Mitwirkungs- der CDU/CSU) pflicht der Betroffenen bei der Identitätsfeststellung vor- geschrieben wird. Das unterstützen wir Freien Demokra- Vizepräsidentin Petra Pau: ten. Das Wort hat Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke. Einen deutlichen Kritikpunkt will ich hier allerdings herausstellen. Wir lehnen ab, dass die bei der Identitäts- (Beifall bei der LINKEN) prüfung erfassten Informationen mit anderen Datenban- ken zum Zwecke der Strafverfolgung abgeglichen wer- Ulla Jelpke (DIE LINKE): den. Die damit möglicherweise verbundene erzwungene Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit ih- Selbstbelastung ist bedenklich und mit rechtsstaatlichen rem Gesetzentwurf will die Bundesregierung eine neue Grundsätzen kaum vereinbar. Mitwirkungspflicht für anerkannte – ich betone noch mal: anerkannte – Flüchtlinge im Widerrufsverfahren (Beifall bei der FDP) schaffen. Das ist in der Tat das Gegenteil dessen, was Wir hätten uns daher sehr von Ihnen gewünscht – dann Die Linke seit vielen Jahren fordert. Wir wollen nämlich hätten wir diesem Gesetzentwurf mit weniger Vorbehal- die Abschaffung der anlasslosen – ich betone noch mal: ten zugestimmt –, wenn die Koalition auf diese Ände- anlasslosen – Regelüberprüfung nach drei Jahren. Das rung in letzter Minute verzichtet hätte. ist übrigens innerhalb der EU nur in Deutschland und in Österreich so. (Beifall bei der FDP) Meine Damen und Herren, bereits jetzt ist es so, dass Trotzdem werden wir im Ergebnis heute zustimmen. drei Jahre nach der Zuerkennung eines Schutzstatus ge- Denn die nachträgliche Klärung Hunderttausender un- prüft wird, ob die Asylgründe fortbestehen, gesicherter Identitäten ist ein wichtiger Beitrag, um Ver- säumnisse der Vergangenheit zu beheben und Vertrauen (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Richtig!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6953

Ulla Jelpke (A) und zwar ohne konkreten Anlass. Das halten wir insge- Ulla Jelpke (DIE LINKE): (C) samt für einen bürokratischen Aufwand, der sich eher Ich komme zum Schluss. – Herr Seif, es lag im Fall für qualifizierte Arbeit und die Qualifizierung im BAMF Anis Amri an ganz anderen Fehlern als am Verfahren. lohnen würde. Wir reden heute aber über das Verfahren. Polizeiliche, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und Verfassungsschutzfehler wurden gemacht. Das wissen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie selber ganz genau. Herr Lindh, ich will Ihnen das gerne anhand einiger (Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer Zahlen noch einmal erläutern. Bei 43 000 Entscheidun- [CDU/CSU]: Was? Polizeilicher Verfassungs- gen im Widerrufsverfahren im ersten Halbjahr 2018 wur- schutz? Wie geht denn das? Das verstehe ich de in 99,3 Prozent der Fälle der Schutzstatus bestätigt. überhaupt nicht!) Ganz ähnlich sieht die bisherige Bilanz aus, wenn es um die vorgezogenen Widerspruchsprüfungen geht, die sich Vizepräsidentin Petra Pau: vor allem auf rein schriftliche Anerkennungsverfahren beziehen. Auch hier hatten nur 1,2 Prozent der bislang Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die überprüften 11 000 Anerkennungsbescheide einen Wi- Kollegin Polat das Wort. derruf oder eine Rücknahme zur Folge. Wie viele Ent- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) scheidungen einer gerichtlichen Überprüfung standhal- ten, wird sich noch zeigen. Filiz Polat (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Neu ist, dass Flüchtlinge künftig zur sogenannten Mit- wirkung verpflichtet werden. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Da- men und Herren! Der Gesetzentwurf der Bundesregie- (Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Sehr gut!) rung erinnert mich doch sehr stark an eine Aussage von Wer nicht mitwirkt, soll bestraft werden, bis hin zur Einstein: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wie- Aberkennung des Schutzstatus. Angesichts dessen, dass der das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwar- die allermeisten den Schutzstatus besitzen, ist das doch ten.“ Nichts anderes kann man zu diesem Gesetzentwurf reine Schikane den Betroffenen gegenüber. sagen. Zwei ganz reale Effekte haben die Widerspruchsprü- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fungen aber schon. Bei den betroffenen Flüchtlingen und und bei der LINKEN) ihren Familien führen sie zu enormen Verunsicherungen. Dabei ist eine Aufenthaltsperspektive eine ganz wichtige Ich möchte auf die Vorwürfe von Kollegin Teuteberg (B) (D) Voraussetzung für den Heilungserfolg beispielsweise bei eingehen. Wir reden hier über einen Gesetzentwurf, der traumatisierten Menschen. Das haben im Übrigen auch scheinbar sehr technisch daherkommt. Wir ändern ein, viele Sachverständige am Montag betont. Außerdem zwei Paragrafen im Asylgesetz. Aber wir müssen uns binden die anlasslosen Widerrufsprüfungen enorme Ka- bewusst machen, dass wir hier von den Menschen spre- pazitäten im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. chen, die im Wesentlichen 2015/2016 gekommen sind Anstatt mit diesem Unsinn aufzuhören, will die Bundes- und mit langen Verfahren konfrontiert waren, weil das regierung die Überprüfung sogar noch intensivieren. In BAMF nicht vorbereitet und durch das Bundesministeri- ihrem Gesetzentwurf kündigt die Bundesregierung für um des Innern nicht ausreichend mit Personal ausgestat- 2018/2019 insgesamt 500 000 Widerrufsprüfungen an. tet war, um die Asylverfahren zügig abzuarbeiten. Diese Bis 2020 sollen es fast 800 000 sein. Es drohen also er- Menschen haben auf den Asylbescheid gewartet und ihn neut 100 000-fach sinnlose Verhöre von Schutzsuchen- schließlich bekommen. In der Zeit haben Kommunen den durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. und Länder kompensiert, auch bei Integrationskursen. Der Präsident, Herr Sommer, übrigens hat in der Anhö- Dieser ganze Aufwand sowie die Bemühungen und die rung selbst gesagt, dass das Amt in den nächsten Jahren Anstrengungen, die wir und vor allem die Länder und hauptsächlich mit Widerrufsverfahren beschäftigt sein Kommunen sowie auch die Mitarbeiter des BAMF unter- wird. Selbst er hat vorgeschlagen, wenigstens die Zeit bis nommen haben, wollen Sie nun sukzessiv infrage stellen. zu einer Überprüfung auf fünf Jahre zu verlängern. Denn was besagt dieser Gesetzentwurf? Die Begrün- Die Konsequenzen sind absehbar. Die Überforde- dung des Gesetzentwurfs und das, was Herr Dr. Sommer, rung des BAMF wird wieder zulasten der Qualität der der Präsident des BAMF, in der Anhörung gesagt hat, Bescheide gehen. Die Schutzsuchenden sind die Leid- sind interessant. Asylberechtigte, die eine Anerkennung tragenden. Deshalb will Die Linke, dass die anlasslosen nach der Genfer Flüchtlingskonvention haben, subsidiär Widerrufsprüfungen ersatzlos abgeschafft werden. Wenn Geschützte und Personen, die ein Abschiebungsverbot es einen Anlass gibt, kann jederzeit eine Prüfung durch- erhalten haben, sollen systematisch und – Frau Kolle- geführt werden. Aber das wird hier einfach so vom Tisch gin Jelpke hat darauf hingewiesen – anlasslos überprüft gewischt. Hat sich zum Beispiel die Lage im Herkunfts- werden. Das heißt, wir wiederholen das Jahr 2015. Wir land verändert, oder gibt es tatsächlich Anlässe wie bei schalten auf Reset, und alle werden im Zweifelsfall noch Anis Amri? Dann wird in der Tat genau geprüft. einmal vor das BAMF vorgeladen. Das ist der Wahnsinn! Das können wir so nicht unterstützen. Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. und bei der LINKEN) 6954 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Filiz Polat (A) Ich möchte auf die europarechtlichen Aspekte, auf Vizepräsidentin Petra Pau: (C) die Sie nicht eingegangen sind, zu sprechen kommen. Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Hier ist die Qualifikationsrichtlinie einschlägig, die ein Michael Kuffer. wesentlicher Bestandteil der Sachverständigenanhörung war. Ich möchte gerne aus der Sachverständigenstellung- (Beifall bei der CDU/CSU) nahme des Deutschen Anwaltvereins zitieren, wonach „ein Verfahren auf Aberkennung oder Beendigung des Michael Kuffer (CDU/CSU): internationalen Schutzes erst und nur dann zulässig ist, Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Mit wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage treten, die dem vorliegenden Gesetzentwurf verfolgen wir als Ko- einen Grund für ein Erlöschen oder zumindest eine Über- alition weiterhin konsequent den Weg einer wirkungs- prüfung der Berechtigung des internationalen Schutzes vollen Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung darstellen“. Sie sagen aber einfach: Wir überprüfen alle nach Deutschland. Wir schließen damit eine Lücke im 800 000, und zwar anlasslos. bestehenden Regelwerk in Bezug auf die Mitwirkungs- pflichten von Asylbewerbern im Verfahren und sorgen so (Detlef Seif [CDU/CSU]: Das ist doch für eine konsistente Rechtsordnung. Diese Änderung ist Rechtslage im Moment!) sinnvoll, sie ist stimmig, und sie ist begrüßenswert. Es Das Problem an der Sache ist: Sie gehen noch weiter. ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir die Mitwirkung Sie sagen: Die Personen sollen mitwirken an ihrer Aber- der Antragsteller sowohl im Antragsverfahren als auch kennung. bei der Prüfung eines möglichen Widerrufs erwarten dür- fen. Es geht nicht nur darum, auf sauberem rechtsstaat- (Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Na, selbst- lichem Weg das Vorliegen bzw. ein mögliches Entfallen verständlich!) des Asylanspruchs zu prüfen. Vielmehr geht es auch da- rum – das will ich deutlich sagen –, dass wir von denjeni- Die Betreffenden wissen gar nicht, warum, weil sich die gen, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen, ein gewisses Lage im Herkunftsland gar nicht verändert hat. Maß an Kooperation und an Loyalität zu dieser unserer Rechtsordnung erwarten und einfordern dürfen. (Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!) (Beifall bei der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben Wenn sie nicht mitwirken an dieser Prüfung, dann kön- doch schon das Asylverfahren durchlaufen!) nen sie mit Zwangsgeld belegt werden. Wenn jemand, liebe Kolleginnen und Kollegen, in (B) (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist nor- Deutschland Schutz sucht, kann es nicht zu viel verlangt (D) males Recht!) sein, dass er bei der Prüfung seines Gesuchs die entspre- chende Mithilfe leistet. Das ist absoluter Irrsinn, meine Damen und Herren, und (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ganz ge- das können wir so nicht mitmachen. nau! – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NEN]: Das hat er doch alles durchlaufen!) sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Dies erwarten wir, und so ist es für die Asylantragstel- lung in § 15 Asylgesetz bereits festgeschrieben. Wir dür- Dann zu der Politik, die Sie damit verbinden. Sie sa- fen dies auch bei der Prüfung eines möglichen Widerrufs gen, dass Sie der Bevölkerung Sicherheit geben wollen. oder einer Rücknahme erwarten. Das Gegenteil ist der Fall. Sie erwecken gerade den Ein- druck, dass die Behörden nicht systematisch qualitativ Die Freiwilligkeit hat hier bisher – das zeigt uns die gut gearbeitet haben. Das stimmt sogar. Aber uns wurde Praxis – zu wünschen übrig gelassen. Deshalb ist es gut, bestätigt: Beim vermeintlichen Fall in der Bremer Au- dass wir mit der heutigen Gesetzesänderung hier ein ßenstelle des BAMF, die angeblich systematisch falsche wenig nachhelfen und damit eine Lücke schließen. Mit Bescheide ausgestellt haben sollte, ist nichts herausge- Blick auf die nun anstehenden Prüfverfahren der in 2015 kommen. Das war nur ein Beispiel. und 2016 getroffenen Asylentscheidungen durch das BAMF geben wir dem Amt dafür das nötige Werkzeug (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in die Hand. Sicherlich ist jeder Einzelfall wichtig. Aber hier hat sich (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und gezeigt, dass trotz des Versagens des Bundesamtes für der SPD) Migration und Flüchtlinge die Asylbewerberinnen und Um eines noch klarzustellen, was hier in der Debatte Asylbewerber nicht systematische Täuscherinnen und immer wieder falsch intoniert worden ist: Mit dem, was Täuscher sind, wie Sie das hier darstellen. wir heute hier beschließen, schaffen wir mitnichten eine (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) neue Rechtslage in Bezug auf die Durchführung der Prüf- verfahren. Es ist nichts weiter als eine Falschbehauptung Von daher können wir diesen Gesetzentwurf nur ableh- vor allem der Linken, wie sie unter anderem im Innen- nen. ausschuss von ihnen immer wieder wiederholt worden ist; aber sie ist dadurch nicht richtiger geworden. Deshalb (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Achtung: Alle Asylentscheidungen stehen bereits heute Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6955

