Plenarprotokoll 19/137

Deutscher

Stenografischer Bericht

137. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Inhalt:

Gedenken an den Anschlag auf den Weih- turgemäße Waldbewirtschaftung im nachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz . . . . 17043 A Interesse des Waldes und der Forst- Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- leute neten ...... 17043 C – zu dem Antrag der Abgeordneten , , Dr. Bettina Wahl der Abgeordneten als Hoffmann, weiterer Abgeordneter und Mitglied des Parlamentarischen Beirats der der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Stiftung für das sorbische Volk ...... 17043 C NEN: Aktionsplan für einen gesunden Wahl der Abgeordneten als und artenreichen Wald Mitglied des Aufsichtsrates der Agentur Drucksachen 19/11093, 19/13528, für Sprunginnovationen ...... 17043 D 19/9925, 19/11104, 19/13079, 19/15240 . . . 17044 B Änderung der Tagesordnung ...... 17043 D b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Absetzung des Tagesordnungspunktes 25 c . . . 17044 A Waldbericht der Bundesregierung 2017 Drucksache 18/13530 ...... 17044 B Julia Klöckner, Bundesministerin BMEL . . . . . 17044 C

Tagesordnungspunkt 8: (AfD) ...... 17046 A a) Beschlussempfehlung und Bericht des (SPD) ...... 17046 D Ausschusses für Ernährung und Landwirt- schaft (FDP) ...... 17048 C – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Unser Wald Dr. (DIE LINKE) ...... 17049 A braucht Hilfe – Waldumbau voran- Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 17050 B treiben – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter (CDU/CSU) ...... 17051 B Felser, , , weiterer Abgeordneter und (DIE LINKE) ...... 17051 C der Fraktion der AfD: Waldbesitzer un- terstützen – Wald nachhaltig um- (AfD) ...... 17052 C bauen (SPD) ...... 17053 B – zu dem Antrag der Abgeordneten , Frank Sitta, Dr. Gero Karlheinz Busen (FDP) ...... 17054 C Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wälder er- (CDU/CSU) ...... 17056 A halten durch effektiven Waldschutz Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 17056 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, , Dr. Christoph Hoffmann (FDP) ...... 17057 A Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Na- (CDU/CSU) ...... 17058 A II Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Tagesordnungspunkt 9: , , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD: Ver- Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- bot der Hisbollah schusses für Inneres und Heimat zu dem An- Drucksachen 19/10624, 19/16145 ...... 17073 B trag der Abgeordneten , , , weiterer (CDU/CSU) ...... 17073 C Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ter- (AfD) ...... 17074 C rorismus effektiv bekämpfen, Verantwort- lichkeiten klären – Einsetzung einer Kom- Frank Müller-Rosentritt (FDP) ...... 17075 C mission zur Reform der föderalen Beatrix von Storch (AfD) ...... 17075 C Sicherheitsarchitektur – Föderalismuskom- Dr. Eva Högl (SPD) ...... 17075 D mission III Drucksachen 19/7424, 19/15129 ...... 17059 C Benjamin Strasser (FDP) ...... 17080 A (Weil am Rhein) (CDU/CSU) 17059 D (DIE LINKE) ...... 17080 C Dr. Christian Wirth (AfD) ...... 17061 A Beatrix von Storch (AfD) ...... 17081 A Uli Grötsch (SPD) ...... 17062 B Dr. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 17081 C Benjamin Strasser (FDP) ...... 17064 A Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU) . . . . 17082 B Dr. André Hahn (DIE LINKE) ...... 17065 A Dr. (SPD) ...... 17083 B Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 17066 A (fraktionslos) ...... 17084 A (CDU/CSU) ...... 17067 C Dr. (CDU/CSU) ...... 17084 C (SPD) ...... 17068 D Namentliche Abstimmung ...... 17085 B Konstantin Kuhle (FDP) ...... 17070 A Ergebnis ...... 17088 C (CDU/CSU) ...... 17070 D (CDU/CSU) ...... 17072 A Tagesordnungspunkt 11: Namentliche Abstimmung ...... 17073 A a) Antrag der Abgeordneten , Ergebnis ...... 17076 D Christian Kühn (Tübingen), , weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zusatzpunkt 3: Spekulation den Boden entziehen, sozia- le Mischung erhalten und Baurecht Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD nachhaltig ausrichten und FDP: Wirksames Vorgehen gegen die Drucksache 19/16047 ...... 17085 C Hisbollah Drucksache 19/16046 ...... 17073 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtent- wicklung und Kommunen in Verbindung mit – zu dem Antrag der Abgeordneten Daniel Föst, Frank Sitta, , weiterer Abgeordneter und der Fraktion Zusatzpunkt 4: der FDP: Städtebauförderung neu Antrag der Abgeordneten , denken Dr. Irene Mihalic, Dr. , – zu dem Antrag der Abgeordneten weiterer Abgeordneter und der Fraktion Daniela Wagner, Christian Kühn (Tü- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Betätigungs- bingen), Britta Haßelmann, weiterer verbote gegen Hisbollah entschlossen Abgeordneter und der Fraktion BÜND- durchsetzen und ihre Netzwerke in NIS 90/DIE GRÜNEN: Stadtentwick- Deutschland zerschlagen, Israel beistehen, lung mit nachhaltiger Städtebauför- Zivilgesellschaft in Libanon unterstützen derung zukunftsfest ausrichten Drucksache 19/16050 ...... 17073 B Drucksachen 19/9930, 19/13071, 19/16150 ...... 17085 D in Verbindung mit c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtent- wicklung und Kommunen zu dem Antrag Zusatzpunkt 5: der Abgeordneten Daniela Wagner, Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Christian Kühn (Tübingen), Britta schusses für Inneres und Heimat zu dem An- Haßelmann, weiterer Abgeordneter und trag der Abgeordneten Beatrix von Storch, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 III

NEN: Sofortprogramm Bauflächenof- Abgeordneter und der Fraktion der FDP: fensive – Hunderttausend Dächer und Universitäre Vorbereitungskurse für ge- Häuser Programm flüchtete Lehrerinnen und Lehrer Drucksachen 19/6499, 19/11221 ...... 17086 A Drucksache 19/15898 ...... 17105 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des d) Antrag der Abgeordneten , Haushaltsausschusses zu dem Antrag der , Dr. , weite- Abgeordneten Daniela Wagner, Sven- rer Abgeordneter und der Fraktion der Christian Kindler, Christian Kühn (Tübin- AfD: Aufnahme des Kalikokrebses in gen), weiterer Abgeordneter und der Frak- die Liste invasiver gebietsfremder Arten tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bun- von unionsweiter Bedeutung desanstalt für Immobilienaufgaben Drucksache 19/16054 ...... 17105 B nachhaltig ausrichten und zu einem ge- meinnützigen Bundesbodenfonds wei- e) Antrag der Abgeordneten Stephan terentwickeln Protschka, Peter Felser, Franziska Drucksachen 19/11147, 19/15158 ...... 17086 A Gminder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD: Verbesserung der Tier- e) Antrag der Abgeordneten , schutzkontrollen in der landwirtschaft- Dr. Gesine Lötzsch, Lorenz Gösta Beutin, lichen Nutztierhaltung weiterer Abgeordneter und der Fraktion Drucksache 19/16055 ...... 17105 C DIE LINKE: Bauland in Gemeinschafts- hand – Bodenpreissteigerungen be- f) Antrag der Abgeordneten Stephan kämpfen Protschka, Wilhelm von Gottberg, Verena Drucksache 19/16043 ...... 17086 A Hartmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD: Investitionsförderung Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ für Maschinen- und Betriebshilfsringe DIE GRÜNEN) ...... 17086 B aus der Gemeinschaftsaufgabe Agrar- (CDU/CSU) ...... 17087 A struktur und Küstenschutz ermöglichen Drucksache 19/16056 ...... 17105 C Marc Bernhard (AfD) ...... 17091 A (SPD) ...... 17092 B in Verbindung mit (FDP) ...... 17094 A Caren Lay (DIE LINKE) ...... 17095 B Zusatzpunkt 17: (CDU/CSU) ...... 17096 C Udo Theodor Hemmelgarn (AfD) ...... 17097 C a) Antrag der Abgeordneten Hagen Reinhold, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer (SPD) ...... 17098 C Abgeordneter und der Fraktion der FDP: (FDP) ...... 17099 C Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland gemeinschaftlich beenden Dr. André Berghegger (CDU/CSU) ...... 17100 B Drucksache 19/16036 ...... 17105 C Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ b) Antrag der Abgeordneten Dr. Andrew DIE GRÜNEN) ...... 17101 D Ullmann, , Grigorios (CDU/CSU) ...... 17102 B Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der (DIE LINKE) ...... 17103 D Fraktion der FDP: Notfallversorgung neu denken – Jede Minute zählt Kai Wegner (CDU/CSU) ...... 17104 A Drucksache 19/16037 ...... 17105 D c) Antrag der Abgeordneten , Tagesordnungspunkt 26: Christian Dürr, Dr. , weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der a) Erste Beratung des von der Bundesregie- FDP: Gemeinnützigkeit mitglieder- und rung eingebrachten Entwurfs eines Dritten geschlechtsunabhängig stärken Gesetzes zur Änderung des Gemeinde- Drucksache 19/16038 ...... 17105 D verkehrsfinanzierungsgesetzes Drucksache 19/15621 ...... 17105 A d) Antrag der Abgeordneten Dr. , , Dr. Konstantin b) Erste Beratung des von der Bundesregie- von Notz, weiterer Abgeordneter und der rung eingebrachten Entwurfs eines Fünf- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ten Gesetzes zur Änderung des Regio- Chancen der Digitalisierung für die nalisierungsgesetzes Energiewende nutzen – Einbau von Drucksache 19/15622 ...... 17105 A Smart-Metern im Sinne der Verbrau- c) Antrag der Abgeordneten , cherinnen und Verbraucher ausgestal- Dr. (Rhein-Neckar), ten (Südpfalz), weiterer Drucksache 19/16048 ...... 17106 A IV Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Tagesordnungspunkt 27: 444, 445, 446, 447, 448, 449, 450, 451, 452, 453, 454, 455, 456 und 457 zu Pe- a) Beschlussempfehlung und Bericht des titionen Ausschusses für Umwelt, Naturschutz Drucksachen 19/16118, 19/16119, und nukleare Sicherheit zu dem Antrag 19/16120, 19/16121, 19/16122, 19/16123, der Abgeordneten Karlheinz Busen, 19/16124, 19/16125, 19/16126, 19/16127, Dr. , , 19/16128, 19/16129, 19/16130, 19/16131, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wälder schützen – Rodungen 19/16132, 19/16133, 19/16134, 19/16135, 19/16136, 19/16137 ...... 17109 A für die Windkraft stoppen Drucksachen 19/2802, 19/16146 ...... 17106 B b)–o) Beratung der Beschlussempfehlungen Zusatzpunkt 21: des Petitionsausschusses: Sammelüber- sichten 424, 425, 426, 427, 428, 429, Beratung der Beschlussempfehlung des Aus- 430, 431, 432, 433, 434, 435, 436 und schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes 437 zu Petitionen (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Drucksachen 19/15855, 19/15856, Umsetzung des Klimaschutzprogramms 19/15857, 19/15858, 19/15859, 19/15860, 2030 im Steuerrecht 19/15861, 19/15862, 19/15863, 19/15864, Drucksachen 19/14338, 19/15125, 19/15157, 19/15865, 19/15866, 19/15867, 19/15868 . 17106 B 19/15229, 19/15637, 19/16060 ...... 17111 A (CDU/CSU) ...... 17111 B (CDU/CSU) ...... 17106 D Stephan Brandner (AfD) ...... 17112 B (Erfurt) (SPD) ...... 17113 B Zusatzpunkt 18: Christian Dürr (FDP) ...... 17114 B a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat zu Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 17115 B dem Antrag der Abgeordneten Konstantin Dr. (BÜNDNIS 90/ Kuhle, Stephan Thomae, Alexander Graf DIE GRÜNEN) ...... 17116 A Lambsdorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Grundrechtsschutz Namentliche Abstimmung ...... 17116 D in der Sicherheitskooperation mit dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit Ergebnis ...... 17118 D Drucksachen 19/5528, 19/16142 ...... 17108 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Zusatzpunkt 6: Finanzausschusses zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Be- Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- stimmung von Mindestanforderungen nen der CDU/CSU und SPD: Trotz unzu- für energetische Maßnahmen bei zu reichender Ergebnisse der UN-Klimakonfe- eigenen Wohnzwecken genutzten renz in Madrid – Deutschland bleibt auf Gebäuden nach § 35c des Einkom- Kurs mensteuergesetzes (Energetische Sa- nierungsmaßnahmen-Verordnung – , Bundesminister BMF ...... 17117 B ESanMV) Dr. Rainer Kraft (AfD) ...... 17122 A Drucksachen 19/15312, 19/15584 Nr. 2, Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) ...... 17123 A 19/16141 ...... 17108 C Dr. Lukas Köhler (FDP) ...... 17124 B in Verbindung mit Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE) ...... 17125 C (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 17126 C Zusatzpunkt 19: Dr. (SPD) ...... 17127 D Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Im- Karsten Hilse (AfD) ...... 17129 A munität und Geschäftsordnung zur Ausle- Andreas Jung (CDU/CSU) ...... 17130 C gung der Geschäftsordnung – hier: Amts- ende eines Ausschussvorsitzenden (SPD) ...... 17131 B Drucksache 19/15076 ...... 17108 D Dr. (CDU/CSU) ...... 17132 C Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMU ...... 17133 C Zusatzpunkt 20: Karsten Möring (CDU/CSU) ...... 17135 B a)–t) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelüber- Mario Mieruch (fraktionslos) ...... 17136 D sichten 438, 439, 440, 441, 442, 443, (Heidelberg) (SPD) ...... 17137 B Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 V

Zusatzpunkt 7: Zusatzpunkt 9: a) Zweite und dritte Beratung des von der Erste Beratung des von den Abgeordneten Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Roman Johannes Reusch, Stephan Brandner, eines Gesetzes zur Verlängerung des Be- , weiteren Abgeordneten und trachtungszeitraums für die ortsübliche der Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs Vergleichsmiete eines Gesetzes zur Änderung des Rechtsext- Drucksachen 19/14245, 19/14978, remismus-Datei-Gesetzes 19/15241 Nr. 3, 19/15952 ...... 17138 D Drucksache 19/16052 ...... 17147 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- in Verbindung mit schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Daniela Wagner, , weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜND- Zusatzpunkt 10: NIS 90/DIE GRÜNEN: Rechtssichere Zweite und dritte Beratung des von den Abge- regionale Mietobergrenzen für ange- ordneten Roman Johannes Reusch, Marc spannte Wohnungsmärkte ermögli- Bernhard, Stephan Brandner, weiteren Abge- chen – Mieterinnen und Mieter in beste- ordneten und der Fraktion der AfD einge- henden Mietverträgen schützen brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- Drucksachen 19/14369, 19/15952 ...... 17138 D rung des Strafgesetzbuches Drucksachen 19/9234, 19/11239 ...... 17147 D in Verbindung mit in Verbindung mit

Zusatzpunkt 8: Zusatzpunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Recht und Verbraucherschutz zu Zweite und dritte Beratung des von den Abge- dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, ordneten Dr. Christian Wirth, , Dr. Gesine Lötzsch, Dr. André Hahn, weiterer Marc Bernhard, weiterer Abgeordneter und Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: der Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs Mietenexplosion stoppen – Bestandsmieten eines Gesetzes zum Verlust der deutschen deckeln Staatsbürgerschaft bei Eintritt in eine ter- Drucksachen 19/2516, 19/4664 ...... 17139 A roristische Organisation Drucksachen 19/11127, 19/16144 ...... 17147 D in Verbindung mit Roman Johannes Reusch (AfD) ...... 17148 A Marian Wendt (CDU/CSU) ...... 17148 D Dr. Jürgen Martens (FDP) ...... 17150 A Zusatzpunkt 22: Uli Grötsch (SPD) ...... 17151 A Antrag der Abgeordneten , Stephan Thomae, Grigorios (DIE LINKE) ...... 17152 A Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der (BÜNDNIS 90/ Fraktion der FDP: Authentische Vergleichs- DIE GRÜNEN) ...... 17152 D mieten durch jahresaktuelle Mietspiegel Drucksache 19/15264 ...... 17139 A Michael Kuffer (CDU/CSU) ...... 17153 C (SPD) ...... 17139 A (SPD) ...... 17155 A (AfD) ...... 17140 A Alexander Hoffmann (CDU/CSU) ...... 17141 B Zusatzpunkt 12: Katharina Willkomm (FDP) ...... 17142 D Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Caren Lay (DIE LINKE) ...... 17143 B desregierung eingebrachten Entwurfs eines Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bun- DIE GRÜNEN) ...... 17144 B desnaturschutzgesetzes Drucksachen 19/10899, 19/13289, 19/16148 . . 17156 A Dr. (SPD) ...... 17145 B Karsten Möring (CDU/CSU) ...... 17146 A in Verbindung mit VI Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Zusatzpunkt 13: (CDU/CSU) ...... 17183 C Zweite und dritte Beratung des von den Abge- Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 17184 C ordneten Karlheinz Busen, Frank Sitta, Nicole Axel Müller (CDU/CSU) ...... 17185 B Bauer, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Manuel Höferlin (FDP) ...... 17186 B Gesetzes zum Wolfsmanagement Axel Müller (CDU/CSU) ...... 17186 D Drucksachen 19/10792, 19/16147 ...... 17156 B Carsten Träger (SPD) ...... 17156 C Tagesordnungspunkt 12: Karsten Hilse (AfD) ...... 17157 C a) Erste Beratung des von der Bundesregie- Hermann Färber (CDU/CSU) ...... 17158 B rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Karlheinz Busen (FDP) ...... 17159 A zes zur Anpassung des Medizinproduk- terechts an die Verordnung (EU) Ralph Lenkert (DIE LINKE) ...... 17159 D 2017/745 und die Verordnung (EU) Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 17160 B 2017/746 (Medizinprodukte-EU-Anpas- Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU) ...... 17161 A sungsgesetz – MPEUAnpG) Drucksache 19/15620 ...... 17187 A Namentliche Abstimmungen ...... 17162 A, 17162 B, b) Antrag der Abgeordneten Detlev 17162 B Spangenberg, Jörg Schneider, Dr. , weiterer Abgeordneter und der Ergebnisse ...... 17165 D, 17169 A, 17172 A Fraktion der AfD: Gesundheits-Apps auf klinische Wirksamkeit prüfen und Pa- tienten schützen Tagesordnungspunkt 10: Drucksache 19/16057 ...... 17187 B – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs in Verbindung mit eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes Drucksachen 19/12088, 19/16116 ...... 17162 C Zusatzpunkt 14: – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Antrag der Abgeordneten Katrin Helling- § 96 der Geschäftsordnung Plahr, Christine Aschenberg-Dugnus, Michael Drucksache 19/16139 ...... 17162 C Theurer, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: EU-Medizinprodukteverord- Ingrid Arndt-Brauer (SPD) ...... 17162 D nung verantwortungsvoll implementieren – (AfD) ...... 17163 D Patientenversorgung sicherstellen Drucksache 19/16035 ...... 17187 B Dr. Thomas de Maizière (CDU/CSU) ...... 17165 A Sabine Weiss, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . 17187 C (FDP) ...... 17175 A (AfD) ...... 17188 A (DIE LINKE) ...... 17176 A Martina Stamm-Fibich (SPD) ...... 17189 A (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . 17177 A Katrin Helling-Plahr (FDP) ...... 17190 A (CDU/CSU) ...... 17177 D (DIE LINKE) ...... 17190 C Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ Tagesordnungspunkt 16: DIE GRÜNEN) ...... 17191 B Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- (CDU/CSU) ...... 17192 A schusses für Inneres und Heimat zu dem An- Dr. (CDU/CSU) ...... 17192 D trag der Abgeordneten Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, , weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Bundesbe- Tagesordnungspunkt 18: hörde Zentrale Stelle für Informationstech- nik im Sicherheitsbereich – ZITiS – auflö- Antrag der Abgeordneten Dr. Götz Frömming, sen Nicole Höchst, Dr. , weiterer Ab- Drucksachen 19/8270, 19/9293 ...... 17179 A geordneter und der Fraktion der AfD: Deutsch als Wissenschaftssprache erhalten und stär- Christoph Bernstiel (CDU/CSU) ...... 17179 A ken Dr. Christian Wirth (AfD) ...... 17180 A Drucksache 19/16053 ...... 17193 C Uli Grötsch (SPD) ...... 17181 A Dr. (CDU/CSU) ...... 17193 C Manuel Höferlin (FDP) ...... 17182 A Dr. h. c. (FDP) ...... 17194 D Dr. André Hahn (DIE LINKE) ...... 17183 A Dr. (SPD) ...... 17195 C Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 VII

Dr. (DIE LINKE) ...... 17196 B Abgeordneter und der Fraktion der AfD: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 17197 B Aufstrebenden Wirtschaftsmächten den Status als Entwicklungsland entzie- Dr. (CDU/CSU) ...... 17198 A hen – Keine Förderung im Rahmen der René Röspel (SPD) ...... 17198 D Entwicklungszusammenarbeit und des Außenhandels für Schwellenländer Drucksachen 19/8986, 19/15932 ...... 17208 A Tagesordnungspunkt 14: (FDP) ...... 17208 A a) Erste Beratung des von der Bundesregie- (CDU/CSU) ...... 17209 A rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Vorbereitung der Schaffung von (FDP) ...... 17209 D Baurecht durch Maßnahmengesetz im (AfD) ...... 17210 B Verkehrsbereich (Maßnahmengesetz- vorbereitungsgesetz – MgvG) (SPD) ...... 17211 B Drucksache 19/15619 ...... 17199 D Helin (DIE LINKE) ...... 17212 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 17213 A rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur weiteren Beschleunigung von Dr. (CDU/CSU) ...... 17213 D Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich Drucksache 19/15626 ...... 17200 A Tagesordnungspunkt 17: c) Antrag der Abgeordneten , Frank Sitta, , weiterer Ab- Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und geordneter und der Fraktion der FDP: SPD: Wissenschaftskommunikation stär- Mehr Tempo bei der Infrastruktur – ken – Strukturen sichern, neue Möglichkei- Planungsturbo jetzt ten schaffen Drucksache 19/16040 ...... 17200 A Drucksache 19/16044 ...... 17215 A d) Antrag der Abgeordneten Jörg Cezanne, Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) ...... 17215 A Sabine Leidig, Dr. Gesine Lötzsch, weite- Dr. Marc Jongen (AfD) ...... 17216 B rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Planungskapazitäten ausbauen, Bärbel Bas (SPD) ...... 17217 B Bürgerbeteiligung wirksamer machen Dr. h. c. Thomas Sattelberger (FDP) ...... 17218 A und Aushöhlung durch Maßnahmenge- setze verhindern Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) ...... 17218 C Drucksache 19/16042 ...... 17200 B Dr. (BÜNDNIS 90/ , Bundesminister BMVI . . . . . 17200 B DIE GRÜNEN) ...... 17219 B Leif-Erik Holm (AfD) ...... 17201 C , Bundesministerin BMBF . . . . 17220 A (SPD) ...... 17202 C Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) ...... 17220 D Torsten Herbst (FDP) ...... 17203 D (CDU/CSU) ...... 17221 C Sabine Leidig (DIE LINKE) ...... 17204 C Stephan Kühn () (BÜNDNIS 90/ Nächste Sitzung ...... 17222 C DIE GRÜNEN) ...... 17205 B (CDU/CSU) ...... 17206 B Anlage 1

Tagesordnungspunkt 20: Entschuldigte Abgeordnete ...... 17223 A a) Antrag der Abgeordneten Olaf in der Beek, Alexander Graf Lambsdorff, , weiterer Abgeordneter und Anlage 2 der Fraktion der FDP: Förderung der be- Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten ruflichen Bildung und Zinssubventionen Sevim Dağdelen, Dr. , Heike für China beenden Hänsel, Ulla Jelpke, Zaklin Nastic, Drucksache 19/15567 ...... 17207 D Dr. Alexander S. Neu, Sören Pellmann und b) Beschlussempfehlung und Bericht des (alle DIE LINKE) zu der Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- Abstimmung über den Antrag der Fraktionen menarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der CDU/CSU, SPD und FDP: Wirksames der Abgeordneten Markus Frohnmaier, Vorgehen gegen die Hisbollah , , weiterer (Zusatzpunkt 3) ...... 17223 D VIII Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Anlage 3 Anlage 9 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten über den Antrag der Fraktionen der und Dr. (beide CDU/CSU, SPD und FDP: Wirksames CDU/CSU) zu der namentlichen Abstimmung Vorgehen gegen die Hisbollah über die Beschlussempfehlung des Ausschus- (Zusatzpunkt 3) ...... 17224 C ses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Ver- Alexander Graf Lambsdorff (FDP) ...... 17224 C mittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Um- setzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Helin Evrim Sommer (DIE LINKE) ...... 17224 C Steuerrecht (Zusatzpunkt 21) ...... 17226 C Anlage 4

Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jan Anlage 10 Korte (DIE LINKE) zu der Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kom- chen Abstimmung über die Beschlussempfeh- munen zu dem Antrag der Abgeordneten lung des Ausschusses nach Artikel 77 des Daniela Wagner, Christian Kühn (Tübingen), Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutz- der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: programms 2030 im Steuerrecht Sofortprogramm Bauflächenoffensive – (Zusatzpunkt 21) ...... 17227 B Hunderttausend Dächer und Häuser Programm (CDU/CSU) ...... 17227 B (Tagesordnungspunkt 11c) ...... 17225 A (CDU/CSU) ...... 17228 A (CDU/CSU) ...... 17228 B Anlage 5 (CDU/CSU) ...... 17228 D Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten (CDU/CSU) ...... 17229 A Friedrich Straetmanns (DIE LINKE) zu der Abstimmung über die Beschlussempfehlung (CDU/CSU) ...... 17229 C des Petitionsausschusses: Sammelübersicht (CDU/CSU) ...... 17229 C 457 zu Petitionen (Arbeitszeitverordnung) (Zusatzpunkt 20t) ...... 17225 B Anlage 11

Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten , Gitta Connemann, Axel Erklärung des Abgeordneten Andreas Jung Knoerig, Dr. Roy Kühne, , (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlung des Dr. Georg Nüßlein, , Ingrid Pahl- Ausschusses nach Artikel 77 des Grund- mann, Josef Rief und Tankred Schipanski (alle gesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Ge- CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmun- setz zur Umsetzung des Klimaschutzpro- gen gramms 2030 im Steuerrecht – über den von der Bundesregierung einge- (Zusatzpunkt 21) ...... 17225 C brachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzge- Anlage 7 setzes und Erklärung des Abgeordneten Andreas Jung (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlung des – über den von den Abgeordneten Karlheinz Ausschusses nach Artikel 77 des Grund- Busen, Frank Sitta, , weiteren gesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Ge- Abgeordneten und der Fraktion der FDP setz zur Umsetzung des Klimaschutzpro- eingebrachten Entwurf eines Gesetzes gramms 2030 im Steuerrecht zum Wolfsmanagement (Zusatzpunkt 21) ...... 17225 D (Zusatzpunkt 12 und 13) ...... 17229 D

Anlage 8 Anlage 12 Erklärung des Abgeordneten Andreas Jung Erklärungen nach § 31 GO zu den namentli- (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlung des chen Abstimmungen Ausschusses nach Artikel 77 des Grund- – über den von der Bundesregierung einge- gesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Ge- brachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes setz zur Umsetzung des Klimaschutzpro- zur Änderung des Bundesnaturschutzge- gramms 2030 im Steuerrecht setzes (Zusatzpunkt 21) ...... 17226 A und Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 IX

– über den von den Abgeordneten Karlheinz Anlage 13 Busen, Frank Sitta, Nicole Bauer, weiteren Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Abgeordneten und der Fraktion der FDP Antrags der Abgeordneten Dr. Götz eingebrachten Entwurf eines Gesetzes Frömming, Nicole Höchst, Dr. Marc Jongen, zum Wolfsmanagement weiterer Abgeordneter und der Fraktion der (Zusatzpunkt 12 und 13) ...... 17230 D AfD: Deutsch als Wissenschaftssprache erhal­ ten und stärken (CDU/CSU) ...... 17230 D (Tagesordnungspunkt 18) ...... 17232 A Hans-Jürgen Thies (CDU/CSU) ...... 17231 C Dr. Götz Frömming (AfD) ...... 17232 A

Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17043

(A) (C)

137. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Ich danke Ihnen. Guten Morgen, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bitte nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet. (Beifall im ganzen Hause) Vor Eintritt in die Tagesordnung gratuliere ich nach- Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute vor drei Jahren träglich dem Kollegen Ingo Wellenreuther zu seinem verübte ein islamistischer Terrorist einen Anschlag auf 60. Geburtstag. Alle guten Wünsche im Namen des gan- den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. zen Hauses! Zwölf Menschen verloren ihr Leben, viele wurden zum Teil schwer verletzt. Alle diese Opfer sind nicht verges- (Beifall) sen. Dann müssen wir noch zwei Wahlen durchführen. Die Die Tat hinterließ tiefe Wunden: Trauer bei den Hinter- Fraktion der SPD schlägt vor, die Kollegin Sylvia (B) bliebenen, Schmerzen und Traumata bei den Betroffe- Lehmann als Nachfolgerin für die ausgeschiedene Kol- (D) nen – und eine bleibende Verletzung in unserer Gesell- legin als ordentliches Mitglied des schaft. Denn wir sehen: Die freiheitliche Demokratie ist Parlamentarischen Beirats der Stiftung für das sorbi- verwundbar. Unsere offene Gesellschaft, jeder Einzelne sche Volk zu wählen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich ist Gefahren ausgesetzt. Unser Lebensstil, der ein viel- höre keinen Widerspruch. Dann ist die Kollegin Lehmann fältiges Miteinander zulässt, provoziert Extremisten. Er als ordentliches Mitglied des Beirats gewählt. überfordert Menschen, die Offenheit und Toleranz ableh- nen, die Gewalt verüben und, die von vermeintlich reli- Des Weiteren schlägt die SPD-Fraktion vor, für die giösen Motiven verblendet, ideologie- und hassgetrieben ausgeschiedene Kollegin Dr. Manja Schüle die Kollegin Verbrechen begehen wollen, um uns zu verletzen. Yasmin Fahimi als Mitglied des Aufsichtsrates der Agentur für Sprunginnovationen zu berufen. Sind Sie Gegen diese Bedrohung verteidigen wir unsere frei- auch damit einverstanden? – Ich höre auch da keinen heitliche Ordnung. Doch zur Wahrheit gehört: Der Staat Widerspruch. Dann ist die Kollegin Fahimi als Mitglied wird – allen Anstrengungen zum Trotz – nie hundert- des Aufsichtsrats gewählt. prozentige Sicherheit garantieren können. Aber wir tun Interfraktionell ist vereinbart worden, den Bericht des in Deutschland alles, um die Freiheit jedes Einzelnen zu Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts- schützen. Hier im Deutschen Bundestag ist das Verbre- ordnung auf der Drucksache 19/15076 zur Auslegungs- chen vom Breitscheidplatz Gegenstand parlamen- entscheidung des Ausschusses zum Amtsende eines Aus- tarischer Untersuchungen. Verantwortlichkeiten werden schussvorsitzenden zur Entscheidung gemäß § 127 der geklärt, wir ziehen Schlussfolgerungen, um dem Terro- Geschäftsordnung ohne Debatte zusammen mit dem Ta- rismus wirksamer entgegentreten zu können. Bund und gesordnungspunkt 27 aufzurufen. Länder haben die Terrorbekämpfung intensiviert und die Gefahrenprävention ausgebaut. Vorhandene Schwach- Ebenfalls ohne Aussprache und zusammen mit dem stellen bei der Zusammenarbeit der Behörden werden Tagesordnungspunkt 27 sollen die Sammelübersich- identifiziert, öffentlich debattiert und beseitigt. Polizei ten 438 bis 457 des Petitionsausschusses auf den Druck- und Nachrichtendienste brauchen unsere Unterstützung. sachen 19/16118 bis 19/16137 aufgesetzt werden. Vor allem aber brauchen die Opfer der Anschläge unser Des Weiteren soll nach dem Tagesordnungspunkt 27 Mitgefühl, die Anerkennung ihres nicht wiedergutzu- die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses machenden Leids. Das ist eine bleibende Aufgabe. Wie auf der Drucksache 19/16060 zu dem Gesetz zur Umset- wir ihr gerecht werden, daran bemisst sich auch die zung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht Menschlichkeit dieser Gesellschaft. ohne Debatte aufgerufen werden. 17044 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Der Antrag mit dem Titel „Authentische Vergleichs- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundes- (C) mieten durch jahresaktuelle Mietspiegel“ auf der Druck- landwirtschaftsministerin Frau Klöckner. sache 19/15264 soll zusammen mit dem Zusatzpunkt 7 a debattiert werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Schließlich soll der Tagesordnungspunkt 25 c abge- setzt werden. Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft: Sind Sie mit alldem einverstanden? – Da höre ich auch keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Wald lehrt uns Denken Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a und 8 b auf: und Handeln in Generationen. Ein Baum, der heute ge- pflanzt wird, kann uns 80 Jahre und mehr zum Wohle a) Beratung der Beschlussempfehlung und des dienen. Und der Wald ist ein Multitalent: Tieren und Berichts des Ausschusses für Ernährung und Pflanzen bietet er Lebensraum, Nahrung und Schutz. Er Landwirtschaft (10. Ausschuss) liefert uns Holz, Erholung und frische Luft. Der Wald- – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ boden nimmt den Regen auf. Er verhindert so, dass Hoch- CSU und SPD wasser entstehen. Im Waldboden wird das Wasser gefil- tert und gespeichert. Wälder sind schlichtweg unsere Unser Wald braucht Hilfe – Waldum- grüne Lunge. Sie speichern CO langfristig. Ohne unsere bau vorantreiben 2 Wälder wären die CO2-Emissionen um 14 Prozent höher. – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Jeder Baum, liebe Kolleginnen und Kollegen, den wir Felser, Stephan Protschka, Franziska heute nicht pflanzen, ist deshalb ein Versagen, ein Ver- Gminder, weiterer Abgeordneter und sagen, das die kommende Generation ausbaden muss. der Fraktion der AfD (Beifall bei der CDU/CSU) Waldbesitzer unterstützen – Wald Wir brauchen den Wald heute, und wir brauchen ihn mor- nachhaltig umbauen gen. Knapp ein Drittel der Landfläche Deutschlands ist – zu dem Antrag der Abgeordneten bewaldet. Er gibt mehr als 1 Million Menschen, gerade Karlheinz Busen, Frank Sitta, Dr. Gero auf dem Land, Arbeit und Einkommen. Wir brauchen den Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter Wald. und der Fraktion der FDP Aber der Wald braucht auch uns. Wir stehen am Ende (B) Wälder erhalten durch effektiven eines schwierigen Jahres; das wissen wir. Wetterextreme (D) Waldschutz und Klimawandel haben massive Spuren hinterlassen. Die Bäume sind nachhaltig gestresst und anfällig für – zu dem Antrag der Abgeordneten Schädlinge. Stürme, Trockenheit, Wassermangel, Wald- Dr. Kirsten Tackmann, Ralph Lenkert, brände, Befall durch Borkenkäfer oder Eichenprozes- Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordne- sionsspinner – 180 000 Hektar Wald sind geschädigt. ter und der Fraktion DIE LINKE Das entspricht umgerechnet rund 250 000 Fußballfeldern. Naturgemäße Waldbewirtschaftung im Millionen Festmeter an Schadholz sind angefallen. Da- Interesse des Waldes und der Forstleute durch ist der Holzmarkt zusammengebrochen, die Preise – zu dem Antrag der Abgeordneten Harald sind eingebrochen, es gibt Probleme mit Lagerstätten, die Ebner, Steffi Lemke, Dr. Bettina Aufarbeitungskosten sind hoch. Unsere Waldbesitzer Hoffmann, weiterer Abgeordneter und durchleben schwierige Zeiten. Ich bin allen, die im und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mit dem Wald arbeiten, dankbar für ihren Einsatz. Danke NEN für Ihren Einsatz für uns alle hier in Deutschland! Aktionsplan für einen gesunden und ar- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- tenreichen Wald neten der SPD, der AfD, der FDP und der LIN- KEN) Drucksachen 19/11093, 19/13528, 19/9925, 19/11104, 19/13079, 19/15240 Mein Dank gilt ganz explizit allen Waldbesitzern; denn 48 Prozent unseres Waldes sind im Privatbesitz. Unsere b) Beratung der Unterrichtung durch die Bun- Waldbesitzer haben viel Geld investiert, und sie haben desregierung auch viel Geld verloren. Deshalb finde ich – das will Waldbericht der Bundesregierung 2017 ich hier an dieser Stelle sagen – das Gerede mancher Grünen wirklich unerträglich, die den Waldbesitzern Drucksache 18/13530 Ausbeutung der Wälder und Holzplantagenbau vorwer- fen. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ausschuss für Tourismus ordneten der AfD und der FDP) Für die Aussprache wurde eine Dauer von 60 Minuten Wer nämlich heute den Waldbesitzern die Unterstützung beschlossen. verweigert, versündigt sich an den Kindern und Kindes- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17045

Bundesministerin Julia Klöckner (A) kindern. Einfach die Hände in den Schoß zu legen und auch ökologisch nicht sinnvoll –, sondern es geht darum, (C) allein auf Naturverjüngung oder Verurwaldung zu war- das Käferholz rauszuholen. Mit dem Geld unterstützen ten, das ist unverantwortlich. wir auch Lagerhaltung, den Waldumbau, die Aufforstung, die Wiederbewaldung, aber auch die Prävention. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der AfD und der FDP) Siebtens. Unsere Waldforschung geht weiter. Wir sind führend in Europa mit unserer deutschen Waldforschung. Denn wer dem Wald jetzt nicht aktiv hilft, liebe Kollegin- Wir wollen die Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung. nen und Kollegen, der schiebt den Klimaschutz auf die lange Bank. Und das sind häufig diejenigen, denen es mit Achtens. Es war ein guter und ein wichtiger Erfolg: dem Klimaschutz nicht schnell genug gehen kann. unser Nationaler Waldgipfel. Wir haben alle Beteiligten Wir als Bundesregierung und die Große Koalition ha- an einen Tisch geholt und darüber entschieden, was bei ben umgehend pragmatisch, unideologisch und voraus- der Wiederbewaldung unsere Leitlinien sind – unideolo- schauend gehandelt. gisch. (Zuruf des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜND- Neuntens. Es geht darum, unsere heimischen Bäume zu NIS 90/DIE GRÜNEN]) pflanzen, aber standortangepasste Mischwälder weiter so umzubauen, dass wir dort, wo es sinnvoll ist, auch auf Ich will elf Punkte nennen: andere Hölzer zurückgreifen können – ohne dabei ideo- Erstens. Wir haben bereits Ende 2018 eine neue Maß- logische Debatten gegeneinander zu führen. Sachlichkeit, nahmengruppe zur Bewältigung von Extremwetterfolgen Fachlichkeit, Wissenschaftlichkeit spielen hier eine Rol- im Wald im Förderbereich Forsten eingeführt. So konnten le. Das sind wir unserer kommenden Generation schuldig. schon sehr früh Unterstützungsmittel in den Ländern für (Beifall bei der CDU/CSU) Schadensbeseitigung, für Prävention und für Anpassung abgerufen werden. Zehntens. Liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Prozess begleiten wir engmaschig. Im Übrigen ist der Zweitens. Wir haben sehr schnell, auch mit den Kol- Waldumbau nicht etwas, was jetzt neu erfunden wird. legen anderer Ausschüsse, für steuerliche Erleichterun- Über Jahrzehnte hinweg sind unsere Forstleute dabei, gen gesorgt bei Schadholz und für sehr stark betroffene den Wald standortangepasst umzubauen, naturnah umzu- Forstbetriebe. bauen. Das ist eine Generationenaufgabe. Aber ich mei- Drittens. Wir haben bei der Landwirtschaftlichen ne, der Wald eignet sich nicht für parteipolitische Quer- Rentenbank Kredite für Waldeigentümer zu günstigen elen und den Vorwurf, man würde den Wald nur (B) Konditionen in einer neuen Fördersparte gebündelt und ausnutzen. (D) erweitert. Deshalb, sage ich, war es gut und richtig – letzter Viertens. Für Erleichterungen bei Abtransport und bei Punkt –, dass wir uns jetzt im PLANAK, in dem Aus- Lagerung von Kalamitätenholz haben wir auch gesorgt. schuss, der für die Verteilung der GAK-Mittel zuständig ist, auf wichtige Punkte geeinigt haben. Es wurden die Fünftens. Ich will ganz klar Danke sagen: Danke an Punkte des Waldgipfels aufgegriffen und umgesetzt. Wir unsere Bundeswehr und an unsere Bundesverteidigungs- haben uns unter anderem dafür entschieden, dass kleine ministerin; Waldbesitzer höhere Fördersätze bekommen, dass die (Beifall bei der CDU/CSU) Entnahme von befallenen und befallsgefährdeten Bäu- men förderfähig ist – genauso wie die Wiederbewaldung denn mithilfe der Bundeswehr konnten an vielen Orten aus Naturverjüngung. Es geht auch um die standortange- Käferholz abtransportiert und die Ausbreitung verhindert passte Wiederbepflanzung. werden. Wir brauchen eines – das will ich abschließend sagen –: Sechstens. Wir alle wissen, dass das bis dahin vorge- eine gemeinsame nationale Kraftanstrengung, um unsere sehene Geld nicht reichen würde. Deshalb danke ich al- Wälder wiederaufzubauen, um heute den Grundstein da- len, die uns geholfen haben. Ich habe mich massiv dafür für zu legen, Klimaschutz nicht nur heute, sondern auch eingesetzt, dass wir Gelder aus dem Klimafonds erhal- morgen zu machen, um Nachhaltigkeit – dieser Begriff ten – mit Erfolg. Wir werden jetzt über eine halbe Mil- kommt aus der Forstwirtschaft – aufleben zu lassen. Dazu liarde Euro für den Wiederaufbau und den Umbau unserer gehört unsere Forschung. Dazu gehört auch das Bauen Wälder haben. Zusammen mit den Ländern werden das mit Holz. Dazu gehört eine nachhaltige Waldbewirtschaf- über die Kofinanzierung in der GAK etwa 800 Millionen tung. Dazu gehört Augenmaß. Dazu gehören Planen, Euro sein. Das ist Arbeit der Großen Koalition. Das ist Handeln und der kommenden Generation mit Erfolg et- nicht Reden. Das ist Handeln. Das ist Nachhaltigkeit. Das was in die Hände zu legen. ist Zukunft. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der SPD) Mit dem Geld, liebe Kolleginnen und Kollegen, unter- stützen wir die Räumung von Schadholz. Im Übrigen will ich auch sagen: Es geht nicht um die Totalräumung von Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Totholz, wie immer wieder behauptet wird – das wäre Nächster Redner ist der Kollege Peter Felser, AfD. 17046 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) (Beifall bei der AfD) (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: So ein (C) Unsinn! So ein Quatsch!) Peter Felser (AfD): Sie, liebe Kollegen von den Grünen, machen mit Ihrem Vielen Dank. – Guten Morgen! Herr Präsident! Liebe Antrag Ihrem Image als Verbotspartei wieder einmal alle Kollegen! Liebe Gäste! Zunächst möchte ich einmal kurz Ehre. Sie wollen doch am liebsten jedem privaten Wald- in Erinnerung rufen: Wenn wir heute über den deutschen besitzer vorschreiben, was er zu denken hat, welche Bäu- Wald sprechen, wenn wir heute über den Zustand und die me er zu pflanzen hat und was er zu tun hat. Zukunft des deutschen Waldes sprechen, dann geht es nicht um irgendein randständiges, zweitrangiges Politik- (Zuruf der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE feld. Vielmehr ist eine erfolgreiche Forstpolitik ebenso LINKE]) wie eine zukunftsfähige Agrarpolitik von elementarer Be- deutung für die dringend erforderliche Revitalisierung Nicht mit uns! des ländlichen Raumes in Deutschland. (Beifall bei der AfD) Im ländlichen Raum ist unser Mittelstand verankert. Im Mit Ihrer Urwald-Offensive – Sie nennen sie selber ländlichen Raum finden wir das, was wir als „Heimat“ so – können Sie vielleicht Greta Thunberg und Rotkäpp- definieren, was ein ganz wichtiger Baustein unserer eige- chen begeistern, aber mit Sicherheit nicht diejenigen nen Identität ist. Wenn wir den ländlichen Raum stärken Förster und Waldbesitzer, die jahrzehntelange Erfahrung wollen, dann müssen wir gerade vor dem Hintergrund der in unserem Wald gesammelt haben und die das jetzt auch aktuellen Waldschäden zukünftig vor allem die Klein- richtig umsetzen können. waldbesitzer wesentlich stärker als bisher unterstützen. Die Kleinwaldbesitzer brauchen wir auch für den drin- Den gemeinsamen Antrag von CDU/CSU und SPD gend notwendigen Waldumbau. haben wir im Ausschuss aus sachlichen Erwägungen un- terstützt. In Ihrem Antrag „Unser Wald braucht Hilfe – Knapp ein Viertel der Waldfläche in Deutschland ist Waldumbau vorantreiben“ beschreiben Sie aber ein Prob- Kleinstprivatwald. Da reden wir von 1 bis 2 Hektar Wald, lem, das Sie in den vergangenen Jahren selber verursacht den die Menschen besitzen. Hier müssen wir es jetzt haben. Sie fordern jetzt, im Jahre 2019, tatsächlich allen schaffen, diese Waldeigentümer zu einer aktiven Bewirt- Ernstes, strukturelle Nachteile für Kleinwaldbesitzer aus- schaftung ihrer Bestände zu motivieren. zugleichen, also das, was wir auch fordern, indem eine (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer flächendeckende Beratung durch Forstämter sicherge- [CDU/CSU]: Machen wir auch!) stellt werden soll. Also jetzt doch endlich! Sie waren doch selbst jahrzehntelang für den Personal- (B) Daher fordern wir in unserem Antrag ganz klar: Für (D) Bund und Länder brauchen wir eine Initiative, eine Of- abbau und die Überalterung in den Landesforstbetrieben fensive. Die Klein- und Kleinstwaldbesitzer brauchen maßgeblich verantwortlich gewesen. Jetzt rufen Sie wie- jetzt eine Vereinfachung der Förderrichtlinie nach dem der nach dem Förster, den es so flächendeckend gar nicht Motto: schnell, gerecht und einfach. Weg mit bürokrati- mehr gibt. Aber ja: Genau diese Beförsterung müssen wir schen Hürden! Schnelle Hilfe im und für den Wald! den Privatwaldbesitzern als Dienstleistung wieder zur Verfügung stellen. Ja, in dem Punkt haben Sie recht. (Beifall bei der AfD – Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Machen wir doch! – Michael Aber lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Ap- Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann können pell an die Waldbesitzer richten: Lasst euch bitte die zu- Sie ja heute zustimmen!) gesagten Finanzhilfen von der Ministerin nicht als Da- naergeschenk überreichen! Es kann nicht sein, dass mit Aber, Frau Ministerin, es muss in diesem Zusammen- diesen Fördermitteln jetzt auch in das Eigentum, in das hang auch endlich mal geklärt werden, wann und wie die Jagdgesetz eingegriffen wird. Sie wollen die Jagdgesetze auf dem Nationalen Waldgipfel, den Sie angesprochen ändern, Frau Ministerin. Jetzt ist plötzlich wieder das haben, zugesagten Fördergelder auf die Fläche kommen Wild schuld. Aber: Wald mit Wild, damit können wir sollen. Das muss man doch jetzt auch endlich mal den den Wald umbauen. Dafür steht die AfD. Waldbesitzern gegenüber transparent kommunizieren. Ein paar Mittel sind schon abgeflossen. Wann kommen Ich bedanke mich. die nächsten Mittel? Wird es März 2020? Oder wird es doch wieder verschoben? Auch die forstlichen Zusam- (Beifall bei der AfD) menschlüsse, die forstlichen Gemeinschaften müssen jetzt unterstützt werden. Lassen Sie uns doch die büro- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: kratischen Hemmnisse endlich abbauen! Lassen wir doch Nächster Redner ist der Kollege Dirk Wiese, SPD. die Mittel endlich dorthin fließen, wo sie auch verwendet werden können! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der AfD) Förderung der Kleinwaldbesitzer: In den Anträgen der Dirk Wiese (SPD): Linken und der Grünen findet man zu diesem Thema Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und nicht sehr viel. Das war aber absehbar. Es mangelt doch Kollegen! 2018: 32,4 Millionen Kubikmeter Schadholz. bei Ihnen von der Linken traditionell an einem deutlichen Eine Fläche von 3 300 Fußballfeldern – das als Ver- Bekenntnis zu Grundeigentum. gleichsgröße – war von Waldbränden betroffen. 2019: Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17047

Dirk Wiese (A) ungefähr 105 Millionen Kubikmeter Schadholz. Abstrak- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist (C) te Zahlen! Aber jeder von uns, der momentan die Bilder sehr gut!) aus dem Harz, aus Brandenburg und auch aus dem Sauer- Ich glaube, uns ist es gelungen – an diesem Punkt möchte land bei mir in Nordrhein-Westfalen sieht, der weiß, dass ich die Ministerin etwas korrigieren –, das BMEL vor uns die klimatischen Veränderungen, die wir haben und die herzutreiben. Denn als wir das Thema in den Koalitions- durch die Borkenkäferkalamität verstärkt werden, massi- fraktionen erkannt haben, Alois Gerig, da war die Hand- ve Auswirkungen auf den Baum haben. lungsoption im Ministerium noch nicht so ausgeprägt. Alleine die Zahl, dass 11 Millionen Bäume in Nord- (Beifall bei der SPD) rhein-Westfalen abgestorben sind oder teilweise vom Darum ist es gut, dass das Parlament – hier die Koali- Borkenkäfer befallen sind, zeigt die dringende Notwen- tionsfraktionen – das Ministerium auf den richtigen Weg digkeit, dass gehandelt werden muss. Es ist gut – das sage gebracht hat. ich ganz zu Beginn –, dass diese Koalitionsfraktionen sich darauf geeinigt haben, fast 1 Milliarde Euro an Hilfs- Was gibt es jetzt noch zu tun? Ich glaube, wir müssen geldern für den Wald zur Verfügung zur stellen. den Blick dahin richten, dass es auch auf europäischer Ebene Gelder gibt, die wir zusätzlich für den Wald akqui- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rieren können. Das bedeutet, dass wir möglicherweise der CDU/CSU) Gelder aus der GAP, aus der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, für eine europäische Krisenreserve und gleich- Wir können auch nicht mehr sagen, dass nur das Nadel- zeitig für die Förderfähigkeit von Agroforstsystemen be- holz betroffen ist. Wir sehen die massiven Schadauswir- reitstellen können. Hier, glaube ich, müssen wir sehr in- kungen auch beim Laubholz. Wir sehen in den Regionen tensiv schauen, dass wir diese Gelder auch für die unterschiedliche Kalamitätsbefälle. Es ist richtig, dass die heimischen Wälder akquirieren. schnelle Hilfe, die wir auf den Weg bringen, jetzt an- kommt. Auf nationaler Ebene, glaube ich, gibt es eine wichtige Baustelle, wo wir vorankommen müssen. Wir als SPD Es ist gut, dass wir als SPD-Bundestagsfraktion bereits wollen das. Bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse- im Frühjahr ein Fachgespräch geführt haben mit Experten rung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ müssen des Deutschen Forstwirtschaftsrats, der Arbeitsgemein- wir Verbesserungen hinbekommen. Es kann nicht sein, schaft Naturgemäße Waldwirtschaft, des Bunds Deut- dass seit 2015 rund 440 Millionen Euro an Bundes- und scher Forstleute und anderen, in dem viele der Punkte, Landesmitteln nicht abgerufen wurden. Wenn wir jetzt die wir in unserem Antrag aufgelistet haben – aber auch die Gelder für den Wald, Frau Ministerin, aus der GAK (B) welche darüber hinaus –, zur Sprache kamen: Initiative in die Fläche bringen wollen, müssen wir schauen, dass (D) zum Waldumbau, aber auch zur Stärkung des Holzbaus. das Geld vor Ort ankommt. Es kann nicht sein, dass zum Das wird jetzt auf den Weg gebracht. Das ist richtig. Beispiel Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren 95 Millionen Euro an Geldern nicht abgerufen hat. Wenn Die Forderungen, die wir in unserem Antrag stellen, das Geld liegen bleibt, ist keinem geholfen. Das Geld gehen in die richtige Richtung und sind teilweise schon muss in die Fläche kommen. Hier müssen wir gerade jetzt in der Umsetzung. Wir fordern, Waldschäden zu be- bei der GAK sehr intensiv hinschauen. heben, Käferholz aus dem Wald herauszubringen und den Waldumbau hin zu klimatoleranten Mischwäldern über (Beifall bei der SPD) die GAK finanziell zu unterstützen und auf den Weg zu Wir müssen es hinbekommen, dass die Gelder übertragen bringen. Wir fordern ebenfalls, das nationale Waldmoni- werden können, dass wir eine Überjährigkeit des Mittel- toring auszubauen, um zukünftig bei Großschadensereig- abflusses haben. Ich bin sehr froh, dass einige Landes- nissen schneller handeln zu können, gerade in den Ab- minister wie Reinhold Jost hier schon die Initiative er- stimmungsprozessen zwischen Bund und Ländern. Hinzu griffen haben, sodass wir hier gemeinsam vorankommen. kommt die Forderung, eine Waldbrandpräventionsstrate- gie auf den Weg zu bringen und – auch das will ich gerne Wir sind in diesem Jahr bei den Haushaltsverhandlun- einräumen – gemeinsam mit den Bundesländern darauf gen – ich lasse es noch einmal Revue passieren – ur- hinzuwirken, dass wir mehr qualifiziertes Forstpersonal sprünglich mit einem Haushaltsansatz von 76 Millionen in den Landeseinrichtungen vorhalten. Das Personal Euro für den Bereich Wald gestartet; Uli Freese weiß das. muss dann auch vernünftig bezahlt werden. Ich glaube, Rausgekommen sind wir aber bei fast 1 Milliarde Euro. hier ist einiges zu tun. Genauso müssen wir gemeinsam Da bedarf es einmal des Dankes an das Bundesfinanzmi- mit den Bundesländern daran arbeiten, den Holzbau zu nisterium, das diese Gelder zur Verfügung gestellt hat, stärken. Das ist gut für das Handwerk. Das ist gut für die und auch an die Haushälter der Koalitionsfraktionen, Wirtschaft im ländlichen Raum. Hier gehen wir voran. die das möglich gemacht haben. Das ist ein Mittelauf- wuchs um fast 920 Millionen Euro. Das ist richtig, und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten das ist gut. der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich will mich ausdrücklich bei den Kolleginnen und der CDU/CSU) Kollegen der Koalitionsfraktionen dafür bedanken, na- Umso wichtiger ist es natürlich, die Notfallmaßnah- mentlich bei Alois Gerig, bei Hans-Georg von der men jetzt einzuleiten und den Waldumbau voranzubrin- Marwitz und bei Rainer Spiering. gen. Aber es ist auch wichtig – das will ich noch mal 17048 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dirk Wiese (A) eindeutig erwähnen –, das Bauen mit Holz zu stärken. Es Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (C) ist gut, dass gerade im Haushaltsansatz fast 55 Millionen Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Frank Sitta, Euro für die Förderung der Holzverwendung enthalten FDP. sind. Das stärkt die Wertschöpfungskette Holz. Das stärkt die Arbeitsplätze auch im ländlichen Raum, vor allem im (Beifall bei der FDP) Handwerk. Es ist gut, dass wir das geschafft haben und dass gerade auch das Positionspapier der SPD-Bundes- Frank Sitta (FDP): tagsfraktion zu Bewegung im Bundesministerium für Er- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und nährung und Landwirtschaft geführt hat. Kollegen! Wir haben die bedeutendsten Forstschäden der letzten 30 Jahre zu verzeichnen. Der anhaltende Befalls- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) druck mit Schaderregern und Krankheiten lässt befürch- Nichtsdestotrotz: Die Aufgaben werden nicht kleiner ten, dass wir das Schlimmste noch nicht mal hinter uns werden. Wir müssen bei der Reform der Gemeinschafts- gebracht haben. Der Agrarausschuss im Deutschen Bun- aufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küs- destag hat schon vor eineinhalb Jahren vor den Folgen der tenschutzes“ noch einmal genau hinschauen, damit die Trockenheit gewarnt und uns auf das aufmerksam ge- Gelder im ländlichen Raum ankommen. Ich glaube, das macht, was sich hier anbahnt und wie viele Hundert Mil- ist gerade für diejenigen entscheidend, die davon profi- lionen Euro Schulden inzwischen zum Tragen kommen. tieren wollen. Das ist der Klein- und Kleinstprivatwald, aber auch der Kommunalwald, den man nicht unterschät- Immerhin – das ist gut gewesen – gab es im Herbst den zen darf und nicht unerwähnt lassen sollte; er hat die Waldgipfel. Toll war auch, dass Fachleute mit eingebun- gleiche Unterstützung verdient. Das sage ich als jemand, den waren. Aber viel mehr, liebe Ministerin Klöckner, der aus der waldreichsten Stadt Deutschlands kommt: wäre es doch angebracht gewesen, zur Abwechslung Brilon im Sauerland ist der größte kommunale Waldbe- mal Ihre SPD-Amtskollegin Frau Schulze zu einer Eini- sitzer. Auch hier sind die Herausforderungen enorm. Da- gung zu bewegen. Denn sie hat ihre Mission darin ge- rum ist es gut, dass auch der Kommunalwald von diesen sehen, in dieser Situation Waldstilllegungen zu fordern. Geldern profitieren wird. Das ist doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, völlig abs- trus. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/ (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten CSU]: Nicht nur in Brilon!) der AfD) Frau Bundesministerin Klöckner, ich will gerne noch Wir schaffen so Wellnessoasen für den Borkenkäfer und (B) einen Punkt ansprechen. Sie haben gerade in Ihrer Rede verhindern eine aktive Waldbewirtschaftung. (D) gesagt, dass es wichtig ist, jetzt unideologisch heranzu- In meinem Heimatland Sachsen-Anhalt sind die gehen, und dass man bei der Wiederaufforstung das Na- Schäden zum Beispiel im Harz immens. Die National- delholz nicht vergessen darf. Das betrifft gerade die parkverwaltung des Harzes wirbt gar verniedlichend mit Douglasie. Ich habe eine Bitte aus nordrhein-westfäli- Berti Borkenkäfer, der nun endlich den verhassten Fich- scher Perspektive: Reden Sie bitte mit der nordrhein- tenwäldern den Garaus machen soll. Meine sehr verehr- westfälischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerin. ten Damen und Herren, eine solche Politik ist ein Schlag ins Gesicht für jeden, der in Deutschland weiterhin ver- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die sucht, nachhaltig Wald zu bewirtschaften. macht tolle Arbeit!) Denn die Förderrichtlinien Ihrer CDU-Kollegin in Nord- (Beifall bei der FDP) rhein-Westfalen sehen vor, dass das Nadelholz nicht för- Waldschutz – das klang auch hier schon an – ist eben derfähig ist und nicht unterstützt wird. Das ist genau die auch effektiver Klimaschutz. Aktiv bewirtschaftete Wäl- Ideologie einer CDU/FDP-Landesregierung, die gegen der binden nachweislich mehr CO2, gerade wenn Holz als das Nadelholz ist. Baustoff genutzt wird. Aber auch diese Klimaschutzleis- tung muss honoriert werden. Mehr als warme Worte fin- (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Dr. Marco den die Waldeigentümer im Klimapaket der Bundesregie- Buschmann [FDP]: Oh!) rung aktuell nicht. Das ist genau das, was Sie gerade kritisiert haben. Rufen Es ist auch bezeichnend, dass die Koalition jetzt mit Sie bitte bei Ihrer Ministerin in Nordrhein-Westfalen an, ihrem Antrag die Landwirtschaftsministerin zum Han- (Beifall bei der SPD) deln auffordert; das hat man gerade gut mitbekommen. Aber, ehrlich gesagt, viele Maßnahmen hätten längst um- und stehen Sie an der Seite derjenigen, die Wald wirt- gesetzt sein können, und viele der zahlreichen Prüf- schaftlich nutzen wollen, die Wald nicht stilllegen wollen. aufträge in Ihrem Antrag passen zur Weihnachtszeit; denn Ich bin überrascht, dass CDU und FDP das in Nordrhein- sie erinnern eher an einen Wunschzettel an den Westfalen machen. Weihnachtsmann. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Die Ministerin inszeniert sich hier heute – so kennen der CDU/CSU) wir sie – als große Spendenverteilerin zu Weihnachten: Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17049

Frank Sitta (A) 800 Millionen Euro für den Wald. Aber keiner weiß so kommen. Denn eine Ursache ist auch der beginnende (C) richtig, wie das Geld effizient eingesetzt werden soll. Klimawandel. Dem Wald droht, dass er jetzt die Zeche zahlt für unseren Lebensstil. Deshalb ist ein einfaches (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das Weiter-so keine Option. machen wir schon! Keine Sorge!) Unsere Wälder zukunftsfit und klimaresistent zu machen, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Die Forstwirt- schaft möchte Wälder nachhaltig bewirtschaften. Dazu Wer den Wald schützen will, muss zwingend das Klima braucht es biotechnologische Innovationen und die Ent- schützen. Es gilt auch umgekehrt: Wer das Klima wicklung robuster Sorten durch neue Züchtungsmetho- schützen will, braucht zwingend den Wald, und zwar den. Das alles muss endlich als Chance für den Wald nicht nur in Brasilien. erkannt werden. Deshalb muss jetzt auch schnell gehandelt werden, und Meine sehr verehrten Damen und Herren, „nachhaltig“ leider auf sehr vielen verschiedenen Baustellen. Denn das ist ein Begriff aus der Forstwirtschaft. Was die Koalition gehört auch zur Wahrheit: Der Wald muss jetzt die Pro- jetzt hier auf den Tisch legt, wird dem nicht wirklich ge- bleme ausbaden, die über längere oder kürzere Zeit ein- recht, auch wenn manches in die richtige Richtung geht. fach ausgesessen wurden. Spätestens seit dem Frühjahr Schon deshalb bin ich mir sicher, dass wir ähnliche De- ist die dramatische Entwicklung völlig klar. Die Linke batten hier recht bald wieder führen werden. hatte deswegen ein Soforthilfeprogramm beantragt. Lei- der wurde das vor der Sommerpause noch abgelehnt – Herzlichen Dank und Ihnen allen frohe Weihnachten! verschenkte Zeit; denn die Maßnahmen, die unstrittig (Beifall bei der FDP) sind, könnten längst auf dem Weg sein. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Aber gut, nun kommt relativ viel Geld. Ob das aus- Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Kirsten reichen wird, werden wir sehen. Aber es muss eben auch Tackmann, Die Linke. schnell kommen, und zwar nicht nur im Interesse des Waldes, sondern auch, weil ohne schnelle Hilfe viele (Beifall bei der LINKEN) Klein- und Kleinstwaldbesitzer und -besitzerinnen mög- Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): licherweise ihren Wald verkaufen müssen. Wer also weiter ein breit gestreutes Waldeigentum möchte und si- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- chern will, der muss jetzt zwingend zügig handeln. (B) be Ministerin! Liebe Gäste! Die Situation im Wald ist in (D) vielen Regionen in der Tat dramatisch. Das dokumentiert (Beifall bei der LINKEN) auch der gestern vorgestellte Waldzustandsbericht aus Der erhöhte Fördersatz von 90 Prozent für Waldbesitz meinem Bundesland Brandenburg. 37 Prozent der Wald- unter 20 Hektar ist ein richtiges Signal. fläche sind deutlich geschädigt. Das ist gut ein Viertel mehr als im vergangenen Jahr. Nur noch 14 Prozent aller (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Für Probenbäume zeigten keine Kronenschäden. Diese Situa- über 20 Hektar müssen wir auch was tun!) tion übertrifft übrigens noch das Anfang der 90er-Jahre beschriebene Waldsterben wegen Luftverschmutzung. Aber dass alles vorfinanziert werden muss, konterkariert Die Lage ist also wirklich ernst. dieses richtige Anliegen. Und ohne einen Paradigmenwechsel in der Personal- Dabei hatten noch 2014 die Ergebnisse der dritten politik wird eben auch der Wald nicht gerettet werden. Bundeswaldinventur positive Nachrichten gegenüber Denn der Personalabbau bei den Forstleuten über viele dem Berichtszeitraum zehn Jahre zuvor verkündet: Der Jahre hinweg gehört in das Sündenregister der Vergan- Anteil der Laubbäume war gestiegen, die Wälder waren genheit. Der Wald braucht mehr und gut ausgebildete vielfältiger und naturnäher strukturiert. Die Waldfläche Forstleute, und diese müssen anständig bezahlt werden. war konstant geblieben – davon kann man bei landwirt- schaftlichen Flächen nur träumen –, und es war mehr (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse- Holz nachgewachsen, als genutzt wurde. Die Ende 2011 Brömer [CDU/CSU]: Dann dürfen Sie die pri- verkündete Waldstrategie 2020 schien also auf einem gu- vaten Waldbesitzer auch nicht immer verteu- ten Weg. Auch der nun ebenfalls vorgelegte turnusmäßige feln!) Waldbericht für die Jahre 2009 bis 2017 liest sich heute wie aus einer anderen Welt. Denn nach mehreren Orka- Die vielen sterbenden oder toten Bäume sind aber auch nen, zwei Dürrejahren und Waldbränden mit nicht ge- ein großes Unfallrisiko. Die Berufsgenossenschaft hat ge- kanntem Ausmaß ist nichts mehr, wie es war, zumal die rade Alarm geschlagen. Auch deshalb brauchen wir für geschwächten Wälder auch noch gefundenes Fressen für das viele Totholz Antworten. Es ist natürlich ökologisch diverse Forstschädlinge sind. Im Ergebnis ist also der wichtig und zwingend für den naturgemäßen Wald. Aber scheinbar gerade erst gerettete heimische Wald nun wie- Unfall- und Brandrisiken müssen eben auch vermieden der in Gefahr, und zwar in beängstigender Geschwindig- werden. Gleichzeitig muss das zusätzlich anfallende Holz keit. verwertet werden, am besten als Baustoff. Aber auch bei diesem Thema sind wir meilenweit hintenan. Insbeson- Ich bin mir leider überhaupt nicht sicher, ob wir dieses dere bei den Bauordnungen müssen hier dringend die Mal die Ursachen wirklich schnell genug behoben be- Bremsklötze gelockert werden. 17050 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Kirsten Tackmann (A) (Beifall bei der LINKEN) (Dr. [FDP]: Das ist uninfor- (C) miert, was Sie da sagen!) Aber auch die Holzindustrie ist aus meiner Sicht drin- gend in der Pflicht. Sie kann nicht weiter immer nur Na- Durch die Klimakrise mit Dürrejahren und Stressfaktoren delholz verarbeiten wollen, wenn aus ökologischen sind unsere Wälder aber massiv bedroht. Viele haben das Gründen der Umbau zu Mischwälder notwendig ist. vorhin bedauert. Aber viel zu viele hier im Haus haben jahrelang den Klimaschutz verschlafen und verschleppt, (Beifall bei der LINKEN) und das wider besseres Wissen. Und dann rufen Sie jetzt hier: Haltet den Dieb! Aber in jeder Krise steckt ja auch eine Chance, und zwar so lange, wie sie nicht zur Katastrophe wird. Also: (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir ru- Wir müssen trotz des erheblichen Zeitdrucks wichtige fen: „Erhaltet den Wald!“ nicht „Haltet den Weichenstellungen und Neuausrichtungen vornehmen. Dieb!“) Wälder zum Beispiel mit nur einer Baumart und einer Altersklasse sind eigentlich Baumplantagen und erhöhen Das nehmen wir Ihnen nicht ab. das Risiko von Großschadenslagen. Aber welche Baum- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) arten werden in welcher Mischung den zukünftigen He- rausforderungen eigentlich gerecht und gewachsen sein? Die beste Hilfe für unseren Wald bleibt wirksamer Kli- Offensichtlich ist selbst die Forstwissenschaft überrascht, maschutz. Der Wald braucht aber auch akut Hilfe. Sie, welche Baumarten doch nicht so hitze- oder trockenresis- Frau Ministerin, schütten jetzt das Füllhorn aus. Ob das tent sind wie vermutet. Die Forderung nach standortan- aber dem Wald hilft, das ist offen. Denn die Bundesgelder gepassten Mischwäldern ist und bleibt selbstverständlich gibt es erst, wenn die Länder mitfinanzieren. Der Wald in richtig. Aber was heißt denn das konkret? Ländern mit knapper Kassenlage droht leer auszugehen. Sie haben mir schriftlich bestätigt, dass dann die Gelder in Angesichts der hohen Schalenwildbestände stellt sich liquidere Länder umgeleitet werden sollen. Das, Frau Mi- jetzt noch dringender die Frage, wie man den so wichti- nisterin, ist doch ein schlechtes Bekenntnis zum Wald im gen Baumnachwuchs vor dem Verbiss schützt. Ohne an- ganzen Land. dere Jagdregimes – zumindest zeitweise – wird das nicht funktionieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Geldsegen wird ohnehin nicht alle Probleme lösen. (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse- Ja, die Holzpreise sind im Keller, und viele Betriebe ban- Brömer [CDU/CSU]: Das ist ja eine interessan- gen um ihre Existenz. Aber allen Klagen und allen Reden te Argumentation!) zum Trotz tut die Bundesregierung viel zu wenig, um den (B) (D) Und alles zu zäunen, ist ja schon finanziell keine Option. Holzmarkt tatsächlich zu entlasten. Bauen mit Holz ist Laut Waldstrategie 2020 sollte in einem breiten Dialog unbestritten eine Win-win-win-Situation: für den Holz- ein neues Leitbild Jagd erarbeitet werden. Ich habe seit- markt, für den Klimaschutz und für die schnelle Schaf- dem nie wieder was davon gehört, und die angekündigte fung von günstigem Wohnraum. Aber von einer umfas- Novelle zum Bundesjagdgesetz liegt auch nicht vor. Ja, senden Holzbaustrategie wie in Baden-Württemberg oder ich weiß: Das ist ein heftig diskutiertes Thema, und die wie in Schweden ist auf Bundesebene noch überhaupt Wildforschung ist leider auch ein vernachlässigtes Ge- nichts zu sehen, und es ist eine Schande, dass die Bun- biet. Aber es gibt Beispiele, in Brandenburg zum Bei- desregierung hier weiter mit Ressortgerangel Zeit ver- spiel, wie das funktionieren kann. Wissens- und Erfah- plempert. Legen Sie endlich los, Frau Ministerin! Setzen rungstransfer ist also möglich und auch dringend nötig. Sie sich durch gegen die Bremser in Ihren Reihen! Sorgen Nur eins geht auf gar keinen Fall: Einfach so weiter- Sie für einen fairen Wettbewerb von Holz und auch für machen und aussitzen. die Abschaffung der Steuervorteile für fossile Baustoffe! Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bauen mit Holz setzt aber auch und unbedingt nach- (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse- haltige und naturverträgliche Waldbewirtschaftung vo- Brömer [CDU/CSU]: Wer sind denn die linken raus. Wir brauchen vielfältige standortangepasste Wälder Jäger? Die kenne ich gar nicht!) als möglichst stabile Ökosysteme. Niemand kann mit Si- cherheit sagen, welche Baumart in 50 oder 100 Jahren Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: funktionieren wird. Niemand! Harald Ebner, Bündnis 90/Die Grünen, ist der nächste Redner. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Nicht ein- mal die Grünen!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wunderbaumarten gibt es nicht. Jetzt panisch alles zu pflanzen, was einem vor den Spaten kommt, ist das Ge- Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): genteil von vernünftig. Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ja, 80 Jahre sind viel. Aber mit (Zuruf von der CDU/CSU: Wer redet denn da- 80 Jahren hat eine Eiche noch nicht mal ihre Pubertät von?) erreicht. Und ja, wir brauchen den Wald. Wald ist Leben, Also: Neuanpflanzungen sind teuer, und sie sind un- Wald ist Klimaschutz. Aber dazu muss er intakt sein. sicher. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17051

Harald Ebner (A) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es gibt (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist (C) klimaresistente Bäume! Das ist allgemein be- es!) kannt!) Ich danke meinen Kollegen Wiese und von der Marwitz, Deshalb: Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass natur- dem ich gute Genesungswünsche von hier übersende, für verjüngte Wälder widerstandsfähiger sind gegenüber die konstruktive Zusammenarbeit bei der Erarbeitung Trockenheit und Schädlingsdruck. Sie sind genetisch dieses guten Antrags. vielfältiger. Deshalb müssen wir das Potenzial der Natur- verjüngung, wo es irgend geht, nutzen, und wir müssen es (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und maximal ausschöpfen. des Abg. Dirk Wiese [SPD]) Ich danke unserer Bundesforstministerin Julia Klöck- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ner und unserer Bundeskanzlerin dafür, dass sie sich so Unsere Bäume können viel mehr, als sie in der Baum- vehement dafür eingesetzt haben, dass wir dem Wald jetzt schule gelernt haben. echt helfen können. Gemeinsam mit den Bundesländern geben wir annähernd 1 Milliarde Euro und die Hilfsmaß- (Frank Sitta [FDP]: Gott!) nahmen sind angelaufen. Es ist falsch, zu behaupten, da Geben wir ihnen die Chance dazu! tue sich noch nichts. Es passiert ganz viel draußen in der Praxis. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In die Baumschule müssten Sie auch noch mal gu- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) cken gehen!) Naturverjüngung, Frau Ministerin, heißt eben nicht, den Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Wald sich selber zu überlassen. Aber es geht eben darum, Herr Kollege Gerig, die Kollegin Leidig würde gerne dass wir bei der Holzaufbereitung den Boden schonen, eine Zwischenfrage stellen. dass Jungwuchs auch aufkommen kann und dass das schnell geht. Denn wenn es schnell geht, Frau Ministerin, Alois Gerig (CDU/CSU): haben wir bald wieder schöne Waldbestände. Ja, bitte, tun Sie das. Machen Sie Ihre Hausaufgaben! Sorgen Sie für eine faire und gezielte Verteilung der Waldhilfen für ökolo- Sabine Leidig (DIE LINKE): gisch intakte Wälder! Bringen Sie endlich eine Holzbau- Vielen Dank, Kollege Gerig, dass Sie mir das ermög- strategie auf den Weg! Machen Sie Naturverjüngung zum lichen. – Ich möchte Ihren Appell sozusagen auch gar (B) Schwerpunkt der Waldpolitik! Verringern Sie den Wild- nicht abschwächen, weil ich ihn sehr, sehr wichtig finde. (D) verbiss! Und sorgen Sie für eine bodenschonende Wald- Aber ich möchte eine Gegenbitte äußern. Sie haben ja wirtschaft! Dann kommen wir auf einen richtigen Weg. gerade darum gebeten, dass wir den Schutz des Waldes Was Sie bisher machen, ist ein Anfang. Die echten Auf- unterstützen. Ich komme aus Hessen, und da ist gerade gaben müssen Sie noch angehen. ein 100 Hektar großes Stück über 300 Jahre alter Wald akut in Gefahr, weil der Bundesverkehrsminister und lei- Vielen Dank. der auch das Landesverkehrsministerium darauf beste- hen, dass die Autobahn A 49 weitergebaut wird, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: die schon lange von verschiedenen Bürgerinitiativen für Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Alois Gerig, überflüssig gehalten wird. Ich möchte Sie einfach bitten, CDU/CSU. dass Sie sich mit uns gemeinsam dafür einsetzen, dass alter wertvoller Wald nicht weiter geschlagen wird für (Beifall bei der CDU/CSU) Autobahnen,