Michael Kuffer (A) nach geltendem Recht spätestens nach drei Jahren zur wir wissen: Es gab Missbrauch. Was wir machen müssen, (C) Überprüfung an. In § 73 Absatz 2a Satz 1 Asylgesetz ist ist, genau diesen Missbrauch zu verhindern. das bereits heute kodifiziertes Recht. (Beifall bei der CDU/CSU) (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Sie haben mir Dem dient dieser Gesetzentwurf. nicht zugehört! Das habe ich in meiner Rede eben gesagt!) Eigentlich ist es doch traurig, dass wir etwas regeln müssen, von dem wir erwarten können, dass es selbst- Ich will Ihnen auch sagen, weil Sie immer von anlass- verständlich ist. Ich frage mich immer: Was würde ich loser Überprüfung sprechen: Natürlich gibt es Anlass für eigentlich tun, wenn ich in einer Situation wäre, dass ich diese Überprüfung. von Folter, von Verfolgung bedroht wäre, sodass ich mein (Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sehr Haus, meine Wohnung, meine Heimat verlassen müsste? richtig!) Was würde ich machen, wenn mich ein Land aufneh- men würde? Ich persönlich wäre diesem Land unendlich Da geht es gar nicht um die systematische Unterstellung dankbar dafür, dass es mich aufnimmt, wäre kooperati- von Falschbescheiden. Wir haben im Jahr 2015 eine ex- onsbereit und würde selbstverständlich all die Daten zur treme Belastungssituation gehabt. Das Amt hat unter ei- Verfügung stellen, die genau dieses Land haben will. ner immensen Überlastung Entscheidungen treffen müs- sen. Wir haben von unserer Bevölkerung in Deutschland (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Loyalität und Hilfsbereitschaft eingefordert. Man kann der AfD – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE nicht oft genug wiederholen: Es entspricht der geschul- GRÜNEN]: Sie kennen, glaube ich, keinen deten Gegenleistung hierfür von uns als Gesetzgeber, einzigen Asylberechtigten!) dass wir für das nötige Vertrauen sorgen und sagen: Jetzt, Das erwarten wir logischerweise auch von denen, die wo die Lage wieder unter Kontrolle ist, werden die Dinge jetzt hierhergekommen sind. in Ruhe angeschaut und im Nachhinein noch mal einer Überprüfung zugeführt. (Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) – Sie können jetzt noch so viel dazwischenreden, Frau Kollegin Polat: Das Mikrofon habe ich. Deshalb bin ich Vielen Dank. ausnahmsweise etwas lauter. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir erleben doch Folgendes – es ist nach wie vor ak- (B) tuell –: Etwa 70 Prozent all derer, die hierherkommen, (D) kommen ohne entsprechende Passpapiere. 80 Prozent Vizepräsidentin Petra Pau: der Afghanen, 89 Prozent der Eritreer, 90 bis 97 Prozent Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege derjenigen aus Somalia, Nigeria, Gambia kommen ohne Hans-Jürgen Irmer für die CDU/CSU-Fraktion. Papiere hierher. Meine Damen und Herren, das ist völlig inakzeptabel. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall des Abg. Jürgen Braun [AfD]) Hans-Jürgen Irmer (CDU/CSU): Sie machen es aus einem ganz bestimmten Grund – das Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Da- wissen wir doch –: Der größte Anteil derer, die hierher- men und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kol- kommen, kommt aus wirtschaftlichen Gründen. Das ist lege Seif hat völlig zu Recht darauf hingewiesen: Die menschlich durchaus verständlich; Mitwirkungspflicht im Asylbereich gibt es bereits. Wir (Zuruf der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/ dehnen sie aus, und zwar auf den Bereich der Widerrufs- DIE GRÜNEN]) und Rücknahmeverfahren. Das ist auch richtig so. Frau Kollegin Polat, wenn Sie Bremen als Beispiel heranzie- aber dies ist, Frau Kollegin, nun einmal kein Asylgrund. hen: Das ist deshalb untauglich, weil da genau bei die- sen Fällen diese Mitwirkungspflicht nicht bestanden hat. (Beifall der Abg. Franziska Gminder [AfD] – Deshalb ist es nicht vergleichbar. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sorry, aber das ist Unsinn!) (Beifall des Abg. Detlef Seif [CDU/CSU]) Insofern müssen wir den Missbrauch aus zweierlei Grün- Meine Damen und Herren, wir sagen auch: Klagen den verhindern: haben keine aufschiebende Wirkung; auch das ist richtig. Das eine ist: Viele Menschen in Deutschland gehen Wir erweitern die Möglichkeiten der erkennungsdienst- jeden Morgen zur Arbeit und bezahlen fleißig Steuern. lichen Behandlung – auch das ist richtig –, und wir er- Sie haben ein Recht darauf, dass wir als Staat mit ihrem weitern die Möglichkeiten des Datenaustausches; das ist Geld anständig und ordnungsgemäß umgehen. ebenso richtig. Wir wissen aus der Vergangenheit – es ist mehrfach gesagt worden; gemeint sind die Jahre 2015, Das Zweite ist: Wir müssen diesen Missbrauch ver- 2016 –: Natürlich gab es Missbrauch. Natürlich gab es hindern im Sinne der Asylbewerber, die ihren Antrag völ- Täuschungen. Natürlich gab es gefälschte Pässe. Also lig zu Recht gestellt haben und entsprechende Leistungen 6956 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Hans-Jürgen Irmer (A) bekommen. Sie leiden mehr unter dem Missbrauch als Wir stimmen nun über den Entschließungsantrag der (C) diejenigen – – Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/5611 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: dagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsan- Sagen Sie mal, Herr Irmer, sind Sie in der fal- trag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der schen Fraktion?) AfD-Fraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen – Frau Kollegin Polat, Sie müssen schon ertragen, dass der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die ich etwas sage, was viele Menschen in diesem Lande um- Grünen abgelehnt. treibt – und mich genauso. Zusatzpunkt 8. Abstimmung über die Beschlussemp- (Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: fehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen Das ist schwer zu ertragen!) und Jugend zu dem Antrag der Fraktion der AfD mit dem Titel „Obligatorische Altersfeststellung unbegleiteter Wenn Sie wollen, dass das Grundrecht auf Asyl in der minderjähriger Flüchtlinge“. Der Ausschuss empfiehlt Bevölkerung auf Dauer Akzeptanz behält – was wir alle in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/5584, wollen; ich sage das ausdrücklich –, dann müssen Sie al- den Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 19/471 les daransetzen, dass dieser Missbrauch verhindert wird. abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koaliti- der AfD) onsfraktionen, der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke Genau diesem Ziel dient dieser Gesetzentwurf. Er ist und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stim- richtig, er ist gut, und er geht in die richtige Richtung. men der AfD-Fraktion angenommen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Erste Beratung des von den Abgeordneten ordneten der AfD – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/ Stephan Brandner, Andreas Bleck, Corinna Mia- DIE GRÜNEN]: Sie kapieren es nicht!) zga, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ruhebezüge Vizepräsidentin Petra Pau: des Bundespräsidenten Ich schließe die Aussprache. Drucksache 19/5490 (B) Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- Überweisungsvorschlag: (D) desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände- Ausschuss für Inneres und Heimat (f) rung des Asylgesetzes. Der Ausschuss für Inneres und Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Heimat empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Haushaltsausschuss Drucksache 19/5590, den Gesetzentwurf der Bundes- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für regierung auf den Drucksachen 19/4456 und 19/4548 die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Änderungsantrag der Fraktion der AfD vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abge- auf Drucksache 19/5610? – Wer stimmt dagegen? – Wer ordnete Stephan Brandner für die AfD-Fraktion. enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen (Beifall bei der AfD) der Koalitionsfraktionen, der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ge- gen die Stimmen der AfD-Fraktion abgelehnt. Stephan Brandner (AfD): Ich sage Ja zu deutschem Wasser, meine Damen und Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Herren – das auch um diese Uhrzeit. Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzei- chen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den DIE GRÜNEN: Oh!) Stimmen der Koalitionsfraktionen, der AfD-Fraktion Späte Stunde! Ein Thema für Feinschmecker; ich bin und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion froh, dass sich noch so viele Feinschmecker hier in die- Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an- sem Rund finden, meine Damen und Herren. genommen. (Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem Dritte Beratung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Bei Ihnen aber nicht so und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem viele!) Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzent- Der vorliegende Gesetzentwurf soll die Ruhebezüge wurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der des Bundespräsidenten neu regeln. Der Bundespräsident AfD-Fraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen erhält zurzeit nach dem Ausscheiden aus dem Amt le- der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die benslang einen sogenannten Ehrensold – vielleicht sollte Grünen angenommen. man über die Bezeichnung auch noch mal nachdenken; Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6957

Stephan Brandner (A) sie ist nicht von uns, sondern steht so drin – von 100 Pro- heikle Themen zu sprechen. Offenbar gehören zu den (C) zent. Das ist ein Ehrensold von zurzeit rund 20 000 Euro ganz heiklen Themen in diesem Haus auch die Bundes- im Monat bis zum Lebensende nach dem Ausscheiden präsidenten. Nachdem wir zu Beginn der Haushaltsver- aus dem Amt. Wir von der AfD halten diese Altersversor- handlungen über den Einzelplan 01, den Einzelplan des gung für unangemessen. Solch eine Besserstellung Ein- Bundespräsidenten, sprechen wollten, hat der für die zelner auf Kosten der Gemeinschaft ist anstößig, meine Verfassung zuständige Innenminister Seehofer uns vor- Damen und Herren. geworfen, wir wären „staatszersetzend“ und planten ei- nen Frontalangriff auf den Bundespräsidenten. (Ulrich Lechte [FDP]: Einzelner Staatsober- häupter!) (Unruhe bei der SPD) Diese Vollalimentierung ist außerdem unfair gegen- Übrigens haben wir diese Äußerung von Herrn über all denjenigen, die nur mit Abschlägen in Rente Seehofer vor dem Bundesverfassungsgericht angegrif- gehen können; denn in Deutschland erhält niemand im fen. Ich verrate Ihnen mal ein Geheimnis: Das Bundes- Ruhestand das, was er zuvor erhielt. Bei uns gilt der verfassungsgericht hat heute darüber entschieden und Grundsatz: Wer nicht mehr arbeitet, der bekommt weni- wird morgen veröffentlichen, ob wir von der AfD recht ger. Das sollte auch für den Bundespräsidenten gelten. haben oder nicht. Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir recht haben. (Beifall bei der AfD) Meine Damen und Herren, das Amt des Bundesprä- Daher – das wird jetzt vielleicht die Damen und Her- sidenten soll nicht beschädigt werden. Doch dürfte die ren von der linken Seite interessieren – ist dieser Antrag Frage berechtigt sein, ob dieses Amt nicht schon längst durchaus einer, den man auch unter dem Gesichtspunkt beschädigt ist. der sozialen Gerechtigkeit subsumieren kann. Deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht, mit dem die Ruhe- (Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche bezüge des Bundespräsidenten vom heutigen Stand aus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) gesehen halbiert werden sollen. Sie sollen auf den Stand Ich erwähne das Verhalten und die Umtriebe des ehe- gebracht werden, der bis 1959 bestand. Wir erfinden also maligen Bundespräsidenten Wulff. Ich erwähne Herrn das Rad nicht neu; wir greifen das wieder auf, was 1959 Gauck, der seine Augen vor gesellschaftlichen Proble- geändert wurde. Denn auch 10 000 Euro im Monat soll- men verschloss, solange er im Amt war, und erst danach ten reichen, um einen angemessenen Lebensabend zu vor Parallelgesellschaften und den drängenden Proble- verbringen, meine Damen und Herren. men draußen warnte. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dem Ganzen die Krönung aufgesetzt, meine Damen (B) Außerdem wollen wir, dass zukünftig private Einkünfte und Herren, hat jedoch Ihr Herr Steinmeier, (D) des Bundespräsidenten im Ruhestand angerechnet wer- (Burkhard Lischka [SPD]: Das ist auch Ihr den, also Einkünfte, die er durch einen Beruf, den er da- Bundespräsident, Herr Brandner!) nach wieder ergreift oder neu ergreift, bezieht. Auch das ist das Normalste in der Welt. der das Amt so nachhaltig beschädigt hat wie noch keiner seiner Vorgänger. Wir führen in Deutschland seit vielen Jahren eine De- batte um Altersarmut. Wir streiten über Gerechtigkeit im (Beifall bei der AfD – Dagmar Ziegler [SPD]: Rentensystem. Nichts treibt die Bürger draußen so sehr Zu linksradikal! – Helge Lindh [SPD]: um, meine Damen und Herren – Sie vielleicht nicht; Sie Linksextrem!) haben Ihre Rente ja sicher –, Er machte Werbung für sogenannte Musikgruppen, die (Zuruf von der SPD: Witzbold!) öffentlich Gewalt gegen Frauen und Polizisten verherrli- chen und primitive Gewaltfantasien von den Bühnen he- wie die finanzielle Absicherung ihres Lebensabends. Der runtergrölen. Ein Bundespräsident, der, statt sich hinter durchschnittliche Rentner erhält 900 Euro monatlich und die Staatsgewalt und die öffentliche Ordnung zu stellen, damit nicht einmal 10 Prozent dessen, was ein Bundes- linke und linksextremistische Umtriebe gutheißt und be- präsident erhält. Wenn also aus dem Staatsaushalt binnen wirbt. weniger Jahre Millionenbeträge für die zurzeit drei zu alimentierenden Bundespräsidenten ausgezahlt werden, (Burkhard Lischka [SPD]: So ein Stuss!) dann ist das ungerecht. Und wenn ehemalige Repräsen- Einem solchen Staatsoberhaupt mit Respekt zu begeg- tanten unseres Staates nach dem Rückzug aus der Politik nen, fällt sehr schwer. Einem Staatsoberhaupt mit Res- weiterhin bezahlten Tätigkeiten nachgehen, ohne dass sie pekt zu begegnen, der seinem Volk nicht mit Respekt angerechnet werden, dann ist auch das ungerecht. Darü- begegnet, fällt noch schwerer. ber muss geredet werden, meine Damen und Herren, und das muss abgeschafft werden. (Beifall bei der AfD – Burkhard Lischka [SPD]: Sie sind mit dem D-Zug durch die Kin- (Unruhe bei der FDP) derstube gefahren!) – Wenn Sie von der FDP klatschen wollen, machen Sie Meine Damen und Herren, in einer Demokratie muss es; haben Sie keine Hemmungen. über alles und jeden gesprochen werden. Dazu gehört Wie oft mussten wir in den vergangenen Tagen und auch der Bundespräsident, das, was er so tut, und auch Monaten jedoch hören, dass es sich nicht zieme, über seine Ruhestandsbezüge – deshalb dieser Antrag. Auch 6958 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Stephan Brandner (A) wenn Sie hier ein anderes Bild vermitteln: Eigentlich Vizepräsidentin Petra Pau: (C) müsste dieser Antrag mehrheitsfähig sein; Der Beitrag des Abgeordneten Marc Henrichmann aus der Unionsfraktion soll zu Protokoll genommen werden. (Zuruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜND- Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind.1) NIS 90/DIE GRÜNEN]) Das Wort hat der Abgeordnete Konstantin Kuhle für denn auch die SPD, die Linken und die Grünen haben die FDP-Fraktion. sich schon Gedanken darüber gemacht: Die SPD möch- (Beifall bei der FDP) te eine Staffelung nach Amtsdauer, die Linken möchten die Anrechnung der Bezüge des Bundespräsidenten, und Konstantin Kuhle (FDP): auch die Grünen sagen, dass gestaffelt werden sollte, je nachdem, wie lang der Bundespräsident im Amt ist; da- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn die Äußerungen im Plenum, wenn die Äußerungen im nach müsste sich die Höhe seiner Bezüge richten. Amt Gradmesser für die Bezahlung sind, dann müssen (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE manche Fraktionen hier im Haus noch Geld mitbringen. GRÜNEN]: Bei Ihnen sind so wenig Leute (Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD anwesend bei diesem Antrag!) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Burkhard Lischka [SPD]: Vor allen Dingen für Wir haben also das Beste von dem, was Sie in den die ganzen Schwänzer hier!) letzten Jahren dazu gesagt haben, zusammengefasst, meine Damen und Herren, und in unseren Gesetzentwurf Eine Bundespräsidentin bzw. ein Bundespräsident, die oder der aus dem Amt scheidet, erhält nach dem gepackt. Ende der Amtszeit einen Ehrensold in Höhe von rund (Burkhard Lischka [SPD]: Ha! Das ist 200 000 Euro. Das ist eine ganze Stange Geld. Das ist aber eine eigenwillige Interpretation, Herr eine solche Stange Geld, dass man das mit Fug und Recht hinterfragen kann, gerade angesichts der Tatsachen, dass Brandner!) die Lebenserwartung steigt, dass wir jüngere Bundesprä- Wir gehen deshalb davon aus, dass, wenn Sie das ernst sidenten haben und dass Amtszeiten kürzer werden. Des- meinen, was Sie die letzten Jahre erzählt haben, Sie un- wegen ist es auch völlig richtig, darüber zu diskutieren, wie man diese Versorgung ausgestaltet. serem Gesetzentwurf – vielleicht nicht heute, aber nach den Beratungen im zuständigen Ausschuss – zustimmen Es ist aber nicht richtig, das Ganze isoliert zu be- (B) werden. trachten, weil wir gerade angesichts der aufgeheizten (D) Stimmung, die wir im Land haben, insgesamt darüber (Dagmar Ziegler [SPD]: Ihre Kollegen sind ja diskutieren sollten, wie man eigentlich demokratische noch nicht mal anwesend!) Institutionen reformiert. Es ist durchaus so, dass wir be- stimmte Aspekte aus dem Amt des Bundespräsidenten auf andere Ämter übertragen könnten. Es ist zum Bei- Vizepräsidentin Petra Pau: spiel den Bürgerinnen und Bürgern überhaupt nicht zu Herr Brandner, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen. vermitteln, warum die Amtszeit eines Bundespräsidenten auf zwei limitiert ist, während der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin immer wiedergewählt werden darf. Stephan Brandner (AfD): Bei einer solchen Reform sollten wir also gleich die Be- grenzung auf zwei Amtszeiten vom Bundespräsidenten Ich bin am Ende und verspreche Ihnen auch, dass ich auf die Kanzlerin oder den Kanzler übertragen. zumindest so lange hier sitzen bleiben werde, bis der Letzte von Ihnen sich zu diesem Thema heute geäußert (Beifall bei der FDP) hat. Das wäre mal ein Beitrag zur Diskussionskultur, zur po- litischen Kultur, (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist ja mal was ganz Neues! – (Stephan Brandner [AfD]: Der Gesetzentwurf Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/ der AfD dazu ist fertig, Herr Kuhle! Wir ha- DIE GRÜNEN]: Das gehört sich auch so! – ben das schon! Da können Sie nächste Woche Burkhard Lischka [SPD]: Das ist eine Selbst- zustimmen!) verständlichkeit, Herr Brandner!) und das würde dann auch einen wirklichen Mehrwert bringen. Vielen Dank. Meine Damen und Herren, ein zweiter Grund, warum (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zu- wir an dieser Stelle diesem Gesetzentwurf nicht zustim- ruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da men können, ist der Duktus, mit dem das Ganze vorgetra- klatscht nicht mal die eigene Fraktion! – Zu- gen ist, und ist der Hintergedanke, ist der Stil, in dem das ruf von der SPD: Verschenkte Lebenszeit! – hier ins Parlament eingebracht wird. Der einzige Grund, Burkhard Lischka [SPD]: Da war aber was anderes als Wasser in Ihrem Glas!) 1) Anlage 7 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6959

Konstantin Kuhle (A) warum solche Vorlagen hier vorgelegt werden, ist die Zum Zweiten brauchen wir nicht Sie, um Prüfberichte (C) Verächtlichmachung demokratischer Institutionen. des Bundesgerichtshofs zur Kenntnis zu nehmen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, (Stephan Brandner [AfD]: Berichte vom Bun- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE desgerichtshof? Was soll das denn?) GRÜNEN) Um selber zu überlegen, ob und in welcher Weise es Re- Das muss man am Vorabend des 100. Jubiläums der Aus- formbedarf gibt, dazu braucht es gewiss niemanden und rufung der Weimarer Republik, die wir morgen hier ge- erst recht nicht die AfD-Fraktion. meinsam miteinander noch feiern werden, einmal sagen. Es geht aber um noch mehr. Es gibt noch eine Ge- schichte hinter diesem Ganzen, und das hat nicht nur da- (Stephan Brandner [AfD]: Was feiern wir mit zu tun, die Demokratie oder dieses Amt verächtlich morgen?) zu machen. Das hat mit Ihrer Grundhaltung gegenüber Die Rechtspopulisten und die rechten Feinde der Re- diesem Parlament zu tun. Ich erinnere mich bestens an publik haben schon in den 20er-Jahren auch nicht vor die letzten Haushaltsverhandlungen, in denen es einen dem Staatsoberhaupt Friedrich Ebert haltgemacht und Antrag von Ihnen gab, den Etat des Verfassungsschutzes ihn in den Dreck gezogen, ihn in Badehose gezeigt, sich auf null zu setzen – auf null! über ihn lustig gemacht. (Stephan Brandner [AfD]: Anderes Thema, (Zuruf von der CDU/CSU: Gauland auch! – oder?) Jürgen Braun [AfD]: Das war so wie bei Interessanterweise sind Sie ja große Apologeten von Alexander Gauland! – Gegenruf der Abg. Herrn Maaßen. Vielleicht war das auch ein Plan, dann Dagmar Ziegler [SPD]: Der ist aber nicht selber nicht beobachtet zu werden. Staatsoberhaupt! Der ist ein Kaspar!) (Stephan Brandner [AfD]: Herr Lindh, das Weil die Hetze und weil die Häme über das Staatsober- Thema ist der Bundespräsident, nicht Herr haupt in der deutschen Geschichte immer auch ein Vehi- Maaßen! – Jürgen Braun [AfD]: Es wäre in- kel war, um die demokratischen Institutionen – Bundes- teressant, wenn Sie mal zum Thema kommen republik Deutschland, Weimarer Republik, Verfassung würden, Herr Lindh!) insgesamt – in den Dreck zu ziehen, deswegen ist dieser Gesetzentwurf hier keine gute Diskussionsgrundlage und Die Begründung von Herrn Boehringer – hören Sie jetzt sollte final abgelehnt werden. mal genau zu! – war aber, es sei Protest, weil Sie in Gre- mien nicht hinreichend berücksichtigt würden. Was für (B) (Beifall bei der FDP, der SPD und dem ein Respekt vor dem Haushaltsausschuss, vor dem Parla- (D) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- ment, vor Verfassungsorganen spricht daraus? geordneten der CDU/CSU und der LINKEN) (Stephan Brandner [AfD]: Welches Verfas- sungsorgan meinen Sie?) Vizepräsidentin Petra Pau: Das hat bei Ihnen System. Helge Lindh spricht nun für die SPD-Fraktion. Stufe zwei: Haushaltsdebatte 11. September. Sie woll- (Beifall bei der SPD) ten gegen jeden Komment, jeden Usus plötzlich zum Etat des Bundespräsidenten debattieren. Helge Lindh (SPD): (Stephan Brandner [AfD]: Genau!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Was war aber der Grund? Irgendwelche Fragen zu die- Machen wir es kurz und schmerzlos – Wesentliches hat sem Haushalt? Nein! Herr Kuhle schon gesagt –: Wenn es Ihnen im Übrigen auch um die Sache ginge oder auch nur annähernd um die (Stephan Brandner [AfD]: „Demokratie“ Fragestellung, hätten Sie auch mal Berichterstatter kon- nennt man das!) taktieren können, gucken können, wie sich die anderen Der einzige Grund war, dass Sie ihn anklagen wollten, Fraktionen dazu stellen. denunzieren wollten – wegen des Konzerts in Chemnitz. (Jürgen Braun [AfD]: Haben wir doch!) (Stephan Brandner [AfD]: Das nennt man Darum ging es Ihnen ja gar nicht; denn die eigentliche „Parlamentarismus“ und „Demokratie“! – Zielrichtung ist die Denunzierung dieses Amts und der Jürgen Braun [AfD]: Das ist so in der Monar- Demokratie. Das ist auch kein Geheimnis. Sie haben das chie üblich, dass nicht über den Etat diskutiert eben in Ihrer Rede trefflich demonstriert. Davon zeugt wird!) auch dieser Gesetzentwurf. Steinmeier schlechtzumachen, war der einzige Ansatz Ih- res Antrags damals, und es ist auch die einzige Absicht, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- die hinter Ihrem heute vorliegenden Gesetzentwurf steht. ten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Sie können (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jürgen mal wieder keine Ahnung davon haben – wie Braun [AfD]: Majestätsbeleidigung ist abge- immer!) schafft als Straftatbestand!) 6960 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Helge Lindh (A) Ich zitiere mal Herrn Brandner, der ja da ist und bis Die Äußerungen des Bundespräsidenten ... grenzen (C) zum Ende bleibt. an Demagogie. Es ist die Politik, die „Bürger ers- ter und zweiter Klasse“ geschaffen hat, indem sie (Stephan Brandner [AfD]: Ja!) in großem Stil die doppelte Staatsbürgerschaft vor Am 20. September 2017 haben Sie sich in Erfurt mit der allem bei türkischen Migranten hinnimmt. Äußerung berühmt-berüchtigt gemacht, eine syrische Fa- Und so weiter, und so fort. milie – ich zitiere – bestehe aus Mutter, Vater und zwei Ziegen. – So viel zu Ihrem demokratischen Format. Dann spricht sie im Zusammenhang mit Herrn Steinmeier von dem „unter Rot-Grün beschrittenen Irr- (Abg. Stephan Brandner [AfD] meldet sich weg automatischer Einbürgerungen nach dem Territori- zu einer Zwischenfrage) alprinzip“. Zum Bundespräsidenten Steinmeier stellen Sie weiter Sie haben es in Ihrer Rede gezeigt. Sie zeigen es in fest – ich zitiere –: Ihren Zitaten. Das ist der Inbegriff populistischer Politik: Außerdem ist er aufgrund seiner offenen Unterstüt- einen Gesetzentwurf zu machen, der vorgibt, sich ernst- zung einer gegen unsere freiheitlich demokratische haft mit dem Amt des Bundespräsidenten und der Frage Grundordnung kämpfenden Bande nun ein Fall für des Ehrensolds auseinandersetzen zu wollen. Nicht das den Verfassungsschutz! ist der Zweck. Der einzige Zweck ist, das Amt des Bun- despräsidenten und diese Demokratie infrage zu stellen Das sagen Sie. und in Sonderheit Frank-Walter Steinmeier infrage zu stellen und als Gegner dieses Landes darzustellen. Das Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: wird Ihnen nicht gelingen. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? (Jürgen Braun [AfD]: Linksextreme Rocker- gruppen mit Hetzparolen!) Helge Lindh (SPD): Herr Steinmeier ist jemand, auf den wir stolz sein kön- Ach nee. nen; denn er hat die Stimme gegen Ihren Ungeist erho- ben, und er hat zu Recht zum Besuch des Konzerts in Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Chemnitz aufgerufen. Gut, dass es Steinmeier gibt! Nicht Okay. gut, dass es die AfD gibt! Vielen Dank. Helge Lindh (SPD): (B) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (D) Nein, es ist nicht nötig. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Stephan Brandner [AfD]: Feige, Herr Lindh!) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Herr Brandner, hören Sie mir zu! Sie lernen fürs Leben, Zu einer persönlichen Erklärung erteile ich das Wort für die Politik. Ich rede weiter. dem Kollegen Brandner. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Stephan Brandner (AfD): Sie weisen an anderer Stelle noch darauf hin, dass Sie Herr Präsident, vielen Dank für die Gelegenheit. – an den Artikel 61 unseres Grundgesetzes denken. Sie Eine Frage zunächst an Herrn Lindh. wollen also womöglich strafrechtlich gegen den Bundes- präsidenten vorgehen. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Herr Pazdersky aus Berlin – ich zitiere wiederum –: Keine Frage! Sie geben bitte eine persönliche Erklä- rung ab. Die AfD lehnt Hass und Gewalt ab und verurteilt jede Form, derartige Botschaften zu verbreiten. Stephan Brandner (AfD): Das sind 15 Wörter und 13 Lügen. Das muss man erst Bin ich falsch informiert, dass die SPD im Novem- mal schaffen. ber 2012 einen ähnlichen Antrag eingebracht hat? (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem (Zurufe: Frage!) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- geordneten der LINKEN)) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Nächster Satz: Herr Kollege Brandner, – Entsprechend prüfen wir nun mögliche rechtliche Schritte gegen den Bundespräsidenten. Stephan Brandner (AfD): Es geht noch weiter. Frau Weidel – leider nicht da – Ich bin dabei. (Dagmar Ziegler [SPD]: Gott sei Dank!) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: am 23. August dieses Jahres – ich zitiere –: – eine persönliche Erklärung – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6961

(A) Stephan Brandner (AfD): Ihnen geht es mal wieder darum, politisch Andersden- (C) Ja. kende mundtot zu machen. (Jürgen Braun [AfD]: Sie sind doch gegen die Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Meinungsfreiheit unterwegs! Sie wollen doch – ist keine Frage und auch keine Kurzintervention. keine andere Meinung!) Wenn Sie etwas zu erklären haben, machen Sie es bitte. Ihnen geht es darum, Bundespräsidenten, die Haltung ge- gen rechts zeigen, zu attackieren. Dagegen werden wir Stephan Brandner (AfD): uns wehren, und deshalb werden wir Ihren Gesetzent- Herr Lindh, Sie haben hier vorn gerade ein mutmaßli- wurf natürlich ablehnen. ches oder vermeintliches Zitat von mir erwähnt und ge- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- sagt, ich hätte gesagt: Eine syrische Familie besteht aus neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Vater, Mutter und zwei Ziegen. – Herr Lindh, ich weise GRÜNEN) dieses zurück. Dieses Zitat ist von Ihnen frei erfunden. Das habe ich nie gesagt. Sie haben es aus den Medien ab- Sie stört es, dass ein Bundespräsident Wulff gesagt geschrieben, die seit über einem Jahr dieses falsche Zitat hat: Der Islam gehört zu Deutschland. über mich verbreiten. (Jürgen Braun [AfD]: Sie wollen doch keine Das Zitat war sinngemäß – das kann jeder auf Face- anderen Meinungen!) book, in den sozialen Medien nachlesen; in die Zeit ab – Jetzt halten Sie mal den Mund, und hören Sie zu! Dann der Minute neun meiner Erfurter Rede fällt das, was ich lernen Sie was. sage –, und ich sage sinngemäß, dass man nach dem, was der damalige Innenminister de Maizière geäußert hatte, (Jürgen Braun [AfD]: Ja, genau! Sie haben wohl davon ausgehen könne, dass er meine, eine syrische was gegen Meinungsfreiheit!) Familie bestünde aus Vater, Mutter und zwei Ziegen. Sie stört es, dass der Bundespräsident Wulff gesagt hat: (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das Der Islam gehört zu Deutschland. macht es nicht besser! – Konstantin Kuhle (Jürgen Braun [AfD]: Sie haben was gegen [FDP]: Sie sind ja richtig betroffen!) Meinungsfreiheit! Sie werden mir nicht den Dann geht das Zitat mit mir weiter: Ich hingegen mei- Mund verbieten, Herr Movassat!) ne: Das ist nicht der Fall. Sondern eine syrische Familie (B) besteht aus Vater, Mutter und Kindern. – Das wäre das Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (D) korrekte Zitat gewesen, Herr Lindh. Herr Kollege Braun, Sie können einen Zwischenruf machen, aber nicht niederbrüllen. Also, verbreiten Sie hier nicht solche unverschämten erfundenen Lügen über mich! (Stephan Brandner [AfD]: Ich mache jetzt weiter!) (Beifall bei der AfD – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Ihre Rede war schmutzig!) Niema Movassat (DIE LINKE): Sie stört es, dass Herr Gauck sich gegen Nazispinner Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: gestellt hat und die Gesellschaft aufgerufen hat, gegen Das Wort hat jetzt der Kollege Niema Movassat für Nazispinner aufzustehen. Sie stört es, dass Herr Stein- die Fraktion Die Linke. meiner gegen Ihre den Hitlergruß zeigenden Freunde in (Beifall bei der LINKEN) Chemnitz das Wort erhoben hat. Das alles stört Sie, und das ist der Grund für Ihren heute vorliegenden Gesetz- entwurf. Niema Movassat (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr (Stephan Brandner [AfD]: Uns stören die Brandner, Sie sagten: Wenn man untätig ist, kriegt man Ruhebezüge des Bundespräsidenten!) weniger Geld. – Wenn ich mir die Reihen der AfD bei Was das Thema selber angeht, ist es natürlich so, dass Ihrem eigenen Gesetzentwurf anschaue, müssten da or- man über den Ehrensold reden muss. dentliche Gehaltsabzüge kommen. (Stephan Brandner [AfD]: Aha! Hört! Hört!) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Natürlich ist es in der Gesellschaft nicht nachvollziehbar, Schauen Sie mal in die andere Richtung! – wenn jemand sein Leben lang sozusagen volle Bezüge Jürgen Braun [AfD]: Bei Ihnen sitzen die als Rente bekommt. Das ist schwer nachvollziehbar. Da- Massen, ja?) rüber muss man nachdenken, weil das den Menschen draußen auf der Straße nicht vermittelbar ist. Aber das Dann sage ich Ihnen: Sie haben es in Ihrem Gesetzent- Thema eignet sich eben nicht für politische Instrumen- wurf kaschiert, aber in Ihrer Rede hier gezeigt, um was es talisierung. Und genau diese politische Instrumentalisie- Ihnen wirklich geht: rung betreiben Sie heute mit Ihrem Gesetzentwurf. (Stephan Brandner [AfD]: Sagen Sie es uns!) (Beifall bei der LINKEN) 6962 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Niema Movassat (A) Wenn man sich ernsthaft mit diesem Thema befassen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (C) möchte, dann muss man im Haushaltausschuss – dort Nächste Rednerin: Die Kollegin Britta Haßelmann für gehört es hin – darüber diskutieren und sich um eine ge- Bündnis 90/Die Grünen. meinsame Lösung bemühen. Dann geht es nicht nur um den Ehrensold, dann geht es insgesamt um die Frage der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Versorgung von Altersbundespräsidenten, um Kosten für Arbeitsräume und für Mitarbeiter. Soweit ich weiß, gibt Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): es ja bei vielen Fraktionen mittlerweile einen Konsens, Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- dass zum Beispiel Altersbundespräsidenten in Räumlich- nen und Kollegen! Ich rate dazu, den Kollegen Brandner keiten des Bundestages untergebracht und nicht externe hier heute Abend nicht so wichtig zu nehmen. Das ist je- Gebäude teuer angemietet werden. Sie merken: Es be- mand, der nimmt das Parlament nicht ernst. Er ist in der wegt sich schon was. Dafür brauchen wir nicht die politi- letzten Sitzungswoche hier nach seiner Rede abgezogen sche Show der AfD heute. und hat uns bis 1.30 Uhr beraten lassen, hat sich von den (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Saaldienstes ver- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) abschiedet mit den Worten: Schönen Abend noch. – Das ist aus Ihrer Sicht anscheinend ganz besonders witzig; Ich möchte noch einen Punkt ansprechen. Ich finde denn diese Leute fahren mit der S-Bahn nach Hause und es schon sehr amüsant, dass sich ausgerechnet die AfD sind dann nächtens irgendwann da. als Verteidigerin von Steuergeldern aufspielt. Ich meine: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Wer (Stephan Brandner [AfD]: Ich habe die Ta- also selber nicht weiß, wie man mit Steuergeldern kor- gesordnung nicht gemacht!) rekt umgeht, sollte nicht anfangen, sich zum Verteidiger Aber das interessiert Sie ja alles nicht; denn die Verächt- des Steuerzahlers aufzublasen. lichmachung des Parlamentes ist ja eine Ihrer Speziali- täten. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, [AfD]: SED-Vermögen!) bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN) Denn Sie scheinen mit staatlichen Mitteln, die Ihre Frak- tion bekommen hat, teilweise rechtswidrig umgegangen Und das sollten all diejenigen wissen, die Ihnen heute zu sein. Es steht ja sogar der Vorwurf im Raum, dass Aufmerksamkeit geschenkt haben. staatliche Mittel von Ihrer Fraktion veruntreut worden Meine Damen und Herren, gerade aus Respekt nicht (B) sind. (D) nur vor diesem Parlament, auch aus Respekt vor den (Stephan Brandner [AfD]: Was hat der Bun- Bundespräsidenten a. D., vor dem Amt und vor dem jet- despräsident damit zu tun?) zigen Amtsinhaber disqualifiziert Sie die Art, der Stil, wie dieser miserable Gesetzentwurf eingebracht wurde, Der eigene Wirtschaftsprüfer Ihrer Fraktion attestiert ein zweites Mal. Ihnen massive Ungereimtheiten im Umgang mit Ihren Fraktionsgeldern, die Ihnen ja aus Steuergeldern zuflie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ßen. Es ist die Rede von Vettern- und Günstlingswirt- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der schaft. CDU/CSU, der FDP und der LINKEN) Es gibt überhaupt keine Linie bei der AfD. In der ei- 16 Millionen Euro bekommt die AfD-Bundestagsfrak- nen Woche wird im Haushaltausschuss beantragt, den tion jedes Jahr. gesamten Etat für den Bundespräsidenten zu streichen. (Stephan Brandner [AfD]: Was Sie alles wis- (Stephan Brandner [AfD]: Wann wurde das sen!) denn beantragt? Was ist das denn für ein Blöd- Davon hatten Sie nicht mal ein paar Euro übrig, sich eine sinn!) vernünftige Buchhaltungssoftware zu kaufen. Sie haben In der nächsten Woche wird ein Gesetzentwurf vorgelegt, mit Excel-Tabellen 16 Millionen Euro verwaltet. Das ist in dem der sogenannte Ehrensold kurzerhand halbiert manipulierbar, und es ist wirklich irre, was Sie da betrie- werden soll. Das ist ohne Sinn und Verstand: Schnell- ben haben. Ich glaube, jeder Sportverein hat seine Finan- schuss statt Sorgfalt. Lassen Sie uns also bitte nicht ernst- zen besser im Griff. Ich sage: Beim AfD-Gesetzentwurf haft darüber weiter diskutieren. ist es ungefähr so, als würde ein Steuerbetrüger Vorschlä- ge zur Bekämpfung von Steuerschlupflöchern machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das ist wirklich Irrsinn, was Sie hier vorgelegt haben. NEN sowie bei Abgeordneten der SPD und Das werden wir natürlich ablehnen. der FDP – Stephan Brandner [AfD]: Frau Haßelmann! Frau Haßelmann!) Danke. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will an dieser (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Stelle sagen: Gerade weil wir darüber nicht sprechen neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE sollten, sollten wir uns aber zwischen demokratischen GRÜNEN) Fraktionen darüber verständigen, dass es nach dem Be- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6963