Alois Gerig (CDU/CSU): (Dr. [FDP]: Wie kommen Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und die Arbeiter eigentlich in die Fabriken? Wie Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Tan- kommen die Teile in die Fabriken?) nenbaum, gute Luft, Erholung, heimeliges Holzfeuer – es die wir, wenn wir die Klimaschutzziele ernst nehmen, in gibt unzählige Beispiele, die wir positiv mit dem Wald Zukunft nicht in größerer Zahl brauchen werden. verbinden. Der Wald ist überall, und er ist frei zugänglich. Somit ist der Wald ein Stück Heimat für alle Bürgerinnen Alois Gerig (CDU/CSU): und Bürger bei uns in Deutschland. Diese Wortmeldung, liebe Kollegin, hat überhaupt Ja, schade, dass wir diese heutige Debatte unter einem nichts mit unserer heutigen Thematik zu tun. negativen Aspekt führen müssen. Sie hat einen traurigen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Anlass. Der Titel des Antrages der Koalitionsfraktionen bei Abgeordneten der SPD und des Abg. lautet: „Unser Wald braucht Hilfe“. Nutzen Sie die Be- Stephan Protschka [AfD]) sinnung der Vorweihnachtszeit, liebe Kollegen, insbeson- dere von der Opposition: Stimmen Sie unserem Antrag Ich will das hier auch nicht näher kommentieren, weil ich zu! Es ist ein richtig guter Antrag. die Örtlichkeit und die Umstände überhaupt nicht kenne. 17052 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Alois Gerig (A) Mehr als 100 Millionen Festmeter Schadholz sind in Auch deswegen bitte ich darum, uns auch in diesem Be- (C) unseren Wäldern. 180 000 Hektar sind allein in Deutsch- mühen zu unterstützen. land geschädigt. Es braucht den engen Schulterschluss. Das geht nur, wenn der Bund und die Bundesländer zu- Welche Baumarten brauchen wir? Ich bin gespannt, sammenstehen. Die Hilfsgelder müssen schnell und pra- was uns die Forschung da vorlegen wird. xisbezogen dorthin kommen, wo sie dringend gebraucht Wir brauchen eine Förderung der Ökosystemleistung. werden: an die Basis. Stichwort „CO2-Bepreisung“ – das Wort ist in aller Mun- de. Wir müssen diese auch in Bezug auf den Wald hono- Erste Priorität: Schadholzbeseitigung. Der Preisverfall rierend umsetzen. ist eklatant. Wir müssen die Waldbesitzer und die Forst- leute unterstützen, damit sie das Schadholz möglichst Ich will, dass unsere Enkel noch Freude am Wald ha- schnell aus den Wäldern bekommen. Es braucht Aufar- ben. Beide, unsere Enkel und der Wald, sind unsere Zu- beitungshilfen. Nasslager müssen finanziert werden. kunft. Stimmen Sie unserem Antrag zu! Neue Absatzmärkte müssen geschaffen werden, zum Bei- spiel im Export. Vielen Dank. Ja, wir brauchen die Holzbauoffensive. Das ist Bundes- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ländersache. Baden-Württemberg zeigt, wie es geht. Lie- ordneten der SPD) ber Kollege Wiese, Baden-Württemberg beispielsweise hat keine GAK-Mittel zurückgegeben. Bei uns wurden Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: alle diese Mittel vom Forstminister ordentlich eingesetzt, Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Wilhelm von wo sie gebraucht werden. Bauholz ist der beste CO2-Spei- Gottberg, AfD. cher. Wir müssen die energetische Nutzung von Schad- restholz ins Auge fassen. Es ist wichtig, dass auch dieses (Beifall bei der AfD) Holz genutzt werden kann. Wilhelm von Gottberg (AfD): Die Union hat dafür gekämpft, dass die Beiträge für die Herr Präsident! Frau Ministerin Klöckner! Meine Da- Unfallversicherung wiederum erhöht wurden. Es ist men und Herren! Wir beraten heute fünf Anträge, die alle höchst riskant, was unsere Forstleute draußen leisten das gleiche Ziel haben: Hilfe für den Wald. Über die müssen. Auch ihnen möchte ich ein herzliches Danke- Diagnose besteht also Einigkeit. Der Wald ist notleidend schön sagen. und bedarf einer Therapie. Die in den einzelnen Anträgen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- genannten Therapievorschläge sind zu einem erheblichen (B) ordneten der FDP und der LINKEN) Teil ähnlich. Über das Ziel sind wir uns also auch einig: (D) Wir wollen zukünftig und langfristig gewährleisten, dass Wir müssen sie unterstützen, wo immer das machbar ist. der Wald seine positiven Funktionen für die Menschen Die Union ist ganz eng an ihrer Seite. sowie für die Tier- und Pflanzenwelt weiterhin erfüllen kann. Die besondere Unterstützung der Kleinwaldbesitzer wurde angesprochen. Das ist in der Tat wichtig. Wir brau- (Beifall bei der AfD) chen jetzt mehr Personal auch für das Schadmonitoring, damit die Waldbesitzer überhaupt darauf aufmerksam ge- Da sind zu nennen: macht werden, dass ihre Wälder krank sind und Bäume Erstens. Der Wald ist ein unverzichtbarer Klimaschüt- gefällt werden müssen. zer. Es braucht dringend einen Motivationsschub für die Zweitens. Er ist ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor. Wiederaufforstung. Allein mit Naturverjüngung, lieber Kollege Ebner, geht das eben nicht. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Stimmt!) (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht alleine!) Drittens. Er ist unverzichtbar für eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt. Vor einem Jahr hätte sich noch niemand vorstellen kön- nen, dass sich gar Buche und Eiche mancherorts wegen (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Stimmt Trockenschäden von uns verabschieden. Deswegen auch!) braucht es mehr Forschung. Es braucht Aufforstung. Es Viertens. Er ist Erholungsfaktor für die Menschen. braucht ein enges Zusammenspiel. Populistische Sprüche bringen uns hier überhaupt nicht weiter. Fünftens. Er ist Bestandteil einer durch Menschen ge- stalteten, lebenswerten und abwechslungsreichen Kultur- Schützen durch Nützen geht nirgendwo besser als im landschaft. Wald. Wald ist das Sinnbild für die Nachhaltigkeit. Es wäre ökologischer und ökonomischer Unsinn, wenn wir Bei so viel Gemeinsamkeit muss es möglich sein, die unsere Wälder verbuschen lassen. Dann helfen sie uns erforderlichen Mittel aufzubringen, um den Wald gesund nämlich auch nicht beim Klimaschutz. zu pflegen. Pflege kostet Geld. Wer wüsste das hier im Hause nicht? Die Herren Schirmbeck und von der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Marwitz, beides Herren mit hoher Kompetenz für den des Abg. Dirk Wiese [SPD]) Wald, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17053

Wilhelm von Gottberg (A) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das unserer Lebenserfahrung dazu. Das ist natürlich gut, dass (C) stimmt!) wir da Betroffenheit haben. sprechen von 2,3 Milliarden Euro, die kurzfristig bereit- Bei der Vorbereitung der Rede habe ich noch mal darü- gestellt werden müssen. 2,3 Milliarden Euro! Wofür? Für ber nachgedacht, was da eigentlich passiert. Die Fotosyn- zwei vorrangige Maßnahmen: erstens für das zeitnahe these ist ja ein unglaubliches Geschenk, das wir bekom- Herausschaffen des Käfer- und Sturmholzes aus dem men, und ist ja der Hintergrund des Ganzen, über das wir Wald und zweitens für die Wiederaufforstung von sprechen. Was passiert bei der Fotosynthese? Aus Koh- 110 000 Hektar Kahlflächen. Ministerin Klöckner hat lendioxid und Wasser werden Sauerstoff und Kohlen- im September ein Wiederaufforstungsprogramm ange- stoff. Das ist ja der Prozess, der überhaupt alles das, wo- kündigt. Wo bleibt es, Frau Ministerin? Nur ein lebender rüber wir reden, möglich macht. Ich möchte alle bitten, Wald und wachsende Bäume erfüllen die Klimaschutz- anzuerkennen, dass wir in diesem Prozesskreislauf den- funktion des Waldes. ken müssen. Das bedeutet, dass wir Holz wahrnehmen als Das Schadholz muss schleunigst aus dem Wald ent- etwas, das gewachsen ist, das uns geschenkt worden ist. fernt werden. Ab 12 Grad plus wird der Borkenkäfer Dieser natürliche Prozess ist ja ein Geschenk. Ich persön- wieder aktiv und befällt weitere gesunde Bestände, wenn lich glaube, dass wir Holz gegenüber anderen natürlichen das befallene Holz nicht bis zum 1. April entfernt ist. Das Bestandteilen nicht wertschätzen. Genau wie wir häufig meiste Schadholz liegt oder steht noch im Wald. Um diese Wasser, weil hier genügend davon da ist, nicht wertschät- eminent wichtige Aufgabe rasch zu realisieren, fordert zen, schätzen wir auch Holz nicht wert, und wir bepreisen die AfD-Fraktion eine Soforthilfe in Höhe einer kleinen über Märkte etwas, was wir so gar nicht bepreisen kön- zweistelligen Eurosumme pro Festmeter Schadholz für nen. die Waldbesitzer. Ich glaube, wir haben zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU (Beifall bei der AfD) Es muss endlich etwas ankommen bei den Forstbetrie- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: CDU/ ben – analog der Dürrehilfe im vorigen Jahr. Georg CSU!) Schirmbeck, der Präsident des Deutschen Forstwirt- – der CDU/CSU – ein ordentliches Papier geschrieben. schaftsrates, sprach bereits am 12. April 2019 von einer Das ist auch der richtige Ansatz. Und genau wie bei der Soforthilfe für den Wald und die Waldbesitzer von jähr- Digitalisierung ist die Idee aus dem Parlament entstanden lich 100 Millionen Euro. Das war vor dem trockenen und nicht aus der Regierung. Sommer 2019, der die Schäden am Wald drastisch ver- (Beifall bei der SPD) (B) größerte. Armin Laschet, Ministerpräsident in NRW, hat (D) diesen Appell aufgegriffen. Er hat schon für 2019 10 Mil- Was die Finanzmittel angeht, haben wir einen Zuwachs lionen Euro als Soforthilfe für die Waldbesitzer in NRW von 850 bis 900 Millionen Euro in diesen Haushalt mög- bereitgestellt. Er hat ausdrücklich vermerkt, dass diese lich gemacht und konnten das der Ministerin vorlegen. Finanzhilfe in gleicher Höhe in den nächsten Jahren fort- geführt wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die Län- der waren auch dabei!) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Die Ministerin kann jetzt exekutiv damit umgehen. Ich Herr Kollege von Gottberg, achten Sie bitte auf die finde, dieses Parlament darf auch ruhig selbstbewusst und Zeit. Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie stolz auf sich sein, dass es das als Parlament geleistet hat. zum Schluss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wilhelm von Gottberg (AfD): der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. – Möge die Bun- [CDU/CSU]: Zusammen mit der Ministerin! – desregierung sich an diesem Beispiel orientieren. Frank Sitta [FDP]: Der Souverän ist das Volk! – Stephan Protschka [AfD]: Der Souverän ist das Danke. Volk!) (Beifall bei der AfD) – Ja, man muss das unterscheiden: Wir sind der Souverän, die Ministerin darf ausführen. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Nächster Redner ist der Kollege Rainer Spiering, SPD. LINKEN) (Beifall bei der SPD) Wenn ich jetzt aber dem Kreislaufgedanken folge und Holz als das wahrnehme, was es im Naturkreislauf leisten Rainer Spiering (SPD): kann, dann würde ich Sie alle bitten, dass wir zwei Fakto- Herr Präsident! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kol- ren im Auge behalten. Den einen Faktor haben wir jetzt legen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir be- beschrieben, nämlich den Versuch, den Waldholzanbau schäftigen uns heute, ja, auch in Teilen mit unserem in- wieder zu regenerieren. Und ich sage Ihnen: Das ist eine nenliegenden Bewusstsein, mit dem deutschen Wald. extrem schwierige Aufgabe. Harald Ebner, so einfach, Zumindest die Menschen, die vom Lande kommen, haben wie du das hier darstellst, und mit diesen einfachen Tricks einen starken inneren Zugang zum Wald, und er gehört zu läuft es nicht. Da braucht man einen längeren Atem. 17054 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Rainer Spiering (A) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der geben, den sie verdienen, und endlich klarzumachen: (C) CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/ Holz ist grundsätzlich etwas, was uns von der Natur ge- DIE GRÜNEN]: Du weißt es! – Britta schenkt wird und was wir auch entsprechend honorieren Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: und achten müssen, genauso wie alle anderen Produkte Was denn für Tricks? Als wenn wir tricksen!) der landwirtschaftlichen Erzeugung, denen wir Achtung Wir haben ergänzend zu dem gemeinsamen Antrag mit entgegenbringen müssen, Kolleginnen und Kollegen. der CDU/CSU einen weiter gehenden Vorschlag ge- Hiermit haben wir die Möglichkeit, dem eine Wertschät- macht, und zwar den, Holz in den Kreislauf zu bringen. zung materieller Art zu geben. Herzlichen Dank. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe auch nicht „Holz“ gesagt!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das bedeutet, dass wir den CO2-Speicher Holz möglichst lange im Verkehr halten. Das heißt, es darf nicht verrot- ten, es darf nicht energetisch verwertet werden, sondern Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: es muss im Holzbau verwendet werden. Ich glaube, da ist Jetzt hat der Kollege Karlheinz Busen, FDP, das Wort. die ganz große Chance. Ich kenne zurzeit kein Land auf der Welt, das besser ausgebildete Handwerker hat als (Beifall bei der FDP) dieses Land. Karlheinz Busen (FDP): (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja!) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur Alle Zimmerleute, alle Schreiner, alle Tischler, alle Dach- der Wald in Deutschland ist in Gefahr. Die Klimaverän- decker sind dazu in der Lage, Holz im Bau einzusetzen, derung ist der eine Faktor, der den Wald stresst und schä- digt. Aber eine viel größere Gefahr ist was anderes, und (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Richtig!) zwar die ideologische grüne Politik. und es ist unsere Aufgabe, per Gesetzgebung möglich zu (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten machen, dass Holz einen ganz anderen Stellenwert auf der AfD) dem Bau bekommt. Da wird auf einem Kongress der Grünen-Bundestags- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten fraktion tatsächlich gefordert, Maschinen abzuschaffen der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜND- und durch Rückepferde zu ersetzen. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, warum macht Ihr (B) es denn nicht?) (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (D) Auweia! – Michael Grosse-Brömer [CDU/ Holz ist auch von der Statik her extrem belastbar, und wir CSU]: Nicht wirklich, oder?) schaffen uns einen Zeitpuffer von 50 bis 100 Jahren, wenn wir das Holz im Baubereich langfristig einsetzen. Statt auf Innovationen zu setzen, statt Investitionen in Ich habe gelesen, ein Einfamilienhaus ist, wenn Holz ein- bodenschonende Maschinen zu fördern, wollen selbster- gesetzt wird, dazu in der Lage, 80 Tonnen CO2 zu spei- nannte grüne Experten zurück ins letzte Jahrtausend. chern. Das wird unsere Aufgabe sein. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: der AfD) Dann macht es doch mal!) Dagegen soll der Bau von Windrädern im Wald nahezu Kolleginnen und Kollegen, wir sind dazu in der Lage. grenzenlos hingenommen werden. Da werden Tausende Wir haben die handwerkliche Ausbildung, wir haben das Tonnen Beton als Fundament in den Wald gelassen. Und duale Berufsausbildungssystem, um das zu machen. Da- spätestens hier zeigt sich, was grüne Politik bedeutet – nur für müssen wir aber aktiv werden. Wir müssen das Bau- eines: Ideologie. gesetzbuch verändern. Wir müssen mehr Holzbau mög- (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der lich machen. Harald Ebner, einfach in den Antrag der AfD) SPD reingucken, den wir geschrieben haben, lernen, ak- zeptieren und bei uns mitmachen! Die Grünen fordern in ihrem Antrag eine Urwaldoffen- sive und wollen von jetzt auf gleich 600 000 Hektar Wald (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Harald stilllegen, eine Fläche so groß wie das Saarland, Berlin, Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geset- Hamburg und Bremen zusammen. Schon die ganzen Um- ze machen und nicht nur Anträge! – Weitere weltverbände von BUND bis NABU nutzen Millionen Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) von Spendengeldern, um Flächen anzukaufen und brach- Wir werden das umsetzen. Die Kolleginnen und Kollegen liegen zu lassen. Viele Privatwaldbesitzer, große und klei- der CDU/CSU waren ja auch willens, bei dieser Wald- ne, bewirtschaften ihre Wälder vorbildlich und tragen umbauinitiative mitzumachen. Also ganz gemach! damit zur Unterstützung der vielfältigen Funktionen des Waldes bei. Ich glaube in der Tat, wenn wir dort deutlich besser werden, wenn wir dem Handwerk die Chance geben und (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten wenn wir das zusammen mit der Waldwirtschaft und der der AfD – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE Forstwirtschaft machen, dann haben wir eine reelle Chan- GRÜNEN]: Haben Sie schon mal was von ce, Wald und vor allen Dingen Holz den Stellenwert zu Ökologie gehört? – Britta Haßelmann [BÜND- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17055

Karlheinz Busen (A) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Waren Sie schon mal Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen (C) im Nationalpark Eifel? Sie kommen doch aus schreiben im Titel ihres Antrages: „Unser Wald braucht NRW!) Hilfe“. Aber auf diesen Zug der Stilllegungen ist auch unsere (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bundesumweltministerin Svenja Schulze aufgesprungen. Sie brauchen Hilfe!) Mehr und mehr Waldflächen sollen vor sich hin rotten. Mit ihrer Kassenbonpflicht machen sie ihren eigenen An- (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: trag zur Makulatur. Keine Ahnung, echt!) Wer unsere Wälder aber kennt, weiß, dass genau die still- (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Oh Gott! gelegten Wälder am schlimmsten aussehen. Jetzt ist es aber gut!) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Nach neuesten Berechnungen des EHI sorgt die Bele- NEN]: Kommen wir doch mal zur Sache! Was gausgabepflicht dafür, denkt denn die FDP?) (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Jawohl, für Ich habe mir persönlich ein Bild davon gemacht. 10 Milliarden Euro Mehreinnahmen!) (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE dass Jahr für Jahr zusätzlich 8 500 Fichten gefällt werden GRÜNEN]: Es ist manchmal schwer auszuhal- müssen. ten, wenn die Leute überhaupt keine Ahnung haben!) (Beifall bei der FDP und der AfD – Zuruf von der AfD: Hört! Hört!) Die Bundesumweltministerin hat wahrscheinlich zu viel im „Dschungelbuch“ gelesen. Diese große Menge an Papiermüll kann sofort mit einem Federstrich im Gesetzblatt eingespart werden. Wenn Sie (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten es mit dem Waldschutz ernst meinen, der AfD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch für das Klima ist ein stillgelegter Wald schädlich. Peinlich! – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja, jetzt aber!) (Beifall bei der FDP und der AfD) dann stoppen Sie diese Kassenbonpflicht. Viel langsamer werden Treibhausgase der Luft entzogen, (B) und viel schneller werden Treibhausgase beim Verrotten (Beifall bei der FDP) (D) wieder freigesetzt. Meine Damen und Herren, unsere Wälder brauchen (Beifall bei der FDP – Britta Haßelmann Innovationen, damit wir sie schützen. Konkret brauchen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denkt unsere Wälder eine Wiederaufforstung mit klimarobusten denn die FDP? – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/ Baumarten, DIE GRÜNEN]: Märchenstunde!) (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Am 16. Oktober sagte der Parlamentarische Staatssekre- NEN]: Schade, wir haben gar nicht gehört, was tär, Herr Pronold, hier – mit Erlaubnis des Präsidenten die FDP zu sagen hat! – Harald Ebner [BÜND- zitiere ich –: NIS 90/DIE GRÜNEN]: Es klatscht nur die Es ist richtig, dass ein bewirtschafteter Wald einen AfD!) höheren CO2-Speichereffekt haben kann als ein un- die Zulassung neuer Züchtungsmethoden, eine Reform bewirtschafteter Wald. des Forstschäden-Ausgleichsgesetzes und schnellere Ver- fahren bei forstlichen Pflanzenschutzmitteln, um im Not- (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der fall gerüstet zu sein. AfD) Der Mann hat recht. Doch statt dem Urwaldirrsinn ein Sehr viele gute Ansätze sind im Antrag von Union und Ende zu setzen, belastet die Bundesregierung weiter un- SPD enthalten. Es fehlen noch einige Punkte, die für ei- sere Wälder. nen gesunden Wald notwendig sind. Wir haben Ihnen in unserem Antrag ein Angebot gemacht. Nutzen Sie das! Belastetes Käferholz soll nach Auffassung der Bundes- Das wäre gute konstruktive Zusammenarbeit. regierung in stillgelegten Wäldern liegen bleiben. Oder anderes gesagt: Die Bundesregierung unterstützt die wei- Vielen Dank. tere Ausbreitung von Schädlingen wie dem Borkenkäfer, indem sie beste Brutstätten für sie schafft. (Beifall bei der FDP und der AfD) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: der AfD – Zuruf von der FDP: Was für ein Irr- sinn!) Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Artur Auernhammer, CDU/CSU. Das rächt sich im kommenden Jahr, wenn die Schädlinge wieder ausschwärmen. (Beifall bei der CDU/CSU) 17056 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Artur Auernhammer (CDU/CSU): sein, dass wir quasi in den Wald rennen und alles tot- (C) Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen schießen, was an Schalenwild herumrennt. und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Bundesministerin Klöckner hat vollkommen recht, wenn (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) sie sagt: Wir brauchen den Wald. – Die heutige Diskus- Wir brauchen eine gewisse Waidgerechtigkeit, sion zeigt auch, dass der Wald wieder in der politischen Diskussion ist, und vor allem, dass der deutsche Wald in ( [CDU/CSU]: Sehr richtig!) die Herzen und die Köpfe unserer Bürgerinnen und wir brauchen eine Ausgewogenheit unserer Wildbestände Bürger gelangt ist. Das ist ein gutes Signal. im Wald. Das geht nur in Zusammenarbeit von Wald- bauern und Jägern. Es funktioniert dort, wo Jäger und Wir haben auch – es ist schon mehrmals erwähnt wor- Waldbauern in die gleiche Richtung arbeiten. Wir wissen den – zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt, um den allerdings auch, dass es die einen oder anderen Reviere Waldumbau zu gestalten, um den Waldumbau klima- gibt, in denen die Verbisse noch zu hoch sind und in denen schutzgerecht zu machen und um eine Zukunft für den man mit der Jagd die Bestände noch besser regulieren deutschen Wald zu haben. Aber, meine sehr verehrten muss. Eins ist wichtig: Ein klimatoleranter Wald muss Damen und Herren, das funktioniert auch nur, wenn wir auch wachsen können. Da gilt es auch, die Wildbestände Menschen haben, die bereit sind, im Wald etwas zu tun, in der einen oder anderen Region zu reduzieren. Dazu ist im Wald zu arbeiten, und die nicht nur hier kluge Worte der bestehende gesetzliche Rahmen auch ausreichend. sagen. Deshalb gilt mein ganz besonderer Dank all den Menschen, die täglich im Wald arbeiten, die beratend (Beifall bei der CDU/CSU) unterwegs sind und die mit der Motorsäge, mit der Pflanz- Meine sehr verehrten Damen und Herren, so kurz vor axt draußen im Wald arbeiten. Ihnen gilt unser Dank. Weihnachten möchte ich einen Appell aussenden. Jeder (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- hat die Möglichkeit, an Weihnachten etwas für den Wald ordneten der FDP) zu tun: Zum einen kann er sich einen Tannenbaum, eine Fichte aus dem Wald kaufen, die der Waldbauer gezogen Ich habe fast den Verdacht, dass die Grünen den Wald hat, um damit eine Wertschöpfung für den Wald zu er- deswegen zu einem Urwald umbauen wollen, weil sie reichen. Zum anderen ist für jeden, der an Weihnachten selbst nicht gerne zum Arbeiten in den Wald gehen. Aber gern gut isst, ein guter Rehbraten aus den deutschen Wäl- das ist nur ein Verdacht. dern ein willkommenes Weihnachtsessen. Damit schützt (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der er auch den deutschen Wald. AfD und der FDP) In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und (B) (D) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten Herren: Guten Appetit und schöne Feiertage! bei der ganzen Walddiskussion auch darüber nachdenken: Danke schön. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- NEN]: Denken Sie mal an Ihre Vorurteile!) ordneten der SPD und der AfD) Wie können wir die Fläche unseres Waldes erweitern? Können wir dazu beitragen, dass wir auch Grenzstandor- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: te, die landwirtschaftlich nicht mehr genutzt werden, wie- Nächste Rednerin ist die Kollegin Steffi Lemke, Bünd- deraufforsten? Auch eine Aufforstungsstrategie sollten nis 90/Die Grünen. wir hier voranbringen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Meine sehr verehrten Damen und Herren, Wald Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt in schützen ist das eine, Holz nutzen ist das andere. Der zwei Minuten auf den Punkt bringen!) Holzbau – das ist heute schon vielfach erwähnt worden – ist einer der wichtigsten CO2-Speicher, den wir haben. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hier können wir durch innovative Bauverfahren das Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und CO2 speichern und deshalb auch Klimaschutz betreiben. Kollegen! Ich kann mich wegen meiner zweiminütigen Aber es gilt auch: Irgendwann ist das Holz nicht mehr im Redezeit nicht an Weihnachtsessendiskussionen beteili- Bau einsetzbar, und es fällt bei der Holzherstellung auch gen. Aber ich möchte daran erinnern, dass Weihnachten Abfall an. Wir müssen die Holzenergie stärker nutzen. Ich 2017 niemand von uns eine solche Debatte geführt hat, bin dankbar, dass wir mit dem Klimaschutzpaket, das wir wie wir sie jetzt führen. Zwei Jahre, zwei trockene jetzt durch den Vermittlungsausschuss haben, auch den Sommer und vor allem die trockenen Winter haben aus- Weg weg von der Ölheizung hin zur regenerativen Hei- gereicht, um hier eine Debatte über den deutschen Wald zung – dazu gehört auch die Holzheizung – gehen. Es ist zu erzeugen, von der ich mir wünschen würde, dass wir ein guter Weg. sie etwas zukunftsgerichteter und vor allem gemein- schaftlicher im Interesse des Waldes führen würden. ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Gegen den Widerstand der CDU/CSU (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – und SPD!) Alois Gerig [CDU/CSU]: Wir machen das!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, es muss auch Frau Klöckner, deswegen kann ich es Ihnen nicht er- der Grundsatz gelten: Wald vor Wild. Aber es darf nicht sparen: Sie haben mit Ihrer Aussage heute, dass uns Bäu- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17057

Steffi Lemke (A) me 80 Jahre Schatten spenden, bewiesen, was im Bundes- die durch die Klimakrise massiv beschädigt sind; ein To- (C) landwirtschaftsministerium falsch läuft. 80 Jahre ist un- talreservat, das seit 1850 existiert, und nach meinem Wis- gefähr das Hiebalter von Kiefern und Fichten, aber es ist sen war da an die Grünen noch nicht zu denken. nicht das Alter von Bäumen in einem Wald. Wir reden von 300-jährigen, 400-jährigen Buchen oder von Eichen, (Grigorios Aggelidis [FDP]: Das waren gute die über tausend Jahre alt werden können. Ich glaube, Zeiten!) dass wir in dieser Diskussion – der Wald ist nach zwei Der Gedanke, Wälder unter Schutz zu stellen, Wildnis trockenen Sommern und Wintern massiv geschädigt – und Totalreservate zuzulassen, um Biodiversität zu über den Wald als Ökosystem reden müssen. schützen und um gesunden, intakten Wald als Naturdenk- mal zu haben, das ist eine andere Diskussion als die über (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Waldnutzung. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Zuruf von der AfD: Sie wollen doch nur Ur- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: wälder!) Frau Kollegin Lemke, gestatten Sie eine Zwischenfra- Mir geht es darum, deutlich zu machen, dass wir diese ge aus der FDP? beiden Dinge besser zusammendenken müssen, dass wir uns in der Diskussion vom Wald als Nutzfaktor lösen und Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): über die Wasserspeicherfähigkeit des Waldes und der Ja. Waldböden reden müssen. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE Ich komme aus Sachsen-Anhalt, einer der schon jetzt GRÜNEN]: Sehr praktisch, Redezeitverlänge- trockensten Regionen. Ich bin im Frühjahr 2018 bei ei- rung! Danke!) nem Förster im Norden Sachsen-Anhalts gewesen, der früher Förster im Staatswald war und jetzt für eine kleine Dr. Christoph Hoffmann (FDP): Forstbetriebsgemeinschaft tätig ist. Er war verzweifelt Sie haben gerade davon gesprochen, dass Sie und fragte: Was soll ich machen? Was soll ich in diesem Buchenwälder mit Umtriebszeiten von etwa 300 Jahren knistertrockenen Wald pflanzen? Ich habe kein Wasser, betreiben wollen. weder von oben noch von unten; das ist mein Problem. – Und er will nicht aufforsten. Er hat sich für die natürliche Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verjüngung dort entschieden und sich über jeden kleinen Nein, falsch. Sämling, der von allein hochgekommen ist, gefreut. Die (B) Frage ist: Investieren wir jetzt Steuergelder in Höhe von 1 (D) Dr. Christoph Hoffmann (FDP): Milliarde Euro in Aufforstung und Schadholzberäumung, Ich kann Ihnen als einziger Förster im Deutschen Bun- oder halten wir kurz mal inne und überlegen, was wir jetzt destag sagen: Das geht nicht. Die Buche zerfällt vorher. machen? Natürliche Verjüngung an der einen Stelle, an Normale Zeiten bei der Buche sind 120 bis 140 Jahre. anderer Stelle möglicherweise forsten und pflanzen – das Dann können Sie noch anständiges Möbelholz ernten ist kein Entweder-oder. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) GRÜNEN]: Auch als Förster muss man zuhö- Wir müssen kurz innehalten und darüber nachdenken, ren!) was wir jetzt tun, statt weiter zu polemisieren gegen Na- oder daraus Furnier machen. Also, wir müssen schon turreservate und gegen den Wald, den wir auch schützen realistisch bleiben. und nicht nur nutzen müssen. Wir müssen darüber disku- tieren, dass er auch andere Leistungen erbringt, als Holz Es ist auch nicht richtig, was die Bundeslandwirt- zur Verfügung zu stellen. Wald speichert Wasser – das schaftsministerin gesagt hat, dass wir beim Wald am Ende habe ich bereits gesagt –, und er sorgt für Abkühlung. bei 80 Jahren sind. Das ist natürlich auch falsch. Bei der 10, 20 Grad Temperaturunterschied – das macht bei Eiche haben Sie Umtriebszeiten von etwa 200 bis 220 Jah- 40 Grad Außentemperatur einen relevanten Effekt aus. ren. Den Wald als Ökosystem zu betrachten und die Öko- (Beifall bei der FDP und der AfD sowie bei systemleistungen in den Mittelpunkt unserer Diskussion Abgeordneten der CDU/CSU) in der Politik zu rücken, das ist mein Anliegen. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Grigorios Aggelidis [FDP]: War das die Ant- Ich danke Ihnen für die Frage. – Es geht mir wirklich wort?) darum, dass wir als Gesellschaft in diesem Diskurs voran- Ich hoffe, dass wir in der Weihnachtszeit gemeinsam ein kommen. Ich habe nicht über Buchenforsten mit einem Stück vorankommen. Umtriebsalter von 120 Jahren geredet, sondern ich habe beispielsweise über Wälder mit ihrem ökologischen Wert (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wie die Heiligen Hallen in Mecklenburg-Vorpommern geredet, Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Voraussichtlich letzte Rednerin in dieser Debatte ist die sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Kollegin Gitta Connemann, CDU/CSU. 17058 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wer (C) Klimaschutz fordert, darf für Deutschland nicht nur Ur- Gitta Connemann (CDU/CSU): wälder fordern; „Von drauß’ vom Walde komm ich her.“ (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und der denn Totholz emittiert CO2 und Methan. Schadholz ist FDP) übrigens eine Brutstätte für Borkenkäfer. Wer wirklich Dieses Gedicht kennt bei uns jedes Kind. Seit jeher spielt Ökologie will, muss Wälder bewirtschaften, und zwar der Wald in Deutschland eine besondere Rolle als Hei- nachhaltig; mat. Aber ich sage auch: Er ist mehr als mythologischer (Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der Sehnsuchtsort. Denn er ist Lunge des Landes, er ist Kli- FDP) maanlage und Luftfilter, er ist der Erholungsraum, und er ist ein harter Wirtschaftsfaktor, ein Multitalent. denn Holz ist der beste Rohstoff, den es gibt. Wer neue Wälder will, muss übrigens Ja zur Jagd sagen; Bis 2017 war dieses Multitalent auf allerbestem Wege. Wir haben den sauren Regen in den Griff bekommen (Beifall bei Abgeordneten der AfD) durch Luftreinhaltemaßnahmen, durch Waldumbau und denn ohne angepasste Wildbestände können junge Triebe durch Kalkungen. Es hat sich gezeigt: Politik wirkt, und nicht wachsen. diese Politik ist gemacht worden immer unter der Feder- führung der CDU und der CSU. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ordneten der AfD und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU – [DIE LINKE]: Ja, gegen die CDU und CSU!) Wer nachhaltige Wälder will, muss in den Ländern vor- sorgen mit mehr Studienplätzen für Förster und durch Aber dann kamen Stürme, Dürre, Schädlinge und Brände. mehr Personal in der Fläche. Der Wald leidet. Heute ist die Lunge unseres Landes krank. Wir wissen: Der Wald braucht Hilfe. Diese Er- Lieber Harald Ebner, das waren eben schon Krokodils- kenntnis eint uns alle in diesem Haus, uns unterscheiden tränen, als es darum ging, Holzinitiativen zu ergreifen. Ihr allerdings die Methoden. stellt in mehr als zehn Ländern die Regierung. Ihr hättet längst tätig werden und die Landesbauordnung entspre- Wir als CDU/CSU setzen auf Wissenschaft und nicht chend ändern können. Darauf warten wir heute noch. auf Emotionen; (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der AfD (B) (Beifall des Abg. Dr. [AfD]) und der FDP) (D) denn mit Urwaldromantik kann man den Wald nicht vor Wer gesunde Wälder will, muss den Medikamenten- Klimawandel oder Borkenkäfern retten. schrank öffnen; denn der Borkenkäfer lässt sich nicht (Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der totstreicheln. FDP) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wir setzen auf das Miteinander mit Waldeigentümern, der FDP) mit Förstern und mit der Holzwirtschaft – das sind mehr Er muss aktiv mit Insektiziden bekämpft werden, übri- als 2 Millionen Menschen –; denn sie stehen für Nach- gens streng nach den Regeln der Wissenschaft. haltigkeit wie keine andere Branche, und das seit 1713. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. NEN]: Sie Gläubige der Chemieindustrie!) Grigorios Aggelidis [FDP]) – Gehen Sie in den Harz, liebe Frau Künast. Blicken Sie Deshalb ist es bitter, wenn jetzt selbsternannte Fachleute, auf die kahlen Gipfel, kahlgefressen vom Borkenkäfer. Ist wenn Populisten ein Bild reiner Monokulturen zeichnen das für Sie ökologisch? und eine ganze Branche an den Pranger stellen. Das ma- chen wir nicht mit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der FDP – Zuruf der Abg. Renate (Beifall bei der CDU/CSU) Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Fakt ist: Der Waldumbau findet seit Jahren statt. Was Meine Damen und Herren von der Opposition, ich bitte wir jetzt brauchen, sind Solidarität und umfassende Wal- Sie: Geben Sie sich einen Ruck, damit auch Ihre Kinder derneuerungsprogramme. Unsere Bundeslandwirt- und Enkel in 30 Jahren sagen können: Von drauß’ vom schaftsministerin, die weitaus mehr ist als Exekutive, Walde komm ich her. hat durch die Einrichtung des Nationalen Waldgipfels die Initiative ergriffen. Gemeinsam mit ihr stellen wir Frohe Weihnachten. rund eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung, damit (Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der Schadholz beseitigt wird, damit die Wälder wieder klima- FDP) gerecht aufgeforstet werden und damit die vielen kleinen Waldeigentümer in der aktuellen Krise Unterstützung bei der Bewirtschaftung erhalten. Doch das kann nur der An- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: fang sein – das sagt die Große Koalition. Damit schließe ich die Aussprache. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17059

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp- Tagesordnungspunkt 8 b. Interfraktionell wird die (C) fehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirt- Überweisung der Vorlage auf der Drucksache 18/13530 schaft auf Drucksache 19/15240. Der Ausschuss emp- an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor- fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung geschlagen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? – die Annahme des Antrags der Fraktionen der CDU/ Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir wie vorgeschla- CSU und der SPD auf der Drucksache 19/11093 mit gen. dem Titel „Unser Wald braucht Hilfe – Waldumbau vo- rantreiben“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koa- richts des Ausschusses für Inneres und Heimat lition und der AfD bei Enthaltung der übrigen Fraktionen (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten angenommen. Benjamin Strasser, Konstantin Kuhle, Stephan Wir kommen zu Buchstabe b der Beschlussempfeh- Thomae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion lung, in der der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der FDP der Fraktion der AfD auf der Drucksache 19/13528 mit Terrorismus effektiv bekämpfen, Verantwort- dem Titel „Waldbesitzer unterstützen – Wald nachhaltig lichkeiten klären – Einsetzung einer Kommis- umbauen“ empfiehlt. Wer stimmt für diese Beschluss- sion zur Reform der föderalen Sicherheitsar- empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält chitektur – Föderalismuskommission III sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung gegen die Stimmen der AfD mit den Stimmen der übrigen Fraktio- Drucksachen 19/7424, 19/15129 nen angenommen. Wir werden über die Beschlussempfehlung später na- Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c mentlich abstimmen. seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags Für die Aussprache ist eine Dauer von 60 Minuten be- der Fraktion der FDP auf der Drucksache 19/9925 mit schlossen worden. dem Titel „Wälder erhalten durch effektiven Wald- schutz“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Ich bitte, die notwendigen Platzwechsel zügig vorzu- nehmen. (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Mannomann!) Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? - Kollegen Armin Schuster, CDU/CSU. (Jan Korte [DIE LINKE]: Dann müsst ihr einen (B) vernünftigen Antrag schreiben!) (Beifall bei der CDU/CSU) (D) – Moment, wir sind mitten in der Abstimmung. Wer wäh- Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): rend der Abstimmung stört, läuft Gefahr, gerügt zu wer- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter den. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der glaube, das Innenressort konnte es in den letzten Jahren CDU/CSU, der AfD und der FDP) durchaus mit allen anderen Ressorts aufnehmen, was Re- formen anbelangt. Ich würde sogar behaupten: Wir sind Diese Beschlussempfehlung ist gegen die Stimmen mit an der Spitze. von AfD und FDP mit den Stimmen der übrigen Fraktio- nen angenommen. Aber ja, eine Reform der deutschen Sicherheitsarchi- tektur würde ich mir gleichwohl wünschen, Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe d seiner Be- schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak- (Beifall bei der FDP) tion Die Linke auf Drucksache 19/11104 mit dem Titel in einigen fundamentalen Punkten, ja, gerne im Rahmen „Naturgemäße Waldbewirtschaftung im Interesse des einer Föderalismuskommission und, ja, auch mit den In- Waldes und der Forstleute“. Wer stimmt für diese Be- halten, die die FDP in ihrem Antrag beschrieben hat. schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- hält sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung gegen (Beifall bei der FDP) die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/ Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktionen an- – Sie hoffen schon auf abweichendes Wahlverhalten von genommen. Armin Schuster. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe e (Heiterkeit und Beifall bei der FDP – Benjamin seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags Strasser [FDP]: Ja! Ja!) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/ Da muss ich euch leider enttäuschen. 13079 mit dem Titel „Aktionsplan für einen gesunden und artenreichen Wald“. Wer stimmt für diese Beschluss- (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Der politische empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Aufstieg ist möglich!) sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung bei Enthal- Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, das ist Co- tung der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen von py-and-paste Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen. (Benjamin Strasser [FDP]: Nein!) 17060 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Armin Schuster (Weil am Rhein) (A) bei Otto Schily, Wolfgang Schäuble, Thomas de Stattdessen haben Sie es zugelassen, dass Thomas de (C) Maizière, aus Handlungsempfehlungen von Untersu- Maizières Vorschläge aus dem Januar 2017 diskreditiert chungsausschüssen. Es gibt auch weniger prominente In- wurden – von Herrn Kubicki und Herrn Lindner. nenpolitiker der Union, (Benjamin Strasser [FDP]: Was?) (Benjamin Strasser [FDP]: Armin Schuster!) Vorratsdatenspeicherung, Quellen-TKÜ, Onlinedurchsu- bei denen ihr abgeschrieben habt. Das, meine Damen und chung Herren, reicht nicht. (Benjamin Strasser [FDP]: Das hat nichts mit (Philipp Amthor [CDU/CSU]: Besser gut ab- Föderalismus zu tun!) schreiben als nicht abschreiben!) sind mit Ihnen nicht machbar. Eigentlich bin ich mittlerweile sogar sauer; ich will das (Beifall bei der FDP) gar nicht humorvoll machen, liebe Kollegen. Meine Damen und Herren, Sie klagen gegen das Poli- Die deutsche Sicherheitsarchitektur zu reformieren, ist zeiaufgabengesetz in Bayern. ein ernstes Vorhaben, das mir sehr am Herzen liegt. Ich arbeite wirklich Woche für Woche daran, auch mit denen, (Benjamin Strasser [FDP]: Richtig! Rechts- auf die es ankommt. Hier eine Mehrheit für eine Reform staatspartei, das sind wir!) der Sicherheitsarchitektur zu finden – ich gucke Herrn Sie klagen beim Verfassungsgericht gegen jede Form mo- Grötsch oder Frau Mihalic oder wen auch immer an –, derner Sicherheitsaufgabenwahrnehmung. Wie sollen wir ist nicht schwer. denn mit Ihnen dieses Land im Bereich Sicherheit refor- (Benjamin Strasser [FDP]: Die ist da!) mieren? Unser Problem ist doch in Wirklichkeit ein anderes – Deswegen lehne ich Ihren Antrag ab. Während Sie An- machen wir uns doch ehrlich; das dürfte jeder Fraktion träge kopieren, arbeitet dieser Innenminister so gehen –: Wie sehen das denn Ihre Ministerpräsidenten (Benjamin Strasser [FDP]: … nicht an einer (Konstantin Kuhle [FDP]: Haben wir nicht!) Reform! Er will es gar nicht!) und Innenminister und Regierungsmitglieder in den Län- mit seiner Fraktion und der GroKo daran, dieses Land zu dern? reformieren. (B) (Christoph de Vries [CDU/CSU]: Sicherheits- (Beifall bei der CDU/CSU) (D) halber mit niemandem gesprochen!) Ich werde mir Ihr Abstimmungsverhalten anschauen, Das ist doch die Herausforderung. wenn wir demnächst eine Novelle zum Bundespolizei- gesetz vorlegen, wenn wir demnächst eine Novelle zum Machen wir doch mal eine Nagelprobe oder eine Verfassungsschutzgesetz vorlegen, wenn wir eine Feuerprobe bei den Freien Demokraten: Sie regieren in Novelle zum Telekommunikationsgesetz und zum IT- Rheinland-Pfalz, Sie regieren in Schleswig-Holstein, und Sicherheitsgesetz vorlegen. Das sind alles Reformen der Sie regieren in Nordrhein-Westfalen. Ich habe von den Sicherheitsarchitektur. Ich werde mir Ihr Abstimmungs- Herren Stamp, Pinkwart, Wissing oder – nehmen wir Ihre verhalten dazu anschauen. Granden – Kubicki und Lindner nie gehört, dass sie das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum reformieren wollen, (Konstantin Kuhle [FDP]: Da können Sie sich drauf verlassen!) (Benjamin Strasser [FDP]: Das stimmt nicht! Während Sie sich mit Schaufensteranträgen beschäftigen, Lindner und Kubicki, die haben etwas dazu ge- reformieren wir dieses Land. sagt! – Gegenruf des Abg. Christoph de Vries [CDU/CSU]: Was Gegenteiliges!) (Stephan Thomae [FDP]: Da merke ich nichts von!) die Zentralstellenfunktion des BKA oder des BfV stärken wollen, das Anker-Zentren-Projekt für ganz Deutschland Meine Damen und Herren, solltet ihr echt aus dem mit umsetzen wollen. Sie haben sich nie dafür eingesetzt, Quark kommen: Ich stehe 24/7 bereit. dass wir endlich eine zentrale Ermittlungsführung in Deutschland bei Fällen wie NSU oder Amri haben. Ich (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der habe von Ihnen nicht gehört, dass Sie anstelle der födera- CDU/CSU) len Doppelstrukturen das BSI stärken wollen. Herr Aber dafür möchte ich wirklich Beweise sehen, und die Höferlin, das habe ich nie gehört von den Freien Demo- habt ihr bisher nicht geliefert. Deswegen empfehle ich kraten. meiner Fraktion dringend und mit Herzblut, diesen Kla- mauk abzulehnen. Stattdessen hat sich Herr Lindner dafür eingesetzt, dass in Nordrhein-Westfalen keine Schleierfahndung stattfin- Danke schön. det. (Beifall bei der CDU/CSU – Michael Grosse- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hört! Brömer [CDU/CSU]: Okay, machen wir! – Hört! – Zurufe von der FDP) Benjamin Strasser [FDP]: Das ist aber hart!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17061

(A) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: ( [SPD]: Unserer Freiheit (C) Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Wirth, schaden Sie!) AfD. Denn wohin wollen zum Beispiel die flüchtigen ehema- (Beifall bei der AfD) ligen IS-Kämpfer, die derzeit aus den kurdischen Lagern fliehen? Natürlich in das Land, in dem kaum kontrolliert Dr. Christian Wirth (AfD): wird und in dem Milch und Honig fließen. Wer kommt, Herr Präsident! Werte Kollegen! Herr Schuster, Sie das wissen die Behörden bestenfalls bei den Resettle- haben dankenswerterweise viele Probleme angesprochen, ment-Migranten, mit denen unser schon lang überstrapa- die wir unterstreichen. ziertes Einwanderungssystem zusätzlich belastet wird. Weiterhin ohne jede Kontrolle wird die deutliche Mehr- Der Anschlag auf dem Breitscheidplatz jährt sich heute heit der sogenannten Flüchtlinge sein, die durch sichere das dritte Mal. Wir gedenken der Opfer. Aber bis heute Transitländer ins deutsche System einwandern. zeigt die Bundesregierung keinen geeigneten Handlungs- ansatz, die stetig steigenden Gefahren durch islamische Es droht ein weiteres Jahr mit Anschlagsplänen, bei Gefährder und damit den Terrorismus präventiv zu be- denen jedes Mal die Wahrscheinlichkeit steigt, dass einer kämpfen; denn hierzu müsste man erst mal Fehler in durch das Netz unserer motivierten Sicherheitsbehörden der Migrations- und Grenzpolitik einräumen. rutscht. Allein der von den Behörden aufgedeckte An- schlagsplan von Köln des islamischen Ehepaars hätte Ja, die derzeitige Verteilung der Zuständigkeiten in der aufgrund von Rizin das Potenzial für mehr als 25 000 Terrorabwehr ist reformbedürftig. Terrorabwehr gehört Todesopfer gehabt. Es droht ein weiteres Jahr mit Messe- genauso wie die Bekämpfung der Clankriminalität und rattacken und Übergriffen gegen Leib und Leben, ein die Abschiebung in die Hände des Bundes. Gerade die weiteres Jahr, in dem, um Frau Özoğuz von der SPD zu rot-rot-grün regierten Länder – das sehen wir beispiels- paraphrasieren, friedliche und unbescholtene Bürger auf weise hier in Berlin – haben keine Kompetenz in Sicher- einmal das Zusammenleben mit ihren neuen Nachbarn heitsfragen. Lieber verhindern sie Abschiebungen völlig täglich neu aushandeln sollen. und hätscheln Drogendealer, statt Maßnahmen zu ergrei- fen, um die Bürger zu schützen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass früher in Deutsch- land alles möglich war, und dieses Früher liegt noch gar (Beifall bei der AfD) nicht so lange zurück. Aber diese Botschaft ist gerade für die jüngeren Bürger wichtig, die diese Zeit nicht mehr Deswegen hatten wir, als der vorliegende Antrag hier erlebt haben. Vor 20 Jahren, 1999, zog nur wenige Meter im Februar zum ersten Mal besprochen wurde, zum sel- von diesem Hohen Haus entfernt die Love-Parade durch ben Tagesordnungspunkt zwei eigene Anträge vorgelegt. (B) die Hauptstadt. In diesem Jahr waren es 1,5 Millionen (D) Im ersten Antrag wollte die AfD dem Bund eine Gesetz- Teilnehmer – keine Absperrungen, keine Betonklötze; gebungskompetenz zur Abwehr terroristischer Gefahren ja, niemand kam auf die Idee, so etwas einzufordern. geben. Im zweiten Antrag forderte die AfD Änderungen Die Polizisten, die die größte Party Berlins begleiteten, des Aufenthaltsgesetzes, die bis zum Abschluss dieser achteten auf Drogendealer und Taschendiebe, aber nicht Verhandlungen den Bund unmittelbar handlungsfähig auf Terroristen. machen könnten. Natürlich haben alle übrigen Fraktionen beide Vorschläge abgelehnt. Die politische Trotzphase (Beifall bei der AfD) gegenüber der AfD ist wichtiger als die Sicherheit der Bürger in unserem Land. Ja, Deutschland hat sich verändert, und das ist nicht gut so, Frau Göring-Eckardt. Wie sieht es denn heute aus? (Beifall bei der AfD) Selbst die kleinsten Weihnachtsmärkte brauchen ein Si- cherheitskonzept. Viele gibt es nicht mehr, da das Geld Sie alle haben damit verhindert, dass der Bund jetzt schon hierzu fehlt. Jede öffentliche Veranstaltung wird zur Fes- konkrete Maßnahmen umsetzen kann und zugleich ein tung; jeder Gast wird durchleuchtet. Und das Ganze wird stabiles Fundament für unsere zukünftige Sicherheit baut. noch getoppt mit der Einrichtung von Frauenschutzzo- Die FDP wiederum hat keine Eile. Sie will sich erst nen, was ein implizites Eingeständnis ist, dass der Rest einmal Zeit nehmen, eine Kommission zu bilden, ein gan- unseres öffentlichen Raumes für Frauen nicht mehr sicher zes Jahr mindestens. ist. (Konstantin Kuhle [FDP]: Mehr! Das dauert (Beifall bei der AfD) länger!) Das wollen Sie natürlich nicht hören. Wir leben ja im Dann muss natürlich alles umgesetzt und eingerichtet „besten Deutschland aller Zeiten“. Es gibt für Sie keine werden. Ob unsere Enkel und Urenkel dann noch sicher Warnungen mehr, nur noch Hetze. Sie leben in einer Welt in diesem Land leben können, ist mehr als fraglich. der Widersprüche, in der die Bürger angeblich so sicher sind wie nie zuvor, aber zugleich auf allen Ebenen neue Auch heute noch wandern allein über die deutsch-ös- Schutzkonzepte für sie eingeführt werden müssen. terreichische Grenze monatlich unkontrolliert circa 15 000 illegale Migranten ein – Jahr für Jahr wieder eine Der erste Schritt aber zur Lösung des offensichtlichen Großstadt voller Sozialmigranten, vom deutschen Steuer- Problems ist es, anzuerkennen: Die Sicherheitslage wur- zahler in der Regel lebenslang alimentiert. Unter den ech- de eindeutig durch die Masseneinwanderung verschlech- ten und falschen Flüchtlingen werden auch wieder jene tert. Die EU-Außengrenzen zu schützen, scheint unmög- sein, die uns und unserer Freiheit schaden wollen. lich oder politisch nicht gewollt zu sein. Damit ist das 17062 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Christian Wirth (A) zentrale Sicherheitsversprechen von Schengen gebro- beginnen: Ich bin der Falsche, wenn Sie auf der Suche (C) chen. Trotzdem weigern Sie alle sich, die deutschen nach einer Mehrheit für eine Reform der Sicherheitsar- Grenzen zu schützen. chitektur in Deutschland sind. Wenn es aber darum geht, Politiker zu schützen, dann (Benjamin Strasser [FDP]: Das ist so! Die SPD gehen Grenzkontrollen doch, so beim G-7-Gipfel in ist ein Totalausfall!) Bayern und beim G-20-Gipfel in Hamburg. Allein beim G-20-Gipfel sind in etwa einem Monat 4 546 unerlaubte Ich bin nämlich der Meinung, dass die Sicherheitsarchi- Einreisende abgefangen worden; 782 per Haftbefehl ge- tektur in Deutschland gut ist, dass wir sie nicht verändern suchte Personen wurden festgenommen. Horst Seehofer müssen, brüstet sich heutzutage mit der kürzlich verstärkten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Schleierfahndung, fast so, als gäbe es dadurch tatsächlich der CDU/CSU) einen Sicherheitsgewinn durch geschützte Grenzen. sondern dass wir sie schlicht und ergreifend fortwährend Meine Damen und Herren von der FDP, Sie haben sich weiterentwickeln müssen und dass wir sie stärken müs- seit Anfang der Legislaturperiode als Serviceopposition sen, was wir in den letzten Jahren ja auch ganz ausführ- bezeichnet. In der Tat, das sind Sie mit diesem Antrag. lich getan haben. Käme dieser Antrag durch, dann ist er ein Freibrief für die Bundesregierung zum Nichtstun und Verschleppen. Ich fahre fort mit einer auch für Sie schlechten Nach- richt so kurz vor Weihnachten, liebe Kolleginnen und (Benjamin Strasser [FDP]: Unsinn!) Kollegen von der FDP; denn niemand außer Ihnen will Es wird eine Kommission eingesetzt, dann wird ewig in diesem Haus eine dritte Föderalismuskommission. verhandelt und nachverhandelt, und dann, ja dann sind schon wieder Bundestagswahlen. Das ist so wie bei Frau (Benjamin Strasser [FDP]: Das ist gelogen! Merkel und ihren Ministern, die seit Jahren jede konkrete Das stimmt nicht! Brinkhaus will eine, Herr Maßnahme unter Hinweis auf diesen und jenen EU-Gip- Schuster, wir! Sie müssen sich ein bisschen fel oder irgendwelche ineffektiven, bilateralen Abkom- besser informieren!) men in die ferne Zukunft verschieben. Das ist Serviceop- Das ist die bittere Wahrheit, mit der Sie über Weihnachten position für die Regierung, in die man nicht eintreten und den Jahreswechsel hinaus umzugehen lernen müssen. wollte, und nicht für Bürger. Vor etwas weniger als einem Jahr – Sie erinnern sich be- stimmt –, als Sie das zuletzt beantragt hatten, habe ich (Beifall bei der AfD) Ihnen das schon mal prophezeit. Ich hoffe, dass meine (B) Nein, diesem Antrag können wir nicht zustimmen. Worte diesmal überzeugender auf Sie wirken. Ich möchte (D) Ihnen aber selbstverständlich auch heute erläutern, wieso Wir hatten vor zehn Monaten die Chance, eine sinn- wir Ihren Antrag ablehnen. volle Lösung für dieses Problem auf den Weg zu bringen. Sie haben hier alle dagegengestimmt, was Sie immer tun, Erstens dauert so etwas Jahre, bis Ergebnisse vorlie- egal was die AfD vorschlägt. Aber das hat der Bürger gen. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, dass eine längst durchschaut. Das waren zehn verlorene Monate, Föderalismuskommission innerhalb eines Jahres errichtet und es wird Zeit, konkrete Lösungen umzusetzen, statt werden und am Ende sogar noch Ergebnisse vorlegen mal wieder einen Arbeitskreis zu gründen. kann. Die einfachste und wirksamste Maßnahme wäre, vorab Zweitens – das wissen wir aus Erfahrung – gibt es endlich wieder geltendes Recht durchzusetzen, nämlich überhaupt keinen Automatismus, dass Deutschland nach Artikel 16a Grundgesetz, das Aufenthaltsgesetz und EU- einer Föderalismuskommission III sicherer wird. Ich Recht – ja, auch EU-Recht. Denn auch nach EU-Recht zweifle sogar mehr als stark daran. Also, hören Sie nach darf kein Nicht-EU-Ausländer ohne Ausweispapiere und dieser Debatte damit auf, den Menschen zu suggerieren, ohne EU-Visum eine EU-Grenze übertreten. Ihr Vorschlag könne Terroranschläge verhindern! Das ist schlichtweg Unsinn. Er löst kein einziges Problem. Vielen Dank. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Benjamin Strasser [FDP]: Kommen Sie mal in den Unter- suchungsausschuss!) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Uli Grötsch, Er ist genauso wenig eine Lösung wie die regelmäßige SPD. Forderung der Linken nach der Abschaffung von Nach- richtendiensten. Für beide Fraktionen gilt, dass der (Beifall bei der SPD) Wunsch nach Sicherheit der Vater ihrer Gedanken ist. Das glaube ich schon, und das können Sie für sich in Uli Grötsch (SPD): Anspruch nehmen. Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und (Konstantin Kuhle [FDP]: Danke!) Kollegen! Nun wieder zurück zum eigentlichen Thema in dieser Debatte, nämlich zur Frage der Notwendigkeit der Aber ich sage Ihnen: Wenden Sie sich gerne vertrauens- Reform der deutschen Sicherheitsbehörden. Lieber Herr voll an die deutsche Sozialdemokratie, wenn Sie Fragen Schuster, ich muss mit einer schlechten Nachricht für Sie zur inneren Sicherheit haben. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17063

Uli Grötsch (A) (Beifall bei der SPD – Lachen des Abg. sind – 10 oder 15 Behörden mehr Sicherheit produzieren. (C) Benjamin Strasser [FDP]) Ich wiederhole: Dafür gibt es keinen Beleg. Zum Thema der Sicherheitsarchitektur möchte ich Und noch was: Warum schweigen Sie eigentlich in Ihnen noch Folgendes sagen: Der Terroranschlag vom Ihrem Antrag und auch hier im Plenum, Breitscheidplatz, der eben auch schon Thema war, hat uns natürlich alle zutiefst getroffen. Es ist etwas (Konstantin Kuhle [FDP]: Die Anträge werden schiefgelaufen in der Kommunikation zwischen den Be- auch nicht besprochen!) hörden im Bund und in den Ländern, im Gemeinsamen wenn es darum geht, was unsere Sicherheitsbehörden, Terrorismusabwehrzentrum namentlich. Das darf nie diese 40 Behörden, alles Gutes getan haben, wenn es wieder passieren; darin sind wir uns einig. Deshalb ist um die innere Sicherheit und die Verhütung von Terroran- es richtig, dass die Zusammenarbeit im Verfassungs- schlägen geht? schutzverbund auf dem Prüfstand ist. Das ist ja auch Ge- genstand des Untersuchungsausschusses hier im Bundes- (Konstantin Kuhle [FDP]: Weil wir nicht so tag. viel Redezeit haben! – Benjamin Strasser Aber auch eine komplett veränderte föderale Sicher- [FDP]: Wir haben leider nicht so viele Minuten heitsarchitektur kann nicht verhindern, dass, wo Men- wie Sie!) schen sind, auch Fehler gemacht werden und Fehlein- Ich möchte ganz kurz vier Beispiele aufzählen: schätzungen passieren. Es gibt eben keine hundertprozentige Sicherheit, nirgends. Wir haben im Zuletzt wurde am 19. November diesen Jahres ein 26- BKA-Gesetz aber ganz genau geregelt, wer wann wofür jähriger Syrer, der nach Anleitungen für einen Bomben- zuständig ist. bau recherchiert und sich in Chatgruppen dazu ausge- tauscht hatte, in Berlin festgenommen. (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie wenden es aber nicht an!) Oder die Festnahme von drei IS-Anhängern in Offen- bach, die mutmaßlich einen Anschlag geplant haben. Auch im Bundesverfassungsschutzgesetz haben wir nach dem NSU-Untersuchungsausschuss die sogenannte Zent- Im Juni letzten Jahres haben unsere Sicherheitsbehör- ralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungs- den mit der Festnahme eines islamistischen Terrorver- schutz geregelt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den dächtigen in Köln den ersten Anschlagsversuch mit einer Sie vielleicht meinen. Danach ist nämlich der Bund auch Biowaffe verhindert. für besonders gelagerte regionale Fälle in den Ländern (Beatrix von Storch [AfD]: Wo kommen die (B) zuständig, kann sich also aufgrund seiner Zentralstellen- (D) funktion dort mit einbringen, wo das Bundesamt es für bloß alle her? Und wie kommen die eigentlich notwendig hält oder die Länder den Bedarf dafür sehen. rein?) Es gibt also in diesem Zusammenhang keine Regelungs- Und Anfang diesen Jahres wurden drei Iraker in lücke. Und bei keiner erdenklichen Sicherheitsarchitek- Schleswig-Holstein festgenommen, die einen Terroran- tur – ich glaube, auch daran besteht kein Zweifel – hätte schlag planten. der rechtsextremistische Mord an Walter Lübcke oder der Terroranschlag von Halle verhindert werden können – All das ist Grund genug, um unseren Sicherheitsbehör- leider, aber das gehört zur Wahrheit dazu. den und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausdrück- lich für ihre Arbeit zu danken. Eine Sache ist mir noch wichtig zu sagen, liebe Kolle- ginnen und Kollegen. Ich finde, es geht nicht, dass jedes (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Mal, wenn etwas passiert, nach Zentralisierung oder nach FDP) Verschärfung von Gesetzen gerufen wird. Gewöhnen Sie Zum Ende möchte ich sagen: Am sichersten wird sich diese Reflexe ab! Sie erzielen damit genau das Ge- Deutschland natürlich nur, wenn Menschen sich erst gar genteil von dem, was Sie letztendlich, wahrscheinlich nicht radikalisieren oder erst gar nicht kriminell werden. oder mit Sicherheit wollen: Deshalb bin ich froh, dass unser Bundesprogramm „De- (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- mokratie leben!“ auf hohem Niveau weitergeführt wird NEN]: Aber Sie geben doch jedem Reflex und Projekte gegen Extremismus niedrigschwellig und nach!) vor Ort fördert. Aber: Demokratiearbeit ist heute mehr denn je eine Daueraufgabe, die sich nicht mit einem Mo- nämlich mitarbeiten, wenn es um die innere Sicherheit in dellprojekt erledigt. Hier will die SPD den eingeschlage- Deutschland geht. nen und erfolgreichen Weg weitergehen und mit einem Aber glauben Sie mir: So ein Antrag wie der heute hier Demokratiefördergesetz erfolgreiche Projekte auf dauer- gestellte ist der falsche Ansatz. Auch in den Ländern hafte, feste Füße stellen, weil Prävention der wichtigste nämlich, in denen Sicherheit zentral organisiert ist – Bei- Weg ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich lade Sie spiel Frankreich –, gehen Dinge schief. herzlich dazu ein, uns auch im neuen Jahr darin zu unter- stützen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Es gibt keinerlei Beleg dafür oder auch keinen Grund, anzunehmen, dass – Sie kritisieren, dass wir in Deutsch- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten land 40 Behörden haben, die für Sicherheit zuständig der CDU/CSU) 17064 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Wo gibt es in diesem Parlament denn Verbündete? Die (C) Jetzt hat das Wort der Kollege Benjamin Strasser, FDP. SPD? Das haben wir erlebt: Herr Grötsch, das ist ja ein Totalausfall. (Beifall bei der FDP) (Konstantin Kuhle [FDP]: Wahnsinn! Un- glaublich!) Benjamin Strasser (FDP): Sie klinken sich komplett aus dieser Debatte aus. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor drei Jahren hat ein islamistischer Was mich ein bisschen traurig macht, Herr Schuster, Attentäter auf dem Berliner Breitscheidplatz 12 Men- ist, dass Ihr eigener Bundesinnenminister bereits zum schen das Leben genommen und 67 Menschen so schwer Amtsantritt gesagt hat, mit ihm gebe es keine grundlegen- verletzt, dass sie teilweise bis heute Pflegefälle sind. Wir de Reform der Sicherheitsarchitektur in Deutschland, das arbeiten seit März 2018 an einer Aufarbeitung im Unter- Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum arbeite ganz suchungsausschuss – unter erschwerten Bedingungen. prima. Ich lade ihn gern mal als Besucher in den Unter- suchungsausschuss ein, um zu sehen, ob er diese Analyse (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Gut, dass es mal dann noch teilt. einer sagt!) Aber mich freut es, dass es hier eine Fraktion gibt, die Bei vielen offenen Fragen, die sich stellen, können wir sich auch von guten Argumenten überzeugen lässt, liebe heute, glaube ich, ein Fazit ziehen: Mit einem System von Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen. 40 Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern, mit ei- Sie hatten in der ersten Lesung durchaus noch berechtigte nem System aus den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts Zweifel. Aber ich glaube, Sie sind auch aufgrund der können wir nicht nachhaltig und wirksam Terrorismus in Debatte im Innenausschuss zu der Ansicht gekommen, Deutschland bekämpfen. dass es hier nicht um die Frage geht: „Wie sehen unsere Ideen aus?“, sondern dass es jetzt eine Kommission (Beifall bei der FDP) braucht, die diese Ideen auf den Tisch legt und vor allem Wir brauchen weniger Behörden, die mehr Sicherheit or- dann auch entscheidet. Deswegen freuen wir uns, dass Sie ganisieren. heute zustimmen. Das zeigt sich in vielen Bereichen: bei Cyber-, bei (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Clankriminalität, aber auch und insbesondere beim Ter- Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE rorismus, bei dem wir es mit hochmobilen kleinen terro- GRÜNEN] – Jan Korte [DIE LINKE]: Ich nicht! Das ist alles zwecklos!) (B) ristischen Zellen zu tun haben, die sich ganz natürlich (D) über Ländergrenzen hinweg bewegen. Wir erleben, dass Herr Schuster, ein bisschen Hoffnung habe ich auch dann, wenn etwas schiefläuft, immer viele zuständig sind, noch bei Ihnen; denn es gibt deutliche Fortschritte. In aber wenn es darauf ankommt, keiner verantwortlich sein der ersten Lesung haben Sie eine Föderalismuskommis- will. Diesen Zustand müssen wir dringend beenden. sion noch abgelehnt; das haben Sie heute nicht mehr ge- macht. In der ersten Lesung haben Sie noch darauf ver- (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ wiesen, dass es eine Ministerpräsidentenrunde und eine DIE GRÜNEN) IMK gebe; die sollten das für uns entscheiden. Wir haben ein grundlegendes Struktur- und Kommu- Zwei Fragen an Sie. Erste Frage: Warum wird denn da nikationsproblem in den Behörden. Dieser Vorwurf trifft nicht entschieden? Zweite Frage: Was für ein Selbstver- weniger die Beamtinnen und Beamten. Er trifft in aller- ständnis von Parlament ist es, dass wir uns als Bundestag erster Linie uns Parlamentarierinnen und Parlamentarier, von Ministerpräsidenten eine Grundgesetzänderung auf- weil wir offenkundig in der Vergangenheit nicht willens schreiben lassen und die hier nur noch abnicken? Das ist und nicht in der Lage waren, diese organisierte Verant- unser Anliegen, und das müssen wir hier tun. wortungslosigkeit zu beenden, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ GRÜNEN]) DIE GRÜNEN) Abschließend: Wenn Sie mir nicht glauben, dann glau- Eins ist doch klar: Der Deutsche Bundestag allein kann ben Sie vielleicht Ihrem Fraktionsvorsitzenden der hier nicht entscheiden, sondern wir brauchen die Länder Union, der CDU/CSU, Ralph Brinkhaus, der in der Ver- an unserer Seite, um ein neues System der Sicherheits- einbarten Debatte zu „70 Jahre Grundgesetz“ hier mein- architektur zu finden. Deshalb ist es richtig und wichtig, te – Zitat –: dass wir eine Föderalismuskommission III einsetzen, die Wir als Union stehen zum Föderalismus ohne Wenn den gordischen Knoten in diesem Bereich durchtrennt. und Aber, doch wenn wir nicht bereit sind, ihn im- Denn eins erleben wir doch, Kollege Schuster: dass gute mer wieder zu überprüfen, zu reformieren und wei- Vorschläge, auch von Ihnen, immer wieder von den Län- terzuentwickeln, wird er keine gute Zukunft haben. dern ausgebremst werden, nicht aus fachlichen Gründen, Wir brauchen daher ganz dringend eine dritte Föde- sondern weil man offensichtlich nicht bereit ist, Kompe- ralismuskommission. tenzen abzugeben. Diese Kommission entscheidet auch mal und diskutiert nicht nur. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17065

Benjamin Strasser (A) (Konstantin Kuhle [FDP]: Der Mann weiß Amris, mit dem sich dieser noch am Vorabend der Tat (C) Bescheid!) getroffen hatte und bei dem die Frage einer Mittäterschaft Springen Sie über Ihren Schatten! Stimmen Sie dem zu! im Raum steht, auf Betreiben der Bundesregierung eiligst nach Tunesien abgeschoben, von wo aus er kaum noch Vielen Dank. zur dringend erforderlichen Aufklärung beitragen kann. Über die Hintergründe herrscht bis heute eisiges (Beifall bei der FDP) Schweigen. Nicht nur für die Opfer und Hinterbliebenen ist das schlichtweg unerträglich. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Dr. André Hahn, Die Linke, ist der nächste Redner. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, die Untersuchungen zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz sind noch nicht abge- Dr. André Hahn (DIE LINKE): schlossen; aber man kommt doch jetzt schon zu einer Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute vor wichtigen Erkenntnis – womit ich auch den Bogen zum genau drei Jahren geschah der schreckliche Anschlag auf vorliegenden FDP-Antrag schlage –: Wenn Behörden aus dem Berliner Breitscheidplatz. Der Bundestagspräsident vorhandenen Informationen falsche Schlüsse ziehen, wo- hat vorhin an die 12 getöteten Menschen und die mehr als möglich auch aus mangelnder interkultureller Kompe- 70 Verletzten erinnert. Deshalb und auch wegen der tenz, wenn das Bundeskriminalamt den Fall nicht an sich jüngsten rechtsextremistischen Anschläge ist die Frage zieht, obwohl dies geboten gewesen wäre, und wenn der nach einer gut funktionierenden Sicherheitsarchitektur BND, der ja offenbar gut informiert war, seine Erkennt- in Deutschland aktueller denn je. nisse möglicherweise aus zweifelhaften Opportunitäts- gründen nicht an die Polizei weiterreicht, dann haben Doch bevor ich auf den dazu vorliegenden Antrag der wir es doch ganz offensichtlich nicht mit Problemen in FDP eingehe, komme ich nicht umhin, festzustellen, dass der föderalen Struktur zu tun, wie die FDP unterstellt, der Staat, dass staatliche Behörden im Vorfeld dieser und sondern mit eklatanten Mängeln beim Vollzug geltender anderer schwerer Gewalttaten leider immer wieder in un- Gesetze. verantwortlicher Weise versagt haben. Im Umfeld der rechten Mörder des NSU waren Dutzende V-Leute im (Beifall bei der LINKEN – Konstantin Kuhle Einsatz. Nicht eine der Taten wurde dadurch verhindert. [FDP]: Das ist doch dasselbe!) Der Aufenthalt der Gesuchten wurde über Jahre hinweg nicht ermittelt, und auch die Aufklärung der Verbrechen Wir als Linke haben erhebliche Zweifel, ob eine zigste (B) wurde massiv erschwert, weil der Verfassungsschutz Reformkommission die vorhandenen Probleme lösen (D) wichtige Akten rechtswidrig schredderte. kann. Uns würde es fürs Erste schon reichen – und damit wären wir schon sehr, sehr weit –, wenn die Bundesre- Damals wie auch bei den jüngsten Anschlägen ver- gierung und die Landesregierungen die Schlussfolgerun- sprach die Bundesregierung, versprach auch die Kanzle- gen und Empfehlungen der NSU-Untersuchungsaus- rin persönlich vollständige und rückhaltlose Aufklärung. schüsse endlich vollständig umsetzen würden. Dieses Versprechen ist bislang nicht eingelöst worden, und den daraus resultierenden Unmut, ja, auch die Wut (Beifall bei der LINKEN) der Hinterbliebenen können wir als Linke gut nachvoll- ziehen. Hier muss die Regierung endlich handeln. Meine Damen und Herren, seitdem wir im Januar das erste Mal über diesen Antrag beraten haben, haben sich (Beifall bei der LINKEN) zwei weitere erschütternde Anschläge ereignet. Mit dem Auch im Falle des Anschlags vom Berliner Breit- Attentat in Halle und der Ermordung des Kasseler Regie- scheidplatz sind nach wie vor viele Fragen ungeklärt. rungspräsidenten Walter Lübcke wurde die Bedrohung Warum konnte vor drei Jahren ein Attentäter, den Landes- durch den rechtsextremen Terror, dem seit der Wieder- kriminalämter aus Berlin und Nordrhein-Westfalen, den vereinigung fast 200 Menschen zum Opfer fielen, für das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungs- weite Teile der Gesellschaft sichtbar, und sie wurde end- schutz und, wie wir erst vor wenigen Tagen erfahren ha- lich, muss man sagen, auch durch den Bundesinnenmi- ben, auch der Bundesnachrichtendienst auf dem Schirm nister als Problem erkannt. hatten – mindestens ein Dutzend Mal war dieser Mann Thema im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum, Meine Damen und Herren, rechter Terror kommt nicht GTAZ –, nicht rechtzeitig vor seiner Tat gestoppt wer- aus dem Nichts. Rechter Terror entsteht durch ein gesell- den? schaftliches Klima, in dem ethische, ethnische oder reli- giöse Minderheiten zu Sündenböcken gemacht werden Das LKA Berlin stellte Mitte 2016 die Beobachtung und die Grenze des Sagbaren Stück für Stück nach rechts des späteren Attentäters mit der fadenscheinigen Begrün- verschoben wird. Dieses üble Geschäft betreibt hier im dung ein, dass sich Drogenhandel und Salafismus aus- Land derzeit vor allem die AfD. schließen. Mindestens zweimal verzichtete das Bundes- kriminalamt auf eine koordinierende Rolle und lehnte (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ersuchen aus Nordrhein-Westfalen ab, die Ermittlungen Susanne Mittag [SPD]) zu Amri an sich zu ziehen, weil es der Person des späteren Attentäters offensichtlich nicht die tatsächliche Relevanz Daher sind alle Demokratinnen und Demokraten gefor- beimaß. Und kurz nach dem Anschlag wird ein Freund dert, rechter Hetze entschieden zu widersprechen: 17066 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. André Hahn (A) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- die fatale Fehleinschätzung Anis Amris im GTAZ, maß- (C) neten der SPD) geblich vorgenommen vom Bundeskriminalamt im Feb- ruar 2016, also zehn Monate vor dem Anschlag. Eine ob im Netz, auf der Straße oder eben auch hier im Deut- Quelle des LKA NRW hatte sehr detailliert über seine schen Bundestag. Wir brauchen eine kontinuierliche Un- konkreten Anschlagsplanungen berichtet, das BKA hat terstützung all jener Initiativen, die sich Rassismus, Anti- der Quelle aber nicht geglaubt und auch den Bewertungen semitismus und Rechtsextremismus entgegenstellen. aus NRW nicht vertraut, ohne das allerdings fachlich zu ( [AfD]: Und Linksextremis- begründen. Durch diese Einschätzung des BKA wurden mus auch!) die Weichen im Fall Amri falsch gestellt. Das BKA hat den Fall damals nicht übernommen, obwohl es die gesetz- Diese Initiativen benötigen dringend eine langfristige fi- liche Kompetenz dazu gehabt hätte. Der entsprechende nanzielle Planungssicherheit. § 4a ist ja vor einigen Jahren extra ins BKA-Gesetz ge- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- schrieben worden, damit die Bundesebene in länderüber- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) greifenden Fällen die Koordination übernehmen kann. Wenn die Voraussetzungen dafür im Fall Amri nicht vor- Auch das, meine Damen und Herren, war eine Forderung lagen, dann fragt man sich doch: Wann denn dann? des NSU-Untersuchungsausschusses. Das, nämlich diese Planungssicherheit für die Initiativen, ist aus Sicht der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Linken definitiv wichtiger als eine neue Föderalismus- sowie bei Abgeordneten der FDP) kommission. Anstatt ihn zu übernehmen, hat man den Fall Amri ein- Herzlichen Dank. fach laufen lassen, und jede betroffene Landespolizei hat weiter vor sich hin gearbeitet. Wie das ausging, ist be- (Beifall bei der LINKEN) kannt. Wenn die Rahmenbedingungen so etwas zulassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann müssen wir die Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Rahmenbedingungen ändern. Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch die Rolle der zweiten Säule unserer Sicherheits- Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): architektur, des Verfassungsschutzes, war im Fall Amri alles andere als rühmlich. Das BfV hat mit einigen V- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- (B) Leuten die beiden Moscheen, die Amri am häufigsten (D) be Kollegen! Heute vor drei Jahren ereignete sich der besuchte und in denen er wichtige Kontakte knüpfte, bisher schlimmste islamistische Terroranschlag in praktisch umstellt; der Output war gleich null. Keine Deutschland, und wir gedenken der Opfer und der vielen der Quellen will Amri wirklich gekannt haben. Details, Verletzten heute in einem Gottesdienst in der Gedächtnis- Berichte, Informationen – alles Fehlanzeige. Das alles kirche. Gemeinsam sprechen wir auch hier in dieser De- erinnert in erschreckender Weise an das NSU-Desaster. batte den Hinterbliebenen unser tief empfundenes Mitge- fühl aus. Auch die Bund-Länder-Zusammenarbeit des Verfas- Dieser Anschlag lässt sich nicht rückgängig machen. sungsschutzes hat nicht funktioniert, obwohl der damals Das Einzige, was wir tun können, ist, entschlossen auf- verantwortliche Verfassungsschutzpräsident Maaßen im zuklären und vor allem die richtigen Konsequenzen da- September 2015 die neuen Kompetenzen für seine Be- raus zu ziehen. hörde in den höchsten Tönen gelobt hat. Damals hat näm- lich das BfV eine Zentralstellenfunktion bekommen – der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Kollege Grötsch hat gerade darauf hingewiesen –, um die wie bei Abgeordneten der FDP und der LIN- Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu koordi- KEN) nieren. Aber, Herr Grötsch, auch sie ist nicht angewandt Das wollen wir tun. Und ich verspreche Ihnen: Wir wer- worden. Nur fünf Monate später, als Amri auf die Bühne den nicht lockerlassen, den vielen offenen Fragen nach- trat, hätte sich diese neue Kompetenz bewähren müssen. zugehen und die Aufklärung nach Kräften voranzutrei- Sie hätte sich bewähren können; aber das ist leider nicht ben. Dabei stellt sich schon heute die Frage, ob bereits passiert. notwendige Veränderungen vorgenommen wurden. Da Nicht nur am Beispiel des verheerenden Anschlags sagen wir Grüne klipp und klar: Nein. Die entscheidenden vom Breitscheidplatz oder am Beispiel der schrecklichen Lehren für die bundesrepublikanische Sicherheitsarchi- NSU-Verbrechen, sondern auch an vielen, vielen weite- tektur sind eben noch nicht gezogen worden. Da müssen ren Fällen sieht man: Der Schlüssel zu einer guten Sicher- wir jetzt ran. heitsarchitektur liegt eben nicht im wilden Ändern von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gesetzen oder in der Ausweitung von Befugnissen. Das und bei der FDP) alles ist Stellschraubenpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sitzung für Sitzung arbeiten wir im Untersuchungsaus- schuss den massiven Reformbedarf in der föderalen Si- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN cherheitszusammenarbeit heraus. Ein Beispiel dafür ist sowie bei Abgeordneten der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17067