Britta Haßelmann (A) richt des Bundesrechnungshofes klaren Regelungsbedarf Vielen Dank, meine Damen und Herren. (C) gibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Stephan Brandner [AfD]: Aha! So, so!) sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN) Ich finde, dass man an dieser Stelle entsprechende Maß- nahmen gemeinsam vereinbaren sollte. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Stephan Brandner [AfD]: Wir sind bereit!) Der nächste Redner ist der Kollege Philipp Amthor, CDU/CSU-Fraktion. – Ich will Sie gar nicht dabei haben. Haben Sie das noch nicht gemerkt? (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Philipp Amthor (CDU/CSU): CDU/CSU, der FDP und der LINKEN) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende dieser Debatte muss man doch schon ein bisschen Und das Allerbeste ist: Auf Sie ist hier im Parlament nie- staunend auf das Ganze schauen. Herr Brandner, Sie ha- mand angewiesen. ben uns für die AfD hier eine Debatte für Feinschmecker (Stephan Brandner [AfD]: Wollen Sie uns versprochen. Wenn sie das sein soll, kann ich Ihnen nur ausweisen?) sagen: Sie sind ein sehr schlechter Koch. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Das ist schon mal ganz klar. der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Im Übrigen: Das Interesse in der AfD-Fraktion für Fein- Stephan Brandner [AfD]: Wollen Sie uns ab- schmeckerdebatten war auch schon mal größer. schieben?) Ich sage Ihnen: Ich wundere mich, worüber wir jetzt Wir Grünen sehen Handlungsbedarf. Mein Appell gesprochen haben. richtet sich an dieser Stelle an die Fraktionen der Union, SPD, FDP und auch der Linken, gemeinsam darüber zu (Stephan Brandner [AfD]: Ich wundere mich diskutieren, wo Handlungsbedarf besteht. auch!) (Stephan Brandner [AfD]: Das steht in unse- Wir haben aus verschiedenen Richtungen darüber ge- rem Antrag drin!) sprochen, ob und inwieweit die AfD ihre Mittel richtig (B) verwendet. Dann haben wir in der Debatte darüber dis- (D) Ich glaube, dass es eine klare gesetzliche Grundlage für kutiert, was Sie glauben, was Herr de Maizière glaubt, die amtsbezogene Ausstattung auch nach dem Ausschei- wie viele Ziegen zu einer syrischen Familie gehören. Ich den aus dem Amt braucht. kann Ihnen nur sagen: Das alles bestätigt mich fest in der Überzeugung, dass Ihr Gesetzentwurf dem Ton der (Stephan Brandner [AfD]: Aha!) Debatte überhaupt nicht angemessen ist. Wir haben so etwas im Beamtenrecht. Es gibt klare ge- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- setzliche Regelungen für Abgeordnete und für Minister- ordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ bezüge im Amt und nach dem Amt. Deshalb ist es doch DIE GRÜNEN) eigentlich ein ganz normaler Vorgang, wenn wir das jetzt nach klaren Kriterien ganz sachlich und nüchtern und mit Ich will eines noch sagen: Herr Brandner, allem Respekt vor dem Amt und den Amtsinhabern ge- (Stephan Brandner [AfD]: Sie Superjurist! Sa- setzlich regeln. gen Sie es! Haben Sie das zweite Staatsexa- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN men?) sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE] – wenn Sie sich wünschen, dass es eine Feinschmeckerde- Stephan Brandner [AfD]: Also stimmen Sie batte gibt, dann will ich dazu beitragen; denn ich glaube, unserem Antrag zu?) Konstantin Kuhle hat auf etwas Richtiges hingewiesen. Deshalb sage ich: Lassen Sie uns dazu kommen. Der Wir haben morgen früh eine Gedenkstunde Maßgabebeschluss des Haushaltsausschusses ist dazu (Stephan Brandner [AfD]: Kuhle wollte fei- keine Alternative; denn wir reden im Jahr 2018 über ei- ern! Jubiläum hat er gesagt!) gene Maßstäbe und Transparenzanforderungen und nicht über die einer Regelung aus den Jahren 1953 und 1959. zum 9. November 1918. Das ist das 100-jährige Jubiläum Deshalb bitte ich Sie, mit uns in eine Diskussion einzu- der Ausrufung der Weimarer Republik. Und wir werden treten dann nächstes Jahr das 100-jährige Jubiläum der Weima- rer Reichsverfassung feiern. Ich glaube, es ist in diesem (Stephan Brandner [AfD]: Wir sind schon Zusammenhang richtig, darauf hinzuweisen, was wir aus mittendrin!) Weimar lernen können. und dafür eine klare gesetzliche Grundlage zu schaffen, (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU], an Abg. damit wir das auch aus Respekt vor den demokratischen Stephan Brandner [AfD] gewandt: Warum Institutionen hier im Parlament eindeutig regeln. sind Sie so nervös, Herr Brandner?) 6964 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Philipp Amthor (A) Auch Sie hätten für Ihren Gesetzentwurf aus Weimar Aber Sie zielen hier auf Einzelpersonen; Sie zielen auf (C) lernen können. Herr Brandner, hören Sie zu: In der Wei- die – in Ihren Worten – Altparteien. Was Sie aber treffen, marer Reichsverfassung hat der Reichspräsident eine ist die Würde des Amtes. Und das machen wir nicht mit. ganz andere Rolle gehabt als der Bundespräsident heute. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Haben Sie sich mal mit dem Unterschied beschäftigt? FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (Stephan Brandner [AfD]: Was ist der Unter- SES 90/DIE GRÜNEN) schied zwischen Ihnen und einem Juristen?) Wir lehnen das ab. Wir wollen eine würdevolle Diskus- Der Reichspräsident stand ganz bewusst inmitten der sion. Staatsorgane; er war Teil der politischen Debatte, und wir Und damit Sie auch noch etwas lernen, gebe ich Ihnen wissen auch, wohin das geführt hat. einen kleinen Tipp in Sachen guter Stil. Sie haben die (Stephan Brandner [AfD]: Sie alter Verfas- 50er-Jahre zitiert. Herrn Gauland wird das gefallen. Als sungsrechtler!) man 1953 das Gesetz über diese Ruhebezüge geschaffen hat, hat, nachdem man es ausgehandelt hatte, ein Abge- Ich sage Ihnen eins: Ich will es mir nicht leicht machen ordneter, konsensual, respektvoll über den Bundespräsi- und Ihnen die Nazikeule überziehen denten gesprochen. (Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Philipp, (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Da hatten wir er versteht es nicht!) auch noch andere Bundespräsidenten, Herr Amthor!) – ja, ich merke das auch –; aber trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, Herr Brandner, dass vielleicht die Das wäre die richtige Lehre – auch aus Weimar. Das wäre Bürger noch was mitnehmen. ein gutes Beispiel für Sie. Wir lehnen Ihren Gesetzent- wurf ab. (Stephan Brandner [AfD]: Studieren Sie erst (Stephan Brandner [AfD]: Studieren Sie erst mal zu Ende! – Gegenruf des Abg. Michael mal zu Ende! Machen Sie einen Abschluss, Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Also, er hat seine Herr Amthor! Dann reden wir weiter!) Bezüge verdient im Gegensatz zu Ihnen!) Herzlichen Dank. Aus der Reihe „Was ist der Unterschied zu der Wei- marer Reichsverfassung“: Das ist die Rolle des Bundes- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – präsidenten heute. Wir haben bewusst nach der Lehre aus Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: So ein (B) Weimar gesagt: Der Bundespräsident soll ein viel reprä- arroganter Schnösel, dieser Brandner!) (D) sentativeres Amt haben. Er steht zwar teilweise inmitten der Staatsfunktion, aber ein Stück über den Staatsorga- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: nen. Wir sollten respektvoll über das Amt des Bundes- Die nächste Rede von Dr. Volker Ullrich geht zu Pro- präsidenten diskutieren. tokoll. – Ich sehe, Sie sind damit erfreulicherweise ein- 1) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der verstanden. SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE Ich schließe die Aussprache. GRÜNEN) Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur- Das Bild, das Sie hier mit diesem Gesetzentwurf zeich- fes auf Drucksache 19/5490 an die in der Tagesordnung nen wollen, ist doch ganz klar: Sie wollen den Bundes- aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es ander- präsidenten als raffgierigen Typen darstellen, der wie im weitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das Schlaraffenland lebt und dem die Hähnchen in den Mund so beschlossen. fliegen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: (Stephan Brandner [AfD]: Feine Sahne Fisch- Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- filet!) regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Das ist nicht die Wahrheit. Vielmehr sind wir überzeugt, zes zur Beschleunigung von Planungs- und dass das Amt des Bundespräsidenten ein Amt ist, das Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich Respekt verdient, über das man stilvoll diskutieren sollte. Drucksachen 19/4459, 19/4731, 19/4944 Nr. 8 (Jürgen Braun [AfD]: Der Bundespräsident Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- beschädigt das Amt! Herr Steinmeier beschä- schusses für Verkehr und digitale Infrastruktur digt das Amt!) (15. Ausschuss) – Es ist ja in Ordnung, Herr Braun. Wir können sehr ger- Drucksache 19/5580 ne darüber reden, wie man mit Konzerten umgeht, an de- Hierzu liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion nen auch Antifa-nahe Akteure beteiligt sind. Das finde der FDP sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion ich auch nicht toll. Bündnis 90/Die Grünen vor. Interfraktionell ist eine De- (Jürgen Braun [AfD]: Nicht toll ist ja ein bisschen wenig!) 1) Anlage 7 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6965

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich (A) battenzeit von 38 Minuten vereinbart. – Es gibt keinen und damit auch viel Zeit sparen. Andere Länder bekom- (C) Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. men das hin. Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich darauf In Ihrem Entwurf aber ist das leider nicht vorgesehen. hin, dass einige Reden zu Protokoll gegeben wurden. Dabei hat das Verkehrsministerium schon 2014 auf Ba- Das betrifft gleich die erste Rede des Parlamentarischen sis der funktionierenden Verfahren in Dänemark und den Staatssekretärs Enak Ferlemann.1) Niederlanden ein Handbuch herausgegeben mit wirklich (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: guten Vorschlägen zur besseren Einbindung der Bürger. Was? Wieso das denn? Der Staatssekretär gibt Schade, dass davon leider nichts umgesetzt wird. zu Protokoll! Das habe ich ja noch nie erlebt!) (Beifall bei der AfD) Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abge- Sehr sinnvoll wären auch Maßnahmengesetze. Große ordnete Leif-Erik Holm für die AfD. Infrastrukturprojekte von nationaler Bedeutung sollten (Beifall bei der AfD) hier im Bundestag beschlossen werden. Damit könnten wir den Bau deutlich beschleunigen. Das ist in Ihrem Entwurf leider ebenso wenig vorgesehen. Genau diese Leif-Erik Holm (AfD): beiden Dinge sind es, die vor allem fehlen: eine frühe un- Liebe Bürger! Herr Präsident! Meine Damen und Her- komplizierte Einbindung der Bürger und der Turbo, der ren! Deutschland steht so lange im Stau wie nie zuvor. Im über Maßnahmengesetze eingeschaltet werden könnte. letzten Jahr verbrachten die Autofahrer 457 000 Stunden Das würde uns beim Infrastrukturausbau wirklich voran- stehend auf den Straßen. Staulänge: insgesamt 1,5 Milli- bringen. Da müssen wir endlich ran. onen Kilometer. Das ist eine Strecke, die locker dem Weg zweimal zum Mond und zurück entspricht. Dieser Gesetzentwurf aber wird keinen Durchbruch Es gibt verschiedene Gründe für den – so muss man bringen, auch wenn er tendenziell in die richtige Richtung ihn wohl bezeichnen – Verkehrsinfarkt in Deutschland. geht. Hier muss deutlich mehr kommen, um Deutschland Es liegt einerseits an den vielen Baustellen. Und das ist wirklich fit für die nächsten Jahrzehnte zu machen. ja auch eine gute Nachricht; denn wir werden den In- Danke schön. vestitionsstau irgendwann abgearbeitet haben. Es liegt aber auch daran, dass wir bei vielen dringend benötigten (Beifall bei der AfD) Neubauten, Entlastungsstrecken, Ortsumgehungen, Au- tobahnen, 20 bis 30 Jahre von der Planung bis zur Frei- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: gabe brauchen. 20 bis 30 Jahre – da kann man sagen: Es (B) Nächster Redner ist der Kollege Mathias Stein, (D) bleiben ganze Generationen im Stau stecken. Das macht SPD-Fraktion. natürlich eine Menge schlechte Laune und bedeutet für Millionen von Menschen sinnlos verplemperte Lebens- (Beifall bei der SPD) zeit. Viele Väter und Mütter würden abends sicher lieber Mathias Stein (SPD): ihre Kinder ins Bett bringen, als auf dem Heimweg auf Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und der Autobahn rumzustehen. Wir brauchen also endlich ei- Kollegen! Wir haben schon heute Morgen als Koalition nen deutlich schnelleren Ausbau unserer Verkehrswege. sehr viele Gesetzespakete auf den Weg gebracht. Das Das aber werden Sie mit diesem Entwurf nicht schaffen. Rentenpaket haben wir beschlossen. Wir haben das Teil- Auch Experten bestätigen Ihnen, dass mit dem Gesetz- habechancengesetz beschlossen, mit dem wir etwas für entwurf keine nennenswerte Beschleunigung der Pla- Langzeitarbeitslose tun. Und wir tun jetzt etwas beim nungsverfahren zu erwarten ist. Die Ansätze sind zwar Thema Planungsbeschleunigung. richtig; aber die entscheidenden Schritte fehlen dabei. Die Koalition ist handlungsfähig; wir tun etwas für die (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Bürger. Wir Bundestagsabgeordnete der Koalitionsfrak- Immerhin wird es eine Straffung der Einspruchsver- tionen machen Sacharbeit, und das seit Monaten. fahren für wichtige Baumaßnahmen geben. Aber eine (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Handvoll neuer Richterstellen am Bundesverwaltungs- der CDU/CSU – Gustav Herzog [SPD]: Sehr gericht wird wohl nicht ausreichen, um das neue drohen- richtig! – Torsten Herbst [FDP]: Ah ja!) de Flaschenhalsproblem zu verhindern. Es ist hier im Haus unstrittig – das sehen alle Parteien Viel wichtiger und zielführender wäre es ohnehin, so –, dass die Planung, die Genehmigung und der Bau an die Ursachen zu gehen und dafür zu sorgen, dass bei von großen Infrastrukturmaßnahmen viel zu lange dau- Verkehrsprojekten von vornherein weniger Einsprüche ern. Das Gesetz, das wir jetzt vorgelegt haben, ist ein ers- eintrudeln. Die betroffenen Bürger dürfen eben nicht ter wichtiger Schritt. Mit dieser Koalition werden weite- vor vollendete Planungstatsachen gestellt werden. Wir re folgen. Seien Sie gewiss, Herr Holm: Diese Koalition müssen sie vielmehr so frühzeitig einbeziehen, dass der wird nicht nur den ersten Schritt gehen, sondern sie wird Bürgerwille schon bei der Planung berücksichtigt werden noch ganz, ganz viele Schritte gehen. kann. Das würde eine Menge rechtlicher Streitigkeiten (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Florian 1) Anlage 8 Oßner [CDU/CSU]) 6966 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Mathias Stein (A) Da die Koalitionsfraktionen ja auch das von unserem SPD-Bundestagsfraktion ist Lärmschutz Gesundheits- (C) ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Peter Struck formu- schutz und Menschenschutz. Insofern ist das für uns lierte Struck’sche Gesetz berücksichtigen, wichtig.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Daniela Das kennen wir schon! Bitte nicht um diese Ludwig [CDU/CSU]) Uhrzeit!) dass nämlich kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie Wir wollen, dass die Menschen ein Recht auf Lärm- es eingebracht worden ist, haben wir das in diesem Fall schutz haben. Deswegen haben wir die Grenzwerte für auch umgesetzt. Wir als SPD haben unsere parlamenta- eine Gesundheitsgefährdung in den Gesetzentwurf hi- rische Verantwortung wahrgenommen und haben diesen neingeschrieben und festgelegt, dass ab 60 Dezibel in der Gesetzentwurf noch erheblich verbessert. Nacht und ab 70 Dezibel am Tag Lärmschutzmaßnah- men ergriffen werden müssen. Wenn es um weniger als Wir haben den Entwurf geprüft. Wir haben eine An- 3 Dezibel geht, dann verweisen wir auf das Bundes-Im- hörung durchgeführt, Kontakte zu verschiedenen Bürger- missionsschutzgesetz und werden dadurch auch die initiativen gehabt und Schwachstellen erkannt. Möglichkeit haben, bei Kindergärten und Altenheimen (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lärmschutz zu ermöglichen. Was ist denn jetzt mit der Planungsbeschleu- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) nigung?) An zwei zentralen Punkten, haben wir gesagt, muss Auch wenn die Lärmschutzverordnung sagt, dass dieser dieser Gesetzentwurf noch verbessert werden. Wert erstmalig überschritten wird, wird es Lärmschutz geben. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mindestens!) Ein weiterer Punkt, den wir im Gesetzentwurf vorge- – Mindestens. – Der erste Punkt ist: Das schnellere Pla- sehen haben: Falls es so sein sollte, dass die Verkehrspro- nen und die Bürgerbeteiligung dürfen wir nicht gegenei- gnose sinken würde – auch das gibt es in Deutschland – nander ausspielen. Konsens bedeutet schnelle Planung. und der Lärmschutz nicht mehr so nötig sein sollte, wie Es muss mit den Menschen geplant werden. es ursprünglich angenommen worden ist, dann gibt es keine Verschlechterung. Das kann unter anderem bei der (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rheintalbahn so sein. Die Menschen müssen sich auf das Das ist ein Irrtum!) verlassen können, was wir im Bürgerverfahren beschlos- sen haben. (B) Ich will ein paar Punkte nennen, die wir als Änderung (D) eingebracht haben. Zum einen ermöglicht das Gesetz (Beifall bei der SPD) nun die vorläufige Anordnung bei Bau oder Änderung von Straßen und Schienenwegen. Bei den Bundeswas- Ein weiterer Punkt ist: Wir brauchen eine Verkehrs- serstraßen besteht diese Möglichkeit bereits. Wir haben wende. Es ist notwendig, dass mehr Menschen im indi- festgestellt, dass das positiv ist. Im Gesetzentwurf der viduellen Verkehr auf die Schiene setzen. Dazu haben Bundesregierung war das ursprünglich zwar vorgesehen. wir wichtige Baumaßnahmen im Bereich der Schiene Es war allerdings so vorgesehen, dass der Rückbau von in den Gesetzentwurf hineingeschrieben, für die die Teilmaßnahmen nicht möglich gewesen wäre. Wir haben erstinstanzliche Zuständigkeit beim Bundesverwaltungs- durchgesetzt, dass jetzt nur vorläufige Maßnahmen um- gericht liegt. Wir haben auch festgelegt, dass das Eisen- gesetzt werden können, die reversibel sind. Das heißt, bahn-Bundesamt die zentrale Behörde sein wird, die die es wird zum Beispiel keine Rodungen geben. Vielmehr Anhörungs- und Planfeststellungsverfahren durchführen werden zuerst Naturschutzmaßnahmen durchgeführt. soll. Auch Munitionsfunde werden zuerst entsorgt. Das haben wir in diesem Gesetz berücksichtigt. (Beifall des Abg. Klaus Mindrup [SPD])

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist besonders gut, weil wir diesbezüglich einiges Was ist mit dem Denkmalschutz?) vorhaben. Ich will allerdings sagen: Wenn das Eisen- – Auch der Denkmalschutz ist ein wichtiger Punkt, der bahn-Bundesamt zuständig ist, werden wir noch ein berücksichtigt worden ist. Ich glaube, dass auch das bei paar weitere Maßnahmen ergreifen müssen. Das heißt, der vorläufigen Anordnung berücksichtigt werden muss. das Eisenbahn-Bundesamt braucht Personal. Ich hoffe Es muss ja im öffentlichen Interesse sein. sehr, dass die Bundesländer dann das Geld, das durch die Einsparungen beim Personal frei wird, auch in die Infra- Der zweite Punkt. Wir ermöglichen, dass unter be- struktur stecken und dass sie die Mitarbeiter schulen, die stimmten Bedingungen neue Verkehrsprognosen un- für ihren Infrastrukturbereich zuständig sind. berücksichtigt bleiben. Das Ziel ist es, nachträgliche Umplanungen zu vermeiden. Der Gesetzentwurf der (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bundesregierung sah zunächst einmal vor, dass sie ledig- Und das Bundesverwaltungsgericht?) lich ab einer Lärmzunahme von 3 Dezibel unberücksich- tigt bleiben. Hieran gab es viel Kritik der Bürgerinitia- – Das Bundesverwaltungsgericht muss sicherlich auch tiven, und diesen Punkt, diese Schwachstelle haben wir besser ausgestattet werden. Ich hoffe, dass die Haushäl- im Gesetzentwurf beseitigt. Denn aus unserer Sicht als ter sowohl beim EBA als auch beim Bundesverwaltungs- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6967

Mathias Stein (A) gericht – heute ist ja die Nacht der Haushälter – noch Wir wissen, dass Bürger diese Zeiträume sehen, und (C) einiges drauflegen werden. wenn wir ihnen sagen: „Es dauert vier Jahrzehnte, bis wir ein Stück Autobahn bauen“, dann zweifeln diese Bür- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ger, und sie verzweifeln. Sie zweifeln an Behörden, sie der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜND- zweifeln an der Handlungsfähigkeit des Staates, und sie NIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hoffen! Hoffen zweifeln manchmal leider auch am politischen System. reicht nicht!) Deswegen ist es immanent, dass wir tatsächlich zu einer – Ich rechne da auch mit grüner Unterstützung. Vielleicht echten Beschleunigung beim Bau von Verkehrswegen werden Union und FDP das auch unterstützen. Die ganz kommen. rechte Seite wird das wahrscheinlich nicht unterstützen; (Beifall bei der FDP) aber das ist ja nicht anders zu erwarten. Vor kurzem haben wir alle im Fernsehen gesehen, Insgesamt ist dieser Entwurf richtig, und ich freue dass China eine neue Brücken- und Tunnelverbindung mich ganz besonders, dass wir es im Ausschuss noch ge- zwischen Hongkong und Macau eröffnet hat, schafft haben, einen Entschließungsantrag vorzulegen, der auch die Zustimmung der Grünenfraktion gefunden (Karsten Möring [CDU/CSU]: Ein echtes hat. Wir wollen mehr Bürgerbeteiligung. Wir wollen das Vorbild für uns!) Raumordnungsverfahren und das Planfeststellungsver- fahren zusammenführen. Wir wollen Klagefristen. So 55 Kilometer in neun Jahren. Und wir? Wir basteln er- kann das Bundesverwaltungsgericht reagieren und auch folglos seit 26 Jahren an 13 Kilometern Autobahnumfah- etwas mit den Stellen machen. Ich hoffe, dass wir als Ko- rung von – an der A 143. alition an dieser Frage weiter arbeiten werden. (Sören Bartol [SPD]: Das können Sie doch Herzlichen Dank. nicht wirklich vergleichen! Das ist eine Dik- tatur! Das ist hirnlos! Sind Sie Demokrat, oder (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten was sind Sie?) der CDU/CSU) Ich finde, das ist nichts, worauf wir stolz sein können, Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: meine Damen und Herren. Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege (Beifall bei der FDP – Sören Bartol [SPD]: ­Torsten Herbst. Das ist ja wohl bodenlos!) (B) (Beifall bei der FDP) Bevor Sie sich hier alle aufregen: Ich hatte schon in (D) meiner letzten Rede gesagt: Natürlich ist Straßenbau à la Torsten Herbst (FDP): China kein Vorbild. Aber ich sage Ihnen sehr klar: Eine Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- kluge und durchdachte Planungsbeschleunigung ist ein ren! Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt kleine Schrit- wirksames Mittel im Kampf gegen Politikverdrossenheit, te in die richtige Richtung. Aber wenn wir ehrlich sind, (Florian Oßner [CDU/CSU]: Deswegen ma- muss man sagen: Gebraucht hätten wir einen echten, ei- chen wir es ja!) nen mutigen Durchbruch. Davon sind Sie sehr weit ent- fernt, meine Damen und Herren. ist ein wirksames Mittel, das Zutrauen der Bürger in ei- nen handlungsfähigen Staat zu stärken. Auch darüber (Beifall bei der FDP – Gustav Herzog [SPD]: sollten Sie einmal nachdenken. Das hätten Sie machen können! – Sören Bartol [SPD]: Was denn jetzt? Richtige Richtung (Beifall bei der FDP – Michael Grosse-­Brömer oder nix?) [CDU/CSU]: Deswegen machen wir es doch!) Die Problematik ist doch klar: Bürgerinnen und Bür- Auch wenn wir uns im Ziel der Baubeschleunigung ger haben zu oft das Gefühl, dass beim Ausbau von Ver- einig sind, muss man sagen: kehrswegen der Käfer oder die Fledermaus das Tempo vorgeben und nicht die Notwendigkeit oder der Bedarf (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Loben vor Ort. Das muss sich ändern, meine Damen und Her- Sie das Gesetz doch!) ren. Dieser Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, ist (Beifall bei der FDP) mutlos, ist unambitioniert, und er ist ideenlos. Die Frage ist: Wie lange können und wie lange wollen (Beifall bei der FDP – Karsten Möring [CDU/ wir uns es noch leisten, dass wir mittlerweile selbst für CSU]: Berufsnörgler! – Gustav Herzog [SPD]: den Bau eines Radweges über zehn Jahre brauchen? Wie Was sind denn Ihre Vorschläge?) lange wollen wir es uns noch leisten, dass der Bau ei- nes Stücks Autobahn mittlerweile 40 Jahre braucht? Ich – Wenn wir nur nörgeln würden, dann müssten Sie ja glaube, das ist für eine Industrienation längst nicht mehr keinen Entschließungsantrag vorlegen und in diesem angemessen. Entschließungsantrag schon sagen: Das geht nicht weit genug, wir brauchen sofort ein Planungsbeschleuni- (Beifall bei der FDP) gungsgesetz II. – Sie selbst stellen also fest, dass das, 6968 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Torsten Herbst (A) was Sie vorlegen, nicht ausreichend ist. Das ist doch eine Tausend Unterschriften gegen dieses Gesetz zusammen- (C) Tatsache. gekommen. (Beifall bei der FDP) (Florian Oßner [CDU/CSU]: Das ist noch kein Qualitätsgarant!) Spannend, meine Damen und Herren, ist ja nicht nur, was im Gesetzentwurf steht, sondern vor allem auch das, Das zeigt, dass es überhaupt nicht gut ankommt bei den was nicht im Gesetzentwurf steht. Bürgerbeteiligung Bürgerinitiativen. Sie unterstellen, dass es die Öffent- vorzuziehen ist ein großes Thema in der Anhörung ge- lichkeitsbeteiligung ist – das hat der Kollege Herbst jetzt wesen. In Ihrem Gesetzentwurf steht davon null. Doppel- noch einmal enorm hervorgehoben –, die dazu führt, dass prüfung konsequent abschaffen, das Pingpong zwischen solche Bauprojekte zu langsam vorankommen. Aber das Landes- und Bundesbehörden verringern, einen digitalen ist doch falsch. Datenfluss zwischen Behörden und Vorhabenträgern er- möglichen, einzelne Baugesetze zu national wichtigen (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und Verkehrsprojekten im Parlament beschließen oder auch des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ersatzneubauten vor allem bei Brücken vereinfachen: All das findet sich nicht in Ihrem Gesetzentwurf. Aber Schauen wir auf die Schweiz, dort findet in direktde- wir helfen Ihnen gern: Das steht nämlich in unserem Ent- mokratischen Verfahren die größtmögliche Beteiligung schließungsantrag. statt und trotzdem oder gerade deshalb werden selbst Großprojekte wie der Gotthard-Basistunnel planmäßig (Beifall bei der FDP) fertig. Meine Damen und Herren, das ist ja auch alles keine Wir meinen, dass ein Hauptproblem in den Ämtern Zauberei oder Teufelszeug. Wir brauchen uns ja nur um- und Behörden liegt. Dort ist zu wenig fachkompetentes zuschauen und zu fragen: Wie machen es andere Länder Personal vorhanden. Eigentlich müssten die Genehmi- in der EU, unsere Nachbarn? gungsbehörden die eingereichten Planungsunterlagen fachlich und juristisch kompetent beurteilen und dann (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: dafür sorgen, dass sie entsprechend nachgebessert wer- Lesen!) den, sodass die Maßnahmen so gut geplant werden, dass Andere Länder brauchen zehn Jahre für die Bauvorbe- viele Einwände einfach gar nicht nötig sind. reitung, aber dann rollen dort auch die Bagger. Bei uns rollen nach zehn Jahren die Lkws mit Aktenordnern voll (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Planungsunterlagen zwischen den Behörden. Das, meine NIS 90/DIE GRÜNEN) (B) (D) Damen und Herren, ist doch kein Zustand, mit dem wir Ich erinnere an das Grundwassermanagement beim zufrieden sein können. Tunnelbahnhof in . Damals haben die Ingenieu- (Beifall bei der FDP) re gegen Stuttgart 21 von Anfang an darauf hingewie- sen, dass es völlig unterdimensioniert ist. Später musste Wer Verkehrsprojekte wirklich beschleunigen will, der Bauherr, die Deutsche Bahn AG, zugeben, dass mit muss das Bummeltempo verlassen, muss einmal einen 6,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser die doppelte echten Sprint einlegen. Das würden wir uns von dieser Menge entnommen werden muss als beantragt, und dann Regierung wünschen, meine Damen und Herren. war ein neues Genehmigungsverfahren nötig. Das hätte man verhindern können. (Beifall bei der FDP) Die Hälfte aller Klagen von Naturschutzverbänden Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: würde wegfallen, wenn diejenigen, die Autobahnen und Eisenbahnen planen, die geltenden Gesetze und Bestim- Die nächste Rednerin ist die Kollegin Sabine Leidig, mungen kennen und einhalten würden. Das heißt, wenn Fraktion Die Linke. schon bei der Planung die Umweltschutzbehörde einbe- (Beifall bei der LINKEN) zogen wird, kann es besser werden und schneller gehen. Wir sind der Meinung, dass Bürgerinnen und Bürger Sabine Leidig (DIE LINKE): frühzeitig und umfassend beteiligt werden müssen, wenn Guten Abend, Herr Präsident! Werte Kolleginnen vor ihrer Haustür Verkehrswege gebaut werden. und Kollegen! Die Vorsitzende der Initiative Anger- (Beifall bei der LINKEN) mund schreibt über das Gesetz, das hier zur Abstimmung steht, es sei ein „bürgerfeindlicher Etikettenschwindel“. Wir wollen, dass gerade bei großen Infrastrukturpro- Ich finde, da hat sie völlig recht. „Beschleunigung von jekten Alternativen ernsthaft geprüft werden. Bei neuen Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbe- Bahnstrecken werden jetzt Dialogforen eingerichtet. Das reich“ steht drauf, aber drin steckt, dass die wenigen ist gut, aber es ist unverbindlich. Das muss geändert wer- Möglichkeiten eingeschränkt werden sollen, die Verbän- den. Eigentlich steht es auch in Ihrem Koalitionsvertrag. de und Bürgerinitiativen haben, um Einfluss zu nehmen auf geplante Verkehrsprojekte. Das heilen Sie auch nicht Die Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU haben mit den Änderungen, die Sie jetzt noch eingebracht ha- der Bundesregierung mit einem Entschließungsantrag ben. Obwohl Sie es sehr eilig gehabt haben, sind etliche ein paar Prüfaufträge auferlegt. Da kann ich nur sagen: Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6969