Dr. Irene Mihalic (A) Der Schlüssel liegt darin, die föderale Zusammenarbeit Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (C) der Sicherheitsbehörden von Grund auf neu aufeinander Nächster Redner ist der Kollege Christoph de Vries, abzustimmen und aus den Organisationszusammenhän- CDU/CSU. gen der Nachkriegszeit endlich ins 21. Jahrhundert zu führen. Wir müssen die ineffektive Kleinstaaterei über- (Beifall bei der CDU/CSU) winden und Zuständigkeiten und Kompetenzen insge- samt neu regeln. Wir leisten uns immer noch 17 Inlands- Christoph de Vries (CDU/CSU): nachrichtendienste – eine überflüssige Fragmentierung Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und der Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen, Kollegen! Liebe FDP, in vielen Themenfeldern sind wir ja die wir dringend überwinden müssen. durchaus ähnlicher Auffassung; aber bei der inneren Si- cherheit muss ich leider wiederholt feststellen, dass wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN da auf keinen gemeinsamen Nenner kommen. sowie bei Abgeordneten der FDP) (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Wir sind halt für Dabei geht es eben nicht um Zentralisierung, sondern um Sicherheit!) eine Verbesserung des Föderalismus. Ich frage mich schon, was Sie mit dem vorliegenden (Beifall des Abg. Benjamin Strasser [FDP]) Antrag inhaltlich eigentlich bewirken wollen. Wenn wir die Prosa außen vor lassen, stelle ich fest: Ihr Antrag ist in Auch bei der Kriminalitätsbekämpfung braucht es der Sache reichlich dünn. Von den neun Punkten, die Sie Bund-Länder-übergreifende Standards für die Qualifizie- vorgelegt haben, sind acht ausschließlich organisatori- rung von Personal, für die Ausstattung sowie für die Auf- scher und verfahrenstechnischer Art. Bei dem einzigen gabenwahrnehmung. Über Verwaltungsvereinbarungen Punkt, in dem Sie konkrete inhaltliche Forderungen er- können sich Bund und Länder wechselseitig verpflichten, heben, nehmen Sie selbst als Antragsteller, als Partei, als bestimmte Ressourcen bereitzustellen, und sich gegensei- FDP überhaupt keine eigene Positionierung vor. Sie sa- tig über Ländergrenzen hinweg unterstützen. Das gilt gen uns nicht, was Sie eigentlich wollen. auch für die Arbeit im Gemeinsamen Terrorismusab- wehrzentrum oder in den anderen gemeinsamen Zentren; (Benjamin Strasser [FDP]: Wir wollen das in denn das sogenannte GTAZ ist doch schon lange viel der Föderalismuskommission klären!) mehr als eine schlichte Informationsbörse. Hier müssen Ich will es Ihnen gerne erklären. Sie thematisieren bei- wir aus einem Provisorium eine effektive Struktur ma- spielsweise die Zuständigkeiten für die Abschiebung aus- chen, mit klaren rechtsstaatlichen Leitplanken zur Infor- reisepflichtige Gefährder. Sie lassen uns aber nicht wis- mationsweitergabe und für die Übernahme von Verant- (B) sen, ob Sie wollen, dass die Zuständigkeit beim Bund (D) wortung in der Fallbearbeitung. Ob bei der liegt oder ob Sie eine andere Lösung wollen. Gefahrenabwehr oder bei der Kriminalitätsbekämpfung: Ländergrenzen dürfen der Sicherheitszusammenarbeit ( [FDP]: Dann brauchen wir keine nicht im Wege stehen. Kommission!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sie fordern etwas nebulös Regeln für das Trennungsgebot sowie bei Abgeordneten der FDP) zwischen Polizei und Nachrichtendiensten. Sie lassen uns aber nicht wissen, ob Sie das aufweichen wollen, ob Sie Ich möchte der FDP für ihre Initiative danken, auch es abschaffen wollen oder was auch immer. wenn Sie nicht das Copyright auf diese Idee haben. Wir stimmen Ihrem Antrag heute zu; denn wir teilen das (Benjamin Strasser [FDP]: Wir wollen Ihnen Grundanliegen, dass wir eine solide Reform unserer Si- eine Brücke bauen, damit Sie zustimmen kön- cherheitsarchitektur brauchen. nen!) Dieses Vorgehen zieht sich munter durch Ihren gesamten Noch ein Wort an Sie gerichtet, Herr Schuster: So et- Antrag. was abzulehnen mit der Begründung, dass das ja sowieso am Widerstand der Länder scheitert, das ist doch nur eine Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen auch: Wer Ausrede; wenn Sie ganz ehrlich sind. Änderungen in unserer föderalen Sicherheitsarchitektur in Deutschland will, muss auch politisch mal ansatzweise (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Farbe bekennen, wohin die Reise eigentlich gehen soll. In und bei der FDP) Hamburg würden wir sagen: Da muss man endlich mal Butter bei die Fische geben. Wie soll denn die Bundesebene den Ländern gegenüber- treten, wenn sie es nicht schafft, eine einheitliche Position (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- in dieser Frage zu formulieren? Heute haben Sie die Ge- neten der SPD – Benjamin Strasser [FDP]: Hät- legenheit dazu. Wir werden dem Antrag zustimmen, und ten Sie halt zugehört, was ich gesagt habe!) ich kann an alle hier im Haus appellieren, das auch zu Solche inhaltlichen Tiefflüge sind wir von Ihrer Frak- machen. tion eigentlich nicht gewohnt; Danke. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Na ja!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das kennen wir in der Regel von der benachbarten Frak- und bei der FDP) tion. 17068 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Christoph de Vries (A) (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Das ist unter Ihrem Stellen für die Sicherheitsbehörden des Bundes, (C) Niveau!) 7 500 Stellen bei den Länderpolizeien, die gemeinsamen Dass Sie hierfür jetzt auch noch eine namentliche Ab- Terrorabwehrzentren GTAZ und GETZ, das Nationale stimmung beantragen, setzt dem Ganzen die Krone auf. Cyber-Abwehrzentrum und vieles mehr. Und wir bleiben aktiv. Bundesminister Seehofer hat gestern wieder kon- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja, das krete Vorschläge geliefert, wie unsere obersten Sicher- stimmt!) heitsbehörden besser zusammenarbeiten können und sol- In Ihrem Antrag stehen ja ein paar substanzielle Forde- len, um den Rechtsterrorismus in unserem Land zu rungen, zum Beispiel die Schaffung einer digitalen Infra- bekämpfen. Also, kurz gesagt, um es mit Ihren Worten struktur. Aber da ist doch schon viel passiert: Sie kennen zu sagen: Die Union ist die Servicekraft für die Sicherheit das Projekt PIAV und andere. der Menschen in Deutschland. Ich glaube, das können wir guten Gewissens sagen. (Konstantin Kuhle [FDP]: Läuft super!) (Beifall bei der CDU/CSU) Die Werthebach-Kommission, eingerichtet von Thomas de Maizière, hat viele Vorschläge vorgelegt. Ein gut gemeinter Rat am Ende: Statt solche wenig zielführenden Forderungen immer wieder zu erheben, (Benjamin Strasser [FDP]: Was ist daraus ge- wäre es vielleicht doch besser, wenn Sie Ihre Position worden?) zum Verhältnis zwischen Sicherheit, Freiheit und Daten- Ich will Ihnen gerne sagen, was Ihr stellvertretender schutz etwas neu justieren würden; der Kollege Schuster Bundesvorsitzender am 5. Januar hat es angesprochen. Denn wer ist bei allen wichtigen 2017 dazu gesagt hat: staatlichen Befugnissen, über die wir hier reden – Online- untersuchung, Quellen-TKÜ, Videoidentifizierung an (Konstantin Kuhle [FDP]: Das ist bestimmt Bahnhöfen –, regelmäßig nicht dabei? Das ist Ihre Partei. wahr!) Sie sollten das mal überdenken während der Feiertage. Das ist kompletter Nonsens. Wir haben doch schon ein Denn eins ist auch klar: Freiheit ohne Sicherheit gibt es FBI, es heißt nur Bundeskriminalamt. Noch mehr Kon- nicht. zentration führt zu noch mehr Fehlern. – Also, bei dieser Vielen Dank. Vielstimmigkeit innerhalb der FDP frage ich mich erst recht, was Sie denn nun eigentlich in der Sache wollen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vielleicht fehlt da auch etwas Expertise; vielleicht bräuchte man auch mal wieder einen Innenminister in Vizepräsident : (B) einem Bundesland. Vielen Dank. – Nächste Rednerin in der Debatte ist für (D) (Konstantin Kuhle [FDP]: Gerne!) die Fraktion der SPD die Kollegin Susanne Mittag. Das ist nur Spekulation. (Beifall bei der SPD)

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Susanne Mittag (SPD): Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Hamburg bietet die Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Chance!) Kollegen! Sicherheit an Leib und Leben ist ein Grund- – Das stimmt; da sind wir durchaus beieinander. recht. Dass der Staat dafür sorgt, dass alle Bürgerinnen und Bürger sich sicher fühlen und sich frei entfalten kön- Aber nun zum Vorschlag selbst. Es ist doch völlig klar: nen, ist seine grundlegendste Aufgabe. Und wir als Ab- Wir haben kein Erkenntnisdefizit, wir haben ein Hand- geordnete sorgen für das gesetzliche Rüstzeug, damit das lungsdefizit. Und zur Wahrheit gehört: Die Länder wollen auch so bleibt. Gerade heute am dritten Jahrestag des schlichtweg keine Abgabe von Kompetenzen; das wissen Anschlags auf dem Breitscheidplatz in Berlin – es ist wir alle. Nun können Sie doch nicht ernsthaft glauben, schon mehrfach erwähnt worden – werden wir schmerz- dass eine Kommission, die ähnlich heterogen zusammen- lich an diese Aufgabe erinnert. Unser Mitgefühl gehört gesetzt ist wie die Innenministerkonferenz, auf einmal zu allen Angehörigen, die dort Verluste erlitten haben. substanzielleren Ergebnissen kommen würde; das ist doch naiv. Ich will Ihnen das mit den Worten von Albert Doch anders, als die FDP es darstellen möchte, ist die Einstein sagen: nationale Sicherheitsarchitektur keinesfalls in Gefahr. Seit den 50er-Jahren hat sich schon einiges verändert. Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Ich hoffe, dass das auch irgendwann die FDP mitkriegt. Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Genau das machen Sie mit Ihrem Antrag. (Beifall des Abg. Uli Grötsch [SPD]) Ja, es gibt Bedrohungen durch Terror, sei es von (Beifall bei der CDU/CSU – Benjamin Strasser Rechtsradikalen oder von Islamisten. Wir alle haben die [FDP]: Genau, bei der Vorratsdatenspeicherung NSU-Mordreihe ebenso wenig vergessen wie den An- haben wir keine Unterschiede!) schlag auf dem Berliner Breitscheidplatz. Und ja, es wur- Ich will Ihnen aber auch sagen, was wir machen. Wir den offensichtlich Fehler gemacht bei der Aufklärung machen das Notwendige und das Machbare. Mit dem dieses Verbrechens. Diese wurden zum großen Teil be- Pakt für den Rechtsstaat haben wir 2 000 neue Stellen nannt und werden noch benannt, und es wird Abhilfe für Richter und Staatsanwälte geschaffen, 7 500 neue geschaffen. Aber: Zum einen haben wir bereits rechtliche Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17069

Susanne Mittag (A) Konsequenzen daraus gezogen, und zum anderen ist die unternommen, und das ohne jedes politische Showmanö- (C) von Ihnen vorgeschlagene Kommission ganz sicher nicht ver. der Weg, auf vielfältige und komplexe und sich immer wieder ändernde Bedrohungslagen zu reagieren. (Beifall bei der SPD) Sie stellen in Ihrem Antrag „grundlegende Struktur- Genauso auf europäischer Ebene – die darf man dabei und Kommunikationsmängel“ bei den Sicherheitsbehör- nicht ganz außen vor lassen –: Dort wurde und wird der den fest. Tatsache, dass wir neue und sehr bewegliche Bedro- hungslagen haben, Rechnung getragen und gehandelt, (Konstantin Kuhle [FDP]: Jawohl!) zum Beispiel durch SIRENE oder die Prümer Beschlüsse. Sie regeln im Kern den besseren und automatisierten In- Die Tatsache, dass die NSU-Morde trotz vieler Ähnlich- formationsaustausch der EU-Länder, um die grenzüber- keiten nicht in einen Zusammenhang gebracht wurden, schreitende Zusammenarbeit zu verbessern. beruht allerdings zum Teil auf einem Ermittlungsmangel, im Rahmen der Bandbreite der Möglichkeiten nicht aus- Aber – hier kommt wieder ein Aber –: Bis jetzt funk- ermittelt zu haben. Daher haben wir bereits 2015 erste tioniert das nur unvollständig, weil viele EU-Länder diese und deutliche Konsequenzen gezogen. So kann der Ge- Systeme nicht mit Daten füttern, und dann kann man sich neralstaatsanwalt früher und schneller Ermittlungen über- schlecht austauschen. nehmen. Schon bei Anhaltspunkten auf eine staatsfeind- liche Tat, die dafür sprechen, dass der Staatsanwalt Als Mitglied der Europol-Kontrollkommission kann zuständig sein könnte, sind die Länder zur Vorlage des ich nur sagen: Wir müssen noch sehr viel mehr Werbung Falles verpflichtet. Außerdem haben wir das Strafgesetz- machen, damit alle EU-Länder diese Systeme nutzen. buch geändert: Nun wirken rassistische, fremdenfeindli- Das Plädoyer der FDP für mehr Informationsaustausch che und sonstige menschenverachtende Motive strafver- auf europäischer Ebene in allen Ehren, aber wenn man schärfend. Das macht deutlich, dass jetzt auch immer in immer wieder neue Strukturen erfindet, müssen sie auch diese Richtung ermittelt werden muss. belebt werden. Das funktioniert nicht. (Beifall bei der SPD) Apropos verbesserter Datenaustausch: Dass ausge- rechnet Sie von der FDP jetzt eine Lanze dafür brechen, Natürlich haben wir auch auf das Attentat auf dem finde ich wirklich ironisch. Ihre Partei war es doch, die es Breitscheidplatz reagiert. Die dort im Vorfeld und wäh- Sicherheitskräften schon vor Jahren vor lauter Daten- rend der Ermittlungen erfolgten Unterlassungen werden schutz fast unmöglich gemacht hat, sich ein umfassendes derzeit, wie schon erwähnt, in einem Untersuchungsaus- Bild zu verschaffen. Als ehemalige Polizeibeamtin weiß (B) schuss untersucht. Aber eines war auch schnell klar, ein (D) ich sehr wohl, wie frustrierend es ist, keine Informationen hochrangiger Beamter aus Berlin fasste es zusammen: Es über mutmaßliche Täter zusammenführen zu können, mangelt uns nicht an Gesetzen; wir haben ein Vollzugs- weil aufgrund übermäßigen Datenschutzes kein Zugang defizit – sprich: zu wenig Leute – und Abstimmungspro- zu den Datenbanken anderer Behörden besteht. bleme. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Konstantin Kuhle [FDP]: Abstimmungspro- der CDU/CSU) bleme?) Und erwarten Sie ernsthaft, dass je 16 Mitglieder von Daher haben wir seitdem die Sicherheitsbehörden auch Bundesrat und Bundestag sich so weit in die komplexen beispiellos gestärkt, wenn ich das noch mal kurz erwäh- Abläufe der Sicherheitsbehörden einarbeiten können – nen darf: Polizei, Justiz und Nachrichtendienste haben oder wollen –, dass die Handlungs- und Entscheidungs- Tausende zusätzliche Stellen bekommen. Allein für das fähigkeit optimiert werden kann? Trauen Sie eigentlich nächste Jahr sind 600 neue Stellen für das BKA und den unseren Sicherheitskräften gar nichts mehr zu? Verfassungsschutz und rund 2 150 neue Stellen bei der Bundespolizei geplant. Die Informationsvernetzung wird (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der schon seit Jahren forciert und darin investiert. Außerdem CDU/CSU) haben wir bundesweit vereinheitlicht, was ein Gefährder überhaupt ist. Bis dahin konnte jedes Bundesland selbst Damit schwächen Sie nur die Bund-Länder-Beziehun- entscheiden, was ein Gefährder ist. Im Übrigen war eini- gen, was nicht Sinn der Sache sein kann. Schließlich ge Jahre zuvor diese Art von Gefährdern überhaupt noch sollten sich Bund und Länder auch gegenseitig kontrol- nicht bekannt. lieren. Auch das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum, Es ist eine Mär, dass eine zentralistische Organisation GTAZ, beschäftigt sich mittlerweile mit Gefährdern; besser funktioniert. Das Beispiel Frankreich zeigt: Sie das war auch nicht immer so. Bis 2016 wurden dort ledig- war eher schlechter organisiert. lich Sachstände erhoben, keiner hatte am Ende den Hut (Beifall bei Abgeordneten der SPD) auf. Das weitere Vorgehen und auch, wer dafür verant- wortlich ist, muss jetzt festgelegt werden. Es wurden also Deswegen meine ich zu Ihrem Antrag: Gut gemeint ist erste Lehren gezogen, und weitere werden noch folgen. noch lange nicht gut gekonnt, und deswegen werden wir ihn ablehnen. All diese beispielhaft genannten Schritte hin zu einer stärker abgestimmten Sicherheitspolitik haben wir längst (Beifall bei der SPD) 17070 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Vizepräsident Thomas Oppermann: (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) FDP der Kollege Konstantin Kuhle. Dass wir nach dem NSU und nach dem Anschlag auf (Beifall bei der FDP) dem Breitscheidplatz immer noch 16 Landesämter für Verfassungsschutz haben, dass die Daten an verschiede- nen Stellen gesammelt, aber nicht miteinander geteilt Konstantin Kuhle (FDP): werden, dass es keine gesetzliche Grundlage für das Ge- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute jährt meinsame Terrorismusabwehrzentrum gibt, dass Sie im- sich der Anschlag am Berliner Breitscheidplatz zum drit- mer noch nicht die Lehren daraus gezogen haben, was da ten Mal, und wir danken dem Herrn Bundestagspräsiden- passiert ist, und dass Sie das auch noch im Brustton der ten, dass er heute der Opfer gedacht hat. Es ist aber nicht Überzeugung als eine Verteidigung der deutschen Sicher- nur der dritte Jahrestag des Anschlags am Berliner Breit- heitsarchitektur darstellen, das ist wirklich schwach. Da scheidplatz; ich erinnere auch an die schreckliche Mords- hätte ich mir mehr gewünscht. erie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrun- des. Es ist jetzt ungefähr acht Jahre her seit ihrer (Beifall bei der FDP – Susanne Mittag [SPD]: Entdeckung. Das sind nur FDP-Wünsche!) Ich glaube, dass manche hier im Haus immer noch zwei Ich darf kurz aus den Beschlüssen der aktuellen Innen- Fragen unterschätzen, die sich viele Opfer und viele Hin- ministerkonferenz vom 4. bis 6. Dezember 2019 zitieren. terbliebene stellen. Das ist die Frage: Wie konnte das Die Innenministerkonferenz hat beschlossen: „Stärkung passieren? Und es ist die Frage: Wie können wir verhin- der Zentralstelle … in den Bereichen Analysekapazitä- dern, dass so etwas in Zukunft wieder passiert? ten“ usw. zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, „Auf- bau einer Zentralstelle im Bundesamt für Verfassungs- Wer die zweite Frage mit einer Stärkung unserer Si- schutz … zur Erfassung von Rechtsextremisten im cherheitsbehörden beantworten will, der kann das auf drei öffentlichen Dienst …“ Beim Thema „Mobilisierung Arten tun. Er kann die Sicherheitsbehörden mit mehr über das Internet“: Konzept für eine „Ausdehnung des Personal und finanziellen Mitteln ausstatten. Ich glaube, Aufgabenbereichs der im BKA eingerichteten Service- da gibt es einen breiten Konsens im Haus. und Clearingstelle … auf eine Zentralstellenfunktion …“ Er kann die Sicherheitsbehörden in ihren Befugnissen Die Innenminister machen das also längst. Fernab von stärken. Auch darüber wird hier regelmäßig diskutiert. dem, was hier im Deutschen Bundestag beschlossen wird, werden am lauschigen Kaminfeuer der Innenminister- (B) Und der dritte Weg: Er kann die Sicherheitsbehörden konferenz die Befugnisse und Kompetenzen hin und her (D) strukturell stärken. Wer sich immer noch einer strukturel- geschoben, und der Deutsche Bundestag hat rein gar len Reform der Sicherheitsbehörden auch beim Thema nichts damit zu tun. Das ist nicht unser Verständnis von Föderalismus verweigert, der nimmt die Sorgen und die Innenpolitik. offenen Fragen auch der Opfer dieser beiden terroristi- schen Ereignisse nicht ernst. Es braucht einen großen Wurf: mehr programmatische Kreativität, mehr politisches Engagement für eine Re- (Beifall bei der FDP) form der Sicherheitsarchitektur. Deswegen: Stimmen Deswegen legen wir Ihnen heute ein Konzept vor, mit Sie unserem Antrag heute zu! dem wir in eine Reform des Sicherheitsföderalismus in Vielen Dank. Deutschland einsteigen wollen. (Beifall bei der FDP) Meine Damen und Herren, es ist spannend, zu be- obachten, aus welchen unterschiedlichen Gründen die beiden Koalitionsfraktionen heute gegen unseren Antrag Vizepräsident Thomas Oppermann: stimmen werden. Auf der einen Seite ist die CDU/CSU, Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Herr Schuster. Sie werden heute gegen den Antrag für Kollege Philipp Amthor für die CDU/CSU-Fraktion. eine Föderalismusreform im Bereich der inneren Sicher- (Beifall bei der CDU/CSU) heit stimmen. Aber Sie tun das wenigstens mit schlecht- em Gewissen, Philipp Amthor (CDU/CSU): (Beifall bei der FDP – Michael Grosse-Brömer Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die [CDU/CSU]: Überhaupt nicht! Wir finden den FDP leidet seit Beginn der Legislaturperiode an einem Antrag zu schlecht! Das ist die Wahrheit!) zentralen Problem: Sie können sich nicht entscheiden. weil Sie eigentlich wissen, dass wir eine Reform der Si- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) cherheitsarchitektur im Bereich des Föderalismus brau- chen. Wir haben gestern eine FDP gesehen, die uns vorwirft, dass wir die Bürgerrechte schleifen und dass das, was wir Dagegen wird die SPD – und das ist das eigentlich mit den Kompetenzen der Sicherheitsbehörden machen Schlimme an der Sache – aus voller innerer Überzeugung wollen, ganz schlimm ist. Heute sehen wir eine FDP, die gegen diesen Antrag stimmen. Meine Damen und Herren, uns vorwirft, dass wir nicht beherzt genug in der Innen- das versteht draußen kein Mensch. politik vorgehen. Das passt alles nicht zusammen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17071

Philipp Amthor (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- alles zuständig, aber niemand ist für irgendetwas verant- (C) ordneten der SPD) wortlich. Das finden wir falsch, liebe Kollegen. Deswegen will ich noch mal Ihren Frontphilosophen in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Erinnerung bringen. würde sagen: Es neten der FDP – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: ist besser, keinen Populismus zu betreiben, als schlechten Besser kann man die Zustimmung nicht be- Populismus zu betreiben, liebe Kolleginnen und Kolle- gründen!) gen. Deswegen müssen wir es schaffen, dass wir als Bund (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der hier klar zu unserer Verantwortung gegenüber den Län- CDU/CSU) dern kommen. Und ja, da ist im Bereich der inneren Si- Gleichwohl ist das Anliegen „Reform der Sicherheits- cherheit einiges zu tun. Darauf wurde in der Debatte rich- architektur“ ein richtiges. Das haben wir schon zu Beginn tigerweise hingewiesen. in der ersten Debatte darüber gesagt. Wir wollen eine stärkere Zentralstellenfunktion unse- Ich sage ganz offen: Reformdiskussionen über den Fö- rer Sicherheitsbehörden des Bundes, insbesondere des deralismus sind nicht populär, und es wird nicht als das Bundesamtes für Verfassungsschutz. Wir wollen bessere größte Problem gesehen. Aber es ist für die Handlungs- und klarere Entscheidungswege gerade im Kampf gegen fähigkeit unseres Staates eine zentrale Herausforderung. die übergreifenden Gefahren von Cyberterrorismus und Extremismus. Und ja, wir wollen auch den Weg zu einem (Benjamin Strasser [FDP]: Hört! Hört!) Musterpolizeigesetz gehen. Aber, liebe Kolleginnen und Und ja, für uns ist klar: Sicherheit und die größten Kollegen gerade von der FDP, das, was wir uns unter Gefahren für unseren Staat – Terrorismus und Cyberkri- einem Musterpolizeigesetz vorstellen, minalität – nehmen keine Rücksicht auf die Grenzen von (Zuruf von der FDP: Ist verfassungswidrig!) Ländern und erst recht nicht auf die Grenzen von Bundes- ländern. Deswegen ist es notwendig und richtig, dass wir geht eher in die Richtung eines bayerischen Gesetzes, das über eine Föderalismusreform reden. State of the Art ist und gegen das Sie Hand in Hand mit der Antifa demonstriert haben. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, es ist nicht so, wie Konstantin Kuhle gesagt hat, dass wir (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) hier mit einem schlechten Gewissen ablehnen, sondern aus der guten und richtigen Überzeugung, dass Ihr Antrag Wir wollen da lieber einen guten Standard erreichen. Die einfach zu kurz greift. Gefahr für den Rechtsstaat sind nicht die Politiker, die für (B) Kompetenzen auf der Höhe der Zeit werben, die Gefahr (D) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist für den Rechtsstaat sind vielmehr die Politiker, die den es!) Sicherheitsbehörden diese Kompetenzen verweigern wollen. Denn Sie verkennen einen wesentlichen Punkt: Wir könn- ten uns hier in der Frage einer Reform der Sicherheits- (Beifall bei der CDU/CSU) architektur gerade unter Innenpolitikern relativ schnell einig werden. Mit den Ländern sieht das allerdings kom- Man muss feststellen: Jenseits einer großen Födera- plizierter aus. Das hat auch damit zu tun, dass die Minis- lismusreform stehen jetzt konkrete Diskussionen an. Es terpräsidenten solche Diskussionen zwar mit dem Grund- laufen Gesetzgebungsverfahren, bzw. es stehen Gesetz- gesetz auf dem Tisch, aber eher mit dem Taschenrechner gebungsverfahren bevor zum Bundesverfassungsschutz- unter dem Tisch führen. gesetz, zum Bundespolizeigesetz, zur Cyberabwehr, auch zu einer aktiven Cyberabwehr. Liebe Kolleginnen und Denn die große Diskussion, um die es hier geht, betrifft Kollegen, die jetzt hier für die Sicherheitsbehörden ge- auch die Frage der Staatsfinanzen. Deswegen müssen wir sprochen haben, Ihnen sage ich: Ihnen steht die Prüfung vielleicht an dieser Stelle auch auf das große Problem konkret bevor, wenn es darum geht, ob Sie bei diesen hinweisen, das wir haben: dass seit Jahren die Leistungen Gesetzgebungsvorhaben an unserer Seite stehen. Darauf von Ländern und Kommunen zunehmend vom Bund fi- setzen wir. Dann können Sie Ihre Lippenbekenntnisse in nanziert werden. konkrete Taten umsetzen. Wir sagen: Es ist wichtig, es ist Um die Zahlen zu nennen: 85 Millionen Euro wird der richtig, der Sicherheitsarchitektur unseres Landes ein Up- Bund den Ländern allein im Jahr 2020 zur Verfügung date zu geben. Gerade drei Jahre nach dem Terroran- stellen, und in den nächsten Jahren, konkret von 2019 schlag auf dem Breitscheidplatz sind wir dies den Opfern bis 2023, geben wir Umsatzsteuermittel in Höhe von und unserem Land schuldig. 72,5 Milliarden Euro an die Länder. Das führt dazu, dass Herzlichen Dank. die Länder erstmals ein Umsatzsteueraufkommen haben, das höher ist als das des Bundes. Und es führt dazu, dass (Beifall bei der CDU/CSU – Benjamin Strasser wir ein klassisches Prinzip haben: Die Länder verkaufen [FDP]: Dann machen Sie es doch einfach!) Kompetenzen gegen Geld. Das ist nicht überzeugend, liebe Kollegen. Es führt Vizepräsident Thomas Oppermann: dazu, dass Wolfgang Schäuble recht hat: Wenn wir mit Vielen Dank. – Letzter Redner in dieser Debatte ist für dem Föderalismus so weitermachen, dann sind alle für die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Michael Kuffer. 17072 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, den in den Deutschen Bundestag, aber die Kolleginnen und (C) Lautstärkepegel Ihrer Gespräche etwas zu senken und Kollegen, die schon 2013 dabei waren, haben da horrible auch dem letzten Redner in der Debatte vor der nament- Erinnerungen, das kann ich Ihnen sagen. Sie sagen: Nahe- lichen Abstimmung Gehör zu schenken. zu jede Initiative ist damals an der FDP gescheitert. Des- halb freue ich mich über diesen Erkenntnisgewinn bei Herr Kuffer, Sie haben das Wort. Ihnen und hoffe, dass wir Sie jetzt auch beim Wort neh- (Beifall bei der CDU/CSU) men können. Im letzten Jahr jedenfalls – das ist schon angeklungen – war es, als es um das bayerische Polizei- Michael Kuffer (CDU/CSU): gesetz gegangen ist, damit noch nicht so weit her. Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ja, das Ver- Schauen wir mal, ob das in Zukunft besser klappt. brechen und die Kriminalität machen nicht an den Lan- Vieles, was verbesserungswürdig war, ist in der Ver- desgrenzen halt. Es ist nicht zu bestreiten, dass sich un- gangenheit erkannt worden, und Verbesserungen sind sere Sicherheitsbehörden angesichts sich wandelnder auch umgesetzt worden. Deswegen gehen Ihnen da ja Gefährdungslagen, angesichts der zunehmenden interna- auch die Vorschläge und Argumente aus. Die Regierungs- tionalen Vernetzung von Terroristen und Straftätern, an- koalition, die Bundesregierung und unsere Sicherheitsbe- gesichts der rasend schnellen Entwicklungen im Bereich hörden sind Tag für Tag aktiv dabei, die Dinge weiterzu- von Cyber Crime und vielem anderen jeden Tag aufs entwickeln und voranzubringen. Das gilt auch für unseren Neue fortentwickeln und stetig anpassen müssen. Das Bundesinnenminister, der bei diesen Themen bekannter- steht außer Frage. Das betrifft die personelle Ausstattung, maßen nicht zu bremsen ist. die technischen Kapazitäten und Fähigkeiten, die Befug- nisse genauso wie die Arbeitsweise und die Vernetzung Ich weise nur auf die Ergebnisse der Werthebach-Kom- untereinander. mission, die Vorstöße der Vorgänger im Bundesinnenmi- nisterium, der Bundesminister Schäuble und de Maizière, Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Kom- und die Handlungsempfehlungen aus dem NSU-Untersu- missionen sind ja eine gute Idee, gerade auch den Födera- chungsausschuss hin. Vieles davon konnte bereits umge- lismus betreffend; ich knüpfe an die Vorschläge des Kol- setzt werden, zum Beispiel: Die Zusammenarbeit im Ver- legen Brinkhaus an. Allerdings sind Kommissionen nur fassungsschutzverbund wurde intensiviert. Die dann eine gute Idee, wenn man weiß, wo man hinwill. Sie Koordination von länderübergreifenden Gefährdungs- aber haben es sich heute wieder einmal einfach gemacht sachverhalten wurde ausgebaut. Der Austausch zwischen und haben eine Kommission gefordert, nicht weil sie wis- den Polizeien des Bundes und der Länder wurde vertieft. sen, wo Sie hinwollen, sondern aus dem Grund, den man Die Zentralstellenfunktion des BfV wurde gestärkt. Der sozusagen im Handbuch für den kleinen Abgeordneten in (B) Maßnahmenkatalog zur Zusammenarbeit im Verfas- (D) Kapitel 1 finden kann. Auf die Frage: „Wie kannst du sungsschutzverbund wurde vorgestellt. Es wurde ein er- politische Aktivität vortäuschen, wenn du nix weißt?“, heblicher Stellenaufwuchs realisiert; heißt die Anleitung: Wenn du gar nix weißt, stell einen Prüfantrag, wenn du wenig weißt, fordere eine Kommis- (Beifall des Abg. Dr. Stefan Ruppert [FDP]) sion. – Aber so, liebe Kolleginnen und Kollegen, können darauf ist bereits hingewiesen worden. wir in der Regierung halt nicht arbeiten. Abschließend möchte ich Ihnen noch eines sagen, liebe (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Was für eine ni- Kolleginnen und Kollegen: Wenn Sie uns bei der noch veaulose Rede!) engeren Vernetzung von Bund und Ländern unterstützen Beruhigend ist zumindest, dass überall dort, wo Ihr wollen, ist uns das herzlich willkommen. Aber wenn Sie Antrag dann doch noch – zumindest ein bisschen – kon- weiterhin die Länder als Deppen abstempeln wollen, kret wird, die Ansätze dazu von uns stammen. Das ist dann sind und bleiben wir anderer Meinung. etwas, worüber ich mich als Sicherheitspolitiker wirklich freue. Diese Art von Erkenntnisgewinn kann ich nur be- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) grüßen. Bei aller Vernetzung sind und bleiben es die Länder, die am nächsten am Geschehen sind, die die speziellen Be- (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Da schämen sich gebenheiten vor Ort am genauesten kennen und deshalb sogar Ihre eigenen Leute und klatschen nicht auch am gezieltesten handeln können. einmal!) Der beste Beweis dafür ist die erfolgreiche Arbeit der Ich hoffe nur, dass Ihr Erkenntnisgewinn auch dann noch bayerischen Grenzpolizei, die der Freistaat im vergange- andauert, wenn es demnächst um die konkrete Umset- nen Jahr – übrigens unter großem Gefeixe auch von Ihrer zung weiterer Strukturreformen und -verbesserungen Fraktion – eingeführt hat. Seitdem wurden in den letzten bei unseren Sicherheitsbehörden geht. Ich hätte jetzt fast zwölf Monaten 66 Schleuser festgenommen, 1 396 uner- gesagt: dass er auch dann noch andauert, wenn Sie eines laubte Einreisen unterbunden, in der Schleierfahndung Tages wieder einmal mitregieren wollen. Nur wollen Sie wurden erhebliche Erfolge erzielt. neuerdings ja nimmer regieren. Von daher bleibt das im Theoretischen. Sie können sich in Zukunft einbringen, wenn Sie das wollen. Sie sind uns herzlich willkommen. Eine weitere In der Vergangenheit jedenfalls, liebe Kolleginnen und Kommission brauchen wir an dieser Stelle aber sicher Kollegen, waren Sie in der Sicherheitspolitik nicht so nicht. dienstbeflissen, wie Sie das jetzt in Ihrem Antrag vor- spielen wollen. Ich habe die Gnade des späten Eintritts Vielen herzlichen Dank. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17073

Michael Kuffer (A) (Beifall bei der CDU/CSU) Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- (C) schlossen. – Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte Vizepräsident Thomas Oppermann: ich Sie bitten, wieder in den Beratungsmodus zurückzu- kehren, Ihre Plätze einzunehmen und Ihre Gespräche zu Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht beenden. Es ist hier ein Geräuschpegel wie in einer vor. Ich schließe daher die Aussprache. Markthalle. Da können wir keine vernünftige Debatte Wir kommen zur Abstimmung, und zwar über die Be- führen. schlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Hei- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der mat zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel LINKEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Da kann „Terrorismus effektiv bekämpfen, Verantwortlichkeiten man manchmal bessere Gespräche führen!) klären – Einsetzung einer Kommission zur Reform der föderalen Sicherheitsarchitektur – Föderalismuskommis- – Ja, man kann auch eine kleine Weihnachtsfeier in einer sion III“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- Markthalle machen und dabei gute Gespräche führen. empfehlung auf Drucksache 19/15129, den Antrag der Aber wir haben jetzt eine wichtige Debatte vor uns. – Fraktion der FDP auf Drucksache 19/7424 abzulehnen. Darf ich die Kollegen, die immer noch in Gruppen zu- sammenstehen, bitten, die Gespräche zu beenden und ent- Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung auf weder Platz zu nehmen oder zur Fortsetzung der Gesprä- Verlangen der Fraktion der FDP namentlich ab. Ich bitte che in die Lobby zu gehen? die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehe- nen Plätze einzunehmen. – Ich sehe, dass alle Plätze an Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erster den Urnen besetzt sind. Dann eröffne ich die Abstim- Redner der Kollege Thorsten Frei für die Fraktion der mung. CDU/CSU. Gibt es Kollegen oder Kolleginnen, die ihre Karte noch (Beifall bei der CDU/CSU) nicht eingeworfen haben? – Dann schließe ich die Ab- stimmung. Das Ergebnis wird Ihnen später bekannt ge- Thorsten Frei (CDU/CSU): geben. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als mit der Auszählung zu beginnen.1) im Jahr 2008 die große Ehre zuteilwurde, in der Knesset in deutscher Sprache eine Rede halten zu Wir kommen jetzt zu den Zusatzpunkten 3 bis 5: dürfen, da hat sie zwei ganz zentrale Sätze gesagt, die ich ZP 3 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ nur frei zitieren kann. Zum einen: Die historische Verant- CSU, SPD und FDP wortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson unseres (B) Landes. Zum anderen: Daraus folgt, dass die Sicherheit (D) Wirksames Vorgehen gegen die Hisbollah Israels für uns nicht verhandelbar ist. Drucksache 19/16046 (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Omid GRÜNEN) Nouripour, Dr. Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Frak- Das bedeutet im Klartext, liebe Kolleginnen und Kol- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legen: Diese zwei Sätze sind erstens auch elf Jahre nach der Rede immer noch so aktuell wie damals. Es bleibt Betätigungsverbote gegen Hisbollah entschlos- zweitens unsere Verantwortung, die zwei programmati- sen durchsetzen und ihre Netzwerke in schen Sätze jeden Tag auch immer wieder mit Leben zu Deutschland zerschlagen, Israel beistehen, erfüllen. Zivilgesellschaft in Libanon unterstützen Wir als Koalitionsfraktionen haben gemeinsam mit der Drucksache 19/16050 FDP diesen Antrag zur Hisbollah vorgelegt, weil wir der Auffassung sind, dass wir es nicht tatenlos hinnehmen ZP 5 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- können, dass eine terroristische Organisation, die zum richts des Ausschusses für Inneres und Heimat einen das Existenzrecht Israels bestreitet und zum ande- (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten ren eben auch mit terroristischen Mitteln das Land be- Beatrix von Storch, Marc Bernhard, Stephan kämpft, Deutschland als Rückzugsort, als Logistikraum, Brandner, weiterer Abgeordneter und der Frak- als Finanzierungsraum missbrauchen kann. Dem müssen tion der AfD wir uns mit aller Kraft entgegenstellen. Das machen wir mit dem vorliegenden Antrag deutlich. Verbot der Hisbollah (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie Drucksachen 19/10624, 19/16145 bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und Über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN], Inneres und Heimat werden wir später namentlich abstim- Es ist auch nicht so, dass es sich um ein kleines Prob- men. – Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, weil wir lem handeln würde. Der Bericht des Verfassungsschutzes jetzt wieder in eine Debatte eintreten. geht davon aus, dass die Hisbollah hier im vergangenen Jahr 1 050 Anhänger hatte. Das ist auch im Vergleich zu 1) Ergebnis Seite 17076 D den vergangenen Jahren ein hohes Niveau. Es ist eine 17074 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Thorsten Frei (A) erneute Steigerung gegenüber den letzten Jahren gewe- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (C) sen. Wir haben Schwerpunkte in Berlin und in Hamburg. ordneten der SPD und der FDP) Alles deutet darauf hin, dass es wichtig ist, dass wir dem einen klaren und entschiedenen Riegel vorschieben. Vizepräsident Thomas Oppermann: Das hat die Bundesregierung im Übrigen auch in der Vielen Dank. – Als Nächste spricht für die Fraktion der Vergangenheit gemacht. Ich denke etwa daran, dass der AfD die Kollegin Beatrix von Storch. Fernsehsender al-Manar-TV im Jahr 2008 durch Innen- (Beifall bei der AfD) minister Wolfgang Schäuble mit einem Betätigungsver- bot versehen worden ist. Ich denke auch an das Jahr 2014, Beatrix von Storch (AfD): als der damalige Innenminister Thomas de Maizière das Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor sechs Waisenkinderprojekt Libanon als Verein verboten hat. Monaten hat die Alternative für Deutschland hier in der Dieses Verbot ist übrigens ein Jahr später vom Bundes- Tat den Antrag vorgelegt, die Hisbollah zu verbieten. verwaltungsgericht bestätigt worden. Das waren richtige Damals haben Sie alle hier diesen Antrag lautstark abge- Entscheidungen. Auf diesem Weg wollen wir weiter vor- lehnt und blockieren ihn seitdem im Ausschuss. gehen und dafür auch die Voraussetzungen schaffen. ( [DIE LINKE]: Wir haben Sie Deswegen plädieren wir dafür, die Hisbollah mit einem abgelehnt!) Betätigungsverbot in Deutschland zu belegen, um damit auch ganz deutlich zu machen, dass wir alles tun möch- Jetzt, sechs Monate später, drehen Sie bei und gehen ten, damit von dieser Organisation in Deutschland keine durch die Tür, die wir politisch geöffnet haben. Gefahr mehr ausgeht. (Zurufe von der SPD und der LINKEN – (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Benjamin Strasser [FDP]: Herr Gedeon und an- neten der SPD, der FDP und der LINKEN und dere haben doch Führungspositionen bei Ihnen! der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜND- Das ist Heuchelei!) NIS 90/DIE GRÜNEN]) Wenn Sie dieses Vorgehen bei mehreren AfD-Forderun- gen an den Tag legten, würde es in Deutschland wieder Das hilft beispielsweise, gegen Kennzeichnungen vorzu- aufwärts gehen. gehen. Das hilft vielleicht auch, um zukünftig den unsä- glichen Al-Quds-Marsch, den auch der Innensenator Gei- (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer sel hier in Berlin gerne verbieten möchte, zu verhindern. [CDU/CSU]: Nach Syrien zu reisen, oder (B) Ein Betätigungsverbot hätte also wirklich Folgen. was? – Widerspruch bei der SPD und der LIN- (D) KEN) Der zweite Punkt, der uns ganz wichtig ist, ist, dass wir auf europäischer Ebene die sehr künstliche Trennung der Nur zu! Fühlen Sie sich von uns ruhig ermutigt! Hisbollah in einen terroristisch-militärischen Arm einer- Sie geben endlich und auch ausdrücklich die bis dahin seits und einen politischen Arm andererseits aufgeben. gefühlte abstruse Unterscheidung zwischen einem lega- Ich weiß, dass die Bundesregierung im Jahre 2013 dabei len politischen Arm und einem illegalen militärischen nicht das Problem war, sondern sich genau darum schon Arm der Terrororganisation auf und fordern nun also bemüht hat. Aber wir sollten unsere Anstrengungen ein Betätigungsverbot für beide Arme. Das geht in die weiter intensivieren, hier zu einer klaren Haltung zu kom- richtige Richtung. men. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat das so klar geäußert. Deshalb ist das ein richtiger Ansatz. Noch im Juni bei der letzten Debatte zu diesem Thema hat Kollege Grötsch von der SPD hier an dieser Stelle Nachdem ich schon etwas zu dem Koalitionsantrag ge- gesagt: Die Hisbollah ist im Libanon „ein relevanter ge- sagt habe, vielleicht noch ein Wort an die AfD. Sie hat sellschaftlicher Faktor“. Deswegen könne man sie in hier zum wiederholten Mal einen Antrag vorgelegt, der Deutschland nicht verbieten. – Mit der gleichen Logik sich auf den ersten Blick gegen Antisemitismus richtet müsste man auch die Mafia oder die Taliban hier politisch und sich für Israel einsetzt. Ich frage mich nur, warum Sie legal agieren lassen. Das ist vollständig absurd. hier einen Antrag gegen die Hisbollah verabschieden wollen, während drei oder vier Wochen zuvor Ihre Abge- (Beifall bei der AfD) ordneten erneut in Syrien waren, Es freut uns, dass Sie diese Absurdität nun erkennen und in die richtige Richtung marschieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD, der FDP, der LINKEN und des Aber Ihr Antrag weist zwei zentrale Schwächen auf. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie wollen nur ein Betätigungsverbot. Wir wollen ein Vereins- oder Organisationsverbot. Nach dem Verbre- dem Land, in dem Baschar al-Assad seinen Vernichtungs- chensbekämpfungsgesetz von 1994 ist das Betätigungs- krieg nicht führen könnte, wenn er nicht von Hisbollah verbot das mildere Mittel im Vergleich zu unserem Orga- unterstützt würde. Das gehört zur Klarheit und zur Wahr- nisationsverbot. Es gibt doch keinen Grund in der Welt, heit mit dazu. Wir machen den richtigen Antrag und bit- gegen eine Terrororganisation mit dem milderen und ten dafür um Unterstützung. nicht mit dem härteren Mittel vorzugehen. Vielen Dank. (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17075

Beatrix von Storch (A) Sie machen den Seehofer: Sie bellen nur laut, aber Sie Vizepräsident Thomas Oppermann: (C) beißen nicht. Der Kollege Müller-Rosentritt von der FDP erhält Ge- legenheit zu einer Kurzintervention. Der zweite schwere Mangel ist die Begründung Ihres Antrages. Sie schreiben – ich zitiere –: (Marianne Schieder [SPD]: Das muss nicht sein!) Der Hisbollah zuzurechnende Vereinsstrukturen, die ein vereinsrechtliches Organisationsverbot begrün- den könnten, sind ... nicht feststellbar. Frank Müller-Rosentritt (FDP): Sehr geehrte Frau von Storch, können Sie mir die Frage Das ist objektiv falsch. Das steht im Verfassungsschutz- beantworten, wie Sie dazu stehen, dass Mitglieder Ihrer bericht – wortgleich 2017 und 2018; ich zitiere –: Fraktion zum Regime von Assad reisen, dessen Land sich immer noch im Kriegszustand mit Israel befindet und In Deutschland pflegen die Anhänger der „Hizb Al- dessen Regierung quasi Seite an Seite mit der Hisbollah lah“ den organisatorischen und ideologischen Zu- kämpft? sammenhalt unter anderem in örtlichen Moschee- vereinen ... (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Lesen Sie eigentlich Ihren Verfassungsschutzbericht? Falls er Ihnen zu lang ist: Es steht im Bericht von 2018 Beatrix von Storch (AfD): auf Seite 214. Schauen Sie dort einfach einmal nach. Meine Kollegen und ich machen uns ein eigenes Bild (Beifall bei der AfD – Zuruf von der CDU/ davon, was in dem Land los ist. CSU: Steht da auch die AfD?) (Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Thomas Oppermann: In Ihrer eigenen Logik sollten Sie einmal überlegen, was Frau von Storch, gestatten Sie eine Zwischenfrage von das für Ihre Frage eigentlich bedeutet. Das Gegenteil des- der FDP? sen, was Sie insinuieren, ist richtig.

Beatrix von Storch (AfD): (Zurufe von der SPD und der FDP: Peinlich! Nein, die gestatte ich jetzt nicht. – Wenn Sie die Mo- Peinlich!) scheevereine der Hisbollah nicht antasten wollen, dann Vielen Dank. betreiben Sie reine Symbolpolitik. Es darf eben keine (B) Symbolpolitik bleiben. Es geht um die konkrete Umset- (D) zung. Die Propaganda der Hisbollah in Deutschland und Vizepräsident Thomas Oppermann: die Terrorfinanzierung aus Deutschland müssen gestoppt Vielen Dank. – Wir fahren in der Debatte fort. Als werden. Die Moscheevereine, die es gibt, müssen aufge- Nächste spricht für die Fraktion der SPD die Kollegin löst werden, und – das ist besonders wichtig – die His- Dr. Eva Högl. bollah-Anhänger müssen ausgewiesen werden. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der AfD) Dr. Eva Högl (SPD): Das, im Übrigen, entspricht auch der Forderung der Anti- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und semitismusresolution des Bundestages. Sie fordert aus- Kollegen! Es ist gut und wichtig, dass es uns gelungen ist, drücklich aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Anti- dem Deutschen Bundestag hier heute einen sehr ausge- semitismus. wogenen und trotzdem klaren und deutlichen Antrag vor- (Zuruf von der LINKEN) zulegen. Den Antrag haben wir abgestimmt zwischen In- nen- und Außenpolitikerinnen und -politikern. Das ist Wenn das nicht auf die Hisbollah-Anhänger zutrifft, die nicht immer ganz einfach. Ich denke, uns ist hier vor Juden ins Gas schicken und Israel vernichten wollen, auf Weihnachten etwas Gutes gelungen. wen denn dann? Besonders wichtig sind für uns – ich glaube, das ver- Das abscheuliche antisemitische Spektakel der Hisbol- treten wir hier alle in großer Einigkeit – das Existenzrecht lah am sogenannten Al-Quds-Tag müssen wir hier in Ber- und die Sicherheit Israels. Das gehört zur deutschen lin seit 1996 ertragen, jedes einzelne Jahr. Damit muss Staatsräson. endlich Schluss sein. Wir erwarten, dass Sie das Hisbol- lah-Problem bis zum nächsten Al-Quds-Tag in einem hal- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ben Jahr, der dann ausfallen wird, gelöst haben. Die der FDP, der LINKEN und des BÜNDNIS- Bürger sind Ihre Lippenbekenntnisse und Sonntagsreden SES 90/DIE GRÜNEN) leid. Hören Sie endlich auf, nur Ankündigungen zu ma- Deshalb haben wir hier im Deutschen Bundestag eine chen. Handeln Sie bitte. ganz besondere Verantwortung: einerseits für Israel und Gesegnete Weihnachten. andererseits für die Jüdinnen und Juden, die glücklicher- weise in Deutschland leben. Deswegen sagen wir mit (Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Omid diesem Antrag auch ganz klar: Antisemitismus hat in Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deutschland keinen Platz. 17076 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Eva Högl (A) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Wir werden die Strukturen auch weiterhin beobachten. (C) FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN Denn am Ende steht immer noch die Frage, ob es nicht für und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ein Vereinsverbot reicht. Zurzeit sind die Strukturen noch nicht so gefestigt, Das sind die beiden Ausgangspunkte, weswegen wir uns mit der Hisbollah beschäftigen und ganz klar sagen, (Beatrix von Storch [AfD]: Das sieht der Ver- dass wir die Hisbollah nicht dulden, sondern bekämpfen. fassungsschutz anders!) Wir haben das alles schon mehrfach zum Ausdruck ge- aber das werden wir weiter im Blick haben. bracht. Wir haben im Januar 2018 einen großen und um- fassenden Antrag zur Bekämpfung von Antisemitismus (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten beschlossen. Wir haben uns hier im April 2018 positio- der CDU/CSU und der FDP) niert und die Staatsgründung Israels vor 70 Jahren be- Wir bleiben dabei nicht stehen. In dem Antrag steht grüßt und einen entsprechenden Antrag einmütig im viel Gutes drin, aber wir werden auch noch weitere Dinge Deutschen Bundestag beschlossen. Nicht zuletzt dieses auf den Weg bringen. Zum Beispiel haben wir geplant – Jahr im Mai haben wir einen Antrag – er war umstritten, das werden wir auch vorlegen –, dass § 46 im Strafge- aber ein richtiges Signal – zur BDS-Bewegung formu- setzbuch in dem Sinne verschärft wird, dass wir Antise- liert, in dem stand, dass wir diese ablehnen und ihr keinen mitismus als Strafverschärfungsmöglichkeit aufnehmen. Platz einräumen. Das ist geplant. Die Bundesjustizministerin hat bereits Jetzt als vierten Schritt geht es um die Hisbollah. Die Vorschläge vorgelegt, die vorsehen, dass wir auch das Hisbollah ist eine Terrororganisation. Sie bedroht Israel. Verbrennen von Flaggen unter Strafe stellen. Das betrifft Sie hetzt gegen Jüdinnen und Juden. Sie nutzt Deutsch- insbesondere die israelische Flagge, die an dem genann- land als Rückzugsraum. Sie finanziert und unterstützt ten Al-Quds-Tag häufig verbrannt wird. Das sind zwei Terror. Sie ist auch weit verzweigt im Bereich der orga- wichtige Bausteine im Strafrecht, die wir in der nächsten nisierten Kriminalität. Als Berliner Bundestagsabgeord- Zeit angehen werden. nete sage ich hier deutlich: Es ist widerlich und unerträg- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der lich, wie die Hisbollah und ihre Mitglieder jedes Jahr zum CDU/CSU) Al-Quds-Tag aufrufen und auftreten. Das ist nicht zu er- tragen. Alle, die unsere Demokratie bedrohen, alle, die unse- ren Rechtsstaat bedrohen – dazu gehört die Hisbollah (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten auch und insbesondere in Deutschland –, werden wir der CDU/CSU, der AfD, der FDP und der LIN- mit allen Mitteln und Möglichkeiten des Rechtsstaates (B) KEN) bekämpfen. Dieser Antrag ist ein Beitrag dazu. Deswegen (D) bitte ich Sie um Unterstützung. Wir waren aber bisher nicht tatenlos. Wir fangen jetzt nicht bei null an. Unsere Polizei, unsere Staatsanwalt- Vielen Dank. schaften und nicht zuletzt aufgrund der allgemeinen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Strafverfolgungsermächtigung der Generalbundesanwalt der CDU/CSU und der FDP) haben die Hisbollah und ihre Anhängerinnen und Anhän- ger im Blick. Auch unsere Nachrichtendienste beobach- ten die Hisbollah. Die Verbote des Fernsehsenders al- Vizepräsident Thomas Oppermann: Manar und des Vereins Waisenkinderprojekt Libanon Vielen Dank. – Inzwischen liegt das von den Schrift- e. V. zeigen, dass wir nicht nur wachsam sind, sondern führerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der dass unser Rechtsstaat auch handelt. namentlichen Abstimmung vor über die Beschlussemp- fehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Abge- Wir werden auch weiterhin mit allen Mitteln und Mög- ordneten Strasser, Kuhle, Thomae und weiterer Abgeord- lichkeiten des Rechtsstaates gegen die Hisbollah und ihre neter der FDP „Terrorismus effektiv bekämpfen, Unterstützer und Unterstützerinnen vorgehen. Das be- Verantwortlichkeiten klären – Einsetzung einer Kommis- trifft Geldwäsche, das betrifft organisierte Kriminalität sion zur Reform der föderalen Sicherheitsarchitektur – und die Terrorfinanzierung. Wir wollen jetzt ein Betäti- Föderalismuskommission III“ – das sind die Drucksachen gungsverbot auf den Weg bringen. Das ist zentraler Ge- 19/7424 und 19/15129 –: abgegebene Stimmkarten 648. genstand unseres Antrages. Das wird ein ganz wichtiger Mit Ja haben gestimmt 506, mit Nein haben gestimmt Baustein sein, damit wir noch konsequenter gegen die 139, 3 Enthaltungen. Damit ist die Beschlussempfehlung Hisbollah vorgehen können. angenommen und der Antrag der FDP abgelehnt.

Endgültiges Ergebnis Ja Dr. André Berghegger Dorothee Bär CDU/CSU Abgegebene Stimmen: 648; Thomas Bareiß Christoph Bernstiel davon Dr. Michael von Abercron ja: 506 Maik Beermann Norbert Maria Altenkamp (Börde) nein: 139 Philipp Amthor Veronika Bellmann enthalten: 3 Artur Auernhammer Michael Brand (Fulda) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17077

(A) Dr. Reinhard Brandl Axel Müller Andreas Steier (C) Silvia Breher Sepp Müller (Rostock) Sebastian Brehm Andreas Jung Carsten Müller Sebastian Steineke (Braunschweig) Ralph Brinkhaus Stefan Müller (Erlangen) Christian Frhr. von Stetten Dr. Anja Karliczek Gitta Connemann Torbjörn Kartes Dr. Georg Nüßlein Dr. Stefan Kaufmann Marie-Luise Dött Florian Oßner Hansjörg Durz Dr. Michael Kießling Henning Otte Dr. Hermann-Josef Tebroke Hermann Färber Dr. Georg Kippels Hans-Jürgen Thies Volkmar Klein Sylvia Pantel Dr. Dietlind Tiemann Axel E. Fischer (Karlsruhe- Jens Koeppen Dr. Land) Dr. Carsten Körber Dr. Christoph Ploß Dr. Volker Ullrich Thorsten Frei Alexander Krauß Dr. (Kleinsaara) Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Günter Krings Christoph de Vries (Hof) Rüdiger Kruse Michael Kuffer Alois Rainer Dr. Johann David Wadephul Hans-Joachim Fuchtel Dr. Roy Kühne Dr. Ingo Gädechens Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Dr. Andreas G. Lämmel Kai Wegner Alois Gerig Josef Rief Ulrich Lange Dr. Norbert Röttgen (Hamburg) (B) Dr. Dr. Anja Weisgerber (D) Ursula Groden-Kranich Erwin Rüddel Peter Weiß (Emmendingen) Hermann Gröhe Sabine Weiss (Wesel I) Klaus-Dieter Gröhler Dr. Ingo Wellenreuther Michael Grosse-Brömer Dr. Dr. Wolfgang Schäuble Marian Wendt Astrid Grotelüschen Andreas Scheuer Markus Grübel Jana Schimke Annette Widmann-Mauz Dr. Tankred Schipanski Bettina Margarethe Dr. Wiesmann Monika Grütters Nikolas Löbel Patrick Schnieder Klaus-Peter Willsch Fritz Güntzler Nadine Schön Elisabeth Winkelmeier- Becker Dr. Jan-Marco Luczak Christian Haase Dr. Klaus-Peter Schulze Emmi Zeulner Dr. Jürgen Hardt Armin Schuster (Weil am Dr. Rhein) Torsten Schweiger Dr. Dr. Astrid Mannes SPD () Andreas Mattfeldt Ingrid Arndt-Brauer (Altötting) Dr. Dr. Björn Simon Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach Dr. Dr. Dr. Sören Bartol Alexander Hoffmann Dietrich Monstadt Bärbel Bas Karsten Möring Dr. Wolfgang Stefinger Lothar Binding Dr. (Heidelberg) 17078 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Dr. Mathias Stein (C) Dr. Matthias Miersch Claudia Tausend Norbert Kleinwächter Dr. Susanne Mittag Enrico Komning Bernhard Daldrup Markus Töns Jörn König Dr. Carsten Träger Steffen Kotré Siemtje Möller Dr. Rainer Kraft Bettina Müller Marja-Liisa Völlers Rüdiger Lucassen Dr. Detlef Müller (Chemnitz) Dirk Vöpel Jens Maier Saskia Esken Michelle Müntefering Dr. Dr. Yasmin Fahimi Dr. Rolf Mützenich Dr. Birgit Malsack- Dr. Johannes Fechner Dirk Wiese Winkemann Dr. Ulli Nissen Gülistan Yüksel Dr. Thomas Oppermann Dagmar Ziegler Hansjörg Müller Mahmut Özdemir Dr. Jens Zimmermann Volker Münz (Duisburg) Sebastian Münzenmaier Angelika Glöckner Aydan Özoğuz AfD Jan Ralf Nolte Marc Bernhard Ulrich Oehme Uli Grötsch Andreas Bleck Rita Hagl-Kehl Stephan Brandner Tobias Matthias Peterka Jürgen Braun Paul Viktor Podolay Dr. Marcus Bühl Jürgen Pohl Matthias Büttner Stephan Protschka (Peine) Sönke Rix Martin Erwin Renner (B) Ulrike Schielke-Ziesing (D) Dr. Dr. Dr. Robby Schlund Gabriele Hiller-Ohm René Röspel Dr. Eva Högl Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Berengar Elsner von Detlev Spangenberg Gronow Susann Rüthrich Dr. Dr. Bernd Rützel René Springer Peter Felser Johannes Kahrs Beatrix von Storch Dr. Dr. Markus Frohnmaier Axel Schäfer (Bochum) Dr. Dr. Götz Frömming Dr. Dr. Marianne Schieder Dr. Heiko Wildberg Dr. Christian Wirth Dr. Nils Schmid Franziska Gminder Dr. Bärbel Kofler Wilhelm von Gottberg DIE LINKE (Aachen) Kay Gottschalk -Emre (Wetzlar) Armin-Paulus Hampel Carsten Schneider (Erfurt) Mariana Iris Harder-Kühnel Gökay Akbulut Jochen Haug Christian Lange (Backnang) Dr. Dr. Udo Theodor Hemmelgarn Lorenz Gösta Beutin Sylvia Lehmann (Spandau) Matthias W. Birkwald Helge Lindh Dr. Heiko Heßenkemper -Förster Kirsten Lühmann Karsten Hilse Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Birke Bull-Bischoff Isabel Mackensen Rainer Spiering Dr. Bruno Hollnagel Jörg Cezanne Leif-Erik Holm Fabio De Masi Martina Stamm-Fibich Dr. Diether Dehm Sonja Amalie Steffen Fabian Jacobi Anke Domscheit-Berg Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17079

(A) Renata Alt Christian Sauter Christian Kühn (Tübingen) (C) Christine Aschenberg- Frank Schäffler Renate Künast Dugnus Dr. Markus Kurth Dr. Nicole Bauer Matthias Seestern-Pauly Dr. André Hahn Frank Sitta Sven Lehmann Heike Hänsel Dr. Jens Brandenburg Steffi Lemke (Rhein-Neckar) Matthias Höhn Bettina Stark-Watzinger Dr. Mario Brandenburg Andrej Hunko (Südpfalz) Benjamin Strasser Dr. Irene Mihalic Ulla Jelpke Sandra Bubendorfer-Licht Katja Suding Claudia Müller Beate Müller-Gemmeke Dr. Marco Buschmann Dr. Ingrid Nestle Dr. Karlheinz Busen Michael Theurer Dr. Konstantin von Notz Carl-Julius Cronenberg Stephan Thomae Omid Nouripour Jan Korte Britta Katharina Dassler Manfred Todtenhausen Bijan Djir-Sarai Dr. Florian Toncar Cem Özdemir Caren Lay Christian Dürr Dr. Lisa Paus Sabine Leidig Tabea Rößner Ralph Lenkert Dr. Johannes Vogel (Olpe) (Augsburg) Stefan Liebich Dr. Dr. Gesine Lötzsch Corinna Rüffer Katharina Willkomm Pascal Meiser Katrin Helling-Plahr BÜNDNIS 90/ Dr. Cornelia Möhring Markus Herbrand DIE GRÜNEN Stefan Schmidt Norbert Müller (Potsdam) Torsten Herbst Luise Amtsberg Charlotte Schneidewind- Zaklin Nastic Katja Hessel Lisa Badum Hartnagel Dr. Alexander S. Neu Dr. Gero Clemens Hocker Kordula Schulz-Asche Manuel Höferlin Dr. Wolfgang Strengmann- Dr. Christoph Hoffmann Dr. Kuhn (B) (D) Sören Pellmann Canan Bayram Dr. Markus Tressel Tobias Pflüger Olaf In der Beek Jürgen Trittin Dr. Anna Christmann Dr. Dr. Ekin Deligöz Daniela Wagner Eva-Maria Schreiber Beate Walter-Rosenheimer Katja Dörner Dr. Petra Sitte Daniela Kluckert Katharina Dröge Helin Evrim Sommer Harald Ebner Fraktionslos Dr. Lukas Köhler Marco Bülow Friedrich Straetmanns Wolfgang Kubicki Kai Gehring Dr. Kirsten Tackmann Konstantin Kuhle Enthalten Katrin Göring-Eckardt Alexander Graf Lambsdorff CDU/CSU Ulrich Lechte Dr. Thomas de Maizière Dr. Christian Lindner Britta Haßelmann Andreas Wagner Dr. Bettina Hoffmann AfD Harald Weinberg (Heilbronn) Dr. Anton Hofreiter Roman Johannes Reusch Till Mansmann Dr. Jürgen Martens Dieter Janecek Fraktionslos Dr. Kirsten Kappert- Fraktionslos Gonther Mario Mieruch Alexander Müller Uwe Kekeritz Frank Müller-Rosentritt Dr. (Lausitz) Sven-Christian Kindler Nein Hagen Reinhold Maria Klein-Schmeink Dr. Stefan Ruppert Sylvia Kotting-Uhl FDP Dr. h. c. Thomas Oliver Krischer Grigorios Aggelidis Sattelberger Stephan Kühn (Dresden) 17080 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Wir fahren in der Debatte fort. Als Nächster spricht der diese Strafverfolgungsermächtigung erlassen hat. Nach (C) Kollege Benjamin Strasser für die Fraktion der FDP. erneutem Nachfragen haben Sie dann zugegeben, dass es jetzt so weit ist. (Beifall bei der FDP) (Dr. Eva Högl [SPD]: Was ist das denn für ein Benjamin Strasser (FDP): Quatsch?) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Ich kann Ihnen zusagen als Fraktion der Freien Demo- Kollegen! Heute ist ein guter Tag für jüdisches Leben in kraten: Wir werden mit Argusaugen darauf achten, dass Deutschland, und es ist ein guter Tag im Kampf gegen diese generelle Strafverfolgungsermächtigung in Antisemitismus. Wir bezeichnen die Hisbollah als das, Deutschland mit Leben erfüllt wird und dass diese auch was sie ist: eine terroristische Organisation. An dieser Konsequenzen für die Hisbollah hat. Initiative haben wir als Freie Demokraten einen nicht unwesentlichen Teil. Wir haben als Deutscher Bundestag, als Bundesrepub- lik Deutschland eine Verantwortung für Israel, nicht nur (Beifall bei der FDP) aus historischen Gründen aufgrund der Shoah, sondern Wir unterhalten uns seit über einem Jahr sehr intensiv auch weil Israel die einzige freie Demokratie im Nahen mit beteiligten Behörden, aber auch mit jüdischen und Osten mit Grund- und Menschenrechten ist. Deswegen israelischen Organisationen darüber, welcher der richtige gilt es, dieses Land zu schützen. Am Israel Chai! Frohe Weg im Kampf gegen die Hisbollah ist. Wir haben aus Weihnachten! Frohes Chanukka! diesen Ideen im November einen Antrag formuliert und sind mit dem Antrag auf Sie, auf die Koalitionsfraktio- (Beifall bei der FDP) nen, mit dem Ziel zugegangen, hier einen gemeinsamen Antrag vorzulegen. Es erfüllt mich mit Stolz und Freude, Vizepräsident Thomas Oppermann: dass es uns gelungen ist, unsere Kernpunkte mit in diesem Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Antrag zu verankern. Das sind nämlich europäische Ge- Kollege Andrej Hunko für die Fraktion Die Linke. spräche, und das ist ein Betätigungsverbot gegenüber der Hisbollah. Vielen Dank für die Zusammenarbeit und für (Beifall bei der LINKEN) dieses starke Zeichen! Andrej Hunko (DIE LINKE): (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Eva Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir reden hier heute Högl [SPD]) über ein sehr wichtiges, ein komplexes und auch sehr Es ist ein starkes Zeichen für Jüdinnen und Juden in emotionales Thema. Es geht um Antisemitismus, aber (B) Deutschland, für Israel, aber auch für Europa. Denn der es geht auch um Außenpolitik. Ich finde es nicht akzepta- (D) Deutsche Bundestag verabschiedet sich heute endlich von bel, dass hier ein Antrag der Koalitionsfraktionen kurz dieser künstlichen Trennung innerhalb der Hisbollah, die vor Weihnachten in drei Tagen durch den Deutschen Bun- die Hisbollah selber ja beschreitet. Und: Wir haben wei- destag gepeitscht wird, der weitgehende Implikationen terhin das Ziel einer europaweiten Listung der Hisbollah hat, auf die ich jetzt eingehen werde. als terroristische Organisation. Ja, die Gespräche mit Frankreich werden schwierig. Aber die deutsch-französi- (Beifall bei der LINKEN – Thorsten Frei sche Freundschaft muss und die deutsch-französische [CDU/CSU]: Hä? – Benjamin Strasser [FDP]: Freundschaft wird das aushalten, weil wir gute Argumen- Nö!) te haben. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist mit heißer Na- del gestrickt. Es sind nicht nur sachliche Fehler darin, (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Eva sondern er widerspricht sich auch selbst. Sie schreiben: Högl [SPD]) Die weltweite Verwicklung der Hisbollah in Drogen- Gleichzeitig ist sie und Waffenschmuggel sichert ihr ja neben der direkten – die Hisbollah – Finanzierung über den Iran hinaus die politische und mi- litärische Grundlage im Libanon im Kampf gegen Israel ein zentraler Akteur in der politischen, militärischen und im Kampf gegen Jüdinnen und Juden hier in Europa. und gesellschaftlichen Landschaft Libanons, insbe- Das geht auch aus dem Europol-Bericht aus dem Jahr sondere für die Belange der schiitischen Bevölke- 2018 hervor, der die Verbindung zwischen organisierter rungsteile. Bei einer Gesamtbewertung der komple- Kriminalität und der Hisbollah offenlegt, beispielsweise xen Gemengelage muss berücksichtigt werden, dass aus Einkünften aus Geldwäsche zum Mittel der Terrorfi- die Hisbollah im libanesischen Parlament vertreten nanzierung. Es ist beschämend, dass Deutschland hier der und aktuell Teil der Regierung … ist. Rückzugsraum in Europa für die Finanzierung und die Was bedeutet das denn dann für die Beziehungen, Logistik der Hisbollah ist. wenn – das ist auch im Antrag beabsichtigt – die Hisbol- Deswegen ist es richtig, dass wir diese Organisation lah auf die EU-Terrorliste gesetzt wird? Heißt das Ab- mit einem Betätigungsverbot belegen, und es ist richtig, bruch der diplomatischen Beziehungen? dass die Bundesregierung endlich eine generelle Strafver- folgungsermächtigung erlassen hat. Herr Staatssekretär (Benjamin Strasser [FDP]: Nein!) Lange, es war ja ein bisschen schwierig für Sie, meine Heißt das Sanktionen? Wie wird man damit umgehen? Frage zu beantworten, ob und wann die Bundesregierung All das ist ungeklärt und hätte diskutiert werden müssen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17081

Andrej Hunko (A) (Benjamin Strasser [FDP]: Die Arabische Liga (Beifall bei der LINKEN) (C) listet die Hisbollah doch selber!) Das ist nicht möglich. Deswegen kann die Linke Ihrem Deswegen finde ich es nicht akzeptabel, das hier ohne Antrag nicht zustimmen. Ausschussüberweisung einfach so abzustimmen. Ein letzter Gedanke: Es ist aufgrund der Situation im (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse- Nahen und Mittleren Osten, auch im Libanon, ausgespro- Brömer [CDU/CSU]: Sie eiern nur rum! – chen wichtig, dass dort diplomatisch vermittelt werden Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Sagen Sie doch kann. Deutschland sollte dazu einen Beitrag leisten. Ich einfach Nein zur Hisbollah!) fürchte, Sie gehen mit diesem Antrag einen Weg, in dem so eine Vermittlung in Zukunft nicht mehr möglich sein wird. Deswegen werden wir nicht zustimmen. Vizepräsident Thomas Oppermann: Herr Hunko, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kol- Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. legin von Storch? (Beifall bei der LINKEN) Andrej Hunko (DIE LINKE): Ja. Vizepräsident Thomas Oppermann: Vielen Dank. – Als Nächstes spricht für die Fraktion Beatrix von Storch (AfD): Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Dr. Irene Mihalic. Ist Ihnen bewusst, dass es zahlreiche Länder gibt, die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Hisbollah auf die Liste der Terrororganisationen ge- setzt haben, so die USA oder Großbritannien, und dass Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): diese trotzdem diplomatische Beziehungen dahin unter- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- halten? Oder wissen Sie das einfach nicht? ren! In der Presse war zu lesen, dass man sich innerhalb der Bundesregierung auf ein Betätigungsverbot der His- Andrej Hunko (DIE LINKE): bollah in Deutschland geeinigt hat. Das begrüßen wir, und Mir ist sehr bewusst, dass es fünf Länder gibt, die die wir erwarten auch eine schnelle Umsetzung des Verbots. Hisbollah als Gesamtorganisation auf die Terrorliste ge- Die CDU/CSU hat das ja dann auch gleich aufgegriffen setzt haben. Das sind die USA, Großbritannien, Argenti- und schickte uns letzten Freitagnachmittag den Antrag nien, die Niederlande und Israel. der Großen Koalition zu: Die FDP sei schon an Bord, und wir Grüne könnten den Antrag ja auch unterstützen; (B) (Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Warum erzählen aber am Text könne man jetzt bedauerlicherweise nichts (D) Sie das denn dann nicht? – Thorsten Frei mehr ändern. [CDU/CSU]: Mit denen haben sie diplomati- sche Beziehungen! Das ist doch der Punkt!) (Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das stimmt doch Aber die große Mehrheit, auch der europäischen Staaten, gar nicht!) tut es nicht, sondern hat nur die Hisbollah-Miliz auf die Also, liebe Kolleginnen und Kollegen: Auf so eine Terrorliste gesetzt, Weise lassen wir uns nicht mit ins Boot zerren, nach dem Motto: Friss oder stirb. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wie ist denn Ihre Meinung dazu?) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) um eben auch politische und auch diplomatische Bezie- Wir wollen uns auch nicht in Lobes- und Dankeshymnen hungen zur Regierung im Libanon aufrechterhalten zu gegenüber der Regierung ergehen für Maßnahmen, die können. sie ja noch nicht einmal getroffen hat. Vorauseilende Er- gebenheit entspricht jetzt nicht unserem Parlamentsver- (Beifall bei der LINKEN – Dr. Volker Ullrich ständnis. [CDU/CSU]: Also: Ja oder nein?) Um es ganz klar zu sagen: Vorstellungen, die auf die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vernichtung Israels abzielen, die Antisemitismus beför- Oder haben Sie das mit „Serviceopposition“ gemeint, dern oder die Terroranschläge befürworten, lehnt Die liebe FDP? Linke immer und überall entschieden ab. (Benjamin Strasser [FDP]: Wir haben uns als (Beifall bei der LINKEN) Parlament gelobt, nicht die Regierung!) Aber nicht alles, was gut gedacht ist, ist auch gut ge- Zum Inhalt: Wir teilen wesentliche Passagen Ihres An- macht. Wir müssen auch darüber diskutieren, was es be- trags. Ja, wir wollen Betätigungsverbote für die Hisbollah deutet, wenn die Hisbollah auf die EU-Terrorliste kommt; in Deutschland. Ja, wir wollen das Rekrutierungs- und Sie haben das vorhin angedeutet, Herr Strasser. Frank- Finanzierungsnetzwerk der Hisbollah konsequent und lü- reich sieht das zum Beispiel ganz anders. Viele europä- ckenlos zerschlagen. Denn die Hisbollah ist eine Terror- ische Staaten sehen das ganz anders. Ich hätte mir ge- organisation. Sie nutzt Deutschland als Rückzugsraum, wünscht, dass wir hierüber eine Diskussion führen, und aber auch für kriminelle Aktivitäten wie Menschenhandel zwar auch über die außenpolitischen Auswirkungen eines und Geldwäsche. Deshalb ist es richtig, eine allgemeine solchen Antrages. Strafverfolgungsermächtigung nach § 129b zu erteilen. 17082 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Irene Mihalic (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem (C) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- Wir hätten uns wahrscheinlich sehr schnell auf einen ordneten der FDP) gemeinsamen Antrag einigen können. Das muss man erkennen, und daraus muss man entspre- (Benjamin Strasser [FDP]: Die gibt es doch chende Konsequenzen ziehen. schon!) Ich möchte zu den außenpolitischen Implikationen, die Hätten Sie uns beteiligt, hätten wir Ihnen aber auch klar hier seitens der Linken-Fraktion zu Ausflüchten geführt gesagt, dass die fünfte Forderung Ihres Antrags für uns in haben, noch etwas sagen: Die Hisbollah ist durch ihren keiner Weise tragbar ist. Mich wundert es schon, liebe Einsatz in Syrien – dazu haben Sie jetzt gar nichts gesagt – SPD – und Sie wurden ja hoffentlich beteiligt –, dass nicht nur zu einer Bedrohung Israels geworden, sondern Sie auch weiterhin jede Chance auslassen, sozialdemo- auch zu einer Bedrohung des Friedensprozesses in Sy- kratisches Profil zu zeigen. Denn der Punkt 5 ist doch rien. Sie destabilisiert den Libanon, und sie verfügt über nichts anderes als ein Blankoscheck für eine militärische ein Waffenpotenzial, das sie zu einer ernsthaften Gefähr- Intervention im Nahen Osten, und das geht auf gar keinen dung des gesamten Friedensprozesses in der Levante Fall. macht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hunderttausend Raketen, die hauptsächlich gegen Is- Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Punkt hat es rael gerichtet sind, müssen wir als militärisches Faktum uns leider unmöglich gemacht, dem Antrag der Koalition zur Kenntnis nehmen. Das erwartet eine internationale und der Service-FDP zuzustimmen, auch wenn wir uns Antwort von uns. Frau Kollegin Mihalic, selbstverständ- im Kern einig sind. Deshalb werden wir uns bei Ihrem lich ist mit dem, was wir hier aussagen, auf keinen Fall Antrag enthalten und stellen einen eigenen Antrag hier eine militärische Intervention gemeint. zur Abstimmung. Ich kann alle Kolleginnen und Kolle- gen hier in diesem Haus nur auffordern: Wenn Sie die (Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) Hisbollah konsequent mit rechtsstaatlichen Mitteln be- Es ist völlig abwegig, das zu unterstellen. kämpfen, sich aber nicht pauschal für einen Militäreinsatz im Nahen Osten aussprechen wollen, (Beifall des Abg. Christoph de Vries [CDU/ CSU) (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das ist wirklich Unsinn! Sie wissen auch, dass das Un- Aber wir sind alle aufgefordert, die Hisbollah auch inter- sinn ist!) national zu isolieren. Sie bedroht Israel. Sie bedroht den (B) Friedensprozess im gesamten Nahen Osten. Deswegen (D) dann sollten Sie unserem Antrag zustimmen. müssen wir der Hisbollah entgegentreten, liebe Kollegin- nen und Kollegen. Ganz herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- ordneten der FDP) wie bei Abgeordneten der LINKEN – Benjamin Strasser [FDP]: Seien Sie nicht so Die Hisbollah ist im Übrigen auch kein guter und ernst- neidisch, und springen Sie über Ihren zunehmender Anwalt der Schiiten im Libanon. Sie ver- Schatten!) hindert einen politisch friedlichen, stabilen und wirt- schaftlich prosperierenden Libanon. Generalsekretär Vizepräsident Thomas Oppermann: Hassan Nasrallah hat in der aktuellen Staatskrise im Li- banon gerade noch einmal deutlich gemacht, wie die His- Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der bollah sich verhalten wird: Sie will das dysfunktionale, CDU/CSU der Kollege Dr. . also krisenanfällige, System erhalten, und sie will weiter- (Beifall bei der CDU/CSU) hin ein Staat im Staate sein. Die Hisbollah ist keine auf- richtige Vertreterin der schiitischen Interessen im Staate Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU): Libanon, sondern sie ist der verlängerte Arm des irani- schen Regimes im Libanon. Das müssen wir erkennen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- Auch im Sinne einer vernünftigen Libanon-Politik muss ren! Ich möchte für meine Fraktion und, ich glaube, auch man sich von der Hisbollah distanzieren. für den Koalitionspartner zunächst einen Dank an die Freien Demokraten dafür richten, dass wir Unterstützung (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- für den Antrag bekommen. Ich möchte die grüne Fraktion ordneten der SPD) insofern ansprechen, als ich die wesentlichen Passagen der Unterstützung dankbar zur Kenntnis nehme und des- Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, halb festhalte: Die Mitte dieses Hauses steht hinter der brauchen wir an dieser Stelle keine Belehrungen von Aussage der Bundeskanzlerin, dass die Existenz eines Fraktionen, die es für richtig halten, sich mit dem Staates Israel zur Staatsräson Deutschlands gehört und Schlächter Assad zu zeigen. dass alle, die das bekämpfen – und die Hisbollah be- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) kämpft die Existenz Israels –, wissen müssen: Sie richten sich damit gegen uns. Wir stehen an der Seite Israels; das Man muss nicht mit dem syrischen Regime gemeinsam in ist die zentrale Aussage. der Öffentlichkeit auftreten, Frau Kollegin von Storch, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17083