Sabine Leidig (A) Wenn es meine Regierung wäre, dann würde ich Prüfer- Für eine frühzeitige Bürgerbeteiligung über das gesetz- (C) gebnisse verlangen, bevor ein Gesetz verabschiedet wird. liche Mindestmaß hinaus fehlt den Behörden Geld und Personal, ja manchmal auch der Wille. Die Bürger wer- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- den erst bei der Frage des Wie und nicht schon bei der NIS 90/DIE GRÜNEN) Frage des Ob beteiligt. Dadurch wird die Akzeptanz für Warum haben Sie nicht alles darlegen lassen, was Pla- Infrastrukturprojekte gesenkt und das Risiko von Wider- nungsbeschleunigung, schnelle Planungen und gute Er- ständen gegen solche Projekte erhöht. gebnisse behindert? Meine Damen und Herren, wir brauchen keine chine- Die Grünen haben einen Entschließungsantrag vorge- sischen Verhältnisse. Wir brauchen eine neue Planungs- legt, in dem viel Richtiges steht. Dem können wir gut kultur. zustimmen. Wenn es Ihnen wirklich um schnellere Um- setzung, zum Beispiel von sinnvollen Bahnprojekten, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ko- und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten alition, sorgen Sie dafür, dass es mehr Geld gibt für guten der SPD) Gesundheits- und Lärmschutz, damit nicht immer wieder Notwendig ist dafür eine verbindliche, umfassende und das Wohlbefinden der Anlieger gegen die Verkehrsverla- frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung, bei der auch Al- gerung auf die Schiene ausgespielt wird. Wir brauchen ternativen zu Projekten zur Sprache kommen müssen. beides. Neue Planungskultur heißt auch Kooperation statt Kon- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- frontation in der Zusammenarbeit der Behörden mit den NIS 90/DIE GRÜNEN) Umweltschutzverbänden. Deren Expertise wird, wenn überhaupt, nur am Rande in die Planungen einbezogen. Zum Schluss will ich noch sagen, dass ich es am Man sieht sie eher als Gegner, aber nicht als Gesprächs- Schlimmsten finde, welche Botschaft Sie mit diesem Ge- partner auf Augenhöhe. Wenn die Belange des Natur- setz aussenden. Aktive Bürger und Bürgerinnen, Bürger- und Umweltschutzes von Anfang an berücksichtigt wer- meister und Umweltinitiativen werden als Störenfriede den, kommt man auch mit Planungen schneller zum Ziel. dargestellt, die staatliches Handeln erschweren. Davon sind wir überzeugt. (Zuruf von der SPD: Das ist doch Quatsch!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Dabei ist das Gegenteil richtig. Ohne kompetente Men- schen, die ihre Bedenken und Vorschläge einbringen, Ebenso gilt: Wer Bürgerinnen und Bürger frühzeitiger (B) gibt es keine lebendige Demokratie und übrigens auch und umfassender beteiligt, der verbessert die Planungen, (D) keine besseren Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen. der erhöht die Planungsqualität. Ein Argument, das in der (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Debatte viel zu selten genannt wird. NIS 90/DIE GRÜNEN) Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, bei Verkehrspro- jekten, bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: durchgeführt werden muss, künftig auf eine Erörterung Der nächste Redner ist der Kollege Stephan Kühn, zu verzichten. Der Verzicht auf Erörterungen spart aber Bündnis 90/Die Grünen. keine Zeit, er wird die Planung nicht beschleunigen. Aber er ist ein wichtiger Baustein in der Öffentlichkeitsbeteili- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gung, der jetzt wegfällt. Vorschläge zu frühzeitiger Bür- gerbeteiligung stehen nicht im Gesetzentwurf, sondern Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nur im Entschließungsantrag der Regierungskoalition. NEN): Da muss ich Ihnen sagen: Absichtserklärungen an dieser Stelle reichen nicht aus. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Marode Brücken, Engpässe im Schienen- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN netz, überlastete Nahverkehrsstrecken, fehlender Lärm- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) schutz – wer den Verkehrskollaps vermeiden und die Ver- kehrswende vorantreiben will, der muss Planungen von Gleiches gilt auch für den Nahverkehr. Die Planung Infrastrukturprojekten beschleunigen. und Genehmigung von städtischer Nahverkehrsinfra- struktur tauchen im Planungsbeschleunigungsgesetz Im Ziel sind wir uns also einig. Wir müssen aber bei ebenfalls nicht auf. Dabei wollen Städte und Kommunen der Frage nach den richtigen Maßnahmen auf die tatsäch- zahlreiche Infrastrukturprojekte vorantreiben, insbeson- lichen Gründe schauen, die für zähe Planungsprozesse dere im Interesse der Verkehrswende. Deshalb müsste und jahrelange Verzögerungen verantwortlich sind. So das jetzt schon im Gesetzentwurf stehen. werden Bürger nicht oder erst sehr spät in den Verfahren beteiligt und oft erst, wenn die Grundsatzentscheidungen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) längst gefallen sind und nur noch Details beeinflusst wer- den können. Ich erinnere daran: Heute hat wieder ein Gericht Fahr- verbote in Städten erlassen, diesmal für Köln und Bonn. (Gustav Herzog [SPD]: Es gibt aber auch Das heißt, die Kommunen können nicht länger auf An- Partikularinteressen!) kündigungen warten, sie brauchen endlich substanziel- 6970 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

Stephan Kühn (Dresden) (A) le Unterstützung vom Bund, die Sie mit diesem Gesetz sind Die Linke, die Grünen und die FDP. Damit ist der (C) leider versagen. Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen. (Zuruf von der FDP: Macht ihr doch vor Ort!) Dritte Beratung Beschleunigte Planungs- und Genehmigungsprozesse und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem für neue Straßenbahnen und S-Bahn- und U-Bahn-Lini- Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Das en wären ein wesentlicher Baustein, der leider in diesem sind die Koalition und die AfD. Wer stimmt dagegen? – Gesetzentwurf fehlt. Das sind die FDP, die Grünen und Die Linke. Enthaltun- gen? – Keine. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen. Meine Damen und Herren, jahrelang wurde Perso- nal abgebaut. Die Planungs- und Genehmigungsbehör- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) den sind personell nicht ausreichend ausgestattet, um komplexe Projekte zügig abzuarbeiten. Planer werden Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe b händeringend gesucht. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/5580, Projekte bleiben liegen, weil die Fachleute fehlen. Glei- eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese ches gilt – das ist schon angesprochen worden – für die Beschlussempfehlung? – Das ist die Koalition. Gerichte. Klagen gegen Vorhaben aus dem Bundesver- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kehrswegeplan sollen künftig einzig beim Bundesver- NEN]: Was meinen Sie denn? Welche Ent- waltungsgericht möglich sein. Doch ohne zusätzliches schließung?) Personal für das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird sich die Verfahrensdauer nicht verkürzen, sondern – Das ist Drucksache 19/5580. sie wird sich eher verlängern. (Stephan Thomae [FDP]: Beschlussempfeh- (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: lung? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE So ist es!) GRÜNEN]: Die haben wir nicht! – Dr. Bernd Baumann [AfD]: 5597 ist die Beschlussemp- Die Einführung verbindlicher Fristen bis zur Eröffnung fehlung!) von Verfahren ist richtig. Aber die personelle Stärkung der Gerichte, wie im Entschließungsantrag vorgeschla- – Drucksache 19/5580. – Buchstabe b auf Drucksa- gen, nur zu prüfen, liebe Freundinnen und Freunde von che 19/5580. Haben Sie das nicht? der Koalition, ist deutlich zu wenig. (Dagmar Ziegler [SPD]: Nein! – Stephan Tho- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mae [FDP]: Über die Beschlussempfehlung (B) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) haben wir gerade abgestimmt!) (D) Wir lehnen den Gesetzentwurf ab. Die Zustimmung Es hilft nichts: Den Buchstaben b müssen Sie in den Un- zum Entschließungsantrag der Koalition verbinden wir terlagen haben. mit der Hoffnung, dass die Umsetzung der geforderten Maßnahmen beschleunigt wird. (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wir haben zwei Entschließungsanträge auf den Drucksa- Vielen Dank. chen 5597 und 5598!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 19/5580, haben Sie die? sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nicht unter b, aber alle haben den!) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Vielen Dank, Kollege Kühn. – Die nächsten bei- Dann stellen wir das zurück und holen die Drucksache. den Reden der Kollegen Patrick Schnieder und Karl 1) Zunächst lasse ich über den Entschließungsantrag der Holmeier sollen zu Protokoll gegeben werden. Sie sind FDP auf Drucksache 19/5597 abstimmen. – Haben Sie? – damit einverstanden? – Dann schließe ich die Ausspra- che. (Zurufe: Ja!) Wir kommen zur Abstimmung über den von der Gut. Wer ist dafür? – AfD und FDP. Wer ist dagegen? – Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Be- Das sind die Koalition, die Grünen und die Linken. Da- schleunigung von Planungs- und Genehmigungsver- mit ist der Entschließungsantrag abgelehnt. fahren im Verkehrsbereich. Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur empfiehlt unter Buchstabe a Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/5580, Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5598. Wer ist den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Druck- dafür? – Das sind Linke und Grüne. Wer stimmt dage- sachen 19/4459 und 19/4731 in der Ausschussfassung gen? – Das sind die Koalition, FDP und AfD. Damit ist anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent- auch dieser Entschließungsantrag abgelehnt. – So, und wurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ein was ist jetzt mit der Drucksache? Handzeichen. – Das sind die AfD, die CDU/CSU-Frak- (Das Präsidium berät sich – Karl Holmeier tion und die SPD-Fraktion. Wer ist dagegen? – Dagegen [CDU/CSU]: Wir fangen noch mal von An- fang an! – Heiterkeit bei Abgeordneten der 1) Anlage 8 CDU/CSU und der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 6971

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich (A) Schauen Sie auf die Drucksache 19/5580, Seite 8: Enthaltung von Linken und FDP ist diese Beschlussemp- (C) Dort schlägt der Ausschuss unter Buchstabe b vor, eine fehlung des Ausschusses angenommen. Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Ent- (Der gesamte und damit endgültige Stenografische schließung? – Das sind die Koalition, die Grünen und Bericht der 61. Sitzung wird am 13. November 2018 die AfD. Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Bei veröffentlicht.)

(B) (D) 6972-7022 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) (C)

(B) (D) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 7023

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Entschuldigte Abgeordnete

Abgeordnete(r) Abgeordnete(r)

Beer, Nicola FDP Sauter, Christian FDP

Brandt, Michel DIE LINKE Schulz, Jimmy FDP

Brehmer, Heike CDU/CSU Sendker, Reinhold CDU/CSU

Dobrindt, Alexander CDU/CSU Staffler, Katrin CDU/CSU

Elsner von Gronow, Berengar AfD Stamm-Fibich, Martina SPD

Erndl, Thomas CDU/CSU Wadephul, Dr. Johann David CDU/CSU

Gabriel, Sigmar SPD Wagner, Andreas DIE LINKE

Glöckner, Angelika SPD Weeser, Sandra FDP

Hahn, Florian CDU/CSU Weidel, Dr. Alice AfD

Hardt, Jürgen CDU/CSU Weinberg (Hamburg), Marcus CDU/CSU

(B) Held, Marcus SPD Weiss, Sabine CDU/CSU (D)

Heßenkemper, Dr. Heiko AfD Anlage 2 Irlstorfer, Erich CDU/CSU Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Christoph Ploß und Krichbaum, Gunther CDU/CSU Klaus-Peter Willsch (beide CDU/CSU) zu der na- mentlichen Abstimmung über den von der Bundes- Kulitz, Alexander FDP regierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung Lambsdorff, Alexander Graf FDP in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungs- Lamers, Dr. Dr. h. c. Karl A. CDU/CSU gesetz) (Tagesordnungspunkt 4 a) Lindner, Christian FDP Am heutigen Donnerstag, dem 8. November 2018, Ludwig, Daniela CDU/CSU findet die Abstimmung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über Leistungs- Lühmann, Kirsten SPD verbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Merkel, Dr. Angela CDU/CSU -Stabilisierungsgesetz) statt. Wir haben gegen diesen Ge- setzentwurf Vorbehalte. Nord, Thomas DIE LINKE Laut dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales verursacht das Rentenpaket zusätzliche Kosten von rund Pasemann, Frank AfD 30 Milliarden Euro bis 2025. Bei der Mütterrente II sind jährliche Mehrausgaben der Rentenversicherung von Roth (Heringen), Michael SPD circa 3,7 Milliarden Euro zu erwarten. Vor allem durch die sogenannte „doppelte Haltelinie“ – 48 Prozent Ren- Rottmann, Dr. Manuela BÜNDNIS 90/ tenniveau und 20 Prozent Rentenbeiträge – entstehen DIE GRÜNEN zusätzliche Kosten, die eine enorme Belastung für den 7024 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Bundeshaushalt darstellen würden. Das Rentenpaket ist Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes wären zur langfristi- (C) nach Ansicht von Experten kaum finanzierbar und be- gen Finanzierung erhebliche Steuererhöhungen notwen- deutet für kommende Generationen eine hohe finanzielle dig, die vor allem von den jungen Steuerzahlern getragen Belastung. Mit dem Inkrafttreten wären zur langfristigen werden müssen. Finanzierung erhebliche Steuererhöhungen notwendig oder die Anhebung des Rentenalters. 3. Auch vor dem Hintergrund der seit langem fort- Auch vor dem Hintergrund der demografischen Ent- schreitenden demografischen Entwicklung ist das Ren- wicklung ist das Rentenpaket der falsche Ansatz. Im tenpaket der falsche Ansatz. Derzeit liegt das Verhält- Jahr 2018 liegt das Verhältnis von Rentnern pro Er- nis von Rentnern pro Erwerbstätigen noch bei 1 : 3. Im werbstätigen noch bei 1 : 3. Im Jahr 2035 wird es schät- Jahr 2035 wird es schätzungsweise schon bei 1 : 2 liegen. zungsweise schon bei 1 : 2 liegen. Der Renteneintritt der Der Renteneintritt der „Babyboomer“ beschleunigt dabei „Babyboomer“ beschleunigt dabei die demografische die demografische Entwicklung der Renten. Gleichzei- Entwicklung der Renten. Gleichzeitig ist festzuhalten, tig sinkt der Anteil junger Menschen in der Bevölkerung dass der Anteil junger Menschen in der Bevölkerung seit bereits seit 1980, während der Anteil der 65- und über 1980 sinkt, während der Anteil der 65- und über 65-Jäh- 65-Jährigen kontinuierlich steigt. Der heute vorliegende rigen kontinuierlich steigt. Der vorliegende Gesetzesent- wurf ignoriert diese Entwicklungen. Gesetzentwurf ignoriert all diese Entwicklungen, die sich seit langem abzeichnen. Die Rente ist ein Generationenvertrag. Die jun- ge Generation ist bereit, ihren Anteil beizutragen. Das 4. Die Rente war stets ein Generationenvertrag. Die RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz junge Generation ist bereit, ihren Anteil beizutragen. Das stellt jedoch eine einseitige Belastung dar: Die Hauptlast RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz für die Leistungen aus dem Gesetz tragen die zukünfti- stellt jedoch eine zu einseitige Belastung dar und bringt gen Rentenbeitragszahler. damit den Generationenvertrag in Gefahr. Die Hauptlast Wir stimmen trotz dieser Vorbehalte nach reiflicher für die Leistungen aus dem Gesetz tragen die zukünftigen Abwägung dem Gesetzentwurf zu, da im Falle einer Rentenbeitragszahler. Das ist das Gegenteil einer genera- Ablehnung des Gesetzentwurfes der Bestand der Regie- tionengerechten und vorausschauenden Rentenpolitik. rungskoalition gefährdet wäre und dies für die politische Stabilität Deutschlands enorme negative Folgen hätte. Marian Wendt (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 19/4668) (B) (D) Anlage 3 stimme ich zu. Er enthält eine Reihe positiver Maßnah- men. Die Erhöhung der Mütterrente um einen halben Erklärungen nach § 31 GO Rentenpunkt für Mütter, deren Kinder vor 1992 gebo- zu der namentlichen Abstimmung über den von ren worden sind, halte ich für gerecht, auch wenn dies der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines mit Mehrausgaben der Rentenversicherung von circa Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabi- 3,7 Milliarden Euro einhergeht. Die Verbesserungen für lisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung krankheitsbedingte Frührentner sowie die Entlastung von (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungs- Geringverdienern unterstütze ich ebenfalls. gesetz) (Tagesordnungspunkt 4 a) Die sogenannte doppelte Haltelinie für Rentenniveau und Beitragssatz sehe ich hingegen kritisch. Die eigent- Mark Hauptmann (CDU/CSU): Im Rahmen der lich für 2019 geplante Entlastung der Beitragszahler um heutigen namentlichen Abstimmung stimme ich dem 0,1 Prozentpunkte wäre durch die Rücklagen der Ren- Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestags-Druck- tenversicherung möglich. Durch das aktuelle Renten- sache 19/4668, nicht zu. Ich lehne den Gesetzentwurf aus paket entfällt diese Entlastung. Stattdessen bedeutet die folgenden Gründen ab: Festschreibung der doppelten Haltelinie, die auch nach 1. Laut dem Bundesministerium für Arbeit und Sozi- 2025 wirken wird, eine enorme Belastung für jetzige und ales verursacht das Rentenpaket zusätzliche Kosten von zukünftige Beitragszahler. Eine dauerhafte Umverteilung rund 30 Milliarden Euro bis 2025. Bei der Mütterrente II zulasten der Jüngeren ist außerordentlich problematisch. sind jährliche Mehrausgaben der Rentenversicherung In der Zukunft werden die Steuerzahler das erbringen von circa 3,7 Milliarden Euro zu erwarten. Vor allem müssen, was nicht innerhalb des Rentensystems erwirt- durch die sogenannte „doppelte Haltelinie“ (48 Prozent schaftet werden kann. Rentenniveau und 20 Prozent Rentenbeiträge) entstehen zusätzliche Kosten, die eine enorme Belastung für den Angesichts des demografischen Wandels plädiere Bundeshaushalt – und damit vor allem für alle zukünfti- ich nach wie für eine generationengerechte Rente. Die gen Generationen – darstellen würden. Schwerpunkte dafür liegen für mich in der privaten Vor- 2. Das Rentenpaket ist nach Ansicht führender Exper- sorge, im flexiblen Renteneintritt, in der Steigerung der ten kaum realistisch finanzierbar und bedeutet für kom- Wohneigentumsquote und in einem Mehr an Transparenz mende Generationen eine hohe finanzielle Belastung. in der säulenübergreifenden Renteninformation. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 7025

(A) Anlage 4 Johann Saathoff (SPD): Die NATO steht seit (C) 69 Jahren für Stabilität, Sicherheit und Zusammenarbeit Erklärung nach § 31 GO in Europa und der westlichen Hemisphäre. Die Notwen- des Abgeordneten Thomas Bareiß (CDU/CSU) zu digkeit der NATO zeigt sich aktuell anhand zahlreicher der namentlichen Abstimmung über den von der kriegerischer Auseinandersetzungen an den NATO-Au- Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ge- ßengrenzen sehr stark. Die bei den NATO-Gipfeln von setzes über Leistungsverbesserungen und Stabili- Wales und Warschau gegebenen Zusagen betrachte ich sierung in der gesetzlichen Rentenversicherung als symbolische Zusagen, welche ein Signal für den ge- (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungs­ meinsamen Willen zur Zusammenarbeit für Frieden und gesetz) Stabilität in Europa geben sollen. (Tagesordnungspunkt 4 a) Eine Verdoppelung der deutschen Verteidigungsaus- Ich habe versehentlich mit Nein gestimmt, mein Vo- gaben lehne ich ab, die Bundeswehr muss vielmehr eine tum lautet Ja. für ihre Aufgaben angemessene Mittelausstattung erhal- ten, die sich aus den Verpflichtungen im Rahmen der NATO-Mitgliedschaft ableitet. Das kürzlich zu Ende ge- gangene Manöver Trident Juncture, bei dem Deutschland Anlage 5 das zweitgrößte Truppenkontingent stellte, hat gezeigt, Erklärungen nach § 31 GO dass die Bundeswehr im Wesentlichen für ihre Aufgaben gut gerüstet ist. zu der namentlichen Abstimmung über die Be- Ich betrachte aber die Forderungen des Antrages zur schlussempfehlung des Verteidigungsausschusses öffentlichen Rücknahme der Zusagen der Bundesre- zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, gierung als falsches Signal, das die NATO und damit Michel Brandt, Christine Buchholz, weiterer Frieden und Sicherheit in Europa insgesamt gefährden Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE würde. Die Antragsteller haben immer wieder deutlich Zwei-Prozent-Rüstungsziel der NATO ablehnen gemacht, dass sie die NATO für einen Anachronismus (Tagesordnungspunkt 7) halten und auflösen wollen. Diese Ansicht teile ich nicht.

Ulli Nissen (SPD): Heute entscheidet der Deutsche Deshalb lehne ich diesen Antrag ab. Bundestag über den Antrag der Fraktion Die Linke „Zwei-Prozent-Rüstungsziel der NATO ablehnen“. Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Antrag die Bundes- Anlage 6 (B) regierung dazu auf, in den offenen Konflikt mit dem NA- (D) TO-Koalitionspartner zu gehen. Das lehne ich ab. Erklärung nach § 31 GO Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ha- der Abgeordneten Dr. Katarina Barley (SPD) ben stets deutlich gemacht, dass wir uns der von den zu der namentlichen Abstimmung über die Be- USA vorgegebenen Aufrüstungsspirale nicht unterwer- schlussempfehlung des Verteidigungsausschusses fen werden. Deshalb brauchen wir auch keine weitere Er- zu dem Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, höhung des zuletzt stark gestiegenen Verteidigungsetats. Michel Brandt, Christine Buchholz, weiterer Im kommenden Jahr soll die Bundeswehr etwa 43 Milli- Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE arden Euro erhalten. Das ist ausreichend. Zwei-Prozent-Rüstungsziel der NATO ablehnen (Tagesordnungspunkt 7) Den Verteidigungsetat weiter zu erhöhen, würde die Welt kein Stück sicherer machen und die Probleme der Ich habe versehentlich mit Nein gestimmt, mein Vo- Menschen in den Kriegsgebieten nicht lösen. Wir müs- tum lautet Ja. sen viel mehr in die Entwicklungszusammenarbeit inves- tieren, damit humanitäre Hilfe in Katastrophengebieten geleistet werden kann und die Hilfe direkt bei den Men- Anlage 7 schen ankommen kann. Zu Protokoll gegebene Reden Wir müssen Abrüstungsinitiativen und konventionelle Rüstungskontrollen europaweit stärken. Vertrauensbil- zur Beratung des von den Abgeordneten Stephan dende Maßnahmen, Transparenz militärischer Entschei- Brandner, Andreas Bleck, Corinna Miazga, weite- dungen können einen langfristigen Frieden garantieren. ren Abgeordneten und der Fraktion der AfD ein- Dazu brauchen wir ein Sicherheitskonzept, das alle As- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung pekte umfassend behandelt. des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundesprä- sidenten (Tagesordnungspunkt 16) Die SPD war immer eine Partei, die sich für Frieden in der Welt eingesetzt hat. Ich bin der festen Überzeu- Marc Henrichmann (CDU/CSU): Diese Debatte ist gung, dass dies nicht gelingen wird, wenn wir unsere ein guter Anlass, um über die Rolle und Aufgaben der NATO-Bündnispartner offen brüskieren. Ich werde daher Bundespräsidenten zu debattieren. Das Bundesverfas- den hier vorliegenden Antrag ablehnen. Er ist insgesamt sungsgericht argumentiert so: Das Amt des Bundesprä- nicht dazu geeignet, den Frieden in der Welt sicherzu- sidenten sei aufgrund der Erfahrungen mit der Weimarer stellen. Reichsverfassung konzipiert. Er sei nicht einer der drei 7026 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) klassischen Gewalten zuzuordnen. Er verkörpere die zuletzt wieder. Haben Sie die Debatte heute im Bundes- (C) Einheit des Staates. Autorität und Würde seines Amtes tag nicht verfolgt? kämen gerade auch darin zum Ausdruck, „dass es auf vor allem geistig-moralische Wirkung angelegt sei.“ Und sogar die Begründung Ihres jetzigen Gesetzent- (BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2014, 2 BvE 2/09) wurfes ist falsch. So schreiben Sie, dass bei Bundes- präsidenten a. D. nach herrschender Rechtslage weder Einheit des Staates, Autorität und Würde des Amtes: Erwerbs- noch Erwerbsersatzeinkommen mit dem Eh- Diese Aspekte müssen wir bei der Debatte um den Bun- rensold verrechnet würden. despräsidenten berücksichtigen. Der Bundespräsident stößt Debatten an, er steht über der Tagespolitik. Gerade Der Bundesrechnungshof, der den sorgsamen Umgang vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Spaltung hal- mit Steuergeldern überwacht, verweist aber zumindest te ich es für dringend erforderlich, dass wir das Vertrauen auf § 4 des BPräsRuhebezG. Danach seien versorgungs- in eine solche Institution in Deutschland stärken und sie rechtliche Vorschriften sinngemäß anzuwenden und da- nicht durch völlig undifferenzierte und populistische An- mit bestimmte Einkünfte grundsätzlich anzurechnen. träge diskreditieren. Auch diese Feinheiten ignoriert Ihr Holzhammer-Gesetz- Damit wir uns nicht falsch verstehen. Natürlich ist es entwurf und behauptet pauschal etwas anderes. richtig und wichtig, über eine angemessene und würde- Und neben dieser ganzen Tatsachenverdrehung kann volle Ausstattung der Bundespräsidenten a. D. zu debat- man Ihnen auch nicht abnehmen, dass Sie der Hüter der tieren. Finanzen seien: Vor einigen Wochen wollten Sie mit Ih- Der von ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von rer politischen Stiftung schnellstmöglich an die finanzi- der AfD, eingebrachte Gesetzentwurf widerspricht aber ellen Fleischtöpfe und wollten dafür sogar die bestehen- zuallererst der guten parlamentarischen Übung, dass in den Gesetze zugunsten einer „Lex AfD“ ändern. Geht’s solchen Angelegenheiten wie der Höhe der Ruhebezüge um Ihre AfD, spielt Geld keine Rolle. Geht es um den von Bundespräsidenten zunächst ein inhaltlicher Grund- Bundespräsidenten, zeigen Sie sich plötzlich knauserig. konsens zwischen den Fraktionen des Bundestages ge- Das ist vollkommen unglaubwürdig. sucht wird. Das haben Sie erst gar nicht versucht. Im Hauruck macht man eben keine Gesetze. Erst recht Sie scheren sich aber nicht darum. Ihnen geht es nur nicht, wenn es eine besondere staatliche Instanz betrifft. um populistische Schnellschüsse und um inhaltslose Vor- urteile. Wenn es Ihnen um Inhalte gegangen wäre, hätten Wir wollen Regelungen für die Bundespräsidenten Sie versucht, einen interfraktionellen Konsens herzustel- a. D. treffen, die es den Präsidenten ermöglichen, ihre len. Das gute Miteinander ist Ihnen aber völlig schnuppe. „fortwirkenden Amtspflichten“ angemessen wahrzuneh- (B) men, ohne die Steuersparsamkeit aus dem Blick zu ver- (D) Sie wähnen sich doch immer als Volksvertreter und lieren. konservative Kraft. Dazu gehört für mich, das parla- mentarische Miteinander und die Grundregeln von An- Sie verweigern aber leider jeden konstruktiven Dia- stand und Respekt zu wahren. Erst recht, wenn man sich log und entscheiden sich dafür, mit „dem Kopf durch die ständig über eine angeblich schlechte Behandlung durch Wand“ zu wollen. Schade. Allein deswegen machen Sie andere beschwert: Sollte man dann nicht mit gutem Bei- uns eine Zustimmung zum Entwurf unmöglich. spiel vorangehen? Zum Inhalt: Wir sprechen hier über den Ehrensold der Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Beim EU-Referend- Bundespräsidenten a. D., über deren Büroausstattung um am 23. Juni 2016 konnten sich die Bürger des Verei- und andere Privilegien. Ja, wir müssen uns die Ausgaben nigten Königsreichs zwischen zwei Optionen entschei- kritisch anschauen. den: Verbleib in der Europäischen Union oder Austritt. Gleichzeitig müssen wir aber auch den Respekt vor Das Ergebnis ist bekannt, und mit dem Antrag auf Aus- dem Amt und den Aufgaben unserer Bundespräsidenten tritt aus der Europäischen Union wurde dem mehrheitli- a. D. wahren. Dazu sagt Ihr Gesetzentwurf gar nichts. chen Wählerwillen Rechnung getragen. Der Haushaltsauschuss des Deutschen Bundestages Die Konsequenzen und die Reichweite dieser schein- hat am 8. November 2012 die Regeln für die Ausstattung bar einfachen Entscheidung zeigen sich nun bei den von ehemaligen Bundespräsidenten deutlich angepasst. schwierigen Verhandlungen eines Austrittsabkommens. Die eingeleiteten Schritte sind richtig, und es müssen Ein solches erscheint wahrscheinlich, und dennoch ist und werden weitere Schritte folgen, aber der Würde des das sogenannte „No-Deal-Szenario“ nicht vom Tisch. Amtes angemessen und fair. Mit dem Austritt Ende März nächsten Jahres sind in je- Sie selbst arbeiten mit Ihrem Gesetzentwurf zumin- dem Fall erhebliche Konsequenzen verbunden. dest unfair und unsauber, indem sie sich diesem demo- Der Brexit betrifft bei weitem nicht nur das abstrak- kratischen Dialog verweigern und Tatsachen verdrehen: te Verhältnis von EU und Vereinigtem Königreich. Die So begründen Sie Ihren Entwurf damit, dass die Bür- rechtlichen Folgen des Austritts werden bei den Bürgern gerinnen und Bürger vor dem Hintergrund eines ver- und der Wirtschaft vor Ort konkret spürbar sein. Es ist meintlichen sinkenden Rentenniveaus kein Verständnis deshalb richtig, dass sich der Gesetzgeber der Probleme für den Ehrensold der Präsidenten hätten. Fakten Fehlan- annimmt und wir heute den vorliegenden Gesetzentwurf zeige, Fake News willkommen! Das Rentenniveau stieg debattieren. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 7027