Dr. Johann David Wadephul (A) um zu wissen, was dort geschehen ist; das braucht man Auch das ist wichtig; denn genau das unterscheidet uns (C) nicht. von den Kräften im Nahen Osten, unter anderem von der Hisbollah, die das Existenzrecht Israels nicht anerkennen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- und die unter dem Vorwand der vermeintlichen palästi- neten der SPD, der FDP und des BÜNDNIS- nensischen Interessenvertretung aktiv gegen Israel kämp- SES 90/DIE GRÜNEN) fen. Das halten wir für nicht akzeptabel. Gerade deshalb Assad ist ein Schlächter, der mit offensichtlichem halten wir an der Zweistaatenlösung als Grundlage für Giftgaseinsatz sein eigenes Volk bekämpft hat. nachhaltigen Frieden in Israel und Palästina fest. Ich will Ihnen auch sagen: Wenn Sie sich zum Staat (Beifall bei der SPD) Israel bekennen wollen und wenn Sie sich zur Verantwor- tung Deutschlands bekennen wollen – Deutsche haben im Wir haben auch gar nichts, was Kollege Grötsch oder vergangenen Jahrhundert in einer schrecklichen Art und andere in der Vergangenheit gesagt haben, zurückzuneh- Weise versucht, das jüdische Volk zu vernichten –, dann men. Ohne Zweifel ist die Hisbollah ein relevanter politi- sind Sie gut beraten, in den eigenen Reihen dafür zu sor- scher, sozialer und auch militärischer Faktor im Libanon. gen, Deshalb haben wir auch immer darauf hingewiesen, dass man das nicht einfach verdrängen kann. Aber die gedank- (Benjamin Strasser [FDP]: So ist es! Ganz ge- liche Trennung in einen militärischen und einen politi- nau! – Dr. Eva Högl [SPD]: Ja, ganz genau!) schen Arm war immer politischen Überlegungen geschul- dass nicht gewisse Flügel zu einer Relativierung der deut- det. schen Verantwortung gegenüber Israel beitragen. Das wä- re Ihre Aufgabe. Wir können unsere Augen nicht davor verschließen, dass die Hisbollah in den letzten Jahren deutlich aggressi- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP ver geworden ist, was Aktivitäten gegenüber Israel anbe- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie langt. Die Aufrüstung durch hochmoderne Raketentech- bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Bernd nologie mit iranischer Unterstützung ist vom Kollegen Baumann [AfD]: Was ist das für ein mieser Wadephul genannt worden. Auch das Eingreifen in den Vergleich verleumderischer Art! Sie säen Hass syrischen Krieg an der Seite Irans verdeutlicht ja, dass die und Hetze!) Hisbollah kein rein libanesischer Akteur ist, sondern dass sie zu einem Partner Irans in der regionalen Politik ge- Vizepräsident Thomas Oppermann: worden ist. Deshalb ist es richtig, dass wir unter Ziffer 5 Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für des Antrags dies auch festhalten und dagegen vorgehen (B) die Fraktion der SPD der Kollege Dr. Nils Schmid. wollen – natürlich mit politischen Mitteln; von militär- (D) ischen Mitteln ist ja gar keine Rede. (Beifall bei der SPD) Ich denke zum Beispiel an die Syrien-bezogenen Sank- Dr. Nils Schmid (SPD): tionen, die es international gibt, die natürlich auch auf Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- Hisbollah-Akteure in Syrien ausgedehnt werden können. ren! Der guten Ordnung halber will ich darauf hinweisen: Genau das wollen wir mit den internationalen Partnern Die Große Koalition hat einen Antrag vorbereitet, die besprechen. Deshalb ist dieser Antrag auch in diesem FDP eingeladen, mitzumachen – sie macht mit, vielen Punkt richtig. Dank –, und die Grünen eingeladen, mitzumachen. Sie machen nicht mit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich will noch mal festhalten: Es ist uns gelungen, mit Das war keine Einladung!) diesem Antrag deutlich zu machen, dass wir innenpoli- tisch alles dafür tun, um Hisbollah-Aktivitäten in Sie haben Ihre Argumente vorgetragen. Deutschland trockenzulegen, und dass wir außenpolitisch Aber ich bin froh, dass wir uns in der Sache einig sind, nach wie vor die richtige Balance gefunden haben, aber dass nämlich die Hisbollah mit terroristischen Mitteln gerade auch mit den europäischen Partnern darüber reden gegen Israel kämpft und dass wir deshalb an der Seite wollen, wie angesichts der Ausweitung der militärischen Israels stehen, um das Existenzrecht Israels als jüdischer und terroristischen Aktivitäten der Hisbollah im Libanon und demokratischer Staat in gesicherten Grenzen im Na- und darüber hinaus vorgegangen werden kann. Deshalb hen Osten aufrechtzuerhalten. Das ist die Haltung der bitte ich um breite Zustimmung zu diesem Antrag. großen Mitte des Hauses. Dafür herzlichen Dank. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Frank Müller- Wir sind auch der Überzeugung, dass der Konflikt zwi- Rosentritt [FDP]) schen Israel und den Palästinensern auf friedlichem We- ge, durch eine politische Lösung, gelöst werden muss. Deshalb haben wir in dem Antrag noch mal ausdrücklich Vizepräsident Thomas Oppermann: festgehalten, dass wir auf der Basis der Resolution der Vielen Dank. – Als nächster Redner erhält das Wort der Vereinten Nationen eine Zweistaatenlösung anstreben. fraktionslose Abgeordnete Mario Mieruch. 17084 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Mario Mieruch (fraktionslos): Vielen Dank. (C) Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wäre ich Israeli und würde heute (Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Der Beginn hier stehen, würde ich mich fragen, ob ich lachen oder der Rede war gut!) weinen soll. Die AfD stellt einen Antrag, das längst über- fällige Verbot der Hisbollah zu beschließen. Jeder normal Vizepräsident Thomas Oppermann: denkende Bürger wird jetzt sagen: Eine Terrororganisa- Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist der tion zu verbieten, völlig richtige Sache! – Ja, das sage ich Kollege Dr. Reinhard Brandl für die Fraktion der CDU/ auch. CSU. Dann schaut man aber auf die namentliche Aufzählung (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) der Antragsteller und findet die Leute, die von sich sagen, dass zwischen sie und Höcke kein Blatt Papier passt, die Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): der Meinung sind, die NPD vertrat bisher als einzige Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Partei die Interessen Deutschlands, die mit der Hand auf Lieber Herr Mieruch, vielen Dank für den ersten Teil dem Herzen an der „Wolfsschanze“ standen, deren Autos Ihrer Rede. Kennzeichen wie „AH 1818“ oder „GD 3345“ haben oder die ihre lustigen Wehrmachtsbilder an ihre Büroleiter zu (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Recherche- und Archivierungszwecken schicken. Auf- der FDP) schrei, Empörung. Konsequenzen? Keine. Es war ein deutliches Signal gegen die falschen Freunde (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Israels und gegen diesen falschen Populismus, den die neten der SPD, der FDP, der LINKEN und des AfD heute hier aufführt. Herzlichen Dank für diesen Teil BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ihrer Rede. Nicht doch! Im Gegenteil: Wer den Björn kritisiert, der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und fliegt hochkant aus der Landesgruppe. Ich habe das schon der FDP) mal gesagt: Wer es wirklich ernst meint – und ich weiß: Meine Damen und Herren, von der heutigen Debatte Es gibt da noch ein paar, die es wirklich ernst meinen –, wird ein Signal ausgehen. Das Signal wird sein, dass der der sollte endlich die Konsequenzen ziehen und sich klar berühmte Satz, dass die Sicherheit und das Existenzrecht distanzieren. Israels zur deutschen Staatsräson gehören, nicht nur ein (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Satz ist, den die Bundeskanzlerin mal vor elf Jahren in (B) bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und einer Rede vor der Knesset gebracht hat, sondern dass er (D) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) auch von der breiten Mehrheit dieses Deutschen Bundes- tags geteilt wird. Denn Israel hat zuletzt nicht umsonst deutlich gemacht – auch hier in der Vertretung der Deutsch-Israelischen Ge- Meine Damen und Herren, die Hisbollah ist eine Ter- sellschaft –, dass es auf solche falschen Freunde verzich- rororganisation. Sie bestreitet das Existenzrecht Israels. ten möchte. Sie ist eng mit dem Iran verbunden, und – der Kollege Wadephul hat es eben erwähnt – sie destabilisiert die eh (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie schon fragile Situation im Nahen Osten. Man kann die bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNIS- Aufzählung fortsetzen: Sie ist weltweit dem Drogen- und SES 90/DIE GRÜNEN) Waffenschmuggel verbunden. Sie hat im Libanon einen Wäre ich Israeli, würde ich aber auch die anderen Frak- Staat im Staate etabliert. Ihr militärischer Arm, die mili- tionen tadeln. tärischen Kapazitäten, die Waffen sind eine unmittelbare Bedrohung für Israel. Und dass sie entgegen ihrem eige- (Thorsten Frei [CDU/CSU]: Was?) nen Friedensabkommen im Libanon, das eigentlich eine Denn die vielgepriesene deutsche Staatsräson, die aus Nichteinmischung in die Angelegenheiten von Nachbar- partei- und fraktionstaktischen Spielchen hier monate- staaten vorsieht, bereit ist, ihre Waffen auch in Nachbar- lang verschleppt wird, ermöglicht es, wie es heute schon staaten zum Einsatz zu bringen, zeigt sie in Syrien. angesprochen wurde, in Berlin antisemitische Veranstal- Das alles sind Gründe genug für diesen Antrag und die tungen zuzulassen und hier ganz schön rumzueiern. Aufforderung an die Bundesregierung, in Deutschland Deutschland hat Israel an den Iran verraten. Es erkennt ein Betätigungsverbot für die Hisbollah zu erlassen. Die Israels Recht auf Benennung seiner Hauptstadt nicht an. Hisbollah ist in Deutschland zum Teil offen, in Berlin, Es stimmt in der UN gegen Israel ab. Unserem dortigen aktiv, zum großen Teil aber verdeckt. Aber sie ist hier. Vertreter brachte das den Titel, für die schlimmsten anti- Allein im Jahr 2018 hat der Generalbundesanwalt beim semitischen Vorfälle mitverantwortlich zu sein, ein. Bundesgerichtshof 36 Ermittlungsverfahren gegen Mit- glieder der Hisbollah angestoßen, und es ist gut, dass (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Das ist unsere Sicherheitsbehörden diese Umtriebe im Blick ha- aber wirklich Unsinn!) ben und dass sie mit allen Mitteln des Rechtsstaats dage- Und Heiko Maas nimmt ihn daraufhin in Schutz und sagt, gen vorgehen. Wir müssen natürlich damit rechnen, dass er vertrete bei sämtlichen Abstimmungen die Haltung der die Hisbollah Anschläge in Israel oder gegen israelische Bundesregierung. Ja, das haben wir leider alle befürchtet. Interessen plant. Wir müssen natürlich damit rechnen, Das kann es auch nicht sein. dass solche Anschläge, terroristische Aktionen, nicht Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17085

Dr. Reinhard Brandl (A) nur im Nahen Osten selbst geplant werden, sondern dass auf Drucksache 19/10624 abzulehnen. Wir stimmen nun (C) auch Rückzugsräume, logistische Plattformen, zum Bei- über die Beschlussempfehlung auf Verlangen der Frak- spiel in Deutschland, genutzt werden, um Anschläge vor- tion der AfD namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerin- zubereiten, zu planen oder finanziell zu unterstützen. nen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh- men. – Sind alle Wahlurnen mit Schriftführern besetzt? – Meine Damen und Herren, das dürfen wir nicht zulas- Ich eröffne die Abstimmung. sen. Wir dürfen es nicht zulassen in Deutschland, wir dürfen es aber auch nicht zulassen in Europa. Insofern Ich frage: Gibt es noch jemanden im Saal, der noch ist unser Antrag ein erster Schritt. Als nächster Schritt nicht die Gelegenheit hatte, an der Abstimmung teilzu- muss eine gemeinsame Bewertung der Hisbollah in Eu- nehmen? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die ropa erfolgen, und es müssen auch europaweite Maßnah- Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schrift- men zur Unterbindung von solchen Aktivitäten erfolgen. führer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir werden das Ergebnis der namentlichen Abstimmung später bekannt In diesem Sinne bitte ich Sie alle um Zustimmung zu geben.2) unserem Antrag und bedanke mich für die Aufmerksam- keit. Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 11 a bis 11 e auf: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniela Wagner, Christian Kühn (Tübingen), Vizepräsident Thomas Oppermann: Markus Tressel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache. Spekulation den Boden entziehen, soziale Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Mischung erhalten und Baurecht nachhal- Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Drucksa- tig ausrichten che 19/16046 mit dem Titel „Wirksames Vorgehen gegen Drucksache 19/16047 die Hisbollah“. Überweisungsvorschlag: Ich weise darauf hin, dass zu diesem Antrag mehrere Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommu- nen (f) persönliche Erklärungen nach § 31 der Geschäftsord- Finanzausschuss nung vorliegen.1) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer stimmt für Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (B) Ausschuss für Kultur und Medien (D) diesen Antrag? – Das sind die Fraktionen der SPD, CDU/CSU und FDP. Wer stimmt dagegen? – Niemand. b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Enthaltungen? – Bei Enthaltungen von AfD, Bündnis 90/ Berichts des Ausschusses für Bau, Wohnen, Die Grünen und Linken ist der Antrag mit der Mehrheit Stadtentwicklung und Kommunen (24. Aus- der Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP angenom- schuss) men. – zu dem Antrag der Abgeordneten Daniel (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Föst, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, SPD und der FDP) weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Wir kommen zu Zusatzpunkt 4. Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck- Städtebauförderung neu denken sache 19/16050 mit dem Titel „Betätigungsverbote gegen Hisbollah entschlossen durchsetzen und ihre Netzwerke – zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela in Deutschland zerschlagen, Israel beistehen, Zivilgesell- Wagner, Christian Kühn (Tübingen), schaft in Libanon unterstützen“. Wer stimmt für diesen Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter Antrag? – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE und einige wenige Abgeordnete der Fraktion Die Linke. GRÜNEN Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen SPD, Stadtentwicklung mit nachhaltiger CDU/CSU, FDP und AfD. Wer enthält sich der Stimme? – Städtebauförderung zukunftsfest aus- Das ist die ganz überwiegende Fraktion der Linken, die richten sich enthält. Bei Enthaltung des überwiegenden Teils der Fraktion der Linken ist damit der Antrag mit der Mehrheit Drucksachen 19/9930, 19/13071, 19/16150 des Hauses abgelehnt. c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Zusatzpunkt 5. Beschlussempfehlung des Ausschusses Berichts des Ausschusses für Bau, Wohnen, für Inneres und Heimat zu dem Antrag der Fraktion der Stadtentwicklung und Kommunen (24. Aus- AfD mit dem Titel „Verbot der Hisbollah“. Der Aus- schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Daniela Wagner, Christian Kühn (Tübingen), Drucksache 19/16145, den Antrag der Fraktion der AfD Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter

1) Anlagen 2 und 3 2) Ergebnis Seite 17088 C 17086 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- seit 2010 um fast 150 Prozent gestiegen. Das darf uns (C) NEN nicht in Ruhe lassen, meine Damen und Herren. Sofortprogramm Bauflächenoffensive – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hunderttausend Dächer und Häuser Pro- gramm Das ist Entfremdung, und das ist auch Kontrollverlust. Eine Baugesetznovelle, meine Damen und Herren, kann Drucksachen 19/6499, 19/11221 ja wohl nicht so schwierig sein. d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Vor allem in den großen Städten explodieren die Preise. Berichts des Haushaltsausschusses (8. Aus- Hans-Jochen Vogel hat berechnet, dass es in München schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten seit 1950 eine Steigerung von 34 000 Prozent gab. Liebe Daniela Wagner, Sven-Christian Kindler, SPD, das muss doch für Sie besonders bitter sein. Ihr Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abge- ehemaliger, fast 94-jähriger Vorsitzender macht darauf ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE aufmerksam. Mietpreisbremse und alles andere, was Sie GRÜNEN gemacht haben, wirken leider überhaupt nicht. Bundesanstalt für Immobilienaufgaben nachhaltig ausrichten und zu einem ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN meinnützigen Bundesbodenfonds weiter- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) entwickeln Ich will Ihnen aber auch ein Beispiel aus dieser Stadt Drucksachen 19/11147, 19/15158 nennen, Berlin-Mitte: Eine Kita in der Stadt sucht hände- ringend Erzieherinnen und Erzieher. Tolle Kita, nette e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kolleginnen und Kollegen und kaum Bewerbungen und Caren Lay, Dr. Gesine Lötzsch, Lorenz Gösta häufig die Situation, dass die Erzieherin nach einem hal- Beutin, weiterer Abgeordneter und der Frak- ben Jahr wieder geht. Warum? Weil sie am Stadtrand ein tion DIE LINKE Angebot hat, Erzieherin zu werden, und weil sie sich dort Bauland in Gemeinschaftshand – Boden- die Miete noch leisten kann. Das ist die Situation, die wir preissteigerungen bekämpfen heute schon hier in dieser Stadt haben. Ich sage noch mal: Das ist inakzeptabel, meine Damen und Herren. Drucksache 19/16043 (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommu- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (B) nen (f) (D) Finanzausschuss Umgekehrt: In den Kleinstädten schließen die Ge- Haushaltsausschuss schäfte, Preise verfallen, und es gibt keinen vernünftigen Für die Aussprache wurde eine Dauer von 60 Minuten Anschluss im öffentlichen Nahverkehr. Es geht um den beschlossen. sozialen Frieden, es geht um den Zusammenhalt und um Wohnungen für Familien wie für Rentnerinnen und Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat das Wort die Rentner, für Studis, aber auch um Räume für Gewerbe, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin für Arztpraxen, für Kitas, für Schulen und nicht zuletzt Göring-Eckardt. für Kinos und Theater. Wem gehört die Stadt eigentlich? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wo ist der öffentliche Raum? Wo sind Orte, an denen man sich treffen kann, ohne dass es etwas kostet, wo Freiflä- Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- che ist, wo Grün ist, wo Raum für Menschen ist und nicht NEN): für Autos, die parken oder im Stau stehen? Es geht um Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Gleich- mehr als um Mieten, die Sie auch schon nicht gedeckelt wertigkeit der Lebensverhältnisse in unserem Land gerät kriegen. Es geht um Heimat. Und die darf kein Spekula- aus dem Lot: zwischen Stadt und Land, aber auch immer tionsobjekt sein. Darum geht es, und deswegen legen wir mehr innerhalb der Städte. Lebenswerte Stadtviertel sind Ihnen heute ein sehr umfassendes Konzept vor, meine bedroht. Wer ein Beispiel braucht, braucht sich nur anzu- Damen und Herren. Es ist dringend notwendig, weil Sie schauen, wie die Zalando-Brüder in Berlin investiert ha- vergessen haben, zu handeln. Viele Kommunen bemühen ben, sodass am Ende durch die Spekulationen das älteste sich, die Bundesregierung leider nicht. Deswegen ist das Ärztehaus der Stadt weichen musste. Das sind Zustände, so nötig. Es geht in diesen Zeiten um die soziale Frage in die wir nicht dulden können. dieser Stadt, in diesem Land. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eines muss in dieser Woche vor Weihnachten noch gesagt werden: Immer mehr Familien in diesem Land Es darf nicht sein, dass unsere Städte nur noch über- werden obdachlos und wohnungslos. Sie haben keinen teuerte Fassaden sind für Touristinnen und Touristen oder Raum in der Herberge. Dass darüber so wenig geredet für Wohlhabende, die hier eine Teilzeitbleibe brauchen. wird, verstärkt dieses Drama. Ich wünsche Ihnen frohe Am Ende gehen sie auch noch, weil die Klubs und Gale- Weihnachten, aber vor allen Dingen diesen Familien auch rien verschwinden. Wir müssen unsere Heimat gegen tatsächlich einen Raum, in dem sie sein und feiern kön- Ausverkauf verteidigen. Bodenspekulationen und Land nen. Grabbing in Stadt und in Land – das ist heute Realität. Bei mir in Ostdeutschland sind die Preise für Ackerland Vielen Dank. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17087

Katrin Göring-Eckardt (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall der Abg. Sybille Benning [CDU/CSU]) (C) Unser Bundesbauminister, Horst Seehofer, hat bereits an- Vizepräsident Thomas Oppermann: gekündigt, dass er dafür noch weiter kämpfen wird. Vielen Dank. – Als Nächste spricht für die Fraktion der CDU/CSU die Kollegin Emmi Zeulner. Auch im Bereich Mietrecht haben wir etwas getan. Es ist zum Beispiel eine Verlängerung der Mietpreisbremse (Beifall bei der CDU/CSU) angedacht. Wir werden zukünftig dafür sorgen, dass das Herausmodernisieren – auch das ist schon in Gesetz ge- Emmi Zeulner (CDU/CSU): gossen – erschwert wird. Wir sorgen dafür, dass zukünftig Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und die Maklerkosten aufgeteilt werden; denn wir wollen, Kollegen! Wenn die Fraktionsvorsitzende der Grünen dass mehr Menschen zu Wohneigentum kommen. Wir sagt, dass sie Land und Stadt näher zueinander bringen wollen die Zugangsmöglichkeiten dafür erleichtern. möchte, dann frage ich mich schon, was es dann soll, dass Sie 21 Cent mehr für den Liter Heizöl fordern, was eine Auch im Bereich Städtebauförderung sind Vereinfa- Rentnerin an die Grenze ihrer finanziellen Möglichkeiten chungen angedacht. Ich möchte kurz darauf eingehen, bringt. Hier sieht man wieder ganz klar: Auf der einen weil gerade die Städtebauförderung eine Erfolgsge- Seite das Fordern nach einem Mehr an Gesellschaft, nach schichte ist. Die Städtebauförderung ist uns wirklich mehr Zusammenrücken und auf der anderen Seite die wichtig. Es kommt auf die Instrumente an, die wir anbie- Politik, die Sie in der Realität machen – das ist einfach ten, und die Städtebauförderung ist ein wichtiges Instru- ein Widerspruch in sich. Deswegen haben wir als Union ment. Sie ist sowohl für die Städte als auch für die länd- andere Antworten darauf. lichen Räume ein wesentliches Instrument, um für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen. (Beifall bei der CDU/CSU) Im Zuge der Sonder-Bauministerkonferenz haben wir Wir versuchen, den Klimawandel nicht mit Verboten, die Verwaltungsvereinbarung für die Städtebauförderung sondern mit Anreizen zu gestalten. Wir versuchen auch, für das Jahr 2020 zwischen Bund und Ländern abge- den gesellschaftlichen Zusammenhalt in diesem Bereich stimmt. Vonseiten der Kommunen ist immer wieder an zu fördern. uns herangetragen worden, dass es vor allem darum geht, Wir beraten heute verschiedene Anträge der Opposi- Flexibilität zu wahren. Die Kommunalpolitiker vor Ort tionsfraktionen. Mir geht es vor allem persönlich nahe, wollen eine strategische Ausrichtung der Städtebauförde- wenn uns Untätigkeit vorgeworfen wird. Wir haben in rung, aber innerhalb des Systems soll Flexibilität möglich dieser Legislatur verschiedenste Maßnahmen auf den sein. (B) (D) Weg gebracht, unter anderem – ich möchte das einfach Sie vonseiten der FDP fordern in Ihrem Antrag, dass nur mal aufzählen, weil immer wieder so getan wird, als man die Vorgaben des BBSR zugrunde legt, um verschie- hätten wir nicht gehandelt –: Wir haben über die Sonder- dene Regionstypen einzurichten. Das geht aber genau AfA eine steuerliche Begünstigung für den Mietwoh- entgegen der Forderung der Kommunalpolitiker. Die sa- nungsbau auf den Weg gebracht. Damit kann auch der gen: Wir wollen größtmögliche Flexibilität. – Außerdem Dachgeschossausbau gefördert werden. gibt es bei den Regionstypen – das sind fiktive Zahlen – in Wir haben zweitens eine Baulandkommission einge- der BBSR-Betrachtung faktisch Unterschiede, und die richtet, um diesen gesellschaftlichen Konsens im Bauge- können tatsächlich nur unsere Bürgermeister vor Ort er- setzbuch widergespiegelt zu bekommen; denn dafür kennen. Sie wissen, was ländlicher Raum ist und was braucht es Beratungen mit allen gesellschaftlichen Akteu- städtisch geprägt ist. Ich glaube, wir als Koalition geben ren und auch mit Bund und Ländern. Die Baugesetzbuch- eine gute Antwort darauf. Wir sagen: Wir wollen keine novelle werden wir entsprechend auf den Weg bringen. Regionstypen. Wir reduzieren die Programme auf drei. Das ist die strategische Ebene. Wir wollen ganz gezielt (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Rahmen bzw. Leitplanken setzen, um die Möglichkeiten NEN]: Wann denn? Noch in dieser Legislatur- vor Ort flexibel zu halten. periode?) Auch die Digitalisierung ist ein Thema. Wir wollen Als Drittes haben wir das Bundeseisenbahnvermögen. nicht zwingend vorschreiben, wie Digitalisierung auszu- Wir werden Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau sehen hat. In meinem Bundestagsbüro ist es so, dass ich verbilligt an die Kommunen abgeben. Das Gleiche ma- ab und zu mit Petenten zu tun habe, die noch keine E-Mail chen wir auch über die Bundesanstalt für Immobilienauf- haben, aber ich möchte diese Menschen nicht ausschlie- gaben. Auch das ist bereits beschlossene Sache. Wir wer- ßen. Die Information zum Beispiel über Städtebaukon- den zukünftig für die Bediensteten des Bundes, zepte muss auf der einen Seite gegebenenfalls über das beispielsweise für unsere Bundespolizisten, Wohnraum Internet abrufbar sein, aber auf der anderen Seite muss zur Verfügung stellen. Wir haben das Wohngeld ab auch eine Broschüre zur Verfügung gestellt werden, die 2020 erhöht. Wir haben das Baukindergeld eingeführt. ganz konkret helfen kann. Auch darüber muss vor Ort Entgegen allen Unkenrufen stärkt das tatsächlich gerade entschieden werden. Familien, die ein mittleres Einkommen haben, dabei, zu Wohneigentum zu kommen. Wir geben nächstes Jahr Die verschiedenen Maßnahmen, die wir in allen Be- 1 Milliarde Euro für den sozialen Wohnungsbau aus, zu- reichen des Städtebaus, aber auch in allen Bereichen der sammen mit den Ländern. Hier wollen wir nicht nach- Wohnungsbaupolitik auf den Weg gebracht haben, sind lassen. gute Maßnahmen. Ich hoffe, dass die Grünen sich ihrer 17088 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Emmi Zeulner (A) Verantwortung in den Ländern – da fallen mir viele Bei- (Beifall bei der CDU/CSU) (C) spiele ein: geringe Förderung von studentischem Woh- nungsbau in Baden-Württemberg beispielsweise, dort Vizepräsident Thomas Oppermann: gibt es einiges nachzuholen – bewusst werden und dass Vielen Dank. – Inzwischen liegt das von den Schrift- sie vor Ort entsprechend unterstützen. führerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfeh- DIE GRÜNEN]: Die Bauministerin in Baden- lung des Ausschusses für Inneres und Heimat, 4. Aus- Württemberg ist von der CDU!) schuss, zum Antrag der Abgeordneten Beatrix von Storch, Marc Bernhard und Stephan Brandner sowie wei- Denn klar ist: Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit. terer Abgeordneter der Fraktion der AfD zum Verbot der Deswegen arbeiten wir hart daran, viele Maßnahmen auf Hisbollah vor: abgegebene Stimmen 649. Mit Ja haben den Weg zu bringen, um eine Antwort auf sie zu geben. gestimmt 569, mit Nein haben gestimmt 77, Enthaltungen 3. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen und Vielen Dank. der Antrag der AfD abgelehnt.

Endgültiges Ergebnis Thomas Erndl Dr. Heribert Hirte Nikolas Löbel Abgegebene Stimmen: 649; Hermann Färber Alexander Hoffmann Bernhard Loos davon Uwe Feiler Karl Holmeier Dr. Jan-Marco Luczak ja: 569 Enak Ferlemann Dr. Hendrik Hoppenstedt Daniela Ludwig nein: 77 Axel E. Fischer (Karlsruhe- Erich Irlstorfer Dr. Saskia Ludwig enthalten: 3 Land) Thomas Jarzombek Karin Maag Dr. Maria Flachsbarth Andreas Jung Yvonne Magwas Ja Thorsten Frei Ingmar Jung Dr. Thomas de Maizière CDU/CSU Dr. Astrid Freudenstein Alois Karl Gisela Manderla Dr. Hans-Peter Friedrich Anja Karliczek Dr. Astrid Mannes Dr. Michael von Abercron (Hof) Torbjörn Kartes Matern von Marschall Stephan Albani Michael Frieser Volker Kauder Andreas Mattfeldt Norbert Maria Altenkamp Hans-Joachim Fuchtel Stephan Mayer (Altötting) Philipp Amthor Ingo Gädechens Dr. Stefan Kaufmann (B) Dr. Michael Meister (D) Artur Auernhammer Dr. Thomas Gebhart Ronja Kemmer Jan Metzler Peter Aumer Alois Gerig Roderich Kiesewetter Dorothee Bär Michael Kießling Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Eberhard Gienger Michelbach Thomas Bareiß Dr. Georg Kippels Eckhard Gnodtke Dr. Mathias Middelberg Norbert Barthle Volkmar Klein Ursula Groden-Kranich Dietrich Monstadt Maik Beermann Axel Knoerig Hermann Gröhe Karsten Möring Manfred Behrens (Börde) Jens Koeppen Klaus-Dieter Gröhler Elisabeth Motschmann Veronika Bellmann Markus Koob Michael Grosse-Brömer Axel Müller Sybille Benning Carsten Körber Astrid Grotelüschen Sepp Müller Dr. André Berghegger Alexander Krauß Markus Grübel Carsten Müller Melanie Bernstein Manfred Grund Gunther Krichbaum (Braunschweig) Christoph Bernstiel Oliver Grundmann Dr. Günter Krings Stefan Müller (Erlangen) Marc Biadacz Monika Grütters Rüdiger Kruse Petra Nicolaisen Steffen Bilger Fritz Güntzler Michael Kuffer Michaela Noll Peter Bleser Olav Gutting Dr. Roy Kühne Dr. Georg Nüßlein Norbert Brackmann Christian Haase Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Wilfried Oellers Michael Brand (Fulda) Florian Hahn Andreas G. Lämmel Florian Oßner Dr. Reinhard Brandl Jürgen Hardt Katharina Landgraf Josef Oster Silvia Breher Matthias Hauer Ulrich Lange Henning Otte Sebastian Brehm Mark Hauptmann Dr. Silke Launert Ingrid Pahlmann Heike Brehmer Dr. Matthias Heider Jens Lehmann Sylvia Pantel Ralph Brinkhaus Thomas Heilmann Paul Lehrieder Martin Patzelt Dr. Carsten Brodesser Frank Heinrich (Chemnitz) Dr. Katja Leikert Dr. Joachim Pfeiffer Gitta Connemann Rudolf Henke Dr. Andreas Lenz Stephan Pilsinger Alexander Dobrindt Michael Hennrich Antje Lezius Dr. Christoph Ploß Michael Donth Marc Henrichmann Andrea Lindholz Eckhard Pols Marie-Luise Dött Ansgar Heveling Dr. Carsten Linnemann Thomas Rachel Hansjörg Durz Christian Hirte Patricia Lips Kerstin Radomski Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17089

(A) Alexander Radwan Christoph de Vries Uli Grötsch Detlev Pilger (C) Alois Rainer Kees de Vries Bettina Hagedorn Sabine Poschmann Dr. Peter Ramsauer Dr. Johann David Wadephul Rita Hagl-Kehl Florian Post Eckhardt Rehberg Marco Wanderwitz Metin Hakverdi Florian Pronold Lothar Riebsamen Nina Warken Sebastian Hartmann Dr. Sascha Raabe Josef Rief Kai Wegner Dirk Heidenblut Martin Rabanus Johannes Röring Marcus Weinberg Hubertus Heil (Peine) Andreas Rimkus Dr. Norbert Röttgen (Hamburg) Marcus Held Sönke Rix Stefan Rouenhoff Dr. Anja Weisgerber Wolfgang Hellmich Dennis Rohde Erwin Rüddel Peter Weiß (Emmendingen) Gustav Herzog Dr. Martin Rosemann Albert Rupprecht Sabine Weiss (Wesel I) Gabriele Hiller-Ohm René Röspel Stefan Sauer Ingo Wellenreuther Dr. Eva Högl Dr. Ernst Dieter Rossmann Dr. Wolfgang Schäuble Marian Wendt Frank Junge Michael Roth (Heringen) Andreas Scheuer Kai Whittaker Thomas Jurk Susann Rüthrich Jana Schimke Annette Widmann-Mauz Oliver Kaczmarek Bernd Rützel Tankred Schipanski Bettina Margarethe Johannes Kahrs Sarah Ryglewski Wiesmann Dr. Claudia Schmidtke Elisabeth Kaiser Johann Saathoff Klaus-Peter Willsch Patrick Schnieder Ralf Kapschack Axel Schäfer (Bochum) Nadine Schön Elisabeth Winkelmeier- Becker Gabriele Katzmarek Dr. Nina Scheer Felix Schreiner Cansel Kiziltepe Oliver Wittke Marianne Schieder Dr. Klaus-Peter Schulze Arno Klare Emmi Zeulner Udo Schiefner Uwe Schummer Lars Klingbeil Paul Ziemiak Dr. Nils Schmid Armin Schuster (Weil am Dr. Bärbel Kofler Dr. Matthias Zimmer Uwe Schmidt Rhein) Daniela Kolbe Ulla Schmidt (Aachen) Torsten Schweiger Elvan Korkmaz-Emre Dagmar Schmidt (Wetzlar) SPD Detlef Seif Anette Kramme Carsten Schneider (Erfurt) Johannes Selle Niels Annen Christine Lambrecht Johannes Schraps Reinhold Sendker Ingrid Arndt-Brauer Christian Lange (Backnang) Michael Schrodi Dr. Patrick Sensburg (B) Heike Baehrens Dr. Karl Lauterbach Ursula Schulte (D) Thomas Silberhorn Ulrike Bahr Sylvia Lehmann Swen Schulz (Spandau) Björn Simon Nezahat Baradari Helge Lindh Frank Schwabe Tino Sorge Doris Barnett Kirsten Lühmann Stefan Schwartze Jens Spahn Dr. Matthias Bartke Heiko Maas Rita Schwarzelühr-Sutter Katrin Staffler Sören Bartol Isabel Mackensen Rainer Spiering Frank Steffel Bärbel Bas Caren Marks Svenja Stadler Dr. Wolfgang Stefinger Lothar Binding Katja Mast Martina Stamm-Fibich Albert Stegemann (Heidelberg) Christoph Matschie Sonja Amalie Steffen Andreas Steier Dr. Eberhard Brecht Hilde Mattheis Mathias Stein Peter Stein (Rostock) Leni Breymaier Dr. Matthias Miersch Kerstin Tack Sebastian Steineke Katrin Budde Klaus Mindrup Claudia Tausend Johannes Steiniger Dr. Lars Castellucci Susanne Mittag Michael Thews Christian Frhr. von Stetten Bernhard Daldrup Falko Mohrs Markus Töns Dieter Stier Dr. Karamba Diaby Claudia Moll Carsten Träger Gero Storjohann Esther Dilcher Siemtje Möller Ute Vogt Stephan Stracke Sabine Dittmar Bettina Müller Marja-Liisa Völlers Max Straubinger Dr. Wiebke Esdar Detlef Müller (Chemnitz) Dirk Vöpel Karin Strenz Saskia Esken Michelle Müntefering Dr. Joe Weingarten Dr. Peter Tauber Yasmin Fahimi Dr. Rolf Mützenich Bernd Westphal Dr. Hermann-Josef Tebroke Dr. Johannes Fechner Dietmar Nietan Dirk Wiese Hans-Jürgen Thies Dr. Fritz Felgentreu Ulli Nissen Gülistan Yüksel Alexander Throm Dr. Edgar Franke Thomas Oppermann Dagmar Ziegler Dr. Dietlind Tiemann Ulrich Freese Josephine Ortleb Stefan Zierke Antje Tillmann Dagmar Freitag Mahmut Özdemir Dr. Jens Zimmermann Markus Uhl Martin Gerster (Duisburg) Dr. Volker Ullrich Angelika Glöckner Aydan Özoğuz Kerstin Vieregge Timon Gremmels Markus Paschke FDP Volkmar Vogel (Kleinsaara) Kerstin Griese Christian Petry Grigorios Aggelidis 17090 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Renata Alt Christian Sauter Amira Mohamed Ali Katja Keul (C) Christine Aschenberg- Frank Schäffler Cornelia Möhring Sven-Christian Kindler Dugnus Dr. Wieland Schinnenburg Norbert Müller (Potsdam) Maria Klein-Schmeink Jens Beeck Matthias Seestern-Pauly Zaklin Nastic Sylvia Kotting-Uhl Dr. Jens Brandenburg Frank Sitta Dr. Alexander S. Neu Oliver Krischer (Rhein-Neckar) Judith Skudelny Thomas Nord Stephan Kühn (Dresden) Mario Brandenburg (Südpfalz) Bettina Stark-Watzinger Petra Pau Christian Kühn (Tübingen) Sandra Bubendorfer-Licht Benjamin Strasser Sören Pellmann Renate Künast Dr. Marco Buschmann Katja Suding Victor Perli Markus Kurth Karlheinz Busen Linda Teuteberg Tobias Pflüger Monika Lazar Carl-Julius Cronenberg Michael Theurer Martina Renner Sven Lehmann Britta Katharina Dassler Stephan Thomae Bernd Riexinger Steffi Lemke Bijan Djir-Sarai Manfred Todtenhausen Eva-Maria Schreiber Dr. Tobias Lindner Christian Dürr Dr. Florian Toncar Dr. Petra Sitte Dr. Irene Mihalic Hartmut Ebbing Dr. Andrew Ullmann Helin Evrim Sommer Claudia Müller Dr. Marcus Faber Gerald Ullrich Kersten Steinke Beate Müller-Gemmeke Otto Fricke Johannes Vogel (Olpe) Friedrich Straetmanns Dr. Ingrid Nestle Thomas Hacker Sandra Weeser Dr. Kirsten Tackmann Dr. Konstantin von Notz Reginald Hanke Nicole Westig Jessica Tatti Omid Nouripour Peter Heidt Katharina Willkomm Alexander Ulrich Friedrich Ostendorff Katrin Helling-Plahr Kathrin Vogler Cem Özdemir Markus Herbrand DIE LINKE Dr. Sahra Wagenknecht Lisa Paus Tabea Rößner Torsten Herbst Doris Achelwilm Andreas Wagner Claudia Roth (Augsburg) Katja Hessel Gökay Akbulut Harald Weinberg Dr. Manuela Rottmann Dr. Gero Clemens Hocker Simone Barrientos Katrin Werner Corinna Rüffer Manuel Höferlin Dr. Dietmar Bartsch Hubertus Zdebel Manuel Sarrazin Dr. Christoph Hoffmann Lorenz Gösta Beutin Ulle Schauws Reinhard Houben Matthias W. Birkwald BÜNDNIS 90/ (B) Dr. Frithjof Schmidt (D) Ulla Ihnen Heidrun Bluhm-Förster DIE GRÜNEN Olaf In der Beek Stefan Schmidt Michel Brandt Luise Amtsberg Charlotte Schneidewind- Gyde Jensen Dr. Birke Bull-Bischoff Lisa Badum Hartnagel Dr. Christian Jung Jörg Cezanne Annalena Baerbock Kordula Schulz-Asche Karsten Klein Fabio De Masi Margarete Bause Dr. Wolfgang Strengmann- Daniela Kluckert Dr. Diether Dehm Dr. Danyal Bayaz Kuhn Pascal Kober Anke Domscheit-Berg Canan Bayram Margit Stumpp Dr. Lukas Köhler Klaus Ernst Dr. Franziska Brantner Markus Tressel Wolfgang Kubicki Susanne Ferschl Agnieszka Brugger Jürgen Trittin Konstantin Kuhle Brigitte Freihold Dr. Anna Christmann Dr. Julia Verlinden Alexander Kulitz Dr. Gregor Gysi Ekin Deligöz Daniela Wagner Alexander Graf Lambsdorff Dr. André Hahn Katja Dörner Beate Walter-Rosenheimer Ulrich Lechte Heike Hänsel Katharina Dröge Christian Lindner Matthias Höhn Harald Ebner Fraktionslos Michael Georg Link Andrej Hunko (Heilbronn) Matthias Gastel Marco Bülow Ulla Jelpke Oliver Luksic Kai Gehring Uwe Kamann Kerstin Kassner Till Mansmann Stefan Gelbhaar Dr. Achim Kessler Dr. Jürgen Martens Katrin Göring-Eckardt Nein Katja Kipping Christoph Meyer Erhard Grundl Jan Korte AfD Alexander Müller Anja Hajduk Jutta Krellmann Dr. Frank Müller-Rosentritt Britta Haßelmann Caren Lay Marc Bernhard Dr. Martin Neumann Dr. Bettina Hoffmann (Lausitz) Sabine Leidig Dr. Anton Hofreiter Andreas Bleck Hagen Reinhold Ralph Lenkert Ottmar von Holtz Peter Boehringer Stefan Liebich Dieter Janecek Stephan Brandner Dr. Stefan Ruppert Dr. Gesine Lötzsch Dr. Kirsten Kappert- Jürgen Braun Dr. h. c. Thomas Thomas Lutze Gonther Marcus Bühl Sattelberger Pascal Meiser Uwe Kekeritz Matthias Büttner Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17091

(A) Petr Bystron Jochen Haug Dr. Birgit Malsack- Detlev Spangenberg (C) Tino Chrupalla Martin Hebner Winkemann Dr. Dirk Spaniel Joana Cotar Udo Theodor Hemmelgarn Corinna Miazga René Springer Dr. Gottfried Curio Waldemar Herdt Andreas Mrosek Beatrix von Storch Siegbert Droese Dr. Heiko Heßenkemper Hansjörg Müller Dr. Alice Weidel Thomas Ehrhorn Karsten Hilse Volker Münz Dr. Harald Weyel Berengar Elsner von Martin Hohmann Sebastian Münzenmaier Wolfgang Wiehle Gronow Dr. Bruno Hollnagel Christoph Neumann Dr. Heiko Wildberg Dr. Michael Espendiller Leif-Erik Holm Jan Ralf Nolte Dr. Christian Wirth Peter Felser Johannes Huber Ulrich Oehme Dr. Anton Friesen Fabian Jacobi Gerold Otten Fraktionslos Markus Frohnmaier Tobias Matthias Peterka Jens Kestner Lars Herrmann Dr. Götz Frömming Paul Viktor Podolay Stefan Keuter Mario Mieruch Dr. Alexander Gauland Norbert Kleinwächter Stephan Protschka Albrecht Glaser Enrico Komning Martin Reichardt Enthalten Franziska Gminder Jörn König Martin Erwin Renner Wilhelm von Gottberg Dr. Rainer Kraft Roman Johannes Reusch AfD Kay Gottschalk Rüdiger Lucassen Ulrike Schielke-Ziesing Frank Pasemann Armin-Paulus Hampel Jens Maier Uwe Schulz Jürgen Pohl Mariana Iris Harder-Kühnel Dr. Lothar Maier Thomas Seitz Dr. Robby Schlund

Wir fahren fort in der Debatte. Als Nächster spricht der (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ Kollege Marc Bernhard für die Fraktion der AfD. DIE GRÜNEN]: Lesen Sie keine Zahlen vor, die nicht stimmen!) (Beifall bei der AfD) Ihre Politik führt also dazu, dass weitere 12 000 Familien keine bezahlbare Wohnung finden. Marc Bernhard (AfD): (B) (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ (D) Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Wahnsinn! DIE GRÜNEN]: Zu den Anträgen!) Einsteins Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun, aber ein anderes Ergebnis zu erwar- Wer geglaubt hat, es könnte nicht schlimmer kommen, ten. In der buntesten aller bunten Republiken geht die Definition von Wahnsinn sogar noch weiter: Sozialismus (Zuruf von der LINKEN: Dann kommt die wählen, aber Wohlstand erwarten. – Auf Ihrem links-grü- AfD!) nen Rezeptblock stehen immer die gleichen giftigen Zu- wird heute durch die Anträge der Grünen und der Linken taten sozialistischer Quacksalberei, zum Beispiel der eines Besseren belehrt. Bodenpreisdeckel, Enteignung, Mietendeckel. Jeder, der Tag für Tag außerhalb der Filter- Verstaatlichung: Welche Sau wollen Sie noch durch blase des Bundestages Deutschland treiben? (Timon Gremmels [SPD]: Die Filterblase der (Beifall bei der AfD – Daniela Wagner AfD!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht alles nicht im Antrag!) seinen Lebensunterhalt verdient, kennt das kleine Ein- maleins der Wirtschaft. In Ihren Anträgen beschreiben Sie zwar das Problem, leugnen aber die wahren Ursachen. Deshalb waren die fatalen Folgen des Mietendeckels in (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Berlin wirklich keine Überraschung. NEN]: Na, dann jetzt mal los! Was fordern Sie (Beifall bei der AfD) denn?) Dabei sind es ganz einfache, banale wirtschaftliche Zu- Wenn heute Einnahmen wegfallen, werden morgen weni- sammenhänge, die Ihnen jedes Schulkind erklären könn- ger Wohnungen gebaut. te: Boden und Grundstücke sind begrenzt und nicht belie- (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ big vermehrbar. DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal was zu (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- den verschiedenen Anträgen!) NEN]: Genau! Wir wollen Spekulationen damit verhindern!) Ihr Mietendeckel führt dazu, dass hier in Berlin 1,1 Mil- liarden Euro weniger in neue Wohnungen investiert wer- Sie können jeden Quadratmeter nur einmal bebauen. In den. Dadurch werden 12 000 dringend benötigte Woh- den meisten Ballungszentren sieht es aus wie in meinem nungen nicht gebaut. Wahlkreis Karlsruhe, wo in den nächsten zehn Jahren 17092 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Marc Bernhard (A) 300 Hektar Baufläche benötigt werden, jedoch unter Aus- Ich will an dieser Stelle sagen, liebe Kollegin Göring- (C) nutzung aller Reserven für den Bau von Wohnungen Eckhardt, das allgemeine Lamento hilft so richtig auch künftig überhaupt nur 90 Hektar zur Verfügung stehen. nicht weiter. Und was passiert, wenn sie ein begrenztes Angebot ha- ben, aber eine unbegrenzte Nachfrage? Der Preis steigt (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE ins Unermessliche, so wie die Mieten in München, Stutt- GRÜNEN]: Deswegen haben wir einen aus- gart, Frankfurt oder Berlin. führlichen Antrag vorgelegt! Aber ich verstehe schon, dass kritisch eingefordert wird, Seit 2011 ist die Bevölkerung in Deutschland durch dass nun endlich eine BauBG-Novelle vorgelegt werden Zuwanderung um über 3 Millionen Menschen gestiegen. soll. Im Ausschuss hat es dazu einen Zeitplan gegeben. Jedes Jahr kommen 525 000 Neubürger – also eine Stadt Wir werden das Baugesetzbuch im ersten Halbjahr des wie Hannover oder Dresden – zusätzlich auf unseren nächsten Jahres novellieren. Sie sind eingeladen, sich da- Wohnungsmarkt, ran zu beteiligen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten viele wandern aus?) der CDU/CSU) und das, obwohl wir bereits eines der Länder mit der Ich will der Forderung von Chris Kühn folgen und höchsten Bevölkerungsdichte sind. etwas zu den Anträgen sagen; das ist nicht das Schäd- lichste. Wir haben es mit sechs ganz unterschiedlichen (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie Anträgen zu tun. Ich will darauf hinweisen, dass die An- viele wandern denn aus?) träge der FDP und der Grünen zur Städtebauförderung im Als ob das nicht genug wäre, müssen die Menschen auch Fachausschuss abgelehnt worden sind, der Antrag zur noch mit der von Ihnen allen hier befeuerten Kapital- Bauflächenoffensive wurde seinerzeit von allen Fraktio- flucht um Grund und Boden konkurrieren und, wenn es nen außer den Grünen abgelehnt, und der Antrag zur nach den Grünen geht, in Zukunft auch noch mit soge- BImA wurde am 13. November von allen Fraktionen au- nannten Klimaflüchtlingen. ßer den Linken und den Grünen abgelehnt. Wir debattie- ren heute also über zwei verbleibende Anträge zum Bau- (Beifall bei der AfD) und Bodenrecht. Darauf wird sicherlich meine Kollegin Claudia Tausend gleich eingehen. Wir können hier im Bundestag noch tagelang debattie- ren, um den heißen Brei herumreden und über Schaufens- Ich will an dieser Stelle unter dem Gesichtspunkt der teranträge diskutieren, mit denen Sie mit untauglichen Praktikabilität – was kommt eigentlich dabei heraus? – (B) Mitteln an den Symptomen herumdoktern wollen. Solan- darauf hinweisen, dass sich die Bauministerkonferenz (D) ge Sie sich aber weigern, die wirklichen Ursachen anzu- jetzt darauf verständigt hat, wie die zusätzlichen Mittel gehen, wird sich nichts, aber auch gar nichts an der Woh- für den sozialen Wohnungsbau von 1 Milliarde Euro ein- nungsnot in Deutschland ändern. gesetzt werden können. Das sind alles sehr praktische Auswirkungen unserer Politik. Das ist, finde ich, eine (Beifall bei der AfD) ganz gute Sache und widerlegt die These, es passiere Schützen Sie endlich unsere Grenzen, sorgen Sie dafür, eigentlich nichts. dass mehr Wohnungen gebaut werden, und hören Sie end- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Emmi lich auf, von den wirklichen Ursachen, die das direkte Zeulner [CDU/CSU]) Ergebnis Ihrer verfehlten Politik sind, abzulenken! Städte, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Orte der (Beifall bei der AfD – Lothar Binding [Heidel- Wahrheit, weil sie Orte der Wirklichkeit sind – das hat berg] [SPD]: Einstein dreht sich im Grabe hier einmal ein Kommunalpolitiker, der auch Bundes- um! – Christian Kühn [Tübingen] [BÜND- tagsabgeordneter gewesen ist, gesagt. Ich will ein biss- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein einziger eigener chen über Städtebauförderung reden; denn tatsächlich, Vorschlag!) wie in einem Brennglas, sind gesellschaftliche Heraus- forderungen zuerst in den Städten und Gemeinden unse- Vizepräsident Thomas Oppermann: res Landes erkennbar und für die Menschen erfahrbar. Demografischer Wandel, Klimaschutz, Wachstum, Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für Schrumpfung, Digitalisierung, Zuwanderung, nahezu alle die Fraktion der SPD der Kollege Bernhard Daldrup. Veränderungen sind in den Städten und Gemeinden für (Beifall bei der SPD) die Menschen erfahrbar. Die Kommunen sind sozusagen Seismografen des Wandels, und deswegen ist ihre Unter- stützung wichtig, ist die Förderung des Zusammenhalts in Bernhard Daldrup (SPD): den Kommunen wichtig. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bernhard, Sie bleiben sich treu. Ich finde, wenn Sie über Bei dieser Aufgabe hilft die Städtebauförderung den Einstein reden, dann ist das Zynismus, aber wenn Sie über Kommunen, und zwar unabhängig von ihrer Größe. Die Wahnsinn reden, dann sind Sie in Ihrem Element. Städtebauförderung – ich will daran erinnern, weil das 1969 war – ist ein Kind der sozialliberalen Koalition (Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der LIN- und wurde nach Modellprojekten von 1969 ab 1971 ein- KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) geführt. Deshalb sind wir Sozialdemokraten auch ein Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17093

Bernhard Daldrup (A) bisschen stolz darauf, dass es das gibt und dass das eine in diesem Kontext hinweisen; die zähle ich dazu. Aber (C) solche Tradition hat. auch ohne diese Mittel sind über 800 Millionen Euro für die Städtebauführung da. Zusätzlich gibt es Modellvor- Es ist in der Tat so, dass die Städtebauförderung seit haben in Erfurt, in Duisburg, in Plauen und Rostock zu 50 Jahren eine Erfolgsgeschichte ist. der Frage, wie es konzeptionell weitergehen soll. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wie geht es weiter? Städtebauförderung ist ein gemein- der CDU/CSU) samer Prozess und wird nicht von einem Ministerium Seit Beginn der Städtebauförderung 1971 profitierten in verordnet. Bis zur Vorlage und Entscheidung über Inhalte allen Bundesländern über 3 700 Kommunen von insge- sind zahlreiche Diskussionen unter Beteiligung von Län- samt rund 8 800 Maßnahmen. Aktuell sind 3 000 Maß- dern, kommunalen Spitzenverbänden usw. erforderlich. nahmen in der Förderung. Ziel ist es grundsätzlich, eine Das alles ist in der Antwort der Bundesregierung auf ausgewogene Verteilung der Mittel zwischen Stadt und die Kleine Anfrage der Grünen ausführlich dokumentiert. ländlichen Räumen zu erreichen. Die Projekte kennen die Bürgerinnen und Bürger zu einem großen Teil. Sie wer- Wir haben entsprechend dem Koalitionsvertrag die den am Tag der Städtebauförderung ausdrücklich öffent- Kriterien für die Städtebauförderungsweiterentwicklung lich gemacht, zum Thema gemacht. Dafür geht der Dank neu konzipiert. Sie sind schlanker, sie sind effizienter, sie an die vielen Kommunen, die sich daran beteiligen. sind flexibler – wenn die FDP das wahrnehmen würde, wüsste sie, dass sie auf ihren Antrag verzichten kann –: (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Emmi drei Förderprogramme statt sechs, hohe Umschichtungs- Zeulner [CDU/CSU]) möglichkeiten, Flexibilität also unter der Berücksichti- gung regional unterschiedlicher Bedarfe. Wir haben eine Nicht nur das örtliche Baugewerbe, sondern auch das inhaltliche Weiterentwicklung dadurch vorgenommen, Handwerk profitiert von den hohen wirtschaftlichen In- dass wir das Programm konzentriert haben auf lebendige vestitionen und Anstoßeffekten. Jeder Euro aus der Städ- Zentren, auf den sozialen Zusammenhalt und auf Wachs- tebauförderung löst rund 7 Euro weitere Investitionen tum und nachhaltige Erneuerung. Stadtbegrünungsmaß- aus. nahmen sind zwingender Bestandteil eines jeden Förder- Mit der Städtebauförderung wurde im Übrigen auch projekts. Ich will darauf hinweisen, dass die Förderung sehr viel für die deutsche Einheit geleistet. Der Vertei- interkommunaler Zusammenarbeit sowie die Stadt-Um- lungsschlüssel zwischen den Bundesländern hat die be- land-Partnerschaften Fördergegenstand sind, dass der sonders hohen Investitionsbedarfe der neuen Bundeslän- städtebauliche Denkmalschutz in allen Programmen för- der berücksichtigt. Die Städtebauförderung ist gelebte derfähig ist. Mit anderen Worten: Das ist eine ganz kon- (B) Solidarität im Föderalismus, meine Damen und Herren. krete Maßnahme praktischer Politik, um die Lebensqua- (D) lität in unseren Städten und Gemeinden für die Menschen (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Emmi zu verbessern. Das gilt auch für die Kommunen in Haus- Zeulner [CDU/CSU]) haltsnotlagen; denn auf ihren 10-prozentigen Anteil kann Ich will darauf besonders hinweisen, weil hier gewisser- unter Umständen verzichten werden. Mit anderen Wor- maßen Solidarität durch Verzicht geleistet wird; wir kom- ten: Wir haben an ganz vielen Stellen in der Städtebau- men darauf in den nächsten Tagen noch zurück. förderung Hilfestellungen formuliert. Einen wirklichen Rückschlag hat die Städtebauförde- Daher darf ich als Zwischenfazit sagen: Erstens. Die rung eigentlich nur in einer Phase erlitten, nämlich 2009/ neuen Städtebauförderungsrichtlinien sind ganz konkrete 2010, als Schwarz-Gelb glaubte, zum Beispiel das Pro- Weiterentwicklungen in Abstimmung mit vielen Akteu- gramm „Soziale Stadt“ von 107 Millionen Euro auf ren. Zweitens. Wir haben in dieser Legislaturperiode die 28 Millionen Euro zusammenstreichen zu müssen, was Mittel für die Städtebauförderung auf Rekordniveau fest- auch der Bundesrat nur begrenzt aufhalten konnte. Es gab gelegt. Das alles ist erfolgreiche Politik für die Kommu- damals eine ähnliche Tonlage wie im heute vorliegenden nen. Antrag der FDP-Fraktion: Stadt wird gegen Land aufge- Zu dem Antrag, den die Grünen jetzt vorgelegt haben – stellt; es wird natürlich mit Bürokratie, Administration 3,2 Milliarden Euro –, will ich sagen: Das ist eine Form usw. usf. argumentiert. – Das sind Leerformeln. Deshalb wohlfeiler Politik. Das, was dort formuliert worden ist, ist hat sich der Antrag der FDP inhaltlich erledigt. nicht falsch. Er ist aber hinsichtlich der Praktikabilität, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) der Vernetzung mit anderen Anträgen, der Umsetzbarkeit, der Kofinanzierung im Großen und Ganzen nicht abge- Wo stehen wir eigentlich heute? Die Kollegin Zeulner stimmt. Doch die Anregungen sind positiv zu werten. hat darauf hingewiesen: Seit Jahren – dafür hat diese Große Koalition gesorgt – befindet sich die Städtebau- Zum Schluss will ich einen Sachverhalt ansprechen, förderung auf Rekordniveau, was die finanzielle Unter- den wir hier gemeinsam bedauerlicherweise nicht haben stützung angeht. 2020 flossen 692 Millionen Euro als ändern können, weil es zu viele Widerstände gab, nämlich direkte Zuweisung an die Länder, die kofinanzieren. Hin- dass die Städtebauförderung zum gegenwärtigen Zeit- zu kommen der Investitionspakt „Soziale Integration im punkt nach dem Grundgesetz eine Finanzhilfe ist, die Quartier“ mit 60 Millionen Euro und die Förderung des sozusagen auf andere Art und Weise abgesichert werden Programms Nationale Projekte des Städtebaus mit auch muss. Das ist besonders wichtig. Das ist eine zentrale knapp 60 Millionen Euro. Ich will auch auf die 200 Mil- Aufgabe, der wir uns widmen müssen, weil nur so sicher- lionen Euro für die Sanierung kommunaler Einrichtungen gestellt werden kann, dass die Städtebauförderung eine 17094 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Bernhard Daldrup (A) latente und dauerhafte Verbesserung der Lebensbedin- Raum. Auch dem muss Städtebauförderung Rechnung (C) gungen und der Lebensqualität der Menschen in Deutsch- tragen. land bewirkt. Darauf legen wir besonderen Wert. Insofern kann man sagen – ich glaube, dem kann man Herzlichen Dank. fraktionsübergreifend zustimmen –, dass viel Gutes in unserem Antrag steht. Deshalb sollten Sie Ihr Votum im (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ausschuss noch einmal überdenken und heute zustim- der CDU/CSU) men. Dann sind wir gemeinsam auf dem richtigen Weg. (Beifall des Abg. Manfred Todtenhausen Vizepräsident Thomas Oppermann: [FDP]) Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Hagen Reinhold für die Fraktion der FDP. Was darf Städtebauförderung nicht sein? Jetzt bin ich beim Antrag der Grünen. Sie darf nicht die kommunale (Beifall bei der FDP) Selbstverantwortung aushöhlen und die Eigenverantwor- tung ad absurdum führen. Wenn ich mit der Städtebau- Hagen Reinhold (FDP): förderung tatsächlich Stadtumbau, Infrastrukturumbau, Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da- Personal im Citymanagement, energetische Sanierung men und Herren! Heute reden wir über den Umgang mit bezahlen will, dann ist das für die Städtebauförderung Boden und die Städtebauförderung. Passend zur schlicht zu viel. Damit nimmt man die aus der Verant- Weihnachtszeit wollte ich besinnlich und versöhnlich an- wortung, die dafür eigentlich zuständig sind. Kommunen, fangen und zuerst einmal die Gemeinsamkeiten heraus- Länder und private Eigentümer – so hat man fast den stellen, also das, was von der Mehrheit dieses Hauses Eindruck – braucht es bald gar nicht mehr; denn der Bund geteilt wird. bezahlt, und alles wird zur Staatsaufgabe. Nicht mit uns, meine Damen und Herren von den Grünen! Das kann Ja, die Städtebauförderung ist eine Erfolgsgeschichte. nicht die Lösung sein. Das ist richtig so, und deshalb muss sie weitergehen. Nicht ohne Grund hat Herr Daldrup hervorgehoben, wer (Beifall bei der FDP) sie damals ins Leben gerufen hat. Aber wir müssen fest- Allein das in diesem Antrag der Grünen Geforderte soll stellen – ich glaube, auch das teilen wir gemeinsam –, 3,2 Milliarden Euro zusätzlich kosten, ohne dass Sie uns dass sie Jahr für Jahr mit immer mehr Aufgaben belegt erklären, wo Sie das zusätzliche Geld hernehmen wollen. wurde und daher immer mehr Erwartungen an die Städte- Wie inkonsequent das ist, zeigen Sie in einem anderen bauförderung herangetragen werden. Sie ist im Laufe der Antrag, der heute mitdiskutiert wird. In diesem Antrag (B) Zeit komplizierter und unflexibler geworden. Deshalb, fordern Sie nämlich, dass man sich aus dem Batzen für (D) Herr Daldrup, wird sich unser Antrag erst dann erledigt die Städtebauförderung 1 Milliarde Euro nimmt, um Bo- haben, wenn genau das nicht mehr der Fall ist. Ich weiß, den zu kaufen. Und schon haben wir die Städtebauförde- dass Schritte in die richtige Richtung unternommen wur- rung um 1 Milliarde Euro erleichtert. den – keine Frage –, aber es gibt noch viel zu tun. Kommen wir gleich zum nächsten Antrag, zum Antrag Zunächst einmal ist herauszustellen – das zeigt gerade der Grünen zum Dachgeschossausbau. Dazu nur ein der Antrag der Grünenfraktion zur Städtebauförderung –: Wort: Sie fordern 10 Prozent Zuschuss bis zu einer För- Wir brauchen die Anbindung all derer, die in der Stadt dersumme von 150 Euro pro Quadratmeter. Das klingt beteiligt sind. Das sind zum großen Teil Hausbesitzer und erst einmal gut. Ich habe gestern im Internet geforscht, Hausbesitzerinnen, was denn zurzeit so ein Dachgeschossrohling kostet. In Berlin liegen wir im Schnitt – ich hatte erst 1 500 Euro (Beifall bei der FDP) geschrieben; damit lag ich viel zu weit darunter – bei 2 500 Euro! Der Käufer wird sich sicherlich freuen, dass genauso wie Wohnungsgesellschaften, Genossenschaf- ten. Alle sind daran beteiligt; denn alle zusammen sind er 150 Euro geschenkt bekommt, meinetwegen auch die Stadt. Deshalb darf ich sie nicht ausschließen. 500 Euro. Das löst aber überhaupt gar nicht das Problem, dass ich bei 2 000 Euro Einstiegspreis nie im Leben einen Ich muss ein Denken in Quartieren, in Siedlungsstruk- bezahlbaren Wohnraum oder ein bezahlbares Eigentum turen als Ansatz wählen. Das ist der richtige Ansatz für am Ende des Tages herausbekomme. Dafür braucht es die Städtebauförderung. ganz andere Maßnahmen, als staatliches Geld zu geben und die teuren Dachgeschossrohlinge zu bezuschussen. Ich muss eine vereinfachte Programmstruktur haben. Absoluter Unsinn! Ja, da geht es in die richtige Richtung. Aber ich brauche auch Antragsverfahren, die gerade kleinere Gemeinden (Beifall bei der FDP) meistern können. Doch davon sind wir zurzeit noch ein Was es braucht, sind genehmigungsfreie Dachgeschos- Stück entfernt. sausbauten, dort, wo dem nicht die Statik entgegensteht. Die GFZ muss überschritten werden. Wir müssen eine (Beifall bei der FDP) Absenkung der Standards haben beim Schall und bei Das Geld muss dorthin fließen, wo es gebraucht wird. der Barrierefreiheit. Wir brauchen schnelle Verfahren, Doch oftmals – so sehe ich das zumindest – fließt das vor allen Dingen auch schnellere B-Pläne, wo wir schon Geld viel leichter in die Stadt, weil es viel interessanter beim schnellen Bauen sind; denn die braucht es zualler- ist, in Ballungsräumen zu investieren als im ländlichen erst. Denn wenn ich sehe, dass die Verwaltung gerade da, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17095

Hagen Reinhold (A) wo sie rot-grün besetzt ist, teilweise sieben, acht, neun den Applaus der SPD gefreut, denn seine Aussage hat bis (C) Jahre für Bebauungspläne braucht – mein Gott! Wie wol- heute nichts an Aktualität und Wahrheit eingebüßt. len Sie denn Ihrem Auftrag überhaupt nachkommen, Wohnraum sicherzustellen? (Beifall bei der LINKEN – Abg. Bernhard Daldrup [SPD] hält ein Buch von Hans-Jochen (Beifall bei der FDP – Alexander Graf Vogel hoch) Lambsdorff [FDP]: Genau so ist es!) Wie kaum jemand hat er um eine andere soziale Boden- Bauleitplanung: Eigentlich ist es rechtswidrig, so lange ordnung gekämpft – und ist bis heute leider gescheitert. bei B-Plänen herumzuhängen. Grund und Boden sind längst zum Spekulationsobjekt verkommen, und das darf einfach nicht sein. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist doch nicht der Normalfall!) (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) Das sind Ihre Verwaltungen und Ihre Regierungen, die so handeln. Wenn in München ein Quadratmeter Boden heute 400- mal mehr kostet als vor 70 Jahren, dann läuft doch grund- Ich will am Ende kurz etwas zum Erbbaurecht sagen. sätzlich etwas schief. In Hamburg muss man für einen Erbbaurecht wird im Antrag der Linken aufgegriffen. Quadratmeter Bauland inzwischen bis zu 3 000 Euro hin- Auch ich glaube, dass es Möglichkeiten für Erbbaurecht blättern. Bei diesen Preisen lässt sich doch beim besten geben muss und dass Hemmnisse abgebaut werden müs- Willen keine bezahlbare Wohnung mehr bauen. Seit dem sen. Aber wenn gerade private Investoren – die brauchen Zweiten Weltkrieg sind die Immobilienpreise enorm ge- wir in diesem Land – langfristig ein Wirtschaftsgut, in stiegen. Circa 80 Prozent dieser explodierenden Kosten diesem Fall Häuser, auf Grundstücke bauen, dann muss gehen übrigens auf explodierende Bodenpreise zurück. ich auch zugestehen, dass sie vielleicht nicht 99 Jahre vorausdenken. Ein Grundstück zu haben, kann aber län- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!) ger als 99 Jahre andauern. Mit zu viel Erbbaurecht – das Deswegen – an die Damen und Herren von der FDP lassen Sie sich gesagt sein – werden es Profis sein, die gerichtet – ist die ganze Rede davon, dass zu viele staat- diese Grundstücke bebauen, und eben nicht die privaten liche Vorschriften das Bauen teurer machen würden, doch Eigentümer. All der Geist, den Sie in Ihren Anträgen ha- nur ein Nebengleis der Debatte. ben, zeigt, wen Sie ausschließen wollen: 20 Prozent näm- lich, Genossenschaften und gemeinnützige Vereine, wol- (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- len Sie in Ihre Politik mit einbeziehen und 80 Prozent in NIS 90/DIE GRÜNEN) (B) diesem Land ausschließen, die den Wohnraum haben: (D) Das sind die Privaten, die wir dringend brauchen. So sieht Wer die Kostenexplosion bei den Mieten, beim Bebauen die neue Koalition in diesem Hause aus, lange nicht so, stoppen will, der muss an die Bodenpreise heran, meine wie Sie annehmen. Damen und Herren. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- NEN]: Völliger Unsinn, Herr Kollege!) neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Darüber sollten Sie sich bewusst werden, wenn Sie nach Diese Koalition wollte eigentlich eine Enquete-Kom- einem Rettungsboot für Ihre Regierungsarbeit suchen. mission unter Einschluss der Opposition einrichten, um das Thema anzugehen. Jetzt haben Sie daraus eine mage- Schönen Dank. re Regierungskommission gemacht mit entsprechend ma- geren Ergebnissen, von denen bis heute noch nichts vor- (Beifall bei der FDP) liegt. (Bernhard Daldrup [SPD]: Die Ergebnisse lie- Vizepräsident Thomas Oppermann: gen vor!) Vielen Dank. – Als Nächste spricht für die Fraktion Die Linke die Kollegin Caren Lay. Deswegen bringen wir als Linke heute unseren eigenen Antrag ein. Für uns ist klar: Die Explosion der Boden- (Beifall bei der LINKEN) preise muss endlich gestoppt werden.