(A) Für Unternehmen in der Rechtsform einer Gesell- Mit diesen Überlegungen sind der Kollege Hirte und (C) schaft nach britischem Recht stellt sich die Frage der ich nicht alleine. Das Bundesministerium der Finanzen rechtlichen Konsequenzen nach dem Austritt aus der EU. strengt in seinem Entwurf eines Brexit-Steuerbegleitge- Wohlgemerkt handelt es sich um Gesellschaften mit ei- setzes ähnliche Überlegungen an. Lassen Sie uns deshalb nem Verwaltungssitz in Deutschland und lediglich einem in den kommenden Ausschusssitzungen über sinnvolle Satzungssitz im Vereinigten Königreich. Der Grund für Lösungen für unsere Wirtschaft diskutieren. Gewinner die häufige Wahl der Rechtsform der „Limited“ ist si- wird der Brexit sowieso nicht produzieren. cherlich in der Haftungsbeschränkung ohne eine Kapital- aufbringung zu sehen. Durch die Niederlassungsfreiheit als Ausfluss der Personenfreizügigkeit in der Europäi- schen Union war dies möglich und mit allen Vor- und Anlage 8 Nachteilen zu gewähren. Zu Protokoll gegebene Reden Neben der schon jetzt möglichen Umwandlung in zur Beratung des von der Bundesregierung einge- eine Kapitalgesellschaft führt der Gesetzentwurf nun die brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleuni- Umwandlung in eine Personengesellschaft nach deut- gung von Planungs- und Genehmigungsverfahren schem Recht als weitere Möglichkeit ein. Konkret soll im Verkehrsbereich die „Limited“ direkt in eine Kommanditgesellschaft um- (Tagesordnungspunkt 17) gewandelt werden können, an der sich – je nach Kapi- talausstattung der betreffenden Gesellschaft – entweder Karl Holmeier (CDU/CSU): Für unseren Wohlstand eine GmbH oder eine Unternehmergesellschaft (haf- ist eine gut ausgebaute und funktionierende Verkehrsin- tungsbeschränkt) als persönlich haftender Gesellschafter frastruktur eine wichtige Voraussetzung. Im Bundeshaus- beteiligen könnte. Damit soll ein Rückfall in die Auffas- halt 2018 stehen für Investitionen in Straße, Schiene und sungsrechtsform der OHG oder GbR mit der Konsequenz Wasserwege für Erhalt und Neubau über 14 Milliarden einer persönlichen. und unbeschränkten Haftung für alle Euro zur Verfügung. Bis zum Jahr 2022 sollen die finan- Gesellschaftsverbindlichkeiten vermieden werden. ziellen Mittel auf jährlich 15 Milliarden Euro steigen. Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass eine groß- Entscheidend ist, dass dieser Finanzhochlauf dauer- zügige Übergangsregelung getroffen wird. Es muss noch haft anhält. Nur mit einer solchen soliden finanziellen mal verdeutlicht werden, dass Unternehmen aus Deutsch- Basis können die Verkehrsprojekte in Deutschland auch land am EU-Referendum nicht beteiligt waren, nun aber umgesetzt werden. mit den Konsequenzen des Brexits umgehen müssen. Als nationaler Gesetzgeber sehe ich uns in der Pflicht, für Das Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und (B) unsere Wirtschaft rechts- und planungssichere Lösungen Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich erfüllt ein (D) anzubieten, wenn schon keine umfassende europäische wichtiges Versprechen aus dem Koalitionsvertrag. Lösung möglich war. Mit Blick auf das frühestmögliche Weniger Bürokratie und mehr Personal eröffnen die Außerkrafttreten der europäischen Regeln zum 30. März Möglichkeit, die öffentlichen Verkehrswege schneller 2019 ist dies zeitlich bereits sehr knapp. zu planen und zu bauen. Es werden die Planungs- und Die Übergangsregelung des Gesetzentwurfs sieht Genehmigungsverfahren in Zukunft einfacher und effizi- nun eine zweijährige Frist vor, bis das mehraktige Ver- enter gestaltet. So wird unter anderem eine „vorläufige“ schmelzungsverfahren in eine Rechtsform des deutschen Anordnung im Bundesfernstraßengesetz eingeführt Da- Rechts spätestens vollzogen sein muss. Voraussetzung ist mit kann schon vor dem eigentlichen Planfeststellungs- jedoch, dass die beteiligte Gesellschaft den Verschmel- beschluss mit vorbereitenden Maßnahmen begonnen zungsplan bereits vor dem Ausscheiden des Vereinigten werden. Königreichs aus der EU notariell beurkunden lässt. Dies Unter diese Maßnahmen fallen zum Beispiel die ist ein positiver Ansatz, unbillige Härten zu vermeiden, Kampfmittelbeseitigung und archäologische Grabungen. der alle Fälle des Austritts erfasst. Es wird aber auch ein Die Regelung hat sich im Bereich des Bundeswasser- unverzügliches Handeln der betroffenen Gesellschaften straßengesetzes bewährt. Deshalb ist die Übertragung eingefordert. der Regelung auf den Bau von Bundesfernstraßen und Denkbar wäre eine ähnliche Übergangsfrist von zwei Schienen konsequent und richtig. Jahren zur Aufrechterhaltung der Umwandlungsfähigkeit Die Digitalisierung des Planungs- und Genehmi- ohne die Notwendigkeit einer frühzeitigen notariellen gungsprozess schafft zudem Transparenz und ermöglicht Beurkundung eines Verschmelzungsplans. Die Unter- den Bürgerinnen und Bürgern eine bessere Beteiligung. nehmen haben im Vertrauen auf die Grundfreiheiten und den Fortbestand der EU eine Rechtsform nach britischem Ein weiterer Punkt ist: Das Bundesverwaltungsge- Recht gewählt und die Tätigkeit aufgenommen. Dieses richt wird in Zukunft erste und einzige Gerichtsinstanz Vertrauen gilt bis zu einem tatsächlichen Austritt fort und für Streitigkeiten, die Planfeststellungs- und Plangeneh- kann anschließend nicht sofort versagt werden. Ein so- migungsverfahren für Bundesschienenwege betreffen. fortiger Rückfall in eine Auffangrechtsform würde eine Es geht hierbei nicht darum, berechtigte Interessen zu unangemessene Rechtsfolge darstellen. Aus. Gründen beschneiden. Die Interessen aller Beteiligten werden des Bestandsschutzes sollte zumindest für eine Über- trotz der Verkürzung des Rechtsweges gewahrt. So kann gangszeit der Status quo der Gesellschaften erhalten blei- das Planungs- und Genehmigungsverfahren effektiv be- ben. Dies schafft Rechtssicherheit und Vertrauen. schleunigt werden. 7028 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Zudem werden am Bundesverwaltungsgericht sechs mit großer Gesamtnetzbedeutung zu langsam waren, hat (C) zusätzliche Stellen geschaffen – davon sind drei Richter- dreierlei Gründe: stellen. Erstens. Die Komplexität der Vorgaben. Die Zahl der Anfang dieser Woche erfolgte die Hochstufung der zu berücksichtigenden bautechnischen und umweltrecht- Metropolenbahn von München/Nürnberg über meinen lichen Vorgaben wächst stetig. Den größten Aufwand für Wahlkreis Schwandorf bis nach Prag in den vordringli- die Verwaltungen und gleichzeitig den größten Angriffs- chen Bedarf. Hierfür möchte ich zunächst Herrn Bundes- punkt für Klagen stellen die naturschutzrechtlichen Prü- verkehrsminister herzlich danken. fungen dar. Rund 80 Prozent der Umweltvorschriften, die in Deutschland zu geltendem Recht werden, beschließt Das Ausbauvorhaben profitiert jedoch nicht nur von die EU. der Hochstufung, sondern auch von dem hier zu beschlie- ßenden Gesetz. Mit dem hier zu beschließenden Gesetz Zweitens. Die geltende Ausschreibungspraxis. Es ist können nun eventuelle Gerichtsverfahren entscheidend unbestritten, dass das wirtschaftlichste und nicht not- verkürzt werden. Dringend notwendige Bauvorhaben wendigerweise das günstigste Angebot den Zuschlag für können so in einer angemessenen Zeit realisiert werden. Infrastrukturprojekte erhalten sollte. Doch die Länder ha- Daher ist dieses neue Gesetz der richtige Weg. ben in den vergangenen Jahren Personal abgebaut. Bau- fachleute, die Angebote prüfen können, sind bei vielen Wir werden die Auswirkungen auf die Bauverfahren öffentlichen Auftraggebern Mangelware. In der Folge beobachten und gegebenenfalls nachbessern. Und es kommt wiederholt der günstigste und nicht der beste An- wird bereits über weitere Schritte zur Beschleunigung bieter zum Zug. von Bauvorhaben nachgedacht. Dazu haben wir einen Entschließungsantrag auf den Weg gebracht. Und drittens. Der Fachkräftemangel, der nicht nur die Dazu gehören: frühzeitige Bürgerbeteiligung, bessere Bauverwaltungen betrifft. Auch die beauftragten Planer Verzahnung von Raumordnungs- und Planfeststellungs- und Baufirmen stehen vor großen Schwierigkeiten, offe- verfahren, Einführung einer verbindlichen Frist zu Eröff- ne Stellen mit Ingenieuren zu besetzen. nung von Gerichtsverfahren und zusätzliches Personal an Deutschland ist eine Mobilitäts- und Transportnation. den Gerichten. Wenn es uns nicht gelingt, die Umsetzung der eigenen All diese Maßnahmen können dazu beitragen, dass die Verkehrsprojekte erheblich zu beschleunigen, dann wer- Planungs- und Genehmigungsverfahren effizienter wer- den wir diesen Titel nicht mehr lange halten. Aus meiner den und Bauvorhaben schneller realisiert werden können. Sicht sind daher drei wesentliche Schlussfolgerungen zu ziehen. (B) Die Verkehrsinfrastruktur Deutschlands ist das Rück- (D) grat unseres Wohlstandes. Sie muss den Ansprüchen Erstens. Die personelle Ausstattung bei den Ländern einer modernen Gesellschaft gerecht werden. Das Geld muss besser werden. Die Bauverwaltungen müssen dafür ist vorhanden. Nun müssen wir dieses Geld auch flächendeckend so ausgestattet sein, dass sie ihre Bau- in die Hand nehmen und die Baumaßnahmen zügig um- herrenaufgabe umfassend wahrnehmen können. Wie in setzen, damit wir auch in Zukunft unseren Wohlstand vielen Ländern wurde auch in Rheinland-Pfalz der Lan- wahren und mehren können. Dazu hilft uns dieses neue desbetrieb Mobilität jahrelang kleingespart. Trotz einer Gesetz. problematischen Altersstruktur werden weiterhin Ver- waltungsstellen abgebaut. Hier muss dringend ein Um- denken bei den Ländern stattfinden. Patrick Schnieder (CDU/CSU): Mobilität ist ein Grundbedürfnis unserer Gesellschaft und die zentrale Durch die Gründung der Infrastrukturgesellschaft des Voraussetzung für individuelle Freiheit, gesellschaftliche Bundes erhalten wir Zugriff auf die Planung der Auto- Teilhabe und Wirtschaftswachstum. Insbesondere für den bahnen. Für die Länder darf das keine Ausrede sein, die exportorientierten Wirtschaftsstandort Deutschland ist übrigen Planungseinheiten personell weiter auszudün- die Leistungsfähigkeit der Verkehrssysteme überlebens- nen. wichtig. Zweitens. Das vorhandene Planungspersonal muss Die europäische Warenverkehrsfreiheit und der ge- besser bezahlt werden. Die Länder werden im Wettbe- meinsame Binnenmarkt hängen auch davon ab, wie leis- werb mit privaten Planungsbüros und Baufirmen nur be- tungsfähig die Verkehrswege im Herzen Europas sind. stehen können, wenn sie neben flexiblen Arbeitszeitmo- Ohne Mobilität bleibt ein funktionierender europäischer dellen auch attraktive Gehälter bieten. Mit der Erhöhung Binnenmarkt nur eine Idee. der Zweckausgabenpauschale für Planung und Bauauf- sicht von Autobahnen und Bundesstraßen werden wir. Im Übrigen ist Planungsbeschleunigung auch aus öko- den Ländern weitere Spielräume eröffnen, die sie nutzen logischer Sicht dringend erforderlich, wenn wir die Kli- sollten. maziele im Verkehr einhalten wollen. Der Ausbau von Bahnstrecken, überlasteten Großknoten und Umschlag- Und drittens. Die Planungs- und Genehmigungspro- punkten muss zügig realisiert werden können. zesse bei Großprojekten müssen einfacher und schneller werden. An diesem Punkt setzen wir mit dem vorliegen- In Zeiten der Globalisierung ändern sich die Anfor- den Gesetzentwurf an. derungen an die Verkehrsnetze schneller denn je. Auf diese Veränderungen müssen wir schnell reagieren kön- Das Planungsbeschleunigungsgesetz war ein Kernan- nen. Dass wir in der Vergangenheit bei vielen Vorhaben liegen der Union. Seit der Wiedervereinigung hat der Ge- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 7029

(A) setzgeber verschiedene Gesetze zur Beschleunigung von wir uns mit der PBefG-Novelle im kommenden Jahr das (C) Infrastrukturvorhaben verabschiedet, ohne das Problem Planungsrecht im ÖPNV vornehmen. vollständig zu lösen. Mit einem neuerlichen Planungsbe- schleunigungsgesetz wollen wir Planungs- und Geneh- Gleichzeitig treiben wir das Digitale Planen und Bau- migungsverfahren effizienter gestalten und Schnittstellen en – kurz BIM – mit Hochdruck voran. Ab Ende 2020 einsparen. Der Gesetzentwurf orientiert sich dabei an den werden wir alle vom Bund finanzierten Verkehrsprojekte zwölf Punkten der Strategie Planungsbeschleunigung aus mit BIM umsetzen. Noch in diesem Jahr wird ein Betrei- dem Jahr 2017 und gibt uns verschiedene Instrumente an ber für ein nationales Kompetenzzentrum beauftragt. die Hand. Und zu guter Letzt werden wir auch auf europäischer Es wird die Möglichkeit geschaffen, vorläufige An- Ebene eine Debatte über die Voraussetzungen für Mo- ordnungen zu erteilen. Diese erlauben es dem Vorhaben- bilität führen müssen. Naturschutz darf sinnvolle und träger, unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor Er- nachhaltige Ergänzungen unserer Infrastruktur nicht ver- lass des Planfeststellungsbeschlusses mit vorbereitenden hindern. Bei der Verabschiedung von europäischen Na- Maßnahmen zu beginnen. turschutzregelungen muss wieder stärker auf die Belange von Verkehr und Logistik geachtet werden. Es wird die Möglichkeit geschaffen, einen Projektma- nager für das Planfeststellungsverfahren zu beauftragen. Am Ende geht es um die Frage, in welcher Geschwin- Wenn eine Behörde nicht über ausreichende Ressourcen digkeit wir in Deutschland unsere Zukunft gestalten verfügt, kann die Unterstützung durch einen externen wollen und können. Ich halte die vorgeschlagenen Maß- Projektmanager das Verfahren effizienter machen. Im nahmen für absolut notwendig und danke dem Bundes- Netzausbaubeschleunigungsgesetz hat sich die Regelung verkehrsminister, dass er das Versprechen des Koalitions- bewährt. vertrages so schnell einlösen und einen Gesetzentwurf vorlegen konnte. Im Bereich der Schiene bündeln wir die Anhörungs- und Planfeststellungsverfahren an der Stelle, an der es am meisten Sinn macht – beim Eisenbahn-Bundesamt. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Wir bera- Darüber hinaus schreiben wir die Liste der Schienen- ten heute in zweiter und dritter Lesung über den Gesetz- vorhaben, für die wegen ihrer herausgehobenen Netz- entwurf der Bundesregierung zur Beschleunigung von bedeutung das Bundesverwaltungsgericht die einzige Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbe- Klageinstanz ist, fort und vereinheitlichen die Klagebe- reich. Wir wollen mit diesem Gesetz erreichen, dass gründungsfrist. sorgfältig geplante Infrastrukturprojekte schneller als (B) Und schließlich sorgen wir für eine Verbesserung der bisher die Genehmigungsphase durchlaufen und Baurei- (D) Transparenz und Bürgerbeteiligung, indem Vorhabenträ- fe erlangen Denn als eine der weltweit führenden Indust- ger künftig verpflichtet werden, alle Planunterlagen im rienationen sind wir in hohem Maße auf gut ausgebaute, Internet zu veröffentlichen. leistungsfähige Verkehrswege angewiesen. Sie sind ein Grundpfeiler unseres Erfolgs. In der Summe können uns diese Maßnahmen dabei helfen, große Verkehrsvorhaben um bis zu zwei Jahre zu Die erforderlichen Finanzmittel für Investitionen in beschleunigen. Die Wirksamkeit der Maßnahmen haben den Erhalt, Aus- und Neubau von Bundesverkehrswegen uns nicht zuletzt auch die Sachverständigen in der öffent- stehen bereit: in diesem Jahr rund 14,1 Milliarden Euro, lichen Anhörung bestätigt. im kommenden Jahr voraussichtlich knapp 14,8 Mil- liarden Euro. Dieses Geld wollen wir zum Nutzen der Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein sehr guter ers- Bürgerinnen und Bürger unseres Landes schnell und ef- ter Schritt. Doch dabei bleibt es nicht. In einem zweiten fizient investieren. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 Schritt werden wir das Genehmigungssystem insgesamt beschreibt, welche Verkehrsprojekte wir in den kommen- auf den Prüfstand stellen und Vorschläge zu dessen Re- den Jahren vorrangig anpacken wollen. formierung und Verschlankung erarbeiten. Hierbei sollen auch die Integration des Raumordnungs- in das Planfest- Vorgestern haben wir zahlreiche weitere Schienen- stellungsverfahren und die Einführung einer Ideenphase projekte vorgestellt, die in den kommenden Jahren vor- zu Beginn der Planung Berücksichtigung finden. dringlich geplant und umgesetzt werden sollen. Darunter befinden sich sehr ambitionierte Schienenprojekte, wie Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, für fünf zum Beispiel Maßnahmen zur Realisierung des Deutsch- Pilotprojekte die Baurechtsbeschaffung durch Maßnah- land-Taktes und zur Netzertüchtigung für 740 Meter lan- mengesetze zu erproben. Der Lückenschluss der A1 ge Güterzüge. wäre als Projekt mit nationaler und internationaler Ver- kehrsbedeutung in besonderer Weise geeignet. Ein ent- Allerdings sind Planungs- und Genehmigungszeiträu- sprechendes Interesse habe ich bereits beim Bundesver- me von acht, zehn oder mehr Jahren leider keine Selten- kehrsminister hinterlegt. Zusätzlich wird derzeit in einem heit. Dieses Nadelöhr müssen wir beseitigen – Schritt für Gutachten geprüft, unter welchen rechtlichen Vorausset- Schritt. zungen Maßnahmengesetze im Verkehrsbereich noch re- gelmäßiger zum Einsatz kommen können. Wir haben uns im jetzigen Planungsbeschleunigungs- gesetz zunächst auf die Dinge konzentriert, die in unse- Um auch die Planungsprozesse beim Bau von Stra- ren nationalen Fachplanungsgesetzen geregelt werden ßenbahnen oder U-Bahnlinien zu beschleunigen, werden können. Damit wollen wir folgende Ziele erreichen: 7030 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018

(A) Wir wollen Doppelprüfungen vermeiden und Schnitt- Drittens. Wir wollen über diesen finanziellen Anreiz (C) stellen reduzieren. eine größtmögliche Kontinuität in der Bundesfernstra- ßenplanung sicherstellen, wenn 2021 die Infrastrukturge- Wir wollen die Verfahren effizienter gestalten. sellschaft ihre Arbeit aufnimmt. Wir wollen die Transparenz verbessern und damit die Der Gesetzentwurf ist ein erster Schritt, um Planungs- Bürgerbeteiligung stärken. und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich zu be- Wir beschleunigen die Gerichtsentscheidungen. schleunigen. Ich bin zuversichtlich, dass die Länder ihre Zustimmung in der zweiten Befassung des Bundesrates Und: Wir wollen die Vorbereitung von Bauprojekten erteilen. Seien Sie versichert: Weitere Schritte in Sachen optimieren. Künftig soll bereits vor Erlass des Planfest- Planungsbeschleunigung werden folgen. stellungsbeschlusses mit vorbereitenden Maßnahmen be- gonnen werden können. Wir wollen zum Beispiel prüfen, inwieweit Verkehrs- projekte auch per Gesetz genehmigt werden können und Wir haben darüber hinaus den Gesetzentwurf um ei- wie das Genehmigungssystem insgesamt verschlankt nen wichtigen Punkt ergänzt. Wir erhöhen die Zweckaus- werden kann. gabenpauschale, die der Bund den Ländern im Rahmen der Auftragsverwaltung im Bundesfernstraßenbau zahlt. Dieses Planungsbeschleunigungsgesetz ist als erster Wir tun dies aus dreierlei Gründen: Schritt ein wichtiges Signal zur richtigen Zeit. Geben wir den Verantwortlichen auf der Projektebene – von den Erstens. Die Planung und Verwaltung von Bundes- Planem über die Vorhabenträger bis hin zu den Bauaus- fernstraßen wird zunehmend komplexer. Die Länder sol- führenden – die notwendigen Spielräume zurück, damit len die anfallenden Mehrkosten nicht allein tragen. in Deutschland wieder schneller geplant und zügiger ge- baut werden kann. Zweitens. Wir wollen zusätzliche Anreize für eine besonders sorgfältige Planung von Straßenbauprojekten (Der gesamte und damit endgültige Stenografische schaffen. Auch das trägt zur Beschleunigung von Plange- Bericht der 61. Sitzung wird am 13. November 2018 nehmigungsabläufen bei. veröffentlicht.)

(B) (D) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 61. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 8. November 2018 7031-7080

(A) (C)

(B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333