Caren Lay (DIE LINKE): (Beifall bei der LINKEN) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- Dazu brauchen wir erstens einen Privatisierungsstopp. ren! Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres hat die staatliche BImA trotz des vielfach betonten Mangels an Grund- Grund und Boden ist keine beliebige Ware, sondern stücken 500 Grundstücke des Bundes weiter privatisiert. eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz. ... Damit muss endlich Schluss sein, meine Damen und Her- Jeder braucht ihn in jedem Augenblick seines Le- ren. bens wie das Wasser oder die Luft. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Zweitens. Bauland gehört in Gemeinschaftshand. Dieses Zitat stammt vom ehemaligen SPD- Bauminister Hans-Jochen Vogel; ich hätte mich auch über (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!) 17096 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Caren Lay (A) Die Vergabe von öffentlichem Grund und Boden sollte wir die Debatte um eine Vermögensteuer, um eine (C) von nun an nur noch mittels eines sozialen Erbbaurechts Bodenwertzuwachssteuer, um einen Planwertausgleich erfolgen; denn dadurch können die Kommunen, dadurch für die Kommunen wieder aufgreifen; denn Spekulations- kann die Allgemeinheit soziale Vorgaben für die Verwen- gewinne müssen abgeschöpft werden. Nur so schrecken dung machen, und das wird höchste Zeit. wir die Spekulanten ab. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Es wäre also viel besser, sich die Stadt Ulm beispiels- Meine Damen und Herren, selbst Franz Josef Strauß weise zum Vorbild zu nehmen: „Aufkauf statt Verkauf“ sagte 1970 auf einem Parteitag der CSU: heißt dort das Motto einer sozialen Bodenbevorratungs- politik. Ankaufen statt Verscherbeln, das muss endlich Die Grundstückspreise in der Bundesrepublik auch für den Bund gelten. Deutschland steigen in einem Maße, dass es nicht zu verantworten ist, diese Gewinne unversteuert in (Beifall bei der LINKEN – Hagen Reinhold die Taschen einiger fließen zu lassen. [FDP]: Das zeigen Sie ja bei den Wohnungen in Berlin!) Diese Aussage hat nichts an Aktualität verloren. Wir müssen endlich Spekulationsgewinne versteuern. Drittens. Grundstücke kaufen, Bauland bevorraten, da- für ist ein kommunales Vorkaufsrecht ein richtiges Instru- Vielen Dank. ment. Wir wollen, dass es gestärkt wird und dass es unein- (Beifall bei der LINKEN) geschränkt und zu vergünstigten Konditionen gilt; denn die Interessen der Kommunen müssen vor den Interessen der Spekulanten stehen. Vizepräsident Thomas Oppermann: Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion (Beifall bei der LINKEN) der CDU/CSU der Kollege Torsten Schweiger. Viertens. Wenn die Baulandpreise in einigen Städten in zehn Jahren um das Zehnfache steigen, dann muss diese (Beifall bei der CDU/CSU) Preisspirale irgendwann einmal gestoppt werden. Torsten Schweiger (CDU/CSU): (Zuruf von der LINKEN: Genau!) Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kol- Deswegen brauchen wir nicht nur einen Mietendeckel; leginnen! Nachdem wir von meiner Kollegin Emmi wir brauchen auch einen Bodenpreisdeckel, meine Da- Zeulner schon etwas über die große Linie gehört haben, (B) men und Herren. will ich etwas tiefer in die Anträge hineingehen. (D) (Beifall bei der LINKEN) Zunächst einmal haben wir einen Antrag der FDP. Da- rin wird natürlich gefordert, die Fördersystematik in ei- Fünftens muss die Spekulation mit Grund und Boden nigen Teilen anzupassen bzw. neu zu denken. Ich glaube, gestoppt werden. Das fängt beim Kampf gegen Geldwä- das ist bereits umgesetzt; das wurde schon gesagt, aber sche, aber auch bei der Steuervermeidung an. Eine Ver- ich will es wiederholen. Die Städtebauförderprogramme käuferin bei Aldi muss jeden Euro ihres Lohnes ver- haben wir zusammengefasst, um gerade diese Abgren- steuern. Aber wer zehn Jahre sein Grundstück einfach zungsprobleme zu beheben. Die Forderung nach der Aus- liegen lässt, abwartet, auf höhere Mieten wettet und dann richtung nach den siedlungsstrukturellen Regionstypen wartet, bis sich der Wert verdoppelt hat, der muss dann des BBSR kann unserer Meinung nach nicht allein mit die Gewinne nicht versteuern. Das ist doch einfach unge- dem ausschlaggebenden Ansatz belegt sein; denn besser recht, meine Damen und Herren. ist es sicherlich, die Förderschwerpunkte nach den Defi- ziten im Städtebau zu setzen. Das machen die Kommunen (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. bereits. Die angemahnten Aspekte der Stabilisierung, der Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ Revitalisierung und der Aufwertung werden bereits heute DIE GRÜNEN]) in die Wichtung einbezogen. Der geforderten Eigenver- Genau an dieser Stelle wollte Vogel in den 70er-Jahren antwortung der Kommunen wird bereits heute Rechnung ansetzen. Er hat damals zum Beispiel eine getragen. Die Kommunen beantragen ihre Entwicklungs- Bodenwertzuwachssteuer ins Gespräch gebracht. Es träfe schwerpunkte oder für bestimmte Projekte die Förderung also in jedem Fall nicht die Falschen; denn ein Großteil regelmäßig und fortwährend. der ungerechten Vermögensverteilung in diesem Land steckt in Grund und Boden. Den obersten 10 Prozent ge- Eine grundlegende Neuausrichtung in der Städtebau- hören hierzulande 70 Prozent der Immobilien; nur damit förderung, wie im Antrag der Grünen gefordert, brauchen auch klar ist, über welche Leute wir an dieser Stelle spre- wir aus meiner Sicht hingegen nicht. Kaum ein anderes chen. Programm weist über so viele Jahre Erfolg und Kontinui- tät auf. Die angeregten neuen Programme für „Lebendige Die FDP hat es damals als Koalitionspartner in der Orte in Stadt und Land“, für den „Zusammenhalt in der sozialliberalen Koalition verhindert, Sozialen Stadt“, für eine „Nachhaltige Zukunftsstadt“ oder für ein „Gutes Klima im Quartier“ brauchen wir (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ist ja klar!) nicht, und zwar deshalb nicht, weil sie schon da sind. unterstützt von der CDU, die damals in der Opposition Sie heißen bei uns beispielsweise „Soziale Stadt“, sie war. Meine Damen und Herren, es wird höchste Zeit, dass heißen „Stadtumbau“, sie heißen „Aktive Stadt- und Orts- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17097

Torsten Schweiger (A) teilzentren“. Das Programm „Zukunft Stadtgrün“ wurde Auch die ausschließliche Vergabe von Grundstücken (C) bei der aktuellen Zusammenfassung der Programme an Private über Erbbaurecht, wie sie im Antrag gefordert querschnittsübergreifend integriert. wird, ist ein komplettes Aushebeln von marktwirtschaft- lichen Prozessen, und das wäre für den Wohnungsmarkt Auch die geforderten Anreize zur interkommunalen kontraproduktiv. Zusammenarbeit gibt es auf kommunaler Ebene schon, oftmals in Form von Zweckverbänden, die die Kommu- (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nen bilden, beispielsweise natürlich auch mit Förderun- NEN]: Erbbaurecht war immer ein starkes In- gen, die dafür erhalten werden können. strument!) Beim beschriebenen Donut-Effekt, also dem Flächen- Deswegen werden wir das ablehnen. fraß von den Ortschaften am Rand, haben wir die gleiche Vielen Dank. Zielrichtung. Die Bauverwaltungen der Länder sind hier schon seit ein paar Jahren angehalten, die Innenentwick- (Beifall bei der CDU/CSU) lung zu priorisieren. Insbesondere aus den neuen Bundes- ländern ist es mir sehr oft bekannt, dass das Planungsrecht Vizepräsident Wolfgang Kubicki: von Bebauungsplänen, die auf Vorrat zielen, bereits in Vielen Dank, Herr Kollege Schweiger. – Nächster Red- einer Vielzahl von Fällen zurückgeführt wurde und aus ner für die AfD-Fraktion ist der Kollege Udo Wohnflächenausweisungen aus demografischen Gründen Hemmelgarn. zurückgenommen wurden. Integrierte Konzepte, die eine Vielzahl von Kommunen erstellt haben, sind hier die (Beifall bei der AfD) Grundlage. Udo Theodor Hemmelgarn (AfD): Beim geforderten verstärkten Ausbau von Dachge- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- schossen gegen die Wohnungsnot in Ballungsräumen nen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauer auf den Tribü- stimmt die Zielrichtung. Die BauGB-Novelle, die wir ge- nen! Die Städtebauförderung gibt es in Deutschland seit rade in der Regierungskoalition abstimmen und die im fast einem halben Jahrhundert. Es ist bekannt, dass 1 Euro ersten Halbjahr nächsten Jahres kommen soll, soll neben Fördermittel durchschnittlich zu fast 8 zusätzlichen Euro anderen Aspekten auch darauf zielen. Ebenso wird es in privater Investitionen führt. Die Städtebauförderung ist der BauGB-Novelle Änderungen geben, die die Umnut- also durchaus eine Erfolgsgeschichte. Aber wie überall zung oder Wiedernutzung leerstehender Häuser erleich- im Leben bedarf es auch hier eines kritischen Blicks. tern werden. Auf die Diskussion in den Ausschüssen da- (B) zu, wie das am besten gelingt, freue ich mich bereits jetzt. Nach wie vor sind die bestehenden Programme der (D) Städtebauförderung durch viele Überschneidungen und Für die angesprochene Bundesanstalt für Immobilien- Unklarheiten gekennzeichnet. Sie erfordern einen zu ho- aufgaben, BImA, gilt bereits heute, dass Städte und Kom- hen administrativen Aufwand seitens der Kommunen, munen bevorzugt und vergünstigt Angebote aus dem und die abschließende Bewertung – neudeutsch: Evaluie- Grundstücksfonds der BImA erhalten können. Ein Ver- rung – der Projekte bleibt mitunter vage. kaufsmoratorium jedoch, wie es gefordert wird, könnte unserer Meinung nach beim Bauland ein problematischer Und: Auch die Städtebauförderung wird zu einem Fass Aspekt sein. Insofern sollte hier eine ausführliche Abwä- ohne Boden, wenn der Rechtsbruch in unserem Land gung der Erörterung erfolgen. nicht gestoppt wird. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ma- (Bernhard Daldrup [SPD]: Rechtsruck? – Wei- chen wir schon seit Jahren! Jetzt muss endlich terer Zuruf von der SPD: Wir müssen den gehandelt werden!) Rechtsruck stoppen!) Schon der Titel des Antrags der Linken „Bauland in In den letzten Jahren, insbesondere seit 2015, hat die Gemeinschaftshand“ weckt zumindest bei mir problema- Politik der offenen Grenzen bis zu 2 Millionen Men- tische Assoziationen. schen – zum Großteil illegal – in unser Land geführt. Die Städtebauförderung war nie als Reparaturbetrieb für (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gesellschaftliche Probleme dieser Art und dieses Ausma- ßes gedacht. Das kann und soll sie nicht leisten. Das gab es schon einmal; das hieß damals allerdings ein wenig abgewandelt „Junkerland in Bauernhand“. Unter (Beifall bei der AfD) dieser und anderen Parolen führte die kommunistische Die Regierung Merkel hat jedoch nicht vor, die Rück- Partei nämlich die Bodenreform im Bereich der Land- kehr der sogenannten Flüchtlinge in ihre Heimatländer wirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone durch. ins Auge zu fassen. Genau deshalb wird heute zusätzli- cher Wohnraum für Menschen in der Größenordnung von (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) etwa 20 großen Städten à 100 000 Einwohner benötigt. Die Zwangskollektivierung durch die SED in der DDR war dann der Folgeschritt. Ich hoffe nicht, dass der im (Sören Bartol [SPD]: So einfältig!) aktuellen Antrag der Linken unter anderem geforderte Gerade deshalb erst ist die Schaffung von Wohnraum konsequente Stopp der Privatisierung bundeseigener heute wieder zur sozialen Frage geworden. Mehr noch: Grundstücke in die gleiche Richtung zielt. Selbst Innenminister Seehofer hält sie, wie wir es von der 17098 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Udo Theodor Hemmelgarn (A) AfD immer gesagt haben, für die soziale Frage unserer (Beifall bei der AfD) (C) Zeit. (Pascal Meiser [DIE LINKE]: Quatsch!) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist die Aber kann die Städtebauförderung unter diesen Um- Kollegin Claudia Tausend, SPD-Fraktion. ständen überhaupt noch leisten, wofür sie ursprünglich gedacht war? Wenn es nach dem Antrag der Grünen geht, (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. André soll die Städtebauförderung die ganze Welt retten und Berghegger [CDU/CSU]) wird dazu von 790 Millionen Euro auf 3,2 Milliarden Euro vervierfacht. Auch wenn der vorliegende Antrag Claudia Tausend (SPD): rechnerisch nicht ganz stimmig ist, die Absicht dahinter Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da- ist klar: Die politische Instrumentalisierung der Städte- men und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bauförderung, die sozialistisch-ökologische Revolution diskutieren heute ein buntes Potpourri verschiedener An- macht auch hiervor nicht halt. träge, die sich alle im Kern mit dem Thema Wohnungsbau befassen, aber nicht unbedingt in einem direkten Sach- (Sören Bartol [SPD]: Hemmelgarn! zusammenhang stehen; zumindest hat sich der mir nicht Hemmelgarn!) erschlossen. Dazu kommt, dass wir einen Großteil der Die Ernährungswende oder die Bekämpfung des an- Anträge bereits im Ausschuss diskutiert und auch behan- geblich menschengemachten Klimawandels haben in delt haben. der Städtebauförderung überhaupt nichts zu suchen, ge- nauso wenig wie ein Programm „Zusammenhalt in der Neu hinzugekommen ist allerdings ein Antrag der Grü- Sozialen Stadt“ mit einem Volumen von 220 Millionen nen – recht kurzfristig, gestern Nachmittag, dafür umso Euro. Diese Mittel sollen nach den Vorstellungen der umfänglicher. Ich möchte aber heute nachsichtig sein, Grünen auch für nichtinvestive Maßnahmen verwendet nicht nur weil Weihnachten als Friedensfest vor der Tür werden. steht, sondern weil Sie tatsächlich wichtige Fragen an- sprechen, von denen Sie aber nicht wirklich wissen kön- (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nen, dass sie an anderer Stelle bereits intensiv diskutiert NEN]: Genau das ist geschehen in den zurück- und viele der Anregungen bereits aufgegriffen worden liegenden Jahren! War sehr wirkungsvoll!) sind. Das Programm „Demokratie leben!“ reicht also nicht aus, Ich spreche nämlich von der Regierungskommission unser Land umzukrempeln; da muss man wohl noch „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“, (B) nachlegen. Das Steuergeld fremder Leute auf den Kopf die heute schon zitiert worden ist und die ein Jahr lang (D) zu hauen, macht natürlich Spaß. unter Beteiligung der Regierungsfraktionen, der zustän- Wir fordern, dass sich die Städtebauförderung wieder digen Ministerien, der Fachöffentlichkeit und von ausge- auf ihren eigentlichen Kern konzentriert. Dazu muss Fol- wiesenen Experten eine Baugesetzbuchnovelle vorberei- gendes geschehen: tet hat, die wir im neuen Jahr hoffentlich zügig angehen werden können. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich bedaure durchaus – auch das wurde schon ange- NEN]: Das Bund-Länder-Programm „Soziale sprochen –, dass diese Kommission als Regierungskom- Stadt“ ist eine Erfolgsgeschichte!) mission getagt hat und nicht, wie ursprünglich vorgese- Erstens. Die Förderprogramme sind stärker auf kon- hen, als Enquete-Kommission des Bundestags. Denn so krete Problemlagen auszurichten. mussten wir nicht nur auf Ihren Sachverstand aus der Opposition verzichten, sondern wir konnten vor allem Zweitens. Die Fördersystematik ist zu vereinfachen, nicht die dringend notwendige Öffentlichkeit für diese und Förderzwecke sind zu begrenzen. Insbesondere muss Debatte herstellen. Diese werden wir aber jetzt im an- eine Beschränkung auf investive Maßnahmen erfolgen. stehenden Gesetzgebungsverfahren zur Baugesetzbuch- Drittens. Der ländliche und strukturschwache Raum ist novelle herstellen und in diesem Rahmen auch unsere stärker in den Fokus zu nehmen. über die Handlungsempfehlungen des Abschlussberichts festgelegten Vorschläge noch einmal darstellen und dafür Viertens. Die Kommunen müssen in der Lage sein, die werben. geförderten Projekte selbst zu managen, Stichwort „Ent- bürokratisierung“. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Fünftens. Haushaltsrechtliche Hindernisse bei der Rea- Wir werden in diesem Zusammenhang deutlich ma- lisierung mehrjähriger Projekte sind abzubauen. chen, dass wir nicht glauben, dem Wohnraummangel in Deutschland allein über das immer wieder ins Feld ge- In der Verwaltungsvereinbarung für das Jahr 2020 hat führte Motto „Bauen, bauen, bauen“ Herr werden zu kön- gegenüber den Vorjahren bereits eine Veränderung statt- nen. gefunden, nämlich die Konzentration von bisher sieben auf nunmehr drei Förderprogramme. Unter Berücksichti- (Christian Haase [CDU/CSU]: Wichtiges gung unserer eingangs geäußerten Vorstellungen könnte Motto!) das ein erster Anfang sein. Dies folgt einer reinen Marktlogik, die wir so nicht teilen Danke. können; denn im Gegensatz zu Gütern des täglichen Ge- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17099

Claudia Tausend (A) brauchs ist Grund und Boden nicht beliebig vermehrbar. Ich kann Ihnen dieses Buch als Weihnachtslektüre nur ans (C) Deshalb haben wir in der Kommission darauf geachtet, Herz legen. dass der Schwerpunkt nicht allein auf die Instrumente der Baulandmobilisierung gelegt wird, sondern dass in glei- (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ cher Intensität auch über die Frage einer sozialen und DIE GRÜNEN]: Ist das die Programmatik der nachhaltigen Bodenpolitik nachgedacht wird. SPD, dieses Buch? – Dr. Florian Toncar [FDP]: Weniger Sozialismus, mehr Wohneigentum!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) – Kolleginnen und Kollegen, dieses Buch sollten wir alle Meine sehr verehrten Damen und Herren, erst vor we- durcharbeiten; ich lege es Ihnen ans Herz. Nächstes Jahr nigen Tagen ist der neue Immobilienmarktbericht er- werden wir bei der Baugesetzbuchnovelle unsere Vor- schienen, der noch einmal ein eindrucksvolles Schlag- schläge noch präzisieren. licht auf die Entwicklung der Immobilienpreise im (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Land wirft, die regional immer stärker auseinanderdrif- ten. Das ist uns auch bewusst. Daher haben wir eine Ich möchte zum Abschluss kommen mit einem Zitat – zweite Kommission eingesetzt, die sich mit der Herstel- das ist nicht von Hans-Jochen Vogel –: Wohnen ist ein lung gleichwertiger Lebensverhältnisse befasst; denn nie- Menschenrecht, kein Luxusgut. mand soll seine Heimatregion aus Mangel an Zukunfts- Danke fürs Zuhören. und Lebenschancen verlassen müssen. Und – das sage ich ausdrücklich als Großstadtpolitikerin – wir müssen etwas (Beifall bei der SPD) für den ländlichen Raum tun, damit junge Menschen nicht zur Abwanderung in die Städte gezwungen werden. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Vielen Dank. – Als nächster Redner erhält der Kollege Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU] und Manfred Todtenhausen, FDP-Fraktion, das Wort. Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der FDP) NEN]) Manfred Todtenhausen (FDP): Ein Artikel zu diesem Immobilienmarktbericht hatte die plakative Überschrift: Für ein Einfamilienhaus in Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- München könnte man sich anderswo ein ganzes Dorf ren! Ich bin ehrenamtlicher Vorstand einer Wohnungs- kaufen. – Aber: In München kann sich praktisch niemand baugenossenschaft, und deswegen berichte ich aus der mehr ein Einfamilienhaus kaufen, schon gar kein Nor- Praxis. Wer sich auch nur ein bisschen in der Wohnungs- (B) malverdiener. Der Preis für ein Reihenmittelhaus bewegt wirtschaft auskennt, der weiß, dass das Interesse am (D) sich mittlerweile in einer Größenordnung von über 1 Mil- Bauen wegen der aktuellen Rahmenbedingungen leider lion Euro, und auch im Geschosswohnungsbau zahlen Sie deutlich nachgelassen hat. Die Baukosten steigen immer über 7 000 Euro den Quadratmeter; die Mieten sind ent- höher, und der Staat ist dabei der größte Bremser und sprechend hoch. Kostentreiber, mit immer neuen Auflagen. Es gibt genügend Wohnungsunternehmen, die gerne Dies hat seine Ursache aber nicht in den Baukosten, bauen würden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen sondern in der Knappheit von Grund und Boden. Denn, würden. Bei den Grünen und Linken heißen diese Rah- Kolleginnen und Kollegen, es ist klar: Bezahlbare Woh- menbedingungen Mietendeckel und Enteignung. Das ist nungen können nicht auf unbezahlbarem Grund und Bo- nicht nur kontraproduktiv, das ist destruktiv. den entstehen. In München liegt der Anteil der reinen Baukosten an den Gesamtkosten eines Vorhabens derzeit (Beifall bei der FDP – Daniela Wagner bei 20 bis 30 Prozent. Der Anteil des Grundstückspreises [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das nähert sich den 80 Prozent. Und die Bodenpreise sind seit steht nicht im Antrag!) 1950, sehr verehrte Frau Göring-Eckardt, um 39 000 Pro- So schafft man keinen bezahlbaren Wohnraum. Nicht ei- zent gestiegen; das ist die Zahl, die Hans-Jochen Vogel ne neue Wohnung wird dadurch geschaffen. immer wieder ins Feld führt. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Deswegen können wir uns immer wieder an den Vor- NEN]: Sie haben doch auch keinen bezahlbaren schlägen der Baukostensenkungskommission abarbeiten: Wohnraum geschaffen! Was soll das?) Wir werden nur etwas für bezahlbaren Wohnraum tun können, wenn wir an das Thema „Grund und Boden“ Wohnungen bekommt man durch Bauen – wenn es herangehen. Darauf weist Hans-Jochen Vogel immer wie- Grundstücke zu vernünftigen und bezahlbaren Preisen der unermüdlich hin und hat dazu kürzlich ein Buch mit geben würde. Dafür muss es aber ein ausreichendes An- dem Titel „Mehr Gerechtigkeit!“ verfasst. Dort werden gebot geben. In Großstädten ist das sicher problematisch. diese Gedanken noch einmal ausgeführt und präzisiert. Er Wohnraum bekommt man außerdem, wenn Baubehörden fordert nichts anderes als eine neue soziale Bodenord- schneller genehmigen und Verfahren sich nicht über Mo- nung. nate hinaus verzögern würden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Dr. Florian Toncar [FDP]: Mehr Wohneigen- Dazu brauchen die Baubehörden ausreichend Personal. tum!) Dann, ja dann könnten Sie versichert sein, dass private 17100 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Manfred Todtenhausen (A) Unternehmen – kommunale oder Genossenschaften – (Karlheinz Busen [FDP]: Hört! Hört!) (C) ganz schnell anfangen würden, zu bauen und Wohnungen Worum geht es im Kern? Im Kern sagen Sie von den zu vernünftigen Preisen zur Verfügung zu stellen. Grünen, dass der Bund über die BImA eine Vorbildfunk- Es gibt aber noch andere Probleme. Sobald Flächen tion übernehmen soll, eine nachhaltige Liegenschaftspo- ausgewiesen werden sollen, sperren sich die Grünen da- litik ausüben soll gegen. Die grüne Wiese ist Ihnen dann doch lieber als der (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: zusätzliche Wohnraum, der dringend benötigt wird; Genau!) (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Christian und günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen soll. Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Diese Rede hält keinem Faktencheck (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- stand! Das sind nur Allgemeinplätze und Be- SES 90/DIE GRÜNEN) hauptungen!) – Applaus bei den Grünen. – Ich sage Ihnen: Das machen das beobachten wir regelmäßig in unseren Kommunen. wir längst – vielleicht nicht in Ihrem Sinne; aber wir machen es längst –, im Rahmen der gesetzlichen Mög- Noch ein Beispiel aus den vorliegenden Anträgen: Ei- lichkeiten. Sie erwecken den Eindruck, dass die BImA nerseits wollen die Grünen die Städtebauförderung für mit ihren Grundstücken und ihren Immobilien einen maß- energetische Quartierssanierung um 2 Milliarden Euro geblichen Einfluss auf die Grundstücks- und Wohnungs- erhöhen, andererseits wollen sie mehr Milieuschutzge- situation in unserem Land hat. biete. Dort müssen Vermieter alle Umbauten von der Kommune genehmigen lassen – das ist teilweise auch (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- in Ordnung –, aber auch Umbauten zur energetischen NEN]: Sie erwecken den Eindruck, drum he- Modernisierung. Die werden dann häufig verweigert, rumzureden! – Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/ weil sich das zwangsläufig auf die Miete auswirkt. Das DIE GRÜNEN]: Die öffentliche Hand hat ins- ist doch widersprüchlich. Immer mehr Auflagen im Woh- gesamt viel Einfluss darauf! – Gegenruf des nungsbau und immer mehr unübersichtliche, komplizier- Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Hören te Programme in der Städtebauförderung schaffen keinen Sie mal zu!) zusätzlichen Wohnraum. Das Gegenteil ist der Fall: Die BImA ist ein Teil, ein Partner von ganz vielen Spielern auf diesem Gebiet, Vizepräsident Wolfgang Kubicki: und das will ich Ihnen gerne belegen. Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. (B) Sie behaupten, die BImA habe 25 700 Grundstücke. (D) Das ist richtig. Aber Sie erwähnen nicht, dass diese Manfred Todtenhausen (FDP): Grundstücke unterschiedlich sind. Teilweise sind sie nur Wir brauchen einfache und unbürokratische Verfahren. 1 Quadratmeter groß; teilweise werden sie genutzt, um Nur dann schaffen wir Wohnraum zu bezahlbaren Prei- die Erschließung für andere Grundstückskomplexe über- sen. Unser Antrag geht in die richtige Richtung. haupt zu ermöglichen. Das macht einen Riesenunter- schied. Sie können nicht einfach behaupten, 25 700 (Beifall bei der FDP – Sören Bartol [SPD]: Grundstücke stünden für großräumigen Wohnungsbau Nein, das ist ein Rückschritt!) zur Verfügung. Es ist unseriös, etwas in dieser Art zu behaupten. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner hat (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. der Kollege Dr. André Berghegger, CDU/CSU-Fraktion, Dr. Florian Toncar [FDP] – Eckhardt Rehberg das Wort. [CDU/CSU]: So sind die Grünen eben!) In die gleiche Richtung ging die Kollegin Lay von den (Beifall bei der CDU/CSU) Linken vorhin. Sie haben aufgeführt, wie viele Veräuße- rungen – Sie nannten es „Privatisierungen“ – erfolgt sind. Dr. André Berghegger (CDU/CSU): Gucken Sie sich die Fälle mal im Einzelnen an; da werden Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Sie Erstaunliches lernen. Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich würde ganz gerne zu unserer Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Ein weiteres Problem: Die Grundstücke halten sich zu unserer BImA, reden. Die Frage lautet: Alles prima bei nicht an politische Vorstellungen. Die Grundstücke sind der BImA? im ganzen Bundesgebiet, in der ganzen Republik verteilt. Deswegen kann die BImA immer nur punktuell helfen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Wohnraummangel ist doch in den Ballungsgebieten, Oder müssen wir die BImA grundlegend reformieren, wie in den Hotspots zu verzeichnen. Schauen wir uns das es die Grünen beantragen? genauer an, beispielsweise in Berlin, München, Köln, Stuttgart: Da besitzt die BImA 0,28 bis 0,48 Prozent der Als ich den Antrag zur Reform der BImA gelesen habe, Mietwohnungen. Das ist nun kein maßgeblicher Einfluss habe ich festgestellt: Sie haben fast alles aufgeschrieben, auf diesen Wohnungsmarkt. was Sie zur BImA wissen. Teilweise sind die Argumente nur völlig überholt und teilweise realistischerweise über- (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, haupt nicht umzusetzen. aber sie haben viel mehr Grundstücke, viel Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17101

Dr. André Berghegger (A) mehr Fläche! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ nen Verkaufswert von bis zu 0 Euro heruntergehen. (C) DIE GRÜNEN]: Auch wenn es wenig ist: Man Grundstücke können an Dritte weitergegeben werden, kann es trotzdem! Ich verstehe es nicht!) wenn sie die öffentlichen Aufgaben übernehmen. All Sie behaupten, der Bund beteilige sich an der Preis- das fordern Sie in Ihrem Antrag. treiberei und unterstütze die Kommunen nicht ausrei- Ich komme zu folgendem Zwischenergebnis: Die BI- chend. Das, finde ich, ist ehrlicherweise ein starker Vor- mA ist äußerst flexibel und kommunalfreundlich. Vom wurf und großer Unfug. Lesen Sie einmal die Hausmeister über die Reinigungskraft bis zum Verbilligungsrichtlinie, die Jahr für Jahr erweitert wird. Bundesförster wird ein verdammt guter Job gemacht. Seit 2012 können entbehrliche Grundstücke an die Kom- Das kann man an dieser Stelle einmal sagen. munen beim Erstzugriff zum Verkehrswert veräußert werden. Das ist ein Privileg. Die Kommunen müssen sich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nicht dem Wettbewerb mit privaten Investoren stellen. ordneten der SPD) (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- In einem Punkt komme ich Ihnen entgegen: Die Ver- NEN]: Das ist auch gut so!) billigungsrichtlinie ist sehr kompliziert und komplex. Lassen Sie sie uns angehen, vereinfachen und zusammen- Konversionsliegenschaften können unter Verkehrswert fassen, dann ist sie für alle und auch für Sie viel verständ- veräußert werden; das gilt ebenfalls zum Zwecke des licher. Lassen Sie uns da einen Schritt nach vorne gehen. sozialen Wohnungsbaus. Und die kommunale Nachfrage steigt: Allein in den ersten drei Vierteln dieses Jahres sind (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- genauso viele Verkaufsfälle zu verzeichnen wie in insge- NEN]: Aha!) samt zwei Jahren zuvor. Warten Sie doch einmal ab, und Inhaltlich können wir mit der BImA alles leisten, was Sie nehmen Sie diese Entwicklung zur Kenntnis. sich vorstellen. (Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast Ich komme zur Ausgangsfrage zurück –: [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch mal zur Sache! – Bernhard Daldrup [SPD]: Den Mietendeckel gibt es auch noch!) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Nein, Herr Kollege, Sie kommen jetzt bitte zum Die BImA betreibt eine aktive Wohnungsfürsorge für Schluss. die Bundesbediensteten. Die Miete in hochpreisigen La- gen wird an der unteren Grenze des Mietpreisspiegels bemessen; dazu haben wir im Haushaltsausschuss Be- Dr. André Berghegger (CDU/CSU): (B) schlüsse gefasst. Alles prima bei der BImA? – Nein, aber wir sind auf (D) einem guten Weg. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sind Sie eigentlich deren Pressespre- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- cher, oder so?) ordneten der SPD) Die BImA erwirbt Belegungsrechte für ihre Bediensteten. Sogar bei angespannten Wohnungsmarktsituationen Vizepräsident Wolfgang Kubicki: steigt sie in den Wohnungsbau ein, um bezahlbaren Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächste Rednerin hat Wohnraum für Bundesbedienstete zur Verfügung zu stel- das Wort die Kollegin Daniela Wagner, Bündnis 90/Die len. Das nenne ich eine Vorbildwirkung, und das müssen Grünen. Sie einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU – Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird doch Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gar nicht bestritten!) Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Städte, und nicht nur unsere, stehen von zwei Der Wohnungsbestand wird auch nicht mehr veräußert, Seiten unter Druck: durch Wohnraumbedarf und bauliche sondern gehalten, saniert und hergerichtet. Immer wird Verdichtung einerseits, durch zunehmende Extremwette- der Kontakt zunächst mit den Kommunen gesucht. rereignisse andererseits. Die Bauland- und Wohnungskri- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- se ist längst die soziale Frage unserer Zeit und hinterlässt NEN]: Nachdem sie gerade verkauft haben!) Spuren in unseren Städten: Wohnungssuchende finden nur schwer bezahlbare Wohnungen; kleine Handwerks- – Frau Künast, hören Sie doch einmal zu. betriebe, Kitas und Kultureinrichtungen werden ver- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- drängt. Alles, was unsere Stadtviertel attraktiv macht, NEN]: Ich höre zu!) geht nach und nach verloren. Meine sehr verehrten Kol- leginnen und Kollegen, das darf so nicht bleiben. Erst wenn mit den Kommunen keine gemeinsame Lösung erarbeitet werden kann, werden andere Interessenten ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sucht. Gleichzeitig bleiben kaufkräftige Bürger zunehmend Die Grünen fordern Dinge, die schon längst umgesetzt unter sich. Wenn wir den steigenden Bodenpreisen taten- worden sind. Der verbilligte Erwerb kann bei Grund- los zuschauen, gefährden wir den sozialen Zusammenhalt stücken unter bestimmten Voraussetzungen sogar auf ei- in Deutschland. Wir wollen und müssen eine gute soziale 17102 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Daniela Wagner (A) Mischung und Lebensqualität erhalten; das ist eine Mietendeckel sind. Das finde ich gut. Das freut mich als (C) Grundvoraussetzung für gesellschaftlichen Zusammen- Berliner, glauben Sie mir. halt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der FDP) Dafür brauchen wir mehr Kontrolle über Grund und Bo- Meine Damen und Herren, wir sprechen heute über den, ein nicht vermehrbares Gut. Wir müssen Flächen- eine Vielzahl von Anträgen und eine Vielzahl von The- potenziale heben und einer gemeinwohlorientierten Be- men: Wohnpreise, Dachgeschossausbau, mehr Bauland, bauung zuführen. Teurer Boden bringt keine preiswerten Städtebauförderung. Ich freue mich, dass wir darüber Wohnungen hervor, die brauchen wir aber. Wenn Sie ge- sprechen; denn diese Koalition aus CDU/CSU und SPD gen ein schärferes Baugebot sind, was ist denn Ihre Ant- hat diese Themen alle auf dem Schirm, und wir arbeiten wort auf die Spekulation mit Grundstücken? auch daran. (Karlheinz Busen [FDP]: Sie regieren in Ber- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- lin!) ordneten der SPD) Wenn Sie kommunale Vorkaufsrechte nicht ausweiten Wir haben auf dem Wohngipfel klargemacht, dass Bauen und stärken wollen, was ist Ihre Antwort auf all diese und Wohnen in dieser Legislaturperiode höchste Priorität Probleme? Wenn Sie in Millieuschutzgebieten keine haben. Vieles, was wir auf dem Wohngipfel mit den Län- Mietobergrenze einführen wollen, was ist dann Ihre Ant- dern und mit den Kommunen beraten haben, ist längst in wort auf die zunehmende Segregation in unseren Städten? der Umsetzung. So werden Sie den sozialen Zusammenhalt nicht stärken. Heute wurden schon ganz oft die Baulandkommission, Zusätzlich werden unsere Städte im Sommer zu Hitze- die Reform des Baugesetzbuches und vieles andere ange- inseln: In Ballungsräumen liegen die Maximaltemperatu- sprochen. Ich möchte mich ganz herzlich bei unserem ren bis zu 10 Grad höher als im Umland. Dazu kommen Bundesminister Horst Seehofer, aber vor allen Dingen Extremwetterereignisse wie Starkregen und Stürme. Das auch bei seinem Staatssekretär Marco Wanderwitz bedan- alles zeigt: Wir müssen Städte neu denken, neu gestalten. ken. Ich finde, die Baulandkommission hat eine ganz Dafür sollten wir die transformative Kraft der Städte nut- hervorragende Arbeit geleistet, die wir jetzt in die Gesetz- zen, sie für die Folgen des Klimawandels wappnen und gebung bringen; Bernhard Daldrup hat es schon gesagt. im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen Gleich zu Beginn des nächsten Jahres gehen wir da ran, gestalten, zum Beispiel durch Stadtgrün mit Wasserflä- und vor der Sommerpause, lieber Herr Kühn, werden wir ein ganz tolles neues Baugesetzbuch haben, das schnell- (B) chen und Frischluftschneisen. Sie wirken wie große Kli- (D) maanlagen, und die brauchen wir unbedingt in unseren eres Bauen ermöglicht, das mehr Bauen ermöglicht, das Städten. auch den Boden mit in den Blick nimmt. Daher freue ich mich schon richtig auf das kommende Jahr. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Außerdem brauchen wir mehr klimafreundliche und der SPD) bezahlbare Mobilität in den Städten und im ländlichen Raum. Darauf müssen wir das BauGB, die Baunutzungs- Ich will auf einige Punkte aus den Anträgen der Op- verordnung, die Städtebauförderung, das GVFG und vie- position eingehen. le andere Rechtsnormen ausrichten, und das konsequent Der erste Punkt – Sie haben es angesprochen –: Boden- und noch viel spürbarer als bisher. Die Debatte um die preise. Ja, auch wir als Koalition – das haben wir im BauGB-Novelle wird insofern spannend. letzten Koalitionsausschuss vereinbart – wollen die Spe- Wir wollen keine Privatisierung der Städtebauförde- kulationen eindämmen. Ja, wir haben gesagt, wir wollen rung wie die FDP, und wir wollen auch keinen Mieten- die Grundsteuer C so gestalten, dass sie auch etwas deckel und auch keine Enteignung. Davon steht auch bringt. nichts im Antrag. – Punkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ich schaue in Richtung Grüne und in Richtung Linkspar- tei. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Vielen Dank, Frau Kollegin Wagner. – Als letzter Red- Linke oder Linksfraktion!) ner zu diesem Tagesordnungspunkt hat das Wort der Kol- – Sehr gerne auch Linksfraktion; das macht es aber nicht lege Kai Wegner, CDU/CSU-Fraktion. besser. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich sage Ihnen: Auch Länder und Kommunen müssen aufhören, Preistreiber beim Boden zu sein. Wenn ich Kai Wegner (CDU/CSU): sehe, wie hoch die Grunderwerbsteuern sind, gerade in Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- den Ländern, wo auch Sie Verantwortung tragen, dann ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau können wir mit gutem Gewissen sagen: Auch die Linke Wagner, ich bin ja geradezu erleichtert, kurz vor Weih- ist Preistreiber in den Ländern, wo sie Verantwortung nachten von einer Grünen zu hören, dass Sie gegen den trägt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17103

Kai Wegner (A) (Beifall bei der CDU/CSU) Mittel des Bundes zur Verfügung stellen; es wird nicht (C) gelingen. Das ist nicht in Ordnung. Sie müssen schon konsistent handeln. Sie verknappen Bauland in den Ländern, in de- (Beifall bei der CDU/CSU) nen Sie Verantwortung tragen. Auch das Verknappen von Bauland führt am Ende zur Steigerung der Kosten. Des- Lassen Sie uns gemeinsam weiter daran arbeiten. Wir wegen kann ich Ihnen nur zurufen: Verwalten Sie dort, wo als Koalition von CDU/CSU und SPD machen das. Las- Sie Verantwortung tragen, nicht immer nur den Mangel, sen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, – sondern nutzen Sie endlich die guten Instrumente, die wir Ihnen als Koalition, als Bund zur Verfügung stellen. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Wer hat Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss bitte. denn die ganze Zeit regiert in Berlin?) Kai Wegner (CDU/CSU): – In Berlin hat die Linkspartei von 2001 bis 2011 regiert, – dass mehr Wohnraum entsteht, dass Wohnen bezahl- liebe Kollegin. bar bleibt, dass wir für diejenigen, die Eigentum erwerben (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Danach? möchten, gute Instrumente in die Hand nehmen. Davor und danach?) Lassen Sie uns für die Wohnraum schaffen, – Jetzt aktuell regiert die Linkspartei schon wieder. (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Wie Vizepräsident Wolfgang Kubicki: lange haben Sie in Berlin regiert?) Herr Kollege, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss. Wir haben in Berlin die geringste Zahl an Baugenehmi- gungen seit vielen Jahren, und die Bausenatorin heißt Kai Wegner (CDU/CSU): Lompscher von der Linkspartei, liebe Kollegin. – die morgens aufstehen und das Land am Laufen hal- ten, und für die, die wenig haben. Die brauchen nämlich (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Abg. unsere Unterstützung. Pascal Meiser [DIE LINKE] meldet sich zu ei- ner Zwischenfrage) Herzlichen Dank und schöne Weihnachten! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: ordneten der SPD) (B) Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der (D) Fraktion Die Linke? Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Die Fraktion Die Linke hat für den Kollegen Pascal Kai Wegner (CDU/CSU): Meiser eine Kurzintervention beantragt, die ich zulasse. Nein, danke. Das können Sie nachher machen. – Ich scheine Sie ja getroffen zu haben. Ich wollte das gar nicht Pascal Meiser (DIE LINKE): sagen, aber ich schaue gerne einmal auf Ihr Bundesland Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Wegner, Sie haben Thüringen, wo Sie den Ministerpräsidenten gestellt ha- hier schon wieder das Märchen verbreitet, dass die ben. Wir haben dort in den letzten Jahren den geringsten Berliner Stadtentwicklungssenatorin, Frau Lompscher, Abfluss an Bundesmitteln für die soziale Wohnraumför- den Wohnungsbau in Berlin blockiert. Das ist nachweis- derung. Dort tragen Sie schon so lange Verantwortung. lich falsch. Handeln Sie endlich, auch in Thüringen, und nutzen Sie die Mittel des Bundes für die Wohnraumförderung. (Beifall bei der LINKEN – Stefan Müller [Er- langen] [CDU/CSU]: Das ist richtig! – Weitere (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Zurufe von der CDU/CSU und der FDP) ordneten der FDP) Ich frage Sie – Sie sind ja Berliner, wie ich auch –, ob Das ist doch zynisch, was Sie hier machen. Ihnen bekannt ist, dass die Baugenehmigungen in Berlin Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das nicht von der Landesregierung, sondern von den Bezirken Thema Dachgeschossausbau. Auch hier machen wir ganz erteilt werden. Ich frage Sie, ob Ihnen bekannt ist, wie die viel. Wir schaffen die Voraussetzungen; ich nenne die Statistik der Berliner Bezirke dazu aussieht. Ich frage Sie Sonder-AfA. Ich bin gerne auch bereit, über Investitions- auch, ob Ihnen bekannt ist, dass die CDU-geführten Be- zulagen nachzudenken, das steht ja auch in einem Antrag. zirke diejenigen sind, die die wenigsten Baugenehmigun- gen erteilen. Aber, meine Damen und Herren, auch hier gilt: Ent- scheidend ist nicht, was man nicht macht, sondern ent- (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der scheidend ist der politische Wille, ist, dass man es auch LINKEN: Hört! Hört!) will. Wir könnten in vielen Städten so viel Dachgeschoss- Ich frage Sie: Wissen Sie das? Und wenn Sie das wis- ausbau betreiben! Aber wenn die verantwortliche Senato- sen: Warum verbreiten Sie dann hier solche Unwahrhei- rin – da bin ich wieder bei Frau Lompscher – es verhin- ten? dert, wenn Länder und Kommunen es nicht zuverlässig umsetzen, dann können wir die besten Instrumente und (Beifall bei der LINKEN) 17104 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: im nächsten Jahr eine Baugenehmigung bekommt. Ich (C) Herr Kollege Wegner, wollen Sie antworten? – Ja, Sie hoffe, das wird erfolgreich. wollen antworten. Sie haben das Wort. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – (Caren Lay [DIE LINKE]: Sozialwohnungen in Dr. Florian Toncar [FDP]: Das ist noch nicht Zehlendorf!) gesagt! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das ist in Mitte! – Zuruf der Abg. Dr. Franziska Kai Wegner (CDU/CSU): Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Herr Präsident, das kann ich mir doch gar nicht ent- – Er hat ja auch vom Bezirk Mitte gesprochen, und der gehen lassen. Bezirksbürgermeister von Mitte ist ein Grüner. Das weiß (Timon Gremmels [SPD]: Hat er recht?) ich aus eigener Erfahrung. Ich hoffe, Sie nehmen zur Kenntnis, lieber Herr Kollege, Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit schließe ich dass wir, seitdem Frau Lompscher den Mietendeckel ins die Aussprache. Spiel gebracht hat Wir kommen zur Abstimmung. (Zuruf von der LINKEN: Geben Sie doch mal eine Antwort auf die Frage!]) Tagesordnungspunkte 11 a und 11 e. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/ und dieser in der Beratung ist, die Baugenehmigungszah- 16047 und 19/16043 an die in der Tagesordnung aufge- len in ganz Berlin um mehr als 50 Prozent eingebrochen führten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Über- sind. weisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ver- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist kei- fahren wir wie vorgeschlagen. ne Antwort auf die Frage! – Helin Evrim Tagesordnungspunkt 11 b. Abstimmung über die Be- Sommer [DIE LINKE]: Antworten Sie auf die schlussempfehlung des Ausschusses für Bau, Wohnen, Frage!) Stadtentwicklung und Kommunen auf Drucksache 19/ – Ja, kommt doch gleich. 16150. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der (Caren Lay [DIE LINKE]: Mehr Sozialwoh- Fraktion der FDP auf Drucksache 19/9930 mit dem Titel nungen in Zehlendorf! Ich bin gespannt!) „Städtebauförderung neu denken“. Wer stimmt für diese Ich hoffe, Sie nehmen auch zur Kenntnis, dass die Ge- Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- (B) nossenschaften in Berlin – und das sind nicht die tungen? – Keine. Dann ist diese Beschlussempfehlung (D) schlimmen Heuschrecken – für das kommende Jahr gegen die Stimmen der AfD-Fraktion und der Fraktion 6 000 neue Wohnungen geplant hatten. Sie haben 4 000 der FDP mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des zurückgezogen; jetzt sind es nur noch 2 000. Das ist die Hauses angenommen. Politik Ihrer Bausenatorin Lompscher! Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp- Sie sprachen auch die Baugenehmigungen an. Es ist fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrages der falsch, was Sie sagen. Und eins kann ich Ihnen sagen: Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/ In den Bezirken Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg, 13071 mit dem Titel „Stadtentwicklung mit nachhaltiger Städtebauförderung zukunftsfest ausrichten“. Wer stimmt (Zuruf des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE]) für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – wo die Grünen den Bezirksbürgermeister stellen, wurde Enthaltungen? – Keine. Dann ist diese Beschlussempfeh- im Jahr 2017 kein einziges Bebauungsplanverfahren ab- lung gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und geschlossen. Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Hört! Hört! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Tagesordnungspunkt 11 c. Beschlussempfehlung des Da ist doch alles zugebaut!) Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Ich finde, auch das ist sehr interessant. Die Grünen mit dem Titel „Sofortprogramm Baufläche- Und das würde ich gerne an die rot-rot-grüne Koalition noffensive – Hunderttausend Dächer und Häuser Pro- mitgeben: Berlin braucht mehr Wohnungsbau, nicht we- gramm“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- niger. empfehlung auf Drucksache 19/11221, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/ (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- 6499 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussemp- neten der AfD und der FDP – Helin Evrim fehlung? – Wer stimmt dagegen? – Dann ist diese Be- Sommer [DIE LINKE]: Ha, ha, ha!) schlussempfehlung gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenom- 1) Vielen Dank, Herr Kollege Wegner. – Ich darf Ihnen men. von meiner Seite aus versichern, dass wir uns darum be- mühen werden, dass der Deutsche Bundestag jedenfalls 1) Anlage 4 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17105

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Tagesordnungspunkt 11 d. Beschlussempfehlung des e) Beratung des Antrags der Abgeordneten (C) Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bünd- Stephan Protschka, Peter Felser, Franziska nis 90/Die Grünen mit dem Titel „Bundesanstalt für Im- Gminder, weiterer Abgeordneter und der mobilienaufgaben nachhaltig ausrichten und zu einem ge- Fraktion der AfD meinnützigen Bundesbodenfonds weiterentwickeln“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Verbesserung der Tierschutzkontrollen in Drucksache 19/15158, den Antrag der Fraktion Bünd- der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung nis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/11147 abzulehnen. Drucksache 19/16055 Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer Überweisungsvorschlag: stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Dann ist diese Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Beschlussempfehlung gegen die Stimmen der Fraktion Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit f) Beratung des Antrags der Abgeordneten den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses ange- Stephan Protschka, Wilhelm von Gottberg, nommen. , weiterer Abgeordneter Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a bis 26 f sowie und der Fraktion der AfD Zusatzpunkte 17 a bis 17 d auf: Investitionsförderung für Maschinen- und 26 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung Betriebshilfsringe aus der Gemeinschafts- eingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset- aufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz zes zur Änderung des Gemeindeverkehrs- ermöglichen finanzierungsgesetzes Drucksache 19/16056 Drucksache 19/15621 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen ZP 17 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO Hagen Reinhold, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der b) Erste Beratung des von der Bundesregierung Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünften Ge- setzes zur Änderung des Regionalisie- Wohnungs- und Obdachlosigkeit in rungsgesetzes Deutschland gemeinschaftlich beenden (B) Drucksache 19/15622 Drucksache 19/16036 (D)

Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO b) Beratung des Antrags der Abgeordneten c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Andrew Ullmann, Michael Theurer, Katja Suding, Dr. Jens Brandenburg (Rhein- Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter Neckar), Mario Brandenburg (Südpfalz), und der Fraktion der FDP weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Notfallversorgung neu denken – Jede Mi- nute zählt Universitäre Vorbereitungskurse für ge- flüchtete Lehrerinnen und Lehrer Drucksache 19/16037 Drucksache 19/15898 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten zung (f) Katja Hessel, Christian Dürr, Dr. Florian Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Inneres und Heimat Toncar, weiterer Abgeordneter und der Frak- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend tion der FDP Haushaltsausschuss Gemeinnützigkeit mitglieder- und ge- d) Beratung des Antrags der Abgeordneten schlechtsunabhängig stärken Andreas Bleck, Karsten Hilse, Dr. Heiko Wildberg, weiterer Abgeordneter und der Drucksache 19/16038 Fraktion der AfD Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Aufnahme des Kalikokrebses in die Liste Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz invasiver gebietsfremder Arten von unio- nsweiter Bedeutung d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ingrid Nestle, Dieter Janecek, Drucksache 19/16054 Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abgeord- Überweisungsvorschlag: neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit GRÜNEN 17106 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Chancen der Digitalisierung für die Ener- Drucksache 19/15856 (C) giewende nutzen – Einbau von Smart-Me- tern im Sinne der Verbraucherinnen und Es handelt sich um 98 Petitionen. Verbraucher ausgestalten Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- Drucksache 19/16048 hält sich? – Dann ist diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Frak- Überweisungsvorschlag: tion Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übri- Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz gen Fraktionen des Hauses angenommen. Ausschuss Digitale Agenda Tagesordnungspunkt 27 d: Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu Sammelübersicht 426 zu Petitionen überweisen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? – Drucksache 19/15857 Das ist erkennbar nicht der Fall. Dann verfahren wir so. Es handelt sich um 13 Petitionen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 27 a bis 27 o sowie Zusatzpunkte 18 a und 18 b, 19 sowie 20 a bis 20 t auf. Es Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu tungen? – Keine. Dann ist diese Sammelübersicht gegen denen keine Aussprache vorgesehen ist. – Ich bitte wirk- die Stimmen der AfD-Fraktion mit den Stimmen der üb- lich um Aufmerksamkeit bei der Geschwindigkeit des rigen Fraktionen des Hauses angenommen. Verfahrens, das ich bereit bin an den Tag zu legen. Tagesordnungspunkt 27 e: Tagesordnungspunkt 27 a: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- ausschusses (2. Ausschuss) richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (16. Ausschuss) zu dem Sammelübersicht 427 zu Petitionen Antrag der Abgeordneten Karlheinz Busen, Drucksache 19/15858 Dr. Gero Clemens Hocker, Carina Konrad, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Es handelt sich um sieben Petitionen. (B) Wälder schützen – Rodungen für die Wind- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- (D) kraft stoppen hält sich? – Dann ist diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Fraktionen der AfD und der Linken bei Ent- Drucksachen 19/2802, 19/16146 haltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit den Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenom- lung auf Drucksache 19/16146, den Antrag der Fraktion men. der FDP auf Drucksache 19/2802 abzulehnen. Wer Tagesordnungspunkt 27 f: stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Dann ist diese Be- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- schlussempfehlung gegen die Stimmen der AfD-Fraktion ausschusses (2. Ausschuss) und der Fraktion der FDP mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. Sammelübersicht 428 zu Petitionen Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Peti- Drucksache 19/15859 tionsausschusses, Tagesordnungspunkte 27 b bis 27 o. Das ist eine Petition. Sammelübersicht zu einer Peti- Tagesordnungspunkt 27 b: tion, das ist auch gut. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Bevor wir zur Abstimmung über die Sammelübersicht ausschusses (2. Ausschuss) kommen, erteile ich dem Kollegen Marian Wendt das Wort zur ergänzenden Berichterstattung. – Herr Kollege Sammelübersicht 424 zu Petitionen Wendt, Sie haben das Wort. Drucksache 19/15855 (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es handelt sich hier um 112 Petitionen. Marian Wendt (CDU/CSU): Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Keiner. Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Einstimmig so beschlossen. Präsident! Heute auf den Tag genau vor 30 Jahren sprach Tagesordnungspunkt 27 c: Helmut Kohl in Dresden: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Und auch das lassen Sie mich hier auf diesem tradi- ausschusses (2. Ausschuss) tionsreichen Platz Sammelübersicht 425 zu Petitionen – in Dresden vor den Trümmern der Frauenkirche – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17107

Marian Wendt (A) sagen: Mein Ziel bleibt – wenn die geschichtliche Drucksache 19/15860 (C) Stunde es zulässt – die Einheit unserer Nation. Es handelt sich um zwei Petitionen. 30 Jahre nach der deutschen Einheit, meine Damen und Herren, liegt uns eine Petition vor, die die Einrichtung der Wer stimmt dafür? – Damit ist die Sammelübersicht Funktion eines Beauftragten der Bundesregierung für 429 einstimmig angenommen. SED-Opfer fordert. Wir haben im Petitionsausschuss ein- Tagesordnungspunkt 27 h: stimmig beschlossen – alle Fraktionen dieses Hauses –, diese Petition der Bundesregierung zur Erwägung zu Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- überweisen. ausschusses (2. Ausschuss) Wir als Ausschuss – und ich hoffe, Sie, liebe Kollegin- Sammelübersicht 430 zu Petitionen nen und Kollegen, können dieser Sammelübersicht und diesem Votum zustimmen – sind der Meinung, dass es Drucksache 19/15861 diese Institution braucht. Wir gemeinsam haben bereits Das sind acht Petitionen. am 26. September und am 7. November die Einrichtung dieser Institution gefordert und möchten, dass dies nun Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ich stelle auch zügig umgesetzt wird. Gerade im 30. Jahr der deut- fest: Gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke ist mit schen Einheit braucht es diese zentrale Anlaufstelle für den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses die Sam- alle Menschen, die Opfer der sozialistischen Diktatur ge- melübersicht 430 angenommen. worden sind, und für die Menschen, die darüber noch aufgeklärt werden müssen, zum Beispiel in Schulen, Tagesordnungspunkt 27 i: was in dieser Diktatur, in diesem Unrechtsstaat passiert Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ist, damit dieses Wissen weitergetragen wird. ausschusses (2. Ausschuss) Die Menschen müssen wissen, dass es 1,4 Millionen Sammelübersicht 431 zu Petitionen Minen an der innerdeutschen Grenze gab, dass es 55 000 Selbstschussanlagen gab, dass mindestens 136 Menschen Drucksache 19/15862 allein an der Berliner Mauer gestorben sind, dass es Zwangskollektivierungen gab, dass es Zwangsumerzie- Das sind sieben Petitionen. hung der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere von Kin- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann ist dern und Jugendlichen, mit Gewalt gab, dass 221 Todes- diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Fraktion urteile gesprochen wurden, dass Hunderttausende (B) Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit (D) Menschen verfolgt, erniedrigt wurden und noch heute den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses ange- daran leiden. Daran müssen wir erinnern. Den Opfern nommen. müssen wir eine zentrale Anlaufstelle geben, damit die von uns beschlossenen Verbesserungen gerade im Be- Tagesordnungspunkt 27 j: reich der strafrechtlichen Rehabilitierung umgesetzt wer- den können. Die Opfer und die Betroffenen müssen einen Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- zentralen Ansprechpartner haben. ausschusses (2. Ausschuss) Deswegen fordert die Petentin, Frau Christiane Wirth Sammelübersicht 432 zu Petitionen aus Düsseldorf, die Einrichtung der Funktion eines Be- Drucksache 19/15863 auftragten für die SED-Opfer bei der Bundesregierung. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich diesem Votum – zur Das sind sechs Petitionen. Erwägung – anschließen, das wir im Petitionsausschuss einstimmig beschlossen haben. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann ist diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Fraktio- Vielen Dank. nen der FDP, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses an- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie genommen. bei Abgeordneten der AfD und der FDP) Tagesordnungspunkt 27 k: Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Vielen Dank, Herr Kollege Wendt. ausschusses (2. Ausschuss) Wir kommen nun zur Abstimmung über die Sammel- Sammelübersicht 433 zu Petitionen übersicht 428. Wer stimmt dafür? – Ich stelle fest: Damit ist die Sammelübersicht 428 einstimmig angenommen. Drucksache 19/15864 Tagesordnungspunkt 27 g: Es handelt sich um elf Petitionen. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ich stelle ausschusses (2. Ausschuss) fest: Diese Sammelübersicht ist gegen die Stimmen der AfD-Fraktion mit den Stimmen der übrigen Fraktionen Sammelübersicht 429 zu Petitionen des Hauses angenommen. 17108 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Tagesordnungspunkt 27 l: Grundrechtsschutz in der Sicherheitskoopera- (C) tion mit dem Vereinigten Königreich nach dem Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Brexit ausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 434 zu Petitionen Drucksachen 19/5528, 19/16142 Drucksache 19/15865 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- lung auf Drucksache 19/16142, den Antrag der Fraktion Das sind 18 Petitionen. der FDP auf Drucksache 19/5528 abzulehnen. Wer Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt tungen? – Keine. Dann ist diese Sammelübersicht gegen dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschluss- die Stimmen der Fraktionen der AfD, der Linken und von empfehlung bei Enthaltung der Fraktionen der AfD und Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übrigen der Linken gegen die Stimmen der Fraktionen der FDP Fraktionen des Hauses angenommen. und von Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD angenommen. Tagesordnungspunkt 27 m: Zusatzpunkt 18 b: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Sammelübersicht 435 zu Petitionen richts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu der Verordnung der Bundesregierung Drucksache 19/15866 Verordnung zur Bestimmung von Mindestan- Es handelt sich um vier Petitionen. forderungen für energetische Maßnahmen bei Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäu- hält sich? – Dann ist diese Sammelübersicht bei Enthal- den nach § 35c des Einkommensteuergesetzes tung der Fraktionen der AfD und der FDP mit den Stim- (Energetische Sanierungsmaßnahmen-Ver- men der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. ordnung – ESanMV) Tagesordnungspunkt 27 n: Drucksachen 19/15312, 19/15584 Nr. 2, 19/16141 Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- lung auf Drucksache 19/16141, der Verordnung der Bun- (B) Sammelübersicht 436 zu Petitionen (D) desregierung auf Drucksache 19/15312 zuzustimmen. Drucksache 19/15867 Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese Das ist eine Petition. Beschlussempfehlung bei Enthaltung der Fraktionen der Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- FDP und der Linken gegen die Stimmen der AfD mit den tungen? – Keine. Dann ist diese Sammelübersicht gegen Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grü- die Stimmen der Fraktionen der AfD und der FDP mit den nen angenommen. Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenom- men. Zusatzpunkt 19: Tagesordnungspunkt 27 o: Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahl- prüfung, Immunität und Geschäftsordnung Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- (1. Ausschuss) ausschusses (2. Ausschuss) zur Auslegung der Geschäftsordnung Sammelübersicht 437 zu Petitionen Drucksache 19/15868 hier: Amtsende eines Ausschussvorsitzenden Das sind drei Petitionen. Drucksache 19/15076 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- Wer stimmt für die Auslegungsentscheidung in dem tungen? – Keine. Dann ist diese Sammelübersicht gegen Bericht auf Drucksache 19/15076? – Wer stimmt dage- die Stimmen von AfD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/ gen? – Dann stelle ich fest, dass gegen die Stimmen der Die Grünen mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD AfD-Fraktion mit den Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen. des Hauses diese Auslegung der Geschäftsordnung ange- nommen ist. Zusatzpunkt 18 a: Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Zusatzpunkte 20 a bis 20 t. Wir kommen zu weiteren richts des Ausschusses für Inneres und Heimat Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Zusatzpunkt 20 a: Konstantin Kuhle, Stephan Thomae, Alexander Graf Lambsdorff, weiterer Abgeordneter und Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- der Fraktion der FDP ausschusses (2. Ausschuss) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17109

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Sammelübersicht 438 zu Petitionen Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann (C) stelle ich fest, dass gegen die Stimmen der AfD-Fraktion Drucksache 19/16118 mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses die- Das sind 113 Petitionen. se Sammelübersicht angenommen ist. Wer stimmt dafür? – Ich stelle fest, dass diese Sammel- Zusatzpunkt 20 g: übersicht einstimmig angenommen ist. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Zusatzpunkt 20 b: ausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Sammelübersicht 444 zu Petitionen ausschusses (2. Ausschuss) Drucksache 19/16124 Sammelübersicht 439 zu Petitionen Das sind sieben Petitionen. Drucksache 19/16119 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- Das sind 87 Petitionen. hält sich? – Dann stelle ich fest, dass gegen die Stimmen Wer stimmt dafür? – Ich stelle wiederum fest, dass der AfD-Fraktion und der Fraktion Die Linke bei Ent- diese Sammelübersicht einstimmig angenommen ist. haltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diese Sam- melübersicht mit den Stimmen der übrigen Fraktionen Zusatzpunkt 20 c: des Hauses angenommen ist. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Zusatzpunkt 20 h: ausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Sammelübersicht 440 zu Petitionen ausschusses (2. Ausschuss) Drucksache 19/16120 Sammelübersicht 445 zu Petitionen Das sind 93 Petitionen. Drucksache 19/16125 Wer stimmt dafür? – Dann stelle ich fest, dass auch Es handelt sich um eine Petition. diese Sammelübersicht einstimmig angenommen ist. Wer stimmt dafür? – Ich stelle fest, dass diese Sammel- Zusatzpunkt 20 d: übersicht einstimmig angenommen ist. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- (B) Zusatzpunkt 20 i: (D) ausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Sammelübersicht 441 zu Petitionen ausschusses (2. Ausschuss) Drucksache 19/16121 Sammelübersicht 446 zu Petitionen Das sind 105 Petitionen. Drucksache 19/16126 Wer stimmt dafür? – Ich stelle fest, dass auch diese Sammelübersicht einstimmig angenommen ist. Das sind 18 Petitionen. Zusatzpunkt 20 e: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- tungen? – Keine. Ich stelle fest, dass diese Sammelüber- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- sicht gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die ausschusses (2. Ausschuss) Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Sammelübersicht 442 zu Petitionen Hauses angenommen ist. Drucksache 19/16122 Zusatzpunkt 20 j: Das sind 51 Petitionen. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- hält sich? – Dann stelle ich fest, dass gegen die Stimmen Sammelübersicht 447 zu Petitionen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bünd- Drucksache 19/16127 nis 90/Die Grünen mit den Stimmen der anderen Fraktio- nen des Hauses diese Sammelübersicht angenommen ist. Es handelt sich um eine Petition. Zusatzpunkt 20 f: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ich stelle fest, dass diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Fraktion Die Linke mit den Stimmen der übrigen Fraktio- ausschusses (2. Ausschuss) nen des Hauses angenommen ist. Sammelübersicht 443 zu Petitionen Zusatzpunkt 20 k: Drucksache 19/16123 Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Das sind 13 Petitionen. ausschusses (2. Ausschuss) 17110 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Sammelübersicht 448 zu Petitionen Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenom- (C) men ist. Drucksache 19/16128 Zusatzpunkt 20 p: Es handelt sich um eine Petition. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann ausschusses (2. Ausschuss) stelle ich fest, dass diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Fraktion der FDP mit den Stimmen der üb- Sammelübersicht 453 zu Petitionen rigen Fraktionen des Hauses angenommen ist. Drucksache 19/16133 Zusatzpunkt 20 l: Es handelt sich um eine Petition. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann ausschusses (2. Ausschuss) stelle ich fest, dass diese Sammelübersicht gegen die Sammelübersicht 449 zu Petitionen Stimmen der Fraktionen von FDP, Die Linke und Bünd- nis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktio- Drucksache 19/16129 nen des Hauses angenommen ist. Das sind elf Petitionen. Zusatzpunkt 20 q: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- stelle ich fest, dass gegen die Stimmen der AfD-Fraktion ausschusses (2. Ausschuss) diese Sammelübersicht mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen ist. Sammelübersicht 454 zu Petitionen Zusatzpunkt 20 m: Drucksache 19/16134 Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Es handelt sich um drei Petitionen. ausschusses (2. Ausschuss) Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann Sammelübersicht 450 zu Petitionen stelle ich fest, dass diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Fraktionen von AfD, Die Linke und Bünd- Drucksache 19/16130 nis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktio- Es handelt sich um acht Petitionen. nen des Hauses angenommen ist. (B) Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann Zusatzpunkt 20 r: (D) stelle ich fest, dass diese Sammelübersicht gegen die Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bünd- ausschusses (2. Ausschuss) nis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktio- nen des Hauses angenommen ist. Sammelübersicht 455 zu Petitionen Zusatzpunkt 20 n: Drucksache 19/16135 Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Es handelt sich um eine Petition. ausschusses (2. Ausschuss) Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann Sammelübersicht 451 zu Petitionen stelle ich fest, dass diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Fraktionen von AfD, FDP und Bündnis 90/ Drucksache 19/16131 Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Das sind zehn Petitionen. Hauses angenommen ist. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann Zusatzpunkt 20 s: stelle ich fest, dass diese Sammelübersicht gegen die Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Stimmen der Fraktionen der AfD und der Linken mit ausschusses (2. Ausschuss) den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses ange- nommen ist. Sammelübersicht 456 zu Petitionen Zusatzpunkt 20 o: Drucksache 19/16136 Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Es handelt sich um eine Petition. ausschusses (2. Ausschuss) Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann Sammelübersicht 452 zu Petitionen stelle ich fest, dass diese Sammelübersicht gegen die Stimmen der Fraktionen von AfD, FDP und Linken mit Drucksache 19/16132 den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses ange- nommen ist. Das sind vier Petitionen. Zusatzpunkt 20 t: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Dann stelle ich fest, dass diese Sammelübersicht gegen die Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Stimmen der Fraktionen der AfD und der FDP mit den ausschusses (2. Ausschuss) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17111

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Sammelübersicht 457 zu Petitionen die Hoffnung und Erwartung, dass der Bundesrat morgen (C) ebenfalls zustimmen könnte. Dann würde gelten: Die Drucksache 19/16137 Blockade ist abgewendet. Der gordische Knoten ist zer- Es handelt sich um 86 Petitionen. schlagen. Das Klimapaket kann kommen. Dazu stelle ich fest, dass hierzu eine Erklärung nach 1) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- § 31 unserer Geschäftsordnung vorliegt. ordneten der SPD) Noch einmal: Sammelübersicht 457 auf Drucksache Das ist zum Jahresende eine gute und wichtige Nachricht 19/16137. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – für den Klimaschutz und für die Menschen in Deutsch- Dann stelle ich fest, dass diese Sammelübersicht gegen land. die Stimmen der Oppositionsfraktionen mit den Stimmen der Regierungsfraktionen angenommen ist. – Damit sind (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- wir fertig. ordneten der SPD – Zurufe von der AfD) Ich rufe den Zusatzpunkt 21 auf: Nach all dem, was im Raum steht, in einer Zeit, in der Beratung der Beschlussempfehlung des Aus- in Madrid nur in Trippelschritten vorangegangen wird, in schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Ver- der in Brüssel aber Tempo gemacht wird, demonstrieren mittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Umset- wir in dieser wichtigen Frage Gemeinsamkeit und Hand- zung des Klimaschutzprogramms 2030 im lungsfähigkeit. Wir zeigen gemeinsam über Parteigren- Steuerrecht zen, über die Grenzen von Regierung, Parlament und Drucksachen 19/14338, 19/15125, 19/15157, Bundesrat hinweg: Wir nehmen den Klimaschutz als ge- 19/15229, 19/15637, 19/16060 samtgesellschaftliche Aufgabe wahr und ernst. Wir holen unseren Rückstand auf. Wir stellen jetzt die Weichen, um Berichterstatter im Bundestag ist der Abgeordnete die Klimaziele zu erreichen. Das alles tun wir gemeinsam. Andreas Jung, Berichterstatterin im Bundesrat ist die Mi- Damit demonstrieren wir Handlungsfähigkeit. Das ist ein nisterpräsidentin Manuela Schwesig. Als Berichterstatter starkes Signal für den Klimaschutz. des Bundestages hat der Abgeordnete Jung die im Rah- men des Vermittlungsverfahrens abgegebene Begleiter- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- klärung des Vermittlungsausschusses sowie zwei Proto- ordneten der SPD) kollerklärungen der Bundesregierung zu Protokoll gegeben.2) Ich möchte mich bei allen bedanken, die dazu beige- tragen haben: hier in den Fraktionen, in den Ländern, in (B) (D) Bevor ich zu Ihnen komme, Herr Kollege Jung: Mir der Bundesregierung. Wir haben gute, konstruktive Be- liegen zum Ergebnis des Vermittlungsausschusses mehre- ratungen geführt. Für unsere Zustimmung ist dabei maß- re Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung des geblich, dass die Philosophie, dass die Architektur dieses 3) Deutschen Bundestages vor. Klimapakets erhalten bleiben. Wir setzen damit auf Inno- Mir wurde mitgeteilt, dass das Wort für Erklärungen vation. Wir setzen auf Infrastruktur. Wir setzen auf nach § 10 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Vermitt- Marktwirtschaft. lungsausschusses gewünscht wird. Dagegen können wir nichts machen. (Widerspruch bei der FDP) (Heiterkeit) Wir verbinden Klimaschutz, Wirtschaft und Soziales. Wir setzen auf Akzeptanz. Deshalb erteile ich das Wort zu einem Redebeitrag dem Kollegen Andreas Jung. Natürlich sind Veränderungen notwendig. Aber wir (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) werden diese Veränderungen gestalten. Als Erstes kommt deshalb das Fördern, die Fördermaßnahmen, die Unter- Andreas Jung (CDU/CSU): stützung. Wir werden niemanden überfordern. Wir wol- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir len alle Menschen mitnehmen. Das ist der Geist. Das ist haben im Bundestag ein Klimapaket beschlossen. Der eine Daueraufgabe. Deshalb ist sie auch nur so zu bewäl- Bundesrat hat den Vermittlungsausschuss angerufen. Es tigen. stehen schwierige Fragen und erhebliche Probleme im (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Raum. Der Vermittlungsausschuss hat sich dieser Fragen neten der SPD – Zuruf des Abg. Christian Dürr angenommen. Eine Arbeitsgruppe wurde eingesetzt. Wir [FDP]) haben in der Arbeitsgruppe ein Vermittlungsergebnis vor- geschlagen. Der Vermittlungsausschuss hat diesen Vor- Dabei waren Fragen zu klären. Dabei ging es um die schlag gestern mit breiter Mehrheit angenommen. Höhe des CO2-Preises, die in diesem Vermittlungsverfah- Meine Fraktion wirbt dafür, dass wir diesem Vermitt- ren politisch diskutiert wurde. Wir haben jetzt einen Weg lungsergebnis heute im Bundestag zustimmen. Wir haben gefunden, der unserer Anforderung, nämlich dass wir mit einem moderaten Preis einsteigen und dieser dann Schritt für Schritt ansteigt, entspricht. Das, was wir jetzt machen 1) Anlage 5 2) Anlagen 6 bis 8 werden, ist spürbar, aber es ist vertretbar. Die Wirkung 3) Anlagen 9 und 10 wird sich auf der Strecke entfalten. 17112 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall bei der AfD) (C) Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Mit anderen Worten: Typischer Altparteienunsinn im Ge- folge der vor allem in Deutschland grassierenden Klima- Andreas Jung (CDU/CSU): hysterie! Hysterie ist immer ein schlechter Antreiber für Das ist die eine Grundlage. Die andere Grundlage ist, Gesetzgebung. Wir erwarten Milliardenkosten. dass wir die zusätzlichen Einnahmen, die dadurch in den Haushalt fließen, den Bürgern in vollem Umfang dadurch (Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD]) zurückgeben, dass wir Stromkosten senken, dass wir Hunderte Milliarden Euro an Kosten für alle Bürger in Pendler besser unterstützen, – diesem Land, null Klimaeffekt: Das sage ich Ihnen von hier vorne voraus. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Genauso hysterisch übrigens wie Ihre Klimahysterie ist Herr Kollege, bitte. das Vermittlungsverfahren. Eine Vielzahl von Minister- präsidenten wollte das Vermittlungsverfahren – aus unter- Andreas Jung (CDU/CSU): schiedlichen Gründen; eine wahre Kakofonie. Bei der – dass wir insgesamt ein Paket schnüren, mit dem die ersten Sitzung des Vermittlungsausschusses am 9. De- Bürger und die Wirtschaft mitgenommen werden. Wir zember musste erst mal geklärt werden: Wer ist jetzt werden das mit beherztem Klimaschutz verbinden. aus welchem Grund wogegen und teilweise wofür? (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD]) NEN]: Drei Minuten!) Hektisch wurde dann eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Ich darf für unsere Fraktion mitteilen, dass wir dieses am Tag darauf vormittags tagte. Wir als AfD hatten nicht Vermittlungsergebnis unterstützen. mal die Chance, dafür ein Mitglied von uns zu benennen. Die zweite Sitzung war am 12. Dezember, die dritte Sit- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- zung am 16. Dezember. neten der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann (Christian Petry [SPD]: Peinlich!) noch schiefgehen!) Das hört sich demokratisch an, ist aber mitnichten demo- kratisch; Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Vielen Dank, Herr Kollege Jung. – Als nächster Redner (B) hat das Wort der Kollege Stephan Brandner, AfD-Frak- denn am 16. Dezember wurde ein Ergebnis vorgelegt, das (D) tion. am 15. Dezember, am dritten Advent, irgendwo ausge- mauschelt worden war. (Beifall bei der AfD – Zuruf von der SPD: Nicht vor Weihnachten! – Weitere Zurufe von (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der SPD) NEN]: Das ist aber erlaubt!) „Von wem?“, wollte ich gestern im Vermittlungsaus- Stephan Brandner (AfD): schuss wissen. Wer hat wo wann auf welcher Grundlage Was ist denn mit Ihnen los? Ich habe doch noch gar am 15. Dezember was verhandelt? Die Antwort war: Herr nichts gesagt. – Meine Damen und Herren! Was für ein Brandner, das sagen wir Ihnen nicht. – Meine Damen und dreistes Vermittlungsverfahren zum sogenannten Klima- Herren, so läuft Demokratie in Deutschland, im Deutsch- schutzprogramm 2030! Was für eine Dreistigkeit – alleine land der Altparteien. der Name! Gar nichts, null und überhaupt nichts wird (Sören Bartol [SPD]: Sie haben es immer noch dieses Programm zum Weltklima beitragen. Das verspre- nicht verstanden!) che ich Ihnen von hier vorne. Hinter verschlossenen Türen unter Ausschluss großer (Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der Teile der Opposition wird gemauschelt, geschachert und SPD) gefeilscht, Allein positiv: keine neue Grundsteuer – ist in Ord- (Beifall bei der AfD – Widerspruch bei der nung –, etwas billigere Bahnfahrkarten – ist in Ordnung –, SPD – Zuruf von der AfD: Riesensauerei ist höhere Pendlerpauschale – ist in Ordnung –, billigerer das!) Strom – auch in Ordnung. Das waren aber nur kleine Teile von dem, was da vermittelt oder gemauschelt wurde, mei- und das nicht etwa zum Wohle Deutschlands, sondern ne Damen und Herren. zum ideologiedurchtränkten Schaden, zum ideologiege- triebenen Schaden für alle Bürger. (Sören Bartol [SPD]: Sie waren doch dabei! Sie sind nur zu spät gekommen! Das ist das Prob- Meine Damen und Herren, wir haben versucht, dieses lem!) grob schändliche Gesetzgebungsverfahren zu stoppen. Wir hatten aber leider keine Chance. Alles andere hingegen, was geregelt werden soll, ist anmaßend, überflüssig, kompliziert, teuer und bürger- (Timon Gremmels [SPD]: Gut so! – Zuruf von feindlich, meine Damen und Herren. der AfD: Noch nicht!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17113

Stephan Brandner (A) Wir versuchen es dennoch hier in Zukunft auch weiter Die AfD. (C) und versprechen den Bürgern: Mit uns gibt es keine Kli- mahysterie, mit uns gibt es keine Milliardenkosten mit (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- null Effekt. KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) (Beifall bei der AfD) Es war nur ein Mitarbeiter da, sodass sie nicht einmal mit Deshalb stehe ich hier vorne und darf namens der AfD- abstimmen konnte. Fraktion verkünden, dass wir das gesamte Klimaschutz- programm 2030 genauso ablehnen wie das gestern ver- (Sören Bartol [SPD]: Peinlich! – Weitere Zuru- kündete, von Ihnen hinter verschlossenen Türen ausge- fe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE mauschelte Vermittlungsergebnis. GRÜNEN) Wir hatten regelgerecht am Mittwoch eingeladen zur Ab- Vielen Dank. stimmung des Ergebnisses, das heute vorliegt. Da hätte (Beifall bei der AfD – Sören Bartol [SPD]: Ihr man sich zu Wort melden können, man hätte auch pünkt- Opfer! Peinlich!) lich da sein können. Wer kam 30 Minuten zu spät? (Sören Bartol [SPD]: Der Kollege Brandner! – Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Zuruf von der LINKEN: Die AfD!) Herr Abgeordneter Brandner, ich weise mit Nachdruck Na, Herr Brandner? Ihre Erklärung zurück, dass ein von Verfassung wegen vorgeschriebenes Verfahren, einen Interessenausgleich Meine Damen und Herren, wer sich selbst so wenig zwischen dem Deutschen Bundestag und den Bundeslän- unter Kontrolle hat, wer nicht in der Lage ist, Termine, dern herbeizuführen, ein Gemauschel sei. Das ist nicht die langfristig geplant sind, wahrzunehmen, der sollte nur unangemessen, sondern in der Sache falsch. hier im Bundestag nicht das Wort ergreifen und unsere Diskussion schlechtreden. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, GRÜNEN – Lachen bei der AfD) der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das als letzter Satz von mir, weil es mich wirklich ärgert: Ich empfehle Ihnen, gelegentlich die Verfassung Dieses Verfahren, das wir durchgeführt haben, ist ein zu lesen, Herr Brandner, und nicht nur darüber zu reden. regelgerechtes, und es führt zu einem Ausgleich der In- teressen zwischen denen, die den Klimaschutz wollen, die (B) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, ihn auch bezahlen müssen, und denen, die den Klima- (D) der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE schutz, wie wir es im ursprünglichen Gesetz des Bundes- GRÜNEN) tages gemacht haben, vorantreiben wollen. Es führt auch zu einem Ausgleich zwischen den Interessen des Bundes- Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Carsten rates und des Bundestages. Ja, das Ergebnis, das wir Schneider, SPD-Fraktion. Ihnen heute vorlegen, ist ein anderes als das, was wir hier (Stephan Brandner [AfD]: Darf ich erwidern? – im Bundestag beschlossen hatten. Denn wir setzen den Gegenruf des Abg. Sören Bartol [SPD]: Gar CO2-Preis höher an, als wir ursprünglich geplant hatten, nichts darfst du!) und ja, wir führen dafür einen sozialen Ausgleich ein. – Herr Abgeordneter Brandner, Sie dürfen sich bitte set- (Zurufe von der AfD) zen, und wenn das nicht der Fall ist, bekommen Sie einen Für uns als Sozialdemokraten war es extrem wichtig, Ordnungsruf. dass, wenn der Verbrauch höher besteuert wird, die Kos- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der ten transparenter werden SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- (Zuruf des Abg. Alexander Graf Lambsdorff NEN – Zurufe von der AfD: Neutralitäts- [FDP]) pflicht!) und dafür auch ein sozialer Ausgleich stattfindet. Aus Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): diesem Grund wird die EEG-Umlage, die im Strompreis enthalten ist, fast auf null gesetzt. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundes- (Lachen bei der AfD) rat ist in der Verfassung klar geregelt. Wir haben als Mit- glieder des Vermittlungsausschusses eine Arbeitsgruppe Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die eingesetzt. Sie umfasste Vertreter aller Fraktionen. An der bisher die EEG-Umlage bezahlen, werden entlastet. Der Arbeitsgruppe konnten alle Mitglieder teilnehmen, die höhere CO2-Preis führt zu einer Entlastung der Bürger- berufen wurden. In der letzten Sitzung der Arbeitsgruppe innen und Bürger bei der EEG-Umlage. Das ist ein rich- hat welche Fraktion gefehlt? tiger Prozess. (Sören Bartol [SPD]: Welche wohl? – Weitere (Beifall bei der SPD) Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Ich bin froh, dass die Grünen ihren Widerstand gegen DIE GRÜNEN) eine Pendlerpauschale aufgegeben haben. Im Gegenteil: 17114 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Carsten Schneider (Erfurt) (A) Wir haben die Pendlerpauschale noch einmal erhöht, weil (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) diejenigen in diesem Land, die täglich zur Arbeit fahren der AfD) müssen, die eine weite Strecke auf sich nehmen müssen, Diese Lösung hat drei Verlierer. unterstützt werden müssen. Das sind zum Ersten die Millionen an Pendlern in (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutschland, die weniger als 21 Kilometer zur Arbeit Ich bin froh, dass sie diesen ideologischen Graben über- fahren. Die Mehrheit der Pendler in Deutschland wird springen konnten und wir darüber Konsens haben. durch diesen Kompromiss nicht entlastet, liebe Kollegin- nen und Kollegen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD) Ich wäre froh, wenn dieser nationale Klimakonsens, den wir jetzt in diesem Verfahren erreicht haben und Sie werden nur durch höhere Spritpreise belastet. den wir nachher beschließen werden, auch getragen wird. Es sind zum Zweiten die Millionen an Nutzern von Getragen heißt, lieber Kollege Hofreiter, dann auch dazu Fernbussen in Deutschland. Dass es bei diesem Kompro- zu stehen und nicht die erstbeste Möglichkeit zu suchen, miss nicht um Klimaschutz geht, zeigt die Entscheidung, um sich wieder vom Acker zu machen und zu sagen, das dass die Mehrwertsteuersenkung für den Fernverkehr der reiche alles nicht etc. Bahn kommt, aber nicht für die Fernbusse in Deutsch- land. Das wäre übrigens auch sozial gerecht gewesen; (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der denn gerade Menschen mit kleinen Einkommen nutzen CDU/CSU) die Fernbusse. Diese lassen Sie komplett außen vor. Das Wenn man dazu steht, wenn man hier heute entsprechend ist das Gegenteil von Gerechtigkeit, Herr Kollege abstimmt, dann gilt das auch; denn wir brauchen auch die Schneider. langfristige Überzeugung und Einstellung der Bevölke- rung bezüglich der Veränderungen, die dies mit sich (Beifall bei der FDP – Timon Gremmels [SPD]: bringt. Die zahlen auch keine Maut!) Der dritte Verlier ist der Klimaschutz. Dieser Kompro- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- miss zwischen Union und Grünen – die SPD hat bei die- NEN]: Ihr fallt doch immer zuerst um!) sem Kompromiss in Wahrheit ja keine Rolle gespielt – Von daher, meine Damen und Herren, wird meine Fraktion diesem Kompromiss zustimmen. Es ist ein guter (Beifall bei Abgeordneten der FDP) (B) Kompromiss, der das Land modern nach vorne bringt. zementiert ein Regime, das keinerlei ökologische Lenk- (D) Liebe Grüne, ich danke Ihnen für die Verantwortung, ungswirkung hat, weil es kein CO2-Limit in Deutschland die Sie gezeigt haben. geben wird, meine Damen und Herren. Mit Klimaschutz hat das bedauerlicherweise nichts zu tun. Sie haben nichts (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten für das Klima erreicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Vizepräsident Wolfgang Kubicki: der AfD – Zurufe von der SPD) Vielen Dank, Herr Schneider. – Herr Kollege Dürr, Durch diesen Beschluss sollen allein im ersten Jahr, ganz kleinen Moment. – Ich muss darauf hinweisen, weil also ab 2021, bei der sogenannten CO2-Bepreisung statt sich Herr Brandner mehrfach zu Wort gemeldet hat: Es 5 Milliarden Euro, wie ursprünglich geplant, jetzt fast handelt sich hier um Erklärungen nach § 10 Absatz 2 der 10 Milliarden Euro eingenommen werden. Mit 10 Milliar- Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses. Es han- den Euro werden die deutsche Wirtschaft, der Mittelstand delt sich nicht um eine Aussprache. Deshalb sind weitere und die Verbraucherinnen und Verbraucher zusätzlich be- Wortmeldungen in diesem Fall nicht zulässig. lastet, ohne dass es eine individuelle Entlastung für jeden Einzelnen gibt. Das ist das Gegenteil von Klimaschutz, (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Martin das ist das Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit, und das Rabanus [SPD]: Mann, der weiß ja gar nichts! ist das Gegenteil von Ausgleich, wie Sie hier behauptet Was kann der denn überhaupt?) haben, liebe Kollegen. Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Christian (Beifall bei der FDP) Dürr, FDP-Fraktion. Was Sie wirklich geschafft haben, ist etwas historisch (Beifall bei der FDP) Einmaliges. Noch nie in der Geschichte der Bundesre- publik Deutschland ist eine Steuer noch vor ihrer ersten Christian Dürr (FDP): Erhebung bereits zum ersten Mal erhöht worden. Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Union und Grüne haben nach diesem Kompro- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD – Zuruf von der SPD: Das ist doch gar miss erklärt, der CO2-Preis solle jetzt noch einmal stei- gen, aber dennoch würden alle entlastet und dem Klima keine Steuer!) geholfen. Beides, meine Damen und Herren, ist schlicht Das schafft wenig Vertrauen. Das ist ein Pyrrhussieg, den falsch. Sie da für Klima und Steuerentlastung erreicht haben. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17115

Christian Dürr (A) Wir werden erleben, dass Deutschland damit erneut (Timon Gremmels [SPD]: Machen wir doch!) (C) seine sich selbst gesetzten Klimaziele reißen wird. Die Den Menschen dort hilft es überhaupt nicht, wenn die anderen EU-Staaten machen es uns vor. Lassen Sie uns Bahntickets billiger werden. Billige Bahntickets sind auf das setzen, was die Europäische Kommission, was gut. Aber wir brauchen überall Züge. Und das ist die Europa vorschlägt: ein gemeinsamer Emissionshandel Aufgabe, meine Damen und Herren. für alle Sektoren. (Beifall bei der LINKEN) (Sören Bartol [SPD]: Das schlagen die gar nicht vor!) Zweitens: die Anhebung der Pendlerpauschale ab dem Das ist marktwirtschaftlich, kostengünstig und ökolo- 21. Kilometer. Die Pendlerpauschale – das ist die Auf- gisch treffsicher. Das wäre Ihr Auftrag gewesen. fassung der Linken – muss durch ein Mobilitätsgeld er- setzt werden. Denn die Pendlerpauschale ist etwas, was (Beifall bei der FDP) von der Steuer abgesetzt werden kann. Wer ein geringes Einkommen hat, hat davon überhaupt nichts. Zum Schluss, Herr Präsident – Herr Schneider hat es ja gerade gesagt –: Es bleibt eine erhebliche Rechtsunsi- (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Doch! cherheit. Mobilitätsprämie ist doch dabei!) (Sören Bartol [SPD]: Quatsch!) Und je höher das Einkommen, desto höher die Steuerer- Selbst die Grünen haben öffentlich erklärt, dass diese Art sparnis. Das ist ungerecht. Das ist auch nicht ökologisch und nicht sozial. Darum stimmen wir mit Nein. der CO2-Bepreisung mit großer Wahrscheinlichkeit ver- fassungswidrig ist. Meine Damen und Herren, Sie feiern (Beifall bei der LINKEN) sich also für eine erhöhte CO2-Bepreisung, von der Sie selbst sagen, dass sie rechtlich nicht haltbar ist. Auch da Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt, den wir ein Pyrrhussieg. auch in der Arbeitsgruppe und im Vermittlungsausschuss selber beraten haben, ist die Frage der energetischen Ge- (Beifall des Abg. Alexander Graf Lambsdorff bäudesanierung. Da stand im Mittelpunkt, ob man nun [FDP]) den Energieberater von der Steuer absetzen kann oder Jetzt kommt wirklich mein letzter Satz. Herr nicht. Aber es muss doch um etwas ganz anderes gehen: Schneider, Sie haben ja gerade aus Ihrem Herzen keine Wir müssen doch den Mieterinnen und Mietern in diesem Mördergrube gemacht. Sie haben hier vorne gestanden Land garantieren, dass die energetische Gebäudesanie- rung nicht zu einer weiteren Steigerung der Mieten führen und gesagt: Es geht um eine Besteuerung beim CO2. – (B) Das wäre verfassungswidrig. Offener Verfassungsbruch wird. Das ist die Aufgabe. (D) beim Klimaschutz hilft weder den Menschen in Deutsch- (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der land noch dem Weltklima. SPD) Herzlichen Dank. Wir haben doch gerade in der Debatte vor den Abstim- (Beifall bei der FDP) mungen darüber diskutiert, wie teuer die Mieten in die- sem Land sind und dass sich viele Menschen überhaupt keine angemessene Wohnung mehr leisten können. Wir Vizepräsident Wolfgang Kubicki: brauchen also eine Garantie, dass die energetische Ge- So, Herr Dürr, vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat bäudesanierung nicht zur Steigerung der Mieten führt, die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke, das Wort. meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Was ist denn jetzt die Lösung? Man muss ehrlich sein: Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Klimaschutz kostet. Darum müssen wir darüber diskutie- Damen und Herren! Durch die Arbeit im Vermittlungs- ren, wo wir das Geld hernehmen. Wir können das Geld ausschuss ist das Klimapaket weder sozialer noch besser nicht immer von den Geringverdienern nehmen – wir als fürs Klima geworden, und darum werden wir es ablehnen, Linke sowieso nicht. Wir sagen: Wir brauchen endlich meine Damen und Herren. eine Vermögensteuer, damit wir die Klimagerechtigkeit auch finanzieren können. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Ganz im Gegenteil: Auf viele Menschen werden erheb- liche Zusatzkosten zukommen, insbesondere höhere Ihren Beitrag müssen die Menschen leisten, die den größ- Heizkosten. Der soziale Ausgleich wird nur behauptet; ten ökologischen Fußabdruck haben. Das sind nicht die denn bei vielen kommt er nicht an. Ich gebe Ihnen einige Geringverdiener. Das sind nicht die Armen. Darum kann Beispiele: die Lösung nur sein, ehrlich zu sagen: Es kostet. – Man hätte auch bei der deutschen Einheit sagen müssen: Es Erstens. Es ist sehr gut, dass die Bahntickets preiswer- kostet. – Klimagerechtigkeit kostet. Wenn wir über Kos- ter werden. Aber was machen die Menschen, die in einer ten reden, müssen wir darüber reden, wer bezahlt, und das Gegend wohnen, wo überhaupt kein Zug mehr hinfährt? müssen die Reichen und Superreichen in diesem Land. In den letzten Jahren sind 6 000 Kilometer Strecke still- gelegt worden. Die müssen reaktiviert werden. Vielen Dank. 17116 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Gesine Lötzsch (A) (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – (C) Christian Dürr [FDP]: Sie haben doch selbst Vizepräsident Wolfgang Kubicki: gesagt, das ist rechtlich unsicher! Das haben Sie doch selbst gesagt, Herr Hofreiter!) Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Lötzsch. – Als letzter Redner hat der Kollege Dr. Anton Hofreiter, Bündnis 90/ Dann, glaube ich, wäre es nicht möglich gewesen. Das Die Grünen, das Wort. zeigt: Engagement lohnt sich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Allerdings muss man ehrlicherweise sagen: Das Ganze Zurufe von der AfD: Oh!) ist natürlich noch kein Durchbruch beim Klimaschutz. Es ist ein erster Schritt. Dieser erste Schritt führt dazu, dass wir jetzt etwas Lenkungswirkung beim CO2-Preis haben. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was für uns Grüne insbesondere wichtig war, ist, dass wir Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und einen guten sozialen Ausgleich hinkriegen. Kollegen! Beim Vermittlungsausschuss ging es um die Findung eines Kompromisses zwischen Bundesrat und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bundestag. Ich glaube, man sollte hier ein paar Dinge Lachen bei der FDP sowie bei Abgeordneten transparent machen: Der Vertreter der AfD hat in der der AfD – Christian Dürr [FDP]: Das ist echt ersten Sitzung erst mal offensichtlich verwirrt nachge- Comedy! Das läuft auf jeden Fall in der „heute- fragt, weil er nicht in der Lage war, die Einladung zu show“!) lesen, in der stand, worüber wir inhaltlich reden. Deshalb haben wir Grüne für unsere Position gekämpft (Sören Bartol [SPD]: Das stimmt!) und dafür gesorgt, Bei der Abschlusssitzung ist er dann ewig zu spät gekom- (Zuruf von der SPD: Vom Saulus zum Paulus!) men, und der zweite Vertreter war überhaupt nicht da. dass die zusätzlichen Einnahmen zu 100 Prozent an die Dann hier dieses Ergebnis schlechtzureden und sich übers Bürgerinnen und Bürger über eine Senkung des Strom- Verfahren lustig zu machen, zeigt alles über diese Partei; preises zurückgegeben werden. das zeigt alles über diese Fraktion. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich glaube, es ist auch wirklich wichtig, dass man dafür und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten sorgt, dass der soziale Zusammenhalt beim Klimaschutz der CDU/CSU, der SPD und der FDP) erhalten bleibt. Das ist entscheidend. Wir werden in den (B) Zum Kollegen der FDP kann man nur sagen: Es ist ja nächsten Jahren da weitere wichtige Aufgaben haben. (D) spannend, wie sehr Sie hier das Ergebnis in die Tonne Deswegen kann ich die CSU nur davor warnen, mal wie- treten, wenn gleichzeitig der NRW-Ministerpräsident La- der zu versuchen, sich vom Acker zu machen und eine schet im Landtag erklärt, dass die Landesregierung von neue Benzinpreis-Wutkampagne vom Zaun zu brechen. NRW dem Ganzen selbstverständlich zustimmt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Dr. Florian Toncar [FDP]: Der ist von der Denn am Ende schadet das dem Zusammenhalt der ge- CDU!) samten Gesellschaft. Ich kann mich düster erinnern, dass da angeblich die FDP (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) beteiligt sein soll an dieser Landesregierung. Wir haben in diesem Jahr einen kleinen Schritt ge- (Dr. Florian Toncar [FDP]: Das ist CDU!) schafft. Wir müssen im nächsten Jahr noch viel tun. Vielleicht reden Sie noch mal mit Ihren Kollegen. Von der Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele sind wir nämlich weit entfernt. Das nächste Jahr muss ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN echtes Klimajahr werden, auch bei der Umsetzung. sowie bei Abgeordneten der SPD) Vielen Dank. Meine Fraktion und ich stimmen dem Ergebnis des (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vermittlungsausschusses zu. Allerdings muss man ehrli- cherweise sagen: Das ist nur ein erster Schritt, der insbe- sondere auf den großen Druck der grün mitregierten Län- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: der entstanden ist. Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Hofreiter. – Wir kom- men nun zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – auf Drucksache 19/16060.1) Gemäß § 10 Absatz 3 Satz 1 Zurufe von der SPD: Oh!) seiner Geschäftsordnung hat der Vermittlungsausschuss Es gibt zugleich eine positive Nachricht für die vielen beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Än- jungen Menschen, die Druck ausgeübt haben. Ich glaube, derungen gemeinsam abzustimmen ist. Wir stimmen über diese auf Druck zustande gekommenen Veränderungen die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses wären nicht möglich gewesen, wenn nur die grün mitre- auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gierten Länder Druck gemacht hätten und es nicht den namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und massiven Druck von der Straße, von den vielen jungen Menschen gegeben hätte. 1) Anlagen 9 und 10 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17117

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Es (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Anja (C) fehlen noch Schriftführerinnen und Schriftführer vonsei- Weisgerber [CDU/CSU]) ten der Koalition und der Opposition. – Sind jetzt alle Das, was wir in diesem Jahr schon alles auf den Weg Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstim- gebracht haben, ist eben diskutiert worden: ein Klima- mung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungs- schutzgesetz; es ist beschlossen. Wir haben beschlossen, ausschusses. dass wir die Flugpreise für kürzere Distanzen erhöhen Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine werden. Wir haben beschlossen, dass es einen Brennstoff- Stimme nicht abgegeben hat? – Ich sehe, das ist nicht der handel geben wird, der es möglich macht, dass die Nut- Fall. Dann ist die Abstimmung geschlossen. Ich bitte die zung und der Ausstoß von CO2 bei Treib- und Brennstof- Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung fen teurer werden. Das ist eine ganz große Veränderung. zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen 1) Viele, viele andere Dinge sind besprochen und werden später bekannt gegeben. noch kommen. Ich erinnere daran, dass wir ein Strukturs- Wir setzen die Beratungen fort. tärkungsgesetz Kohleregionen vorhaben, dass wir den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland in Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf: 20 Jahren vor uns haben und dass wir dafür Sorge tragen werden, Aktuelle Stunde (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und NEN]: Das wollen Sie verabschieden!) SPD dass die erneuerbaren Energien einen Anteil an der Trotz unzureichender Ergebnisse der UN-Kli- Stromproduktion in Deutschland haben werden, der dazu makonferenz in Madrid – Deutschland bleibt beiträgt, dass wir das Klima schützen können. auf Kurs (Beifall bei der SPD) Ich bitte auch die Vertreter der Bundesregierung, Platz zu nehmen. All diese Dinge sind notwendig. Und ich will auch sagen, warum es wichtig ist, dass wir Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- vorangehen. Wenn wir nämlich zeigen, dass Mobilität – ner dem Bundesminister der Finanzen, Olaf Scholz, das schienengebunden, mit öffentlichem Nahverkehr, aber Wort. auch individuelle Mobilität mit Fahrzeugen, die man sel- ber besitzen und nutzen kann – weiter möglich ist, dann (B) (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Anja (D) Weisgerber [CDU/CSU]) ist das ein Zeichen dafür, dass das auch im globalen Maß- stab funktionieren kann. Wenn die deutsche und europä- ische Automobilindustrie die Fahrzeuge entwickeln, mit Olaf Scholz, Bundesminister der Finanzen: denen es möglich ist, mobil zu bleiben und das Klima zu Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind schützen und gute Arbeitsplätze zu haben, dann wird das Teil einer Zeitenwende. Das, glaube ich, haben wir gerade auch auf der ganzen Welt genauso geschehen. Genau da- eben in der heftigen Debatte gemerkt. Das werden wir rum geht es, wenn wir über diese Fragen diskutieren. auch in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren im- mer wieder merken. Die Welt hat die große Aufgabe, den (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Alexander Klimawandel zu bewältigen, den die Menschen verur- Dobrindt [CDU/CSU]) sacht haben, und sie kann das nur gemeinsam machen. Wenn Deutschland zeigt, dass man zum Beispiel die Wie mühselig das ist, wie viele Widerstände es gibt, wie riesigen Strommengen erzeugen kann, die man benötigt, schwer das ist, hat die Klimakonferenz in Madrid gezeigt. um sicherzustellen, dass Industrie weiter funktionieren Aber sie zeigt auch: Wir dürfen nicht aufgeben. Wir müs- und wettbewerbsfähig produzieren kann, und das mit er- sen das als gemeinsames Anliegen voranbringen. neuerbaren Energien, mit Onshore- und Offshorewind, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mit Solarenergie zum Beispiel, dann zeigt das auch, dass der CDU/CSU) das auch anderswo auf der Welt funktionieren kann. Auch das ist ein praktischer Beitrag, den wir selber zu leisten Die Klimakonferenz hat noch etwas gezeigt: Wenn die haben. Länder, die über große wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügen, nicht vorangehen, wenn sie nicht selber zeigen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dass sie einen Weg haben, wie man es schaffen kann, den der CDU/CSU – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Hätte, menschengemachten Klimawandel aufzuhalten und hätte, Fahrradkette!) gleichzeitig für ausreichend Wohlstand in unseren Gesell- Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass es nicht schaften zu sorgen, dann wird das nicht gelingen. Darum nur auf uns ankommt. Wir müssen sicherstellen, dass zum ist es so zentral, dass Deutschland nicht nur Beobachter Beispiel Europa als Europäische Union den eigenen Bei- ist und diese Konferenzen nicht nur kommentiert. Des- trag leistet, der möglich ist. Sie hat, wenn man sie als halb ist es zentral, dass Deutschland handelt und dass wir einheitliche Volkswirtschaft betrachtet – dafür spricht das Richtige tun, um in Deutschland voranzukommen. sehr viel –, unverändert die größte volkswirtschaftliche Leistungskraft, die man sich dort vorstellen kann. Ich 1) Ergebnis Seite 17118 D sage ausdrücklich: Wir müssen das in Europa hinbekom- 17118 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Bundesminister Olaf Scholz (A) men. Es ist deshalb richtig, dass die Umweltministerin cher oder ähnlicher Wohlstand herrscht, wie wir ihn ha- (C) heute über den Green Deal in Brüssel verhandelt; denn ben. Das ist es, was wir uns letztendlich wünschen müs- das ist ein Beitrag dafür, dass die gesamte Europäische sen. Union ihren Beitrag zum Schutz des Weltklimas leistet. Es geht somit darum, dass das funktioniert, ohne dass (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Anja die Auswirkungen auf das Klima so groß sind, dass nie- Weisgerber [CDU/CSU]) mand mehr damit leben kann; das ist in diesem Falle Wie schwierig das ist, wenn so viele sich einigen müs- wörtlich gemeint. Es geht darum, dass wir eine solche sen, und zwar nur in der Europäischen Union, kann man Entwicklung in diesen Ländern mit auf den Weg bringen. sich vorstellen. Es gibt ganz unterschiedliche Ausgangs- Darum ist es richtig, dass wir unsere Beiträge für inter- bedingungen und Vorstellungen darüber, wie schnell das nationale Entwicklungspolitik auch unter Gesichtspunk- vorangehen soll usw. Aber aus meiner Sicht dürfen wir ten des Klimaschutzes so massiv ausgeweitet haben. Wir uns vor diesen Auseinandersetzungen und den Diskus- müssen diesen Ländern dabei helfen, den Umstieg hinzu- sionen, die damit verbunden sind, nicht drücken. Wir kriegen und ihren eigenen Wohlstand entwickeln zu kön- müssen vorantreiben, dass Europa mit dem nötigen Tem- nen. po die Dinge voranbringt; denn dann haben wir allen An- spruch, mitzudiskutieren und zu sagen, dass wir erwarten, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dass auch die Vereinigten Staaten von Amerika oder zum der CDU/CSU) Beispiel große Länder wie Brasilien, Indien und China Ich bin übrigens überzeugt, dass man zuversichtlich gleichermaßen einen Beitrag dazu leisten, dass das Welt- sein kann. Wir brauchen Zuversicht; das will ich aus- klima geschützt wird. Denn nur wenn wir selber das Rich- drücklich dazusagen. Wenn alle glauben, dass es sowieso tige tun, können wir es auch von anderen erwarten. Das ist nicht klappen wird, dann wird man keine Bündnispartner in jeder Diskussion so. Das ist auch beim Miteinander in haben – weder hier im Lande noch in Europa oder in der der Welt notwendigerweise so. Welt. Wenn wir zu denjenigen gehören, die letztendlich (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten apokalyptische Szenarien zeichnen, die davon ausgehen, der CDU/CSU) dass es in keiner Variante und in keinem Falle gelingen wird, den Schutz des Klimas weltweit zu organisieren, Wir werden darauf bestehen müssen, dass es nicht nur dann werden wir auch hierzulande und woanders keine darum geht, abstrakte Zahlen zu diskutieren. Es geht Bündnispartner haben; denn dann sagt jeder: Warum sol- schon darum, dass sich real etwas ändert. Wir haben nicht len wir das tun, wenn die anderen das nicht tun? – Ich mehr so viel Zeit. Jeder weiß, welche Auswirkungen der glaube: Deshalb gehört die Zuversicht dazu, die Zuver- (B) menschengemachte Klimawandel schon heute hat. Jeder sicht, dass eine Menschheitsaufgabe von der Menschheit (D) weiß, dass wir die Erderwärmung in dem Ausmaß, wie auch gelöst werden kann. wir uns das selber vorstellen, gar nicht mehr aufhalten können. So groß ist das, was in Madrid diskutiert worden ist, und so klein sind leider die Ergebnisse; das muss gesagt (Karsten Hilse [AfD]: Die kann man gar nicht werden. Aber wir sollten darauf bestehen, dass die große aufhalten!) Aufgabe angepackt werden kann, und ein großes huma- Aber jeder weiß, dass es, wenn wir nicht schnell genug nistisches Versprechen damit verbinden, nämlich dass die sind, weiter gehen wird, als es gut sein kann. Deshalb Menschheit es schaffen wird. müssen wir heute schnell handeln und dürfen diese Menschheitsaufgabe nicht späteren Generationen über- Schönen Dank. lassen. Wir müssen das selber tun. Das ist meine feste Überzeugung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der AfD: Amen!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Es ist deshalb richtig, dass zum Beispiel zur Politik Vielen Dank, Herr Minister. – Bevor ich dem nächsten dieser Regierung auch dazugehört, nicht nur in interna- Redner das Wort erteile, gebe ich das Ergebnis der na- tionalen Konferenzen auf solchen Vereinbarungen zu be- mentlichen Abstimmung, die wir soeben durchgeführt stehen und diejenigen zu kritisieren, die zurückgehen haben, bekannt. Das von den Schriftführerinnen und wollen und glauben, das sei alles nicht notwendig. Viel- Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen mehr ist es wichtig, dass wir dafür Sorge tragen, dass die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ver- Länder, die ihre großen wirtschaftlichen Entwicklungs- mittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Umsetzung sprünge noch vor sich haben, ebenfalls am Klimaschutz des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht, Druck- partizipieren können. Es wäre ja doch eine sehr arrogante sachen 19/14338, 19/15125, 19/15157, 19/15229, 19/ Position, wenn wir hierzulande, in Europa oder auch in 15637 und 19/16060, hat folgendes Ergebnis erbracht: Nordamerika sagen würden: Das Klima kann nur ge- abgegebene Stimmkarten 648. Mit Ja haben gestimmt schützt werden, wenn gewissermaßen einige auf die Ent- 426, mit Nein haben gestimmt 221, Enthaltung 1. Die wicklung wirtschaftlichen Wohlstands verzichten, die wir Beschlussempfehlung ist damit angenommen. schon längst realisiert haben. – Das wird nicht funktio- nieren. Vielmehr muss ein Weg gefunden werden, wie wir (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten es schaffen können, dass andernorts in der Welt ein glei- der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17119

(A) Endgültiges Ergebnis Hermann Gröhe Dr. Andreas Lenz Andreas Scheuer (C) Abgegebene Stimmen: 648; Klaus-Dieter Gröhler Antje Lezius Tankred Schipanski davon Michael Grosse-Brömer Andrea Lindholz Dr. Claudia Schmidtke ja: 426 Astrid Grotelüschen Dr. Carsten Linnemann Patrick Schnieder nein: 221 Markus Grübel Patricia Lips Nadine Schön enthalten: 1 Manfred Grund Nikolas Löbel Felix Schreiner Oliver Grundmann Bernhard Loos Dr. Klaus-Peter Schulze Ja Monika Grütters Dr. Jan-Marco Luczak Uwe Schummer CDU/CSU Fritz Güntzler Daniela Ludwig Armin Schuster (Weil am Dr. Michael von Abercron Olav Gutting Karin Maag Rhein) Stephan Albani Christian Haase Yvonne Magwas Torsten Schweiger Norbert Maria Altenkamp Florian Hahn Dr. Thomas de Maizière Detlef Seif Philipp Amthor Jürgen Hardt Gisela Manderla Johannes Selle Artur Auernhammer Matthias Hauer Dr. Astrid Mannes Reinhold Sendker Peter Aumer Mark Hauptmann Matern von Marschall Dr. Patrick Sensburg Dorothee Bär Dr. Matthias Heider Andreas Mattfeldt Thomas Silberhorn Thomas Bareiß Thomas Heilmann Stephan Mayer (Altötting) Björn Simon Maik Beermann Frank Heinrich (Chemnitz) Dr. Michael Meister Tino Sorge Manfred Behrens (Börde) Mark Helfrich Dr. Angela Merkel Jens Spahn Sybille Benning Rudolf Henke Jan Metzler Katrin Staffler Dr. André Berghegger Michael Hennrich Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Frank Steffel Michelbach Melanie Bernstein Marc Henrichmann Dr. Wolfgang Stefinger Dr. Mathias Middelberg Christoph Bernstiel Ansgar Heveling Albert Stegemann Dietrich Monstadt Marc Biadacz Christian Hirte Andreas Steier Karsten Möring Steffen Bilger Dr. Heribert Hirte Peter Stein (Rostock) Elisabeth Motschmann Peter Bleser Alexander Hoffmann Sebastian Steineke Axel Müller Norbert Brackmann Karl Holmeier Johannes Steiniger Sepp Müller Michael Brand (Fulda) Dr. Hendrik Hoppenstedt Christian Frhr. von Stetten Dr. Reinhard Brandl Carsten Müller (B) Erich Irlstorfer (Braunschweig) Dieter Stier (D) Dr. Andreas Jung Stefan Müller (Erlangen) Gero Storjohann Silvia Breher Ingmar Jung Petra Nicolaisen Stephan Stracke Sebastian Brehm Alois Karl Michaela Noll Karin Strenz Heike Brehmer Anja Karliczek Dr. Georg Nüßlein Dr. Peter Tauber Ralph Brinkhaus Torbjörn Kartes Wilfried Oellers Dr. Hermann-Josef Tebroke Dr. Carsten Brodesser Volker Kauder Florian Oßner Hans-Jürgen Thies Gitta Connemann Dr. Stefan Kaufmann Josef Oster Alexander Throm Alexander Dobrindt Ronja Kemmer Henning Otte Antje Tillmann Michael Donth Roderich Kiesewetter Ingrid Pahlmann Markus Uhl Marie-Luise Dött Michael Kießling Martin Patzelt Dr. Volker Ullrich Hansjörg Durz Dr. Georg Kippels Dr. Joachim Pfeiffer Kerstin Vieregge Thomas Erndl Volkmar Klein Stephan Pilsinger Volkmar Vogel (Kleinsaara) Hermann Färber Axel Knoerig Dr. Christoph Ploß Uwe Feiler Christoph de Vries Markus Koob Eckhard Pols Enak Ferlemann Kees de Vries Carsten Körber Thomas Rachel Dr. Johann David Wadephul Axel E. Fischer (Karlsruhe- Alexander Krauß Land) Kerstin Radomski Marco Wanderwitz Dr. Maria Flachsbarth Gunther Krichbaum Alexander Radwan Nina Warken Thorsten Frei Dr. Günter Krings Alois Rainer Kai Wegner Dr. Astrid Freudenstein Rüdiger Kruse Dr. Peter Ramsauer Marcus Weinberg Dr. Hans-Peter Friedrich Michael Kuffer Eckhardt Rehberg (Hamburg) (Hof) Dr. Roy Kühne Lothar Riebsamen Dr. Anja Weisgerber Michael Frieser Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Josef Rief Peter Weiß (Emmendingen) Hans-Joachim Fuchtel Andreas G. Lämmel Johannes Röring Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Gädechens Katharina Landgraf Dr. Norbert Röttgen Ingo Wellenreuther Dr. Thomas Gebhart Ulrich Lange Stefan Rouenhoff Marian Wendt Alois Gerig Dr. Silke Launert Erwin Rüddel Kai Whittaker Eberhard Gienger Jens Lehmann Albert Rupprecht Annette Widmann-Mauz Eckhard Gnodtke Paul Lehrieder Stefan Sauer Bettina Margarethe Ursula Groden-Kranich Dr. Katja Leikert Dr. Wolfgang Schäuble Wiesmann 17120 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Elisabeth Winkelmeier- Arno Klare Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Kirsten Kappert- (C) Becker Lars Klingbeil Dagmar Schmidt (Wetzlar) Gonther Oliver Wittke Dr. Bärbel Kofler Carsten Schneider (Erfurt) Uwe Kekeritz Emmi Zeulner Daniela Kolbe Johannes Schraps Katja Keul Paul Ziemiak Elvan Korkmaz-Emre Michael Schrodi Sven-Christian Kindler Dr. Matthias Zimmer Anette Kramme Ursula Schulte Maria Klein-Schmeink Christine Lambrecht Swen Schulz (Spandau) Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer SPD Christian Lange (Backnang) Frank Schwabe Stephan Kühn (Dresden) Niels Annen Dr. Karl Lauterbach Stefan Schwartze Christian Kühn (Tübingen) Ingrid Arndt-Brauer Sylvia Lehmann Rita Schwarzelühr-Sutter Renate Künast Heike Baehrens Helge Lindh Rainer Spiering Markus Kurth Ulrike Bahr Kirsten Lühmann Svenja Stadler Isabel Mackensen Monika Lazar Nezahat Baradari Martina Stamm-Fibich Caren Marks Sven Lehmann Doris Barnett Sonja Amalie Steffen Katja Mast Steffi Lemke Dr. Matthias Bartke Mathias Stein Christoph Matschie Dr. Tobias Lindner Sören Bartol Kerstin Tack Hilde Mattheis Dr. Irene Mihalic Bärbel Bas Claudia Tausend Dr. Matthias Miersch Claudia Müller Michael Thews Lothar Binding Beate Müller-Gemmeke (Heidelberg) Klaus Mindrup Markus Töns Dr. Ingrid Nestle Dr. Eberhard Brecht Susanne Mittag Carsten Träger Dr. Konstantin von Notz Leni Breymaier Falko Mohrs Ute Vogt Omid Nouripour Katrin Budde Claudia Moll Marja-Liisa Völlers Friedrich Ostendorff Dr. Lars Castellucci Siemtje Möller Dirk Vöpel Cem Özdemir Bernhard Daldrup Bettina Müller Dr. Joe Weingarten Lisa Paus Dr. Karamba Diaby Detlef Müller (Chemnitz) Bernd Westphal Esther Dilcher Michelle Müntefering Dirk Wiese Tabea Rößner Sabine Dittmar Dr. Rolf Mützenich Gülistan Yüksel Claudia Roth (Augsburg) Dr. Wiebke Esdar Dietmar Nietan Dagmar Ziegler Dr. Manuela Rottmann (B) Saskia Esken Ulli Nissen (D) Stefan Zierke Corinna Rüffer Yasmin Fahimi Thomas Oppermann Josephine Ortleb Dr. Jens Zimmermann Manuel Sarrazin Dr. Johannes Fechner Mahmut Özdemir Ulle Schauws Dr. Fritz Felgentreu (Duisburg) BÜNDNIS 90/ Dr. Frithjof Schmidt Dr. Edgar Franke Aydan Özoğuz DIE GRÜNEN Stefan Schmidt Ulrich Freese Markus Paschke Luise Amtsberg Charlotte Schneidewind- Dagmar Freitag Christian Petry Hartnagel Lisa Badum Martin Gerster Detlev Pilger Kordula Schulz-Asche Annalena Baerbock Angelika Glöckner Sabine Poschmann Dr. Wolfgang Strengmann- Margarete Bause Timon Gremmels Florian Post Kuhn Dr. Danyal Bayaz Uli Grötsch Florian Pronold Margit Stumpp Canan Bayram Bettina Hagedorn Dr. Sascha Raabe Markus Tressel Dr. Franziska Brantner Rita Hagl-Kehl Martin Rabanus Jürgen Trittin Agnieszka Brugger Metin Hakverdi Andreas Rimkus Dr. Julia Verlinden Dr. Anna Christmann Sebastian Hartmann Sönke Rix Daniela Wagner Dirk Heidenblut Dennis Rohde Ekin Deligöz Beate Walter-Rosenheimer Hubertus Heil (Peine) Dr. Martin Rosemann Katja Dörner Marcus Held René Röspel Katharina Dröge Nein Harald Ebner Wolfgang Hellmich Dr. Ernst Dieter Rossmann CDU/CSU Gustav Herzog Michael Roth (Heringen) Matthias Gastel Veronika Bellmann Gabriele Hiller-Ohm Susann Rüthrich Kai Gehring Jens Koeppen Dr. Eva Högl Bernd Rützel Stefan Gelbhaar Dr. Saskia Ludwig Frank Junge Sarah Ryglewski Katrin Göring-Eckardt Sylvia Pantel Thomas Jurk Johann Saathoff Erhard Grundl Jana Schimke Oliver Kaczmarek Axel Schäfer (Bochum) Anja Hajduk Dr. Dietlind Tiemann Johannes Kahrs Dr. Nina Scheer Britta Haßelmann Klaus-Peter Willsch Elisabeth Kaiser Marianne Schieder Dr. Bettina Hoffmann Ralf Kapschack Udo Schiefner Dr. Anton Hofreiter Gabriele Katzmarek Dr. Nils Schmid Ottmar von Holtz AfD Cansel Kiziltepe Uwe Schmidt Dieter Janecek Dr. Bernd Baumann Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17121

(A) Marc Bernhard Frank Pasemann Pascal Kober Brigitte Freihold (C) Andreas Bleck Tobias Matthias Peterka Dr. Lukas Köhler Dr. Gregor Gysi Peter Boehringer Paul Viktor Podolay Wolfgang Kubicki Dr. André Hahn Stephan Brandner Jürgen Pohl Konstantin Kuhle Heike Hänsel Jürgen Braun Martin Reichardt Alexander Kulitz Matthias Höhn Marcus Bühl Martin Erwin Renner Alexander Graf Lambsdorff Andrej Hunko Matthias Büttner Roman Johannes Reusch Ulrich Lechte Ulla Jelpke Petr Bystron Ulrike Schielke-Ziesing Christian Lindner Kerstin Kassner Tino Chrupalla Dr. Robby Schlund Michael Georg Link Dr. Achim Kessler Joana Cotar Uwe Schulz (Heilbronn) Katja Kipping Dr. Gottfried Curio Thomas Seitz Oliver Luksic Siegbert Droese Till Mansmann Jan Korte Thomas Ehrhorn Detlev Spangenberg Dr. Jürgen Martens Jutta Krellmann Berengar Elsner von Dr. Dirk Spaniel Christoph Meyer Caren Lay Gronow René Springer Alexander Müller Sabine Leidig Dr. Michael Espendiller Beatrix von Storch Frank Müller-Rosentritt Ralph Lenkert Peter Felser Dr. Alice Weidel Dr. Martin Neumann Stefan Liebich (Lausitz) Dr. Anton Friesen Dr. Harald Weyel Dr. Gesine Lötzsch Hagen Reinhold Markus Frohnmaier Wolfgang Wiehle Thomas Lutze Dr. Götz Frömming Bernd Reuther Dr. Heiko Wildberg Pascal Meiser Dr. Alexander Gauland Dr. h. c. Thomas Dr. Christian Wirth Sattelberger Amira Mohamed Ali Albrecht Glaser Christian Sauter Cornelia Möhring Franziska Gminder FDP Frank Schäffler Kay Gottschalk Grigorios Aggelidis Dr. Wieland Schinnenburg Armin-Paulus Hampel Norbert Müller (Potsdam) Renata Alt Matthias Seestern-Pauly Mariana Iris Harder-Kühnel Zaklin Nastic Christine Aschenberg- Frank Sitta Dr. Dr. Alexander S. Neu Dugnus Judith Skudelny Jochen Haug Thomas Nord Nicole Bauer Bettina Stark-Watzinger Martin Hebner Petra Pau (B) Jens Beeck Benjamin Strasser (D) Udo Theodor Hemmelgarn Sören Pellmann Dr. Jens Brandenburg Katja Suding Waldemar Herdt (Rhein-Neckar) Linda Teuteberg Victor Perli Dr. Heiko Heßenkemper Mario Brandenburg Michael Theurer Tobias Pflüger Karsten Hilse (Südpfalz) Stephan Thomae Martina Renner Martin Hohmann Sandra Bubendorfer-Licht Manfred Todtenhausen Bernd Riexinger Dr. Bruno Hollnagel Dr. Marco Buschmann Dr. Florian Toncar Eva-Maria Schreiber Leif-Erik Holm Karlheinz Busen Dr. Andrew Ullmann Dr. Petra Sitte Johannes Huber Carl-Julius Cronenberg Gerald Ullrich Helin Evrim Sommer Britta Katharina Dassler Fabian Jacobi Johannes Vogel (Olpe) Bijan Djir-Sarai Friedrich Straetmanns Jens Kestner Sandra Weeser Christian Dürr Dr. Kirsten Tackmann Stefan Keuter Nicole Westig Hartmut Ebbing Jessica Tatti Norbert Kleinwächter Katharina Willkomm Enrico Komning Dr. Marcus Faber Alexander Ulrich Jörn König Otto Fricke Kathrin Vogler DIE LINKE Steffen Kotré Thomas Hacker Dr. Sahra Wagenknecht Dr. Rainer Kraft Reginald Hanke Doris Achelwilm Andreas Wagner Rüdiger Lucassen Peter Heidt Gökay Akbulut Harald Weinberg Jens Maier Katrin Helling-Plahr Simone Barrientos Katrin Werner Dr. Lothar Maier Markus Herbrand Dr. Dietmar Bartsch Hubertus Zdebel Dr. Birgit Malsack- Torsten Herbst Lorenz Gösta Beutin Winkemann Katja Hessel Matthias W. Birkwald Fraktionslos Corinna Miazga Dr. Gero Clemens Hocker Heidrun Bluhm-Förster Andreas Mrosek Manuel Höferlin Michel Brandt Marco Bülow Hansjörg Müller Reinhard Houben Dr. Birke Bull-Bischoff Lars Herrmann Volker Münz Ulla Ihnen Jörg Cezanne Mario Mieruch Sebastian Münzenmaier Olaf In der Beek Fabio De Masi Christoph Neumann Gyde Jensen Dr. Diether Dehm Enthalten Jan Ralf Nolte Dr. Christian Jung Anke Domscheit-Berg Ulrich Oehme Karsten Klein Klaus Ernst FDP Gerold Otten Daniela Kluckert Susanne Ferschl Dr. Christoph Hoffmann 17122 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächster Redner steht Wind circa 20 Prozent der Zeit zur Verfügung, bei (C) hat der Kollege Dr. Rainer Kraft, AfD-Fraktion, das Wort. Sonne sind es magere 10 Prozent. Aus den 60 Gigawatt werden dann 12, und aus den 50 werden 5 Gigawatt, (Beifall bei der AfD) zusammen 17 Gigawatt. Das heißt, im Mittel stehen uns zur Kompensation von 22 Gigawatt nur ungenügende Dr. Rainer Kraft (AfD): 17 Gigawatt sogenannter Erneuerbarer zur Verfügung. Herr Präsident! Geschätzte Kollegen! Geehrte Gäste! Das reicht hinten und vorne nicht, und daran wird sich Herr Jung, noch mal ganz kurz zum Vermittlungsaus- auch nichts ändern. schuss: Sie wollen die Leute nicht mitnehmen, Sie wollen sie ausnehmen. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD – Ulli Nissen [SPD]: Un- Denn trotz EEG und anderer Zwangsmaßnahmen hat der fug!) Aufbau dieser mageren 17 Gigawatt fast 20 Jahre ge- dauert, und über 300 Milliarden Euro wurden verschw- Die COP 25 in Madrid ist vorbei. Die Klimakarawane endet. Das wird in den kommenden drei Jahren auch nicht zieht weiter. Aber welches wichtige Ereignis hat denn besser werden, weil ja immer mehr Windmühlen aus der tatsächlich in der letzten Woche stattgefunden? Richtig, Umlage fallen und dann permanent stillgelegt werden. das war die Unterhauswahl in Großbritannien. Boris Johnson hat einen Erdrutschsieg erzielt, und die Briten (Ulli Nissen [SPD]: Unfug!) haben sich damit ganz klar gegen die EU entschieden. Ich hatte Ihnen an dieser Stelle schon in der vergangenen Johnson hatte Wahlhilfe von unerwarteter Seite: Während Woche gesagt: Das ist keine vernünftige Energiepolitik, der UN-Klimakonferenz stellte nämlich EU-Kommis- das ist sozialistische Mangelbewirtschaftung. sionspräsidentin von der Leyen ihren sogenannten Green Deal vor und gab den Briten das entscheidende Signal: (Beifall bei der AfD) Rette sich, wer kann! Und wir haben jetzt auch nur die mittlere Verfügbarkeit (Beifall bei der AfD – Karsten Möring [CDU/ betrachtet. Das Problem der aktuellen Verfügbarkeit von CSU]: Ach nee! – Dr. Franziska Brantner Strom ist hier noch gar nicht beleuchtet worden, und da [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Thema ver- sieht es noch viel düsterer aus. fehlt!) Das bringt uns zu einem wichtigen Punkt, liebe First Exit: Brexit. Unionsfraktion: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz haben wir Ihnen zu verdanken. Ja, ja, beschlossen wurde es zwar (Beifall bei Abgeordneten der AfD) unter Rot-Grün, aber Sie hatten 14 Jahre Zeit gehabt, (B) (D) Oder: Dieser Green Deal wird keine Mondlandung wer- diesen politischen Unsinn zu beenden. Passiert ist das den, sondern der Moment des harten Aufschlages der EU nicht, weil auch Sie sich ein kleines grünes Mäntelchen auf dem Boden der Realität. umhängen wollen. Doch zurück nach Deutschland. Hier soll der Kohle als (Beifall bei der AfD) Form der Energieerzeugung der Rücken gekehrt werden. Aber, liebe Union, Handlungen haben Konsequenzen. Aber nach der Mehrfachvolte von Ausstieg und Wieder- Es ist nicht möglich, die Art und Weise, wie wir Energie einstieg und vom Wiedereinstieg zum Wiederausstieg aus gewinnen, grundlegend umzukrempeln, ohne dass dies der Kernenergie waren es nicht Wind und Sonne, die Folgen für die Bürger hat. Dies ändert sich auch dadurch dafür gesorgt haben, dass die Lichter in Deutschland nicht nicht, dass Sie das seit Jahren wie ein Mantra vor sich ausgehen, sondern es war einzig und allein die Kohle. herbeten. Wenn Sie die Energiewirtschaft von einer funk- (Beifall bei der AfD – Klaus Mindrup [SPD]: tionierenden Stromerzeugung, die sich daran orientiert, Gucken Sie sich mal die Zahlen an!) so viel Strom, wie benötigt wird, zu erzeugen, zu einer unzuverlässigen Stromerzeugung transformieren, bei der – Zu den Zahlen kommen wir gleich. man halt irgendwie mit dem klarkommen muss, was ge- Nach der Empfehlung der sogenannten Kohlekommis- rade zur Verfügung steht, dann hat das selbstverständlich sion sollen bis Ende 2022 12,5 Gigawatt Kohlestrom massive Auswirkungen auf den Geldbeutel der Bürger vom Netz gehen, zusätzlich zu den 9,5 Gigawatt an nuk- und ihre Art und Weise, zu leben. learer Leistung, die bis Ende 2022 ebenfalls vom Netz gehen werden. Das sind in Summe 22 Gigawatt, mehr als (Beifall bei der AfD) ein Viertel der Spitzenlast für Deutschland. Für dieses Sie wissen das. Sie wissen das, aber Sie streuen dem Unterfangen bleiben nur noch drei Jahre Zeit. Grund ge- Bürger Sand in die Augen, weil Sie natürlich genau wis- nug, einmal zu schauen, wie diese Leistung ersetzt wer- sen, dass er Ihre Politik abstrafen wird, wenn er hinter den kann. Die Regierung wird ja nicht müde, uns zu er- Ihre Potemkin’schen Energiedörfer blickt. Erreicht haben klären, dass dies mittels sogenannter erneuerbarer Sie eigentlich auch nichts. Klimaziele 2020 – nicht er- Energien, also Sonne und Wind, gelingen wird. Formal reicht. 1 Million E-Autos auf unseren Straßen – nicht haben wir zwar 60 Gigawatt an Windleistung und circa erreicht. Stromeinsparziele 2020 – nicht erreicht. Ein- 50 Gigawatt an Solarleistung installiert, was ja erst mal sparziele beim Primärenergieverbrauch – nicht erreicht. ausreichend klingt, aber diese Leistungen stehen ja nicht Senkung des Endenergieverbrauchs im Verkehr – nicht konstant zur Verfügung, weil der Wind nicht immer weht erreicht. Nicht erreicht, nicht erreicht, nicht erreicht. Un- und die Sonne natürlich nicht immer scheint. Im Mittel genügend! Sechs, setzen! Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17123

Dr. Rainer Kraft (A) (Beifall bei der AfD) haben, ganz explizit. Sie sind gestartet mit dem An- (C) spruch: „Wir kippen das Thema Pendlerpauschale“, und Vizepräsident Wolfgang Kubicki: sind dann mit einer deutlich höheren Pendlerpauschale rausgekommen. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Toni Hofreiter, ich erkenne an der Stelle ausdrücklich Dr. Rainer Kraft (AfD): an, dass verstanden wurde, dass es hier um Stadt und Ich bin schon am Schluss. – Dass Sie hier heute selbst Land und um sozialen Ausgleich geht. So habe ich jeden- noch eine solche Aktuelle Stunde zu Ihrem Versagen for- falls Hofreiters Rede vorhin verstanden. Das ist gut, das dern, ist ein bisschen dreist und ein bisschen frech. An ist eine gute Einsicht, und das müssen wir auch so wei- einem Punkt haben Sie allerdings leider recht. tertragen; denn der Konflikt geht natürlich an der Stelle weiter. Den müssen wir auflösen, meine Damen und Her- ren; das ist ganz entscheidend. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zu- ruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ Dr. Rainer Kraft (AfD): DIE GRÜNEN]) Deutschland bleibt auf Kurs, aber leider führt uns Ihr – Bei der vorigen Debatte hat er genau das gesagt, Herr Kurs direkt in den Abgrund, auf Kosten unserer Wirt- Kollege. schaft, auf Kosten der Steuerzahler und auf Kosten Hun- derttausender deutscher Arbeitsplätze. Sie haben natürlich auch verstanden, dass man nicht auf der einen Seite die Klimaauflagen laufen lassen kann (Beifall bei der AfD) und auf der anderen Seite im Vermittlungsausschuss die Entlastungen stoppen kann. Das ist auch ganz entschei- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: dend; denn die Dinge gehören zusammen, für uns ganz Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Georg besonders. Ich halte es für ganz wichtig, dass wir auf Nüßlein, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. dieser Grundlage jetzt nicht die Maßnahmen kleinreden, sondern dass wir das gemeinsam weitertragen, raus aus (Beifall bei der CDU/CSU) dem Vermittlungsausschuss durch den Deutschen Bun- destag. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wegen Aber auch da, wo Ihre Stimme, liebe Freunde von den (B) des Weihnachtsfriedens, der so langsam losgehen sollte, Grünen, vielleicht ein bisschen stärker zählt, beispiels- (D) sage ich jetzt mal nichts zur AfD. Das bringt nichts, das weise bei den Demonstrationen, sollten Sie mal deutlich ändert nichts. Das führt nur zu Geschrei auf Ihrer Seite. machen, dass Sie hier mit beteiligt sind, dass Sie das Ganze mitgemacht haben und dass Sie es für richtig (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Doch! Bitte! und wichtig halten. Das ist ganz entscheidend; denn am Wir freuen uns immer!) Schluss kommt es darauf an, mit dem Klimaschutz nicht – Aber auch die Tatsache, dass man Sie sinnvollerweise das zu tun, was die AfD gern hätte, nämlich die Gesell- übergeht, führt zu diesem Geschrei. schaft zu spalten. Es geht an der Stelle darum, zu ver- einen. Es geht darum, nicht zu spalten zwischen denen, Ich will anders starten, nämlich mit einem Lob für die die sich problemlos ein Hybridfahrzeug oder einen Tesla Grünen. leisten können, und denen, die gerade mal einen ge- (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: brauchten Diesel kaufen können. Es geht darum, nicht Oh! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: zu spalten zwischen Stadt und Land, und es geht auch Mal was ganz Neues!) darum, nicht zu spalten innerhalb Europas. Das halte ich für ganz wichtig. Jetzt überlegen Sie: Geht es da auch um den Weihnachts- frieden, oder ist das Lob irgendwie vergiftet? Nein, meine (Dr. Rainer Kraft [AfD]: Da spalten Sie!) Damen und Herren, ich will mal ausdrücklich loben, dass Denn letztendlich ist Klimapolitik Politik, die man euro- Sie mit einer hohen Kompromissbereitschaft zu diesem päisch oder noch besser und sinnvoller international be- Vermittlungsergebnis beigetragen haben, ganz explizit. treiben muss. Und deshalb ist für uns das Ergebnis der Das war richtig und wichtig. Klimakonferenz so belastend und so enttäuschend. (Zuruf von der AfD: Ja! Der neue Koalitions- Der European Green Deal, der vorhin angesprochen partner!) wurde, hat durchaus einen wichtigen Ansatz, nämlich Ich sage aber auch, dass es Ihnen wahrscheinlich ein den: Wir erhöhen zwar die Ziele, aber es muss insgesamt bisschen leichter gefallen wäre, wenn man anfangs nicht das Ziel sein, das Thema so zu synchronisieren, dass zu sehr gegen die Pendlerpauschale polemisiert hätte, Deutschland am Schluss nicht wieder einseitig zusätzli- vielleicht auch auf Grundlage von falschen Vorstellun- che Lasten übernimmt. – Aus meiner Sicht kann Frau von gen, um was es da gehen könnte; Herr Habeck hat das der Leyen an der Stelle gerne mehr Ambitionen einfor- auch deutlich dokumentiert. Dann tut man sich nachher dern, aber, meine Damen und Herren, doch bitte von de- ein bisschen leichter, über den eigenen Schatten zu sprin- nen, die bisher zurückbleiben. Das darf nicht wieder in gen. Ich freue mich aber trotzdem, dass Sie das getan der üblichen Art und Weise geschehen, dass Deutschland 17124 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Georg Nüßlein (A) über die vereinbarten und in Aussicht gestellten 55 Pro- Zielerreichung sinnvoll herzustellen. Beides steht hier in- (C) zent hinausgehen muss. Das wäre falsch. frage, beides muss geklärt werden. Deshalb kann ich Ihre Freude über die Verhandlungsposition der Grünen, die ja (Beifall bei der CDU/CSU) nicht Teil des Vermittlungsausschusses war, sondern an Das, was wir hier tun, ist in der Tat ambitioniert: die anderer Stelle mit anderen Leuten anders verhandelt wur- Energieversorgung komplett umstellen, aus der Kern- de, nicht verstehen. Aber darum geht es heute nicht. Jetzt energie aussteigen, die Kohle schrittweise reduzieren, Er- geht es erst einmal um Madrid. neuerbare an die Stelle setzen. Wir wissen, dass das nur Meine sehr verehrten Damen und Herren, was haben dann geht, wenn man Übergangstechnologien wie Gas wir in den letzten Tagen gehört? Eine Katastrophe, totales einsetzt. Versagen, die Schande von Madrid. (Enrico Komning [AfD]: Gas, genau!) (Lachen des Abg. Karsten Hilse [AfD]) Diese Dinge umzusetzen, ist eine große Herausforderung. Die Panikrhetorik, die wir jetzt immer wieder hören, ist Es geht uns natürlich auch, meine Damen und Herren, ein absolutes Trauerspiel, ein Abgesang auf jede aufge- um die Industrie in diesem Land. Industrie und Gewerbe klärte, jede vernünftige, jede gut funktionierende Demo- werden noch mehr als Bürgerinnen und Bürger mit dem kratie. Meine Damen und Herren, aber das sind wir hier: zu kämpfen haben, was wir an der Stelle allen abverlan- Wir sind eine funktionierende Demokratie. gen. Deshalb brauchen wir einen sinnvollen Ausgleich, eine gute Idee, wie wir beispielsweise Grund- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten stoffindustrien in diesem Land halten, weil es dem Klima der CDU/CSU – Enrico Komning [AfD]: gar nicht hilft, wenn man sie ins Ausland treibt. Wir brau- Nein!) chen Ideen, wie ein europäischer Strompreis für die In- – Doch. dustrie aussehen kann. Das ist ein industriepolitischer Ja, die Conference of the Parties in Madrid hat noch Anspruch im Verhältnis zu China. Wir müssen uns also nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Ja, wir hätten über eine ganze Menge Dinge unterhalten, auch darüber, uns in einer idealen Welt gewünscht, dass auch ein ideales wie man die Recyclingbranche stärker in das Thema ein- Ergebnis herausgekommen wäre. Aber natürlich schaffen beziehen kann. Da ist Potenzial, das wir noch gar nicht wir in der Realität jedes Jahr aufs Neue etwas Beeindru- heben. ckendes. Wir schaffen, dass nahezu 200 Staaten miteinan- Lassen Sie mich abschließend sagen: Es ärgert mich der an einem Tisch sitzen, miteinander darüber verhan- schon, wenn die eine oder andere Stadt den Klimanot- deln, wie das Klima gerettet werden kann. stand ausruft und so der Eindruck erweckt wird, dass es (B) Meine Damen und Herren, ich möchte ein Zitat brin- (D) hier um Klamauk geht. Viele Leute haben daher den Ein- gen: Es ist besser, keinen Deal zu haben, als einen druck, – schlechten Deal.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall des Abg. Martin Hebner [AfD]) Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Das klingt nach einem sehr wahren Spruch von Christian Lindner. Auch wenn es nicht allen gefällt: Das ist ein Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Spruch von Frans Timmermans. Ich stimme der Sozial- – dass ein intellektueller Notstand in diesen Stadträten demokratie ganz, ganz selten zu. In diesem Fall muss ich herrscht. Ich glaube, wir sollten das Thema mit Ernsthaf- es aber. Es ist richtig, das Verhandlungsergebnis nach tigkeit bearbeiten. Dazu gehört ein kommunaler Klima- hinten zu schieben, auf das nächste Jahr zu schieben, notstand jedenfalls nicht. sodass wir funktionierende Regeln dafür aufstellen kön- nen, wie wir internationalen Klimaschutz machen und (Beifall bei der CDU/CSU) wie wir internationale Zusammenarbeit ausführen kön- nen. Dafür lohnt es sich, ein Jahr länger zu warten und Vizepräsident Wolfgang Kubicki: dann ein Regelwerk zu haben, das wirklich funktioniert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf darum bit- (Beifall bei der FDP) ten, dass die fünf Minuten eingehalten werden; denn sonst haben wir wieder ein Riesenproblem. Lassen Sie mich einen Schritt zurückgehen. Obwohl es, liebe Grüne, Ihnen nicht gefallen dürfte mit Ihrem Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Köhler, FDP- Zielfanatismus: Auf der COP 25 ging es nicht um Ambi- Fraktion. tionssteigerungen. Das war nicht das Ziel der Verhand- lungen für dieses Jahr. Es ging darum, ein Regelwerk für (Beifall bei der FDP) funktionierenden Klimaschutz zu machen. Es ging da- Dr. Lukas Köhler (FDP): rum, dafür zu sorgen, dass wir eine Tonne CO2 als eine Tonne CO anrechnen. Es ging vor allen Dingen darum, Mein sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr ver- 2 zu sagen, dass wir das, was wir zwischen den Staaten in ehrten Damen und Herren! Lieber Herr Nüßlein, Sie ha- der Kooperation ausarbeiten können, sinnvoll umsetzen ben gerade gesagt, worum es geht. Ich glaube, es sollte und damit so schnell wie möglich beginnen können. vor allen Dingen zuerst darum gehen, gute Gesetze zu machen. Es sollte zunächst darum gehen, Verfassungs- Ja, es ging auch um die Frage, ob im Klimaschutz mäßigkeit herzustellen, und es sollte darum gehen, auch andere ökologische Positionen und Dinge eine Rolle spie- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17125

Dr. Lukas Köhler (A) len, und darum, welche Rolle die Menschenrechte spielen Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE): (C) müssen. Und ja, es ging auch darum, zu sagen, dass wir Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- die Frage von Schäden und Verlusten, wenn sie durch den be Zuschauerinnen und Zuschauer! „El pueblo unido, Klimawandel entstehen, weltweit in Kooperation und Zu- jamás será vencido.“ Die vereinte Bevölkerung wird nie- sammenarbeit klären. mals besiegt werden. – Das ist das Lied der demokrati- schen und linken Kräfte in Chile. 1973 ist die demokra- Meine Damen und Herren, der Verhandlungstext, so tische Regierung von Salvador Allende gestürzt worden, wie er jetzt da steht, ist nicht schlecht. Es stehen dort viele von einem Bündnis von Neoliberalen und Faschisten. In und richtige Punkte, die wir brauchen werden, um inter- Chile haben sie alle Bereiche der Gesellschaft dem Profit nationale Kooperation, um internationalen Klimaschutz unterworfen: Wohnen, Rente, Wasser, Gesundheit, Infra- zu machen. Aber, meine Damen und Herren, er ist natür- struktur. Seit Monaten gehen in Chile Millionen auf die lich noch nicht fertig. Deswegen hoffen wir im komm- Straße: für die Demokratie und das Ende des Neolibera- enden Jahr darauf, dass die Verhandlungen gut laufen lismus. Ihr Lied ist weiterhin: „El pueblo unido, jamás werden, und darauf, dass wir wirklich dazu kommen. será vencido.“ Aber, meine Damen und Herren, ich wünsche mir von (Beifall bei der LINKEN) der Europäischen Kommission und von Europa nicht nur, Die Regierung in Chile geht mit Gewalt gegen diese Pro- dass wir allgemein miteinander arbeiten. Ich wünsche mir teste der Bevölkerung vor. Es kommt zu Folter, es kommt nicht nur, dass, so wie es aussieht, der Green Deal in zu Morden in Chile. Genau deshalb ist der Weltklimagip- genau die richtige Richtung der Ausweitung des Emis- fel von Chile nach Spanien verlegt worden. Genau des- sionshandels läuft. Ich wünsche mir auch, dass wir jeden halb haben wir in Madrid den Weltklimagipfel gehabt. einzelnen Euro da ausgeben, wo er am sinnvollsten für den Klimaschutz ausgegeben werden kann, nämlich da, Die Bundesregierung hat recht, wenn sie in ihrem An- wo es am besten funktioniert. trag zur Aktuellen Stunde sagt: Das Ergebnis des Welt- klimagipfels ist ernüchternd. – Aber wenn die Union und Sosehr die Ausrufung des Klimanotstands eine reine die SPD hinzufügen, Deutschland bleibt auf Kurs, dann Symbolpolitik ist und sosehr ich es ablehne, rein symbol- lohnt sich doch ein kritischer Blick. Wie sieht es aus mit politisch mit Klimaschutz billig auf Stimmenfang zu ge- dem Kohleausstieg? Vor einem Jahr hat die Kohlekom- hen, so sehr muss doch jeder, der dieses Wort benutzt, mission entsprechende Empfehlungen verabschiedet. dafür sorgen, dass die Artikel-6-Maßnahmen auch in Zu- Noch immer haben wir kein Gesetz zum Kohleausstieg. kunft in Europa genutzt werden. Ja, ich bin dagegen, 2038 ist viel zu spät. Wir brauchen ihn 2030. Aber nicht Klimanotstand zu benutzen. Aber wer es tut, muss doch einmal das bekommt diese Bundesregierung auf die Rei- (B) dafür sorgen, dass dann auch die großen Fragen geklärt he. Das ist das Problem. (D) werden. Er muss dann Ja sagen zu einer Ausweitung der Forschung in der Gentechnik. Er muss Ja sagen zum Bio- (Beifall bei der LINKEN) engineering, liebe Grüne. Und er muss Ja sagen zur tech- Wie sieht es bei den erneuerbaren Energien aus? Wir nischen Speicherung von CO2. haben die Situation, dass die Windkraft von dieser Bun- desregierung weiterhin ausgebremst wird. In den letzten (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- drei Jahren haben wir 40 000 Arbeitsplätze in der Wind- NEN]: Warum denn?) kraft verloren, und wenn die Bundesregierung diese Po- Wer das auf kommunaler Ebene in München fordert, von litik fortsetzt, stehen weitere Arbeitsplätze im Bereich dem erwarte ich auch Konsequenzen. Wir müssen auf- erneuerbare Energien auf dem Spiel. Auch das ist ein hören, eine reine Symbolpolitik zu machen. Wer das ein- Problem. fordert, muss auch in München fragen: Wie viele direkte (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- und indirekte Emissionen entstehen auf dem Oktoberfest? NIS 90/DIE GRÜNEN) (Heiterkeit des Abg. Karsten Hilse [AfD]) Schauen wir uns die Verkehrswende an. Am Ende muss man dann auch die Konsequenz daraus (Dr. Rainer Kraft [AfD]: Hat nicht funktio- ziehen. Das erwarte ich von Ihnen, liebe Grüne. niert!) Was brauchen wir in dieser Situation? Wir brauchen über- Vielen lieben Dank. all im ländlichen Raum den Ausbau des öffentlichen Nah- verkehrs. Wir brauchen eine bezahlbare und gut ausge- (Beifall bei der FDP – Lisa Badum [BÜND- baute Bürgerinnenbahn. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Dummes Zeug! Die FDP will das Oktoberfest abschaffen!) (Beifall bei der LINKEN) Stattdessen setzt der Bundesverkehrsminister weiterhin Vizepräsident Wolfgang Kubicki: auf Beton und Asphalt. Das ist ein Problem. Auch dieser Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Köhler. – Nächster Red- Bundesverkehrsminister ist ein Problem, und wir bleiben ner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Lorenz dabei: Er hat zurückzutreten. Gösta Beutin. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der LINKEN) neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 17126 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Lorenz Gösta Beutin (A) Schauen wir uns den Bereich Wärme an. Sie kriegen Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (C) kein Programm auf die Reihe, das erneuerbare Wärme Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist für mit bezahlbarem Wohnen und bezahlbaren Heizkosten die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Lisa zusammenbringt. Sie haben keine Idee. Die einzige posi- Badum. tive Idee dieser Bundesregierung, ein Programm für so- zial gerechte energetische Sanierung aufzulegen, wurde (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der schwarzen Null geopfert, und genau das bleibt das Problem. Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und (Beifall bei der LINKEN) Herren! Wir haben ein Jahr lang um Klimaschutz gerun- gen und gestritten – wir stehen am Ende des Jahres –, aber Es bleibt also dabei: Das Klimapaket der Bundesregie- nicht nur hier, sondern in der ganzen Republik. Denken rung ist unwirksam. Die soziale Spaltung in unserem wir ein Jahr zurück. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Für Land spitzt sich zu. Sie werden damit die Klimaziele 2020 mich war der Freitag eher ein Symbol für das Wochen- nicht einhalten, und Sie werden auch die Klimaziele 2030 ende. Mittlerweile ist der Freitag ein Symbol für eine nicht einhalten. Wenn Sie jetzt sagen, Deutschland bleibt weltweite Jugendbewegung für das Klima geworden, auf Kurs, dann können wir nur sagen: Auch der Kurs auf und das bleibt. Bruchlandung ist noch immer ein klarer Kurs. Was mir von der Klimakonferenz in Madrid in Erinne- (Beifall bei der LINKEN) rung bleibt, ist nicht in erster Linie das Scheitern, das traurige Ende der Verhandlungen, sondern es sind Men- Also: Die Ergebnisse des Weltklimagipfels sind nicht schen wie die Umweltaktivistinnen in Lateinamerika, die nur enttäuschend, sie sind verheerend. Es gibt keine Ei- in manchen Staaten vom Tod bedroht sind, aber weiter- nigung auf schärfere Klimaziele, es gibt keine Einigung kämpfen. Das sind Indigene wie im Amazonasregenwald, auf eine einheitliche Berechnung der CO2-Einsparung, die ihre Umwelt und ihr Leben gegen einen rechten und es gibt auch keine Einigung über die Finanzierung Brandstifter verteidigen. Das ist ein Mensch wie James der Klimaschäden für den globalen Süden. Letztlich be- Bhagwan, ein Priester auf den Fidschi-Inseln, der gegen deutet das Stillstand, den Meeresspiegelanstieg und für sein Volk kämpft.

(Dr. Lukas Köhler [FDP]: Nein, das ist doch (Zurufe von der AfD) Quatsch!) Natürlich gibt es auch negative Nachrichten von der COP. Es gab die großen Bremserstaaten wie Brasilien und (B) und Stillstand ist in Bezug auf die Klimakrise nichts Po- die USA. Es gibt Staaten wie Australien, die neue Kohle- (D) sitives, sondern das ist ein Rückschritt. kraftwerke planen. Es gibt Staaten, die neue Atomkraft- werke planen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Wir sind deshalb bei den Menschen, die bei der COP, Wir haben in Deutschland mittlerweile irrlichternde Ge- die beim Weltklimagipfel protestiert und die Hauptsit- sellen, die die Renaissance der Atomkraft fordern. Ich zung blockiert haben und die von der Polizei eingekesselt kann Ihnen sagen: Das werden wir nie mitmachen, das worden sind. Im Kessel haben wir gemeinsam gesungen: wird nie passieren, dagegen werden wir kämpfen, meine „El pueblo unido, jamás será vencido“, auch als Gruß an sehr geehrten Damen und Herren. die Bewegung in Chile, die zur gleichen Zeit einen Alter- nativgipfel in Chile abgehalten hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir sagen: Wenn wir Klimagerechtigkeit wollen, müs- Solche Ergebnisse sind frustrierend, und das lähmt uns, sen wir mit den Prinzipien des Neoliberalismus brechen. auch als Weltgemeinschaft. Das ist Wasser auf die Müh- (Grigorios Aggelidis [FDP]: Man muss mit len derjenigen, die nicht für echten Klimaschutz hier im dem Kommunismus brechen! Das wäre ein gu- Bundestag sitzen und die bei den Bürgerinnen und Bür- ter Anfang!) gern Angst schüren wollen. (Grigorios Aggelidis [FDP]: Damit kennen sich Wir müssen mit den Prinzipien, die diese Bundesregie- die Grünen aus! – Zuruf des Abg. Martin rung im Klimapaket vorangestellt hat, brechen. Dann Reichardt [AfD]) brauchen wir eine andere Art des solidarischen Produzie- rens, eine andere Art des Konsumierens und des Wirt- Aber das Gute ist: Die Botschaft am Ende dieses Jahres ist schaftens, und die wird nicht von den Regierungen er- nicht Angst, die Botschaft ist Zuversicht. reicht, die wird von den Menschen, die wird von der (Grigorios Aggelidis [FDP]: Was sagt denn der Klimabewegung auf der Straße gemeinsam erkämpft. Klimanotstand aus? Massenpanik!) Vielen Dank. Selbst in den USA warten Regionen wie zum Beispiel Kalifornien nicht auf den Präsidenten. Sie beschließen (Beifall bei der LINKEN – Dr. Lukas Köhler einfach selbst den Steinkohleausstieg. Sie planen dieses [FDP]: Wie finanziert sich denn Venezuela?) Jahr den Atomausstieg. Auch China setzt seit vielen Jah- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17127

Lisa Badum (A) ren nicht mehr nur auf Kohle, sondern auf Wind und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (C) Sonne. Damit ist aus dem schlechten Klimapaket noch kein (Zurufe von der AfD) gutes geworden, Sie haben dieses Jahr Solaranlagen für so viel Leistung (Grigorios Aggelidis [FDP]: Noch ein schlim- neu installiert, wie wir in Deutschland insgesamt haben. meres!) (Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wie viele aber wir haben noch sehr viel vor. Davon können Sie Kohlekraftwerke haben die gebaut?) ausgehen. Die europäische Ankündigung – es ist schon angespro- (Zuruf von der AfD: Das befürchten wir alle!) chen worden – eines neuen Green Deals, eines grünen Wir haben noch viel im Köcher. Vertrags, gibt Hoffnung. (Dr. Rainer Kraft [AfD]: Ist das eine Drohung?) (Zuruf von der AfD: Das ist doch super!) Das Signal war enorm wichtig angesichts des bitteren Ich glaube, wir Grünen sind nicht verdächtig, zu sagen: Ergebnisses von Madrid. Es zeigt: Der Druck der Straße Die EU-Kommission hat beim Thema Klimaschutz schon wirkt. Es zeigt: Es ist weitaus mehr möglich als die bishe- das Ende der Fahnenstange erreicht, die Ambitionen sind rigen Regelungen. richtig, und die Maßnahmen sind voll ausgestaltet. – Denn das ist noch nicht so. Aber von unserer Seite aus (Zuruf von der AfD) Respekt für das, was die neue Kommissionspräsidentin Wir sammeln unsere Kräfte und kehren voller Tatendrang und ihr Team schaffen, nämlich eine positive Stimmung zurück für das Klimajahr 2020. zu erzeugen und Mut zur Neuorientierung zu verbreiten. Vielen Dank. (Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gibt eine reale Chance für uns, der erste klimaneut- rale Kontinent der Erde zu werden. Der Energiekommis- sar, Herr Timmermans, Sozialdemokrat, hat mir gesagt – Vizepräsident Wolfgang Kubicki: es ist eigentlich eine Binsenweisheit, aber ich habe den Vielen Dank, Frau Kollegin Badum. – Nächster Redner Eindruck, ich muss es hier noch einmal aussprechen –, ist Dr. Matthias Miersch, SPD-Fraktion, dem ich zu sei- dass Deutschland in dem Green Deal eine sehr wichtige nem heutigen Geburtstag ausdrücklich herzlich gratulie- Rolle spielen kann und muss, re. (B) (D) (Zurufe von der AfD) (Beifall) gerade mit unserer Chemie-, Stahl- und Automobilindust- Dr. Matthias Miersch (SPD): rie. Nur aktuell tun wir es noch nicht. Hören Sie endlich Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr auf, mit der Abrissbirne durch die Windenergiebranche Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau zu fegen. Geben Sie unseren Unternehmen die Chance, Badum, es ist sicherlich nicht so, dass von einem CO2- Technologieführer zu sein. Preis die Welt untergeht. Aber ich will schon sagen: Das, was es an Forderungen gegeben hat, beispielsweise 60 Eu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ro Einstiegspreis auf dem grünen Parteitag, Grigorios Aggelidis [FDP]: Ihre Unternehmen! Genau!) (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Denn Deutschland hat das Zeug, an der Spitze einer grü- Ach, Matthias!) nen Wirtschaft zu stehen. hat das Potenzial, diese Gesellschaft zu sprengen. Inso- fern bin ich froh, dass Sie zur Vernunft gekommen sind Ein Stück weit ist uns an diesem Wochenende schon und wir bei 25 Euro Einstiegspreis gelandet sind. gelungen. Wir Grüne haben es im Vermittlungsausschuss geschafft, dafür zu sorgen, dass der CO2-Preis langsam (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) den richtigen Weg einschlägt, auch wenn wir damit noch lange nicht am Ziel sind. Aber klar ist, dass die Welt nicht An die FDP gerichtet: Wer meint, über einen Preis eine Lenkungswirkung zu erzielen – – Herr Präsident, Sie mi- untergeht, weil die Tonne CO2 jetzt 25 Euro statt 10 Euro kostet. schen sich jetzt ein? Wollen wir miteinander diskutieren?

(Martin Reichardt [AfD]: Die Welt geht auch Vizepräsident Wolfgang Kubicki: nicht unter, wenn CO gar nichts kostet!) 2 Nein, ich habe etwas zu meinem Schriftführer gesagt. Die Welt wird mit uns Grünen sogar ein Stück gerechter; Dr. Matthias Miersch (SPD): (Corinna Miazga [AfD]: Unfassbar!) Alles klar. Aber ich nehme den Präsidenten gleich in denn der Strom wird deutlich günstiger, und zwar für alle. Mithaftung; denn er hat gesagt: „Was denn sonst?“ Das Gleichzeitig belohnen wir klimafreundliches Verhalten. zeigt eben die Unterschiede. – Wer meint, über einen Das ist faire Umverteilung, das ist Lenkungswirkung, Preis Menschen zu mehr Klimaschutz zwingen zu kön- das ist sozial und ökologisch gerecht. nen, 17128 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Matthias Miersch (A) (Dr. Lukas Köhler [FDP]: Wir wollen das Wirtschaftsministerium und das Bundesverkehrsministe- (C) nicht! – Grigorios Aggelidis [FDP]: Das ma- rium heute durch Abwesenheit glänzen, liebe Kollegin- chen Sie doch!) nen und Kollegen. der nimmt in Kauf, dass die, die viel haben – das mag Ihre (Beifall bei der SPD – Dr. Lukas Köhler [FDP]: Klientel sein –, sich jede Umweltverschmutzung leisten Sie wissen schon, dass es um Madrid geht?) können, aber weite Teile der Bevölkerung können es sich eben nicht leisten. Das ist unsozial. Deswegen sage ich: Wir sind ein bisschen auf dem Weg. Ich sage sogar: Wir haben ganz schön viel geschafft. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Lukas (Dr. Lukas Köhler [FDP]: Einen Satz zu Mad- Köhler [FDP]: Bleiben Sie doch bei der Wahr- rid!) heit!) Aber es liegt noch einiges vor uns. Zwei Punkte will ich Um gleich weiter anzuschließen – das Ende des Jahres hier hervorheben. bietet Gelegenheit, Bilanz zu ziehen –: Wir haben eine Blaupause; denn die FDP und die Grünen haben ja ver- (Grigorios Aggelidis [FDP]: Thema verfehlt! sucht, sich mit der CDU/CSU zu einigen. Sie haben noch nicht ein Wort zu Madrid ge- sagt!) (Dr. Lukas Köhler [FDP]: Die Union hat keine Steuer gefordert!) Der erste Punkt ist: Wenn wir beim Ausbau von er- Wo waren Sie denn in den Jamaika-Verhandlungen? Heu- neuerbaren Energien nicht weiterkommen, können wir te am Ende des Jahres können wir sagen: Das Klima- uns all das, was wir hier vorhaben, von der Backe schutzgesetz ist in trockenen Tüchern. Erstmals ist Kli- schmieren, dann funktioniert der Umstieg nicht. Deswe- maschutz verbindlich, erstmals werden Ministerien zu gen sage ich: , bitte jetzt liefern! Es muss entsprechenden Maßnahmen gezwungen. Das gab es bei ein 65-prozentiger Anteil der erneuerbaren Energien im Jamaika nicht, bei uns gibt es das schon, liebe Kollegin- Jahr 2030 gewährleistet sein. Diese Lieferung erwarten nen und Kollegen. wir, und zwar bis März 2020. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Anja (Beifall bei der SPD) Weisgerber [CDU/CSU]) Das Gleiche gilt für den gesellschaftlichen Konsens, Wir haben dank des Bundesfinanzministers ein Maßnah- den wir durch die Kohlekommission erreicht haben. menpaket vereinbart. Milliarden fließen in den ÖPNV, Den müssen wir im ersten Vierteljahr 2020 in Gesetze (B) Milliarden fließen in die Infrastruktur der Deutschen gießen. Das ist die zweite große Aufgabe für diesen Bun- (D) Bahn. Davon war im Zuge der Jamaika-Verhandlungen deswirtschaftsminister. Auch hier muss jetzt geliefert nichts zu lesen, liebe Kolleginnen und Kollegen. werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD – Dr. Lukas Köhler [FDP]: (Beifall bei der SPD – Grigorios Aggelidis Im Koalitionsvertrag auch nicht!) [FDP]: Ein Wort zu Madrid!) Und wir haben einen CO2-Preis, der – ja, in der Tat – Ich mache einen großen Strich unter diese Ausführun- eine Signalwirkung hat, der auch Anreize setzt, gen. (Dr. Lukas Köhler [FDP]: Also doch über den Ich glaube, dass Madrid gezeigt hat Preis steuern! Jetzt bleiben Sie bei der Wahr- heit!) (Dr. Lukas Köhler [FDP]: Ah! Sehr schön!) der aber auch – hoffentlich – für die nächsten Jahre Pla- – ja, Herr Köhler –, wie schwer es ist, sich auf gemein- nungssicherheit gibt. Deswegen lautet mein Appell an same Nenner zu verständigen, wenn man politisch ganz alle, die an diesem Kompromiss beteiligt gewesen sind, unterschiedlicher Meinung ist. Umso wertvoller ist es, einschließlich der Grünen: Dies muss jetzt eine belastbare dass es uns gelungen ist, zumindest zusammen mit dem Grundlage für die Verbraucherinnen und Verbraucher und Teil der Opposition, der über den Bundesrat Regierungs- für die Unternehmen in Deutschland sein. Das ist elemen- verantwortung übernommen hat, ein wichtiges Paket auf tar. Wir müssen für die Gesellschaft Planungssicherheit den Weg zu bringen. Aber es ist mindestens genauso hinsichtlich der Bepreisung herstellen. Es geht darum, wichtig, die nächsten Schritte jetzt anzugehen. Insofern sich für die nächsten Jahre auf etwas einstellen zu können. freue ich mich auf die Debatten im Jahr 2020 und wün- Damit bin ich bei einem sehr entscheidenden Punkt. sche ein frohes Weihnachtsfest. Manchmal wird in diesen Debatten ja so getan, als sei (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas der CO2-Preis irgendein Fetisch, als müsse man nur einen Hebel umlegen und schon hätte man Klimaschutz. Nein, Jung [CDU/CSU]) vor uns liegen 30 Jahre großer Transformationsprozess. Deswegen will ich Folgendes sagen: Ich finde es mehr als Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: bedenklich, wenn bei dieser Aktuellen Stunde im Deut- Vielen Dank, Herr Kollege. – Der nächste Redner: der schen Bundestag zu diesem Thema zwei Schlüsselress- Kollege Karsten Hilse, AfD-Fraktion. orts, die in den nächsten Wochen und Monaten sehr ge- fordert sind, fehlen. Es ist nicht akzeptabel, dass das (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17129

(A) Karsten Hilse (AfD): schaftler“ kennen, die sich erstaunlicherweise gar nicht (C) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe über Wissenschaft unterhalten wollten, Landsleute! Ich beginne mit einem Zitat von Henryk Broder – ich habe es hier schon einmal vorgetragen; aber (Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: es passt natürlich, bildlich gesprochen, heute wie die Herr Präsident, haben Sie nicht zugehört? – Zu- Faust aufs Auge –: rufe von der SPD) sondern harsch von mir forderten, die wissenschaftliche Diese Klima-Geschichte hat alle Ingredienzien, alle Diskussion doch jetzt endlich zu lassen und mich statt- Kennzeichen einer Glaubensbewegung: Da gibt es dessen – – die gläubigen Massen, die ihre Kirchentage abhalten … da gibt es Helden wie die kleine Greta aus Schwe- (Weitere Zurufe von der SPD) den, da gibt es die Geistlichen wie Herrn Schellnhu- ber und andere Wissenschaftler oder Mehr-oder-we- – Was ist denn los? niger-Wissenschaftler, die die Rolle der Priester (Saskia Esken [SPD]: Ich erwarte, dass Sie ein- übernehmen, und dann gibt es die Ketzer, die Häre- greifen, Herr Präsident! – Dr. Anja Weisgerber tiker … [CDU/CSU]: Es kann nicht sein, dass das Prä- (Ulli Nissen [SPD]: Oh Gott!) sidium schweigt!)

Als umweltpolitischer Sprecher der AfD-Bundestags- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: fraktion bin ich für Sie und für viele gläubige Journalisten der Oberketzer, weil ich einfach nicht an Ihren Unfug Herr Kollege Hilse, Sie brauchen sich nicht zu wun- glauben will, sondern Beweise für Ihre abstruse Theorie dern. Diese Art von Diskreditierung der Kollegen ist nicht einfordere, die Sie aber trotz jahrzehntelanger und mil- okay. liardenschwerer Forschung nicht vorlegen können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]) (Beifall bei der AfD) Stattdessen sollen sich die Menschen mit abenteuerli- Karsten Hilse (AfD): chen Vorhersagen zufriedengeben, obwohl der Weltkli- Okay; gut. marat selbst zugibt, dass es sich beim Klima um ein ge- koppeltes, chaotisches, nichtlineares System handelt und (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- deswegen Vorhersagen zu zukünftigen Klimazuständen NEN]: Das geht gar nicht!) (B) nicht – nicht! – möglich sind. Trotzdem veranstalten die (D) Sie forderten mich auf, mich stattdessen für den Klima- Gläubigen regelmäßig ihre Kirchentage, auf denen ihre schutz, das Goldene Kalb der Neuzeit, einzusetzen. Der Priester wider besseres Wissen den Menschen Angst vor einzige Lichtblick auf diesem Kirchentag war das Treffen dem vermeintlich bevorstehenden Weltuntergang ma- mit einer Delegation aus den Vereinigten Staaten von chen, ihnen die Schuld daran geben und von ihnen Buß- Amerika, die diesem Glauben eher skeptisch gegenüber- fertigkeit und Ablass für ihre Sünden fordern. stehen. Eine diplomatische Dunkelflaute legten allerdings Als Oberketzer der AfD hatte ich das zweifelhafte Ver- die Abgeordneten der Altparteien hin, gnügen, an diesem Kirchentag teilzunehmen. Ich durfte alles, wovon Henryk M. Broder sprach, live miterleben: (Lachen der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/ CSU]) (Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: als sie gegenüber den Amerikanern ihre Hoffnung zum Warum fahren Sie dann auf die Klimakonfe- Ausdruck brachten, dass diese nach der nächsten Präsi- renz?) dentschaftswahl wieder zum Glauben zurückkehren, also Tausende Gläubige, die zum allergrößten Teil schon dem Pariser Übereinkommen wieder beitreten. durch ihre Reise zum Kirchentag sündigten, weil sie da- (Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist ja durch viel mehr vom Teufelszeug CO2 emittierten, als wohl ein Witz, was Sie hier präsentieren!) wenn sie zu Hause geblieben wären. Die Heldin Greta und viele andere kleine Heldinnen von „No Education Sie brachten damit nichts anderes zum Ausdruck als den Friday“, Klimaschutzjugend, Naturschutzjugend Wunsch, der Präsident, unser Gastgeber, möge gefälligst nicht wiedergewählt werden – ein peinlicher Fauxpas! Ich (Zuruf der Abg. Ulli Nissen [SPD]) teilte den Amerikanern mit, dass wir die einzige Partei im – ein bisschen weniger Alkohol in der Mittagspause; dann Deutschen Bundestag sind, die die Wahl von Trump funktioniert es, Frau Nissen –, wohlwollend zur Kenntnis genommen hat, die Entschei- dung des amerikanischen Volkes vollumfänglich akzep- (Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Katja tiert und auch aus dem Pariser Übereinkommen ausstei- Mast [SPD]: Unverschämt! – Weitere Zurufe gen will. von der SPD – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Hallo?) (Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das hat gar niemanden interessiert! – Kämpferinnen für Gendergerechtigkeit beim Klima usw. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Sie waren usf. Ich lernte auch die „Mehr-oder-weniger-Wissen- der Einzige im Raum, der abwich!) 17130 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Karsten Hilse (A) Irgendwie war der Kirchentag in diesem Jahr ein De- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (C) bakel für die Gläubigen, Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Andreas Jung. (Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Dann blei- ben Sie doch daheim!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) weil die Weltgemeinschaft sich einfach weigerte, sich Andreas Jung (CDU/CSU): noch mehr zu geißeln. Sozialistische Knebelforderungen und Gendergerechtigkeit fanden keinen Eingang in die Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Texte, und auch sonst hatten die meisten Staaten keine Madrid ging es darum, die Vereinbarung, die in Paris ge- Lust, sich überhaupt zu irgendetwas Konkretem zu ver- troffen wurde, weiterzubringen, umzusetzen. Was ist un- pflichten. ser Beitrag? Unser Beitrag, der Beitrag Deutschlands, ist, unsere Verpflichtungen, die wir in Paris eingegangen (Ulli Nissen [SPD]: Und wir haben keine Lust, sind, beherzt umzusetzen und konsequent unsere Klima- uns Ihre Rede anzuhören!) ziele zu erreichen versuchen. Dabei hatte man sich alles so schön vorgestellt. Mit Genau dem dient das Klimapaket, das wir jetzt gemein- einem erfolgreichen Kirchentag hätte man den Menschen sam auf den Weg bringen. Die einzelnen Teile sind schon viel besser die weiteren Ausplünderungen, die man sich beschrieben worden. Das Klimaschutzgesetz enthält ver- für sie ausgedacht hat, verkaufen können: ab 2020 min- bindliche Ziele. Klimaschutz wird damit Gesetz. Wir destens 1 000 Euro und ab 2025 mindestens 2 000 Euro kommen damit einen entscheidenden Schritt weiter. Wir höhere Lebenshaltungskosten pro Familie pro Jahr für die bekommen die CO2-Bepreisung, haben also einen markt- Weltenrettung. wirtschaftlichen Ansatz und marktwirtschaftliche Anrei- ze. Eine ganz wichtige Säule ist das Unterstützungs- und (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE Förderungspaket. Da wird Klimaschutz konkret. Wir zei- GRÜNEN]: Gar nichts verstanden!) gen auf, wie es gehen kann. Wir antworten auf die Frage der Bürger: „Wie kann ich es machen? Was kann ich Da man aber nicht mit einem weiteren, noch stärkeren tun?“, mit ganz konkreter Hilfe und Unterstützung. Glaubensbekenntnis der Weltgemeinschaft aufwarten konnte, jubeln die Menschen den Ausplünderern jetzt er- Die gute Nachricht der Abstimmung von vorher und staunlicherweise doch nicht zu. Manche erzählen sogar dann hoffentlich der Abstimmung von morgen im Bun- davon, dass sie sich vorsorglich eine zusätzliche Gelb- desrat ist: Es kann mit dem 1. Januar 2020 losgehen, mit weste zugelegt hätten. billigeren Bahntickets. Damit knüpfen wir an ein ganzes (B) Paket an, das wir schon auf den Weg gebracht haben: zur (D) Ich bin sehr gespannt und hoffnungsfroh, dass Ihnen Förderung der Schiene, mit einem Milliardenprogramm Ihre Lügengeschichten, für die Infrastruktur, mit mehr Mitteln für Regionalzüge, (Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das sagt mit einer besseren Förderung des ÖPNV. der Richtige!) (Martin Hebner [AfD]: Warum haben Sie das wie auch in anderen Ländern, alsbald um die Ohren flie- dann jahrzehntelang vernachlässigt?) gen. Dann werden in diesem Bundestag vielleicht auch Damit wird durch Infrastruktur, durch Innovation und wieder Debatten auf der Grundlage wissenschaftlicher durch bessere Angebote das klare Signal gegeben: Wir Erkenntnisse geführt, stärken die Schiene. Es lohnt sich, hier umzusteigen. (Ulli Nissen [SPD]: Mit Ihnen bestimmt nicht!) Zweitens haben wir ein Programm bereits auf den Weg gebracht, um auch nachhaltige Mobilität mit dem Auto zu und zwar zum Wohle des deutschen Volkes. fördern, indem wir in Forschung und Entwicklung Öko- Ich schließe mit einem weiteren Zitat von Henryk logie und Auto zusammenbringen, indem wir Prämien Broder: Die Klimageschichte ist eine neue, globale Kir- denen bezahlen, die sich für ein emissionsarmes Auto che. entscheiden, indem wir ihnen Steuervorteile gewähren. Zu diesem Paket kommt eine Pendlerpauschale, die er- (Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Die AfD höht wird und in einer zweiten Stufe jetzt noch mehr muss endlich mal die Wissenschaft anerken- erhöht wird. Damit bringen wir nachhaltige Mobilität nen!) und Akzeptanz in Stadt und Land zusammen. Das ist ein zweites wichtiges Ergebnis in diesem Paket, das wir Und Sie alle, die Sie hier sitzen, lassen es zu, dass diese jetzt im Vermittlungsausschuss geschnürt haben. Klimasekte diesen Bundestag als Tempel ihrer neuen Re- ligion missbraucht. Irgendwann, so Henryk M. Broder, Ich will in besonderer Weise auch für das werben, was setzt sich Vernunft durch; manchmal dauert es etwas län- wir im Bereich Gebäude und Heizung tun. Wie lange ger; aber irgendwann setzt sie sich durch. schon ringen wir im Bundestag, im Bundesrat, in der Ge- sellschaft um eine bessere Förderung derjenigen, die ihre Trotz aller Meinungsunterschiede wünsche ich allen Häuser sanieren wollen, und derjenigen, die ihre Heiz- ein friedliches und gesegnetes Weihnachten. ungen austauschen wollen! (Beifall bei der AfD – Dagmar Ziegler [SPD]: (Dr. Lukas Köhler [FDP]: Und der Energiebe- Nein danke! Für Sie nicht! Ekelhaft!) rater!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17131

Andreas Jung (A) Da müssen wir besser und schneller werden; wir müssen (Beifall bei der SPD) (C) hier besser vorankommen. Deshalb darf man auf die Sozialdemokratie zählen, wenn Jetzt endlich bringen wir eine steuerliche Förderung es darum geht, dass auch beim Klimaschutz die starken auf den Weg, die unbürokratisch ist und auch demjenigen Schultern mehr tragen zugutekommt, der Schritt für Schritt vorangeht und Dach, Fassade, Heizung, eines nach dem anderen, angeht. Dafür (Zurufe von der FDP) haben wir ein gutes Modell, das nicht, wie manche es – hören Sie ruhig mal zu – und dass denen, die Unter- wollten, durch zusätzliche Anforderungen und Standards stützung brauchen, auch geholfen wird. davor und danach belastet wird. Vielmehr ist die Bot- schaft: Es geht jetzt los, zum 1. Januar, mit der Gebäude- Beim Klimagipfel in Paris haben wir verabredet: Wir sanierung, mit dem Heizungsaustausch, mit günstigeren wollen, wir müssen die Erderhitzung auf 1,5 Grad be- Bahntickets. Damit gibt es ein starkes Programm, um grenzen. Wir haben diese Verabredung alle zusammen Klimaschutz tatsächlich auf die Schiene zu bringen, um nicht richtig ernst genommen. Das muss man in aller Ehr- Klimaschutz in die Häuser zu bringen. Das ist unsere lichkeit so benennen. Jetzt müssen wir das Notwendige Philosophie: Klimaschutz mit den Menschen voranbrin- und Richtige tun. Das hat diese Regierung auch angegan- gen. gen. Der Klimagipfel in Madrid wird diesen Notwendig- keiten nicht wirklich gerecht: Ignorante, revisionistische (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Kräfte in aller Welt haben da an Einfluss gewonnen. Auch ordneten der SPD) auf Ihrer Seite ist das der Fall. Darauf können wir aufbauen. Wir haben uns gemein- (Widerspruch bei der AfD) sam vorgenommen, im nächsten Jahr sehr konsequent an der Umsetzung zu arbeiten, sehr konsequent auch zu kon- Die Europäische Union war diejenige, die ein Aufwei- trollieren, ständig zu evaluieren, ob das, was wir machen, chen des Pariser Klimaabkommens gerade so verhindern die gewünschten Effekte bringt und ob die Ziele erreicht konnte. Das Schlimmste zu verhindern, kann ja wohl werden. nicht unser Anspruch sein. Damit will ich zum Ende dieses Jahres feststellen: Wir (Beifall bei der SPD) haben am Anfang des Jahres gesagt: Wir müssen besser werden. Wir müssen die Ziele erreichen. Es darf nicht Wir müssen deshalb in Europa und Deutschland voran- mehr passieren, dass eine Lücke entsteht, und wir werden gehen. Es ist gut, dass die EU sich vergangene Woche zu dafür in diesem Jahr ein starkes Programm, ein Klima- mehr Klimaschutz verpflichtet hat. Auch mit Blick auf (B) schutzgesetz, ein Klimaschutzpaket machen. – Heute die kommende EU-Ratspräsidentschaft muss Deutsch- (D) können wir sagen: Das ist erreicht worden. Darauf kön- land auch mit dem eigenen Handeln Vorreiter sein. Des- nen wir aufbauen, und darüber können wir uns gemein- wegen sind die Einigungen im Vermittlungsausschuss sam freuen. durchaus zu begrüßen. Der höhere Einstieg und der steil- ere Pfad für den CO2-Preis stehen für unsere Bereitschaft, Herzlichen Dank. mehr Verantwortung zu übernehmen. Das kann helfen, dass wir die Klimaschutzziele 2030 besser erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die Hauptverantwortung für den Klimaschutz, liebe Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Kolleginnen und Kollegen, darf aber nicht bei denen lie- Vielen Dank, Herr Kollege Jung. – Die nächste Red- gen, die schon heute jeden Cent umdrehen müssen. nerin ist für die SPD-Fraktion die Kollegin Saskia Esken. (Beifall bei der SPD) Frau Vorsitzende, Sie haben das Wort. Es muss ganz klar sein: Der ökologische Umbau von Ge- (Beifall bei der SPD) sellschaft und Wirtschaft gelingt uns nur, wenn wir alle mitnehmen und wenn niemand überfordert wird. Wir Saskia Esken (SPD): werden uns deshalb auch weiterhin für eine Klimaprämie Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und einsetzen, die jedem Bürger und jeder Bürgerin pro Kopf Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als gleichermaßen zugutekommt. frischgewählte Vorsitzende der SPD habe ich mich tat- sächlich gefragt: Was hätte Willy Brandt zum Klima- (Karsten Hilse [AfD]: 0,25 Cent!) schutz gesagt? Willy Brandt hätte gesagt – da bin ich Aber jetzt sind die Absenkung der EEG-Umlage sowie mir sicher –: Es ist unsere verdammte Pflicht und Schul- eine höhere Pendlerpauschale und auch eine höhere Mo- digkeit, diesen Planeten für unsere Kinder und für die bilitätsprämie wichtige Bausteine für genau dieses An- Kinder dieser Welt bewohnbar zu erhalten. Willy Brandt liegen des sozialen Ausgleichs. hätte gesagt: Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, der Ge- rechtigkeit gegenüber der jungen Generation und künfti- (Beifall bei der SPD) gen Generationen, aber auch der Gerechtigkeit gegenüber den Menschen im globalen Süden. Deshalb gilt mein besonderer Dank der Verhandlungsfüh- rung von Manuela Schwesig und von Olaf Scholz, die Willy Brandt hätte aber auch gesagt: Unser Klima- sich sowohl für mehr Klimaschutz als auch für einen schutz darf keiner sein, den man sich nicht leisten kann. sozialen Ausgleich eingesetzt haben. 17132 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Saskia Esken (A) (Beifall bei der SPD – Katharina Dröge (Beifall bei der CDU/CSU) (C) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht! Beides nicht!) Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU): Mir ist es aber wichtig, beim Ausgleich der Mobilitäts- Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und kosten weiterzudenken. Ich will mich dafür einsetzen, Kollegen! Der Bundestag und morgen der Bundesrat, wir dass insbesondere Fahrten im Schülerverkehr ebenso bringen wichtige Anreize für mehr Klimaschutz auf den wie Fahrkarten für Azubis und für Studierende kostenlos Weg. Deutschland ist und bleibt mit dem Klimapaket auf werden. Das kommt nämlich Familien im ländlichen dem richtigen Kurs. Wir nehmen das Heft des Handelns Raum zugute. Das wäre eine Idee, die wir weiter- in die Hand und sind in Europa und auch international zuverfolgen haben. Vorreiter. Europa setzt mit dem Green Deal weltweit Maßstäbe. Auch die Entscheidung des Rates zur Klima- (Beifall bei der SPD) neutralität hat für Aufsehen gesorgt und ist in Madrid positiv aufgenommen worden. Damit auch außerhalb des Schülerverkehrs überhaupt Alternativen zum Individualverkehr entstehen, müssen Europa und Deutschland gehen mit gutem Beispiel vo- wir massiv zusätzlich investieren; darüber sind wir uns ran. Das erhöht auch den Druck auf die anderen Vertrags- durchaus im Klaren: langfristig, verlässlich und deshalb staaten des Pariser Abkommens; auch unabhängig von der Kassenlage. Es ist mir deswe- gen besonders wichtig, darauf hinzuweisen: Das Klima- (Andreas Mrosek [AfD]: Die machen doch mit schutzgesetz ist gerade im Maßnahmenteil kein abge- euch, was sie wollen!) schlossenes Kapitel. Schon Anfang nächsten Jahres denn sie haben sich in Paris verbindliche Klimaziele ge- wird wissenschaftlich überprüft, ob wir damit unsere Zie- geben, und bei denen bleibt es auch. Manchmal entsteht ja le erreichen, und wenn nicht, müssen wir nachsteuern. So der Eindruck, alles wurde in Madrid zurückgenommen. wird es in jedem Jahr sein. Matthias Miersch hat ganz zu Nein, nein, alle Staaten der Welt haben sich verbindliche Recht darauf hingewiesen: Das ist neu, das ist verant- Klimaziele gegeben, und es geht jetzt darum, ob und wie wortliches, das ist nachhaltiges Regierungshandeln, und sie diese Ambitionen noch steigern. Das ist für Glasgow dafür darf man sich zu Recht auch mal loben. geplant. Wenn wir in Deutschland und in Europa weiter- hin so auf Kurs bleiben, dann erhöhen wir auch den Druck (Beifall bei der SPD) auf die anderen Vertragsstaaten. Was aber nun wirklich nicht geht und ganz klar sein Im Hinblick auf die Ambitionssteigerungen, die wir muss: Es gibt kein Zurück zur Atomkraft. uns in Deutschland und in Europa vorgenommen haben, (B) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wäre es aber auch in Madrid wichtig gewesen, dass klare (D) der LINKEN – Zuruf von der AfD: Die impor- Regeln zur Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaa- tiert ihr aus Frankreich!) ten beschlossen werden. Wir haben einen Beschluss zu Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens vorbereitet, und Die rot-grüne Entscheidung für den Atomausstieg 2002 ich bin zuversichtlich und hoffnungsfroh, dass es dann in war von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getra- Glasgow gelingt, diesen Beschluss umzusetzen. gen. Dennoch wurde er aufgekündigt. Es hat den Reaktor- unfall von Fukushima gebraucht, um Schwarz-Gelb da- Worum geht es? Es geht um den zwischenstaatlichen von zu überzeugen, dass der Ausstieg aus dem Ausstieg Handel mit Zertifikaten, der es Industriestaaten ermög- falsch war. Ich bin froh, dass diese Einsicht gewachsen licht, in Entwicklungs- und Schwellenländern in Klima- ist. Wir tun gut daran, daran jetzt wirklich festzuhalten. schutzprojekte zu investieren und dafür Emissionszertifi- kate zu bekommen. Sehr geehrter Herr Minister Scholz, Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen es ist dann aber wichtig, dass diese Investitionen auch auf und Herren, Weihnachten steht vor der Tür. Eltern, Groß- unsere Klimaziele angerechnet werden können; eltern, Kinder kommen zusammen – auch bei mir zu Hause, und ich freue mich sehr darauf. Wenn ich an die (Beifall des Abg. Dr. Georg Nüßlein [CDU/ engagierten jungen Leute von Fridays for Future denke, CSU]) dann denke ich nicht: Wir Älteren werden diejenigen sein, das hatten Sie vorhin nicht erwähnt. Dafür setzen wir uns die die Debatten am Weihnachtsbaum und beim nämlich sehr stark ein, weil es Sinn macht, dass wir dazu Weihnachtsessen bestimmen. – Ich finde, das ist auch beitragen, dass in Entwicklungs- und Schwellenländern gut so. die Wirtschaft von Anfang an klimafreundlich aufgebaut (Dr. Lukas Köhler [FDP]: Das fängt schon im wird. Denn wir allein können das Klima nicht retten. Auto vorher an!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Werte Kolleginnen und Kollegen, zurück zur nationa- len Ebene. Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss (Beifall bei der SPD) haben gezeigt, dass Deutschland beim Klimaschutz hand- lungsfähig ist. Mit dem Klimapaket bringen wir über Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: 60 Maßnahmen, die für Technologie und Fortschritt ste- Vielen Dank, Frau Kollegin Esken. – Die nächste Red- hen, auf den Weg. Ich bin froh und glücklich, dass es jetzt nerin ist die Kollegin Dr. Anja Weisgerber, CDU/CSU- gelungen ist, dafür zu sorgen, dass die Menschen ab dem Fraktion. 1. Januar 2020 günstiger Bahn fahren und endlich Steuern Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17133

Dr. Anja Weisgerber (A) sparen können, wenn sie ihr Haus energetisch sanieren. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (C) Ich bin auch glücklich und froh, dass die parteiübergrei- Ich erteile das Wort der Parlamentarischen Staatssek- fende Zusammenarbeit gelungen ist und dass wir diesen retärin Rita Schwarzelühr-Sutter. Frau Staatssekretärin, Beschluss jetzt gemeinsam auf den Weg bringen. Ich habe bitte. jahrelang dafür gekämpft, dass die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung kommt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei Mit solchen finanziellen Anreizen unterstützen wir die der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nuk- Bürger dabei, auf klimafreundliche Technologien umzu- leare Sicherheit: steigen. Besonders hervorzuheben sind für mich die The- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr men „Wasserstoff“, „Power-to-X“ sowie „synthetische geehrte Damen und Herren! Die COP hat schon mit ein Kraftstoffe“. Diesen Technologien kommt nämlich große paar Schwierigkeiten angefangen, nämlich mit der Ver- Bedeutung bei der Erreichung unserer Klimaziele zu. legung von Chile nach Madrid. Aber die Spanier haben das gut gemeistert und es innerhalb kürzester Zeit hervor- Ich freue mich, dass das Verkehrsministerium jetzt ragend organisiert. 16 Regionen in Deutschland beim Aufbau einer lokalen Wasserstoffwirtschaft fördert. Ich freue mich auch auf die Die Erwartungen waren groß, vor allem die von jungen Nationale Wasserstoffstrategie, die Teil des großen Kli- Leuten. Auch wir hatten natürlich Erwartungen, und ei- maschutzpakets ist und bald vom Wirtschaftsminister nige wurden nicht erfüllt. Wir hätten uns mehr Fortschrit- vorgelegt wird. te erhofft. Aber man muss auch sagen, dass es Punkte gibt, bei denen wir besser werden müssen. Ich bin mir Neben den Maßnahmen für Innovation und Fortschritt sicher, dass wir bis zur nächsten Klimakonferenz in Glas- ist ein gow besser werden und weiterkommen. Das betrifft insbesondere den Artikel 6 des Pariser Kli- Kernstück des Pakets das Klimaschutzgesetz, mit dem maabkommens, nämlich die Frage der Kooperation. Mei- wir dafür sorgen, dass wir in allen Sektoren auf Kurs ne Kollegin Weisgerber hat schon gut erklärt, wie das bleiben. Somit haben wir auch einen Kontrollmechanis- funktioniert; ich will es aber noch mal betonen: Es geht mus installiert. Es kann immer nachgesteuert werden, und darum, dass wir jetzt die Regeln ausbuchstabieren und innerhalb von wenigen Monaten können Sofortmaßnah- klarmachen, wo die CO2-Einsparungen der Staaten lan- men auf den Weg gebracht werden, damit wir in allen den und verbucht werden, damit es keine Doppelzählun- (B) (D) Bereichen auf Kurs sind. gen gibt. Am Ende des Tages wollen wir die Klimaschutz- ziele von Paris erreichen; das ist wichtig. Darum haben Wir wollen die Klimaziele auch unter Beachtung der wir gesagt: Lieber keine Einigung in diesem Bereich als ökonomischen, ökologischen und sozialen Folgen errei- eine schlechte Einigung. – Darüber sind wir uns einig. chen. Die Grünen fordern ja immer noch gerne das Verbot des Verbrennungsmotors und der Ölheizung. Wir setzen (Beifall bei der SPD) im Gegensatz dazu auf Fördermaßnahmen, und wir set- zen auf die CO -Bepreisung. Wir haben den Einstiegs- Für diese Linie werden wir auch in Glasgow ganz deut- 2 lich stehen und eintreten. preis im Vergleich zu dem, was die Grünen und auch die Wissenschaft gefordert haben, immer noch moderat ge- Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht sind wir in wählt, auch wenn er jetzt am Anfang etwas höher ist. Madrid nicht in allen Punkten weitergekommen; aber die Fahrt in die richtige Richtung haben wir aufgenommen. Aber dagegen setzen wir die Entlastung der Menschen Denn in der politischen Schlussentscheidung auf der Kli- beim Strompreis durch die Senkung der EEG-Umlage makonferenz haben sich alle Staaten des Pariser Klima- und durch die Erhöhung der Pendlerpauschale. Es ist abkommens auf etwas wirklich Entscheidendes geeinigt. ein Märchen, zu glauben, dass die Pendlerpauschale Sie rufen nämlich dazu auf, nächstes Jahr höhere Klima- von uns nur für die Besserverdiener auf den Weg gebracht schutzzusagen zu machen – mehr als angekündigt und wurde. Wir haben auch die Mobilitätsprämie als Teil des auch mehr, als im Pariser Klimaabkommen steht; denn Pakets verabschiedet. Diese Prämie ist an die gerichtet ist, dort geht es erst ab 2025 los. die keine Steuern zahlen. Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal. Es ist zentral; Meine Damen und Herren, es ist ein gutes Gesamtpa- denn es zeigt, dass wir alle Versuche, das Pariser Klima- ket, das wir hiermit auf den Weg bringen. Ich bin froh, abkommen aufzuweichen – da waren doch einige gut am dass es gelungen ist, parteiübergreifend einen Kompro- Werk –, verhindert haben, und es zeigt, dass sich die miss zu schließen; das erwartet nämlich auch die junge Bremser und Klimaleugner nicht durchgesetzt und auch Generation von uns. Jetzt freue ich mich, wenn wir dieses nicht den Takt angegeben haben. Ich glaube, das ist in Paket auch nach außen hin gemeinsam tragen, zusammen diesen Zeiten durchaus ein Erfolg. mit den Grünen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Meine Damen und Herren, ein anderer wichtiger Punkt ist, wie die Europäische Union in Madrid vorgegangen (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) ist, was sie gezeigt hat und was sie auf den Tisch gelegt 17134 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (A) hat. Letzte Woche hat der Europäische Rat beschlossen, zum Trotz sind wir wahrscheinlich vor allem deswegen (C) dass die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Das ist ein in Europa eine so erfolgreiche Industrienation. Das muss wichtiges Signal, und es war ein richtiges Signal zur rich- man noch einmal deutlich sagen und in den Vordergrund tigen Zeit. Mit dem European Green Deal liegt ein um- stellen. fassendes Paket für Umwelt- und Klimaschutz auf dem Tisch. Damit können wir in der EU die Weichen für Kli- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten maneutralität 2050 stellen. Wir als Bundesumweltminis- der CDU/CSU – Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das terium unterstützen diese Vorschläge. Ich kann nur sagen: ist nicht Ihr Ernst, oder? – Weitere Zurufe von Für diese Weichenstellung der EU gab es dann auch in der AfD) Madrid viel Anerkennung. Das motiviert auch andere Staaten nicht nur in Europa, Mit dem European Green Deal ist auch die feste Er- sondern weltweit, sich auf diesen Weg zu machen. wartung an andere große Volkswirtschaften – es sind Ich will auch noch einmal sagen – das Fest der Nächs- durchaus auch andere angesprochen worden; ich nenne tenliebe steht bevor; wir gehen auf Weihnachten zu –: Ich nur China – verbunden, ebenfalls ihre Anstrengungen zu finde es schon ziemlich seltsam, dass Gläubige von einem erhöhen. Das hat den Verhandlungen in Madrid einen Redner heute derart verhöhnt werden. Das ist der Sache guten Schwung, ein gutes Momentum mitgegeben. unwürdig, und das ist auch des Hohen Hauses unwürdig. Die Glaubwürdigkeit der EU-Klimaschutzanstrengun- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gen war auch in vielen Gesprächen mit anderen Vertrags- der CDU/CSU) staaten des Pariser Klimaabkommens spürbar. Dieser Austausch wird in Zukunft ein wichtiger Bestandteil bei Ich bin Christin und fühle mich wirklich betroffen. den Klimakonferenzen sein. Denn wir müssen von dem (Dr. Rainer Kraft [AfD]: Was haben Sie denn reinen Verhandlungsmodus jetzt in einen Umsetzungs- gegen Herrn Broder? Hat Herr Broder was Fal- modus kommen; die Zeit läuft uns sonst davon. Wir müs- sches gesagt?) sen das jetzt umsetzen. Das entspricht auch dem Geist des Pariser Abkommens: Wir lernen voneinander und unter- Es geht nicht, dass man hier im Hohen Haus mithilfe von stützen uns gegenseitig beim Klimaschutz. Genau das Zitaten von Henryk M. Broder – er mag glauben, was er macht die Bundesregierung ganz konkret, indem sie ihre will; das ist mir lang wie breit – andere Menschen derart Partner beim Klimaschutz unterstützt. Um nur einige Bei- unwürdig behandelt und verhöhnt. spiele zu nennen: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wir haben den deutschen Beitrag zum Grünen Klima- der CDU/CSU und der LINKEN – Zurufe von (B) fonds, dem Green Climate Fund, auf 1,5 Milliarden Euro der AfD) (D) verdoppelt – das wurde auch registriert –, und wir haben Meine sehr geehrten Damen und Herren, kommen wir die Mittel für den internationalen Klimaschutz im Haus- noch mal zu etwas Positivem; das Negative legen wir jetzt halt 2020 noch mal kräftig erhöht. Wir werden damit auch mal rechts außen ab. Das Positive ist, dass das Klima- die Zusage einhalten, die Mittel für die internationale schutzgesetz gestern in Kraft getreten ist. Jetzt haben Klimafinanzierung von 2014 bis 2020 auf 4 Milliarden wir sektorale, jahresscharfe Klimaschutzziele, und wir Euro zu verdoppeln. Das ist eine Hausnummer; das ist ein haben die Klimaneutralität 2050 festgelegt. Ich glaube, Wort. das ist wirklich etwas Einmaliges. Dazu kommt, dass wir (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Anja jetzt Einigkeit erzielt haben; das ist das Ergebnis des Ver- Weisgerber [CDU/CSU]) mittlungsausschusses. Auch das zeigt noch einmal: Wir schaffen das. Herr Jung, ich bin auch froh, dass Sie von Wir haben auch da unsere Zusagen eingehalten. Ihrer Aussage abgerückt sind – Sie haben noch im Sep- Wir als Bundesumweltministerium sind außerdem der tember gefordert, die Obergrenze für den CO2-Preis auf größte Geber des internationalen Fonds für Entwick- 180 Euro pro Tonne anzuheben –, dass wir gemeinsam lungsländer zur Anpassung an den Klimawandel. In Mad- jetzt bei einem Kompromiss gelandet sind, dass wir jetzt rid haben wir noch mal einen Beitrag von 30 Millionen ein Paket haben, das sozial ausgewogen ist, aber auch den Euro in den Fonds gegeben. Gerade bei der Diskussion Klimaschutz in die richtige Richtung vorantreibt. um Loss and Damage war das ein Signal, zu zeigen, dass (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Oliver wir klarsehen: Da müssen wir was auf den Weg bringen. Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Außerdem startet das Bundesumweltministerium ein Es ist uns auch wichtig, dass wir Wirtschaft und Ge- internationales Power-to-X-Sekretariat. Das Sekretariat sellschaft gemeinsam im 21. Jahrhundert zukunftsfähig soll dabei helfen, die Klimaschutzpotenziale von strom- aufstellen. Wir müssen den Umbau so gestalten, dass basierten Kraft- und Brennstoffen darzustellen, damit PtX wir alle mitnehmen und unsere industrielle Basis und auch international einen wichtigen Beitrag liefern kann. unseren Wohlstand erhalten. Ich glaube, das sind gute Synergieeffekte, die wir gemein- sam nutzen können. (Karsten Hilse [AfD]: Ich möchte von Ihnen Jetzt gestatten Sie mir ein Wort zur Energiewende. Es nicht mitgenommen werden!) ist jetzt fast 20 Jahre her – man kann es ein bisschen Wir wollen die Zukunft der Mobilität jetzt anpacken. Wir runden –, dass wir das EEG beschlossen haben und in wollen Wohnen bezahlbar machen und treibhausgasneut- die Energiewende eingestiegen sind. Allen Unkenrufen ral ausgestalten, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17135

Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (A) (Beifall des Abg. Klaus Mindrup [SPD]) (Dr. Rainer Kraft [AfD]: Ich habe Ihnen genug (C) und wir unterstützen die Städte und Gemeinden dabei, Argumente gebracht, Herr Möring! – Gegenruf damit die Folgen des Klimawandels für sie beherrschbar der Abg. Ulli Nissen [SPD]: Ha, ha!) bleiben. dieselben Aussagen. Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie die Beweise zum Klimawandel, die von vielen Wissen- Und schließlich müssen wir die Energiewende auf al- schaftlern vorgelegt wurden, nicht akzeptieren können, len Ebenen vorantrieben. Da gilt es, so schnell wie mög- lich das Kohleausstiegsgesetz und das Strukturstärkungs- (Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das sind keine Be- gesetz auf den Weg zu bringen und natürlich auch zu weise! – Karsten Hilse [AfD]: Das sind keine ermöglichen, dass wir bei den erneuerbaren Energien Beweise! Das ist Unsinn!) das 65-Prozent-Ziel tatsächlich erreichen. dann will ich Sie schlicht daran erinnern: Machen Sie Ihre (Beifall bei der SPD) Augen auf, Zur Rückkehr zur Atomkraft sage ich nur einen Satz: (Karsten Hilse [AfD]: Prognosen!) Wenn wir hier über Generationen und über Verantwor- tung reden, dann sollten wir vielleicht auch mal bis zum und gucken Sie mal, wie die Temperaturentwicklung in Ende denken. Ich möchte noch einmal betonen: Was ma- den letzten Jahren gewesen ist. Machen Sie Ihre Augen chen wir eigentlich mit dem ganzen Atommüll? auf, und gucken Sie mal, wie sich die Eisbedeckung in den Gletschergebieten und auf Grönland entwickelt hat. (Dr. Rainer Kraft [AfD]: Sie überlassen es den anderen Ländern, den Strom zu produzieren, (Dr. Roland Hartwig [AfD]: Sie haben es im- den Sie dann brauchen! Das ist rücksichtslos!) mer noch nicht begriffen! Es geht um den menschlichen Anteil!) Das ist Verantwortung für 1 Million Jahre, die wir den nächsten Generationen aufbürden. Ich finde es anma- Schauen Sie da mal hin! Wenn Sie schon nichts über die ßend, solche Überlegungen überhaupt noch anzustellen. Gründe wissen wollen, dann befassen Sie sich wenigstens mal mit dem, was man sehen kann! Klimaschutz und der Umbau unserer Gesellschaft hin zur Treibhausgasneutralität gelingen nicht im Sprint, son- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie dern im Langstreckenlauf. Es ist wichtig, dass wir hier bei Abgeordneten der LINKEN und des klimapolitisch und gesellschaftlich Hand in Hand voran- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Martin gehen und dabei auch nachhaltige Arbeitsplätze schaffen. Reichardt [AfD]: Sie kennen doch den Unter- Ja, Demokratie ist anstrengend, und demokratische Pro- schied zwischen Prognose und wissenschaft- (B) zesse dauern manchmal lange und sind mühsam, aber am lichem Beweis nicht, und darum argumentieren (D) Ende des Tages lohnen sie sich, weil sie niemanden zu- Sie hier völlig schief!) rücklassen, insbesondere nicht diejenigen – das ist mir Dann müssen Sie auch nicht mehr auf Glaubenssätze zu- wichtig –, die am meisten auf einen handlungsfähigen rückgreifen. Mit dieser Art schließen Sie sich aus einer Staat angewiesen sind. normalen Diskussion aus. Sie demonstrieren damit schlichtweg Ihre Ignoranz. (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich (Karsten Hilse [AfD]: Ignoranz ist besser als noch einmal ganz herzlich bei der deutschen Delegation, Opportunismus!) insbesondere bei den Abgeordneten. Ich hoffe – das Fest Und wenn ich die Elogen höre, die Sie heute hier abge- des Friedens steht bevor –, dass wir mit dem Klima- liefert haben, muss ich sagen: Man kann sich auch besof- schutzgesetz und dem im Vermittlungsausschuss erziel- fen reden. ten Kompromiss zum Klimapaket im nächsten Jahr in Richtung Klimaneutralität starten können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND- Herzlichen Dank. NISSES 90/DIE GRÜNEN – Martin Reichardt (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Lisa [AfD]: Oder besoffen sein! Das kann man Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) auch!) Ich frage mich manchmal, ob die Farbe Blau, die Sie ge- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: wählt haben, vielleicht noch eine andere Bedeutung hat. Der nächste Redner ist der Kollege Karsten Möring, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU-Fraktion. CDU/CSU – Martin Reichardt [AfD]: Viel- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) leicht auch Ihr blauer Anzug! Hat der auch eine Bedeutung?) Karsten Möring (CDU/CSU): Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, zum Thema Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich „Klimakonferenz von Madrid“. Die Klimakonferenz von muss anschließen an das, was die Kollegin Schwarzelühr- Madrid war durchaus erfolgreich, wenn auch nicht in al- Sutter eben gesagt hat, Stichwort „Kirchentag“. Von der len Bereichen. Sie war erfolgreich, alleine weil sie de- AfD hören wir ständig dieselben Reden – von Argumen- monstriert hat, dass über 190 Länder der Welt in dieselbe ten kann man nicht reden –, Richtung marschieren 17136 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Karsten Möring (A) (Karsten Hilse [AfD]: Die meisten davon kas- (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Ja, genau! – Ge- (C) sieren nur! Die wollen einfach nur Kohle ha- genruf des Abg. Martin Reichardt [AfD]: Ist ben! Nichts anderes!) das eine abgestimmte Diskussion?)

und mit vergleichbarem Tempo und mit vergleichbaren aber ich bleibe dabei, dass die Frage des CO2-Preises in Vorstellungen über die Frage diskutieren, wie man Re- seiner Lenkungswirkung von elementarer Bedeutung ist. geln entwickeln kann, um dem Klimawandel zu begeg- (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Seien Sie froh, nen. dass Sie uns an Ihrer Seite haben!) (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Ich bin etwas skeptisch, wenn es darum geht, dass wir Wir wissen, dass wir in der aktuellen Situation, so wie sie die Sektoren zu einem Marktpreis zusammenfassen; denn jetzt ist, nicht genug gemacht haben, sondern dass wir wir wissen, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis sich eher auf dem Weg zu einem 3-Grad-Ziel sind. die Kosten für die Vermeidung von CO2 im Verkehr, (Beifall des Abg. Klaus Mindrup [SPD]) Was erfreulich ist und mich besonders überrascht hat: Die Amerikaner waren nur mit einer Delegation in einem bei der Heizung, in der Industrie und in der Energieer- Büro da, das von allen Seiten zu war; da kam man auch zeugung so annähern, dass man sich das erlauben kann. nicht rein. Aber es gab einen großen Stand von Bundes- staaten, von Städten, von Universitäten, von Nichtregie- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) rungsorganisationen, die mit einem Motto auf dieser Sonst entstehen nämlich massive Brüche in dem System; Konferenz vertreten waren, und dieses Motto lautete: das sollten wir uns nicht erlauben. Das wäre alles andere „We are still in“ – wir sind noch dabei. Denn es ist nur als Just Transition. das halbe Amerika, das sich aus der Klimapolitik, aus der Diskussion um den Klimawandel heraushalten will. Die Wir müssen mit allen Möglichkeiten arbeiten. Wir andere Hälfte bleibt dabei. Und ob mit oder ohne den brauchen auch technologische Entwicklung. Wir brau- nächsten Präsidenten: Langfristig – wir reden über einen chen nicht nur Einschränkungen, wir brauchen nicht nur Zeitraum von drei Jahrzehnten, in dem wir ein Ziel er- die Förderung von Elektromobilität, wir brauchen alles. reichen wollen – wird sich in den USA wieder etwas tun und – ich bin sicher – auch in den anderen Staaten, die Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: sich jetzt so massiv gegen neue Entwicklungen richten. Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (B) Karsten Möring (CDU/CSU): (D) Einer der Leitsätze in Madrid hieß: „Just Transition“. Ich will schlichtweg sagen: Wir sollten bei all den Ich übersetze das mit „gerechte Transformation“. Zu ei- Maßnahmen – auch bei der Pendlerpauschale – nicht ver- ner gerechten Transformation gehört in der Tat, zu gessen, dass wir im ländlichen Raum noch mehr Proble- schauen: Welche Folgen hat das, was wir an Maßnahmen me haben, was Mobilität und Heizung angeht. Wir müs- ergreifen? Zu den Maßnahmen gehören Dinge, die wir sen beim Thema „gleichwertige Lebensverhältnisse“ auf der Konferenz in Madrid verhandelt haben; ich will noch einiges tun. Das müssen wir zusammendenken. das nicht wiederholen. Da geht es um den Artikel 6 des Vielleicht können wir alle, auch die Kollegen von der Pariser Klimaabkommens, der sicher sehr wichtig ist, und AfD, über Weihnachten mit etwas Besinnung darüber andere Dinge mehr. Und es geht darum, dass wir bei den nachdenken. ambitionierteren Klimazielen innerhalb der EU, die wir jetzt im Rahmen der Konferenz in Madrid auf den Weg (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) gebracht haben, auch mit der Überschrift „Just Transi- tion“ arbeiten. Es geht nicht nur darum, dass wir die Ziele Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: erhöhen. Es geht nicht nur darum, dass wir Einstiegsprei- Der nächste Redner ist der Kollege Mario Mieruch. se für CO2 erhöhen. Lieber Kollege Miersch, nur eine Bemerkung. Es gibt Mario Mieruch (fraktionslos): einen Leitsatz bei marktwirtschaftlichen Instrumenten Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten wie Preiswirkung als Lenkungswirkung. Sie argumentie- Damen und Herren! Noch nie musste eine Klimakonfe- ren: Die Reichen können sich das leisten, und die sozial renz so in die Verlängerung, wie es gerade bei COP 25 der Schwächeren sollen es ausbaden. – Logisch weiter- Fall war, und noch nie wurde deutlicher, dass uns kein gedacht hieße das, die Reichen können weiter die Umwelt weiteres Land auf der Welt auf unserem Weg folgen wird. verschmutzen, bloß weil sie es sich leisten können. Das heißt natürlich nicht, dass andere Industrieländer nichts täten und damit auch nicht erfolgreich wären; sie (Dr. Matthias Miersch [SPD]: Wir haben nicht packen die Dinge eben nur mit Vernunft und Ratio anstatt nur den Markt, Herr Möring! Wir haben auch mit Panik. andere Instrumente!) Auch der EU Green Deal ist eine große Luftnummer, – Ja, es ist gut. Den Satz unterschreibe ich: Wir haben dessen Unsinnigkeit nun damit kaschiert wird, dass den nicht nur den Markt. – Wenn wir unser Maßnahmenbün- skeptischen und unwilligen Staaten gigantische Unsum- del anschauen, sehen wir: Es sind viele verschiedene men an Fördermitteln versprochen werden, damit diese Maßnahmen; beginnen, ihre Energieversorgung umzubauen; Förder- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17137

Mario Mieruch (A) mittel, die zum großen Teil Sie aufbringen werden als internationale Dimension erschlossen und gesagt: Wir (C) deutsche Steuerzahler oder die deutsche Automobilin- müssen unsere Politik da einbetten, damit es funktioniert. dustrie über Strafzahlungen an die EU. Denn Frau von Matthias Miersch hat die ökologische und soziale Dimen- der Leyen bringt die Billion, mit der sie schon wedelte, sion erschlossen. Bei Saskia Esken ging es um die soziale bevor die Kommission überhaupt stand, nicht selber mit. und ökologische Dimension. Rita Schwarzelühr-Sutter Das ist Ihre Billion; Sie werden das alles bezahlen. Jeder, hat die NDC-Ziele formuliert der von der Leyens politischen Werdegang kennt, wird heute schon froh sein, wenn sich die tatsächlichen Kosten (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das am Ende nur einstellig multiplizieren. Die Akten über die haben wir nicht gehört!) Berater sind bestimmt auch wieder geschwärzt. und auf Glasgow und die Ziele verwiesen, die noch zu Nachdem diese beiden Konferenzen nun eher subopti- erreichen sind. mal für die deutsche Klimalobby gelaufen sind, geht es (Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: hierzulande aber plötzlich ganz schnell. Zack ist das Kli- Was ist Ihnen von meiner Rede im Gedächtnis mapaket da, der CO2-Einstiegspreis verdoppelt sich usw. geblieben?) usf. Es ist aber auch heute schon nicht schwer, die Mehr- kosten den Einsparungen bei Pendlerpauschale und Alle Kollegen haben sich bemüht, zur Sache zu sprechen. Strompreis gegenüberzustellen und zu schauen, was bei Vielleicht einen Satz zu Madrid, da wir das noch nicht Ihnen am Ende unterm Strich in der Tasche wirklich übrig gehört haben: Svenja Schulze hat uns dort vertreten, Frau bleibt. Denn die Aussagen, die Pendler zu entlasten, sind Wilke hat uns dort vertreten, und Klaus Mindrup hat uns ziemlich hinterhältige Fake News. dort die ganze Zeit vertreten. Diesen Dreien verdanken (Dagmar Ziegler [SPD]: Och!) wir, dass dort viele wichtige, gute Ziele erreicht wurden. Zwei Drittel aller Arbeitnehmer haben heute nämlich ei- (Beifall bei der SPD – Dr. Anja Weisgerber nen Arbeitsweg von weniger als 20 Kilometern, und sie [CDU/CSU]: Was ist mit den anderen?) werden richtig draufzahlen. Da auch alle anderen Kosten beim Endkunden landen, wird jeder Haushalt am Ende Ich finde, das darf man sagen. mit mehreren Hundert Euro zusätzlich im Jahr zur Kasse Der Kollege von der AfD – das möchte ich den Zuhö- gebeten. Und weil es so schön passt: Vorhin hatte ich in rern von der AfD sagen – hat in einer einzigen Rede die meinem E-Mail-Eingang eine Nachricht meines Gasan- Glaubensgemeinschaften in Deutschland beleidigt und bieters. Er erhöht die Preise zum Jahreswechsel um diskriminiert, er hat die jungen Leute der Klimabewe- 20 Prozent. gung beleidigt und diskriminiert. Ich sage das nur, weil (B) (D) Vor 20 Jahren wurde die Ökosteuer unter den gleichen Sie nur die letzten zehn Sekunden der Rede von Rita Aspekten eingeführt. Das heißt, ab sofort zahlen Sie nicht Schwarzelühr-Sutter gehört haben. Sie haben den Bun- nur doppelt für das Gleiche, nein, unser tolles Bundes- destag beleidigt und diskriminiert, und Sie haben eine umweltministerium beauftragt für seine heutigen Studien Kollegin persönlich beleidigt und diskriminiert. Das auch wieder die gleichen Amigos wie damals. Sie wun- möchte ich in aller Form von uns weisen. dern sich? Dann hören Sie kurz gut zu: Vor 20 Jahren hieß (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem das FÖS noch Förderverein Ökologische Steuerreform. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- Nach der Einführung der Ökosteuer nannte er sich um ordneten der CDU/CSU) in Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft; so heißt es heute noch. Es wurde just wieder mit einer Studie be- Es mag sein, dass Sie glauben, in den neuen Medien auftragt, den CO2-Preis sozial gerecht zu gestalten. Das würde das besonders gut ankommen. Ihnen ist keine Be- Witzige ist: Der Chef dieser unabhängigen Organisation leidigung zu schade. Ich glaube, dass Sie uns alle in den ist Angestellter im Bundesumweltministerium. Einfach Abgrund reißen, wenn Sie so weitermachen. klasse! Und in dessen Beirat sitzen dann Vertreter von den Grünen, auch von der Union und vom Club of Rome, (Beifall bei der SPD – Martin Reichardt [AfD]: der uns schon seit 50 Jahren den Weltuntergang herbei- In den Abgrund reißen? Damit hat die SPD predigt. doch beste Erfahrungen! Sie stehen ja schon mittendrin im Abgrund! Zumindest im morali- Meine Damen und Herren auf den Tribünen, Sie haben schen Abgrund!) den Eindruck, mit dem Klimapaket im großen Stil ver- Erhard Eppler hat gesagt: schaukelt zu werden? Stimmt! Frohe Weihnachten! Wahrscheinlich hat man keine Zeit, aber man muss Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: so überlegt handeln, als habe man sie doch. Der Kollege Lothar Binding hat als Nächstes das Wort (Martin Reichardt [AfD]: Sie sind quasi der für die SPD-Fraktion. moralische Abgrund!) (Beifall bei der SPD) Das hat er vor vielen Jahren gesagt, weil damals schon die Zeit knapp war. Wir müssen uns nicht wundern, dass die Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): jungen Leute in Panik geraten. Sie sehen: Die Alten ma- Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Lie- chen nicht genug, und deshalb gibt es diesen enormen be Kolleginnen und Kollegen! Olaf Scholz hat heute die Druck von der Straße. Ich bin dankbar dafür; deshalb 17138 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Lothar Binding (Heidelberg) (A) hat sich jetzt auch hier etwas bewegt in Richtung große prämie für diejenigen ein, die von der Pendlerpauschale (C) sozialökologische Transformation. nicht profitieren, wir senken die EEG-Umlage“, ein guter Einstieg, um genau diese soziale Abfederung zu errei- (Beifall bei der SPD) chen, die an anderen Stellen durch Steigerung der Preise

Ich will etwas zu CO2 sagen. Es ist ja eigentlich ein infolge der CO2-Bepreisung notwendig ist. Insofern ist sauberes, schönes, farbloses Gas, man braucht es auch für völlig klar: Das ist ein sehr ausgewogenes Konzept. den Kohlenstoffzyklus. Wer den Klimawandel leugnet, (Beifall bei der SPD) muss einfach nur schauen, wie hoch der Anteil von CO2 in der Luft ist. Die Grünen haben an einer Stelle recht: Die Pendler- pauschale ist a priori böse. (Dr. Rainer Kraft [AfD]: Wo ist der Zusam- menhang?) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bis zur Industrialisierung lag der Wert weit unter Sie fördert die Zersiedelung, die Menschen werden moti- 300 ppm, heute liegt er weit über 400 ppm. Wir wissen, viert, ins Auto zu steigen. Das Dumme ist nur: Manche das führt zum Treibhauseffekt und zur globalen Erwär- müssen in das Auto steigen, weil sie keine Alternative mung. haben. Immerhin ist es doch gelungen, zu sagen: Wir befristen das Gesamtsystem, schauen nach, ob es das (Dr. Rainer Kraft [AfD]: Keine Ahnung!) Problem löst, und fragen: Was haben wir bis dahin er- Wenn jemand behauptet, die Polkappen schmelzten nicht reicht? Dass wir für die Preissteigerung einen Endpunkt ab, in der Arktis ändere sich nichts, in der Antarktis sei festsetzen und auch die Entwicklung im Bereich der So- alles beim Alten, der Meeresspiegel steige nicht, es gebe lartechnik vorantreiben, ist eine kluge Sache. keine heißen Sommer, es gebe keine Wirbelstürme und (Karsten Hilse [AfD]: Eine kluge Sache bei der die Erwärmung der Permafrostgebiete gebe es auch nicht, SPD? Das kann ich mir nicht vorstellen!) und sagt, das seien Fake News, dann weiß ich genau, wo derjenige angekommen ist. An dem Verhältnis dieser beiden zueinander sehen wir, dass die sozialökologische Transformation sozial und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ökologisch ist. der LINKEN) (Beifall bei der SPD) Die Lösung liegt in unserem Gesetz, nämlich in der Sonne. Jetzt kommen wir zu diesem Gesetz; denn dieses Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Gesetz sieht vor, die fossilen Brennstoffe teurer zu ma- Vielen Dank, Herr Kollege Binding. – Die Aktuelle (B) chen und die Sonnenenergie billig. So einfach ist das. (D) Stunde ist damit beendet, und wir setzen die Tagesord- (Karsten Hilse [AfD]: Das ist selbst unter SPD- nung fort. Niveau, was Sie hier ablassen!) Ich rufe die Zusatzpunkte 7 a und 7 b, Zusatzpunkt 8 Die reichen Leute haben damit überhaupt kein Problem, sowie 22 auf: sie können sich alles leisten. Deshalb ist das Gesetz, das ZP 7 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- Olaf Scholz vorgelegt hat, so klug; denn er sagt: Wir desregierung eingebrachten Entwurfs eines müssen aufpassen, dass wir auf der Zeitachse den Anstieg Gesetzes zur Verlängerung des Betrach- der Kosten für fossile Brennstoffe und die Senkung der tungszeitraums für die ortsübliche Ver- Preise für Sonnenenergie so justieren, dass es sozialver- gleichsmiete träglich ist, Drucksachen 19/14245, 19/14978, (Martin Reichardt [AfD]: Das ist doch eine Ar- 19/15241 Nr. 3 gumentation auf Grundschulniveau, die Sie hier anbieten!) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Recht und Verbraucherschutz dass es sich auch die Armen leisten können. (6. Ausschuss) (Dr. Rainer Kraft [AfD]: Sie schröpfen alle!) Drucksache 19/15952 Es gibt auch Rentnerinnen und Rentner, an die wir denken b) Beratung der Beschlussempfehlung und des müssen, an Menschen mit geringen Einkommen, an Men- Berichts des Ausschusses für Recht und Ver- schen, die vom Mindestlohn leben müssen. Sie brauchen braucherschutz (6. Ausschuss) zu dem An- natürlich Unterstützung in diesem Prozess. trag der Abgeordneten Christian Kühn (Tü- bingen), Daniela Wagner, Luise Amtsberg, (Martin Reichardt [AfD]: Man bekommt bei weiterer Abgeordneter und der Fraktion Ihnen tatsächlich den Eindruck, die Sonne hätte BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schon zu lange zu dolle geschienen!) Rechtssichere regionale Mietobergrenzen Der Umstieg ist extrem teuer. Man muss sagen: Das für angespannte Wohnungsmärkte er- wird alle etwas kosten. Wir können nicht sagen: Es kostet möglichen – Mieterinnen und Mieter in nichts. Es kostet was. Die Frage ist nur, wer bezahlt was bestehenden Mietverträgen schützen und wie viel. Deswegen ist der Pfad, zu sagen: „Wir he- ben die Pendlerpauschale an, wir führen die Mobilitäts- Drucksachen 19/14369, 19/15952 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17139

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich (A) ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- (Beifall bei der SPD) (C) richts des Ausschusses für Recht und Verbrau- Dies geht deutlich über das hinaus, was in unserer Koa- cherschutz (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Ab- geordneten Caren Lay, Dr. Gesine Lötzsch, litionsvereinbarung festgehalten war. Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Die ortsübliche Vergleichsmiete ist auch Maßstab für Fraktion DIE LINKE Mietwucher. Der Bundesrat hat im November einen Ge- Mietenexplosion stoppen – Bestandsmieten de- setzentwurf zur Schärfung des § 5 Wirtschaftsstrafgesetz ckeln vorgelegt. Diesen müssen wir noch im Bundestag bera- ten. Drucksachen 19/2516, 19/4664 Es ist davon auszugehen, dass es uns mit der Auswei- ZP 22 Beratung des Antrags der Abgeordneten tung des Betrachtungszeitraums gelingen wird, den Miet- Katharina Willkomm, Stephan Thomae, anstieg sowohl bei Bestandsmieten als auch bei Neuver- Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und mietungen einzudämmen. Der heutige Gesetzentwurf ist der Fraktion der FDP nur ein erster Schritt zur Reform des Mietspiegels. Authentische Vergleichsmieten durch jahres- Die Wohnraumoffensive sieht einen weiteren Gesetz- aktuelle Mietspiegel entwurf vor, mit dem die Rechtssicherheit von qualifizier- Drucksache 19/15264 ten Mietspiegeln durch gesetzliche Mindestvorgaben ge- stärkt werden soll. Mit dieser Reform soll dann auch der Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Bindungszeitraum von zwei Jahren auf drei Jahre ausge- Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen weitet werden. Es ist eine Aussprache von 30 Minuten beschlossen. Klar ist aber auch, dass wir darüber hinaus mehr be- Ich eröffne die Aussprache. Die erste Rednerin ist die zahlbaren Wohnraum brauchen. Die Große Koalition ver- Kollegin Ulli Nissen von der SPD-Fraktion. folgt daher das Ziel, in dieser Legislaturperiode 1,5 Mil- lionen neue Wohnungen zu bauen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Jan- Marco Luczak [CDU/CSU]) Auf dem Wohngipfel haben wir ein Maßnahmenpaket beschlossen. Dies sieht investive Impulse für den Woh- Ulli Nissen (SPD): nungsbau vor, die die Bezahlbarkeit des Wohnens sichern Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und und die Baukosten absenken wollen. Kollegen! Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutsch- (B) Wir haben inzwischen viel erreicht und an vielen Stell- (D) land leben in Mietwohnungen. Der Mietwohnungsmarkt schrauben gedreht. 2015 haben wir das Bestellerprinzip in Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren stark bei der Mietwohnungsvermittlung eingeführt. Das Prin- verändert. In den Ballungsräumen führte die anhaltend zip „Wer bestellt, der bezahlt“ funktioniert sehr gut. Etwa hohe Nachfrage nach Mietwohnungen zu einem extrem 1 Million Menschen profitieren jährlich davon. Wir konn- hohen Anstieg der Angebotsmieten. Dies gilt auch für ten mit der Einführung dieses Prinzips den Mieterinnen meinen Frankfurter Wahlkreis, aber natürlich auch für und Mietern die Zahlung von jährlich rund 1 Milliarde Städte wie München, Hamburg, Berlin oder Köln. Euro Provision ersparen. Liebe Kolleginnen und Kolle- Seit 2013 arbeiten wir in der Großen Koalition daran, gen, das ist großartig. Mieterinnen und Mieter vor überhöhten Mieten zu schützen. Wir müssen und wollen bis 2030 die SDGs, (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Jan- die Nachhaltigkeitsziele, erreichen. Dazu gehört auch Marco Luczak [CDU/CSU]) das Ziel, alle Menschen mit bezahlbarem Wohnraum zu Über die Grundgesetzänderung haben wir sicherge- versorgen. stellt, dass der Bund weiterhin den sozialen Wohnungs- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) bau fördert. Die Modernisierungsumlage haben wir abge- senkt und gedeckelt. Das Herausmodernisieren haben wir Allein in dieser Woche liegen drei Gesetzentwürfe vor, mit einem hohen Ordnungsgeld belegt. Die Menschen in die dafür sorgen, dass Wohnraum bezahlbar bleibt und die meinem Frankfurter Wahlkreis waren dafür sehr dankbar. Mieterinnen und Mieter mehr Rechte bekommen. Mit Für einige kam unser Gesetz genau zum richtigen Zeit- dem heutigen Gesetzentwurf wird der Betrachtungszeit- punkt. raum bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmie- te von vier auf sechs Jahre ausgeweitet. Wir wollen damit Das Wohngeld wird zum 1. Januar 2020 steigen, und es einen gedämpften Anstieg bei der ortsüblichen Ver- ist uns gelungen, festzulegen, dass dies zukünftig alle gleichsmiete erreichen. Diese ist als Stellschraube sehr zwei Jahre automatisch angepasst wird. Dies ist ein groß- wichtig. Sie dient zum Beispiel als Maßstab für Mieter- er Erfolg; denn in der Vergangenheit mussten die Men- höhungen bei Bestandsmieten. schen zum Teil bis zu zehn Jahre auf eine Anpassung warten. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist auch Maßstab für die Mietpreisbremse, die wir bis 2025 verlängern und Wir halten also fest, liebe Kolleginnen und Kollegen: verschärfen. Großartig finde ich, dass künftig Mieterin- Wir haben in der Vergangenheit viel getan, um Mieter- nen und Mieter bis zu 30 Monate rückwirkend ihre zu viel innen und Mieter vor überhöhten Mietforderungen zu gezahlte Miete zurückfordern können. schützen. Weitere wichtige Verbesserungen der Großen 17140 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Ulli Nissen (A) Koalition für die Mieterinnen und Mieter stehen an. Für (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Legen Sie mal (C) mich ist es eine große Ehre, daran mitwirken zu können. eine andere Platte auf! – Gegenruf der Abg. Ulli Nissen [SPD]: Das schafft er doch nicht!) Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Da hilft dann auch eine Mietpreisbremse nichts. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Ulli Nissen [SPD]: Die AfD-Bremse wäre doch klasse, oder?) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Die von Ihnen auf den Weg gebrachten Maßnahmen Vielen Dank, Frau Kollegin Nissen. – Der Kollege Jens werden überhaupt nichts bringen, weil man durch andere Maier spricht für die AfD-Fraktion. Buchstaben in dem Gesetz keine einzige Wohnung mehr herzaubern kann. Das Gesetzbuch ist kein Zauberbuch, (Beifall bei der AfD) und da sind wir beim eigentlichen Thema. Hier geht es eigentlich mehr um Konservierung. Jens Maier (AfD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) ren! Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der hier nun in zweiter und dritter Lesung beraten und verabschie- Für die, die eine Wohnung haben, wird durch das Maß- det werden soll, ist wie alle Maßnahmen, die die Bundes- nahmenpaket eine gewisse Sicherheit erzeugt. regierung bisher auf diesem Gebiet getroffen hat, nur (Ulli Nissen [SPD]: Das ist schon einmal ganz eins: eine Mogelpackung, ein sozusagen vergiftetes wichtig für die Menschen!) Weihnachtsgeschenk. Für die, die eine Wohnung suchen, wird sich das Ganze Niemand will, dass die Mieter ständig in der Sorge zunehmend fatal auswirken: Mietendeckelung, Miet- leben müssen, sich ihre Wohnung nicht mehr leisten zu preisbremse usw. werden nämlich ein Ergebnis haben, können. Keiner will Städte haben, in denen nur noch und das hat es hier in Berlin bei den Wohnungsbauge- Singles leben, weil Familien sich ein Leben in der Stadt nossenschaften schon: Die Investitionen in den Woh- gar nicht mehr leisten können. nungsbau werden zurückgehen, wohl auch die in die Sa- Begriffe wie Mietendeckel, Mietpreisbremse usw. sol- nierung von Wohnraum. len den Mietern nun diese Angst nehmen. Diese Begriffe (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ sollen suggerieren: Ja, wir kümmern uns. Wir haben ver- (B) DIE GRÜNEN]: Was ist denn Ihr Konzept ge- (D) standen. Wir schaffen das. – Alles Quatsch. gen Wohnungsnot, von der AfD? Was ist Ihr Die Wahrheit ist, dass die Altparteien über Jahrzehnte Konzept?) eine völlig falsche Wohnraumpolitik betrieben haben, Weitergedacht führt dies zu dem, was wir von den Ver- dass wir ein Baurecht haben, das man besser als Bauver- hältnissen aus der DDR kennen: Du findest keine Woh- hinderungsrecht beschreiben könnte, nung, und wenn du dann doch eine gefunden hast, dann (Beifall bei Abgeordneten der AfD) hast du fließend Wasser, und zwar von den Wänden. Man- gel und schlechte Qualität werden die Folgen sein. dass immer mehr Auflagen und bürokratische Hürden die Baukosten ins Astronomische getrieben haben – und jetzt (Ulli Nissen [SPD]: Schlechte Qualität hat Ihre ja noch weiter –, Rede!) (Caren Lay [DIE LINKE]: Die Bodenpreise Den Vermieter zum Bösen zu erklären, ihn als Speku- sind schuld, nicht die Baukosten!) lanten unter Verdacht zu stellen, bedeutet in Wahrheit, den Vermieter zum Sündenbock für eine in der Vergan- und dass die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum in genheit völlig verfehlte Wohnraumpolitik zu machen. den letzten Jahren in einem enormen Umfang gestiegen ist. (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Da klatschen Ich kann nicht 2 Millionen Menschen ins Land lassen nicht einmal die eigenen Leute! – Gegenruf der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]: Da klatscht nie- (Caren Lay [DIE LINKE]: Jetzt kommt es! – mand, weil es Quatsch ist!) Ulli Nissen [SPD]: Jetzt kommt’s! – Weitere Zurufe von der SPD) Hierdurch wird von den eigenen Fehlern abgelenkt und das Problem auf die Vermieterebene geschoben. Und und dann kein Konzept haben, wie diese Menschen mit dann tut man so, als ob man an den Mieter denken würde, Wohnraum versorgt werden sollen. und hofft, über diesen Weg die Mehrheit auf seiner Seite (Beifall bei der AfD) zu haben. Denn bekanntlich gibt es mehr Mieter als Ver- mieter. Und die, die das besonders trifft, sind die kleinen Man kann auch nicht immer so weitermachen, die Vermieter, die den Löwenanteil der Vermieter in Deutsch- Grenzen offen lassen und immer mehr, sozusagen Aber- land darstellen. Das sind die, die ein, zwei Wohnungen tausende, weiter ins Land lassen. Wo sollen die unterge- haben und über die Vermietung beispielsweise ihre Al- bracht werden? tersvorsorge absichern wollen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17141

Jens Maier (A) (Pascal Meiser [DIE LINKE]: Deutsche Woh- Die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum ist die (C) nen! Vonovia!) soziale Frage unserer Zeit, und ich glaube schon, dass man in einer sozialen Marktwirtschaft Stellschrauben Das ist einfach nur ein populistischer Trick. drehen kann. Grundsätzlich regelt es der Markt, aber Im vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung wenn man merkt, dass der Markt es nicht regelt, dann als ein Teil des Gesamtmaßnahmenpakets soll der Be- ist es richtig, dass man sich das mit der sozialen Brille trachtungszeitraum für die Berechnung der ortsüblichen anguckt und die Ergebnisse reguliert und verändert. Vergleichsmiete von vier auf sechs Jahre verlängert wer- Ich glaube, dass wir mit dieser Idee auch immer gut den. Das ist im Grunde genommen nur eine Abkoppelung gefahren sind. Deswegen ist es richtig, dass wir die Miet- der Vergleichsmiete von der Marktmiete mit den sich da- preisbremse auf den Weg gebracht, eine Kappungsgren- raus ergebenden negativen Folgen. ze, eine Kappung der Modernisierungsumlage beschlos- (Caren Lay [DIE LINKE]: Sie haben keine sen haben, und auch das, was wir heute hier einbringen Ahnung!) und beschließen wollen, nämlich die Ausweitung des Be- trachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete, Die Grünen wollen sogar noch eins draufsetzen und ist sinnvoll. das auf 20 Jahre erhöhen. Das ist ja völliger Irrsinn. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der Abg. Ulli Nissen [SPD]) NEN]: Nein, das sind die positiven Folgen!) Ich glaube aber – damit komme ich zu meinem zweiten Das Einzige, was hier noch ganz gut ist, ist der Vor- Gesichtspunkt –, dass wir in einer solchen Debatte immer schlag der FDP, die nämlich eine Verbesserung der Daten- auch feststellen sollten, dass wir bezahlbaren Wohnraum grundlage wollen und dadurch die Aussagekraft von am Ende des Tages eben nicht nur mit Regulierungen Mietpreisspiegeln erhöhen wollen. Das ist der einzige werden schaffen können. Weg, den ich für gangbar halte und der systemkonform ist. (Caren Lay [DIE LINKE]: Das hat auch nie- mand behauptet!) Wir lehnen natürlich den Gesetzentwurf der Bundesre- gierung ab. Wir müssen uns in all diesen Debatten auch die Frage stellen: Wo ist eigentlich die Grenze? – Klar muss ein (Caren Lay [DIE LINKE]: Und haben keinen Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft sein, und es eigenen Entwurf!) heißt eben „soziale Marktwirtschaft“ und nicht „markt- wirtschaftlicher Sozialismus“ oder gar „Planwirtschaft“. (B) Gleichwohl wünsche ich Ihnen ein schönes Weihnachts- (D) fest. (Beifall des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU] – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/ Danke. DIE GRÜNEN]: Ach Gott! Wieder! – Christian (Beifall bei der AfD – Dr. Johannes Fechner Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- [SPD]: Kein Wort gesagt, was Sie wollen! – NEN]: Das war so gut, was Sie am Anfang ge- Ulli Nissen [SPD]: Peinliche Rede!) sagt haben! Wieder reingerutscht!) – Ich sehe an Ihrem Gesichtsausdruck, dass ich da einen Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Nerv getroffen habe. – Deswegen ist das oberste Gebot – Der Kollege Alexander Hoffmann ist der nächste Red- und ich glaube, auch die Überschrift, unter der wir diese ner für die CDU/CSU-Fraktion. Debatten führen müssen – immer, dass wir, wenn wir uns zur sozialen Marktwirtschaft bekennen, bezahlbaren (Beifall bei der CDU/CSU) Wohnraum nur dann werden schaffen können, wenn wir bauen, bauen, bauen, Alexander Hoffmann (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! und dieses Bauen geht eben nicht nur mit Mitteln des Wir haben in den letzten Tagen und Wochen hier in die- sozialen Wohnungsbaus, sondern Sie brauchen auch pri- sem Haus sehr häufig über die Frage des bezahlbaren vate Investoren, Wohnraums diskutiert. Ich möchte drei Gesichtspunkte (Beifall bei Abgeordneten der FDP) einbringen, von denen ich glaube, dass sie uns in jeder Debatte darüber hilfreich sein könnten. große Investoren, die bereit sind, Geld in die Hand zu nehmen, um Wohnraum in Berlin zu schaffen. Zunächst einmal glaube ich, dass ich wirklich für alle Fraktionen spreche, wenn ich sage: „Uns allen ist es ein (Caren Lay [DIE LINKE]: Die auf Kosten der Anliegen, bezahlbaren Wohnraum in Deutschland zu Mieterinnen und Mieter verdienen!) schaffen und sicherzustellen“; denn wir alle haben er- – Ich merke Ihre Emotionen schon. kannt, dass das die soziale Frage unserer Zeit ist. Aus meiner Sicht ist es zu einfach, den jeweils anderen diese Wir müssen uns damit beschäftigen, Anreize für Men- Zielsetzung immer abzusprechen. Worin wir uns im Er- schen zu schaffen, die bereit sind, in unseren Wohnungs- gebnis natürlich unterscheiden, ist der Weg dorthin. markt zu investieren. 17142 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Alexander Hoffmann (A) (Beifall des Abg. Stephan Thomae [FDP]) germeister Ihrer Parteifarbe und kein Bundesland, in dem (C) Dabei dürfen wir keine Motivationskiller verwenden. Sie regieren oder eine Regierungsbeteiligung haben, fin- den werden, von dem man sagen kann: Jawohl, dort wer- Versetzen Sie sich in diesen Tagen doch einmal in ei- den die Herausforderungen um die angespannten Woh- nen Investor, der bereit ist, 14 Millionen Euro in den nungsmärkte effektiv und wirksam bewältigt. Wohnungsbau zu investieren. Glauben Sie, dass der in diesen Tagen tatsächlich einen ernsthaften Anreiz ver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) spürt, das in Berlin zu machen, Wenn wir uns das im Einzelnen anschauen, dann muss (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- man sagen, dass die Stadt Berlin im Bereich des sozialen NEN]: Warum denn nicht? – Gegenruf des Wohnungsbaus auch unter Ihrer Regierungsbeteiligung Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: bis heute kläglich versagt. In Schleswig-Holstein sind Droht ihm ja Enteignung nach dem rot-rot-grü- die Grünen an der Regierung beteiligt. Dort schaffen nen Senat!) Sie die Mietpreisbremse ab, und die linke Bauministerin in Thüringen hat man zur Mietpreisbremse tragen müs- wo der Mietendeckel als Überschrift grassiert, sen. (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich will da überhaupt kein Öl ins Feuer gießen, aber ich NEN]: Mietendeckel gilt nicht beim Neubau!) glaube, uns täte bei diesen Debatten ein Stück weit Selbst- wo die Kollegin Bayram erst gestern in einer Debatte von kritik und ein Stück weit Gemeinsinn gut. Es ist nicht gut, „Enteignung“ gesprochen hat? wenn man immer die Schuld auf andere schiebt. Ich glau- be, dass wir hier in Berlin durchaus an den richtigen Da wir bei Berlin sind: Ich bin der Auffassung, man Schrauben drehen, aber lassen Sie uns die Privatinvesto- sieht dort leider sehr schön, wie man es nicht machen ren nicht aus dem Blick verlieren. So, wie Sie das machen sollte. Man muss sich eigentlich nur die Überschriften wollen, machen Sie den Markt kaputt. anschauen, die Sie im Moment mit dem Mietendeckel generieren. Deswegen: Stimmen Sie zu! (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. NEN]: Der Mietendeckel gilt nicht für den (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Neubau!) Stephan Thomae [FDP] – Stephan Thomae Herr Präsident, wenn Sie gestatten: Ich habe hier einen [FDP]: Alles richtig, was Alexander Hoffmann Artikel der „Berliner Morgenpost“ vom 11. Dezember sagte! – Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE (B) 2019 dabei. Dort steht: „12 000 Neubauwohnungen wür- GRÜNEN]: Der Markt ist doch schon kaputt!) (D) den wegfallen“. (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: So ist es!) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Für die FDP-Fraktion hat das Wort als Nächstes die Ebenfalls in der „Berliner Morgenpost“ steht: „Mieten- Kollegin Katharina Willkomm. deckel: 5,5 Milliarden Euro weniger Investitionen“. – Meine Damen, meine Herren, Sie haben es hier schwarz (Beifall bei der FDP – Dr. Stefan Ruppert auf weiß. Man sieht sehr schön, dass Sie dort auf dem [FDP]: Jetzt wird es noch ein bisschen besser!) Holzweg sind, (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ Katharina Willkomm (FDP): DIE GRÜNEN]: Ich dachte, wir reden über Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und den Mietspiegel und nicht über den Mietende- Kollegen! Der Zweck der Vergleichsmiete ist eine Orien- ckel! Falsch gelesen!) tierung im Mietmarkt. Sie aber klempnern sich daraus eine zusätzliche Mietpreisbremse. und ich kann Sie wirklich nur animieren, einen neuen Weg einzuschlagen. (Ulli Nissen [SPD]: Ist doch gut so!) (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Der Sie erreichen damit nur, dass sich der Mietspiegel von der Mietendeckel ist ein Fiasko!) tatsächlichen Marktmiete entkoppelt. Dies wird dazu füh- ren, dass Vermieter bei Neuvermietungen die Plus-10- Ich möchte jetzt auf den dritten Gesichtspunkt zu spre- Prozent-Spanne voll ausreizen, um nicht unter Wert zu chen kommen; denn – und das habe ich im Ausschuss vermieten. Der Mietspiegel wird so an Akzeptanz verlie- schon gesagt – die Debatte krankt fast jedes Mal ein Stück ren. weit daran, dass gerade die Grünen und die Linken mit einem erhobenen Zeigefinger in die Debatte gehen und Der eigentliche Zweck der Vergleichsmiete ist, best- immer den Eindruck erwecken: Wir wissen, wie es geht, möglich die reale Marktmiete darzustellen, damit der ihr könnt es nicht. Mieter und der Vermieter auf Augenhöhe miteinander verhandeln können; denn der Mietspiegel erlaubt, ein (Caren Lay [DIE LINKE]: Wir machen ja we- Mietangebot mit den tatsächlich gezahlten Mieten in ei- nigstens gute Vorschläge!) ner Region zu vergleichen. Ein guter Mietspiegel ist der Da muss man einfach sagen: Zur Wahrheit gehört auch, beste Schutz der Mieter vor überzogenen Mietforderun- dass Sie im ganzen Land keinen Ort mit einem Oberbür- gen und Garant für einen fairen Wohnungsmarkt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17143

Katharina Willkomm (A) (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Jan- (Beifall bei der LINKEN) (C) Marco Luczak [CDU/CSU]) das ist eine faktische Lohnkürzung, das ist Ausbeutung Also: Manipulieren Sie den Mietspiegel nicht! Machen der Mieterinnen und Mieter. Sie ihn besser! (Beifall bei der LINKEN – Dr. Jan-Marco (Ulli Nissen [SPD]: Das machen wir!) Luczak [CDU/CSU]: Das stimmt einfach nicht, Setzen Sie ihn mit uns Freien Demokraten auf eine neue was Sie sagen! Gucken Sie sich einmal die Si- Grundlage! tuation in Hamburg an!) Was wollen wir verbessern? Und nicht nur die Preise für Neumietverträge steigen, sondern auch die der bestehenden Mietverhältnisse. Erstens. Heute basiert der Mietspiegel auf wenigen, Schuld ist der Mietspiegel, der in seiner jetzigen Form freiwilligen Angaben. In Berlin stützt sich der Mietspie- ein Mieterhöhungsspiegel ist. Denn in seine Berechnung gel auf eine Stichprobe von gerade einmal 3 000 Woh- fließen immer nur die Mietverträge der letzten vier Jahre nungen. ein. Aber seit zehn Jahren explodieren die Mieten ja in den meisten Städten. Das heißt, nach und nach werden Zweitens. Es ist sehr teuer, einen Mietspiegel wissen- auch die Preise für Bestandsmieten immer weiter ange- schaftlich zu erstellen. Deshalb begnügen sich viele klei- zogen. Diese Preisspirale nach oben müssen wir endlich ne, ärmere Gemeinden mit einfachen Mietspiegeln, die stoppen. vor Gericht wenig Beweiskraft haben, oder sie verzichten ganz darauf. (Beifall bei der LINKEN) Unser Antrag setzt bei der Datenbasis an. Dafür muss Angesichts dieser großen Herausforderung ist der vor- der Vermieter ein paar zusätzliche Angaben bei der Steuer gelegte Gesetzentwurf der Regierung nicht mehr als ein machen, jedenfalls dann, wenn eine Gemeinde beschlos- schlechter Witz. Sie wollen nicht mehr nur die Mietver- sen hat, einen Mietspiegel zu erstellen. träge der letzten vier Jahre, sondern die der letzten sechs Jahre in die Berechnung einfließen lassen. Das wird an- Bei seiner jährlichen Steuererklärung muss der Ver- gesichts der Mietenexplosion, die seit zehn Jahren anhält, mieter ohnehin Einkünfte aus der Vermietung angeben. wirklich nichts bringen. Der Mietspiegel ist und bleibt Falls er neu vermietet oder eine Bestandsmiete ändert, auch in der neuen Form ein Mieterhöhungsspiegel. muss er künftig einige weitere, wesentliche Merkmale der Wohnung, wie Lage oder Baujahr, angeben. Weil (Beifall bei der LINKEN) das Ganze der Verbesserung des Mietspiegels dienen soll, (B) machen wir eine Ausnahme für Wohnungen, die per De- Wir als Linke sagen: Wenn wir die Mieten tatsächlich (D) finition des BBSR nicht in den Mietspiegel einbezogen dämpfen wollen, dann müssen nicht nur die letzten vier werden sollten. Jahre oder die letzten sechs Jahre in die Berechnung des Mietspiegels einfließen, dann müssen endlich alle Mieten Das lokale Finanzamt anonymisiert diese Daten und in die Berechnung des Mietspiegels einfließen. Nur so leitet sie für das jeweils letzte Kalenderjahr an die Ge- können wir den Anstieg der Mieten dämpfen. meinde weiter, wo die Wohnung liegt. Rückschlüsse auf konkrete Mietverträge schließen wir aus. Im Ergebnis (Beifall bei der LINKEN) kann dann jede Gemeinde ganz simpel einen tabellari- Was ich schade finde: Die Koalition löst noch nicht schen Mietspiegel erstellen. einmal ihre kleinen Versprechen ein. Sie haben im Koa- Unser Vorschlag nutzt Mietern und Vermietern; denn er litionsvertrag noch gesagt, Sie wollen die Gültigkeit des verbessert die Aussagekraft, ermöglicht allen Gemeinden Mietspiegels von bisher zwei Jahre auf drei Jahre verlän- kostengünstige Mietspiegel, macht aus jedem Mietspie- gern. gel einen qualifizierten Mietspiegel und entlastet am En- (Ulli Nissen [SPD]: Kommt noch! Hätten Sie de sogar die Gerichte. meiner Rede zugehört!) Vielen Dank. Das wäre auch gut gewesen. Auch das müsste passieren. (Beifall bei der FDP) Das andere ist, dass Sie auch gesetzliche Mindeststan- dards versprochen haben für qualifizierte Mietspiegel. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Auch diese brauchen wir. Denn immer wieder werden Für Die Linke hat das Wort die Kollegin Caren Lay. die Mietspiegel von der Vermieterseite angegriffen, und das mit Erfolg. Hier brauchen wir Rechtssicherheit. Auch (Beifall bei der LINKEN) in dieser Hinsicht ist der Gesetzentwurf eine vertane Chance für Mieterinnen und Mieter. Caren Lay (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mieten (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) steigen fast viermal so stark wie die Löhne, und zwar im Unser Vorschlag als Linke lautet: Am allerbesten wäre Schnitt, das heißt, in den Städten sieht die Entwicklung ein fünfjähriger Mietenerhöhungsstopp. noch wesentlich schlimmer aus. Das, meine Damen und Herren, hat doch mit einer sozialen Marktwirtschaft über- (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist der haupt nichts mehr zu tun, falsche Weg!) 17144 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Caren Lay (A) Mieterinnen und Mieter haben sich nach den massiven (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Gelingt (C) Mietenexplosionen der letzten Jahre eine Atempause ver- Ihnen ja in Berlin erfolgreich!) dient. 10 Prozent der Menschen in Deutschland, die keine Woh- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – nung mehr haben, die bei einem Freund auf der Couch Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sozialkom- übernachten, munismus nennt man so etwas!) (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Wenn sie Eines können wir also festhalten, meine Damen und auf der Couch übernachten, nützt der Mietspie- Herren: Mit diesem Gesetzentwurf wird die Mietenexplo- gel aber auch nichts! Da brauchen wir neue sion nicht gestoppt werden. Wohnungen!) (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Hat man in die irgendwo vor einer großen Stadt auf einem Camping- der DDR auch geglaubt!) platz in einem Wohnwagen wohnen, haben einen Job. Diese Menschen erwarten von uns, dass wir sie nicht Die Preisentwicklung bei den Mieten wird mit diesem alleinlassen in ihrer sozialen Not, einen Job zu haben Gesetzentwurf weder umfassend noch abschließend ge- und trotzdem keine Wohnung zu haben. Wir vermitteln regelt. Auch deswegen bin ich froh, dass Die Linke in ihnen gerade, dass sie nicht dazugehören. Ich glaube, das Berlin den Mut hat, Nägel mit Köpfen zu machen, den ist sozialer und demokratischer Sprengstoff. Mut hat, gegen den massiven Widerstand der Immobi- lienlobby einen Mietendeckel einzubringen. Wir brau- (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ja!) chen einen Mietendeckel. Deswegen müssen wir die Wohnungsfrage dringend lö- (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sie sen. schaden damit letztlich den Mieterinnen und (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Mietern!) SES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) An diesem Mut, an dieser Verantwortung könnte sich die Sie haben recht: Wir sollten einmal über Instrumente Koalition im Bundestag endlich einmal ein Beispiel neh- reden. Sie haben vollkommen recht, Herr Hoffmann: In- men. strumente sind wichtig. (Beifall bei der LINKEN) (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ihre wir- ken ja nicht!) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (B) Das Instrument, über das wir heute reden, ist der Miet- (D) Für Bündnis 90/Grüne hat das Wort der Herr Kollege spiegel. Sie gestalten dieses Instrument angesichts der Christian Kühn. Notlage dieser Menschen und angesichts der Mietenex- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) plosion in den Städten aber nicht, indem Sie sagen: Wir nehmen den Mietspiegel und wollen damit die Mieten absenken. – Das ist nicht Ihr Ziel. Stattdessen haben Sie Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE irgendwie in der GroKo einen Kompromiss geschlossen. GRÜNEN): Die SPD hatte auf ihrem Parteitag beschlossen, dass der Danke. – Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kol- Mietspiegel auf acht Jahre ausgestaltet werden soll. Heute legen! Herr Hoffmann, dieses Blame Game mit den Län- sollen sechs Jahre beschlossen werden. dern, (Ulli Nissen [SPD]: Wir sind in einer Koali- (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sagen Sie tion!) doch einmal etwas dazu!) Damit werden Sie den Anstieg der Mieten in Deutschland ich weiß nicht, wie das den anderen Kollegen hier im nicht bremsen, und das ist ein Riesenproblem. Haus geht, aber dieses Blame Game mit den Ländern – dass dem einen das eine Bundesland und dem anderen das (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- andere Bundesland vorgeworfen wird –, das ist doch SES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) wirklich langweilig. Wir sollten darüber reden, was wir Sie machen beim Mietrecht zwar im Wochenrhythmus hier beschließen und was wir für die Menschen im Land Reformen. Das zentrale Problem ist aber, dass Sie die tun können. Kappungsgrenze nicht anfassen. Wir haben ja nicht nur (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – das Problem, dass wir nicht genügend Neubau haben – Katharina Willkomm [FDP]: Sie haben doch vor allem nicht genügend bezahlbaren Neubau –, gestern NRW als Vorwurf benutzt!) (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Sie sorgen Marktwirtschaft. Soziale Marktwirtschaft. Angesichts dafür, dass wir keinen Neubau haben!) von 678 000 Menschen ohne Wohnung in diesem Land sondern wir haben auch das zentrale Problem, dass die kann man, glaube ich, sagen, dass diese Marktwirtschaft Bestandsmieten in Deutschland massiv steigen. dort nicht funktioniert. Wenn wir eine soziale Marktwirt- schaft wollen, müssen wir die Leitplanken angesichts die- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- ser Zahl deutlich neu justieren. SES 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17145

Christian Kühn (Tübingen) (A) Dies ist deswegen so, weil das Niveau im Mietspiegel (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (C) schon sehr hoch ist Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]) (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das ist Das waren alles wichtige Maßnahmen, um mehr bezahl- gar nicht zutreffend! Schauen Sie sich doch ein- baren Wohnraum zu schaffen. Dem dient auch dieser Ge- mal die Zahlen in Hamburg an!) setzentwurf, mit dem wir den Betrachtungszeitraum für die ortsübliche Vergleichsmiete in den Mietspiegeln von und weil die Kappungsgrenze nicht abgesenkt wird. Des- vier auf sechs Jahre erweitern. wegen ziehen die teuren Neuvertragsmieten der letzten Jahre die Bestandsmieten mit nach oben. Wenn wir diesen Der Mietspiegel ist für Vermieter und Mieter gleicher- Mechanismus abbremsen wollen, dann brauchen wir ei- maßen ein wichtiges Instrument, weil er die ortsübliche nen Mietspiegel, der einen deutlich längeren Betrach- Vergleichsmiete abbildet, und das ist ja entscheidend für tungszeitraum hat. Wir müssen endlich die Kappungs- Mieterhöhungsverlangen des Vermieters. Wir verlängern grenze absenken. jetzt den Betrachtungszeitraum auf sechs Jahre, also um zwei zusätzliche Jahre, und zwar zwei Jahre, in denen die (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Mieten niedriger waren. Das wird dazu führen, dass die SES 90/DIE GRÜNEN) ortsübliche Vergleichsmiete in den Mietspiegeln niedri- Dass Sie das nicht machen, dass Sie dieses Instrument ger ausfallen wird, als sie heute ist. Die Verlängerung des nicht anfassen, ist das zentrale Problem. Betrachtungszeitraums ist also eine ganz wichtige Maß- nahme. Weil Sie untätig sind, hat die Landesregierung in Berlin entschieden, einen Mietendeckel einzuführen. Natürlich hätte die SPD den Betrachtungszeitraum ger- ne auf acht Jahre ausgeweitet. Aber zwei Jahre sind im- (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Wenn Sie merhin ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. auf 5 000 Wohnungen in Berlin verzichten kön- nen, nutzen all diese Instrumente nichts!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deswegen haben wir – auch der Empfehlung des Deut- Deswegen tragen Sie eine immense Verantwortung für schen Mieterbundes, das ist für uns ein wichtiger Partner, die Spaltung im Augenblick in unseren Städten. folgend – gesagt, wir gehen diesen Zwischenschritt. Ins- Danke schön. gesamt werden wir irgendwann einmal zu acht Jahren kommen. Aber die Verlängerung auf sechs Jahre ist ein- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- mal ein ganz wichtiger Schritt, liebe Kolleginnen und SES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – (B) Kollegen. (D) Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: 5,5 Milliar- den Euro weniger in den Wohnungsbau!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Mit diesem Gesetz ändern wir auch, zugegebenerma- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: ßen unwesentlich, den § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes. Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Ganz offen gesagt: Bei § 5 hätten wir mehr tun müssen. Dr. Johannes Fechner. Denn dieser Straftatbestand regelt, dass Vermieter, die Wuchermieten verlangen, sich strafbar machen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Ord- nungswidrigkeit! Das ist ein Unterschied!) Dr. Johannes Fechner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- dass also der Staat von sich aus dagegen vorgeht, heute be Zuschauerinnen und Zuschauer! Viele Mieter in allerdings mit der Voraussetzung, dass ein bewusstes Deutschland haben in der Tat auf ihrem Weihnachts- Ausnutzen der Wohnungsnot vorliegen muss, und dieses wunschzettel an die Politik stehen, dass wir mehr tun Tatbestandsmerkmal nachzuweisen, das ist heute nur sehr gegen den Mietenanstieg und mehr tun für bezahlbaren schwer möglich, weshalb der Straftatbestand oft nicht Wohnraum. In dieser Woche haben wir das mit vielen greift. Gesetzentwürfen getan. Es war eine gute Woche für die Mieterinnen und Mieter. Ich habe mich deshalb sehr gefreut, dass die alte For- derung der SPD, diesen Paragrafen zu verschärfen, jetzt (Beifall bei Abgeordneten der SPD) von der CSU, von der bayerischen Landesregierung, auf- gegriffen wurde, Wir haben die Mietpreisbremse um fünf Jahre verlängert. Wir haben gestern ein Gesetz in erster Lesung beraten, (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) mit dem wir die Mietpreisbremse verschärfen – eine Überzahlung kann in den ersten 30 Monaten zurückge- und sogar den Weg in eine Bundesratsinitiative gefunden fordert werden –, hat. Also, liebe CDU-Abgeordnete, wir warten auf euch. Wenn sogar die CSU merkt, dass der strafrechtliche Mie- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) terschutz verbessert werden muss, und wir haben, damit sich mehr junge Familien insbeson- (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Es geht dere ein Eigenheim leisten können, gestern die Makler- um das Ordnungswidrigkeitenrecht! Das ist gebühren halbiert. schon noch etwas anderes!) 17146 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Johannes Fechner (A) dann erwarten wir, dass auch ihr mitmacht und wir diesen Wenn es trotzdem nur begrenzt funktioniert, dann ist die (C) klugen Bundesratsentwurf, der die alte SPD-Forderung Frage, woran das liegt. aufgreift, hier im Bundestag verabschieden können. Wenn wir jetzt sagen: „Wir machen eine Mietpreis- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des bremse und nutzen als Instrument den Mietspiegel, und BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) wir schärfen dieses Instrument, indem wir den Betrach- tungszeitraum verlängern“, dann ist das alles Medizin für Eine gute Woche für die Mieterinnen und Mieter: Wir diese Krankheit, aber noch nicht die Heilung. Deswegen haben die Mietpreisbremse verlängert, wir haben sie ver- macht es schon Sinn, dass wir Maßnahmen ergreifen, die schärft. Wir haben die Maklergebühren halbiert. Und hier dämpfend wirken. Aber wenn wir uns darauf verlassen verlängern, erweitern wir jetzt den Betrachtungszeitraum würden, dass wir auf diese Weise bezahlbaren Wohnraum bei den Mietspiegeln um zwei Jahre. Eine gute Woche für schaffen, dann kann ich nur sagen: Das ist ein Irrglaube. – die Mieterinnen und Mieter. Wir müssen beides machen. Wir müssen in der Über- Vielen Dank. gangszeit, wo es nicht genug Angebot gibt, zusehen, dass die Mieten nicht überborden, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: und wir müssen dafür sorgen, dass es genügend Anreize Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist zum Bauen gibt: der Kollege Karsten Möring, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) von der Bereitstellung des Bodens bis zu einer vernünf- tigen Rendite. – Das alles sind Maßnahmen, die wir brau- Karsten Möring (CDU/CSU): chen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Ein paar Bemerkungen zu einigen Vorrednern. Lieber allem, was ich in dieser Debatte von der Opposition Kollege Kühn, Sie sprachen von 680 000 Menschen ohne bisher gehört habe, gibt es einen Punkt, dem ich zustim- Wohnungen. Sie haben vergessen, zu erwähnen, dass un- me, nämlich dass der Markt, so wie er sich im Moment gefähr 440 000 davon Geflüchtete in Gemeinschaftsun- darstellt, offensichtlich nicht ausreicht, genügend Woh- terkünften sind, die dabei mitgezählt sind. Wenn Sie mit nungen, auch nicht genügend bezahlbare Wohnungen, zur Zahlen arbeiten, machen Sie es zielgenau und ehrlich. (B) Verfügung zu stellen. (D) Man kann dann sagen: „Es sind immer noch zu viele“ – Ich habe an anderer Stelle bei den zahlreichen Debat- da würde ich Ihnen sogar zustimmen –; aber übertreiben ten, die wir in den letzten Monaten geführt haben, schon Sie es nicht. Man muss auch noch den Blick für die Rea- einmal das Bild benutzt – das will ich noch einmal benut- lität haben. zen –, dass der Markt im Wohnungsbau krank ist. Er ist (Beifall bei der CDU/CSU) nicht ausgeglichen; Angebot und Nachfrage sind nicht ausgeglichen. Die Frage, wie man eine solche Krankheit Frau Lay, wenn wir den Betrachtungszeitraum tatsäch- heilt, ist ganz einfach: Wir brauchen mehr Wohnungen. lich auf die von Ihnen geforderte Dauer und auf sämtliche Mietverhältnisse ausdehnen würden, dann käme dabei (Beifall bei der CDU/CSU) zunächst einmal heraus, wie preiswert die Bevölkerung Das praktische Problem ist: Wer ist „wir“? „Wir“ ist insgesamt wohnt. nicht der Bund. „Wir“ ist nicht dieses Parlament. Das, (Caren Lay [DIE LINKE]: Dann würden die was wir machen können, ist, Regelungen, Rahmenbedin- Mieten sinken! Das wäre mal was!) gungen zu schaffen, die andere dazu animieren, zu bauen. Und „andere“ kann heißen: Kommunen mit ihren Woh- Denn es gibt so viele alte Mietverhältnisse, die preiswert nungsbaugesellschaften, privatwirtschaftliche, gewinn- sind. Nur: Wenn Sie darauf aufbauen und sagen: „Dann orientierte Unternehmen, Genossenschaften, Privatver- darf man auch nur 10 Prozent mehr verlangen“, dann mieter – all die sind gemeint. Damit die das tun, verschaffen Sie den Mietern keine Atempause, sondern brauchen sie die Perspektive, dass es sich für sie lohnt; dann sorgen Sie dafür, dass der Wohnungsmarkt einen denn keiner schmeißt Geld aus dem Fenster. Das ist unser Atemstillstand hat. Problem. (Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist doch Wenn ich mir in den einzelnen Ländern die Rahmen- Quatsch!) bedingungen, die geschaffen wurden, anschaue, dann kann ich nicht erkennen, dass sie überall einen zusätz- Dann ist er nämlich tot, weil dann in der Tat keiner mehr lichen Wohnungsbau fördern. Wir als Bund geben viel baut. Das ist nicht das, was wir brauchen, und auch nicht Geld ins System in die Länder hinein. Die Länder geben das, was wir erreichen wollen. Die Bestandsmieten stei- was dazu. gen, aber unser Problem sind die Neuvermietungen. Des- wegen ist es richtig, dass wir die Bezugsgröße für die (Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist doch nicht Mietpreisbremse bei den Neuvermietungen verändern, viel Geld! Das ist 1 Milliarde im Jahr!) um damit die Ausschläge zu verkleinern. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17147

Karsten Möring (A) (Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist doch Zusatzpunkt 8. Abstimmung über die Beschlussemp- (C) Quatsch! Das macht die Mietpreisbremse fehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucher- doch!) schutz zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Mietenexplosion stoppen – Bestandsmieten de- Aber noch einmal: Der entscheidende Punkt ist: Dies ckeln“. Der Ausschuss empfiehlt hier in seiner Beschluss- ist nur ein Hilfsmittel und nicht die Lösung unseres Prob- empfehlung auf Drucksache 19/4664, den Antrag der lems. Die müssen wir auf andere Weise suchen. Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/2516 abzulehnen. (Caren Lay [DIE LINKE]: Haben Sie über- Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind haupt verstanden, worum es hier geht?) wieder die Koalition sowie die FDP und die AfD. Gegen- probe! – Grüne und Linke. Enthaltungen? – Keine. Die Ich will gar nicht gegen Berlin polemisieren; das wäre Beschlussempfehlung ist angenommen. sehr einfach und sehr billig. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf (Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist einfach Drucksache 19/15264 an die in der Tagesordnung aufge- falsch, was Sie sagen!) führten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Über- weisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ver- Aber wenn Berlin das Geld nimmt, um Wohnungen zu- fahren wir so, wie vorgeschlagen. rückzukaufen, anstatt das Geld zu nehmen, um Wohnun- gen zu bauen, dann kann ich dazu nur sagen: Rechnen Ich rufe die Zusatzpunkte 9 bis 11 auf: können da manche offensichtlich nicht. ZP 9 Erste Beratung des von den Abgeordneten Roman (Beifall bei der CDU/CSU – Caren Lay [DIE Johannes Reusch, Stephan Brandner, Fabian LINKE]: Ja, Sie ja offenbar auch nicht!) Jacobi, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechtsextremismus-Datei- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Gesetzes Vielen Dank, Herr Kollege Möring. – Ich schließe die Aussprache. Drucksache 19/16052 Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Inneres und Heimat (f) desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Verlän- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz gerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete. Der Ausschuss für Recht und Verbrau- ZP 10 Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord- neten Roman Johannes Reusch, Marc Bernhard, (B) cherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss- (D) empfehlung auf Drucksache 19/15952, den Gesetzent- Stephan Brandner, weiteren Abgeordneten und wurf der Bundesregierung auf Drucksachen 19/14245 der Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs ei- und 19/14978 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die nes Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbu- dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei- ches chen. – Das sind CDU/CSU – und SPD-Fraktion. Wer Drucksache 19/9234 stimmt dagegen? – Das sind Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD. Enthaltungen? – Die Linke. Der Gesetz- Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- entwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. ses für Recht und Verbraucherschutz (6. Aus- schuss) Dritte Beratung Drucksache 19/11239 und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – ZP 11 Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord- Das ist wieder die Koalition: CDU/CSU und SPD. Wer neten Dr. Christian Wirth, Jochen Haug, Marc stimmt dagegen? – AfD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen. Bernhard, weiteren Abgeordneten und der Frak- Enthaltungen? – Die Linke. Damit ist der Gesetzentwurf tion der AfD eingebrachten Entwurfs eines Ge- angenommen. setzes zum Verlust der deutschen Staatsbür- gerschaft bei Eintritt in eine terroristische Zusatzpunkt 7 b. Abstimmung zu der Beschlussemp- Organisation fehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz auf Drucksache 19/15952. Der Ausschuss emp- Drucksache 19/11127 fiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/ ses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss) Die Grünen auf Drucksache 19/14369 mit dem Titel „Rechtssichere regionale Mietobergrenzen für ange- Drucksache 19/16144 spannte Wohnungsmärkte ermöglichen – Mieterinnen und Mieter in bestehenden Mietverträgen schützen“. Hier ist wiederum eine Aussprache von 30 Minuten Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind beschlossen. die Koalition, die FDP und die AfD. Gegenprobe! – Ich eröffne die Aussprache. Es beginnt für die AfD- Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Die Linke. Fraktion der Kollege . Die Beschlussempfehlung des Ausschusses ist damit an- genommen. (Beifall bei der AfD) 17148 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Roman Johannes Reusch (AfD): tere Ermittlung aufklären kann, weil nicht der Anfangs- (C) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie man verdacht einer Straftat vorliegt. Das heißt also: Da könnte hört, ist Präsident Erdogan im Augenblick mit einer gan- ein künftiger Anis Amri rumrennen, und wir kriegen es zen Reihe europäischer Staaten sehr unzufrieden. Warum mal wieder nicht mit. Deswegen haben wir beantragt, das? Bei seiner Invasion in den Norden Syriens sind ihm diese Gesetzeslücke zu schließen, unter Hinweis darauf, auch diverse Gefangenenlager für IS-Kämpfer nebst Fa- dass es sich hier um eine Bitte aus der Praxis handelt. milienangehörige in die Hände gefallen. Die Kämpfer, Aber die Parteitaktik war wichtiger. Das ist im Rechts- die scheinbar nicht in seinen Hilfstruppen mitmachen ausschuss dann folgerichtig auch abgelehnt worden. wollen, möchte er gerne wieder loswerden. Schließlich haben wir noch eine Möglichkeit, durch die Deren Heimatländer haben allerdings die Möglichkeit man etwas für die Terrorbekämpfung tun könnte: Im Jah- genutzt, die ihr nationales Recht ihnen bietet, viele dieser re 2012 hat dieses Haus per Gesetz eine Rechtsextremis- Leute blitzschnell auszubürgern. Da sind wir alle sicher mus-Datei beschlossen. Das Gesetz ist wunderbar gera- sehr froh, dass Herr Präsident Erdogan keinen Grund hat, ten. Es war alles sinnvoll, vorbildlich, möchte ich meinen. mit Deutschland unzufrieden zu sein; denn wir haben Nur: Da fehlen die Linksextremisten und die Islamisten. diese Möglichkeit nicht. Wir nehmen sie alle zurück, Über sie gibt es zwar auch Dateien; aber es gibt keine und wir können wegen Mitgliedschaft in einer terroristi- zentrale gesetzliche Regelung, die vor allem festlegt, wel- schen Vereinigung nicht ausbürgern, was ja nach gelten- che Behörden Zugriff haben, wie man miteinander um- der Verfassungslage sowieso nur bei Doppelstaatlern gin- geht, wer Zugriffberechtigung hat usw. Hier wäre, denke ge. ich, ein guter Schritt dafür getan, bessere Grundlagen für die Verfolgung und die Abwehr künftiger Taten von Nun stellt man sich schon die Frage: Warum machen Linksextremisten und Islamisten, soweit sie extremistisch wir das eigentlich nicht so wie viele europäische Staaten? und gewaltbereit sind, zu bieten. (René Röspel [SPD]: Weil das die Nazis ge- (Beifall bei der AfD) macht haben!) – Ach, Göttchen. Wir haben deswegen einen entsprechenden Gesetzent- wurf eingebracht, dessen Ablehnung, weil er von uns (Marian Wendt [CDU/CSU]: Stimmt! Nazis kommt, wir nunmehr entgegensehen. sind ja Ihre Brüder! – Dr. Jürgen Martens [FDP]: Nee, pass mal auf, Vorsicht an der Abschließend wünsche ich allen gleichwohl frohe Bahnsteigkante: Das war in der DDR! – Zuruf Weihnachten und ein frohes neues Jahr. (B) des Abg. Jürgen Braun [AfD]) (Beifall bei der AfD) (D) – Ja, in der DDR wurde man auch schon mal ausgebür- gert. Genau, richtig. Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: (Marian Wendt [CDU/CSU]: Sie fordern ja Vielen Dank, Herr Kollege Reusch. – Der nächste Red- selbst die Ausbürgerung von Doppelstaatlern!) ner: für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Marian Wendt. Wir reden hier von europäischen Staaten – viele davon EU-Mitgliedstaaten –, von Partnerländern mit ewig lan- (Beifall bei der CDU/CSU) ger demokratischer Tradition. Die denken gar nicht daran, Leute, die noch eine andere Staatsbürgerschaft haben, die Marian Wendt (CDU/CSU): beim IS tätig waren, wieder zurückzunehmen und die Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Gefahren, die daraus für die eigene Bevölkerung herrüh- Kollegen! Heute ist es etwas Besonderes für mich, vor ren, in Kauf zu nehmen. Also sollten wir das auch ma- Ihnen zum Thema Sicherheit zu sprechen. Heute, am chen. Deswegen haben wir den entsprechenden Gesetz- 19. Dezember, halten wir inne und gedenken. Wir erin- entwurf eingebracht. Zwei kleine Änderungen im nern uns: Ein Terrorist fuhr mit einem Lkw mitten in Staatsangehörigkeitsgesetz, und das wäre erledigt. einen Weihnachtsmarkt. Bei diesem feigen Terroran- (Beifall bei der AfD) schlag wurden zwölf unschuldige Menschen getötet und zahlreiche weitere Menschen verletzt. Es geschah unweit Dann können wir auch Herrn Erdogan ärgern. – Das nur von hier, im Herzen unserer Hauptstadt auf dem Breit- am Rande. scheidplatz. Dann haben wir noch eine weitere Möglichkeit, durch Die AfD will diesen dritten Jahrestag nun nutzen, um die man die Terrorbekämpfung spürbar verbessern kann: auf vermeintliche Defizite der inneren Sicherheit hinzu- Kollegen aus dem Bereich der Terrorverfolgung, straf- weisen. Sie behauptet in ihren drei Gesetzentwürfen, die rechtlicher Verfolgung von Terrortätigkeiten berichten innere Sicherheit stärken zu wollen, macht aber genau das mir, dass wir im § 129a StGB eine Lücke haben, und Gegenteil. An einem solchen Jahrestag ist es aus meiner zwar: Da, wo es um Werbung und Unterstützung geht, Sicht doppelt und dreifach wichtig, diese fadenscheinigen ist der Versuch nicht strafbar. Nun mag das wie eine läss- Vorhaben der AfD zu entzaubern. Sie wollen den Jahres- liche Sünde erscheinen. Aber dieser Paragraf führt dazu, tag missbrauchen. Aber nicht mit uns! dass, wenn man jemanden erkannt hat, der in irgendeiner Weise mit zum Beispiel dem IS oder anderen Terrororga- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nisationen verwoben erscheint, man es nicht durch wei- neten der SPD, der FDP, der LINKEN und des Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17149

Marian Wendt (A) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Roland (Dr. Roland Hartwig [AfD]: Was für eine Ar- (C) Hartwig [AfD]: Unfug! Schämen Sie sich!) roganz!) Sie befördern nicht die innere Sicherheit, sondern be- Studieren Sie es! Es täte Ihnen gut. Wir reden im nächsten hindern sie sogar. Nehmen wir Ihre eingebrachten Ge- Jahr noch einmal darüber. setzentwürfe deshalb einmal genauer unter die Lupe: Die Wahrheit ist: Ihr Gesetzentwurf würde den Sicher- Zum Ersten beabsichtigen Sie die Änderung des heitsföderalismus auf den Kopf stellen und handlungsun- Rechtsextremismus-Datei-Gesetzes. Das Gesetz, meine fähig machen. Er würde die innere Sicherheit in Gefahr Damen und Herren, regelt die Einrichtung einer zentralen bringen. Datei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten auf Bund- und Länderebene. Ziel ist die Bekämpfung des (Fabian Jacobi [AfD]: Was für eine handwerk- gewaltbezogenen Rechtsextremismus. Die Sicherheitsbe- lich schlecht gemachte Rede! – Gegenruf der hörden verpflichten sich dabei, relevante Informationen Abg. Corinna Miazga [AfD]: Das ist gar keine zu gewaltbereiten Rechtsextremisten zu speichern. Das Rede!) ermöglicht den sofortigen Zugriff durch andere teilneh- Als verantwortungsvoller Volksvertreter spielt man aus mende Behörden. Dadurch wurde und wird der Informa- meiner Sicht nicht mit dem Feuer, erst recht nicht, wenn tionsaustausch seit 2012 maßgeblich verbessert und der es um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger Rechtsextremismus bekämpft. geht, und erst recht nicht an Gedenktagen wie heute. Mit den von Horst Seehofer vorgestern vorgestellten (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Maßnahmen bekämpfen wir den Rechtsextremismus neten der SPD, der FDP und des BÜNDNIS- noch effektiver. Dass diese Bekämpfung des Rechtsextre- SES 90/DIE GRÜNEN) mismus bitter nötig ist, zeigt auch der aktuelle Fall Ihres Kollegen, unseres Kollegen Lars Herrmann, der Ihre Par- Zum Zweiten. Sie wollen das Strafgesetzbuch ändern. tei nämlich verlassen hat, weil sie durch den Flügel offen Sie wollen mit § 129a Strafgesetzbuch unter anderem den mit Rechtsextremisten sympathisiert. Ja, wir haben wie- Versuch des Unterstützens von oder Werbens für terroris- der einmal im Blick: Wir haben ein Problem mit Rechts- tische Vereinigungen strafrechtlich erfassen. Wir als extremismus, und das sitzt genau hier im Bundestag. Große Koalition haben das aber bereits umgesetzt. Das konkrete Anwerben von Mitgliedern oder die Unterstüt- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, zung einer Terrororganisation ist bereits heute strafbar. der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Hier demonstriert die AfD erneut mangelndes Fachwis- GRÜNEN) sen. Ein Tipp: Ein Blick ins Gesetzbuch erleichtert die (B) Rechtsfindung. Ihr Antrag ist überflüssig. (D) Im vorgelegten Gesetzentwurf fordert die AfD, dass das besagte Gesetz dahin gehend geändert wird, dass (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und das genannte Verfahren auch auf Bereiche des links und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des religiös motivierten Extremismus auszuweiten ist. Abg. Helge Lindh [SPD] – Corinna Miazga [AfD]: Was für ein Witz!) (Dr. Roland Hartwig [AfD]: Na und?) Als Letztes legen Sie uns einen Gesetzentwurf vor, der Meine Damen und Herren, die Idee ist zunächst scheinbar den Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft einer Person nachvollziehbar und konsequent. vorsieht, wenn diese in eine terroristische Organisation eintritt und Doppelstaatler ist. Dabei vergessen Sie wie- (Corinna Miazga [AfD]: Ach!) derum: Auch hierfür haben wir bereits im Sommer etwas Aber: Ihre naiven Forderungen und Ihr handwerklich beschlossen. Die Voraussetzungen für den Entzug der mehr als schlecht gemachter Gesetzentwurf würden in deutschen Staatsbürgerschaft bei doppeltem Pass sind be- der Praxis nur zu Chaos und Unsicherheit führen. Juris- reits gesetzt. Sie sind wieder zu spät dran und unvorbe- tisch sind Ihre Forderungen nicht haltbar. reitet. (Fabian Jacobi [AfD]: Dann machen wir es Aber seien Sie doch ehrlich zu sich selbst und zu uns: doch gemeinsam besser, Herr Kollege! Statt Es geht Ihnen doch gar nicht um die Stärkung der inneren sich immer zu verweigern!) Sicherheit, – Bleiben Sie ganz ruhig. (Widerspruch bei der AfD – Fabian Jacobi [AfD]: Genau! Es geht uns um Erdbeereis!) (Dr. Roland Hartwig [AfD]: Wenn Sie so einen Unsinn erzählen, kann man nicht ruhig blei- sondern nur um Klamauk. An einem solchen Tag, an dem ben!) wir der Opfer gedenken wollen, Sie wollen zum Beispiel das Trennungsgebot betref- (Zuruf von der AfD: Sie haben diese Tat doch fend Nachrichten- und Polizeidienste vollkommen über erst möglich gemacht!) Bord werfen, ohne Änderung der Verfassung. Denn einen gehört es sich, sensibler damit umzugehen. Es reicht, entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung der Verfas- meine Damen und Herren. Die Bürger haben verstanden. sung habe ich bei Ihnen nicht gesehen. Wie soll das in unserem Rechtsstaat gehen? Aber vielleicht lassen Sie (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Es reicht, Herr sich zu Weihnachten mal ein Grundgesetz schenken. Wendt!) 17150 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Marian Wendt (A) Die AfD entzaubert sich nach und nach, und wir werden eine schlichte Datei ersetzen. Das ist ein Rückschritt und (C) nicht müde, das den Bürgerinnen und Bürgern von hier kein Fortschritt, meine Damen und Herren. aus immer wieder vor Augen zu führen, besonders an Gedenktagen wie heute. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS- (Fabian Jacobi [AfD]: Wir werden sehen, wer SES 90/DIE GRÜNEN) Ihnen das noch glaubt!) Das Trennungsgebot betreffend Polizei und Nachrich- Und ich sage noch einmal: Sie sind die eigentliche Gefahr tendienste spielt bei Ihnen auch keine Rolle; aber diese für die innere Sicherheit. Art von verfassungsrechtlicher Agnostik sind wir bei Ihnen schon fast gewohnt. Vielen Dank. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP, der (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS- neten der SPD, der FDP und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) SES 90/DIE GRÜNEN) Die Frage der Änderung des § 129a Strafgesetzbuch: Die Gesetzesbegründung bei Ihnen lautet – Zitat –: Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: Der Kollege Dr. Jürgen Martens hat das Wort für die Das derzeit geltende Verbot des Werbens nach Ab- FDP-Fraktion. satz 5 erlaubt das Werben für Vereinigungen zum Zwecke der Androhung. (Beifall bei der FDP – Fabian Jacobi [AfD]: Nicht mal zu ordentlicher Polemik reicht es Ich sehe: Auch Sie kommen hinter den Sinn dieses Satzes mehr!) nicht.

Dr. Jürgen Martens (FDP): (Heiterkeit bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her- DIE GRÜNEN) ren! Ja, ich muss dem Kollegen Wendt zustimmen: Dieser Gedenktag eignet sich eigentlich nicht für politischen Da guckt man in leere Augen. Krawall, (Heiterkeit bei der FDP, der CDU/CSU, der (Fabian Jacobi [AfD]: Dann machen Sie doch SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ einfach keinen!) DIE GRÜNEN) (B) schon gar nicht in dieser Jahreszeit. Und dann heißt es, Sie hätten hier eine Strafbarkeitslücke (D) entdeckt. Hier entdecke ich allenfalls eine Sinnlücke. (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das ist natür- lich wirklich ein gutes Argument!) (Heiterkeit bei der FDP sowie bei Abgeordne- ten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und Wir sollten der Opfer im Stillen gedenken und sie unserer des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Solidarität versichern Strafrechtsdogmatisch führen Sie dann aus: (Fabian Jacobi [AfD]: Wir sollten was zur Vermeidung zukünftiger Opfer tun!) Ob eine Unterstützungsleistung erfolgreich ist oder nicht, hängt meist nur vom Zufall ab … . Folglich ist und sie nicht politisch instrumentalisieren. Das ist gerade die aufgezeigte Sicherheitslücke durch die Einfüh- jetzt an einem solchen Tag, wie ich finde, schäbig. rung der … Versuchsstrafbarkeit zu schließen. Das, was Sie hier vorschlagen, um Rechtsextremismus Das heißt, nach Ihrem Vorschlag soll Strafbarkeit eintre- oder auch Terrorismus zu bekämpfen, ist bei genauerem ten, auch wenn es gar nicht zu einem Taterfolg kommt. So Hinsehen untauglich. habe ich das verstanden, gell? – Ja, es kommt gar nicht auf Das Gesetz über die Schaffung einer Extremismus-Da- den Erfolg an. Welch tiefes Unverständnis eines reinen tei nimmt sich nur das Gesetz über die Rechtsextremis- Unternehmensdeliktes wie in § 129a offenbart sich hier! mus-Datei vor, und in 31 Änderungsbefehlen wird das Selbstverständlich ist das, was Sie hier inkriminieren Wort „rechtsextremistisch“ durch „extremistisch“ ersetzt. wollen, längst strafbar. Das ist keine große Leistung. (Dr. Eva Högl [SPD]: Ja, genau!) (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- § 129a Absatz 5 Satz 1, zusammengezogen und jetzt auch NEN]: Nein! – Fabian Jacobi [AfD]: Dann für Sie verständlich, lautet: könnten das ja auch Sie, wenn das keine große Leistung ist! Dann machen Sie es doch selber!) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird … mit Freiheitsstrafe Vor allen Dingen steckt dahinter keine besondere geistige von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, … mit Frei- Durchdringung des Stoffes; denn für den islamistischen heitsstrafe bis zu fünf Jahren … bestraft. Terrorismus haben wir eine Extraeinrichtung: das Ge- meinsame Terrorismusabwehrzentrum, in dem 40 Sicher- Das ist schon strafbar; da brauchen wir keine Versuchs- heitsbehörden zusammenarbeiten. Spezialisierter geht es strafbarkeit. Deswegen auch hier mein Rat – es ist vorhin ja wohl kaum noch. Aber das wollen Sie einfach durch schon gesagt worden –: Der Blick ins Gesetz erleichtert Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17151

Dr. Jürgen Martens (A) nicht nur die Rechtsfindung, sondern vielleicht sogar (Stephan Brandner [AfD]: Waren Sie schon (C) manchmal den Weg zu den richtigen politischen Ent- mal in Leipzig-Connewitz?) scheidungen. Zum anderen geht es Ihnen bei der Erweiterung der Aber gleichwohl wünsche ich uns allen hier eine be- Rechtsextremismus-Datei auch um die Erfassung isla- sinnliche und vor allen Dingen erkenntnisbringende mistischer Terroristen; das haben Sie eben dargestellt. Weihnachtszeit. Für die Speicherung von Daten islamistischer Terroristen ist aber bereits vor 15 Jahren die Antiterrordatei, die ATD, (Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der CDU/ eingerichtet worden. CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE (Stephan Brandner [AfD]: Und was nützt es?) GRÜNEN) Das heißt, wir haben für den islamistischen Extremismus schon eine Verbunddatei der Sicherheitsbehörden und Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: brauchen deshalb nicht noch eine. Wir haben auch für Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Uli den Rechtsextremismus eine Verbunddatei. Für Ihr Be- Grötsch. gehren gibt es also tatsächlich keinen Bedarf. Ich will Ihnen aber noch einen Grund nennen: Der (Beifall bei der SPD) Informationsgehalt dieser Verbunddateien ist im Nach- gang des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom April Uli Grötsch (SPD): 2013 und der notwendigen Anpassungen nicht besonders Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und hoch. Das bestätigen uns auch die Behörden, die dieses Kollegen! Herr Dr. Martens, eigentlich ist Ihren Worten Instrument mehr oder weniger nutzen. Inzwischen haben nichts hinzuzufügen. wir ganz andere Kommunikationsplattformen. Wir sind (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der heute schon öfter auf das Gemeinsame Terrorismusab- CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des wehrzentrum eingegangen. Gestern erst hat der nieder- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sächsische Ministerpräsident Pistorius bestätigt, Eigentlich könnte man die Debatte an dieser Stelle be- (Stephan Brandner [AfD]: Ministerpräsident ist enden, weil Sie alles, was in diesem Punkt wichtig ist, der jetzt neuerdings? Ich dachte, der heißt Weil! ganz vorzüglich dargestellt haben. Ich will aber einen Pistorius ist Ministerpräsident? Seit wann das Punkt, den Sie eben erwähnt haben, noch mal wiederho- denn? Habe ich was verpasst?) len. Sie erlauben mir, dass ich diesem trotzdem noch ein wie sehr sich das GTAZ in seiner Arbeit alles in allem (B) (D) paar Punkte anfüge. bewährt hat. Sie von der AfD wollen an sage und schreibe 31 Stellen Dem Linksextremismus – und das wird Sie bestimmt das Wort „Rechtsextremismus“ einfach durch „Extremis- zufriedenstellen – widmet der Verfassungsschutzbericht mus“ ersetzen. Dahinter steckt aber auch die Relativie- ohnehin schon mehr als 60 Seiten. Da steht sogar mehr rung des Rechtsextremismus und seiner Gefahren in drin als zum Bereich Rechtsextremismus. Also ergötzen Deutschland, die Sie erneut und vorsätzlich begehen. Sie sich daran, wenn Sie gerne möchten. Das ist beschämend. Ich denke, wir haben Ihnen mit un- serem Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus ge- Schade, dass es gegen Ihre ideologische Verblendung zeigt, was wir davon halten. kein Medikament gibt. Vielleicht würden Ihnen ein paar Fakten helfen. Daran, diese vorzutragen, hindert mich Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf – das wird Sie wenig aber das Ende meiner Redezeit. überraschen – ab, und ich will Ihnen auch gerne sagen, warum. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf zum einen aus (Stephan Brandner [AfD]: Daran hindert Sie demselben Grund ab, aus dem es kein Hinweistelefon für Ihre Faktenarmut! Nennen Sie doch ein Fak- den Linksextremismus beim Bundesamt für Verfassungs- tum! Eins würde reichen! Nur eins!) schutz gibt. – Ich habe Ihnen schon oft genug vorgetragen, wie es sich mit den Daten und Fakten im Bereich Rechtsextremismus (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- verhält. Dazu aber im neuen Jahr mehr. NEN]: Da hat keiner angerufen!) Ich wünsche Ihnen ein besinnliches, ein Besinnung Es gibt schlichtweg keinen Bedarf. bringendes Weihnachtsfest und uns allen einen guten (Corinna Miazga [AfD]: Was? Keinen Be- Rutsch ins neue Jahr. darf? – Weitere Zurufe von der AfD) Vielen Dank. Die vorhandenen Ressourcen in den Sicherheitsbehörden (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten müssen bedarfsgerecht eingesetzt werden. Das hat Ihnen der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungs- SES 90/DIE GRÜNEN) schutz im Innenausschuss letzte Woche erklärt. Also ak- zeptieren Sie endlich, dass diejenigen, die für die Sicher- heit in diesem Land verantwortlich sind, sich um die Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: wirklichen Gefahren zuerst kümmern müssen und keine Für die Fraktion Die Linke hat das Wort der Kollege Zeit für Ihre immer wieder gleichen Reflexe haben. Friedrich Straetmanns. 17152 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich (A) (Beifall bei der LINKEN) herkommenden Begriff spiegelt sich Ihre Ideologie, und (C) das macht es so folgerichtig, dass Sie Herrn Maaßen im- Friedrich Straetmanns (DIE LINKE): mer wieder als Kronzeugen heranziehen: Deutsch ist, wer Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- seit Generationen hier lebt. Wer auf anderem Wege deut- nen und Kollegen! Es ist schon bezeichnend, dass die scher Staatsbürger geworden ist, der kann maximal „no- AfD sich in der Einleitung des ersten hier vorliegenden minell deutsch“ werden, aber niemals so richtig hierher- Gesetzentwurfes auf den Verfassungsschutzbericht des gehören. Dieses Denken in Gesetze zu gießen, ist falsch, vorvergangenen Jahres bezieht und nicht auf die aktuellen und wir werden stets dort, wo es uns als Linke möglich ist, Zahlen, die schon über ein halbes Jahr verfügbar sind. dagegen angehen. Aber klar, die aktuellen Zahlen hätten nicht die Tendenz belegt, die Sie mit Ihrem Antrag unterstellen wollen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Stephan Brandner [AfD]: Sie sind ja ein ganz Schlauer!) Der § 129a Strafgesetzbuch ist schon in seiner aktuel- len Fassung hochproblematisch, weil er nicht präzise ge- Dieses Jahr erlebten wir mit dem antisemitischen An- nug gefasst ist und damit den Bestimmtheitsgrundsatz aus schlag von Halle und dem Mord an Walter Lübcke zwei meiner Sicht verletzt. Das sieht übrigens nicht nur unsere besonders prominente Fälle rechtsextremer Gewalttaten. Fraktion so, (Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!) (Stephan Brandner [AfD]: Sie sind wohl Ter- Die öffentliche Debatte wurde dadurch nachhaltig ge- roristenfreund!) prägt. Letztlich kamen sogar der Verfassungsschutz und sondern das sieht auch der Bundesgerichtshof. Sie planen das Innenministerium um Horst Seehofer dazu, den nun die Strafbarkeit des Versuchs der Vorbereitung der Rechtsextremismus – endlich! – als dringlichstes Sicher- Vorbereitung einer Straftat. Das ist Gesinnungsstrafrecht, heitsproblem in Deutschland klipp und klar zu benennen. eindeutig verfassungswidrig und, nebenbei bemerkt, sehr (Beifall bei der LINKEN) mutig für eine Fraktion, in deren Umfeld schon mal Mu- nition, Leichensäcke und Löschkalk gefunden werden. Ausgerechnet zum Ende dieses Jahres kommen Sie nun mit einem Gesetzentwurf um die Ecke, der sich endlich (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. mal den Linksextremismus vorknöpfen soll. Gegenüber Dagmar Ziegler [SPD]) den Angehörigen der Opfer, derer wir heute gedacht ha- ben, ist das der blanke Hohn. Aber um Opfer geht es Ich wünsche uns dennoch allen das viel beschworene besinnliche Weihnachtsfest und einen besinnlichen Jah- (B) Ihnen ja nie, zumindest nicht über deren Instrumentalisie- (D) rung hinaus. resausgang, und Ihnen von der AfD wünsche ich, dass Sie zur Besinnung kommen. Mit dem zweiten vorliegenden Gesetzentwurf wollen Sie mal wieder eine nicht unwesentliche Lehre aus dem Danke. Nationalsozialismus vergessen machen. Damals hat man zahllose Jüdinnen und Juden ausgebürgert, um an deren (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Besitz zu kommen. Dr. Jürgen Martens [FDP])

(Fabian Jacobi [AfD]: Wo wir schon über Miss- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: brauch reden! – Stephan Brandner [AfD]: Sie Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin instrumentalisieren auf unerträgliche Weise!) Canan Bayram. Diese Möglichkeit wurde zu Recht mit dem Grundgesetz ausgeschlossen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Canan Bayram (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): neten der SPD und der FDP) Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Dass die aktuelle Bundesregierung Mitte dieses Jahres Kollegen! Wir verhandeln hier drei Anträge der AfD- hinter diese Erkenntnis zurückfiel, haben wir damals kri- Fraktion. tisiert, und das tun wir auch heute. Dass Sie es nun auf den Stand von vor 1949 zurückdrehen wollen, verwundert (Stephan Brandner [AfD]: Wir verhandeln gar mich persönlich nicht. nichts! Wir debattieren, Frau Bayram! Das heißt „Debatte“! Nicht „Verhandlung“!) (Beifall bei der LINKEN) – Wir hatten mal einen Rechtsausschussvorsitzenden, der Da schließt sich auch der Kreis zum von Ihnen in der nicht weiß, wie er seinen Frust anders ablassen soll, als Begründung herangezogenen Hans-Georg Maaßen. Die- hier dazwischenzukrakeelen. ser hat schon vor knapp zehn Jahren in einem Artikel die Aberkennung der Staatsbürgerschaft in der Terrorismus- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bekämpfung gefordert. bei der SPD und der LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Das war einmal!) Interessant ist da besonders ein Terminus, den er in diesem Kontext verwendet, nämlich der des „nominell Ehrlich gesagt, fällt mir dazu nur ein: Es ist so schön, dass deutschen Staatsangehörigen“. In diesem technisch da- Sie nicht mehr den Rechtsausschuss leiten. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17153

Canan Bayram (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten Sie doch einfach aus der AfD-Fraktion aus. Da (C) und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten können Sie schon mal Ihren Beitrag dazu leisten, dass der CDU/CSU und der SPD – Stephan der Rechtsextremismus und der -terrorismus bekämpft Brandner [AfD]: Sie werden das nie erreichen, werden. Frau Bayram! Da habe ich Ihnen was voraus! Wer will schon jemanden wie Sie!) (Stephan Brandner [AfD]: Sie meinen den ba- yerischen Innenminister?) Wir verhandeln hier drei Anträge der AfD-Fraktion. Der eine beschäftigt sich mit der Staatsbürgerschaft. Es Sie haben es in der Hand und können Ihren Beitrag dazu wurde hier schon festgestellt, dass dieser Antrag weder leisten. An so einem Tag das ernste Thema „Terrorismus, inhaltlich tragbar noch nötig ist. Extremismus“ so zu instrumentalisieren, ist nicht nur be- schämend, sondern erbärmlich. (Stephan Brandner [AfD]: Sie haben ihn doch gar nicht verstanden, Frau Bayram! Geben Sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN es doch zu!) und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Konstantin Kuhle Insoweit kann ich auf jeden Fall hier für unsere Fraktion [FDP] – Stephan Brandner [AfD]: Selten so ebenso feststellen, dass wir diesen Antrag ablehnen, einen Mist gehört!) (Stephan Brandner [AfD]: Ist ja ein Ding!) weil er in vielfacher Hinsicht nicht nur falsch ist, sondern Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: auch den tief sitzenden Rassismus der AfD-Fraktion wi- Für die CDU/CSU hat als Nächstes das Wort der Kol- derspiegelt, gegen den wir uns in jeder Form, in der er uns lege Michael Kuffer. begegnet, das heißt auch hier im Deutschen Bundestag, (Beifall bei der CDU/CSU) wehren, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Michael Kuffer (CDU/CSU): und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Dass Sie, der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Auf sehr Kollege Brandner, mich zwingen, mal die Kollegin elegante Art und Weise!) Bayram zu verteidigen, ist wirklich allerhand. Dann ist es so, dass die AfD-Fraktion einen Antrag (Stephan Brandner [AfD]: Das machen Sie eingebracht hat, in dem sie sagt, dass sie den § 129a StGB immer gerne! Geben Sie es zu!) ändern will. Es wurde von verschiedenen Kollegen schon (B) vorgetragen, dass der gar nicht geändert werden muss, Sie lümmeln sich hier in Ihrem Stuhl und krakeelen hier (D) jedenfalls nicht in dem Sinne, wie die AfD das hier vor- rein: Es heißt nicht „verhandeln“. schlägt; denn das, worauf Ihre Änderung zielt, ist darin (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Stephan bereits geregelt. Brandner [AfD]: Heißt es ja auch nicht!) (Stephan Brandner [AfD]: Geben Sie es doch Lesen Sie doch einfach mal, nur ein paar Minuten, im zu! Sie wollen ihn ganz abschaffen! Ihre Freun- Grundgesetz nach. de!) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Insoweit kommen wir zu dem dritten Antrag, der hier SES 90/DIE GRÜNEN) verhandelt wird. In dem dritten Antrag geht es eben da- rum, dass die Rechtsextremismus-Datei, wie es hier auch Artikel 42 Absatz 1 Grundgesetz: „Der Deutsche Bundes- angezeigt wird, verändert werden soll, und zwar ge- tag verhandelt öffentlich.“ schwächt werden soll in Bezug auf die Verfolgung und (Stephan Brandner [AfD]: Nein! Unglaublich!) die Bekämpfung des Rechtsextremismus. Da fragt man sich: Warum bringt die AfD eigentlich so einen Antrag Keine Ahnung, aber davon jede Menge. hier ein, mit dem sie bekämpfen will, dass der Staat den (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Rechtsextremismus bekämpft? BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: ordneten der FDP und der LINKEN) Hört! Hört! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/ Da haben Sie uns wirklich kurz vor Torschluss noch DIE GRÜNEN]: Komisch, nicht? – Stephan einmal ein buntes Durcheinander von Gesetzentwürfen Brandner [AfD]: Das war ein sehr komplizier- vorgelegt. Da war anscheinend bei Ihnen die Mottenkiste ter Satz! Können Sie den noch mal wiederho- so übervoll, len?) Da kann ich den Abgeordneten der AfD nur empfehlen: (Konstantin Kuhle [FDP]: Rudis Reste Ram- Machen Sie es doch wie der Herr Herrmann: Wenn Sie pe!) den Rechtsextremismus bekämpfen wollen, und alles, was zum Jahreswechsel abgelaufen wäre, musste einfach noch schnell raus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Wer ist SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- denn Herr Herrmann?) NEN) 17154 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Michael Kuffer (A) Ohne Sinn, ohne Rechtskenntnis alles über den Haufen dass Terroristen und Gewalttäter ins Bundesgebiet zurüc- (C) geräumt, was unseren Rechtsstaat in seinen Grundsätzen kreisen und zur Gefahr für die hier lebenden Menschen ausmacht. Egal ob Bestimmtheitsgebot, ob Rückwir- werden können. kungsverbot, ob die Rechtsprechung des Bundesverfas- sungsgerichts, die AfD ignoriert es. Spielt für Sie einfach (Stephan Brandner [AfD]: Wer es glaubt, wird keine Rolle. selig!) Fangen wir an mit Ihrem Gesetzentwurf zur Änderung Und dass die Fragen im Falle terroristischer Auslands- des Strafgesetzbuchs. kämpfer etwas diffiziler sind, es hierbei vor allem auch um die Frage des Rückwirkungsverbots geht und sich die (Stephan Brandner [AfD]: Herr Kuffer! Keine Dinge, auch wenn man sie gern mit einem Fingerstreich Ahnung! Und davon ganz viel!) ändern würde, halt nicht so simpel in Einklang bringen Sie fordern Änderungen hinsichtlich der Strafbarkeit von lassen, ist Ihnen selbstverständlich auch egal. Es nutzt Terrorwerbung, die weder nötig noch in der Praxis ir- Ihnen ja auch politisch nicht, wenn Sie in der Sache sau- gendwie relevant sind. Kann man so machen, bringt halt ber arbeiten würden. nur nix. Herr Brandner, Sie werden es jetzt auch durch Aber eines möchte ich Ihnen zum Abschluss noch sa- Weiterkrakeelen nicht mehr retten. gen. (Stephan Brandner [AfD]: Der Einzige, der (Dr. Alexander Gauland [AfD]: Aber bitte nicht krakeelt, sind Sie da vorne!) „Frohe Weihnachten“!) Sie brauchen sich da jetzt auch nicht mehr zu rechtfer- tigen. Dafür ist es einfach zu spät. Was Sie vermutlich Wissen Sie, dass man Dinge vorschlägt, die nicht dem meinen – so genau sagen Sie das in Ihrem Antrag ja entsprechen, was die andere Seite des Hauses meint, dass nicht –, wurde bereits durch den Gesetzgeber erledigt, man sich darüber auseinandersetzt, dass wir Vorschläge, beispielsweise durch die Verschärfung des Verbots der die die Opposition macht, nicht nachvollziehen können, finanziellen Unterstützung terroristischer Vereinigungen. das ist alles normal. Aber dass Sie den Deutschen Bun- Der Rest ergibt sich wiederum aus der Rechtsprechung destag nur noch als Kulisse für Ihre Facebook- und Ihre des BGH. Dadurch wurde nämlich die Strafbarkeit des YouTube-Sparifankerl nutzen, Werbens und des Unterstützens von terroristischen Ver- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LIN- einigungen im Sinne von § 129a StGB bereits erheblich KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- ausgeweitet und vorverlegt. Danach muss mittlerweile NEN) kein messbarer Nutzen für die terroristische Vereinigung (B) mehr nachgewiesen werden, um eine Strafbarkeit zu be- das, sage ich Ihnen ganz ehrlich, (D) gründen. Es gibt also keine relevanten Anwendungsfälle in der Praxis. Punkt! (Stephan Brandner [AfD]: Sie sind ja nur nei- disch, Herr Kuffer! Sie sind doch nur neidisch! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Geben Sie es doch zu!) SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN) halte ich neben allem anderen – nach einer langen Liste, die Sie jeden Tag hier aufführen – schlicht für unparla- Nächster Gesetzentwurf, gleiches Spiel. Diesmal ha- mentarisch. ben Sie sich das Staatsangehörigkeitsrecht ausgesucht. Dumm ist nur, dass wir gerade erst im Sommer mit den (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, Stimmen der Koalition die Änderung des Staatsangehö- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE rigkeitsgesetzes auf den Weg gebracht haben GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Sie er- reichen doch da gar nichts! Jetzt loben Sie am (Stephan Brandner [AfD]: Das ist wirklich besten noch mal Frau Bayram!) dumm! Ganz dumm! Gut, dass Sie das einse- hen!) Und deshalb bitte ich Sie zum Abschluss einfach: Ge- hen Sie über die Feiertage mal in sich. Fassen Sie viel- und damit eine weitreichende Verschärfung für terroristi- leicht einen sinnvollen Neujahrsvorsatz, und überraschen sche Auslandskämpfer erreicht haben. Kaum ist die Tinte Sie uns im neuen Jahr einfach mal mit einer nachvollzieh- trocken, das Gesetz beschlossen und dem Problem be- baren Sacharbeit. gegnet, kommen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf aus der Mottenkiste und spielen sich zum Problemlöser auf. Gu- Danke. ten Morgen! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und neten der SPD und der FDP – Dr. Alexander der SPD) Gauland [AfD]: Ehe ich das tue, trete ich aus!) Als Koalition haben wir mit der Einführung eines zu- sätzlichen Verlusttatbestandes für terroristische Aus- Vizepräsident Dr. Hans-Peter Friedrich: landskämpfer nämlich dafür gesorgt, dass Doppelstaatler, Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist die sich an Kampfhandlungen terroristischer Vereinigun- der Kollege Helge Lindh für die SPD-Fraktion. gen im Ausland beteiligen, künftig ihre deutsche Staats- angehörigkeit verlieren. Wir verhindern damit effektiv, (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17155

(A) Helge Lindh (SPD): Vereinigungen im Inland vielleicht einer, der ziemlich (C) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr genau von Ihnen selbst spricht. Dr. Martens, Sie haben die Kategorie des verfassungs- rechtlichen Agnostizismus eingeführt, die ich wunderbar (Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD] – finde. Ich vereinfache sie jetzt noch mal. Stephan Brandner [AfD]: So redet ein Sozial- faschist!) (Stephan Brandner [AfD], an den Abg. Nur um das zu sagen: Herr Brandner hat gerade gesagt, Dr. Jürgen Martens [FDP] gewandt: Mal schön ich sei ein Sozialfaschist. Cicero gelesen, Herr Martens!) (Beifall bei der SPD – Stephan Brandner Ich würde sagen: Es ist auch der Tatbestand der Grund- [AfD]: Nein, ich habe gesagt: „So redet ein gesetzabstinenz erfüllt, in Tateinheit mit völkischer Be- Sozialfaschist!“!) soffenheit. Wenn Sie mich Sozialfaschist nennen, dann ist das das (Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU/ größte Lob, das möglich ist. Ich verbinde diese Formu- CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜND- lierung von Ihnen, der Sie nicht nur für Ihr bräsiges Da- NIS 90/DIE GRÜNEN) sitzen bekannt sind, sondern auch für Ihre frauenfeind- lichen Bemerkungen und alles andere, mit der Forderung Wenn nun nachweislich Grundgesetzabstinenz mit na- an alle Mitglieder, vor allem weibliche Mitglieder, dieses tionalvölkischer Besoffenheit gepaart sind, ist das Ergeb- Parlamentes, dass wir gemeinsam eine Initiative gründen nis eine vertiefte Form von Schläfrigkeit, die Herr Reusch zur Entbrandnerisierung des politischen Diskurses. ja auch bei seinem äußerst unambitionierten, trancearti- gen, von Ahnungslosigkeit durchdrungenen Vortrag aufs (Beifall bei der SPD) Beste präsentiert hat. Sie haben sich wirklich alle Mühe gegeben, den Eindruck zu erwecken, den eigenen Gesetz- Das wäre ein wesentlicher Beitrag zur Zivilisierung die- entwurf zum Thema Staatsangehörigkeit weder gelesen ses Parlamentes. noch verstanden zu haben. Dafür mein Respekt. (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Ich fasse also zusammen: Die AfD hat wieder einmal SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und des auf beispielhafte Weise einen Gesetzentwurf gegen sich BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) selbst gerichtet. Machen Sie das konsequent! Sorgen Sie für Deradikalisierung, Entkriminalisierung und Entextre- Des Weiteren ist von Schläfrigkeit auch deswegen misierung der eigenen Reihen! Fangen Sie mit Herrn zwingend die Rede, da Sie offensichtlich den ganzen Juni (B) Brandner an, und dann können wir wieder miteinander (D) verschlafen haben. Im Juni haben wir bereits eine Novel- sprechen! lierung hinsichtlich des Verlustes der Staatsangehörigkeit in Bezug auf IS-Kämpferinnen und -Kämpfer eingeführt, Vielen Dank. übrigens heiß diskutiert, mit viel Streit. Alles, was Sie darüber hinaus vorschlagen, erfolgt, wie gesagt, in Kennt- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LIN- nis der Unkenntnis des Grundgesetzes. Es geht sinnlos KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darüber hinaus. Es ignoriert wesentliche Rechtsgrundsät- sowie bei Abgeordneten der FDP) ze, und es führt Kategorien ein wie reine Mitgliedschaft oder Gründung, es wird gar nicht auf Kampfhandlungen Vizepräsident Thomas Oppermann: Bezug genommen. Es kommt etwas Weiteres hinzu – da Kollege Brandner, für die Äußerung „So redet ein So- wird es interessant –: Es geht um die Gründung bzw. zialfaschist!“ erteile ich Ihnen eine Rüge. Das ist nicht der Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen im Aus- Umgang miteinander. land und Inland. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Auf den zweiten Blick gewann ich eine ganz neue Per- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Fabian Jacobi spektive auf diesen Antrag; [AfD]: Wenn Sie das mal konsequent so hand- haben würden!) (Stephan Brandner [AfD]: Wann wird es denn interessant? Jetzt?) Wir haben keine weiteren Wortmeldungen. Deshalb schließe ich die Aussprache. denn Sie haben im Parlament eine ganz neue, weitere Kategorie eingeführt, nämlich die Kategorie der selbst- Wir kommen zur Überweisung. Interfraktionell wird bezogenen Gesetze und Anträge. Wenn man dann über- Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 19/ legt, wie sich die AfD gegenwärtig 16052 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus- schüsse vorgeschlagen. – Weitere Überweisungsvor- (Stephan Brandner [AfD]: Wie entwickelt sich schläge sehe ich nicht. Dann verfahren wir wie vorge- denn die SPD, Herr Lindh?) schlagen. mit dem jetzt offiziell rechtsextrem zu nennenden Flügel Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetz- und mit der rechtsextrem zu nennenden JA kontinuierlich entwurf der Fraktion der AfD zur Änderung des Strafge- entwickelt, dann prägen Sie geradezu eine Willkommens- setzbuches. Der Ausschuss für Recht und Verbraucher- kultur für Sympathisanten terroristischer Vereinigungen. schutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Deshalb ist dieser Paragraf bezogen auf terroristische Drucksache 19/11239, den Gesetzentwurf der Fraktion 17156 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) der AfD auf Drucksache 19/9234 abzulehnen. Ich bitte Carsten Träger (SPD): (C) diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, Vielen Dank, Herr Präsident. – Kolleginnen und Kol- um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der AfD. legen! Die SPD begrüßt die Rückkehr des Wolfes in seine Wer stimmt dagegen? – Das sind alle anderen Fraktionen. deutsche Heimat. Wir setzen alles daran, das Zusammen- Enthaltungen? – Sehe ich nicht. Damit ist der Gesetzent- leben von Mensch, Nutztieren und Wolf vernünftig und wurf in zweiter Beratung abgelehnt, und es entfällt nach konfliktfrei zu regeln. Die Debatten der letzten Tage, Wo- unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. chen und Monate haben gezeigt, wie sensibel das Thema ist, wie aufgeheizt diese Debatte ist und mit welchen Zusatzpunkt 11. Abstimmung über den Gesetzentwurf Unterstellungen und Verdrehungen der Wahrheit hier teil- der Fraktion der AfD zum Verlust der deutschen Staats- weise gearbeitet wird, um das Märchen vom bösen Wolf bürgerschaft bei Eintritt in eine terroristische Organisa- zu erzählen. tion. Der Ausschuss für Inneres und Heimat empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/16144, (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD auf Drucksa- Umso dankbarer bin ich, dass heute die Vernunft die che 19/11127 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Oberhand behält und wir einen guten Gesetzentwurf ver- Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – abschieden werden. Klar ist: Die Sicherheit des Men- Das ist die Fraktion der AfD. Wer stimmt dagegen? – Das schen hat oberste Priorität. Auch wenn wir seit der Rück- sind wiederum alle übrigen Fraktionen des Hauses. Ent- kehr des Wolfes um die Jahrtausendwende keine Vorfälle haltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Be- feststellen mussten, in denen Wölfe Menschen angegrif- ratung gegen die Stimmen der AfD mit der Mehrheit des fen haben, so ist es trotzdem oberstes Gebot, dass es auch Hauses abgelehnt, und es entfällt auch in diesem Fall nach weiterhin der Fall ist und bleibt. unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Klaus- Ich rufe die Zusatzpunkte 12 und 13 auf: Peter Schulze [CDU/CSU]) ZP 12 Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- Ich sage ganz klar: Wo Probleme entstehen, ist es schon regierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten heute möglich und auch die Pflicht, sogenannte Problem- Gesetzes zur Änderung des Bundesnatur- wölfe als Ultima Ratio zu töten. Wir schärfen heute mit schutzgesetzes der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes die Kriterien nach. Wir sorgen für Klarheit beim Schutzstatus. Wir Drucksachen 19/10899, 19/13289 sorgen aber auch für Klarheit bei den Ausnahmen von diesem Schutzstatus und damit für mehr Sicherheit, Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- (B) schnellere Verfahren, und das ist gut so, liebe Kollegin- (D) schusses für Umwelt, Naturschutz und nukle- nen und Kollegen. are Sicherheit (16. Ausschuss) (Beifall bei der SPD) Drucksache 19/16148 Für uns war es in den parlamentarischen Verhandlun- ZP 13 Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord- gen sehr wichtig, dass diese Klarstellungen tatsächlich neten Karlheinz Busen, Frank Sitta, Nicole Bauer, nur und ausschließlich den Wolf betreffen. In der Anhö- weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP rung des Umweltausschusses haben die tatsächlich sach- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum kundigen Sachverständigen unisono gesagt, dass der Re- Wolfsmanagement gierungsentwurf ein reales Risiko barg, dass auch andere Arten wie die Wildkatze, der Luchs oder der Fischotter Drucksache 19/10792 hätten betroffen sein können von einer allgemeinen Sen- Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- kung des Schutzstatus. Ich bin sehr froh und dankbar, dass ses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Aus- es uns gelungen ist, diese Regelung zu verhindern. schuss) (Beifall bei der SPD) Drucksache 19/16147 Dies war auch die große Sorge der Umwelt- und Natur- schutzverbände, mit denen wir eng zusammengearbeitet Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein Ent- haben. Dies war auch das Thema von vielen, vielen Zu- schließungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Ich weise schriften von Bürgerinnen und Bürgern, die wir erhalten darauf hin, dass wir später über beide Gesetzentwürfe und haben. Deswegen möchte ich hier ausnahmsweise einmal über den Entschließungsantrag namentlich abstimmen uns Parlamentarier selbst loben. Ich bedanke mich auch werden. bei der Union, dem Koalitionspartner, namentlich beim Berichterstatterkollegen Klaus-Peter Schulze. Wir haben Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- den Regierungsentwurf an dieser Stelle klar verbessert. schlossen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort als der CDU/CSU) erstem Redner für die Fraktion der SPD dem Kollegen Carsten Träger. Wichtig war uns in den Verhandlungen ein weiteres Anliegen. Es ist gelungen, dass der Schutz der Fortpflan- (Beifall bei der SPD) zungs- und Ruhestätten – so heißt es im Amtsdeutsch –, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17157

Carsten Träger (A) umgangssprachlich: der Wolfshöhlen, bestehen bleibt. Es Ausgangslage. Damit können wir dieses Kapitel für die- (C) bleibt verboten, diese Höhlen zu zerstören. Ein Erfolg der ses Jahrzehnt schließen. Ich bitte um Ihre Zustimmung – SPD. für die Vernunft, gegen den Populismus. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein Wort zu der Regelung, dass mit der Novelle des Naturschutzgesetzes das Töten von mehreren Tieren bis hin zum Töten eines Vizepräsident Thomas Oppermann: ganzen Rudels möglich ist. Ich stelle klar und ich betone: Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion Es wird kein unkontrolliertes Rudelschießen geben. der AfD der Kollege Karsten Hilse. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der AfD) So steht es im Gesetz!) Auch weiterhin werden einzelne Schützen als Ultima Ra- Karsten Hilse (AfD): tio nach einer sorgfältigen Einzelfallprüfung mit der Tö- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe tung eines Problemwolfs beauftragt. Wenn aus einem Ru- Landsleute! Zu falsch, zu feige, wirkungslos und das Po- del ein Wolf geschossen wird, wird danach sehr genau tenzial, in monatelangen Verfahren festzuhängen – in geschaut werden, ob es weitere Risse gibt, um festzustel- Kurzform könnte man den Gesetzentwurf der Bundesre- len, ob der Problemwolf tatsächlich identifiziert wurde. gierung so beschreiben. Erst dann – nach einer weiteren Genehmigung – ist es Der Wolf ist ein faszinierendes wildes Tier. Er ist in den statthaft, weiterzuschießen, um den Problemwolf zu er- engbesiedelten Gebieten Europas genauso Teil ökologi- legen. Es wird also kein unkontrolliertes Rudelschießen scher Gleichgewichte wie lebensgefährliche Störgröße in geben. den von Menschen geschaffenen Kulturlandschaften. Für (Beifall bei der SPD) die einen ist er unentbehrlicher Bestandteil unserer Natur und Kultur, für manche gar heilig, andere sehen in ihm ein Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns Sozialdemo- Raubtier, das auch vor Menschen und deren Nutztieren kraten ist der Schlüssel für ein konfliktfreies Zusammen- keinen Halt macht. leben von Mensch, Nutztieren und Wolf ein wirksamer Herdenschutz. Deswegen muss man diese Novelle des Wir befinden uns im Interessenkonflikt Mensch/Wolf, Bundesnaturschutzgesetzes im Zusammenhang mit den im Spannungsfeld von menschlichen Siedlungen mit Haushaltsberatungen sehen, die wir im Herbst dieses Jah- Weidetieren und sicheren Kindern einerseits und hungri- (B) res durchgeführt haben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass gen Wölfen andererseits. In diesem Konflikt müssen die (D) wir sowohl das Bundesprogramm für Wanderschäfer Rechte der Menschen selbstverständlich höher als die der deutlich verlängert und besser ausgestattet haben und Wölfe gewichtet werden. Die hier lebenden Tiere gehören gleichzeitig den Ländern über die Mittel der GAK viele zum Eurasischen Wolf. Es gibt circa 100 000 Tiere. Schon Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben, um wirk- deshalb lehnen wir einen überzogenen Schutz, vor allem samen Herdenschutz bei ihnen vor Ort – da, wo es hin- die Hochstilisierung zum quasi heiligen Tier, ab. gehört, auf Länderebene – zu organisieren. Ich appelliere Das Beispiel des Wolfes steht nicht alleine in unserer an die Kolleginnen und Kollegen in den Landesregierun- immer stärker besiedelten Welt. Die Faszination gilt ge- gen, dieser Pflicht nachzukommen und ihren Teil zu ei- nauso für sehr viele andere wildlebende Arten, die sich nem besseren Herdenschutz beizutragen. unter anderem in den ungebrochen hohen Besucherzahlen (Beifall bei der SPD) in Wildreservaten und Zoos ausdrückt. Trotzdem sehen die meisten Menschen Raubtiere lieber aus sicherer Ent- Unser Weg ist, für mehr und besseren Herdenschutz zu fernung oder hinter Gittern. Das hat nichts mit der AfD, sorgen, auch dort, wo er schwierig umzusetzen ist. Des- sondern ganz einfach mit der natürlichen, lebensverlän- halb haben wir uns mit der Union darauf verständigt, dass gernden Angst vor Raubtieren zu tun. wir ein Forschungsvorhaben starten wollen, das sich dem Herdenschutz auf Almen und Deichen widmet. Ich glau- Gerade in Wildreservaten werden Probleme aufgrund be, das ist ein guter und wichtiger Schritt, damit wir auch der Konkurrenz menschlicher Siedlungsgebiete mit in Zukunft ein konfliktfreies Zusammenleben organisie- Naturlandschaften deutlich. Wo wachsende Weltbevölke- ren können. rung neue Siedlungs- und Landwirtschaftsflächen benö- tigt, da müssen Kompromisse bezüglich der Verbrei- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Vernunft ist selten tungsgebiete von Wildtieren gefunden werden. Kein sexy, Populismus ist lauter und verkauft sich besser, vor afrikanischer Bauer will seine mühsam beackerten Felder allem in den eigenen sozialen Blasen. Aber Vernunft und von Elefanten verwüsten lassen, kein deutscher Kompromiss sind das Wesen der Demokratie. Nur so Weidetierhalter pflegt seine Schafe, um sie den Wölfen kann die Demokratie funktionieren, und nur die Demo- als Lebendfutter auf die Weide zu stellen. kratie stellt den Ausgleich von Interessen sicher. Dazu bekennen wir uns heute, und dazu bekennen wir uns im- Unser Antrag vom Februar 2018 „Herdenschutz und mer wieder. Die teilweise hitzige Debatte über das hoch- Schutz der Menschen im ländlichen Raum – Wolfpopu- sensible Thema „Rückkehr des Wolfes“ ist ein Muster- lationen intelligent regulieren“ war der Versuch, einen beispiel für die Kraft der deutschen Demokratie. Wir Kompromiss zu finden. Wir haben damals die Problem- haben eine gute Lösung gefunden bei einer schwierigen lage und Situation klar dargestellt. Wir plädierten damals 17158 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Karsten Hilse (A) wie heute für den Vorrang von Menschen und Haustieren Schadschwelle von „erheblichen Schäden“ auf „ernste (C) vor dem Wolfsschutz, die Vergrämung der Wölfe aus Schäden“ abgesenkt. Es kann nicht sein, dass ein Siedlungs- und Naherholungsgebieten, eine klar definier- Weidetierhalter erst bankrott sein muss, bevor von Behör- te Obergrenze der Wolfspopulation, eine klare Festlegung denseite aus reagiert werden kann. Mit einem neuen Pas- des sogenannten günstigen Erhaltungszustands – den sus in § 45 des Bundesnaturschutzgesetzes schützen wir wollen Sie uns aber nicht nennen –, die konsequente Ver- auch die Klein- und Hobbyhalter von Weidetieren; denn einfachung der Wolfsregulierung und die Entschädigung auch diese leisten einen wertvollen Beitrag zum Arten- von Tierhaltern, schutz. Der Schaden muss jetzt auch nicht mehr einem bestimmten Einzeltier zugeordnet werden. (Beifall bei der AfD) die wissenschaftliche Feststellung des Hybridisierungsgr- Die Entnahme eines Wolfes oder auch mehrerer Wölfe ades – das haben Sie von der SPD abgelehnt – durch eines Rudels ist möglich, wenn der Abschuss in einem unabhängige Stellen sowie die transparente Darstellung engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit be- der Wolfsbestände. Sie haben den Überblick verloren. reits eingetretenen Rissereignissen steht. Diese Maßnah- Diese völlig unideologischen Vorschläge wurden aus An- men dürfen bis zum Ausbleiben der Schäden fortgeführt ti-AfD-Prinzip von allen anderen Parteien abgelehnt. werden. Das ist sehr wesentlich, weil Weidetiere oftmals Heute sind einige dieser Vorschläge, leider etwas halb- durch wiederholte Übergriffe von Wölfen auf die gleiche herzig, wieder auf der Tagesordnung. Herde betroffen sind. Nach zwei Jahren Bedenkzeit hat die CDU einen zag- Für die Entnahme sind in erster Linie die Jagdausü- haften Schritt in die richtige Richtung gemacht. Wie bei bungsberechtigten zuständig. Wenn die das selber nicht vielen anderen Themen reifte bei den CDU-Genossen die machen wollen, müssen sie die Entnahme in ihrem Revier Einsicht aber zu langsam, wie so oft in den letzten 14 Jah- allerdings trotzdem dulden. ren mit dem Merkel-Hemmschuh. Wenn es vorrangig da- Beim Verwaltungsvollzug werden die Kommunen den rum geht, die Macht zu erhalten, führt das zur Erstarrung unbestimmten Rechtsbegriff des engen räumlichen Zu- demokratischer Prozesse, zur Verhinderung praktikabler sammenhangs an ihre jeweiligen örtlichen Gegebenhei- Lösungen und, wie in diesem Fall, einfach zu zu vielen ten anpassen können. Deiche, Waldgebiete, Heide und toten Weidetieren. Gebirgslandschaften weisen verschiedene naturgegebene Der Antrag der FDP verströmt etwas mutiger den Geist Bedingungen auf. Deshalb unterscheiden sich die Terri- der Freiheit der Wissenschaft. Das ist der richtige Weg, torien der Wolfsrudel in ihrer Ausdehnung, in der Popu- wenn wir den rationalen Ausgleich zwischen den Interes- lationsdichte und auch in den Futterbedingungen. Bei der (B) sen der Menschen und den Notwendigkeiten des Erhalts praktischen Umsetzung sollte daher das Territorium des (D) der Natur erreichen wollen. Rudels für den „räumlichen Zusammenhang“ als Min- destanforderung maßgebend sein. Ein kleineres Gebiet Vielen Dank. als dieses Territorium sollte nicht als „enger räumlicher (Beifall bei der AfD) Zusammenhang“ gewertet werden. Grundsätzlich haben die kommunalen Spitzenverbän- Vizepräsident Thomas Oppermann: de die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes be- Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege grüßt und die vorliegenden Formulierungen als vollzugs- Hermann Färber für die Fraktion der CDU/CSU. sicher und praktikabel eingestuft. Infrage gestellt werden muss jedoch, ob die angedachten Herdenschutzmaßnah- (Beifall bei der CDU/CSU) men in allen Regionen umsetzbar sind, zum Beispiel bei der Deichschäferei. Es ist schon fraglich, ob man die ge- Hermann Färber (CDU/CSU): samte Nord- und Ostseeküste wolfssicher einzäunen Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da- kann. men und Herren! Die Wolfspopulation entwickelt sich in Deutschland sehr rasant. Die Bestände wachsen jährlich Praxisübliche Herdenschutzzäune sind dazu geeignet, um 35 Prozent. Im Jahr 2010 wurden 7 Rudel in Deutsch- die Weidetiere auf der Weide zu halten, aber nicht dazu, land registriert. 2019 zählt die Dokumentations- und Be- hungrige Raubtiere vom Kaliber Wolf abzuwehren. Und ratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf bereits je mehr und je besser Schafe und Ziegen eingezäunt und 105 Rudel, 25 Paare und 13 Einzeltiere. Diese rasche geschützt werden, desto stärker verlagern sich die Risse Ausbreitung führt unweigerlich zu Konflikten mit auf größere Tiere. Weidetieren und deren Haltern. Allein im letzten Jahr (Beifall des Abg. Karlheinz Busen [FDP]) wurden 639 Übergriffe durch Wölfe gemeldet, bei denen 2 067 Tiere gerissen wurden, und zwar nicht nur Schafe Der Wolf wird ja deswegen nicht zum Vegetarier. und Ziegen, sondern auch Alpakas, Rinder und Pferde. Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir den Weidetierhaltern Wenn Tierwohl und Weidetierhaltung für unsere Ge- in Deutschland wieder eine Perspektive zum Schutze ih- sellschaft immer wichtiger werden, müssen wir auch den rer Tiere bieten. Mut haben, diese Weidetiere vor Raubtieren wie dem Wolf, der in manchen Regionen wirklich eine erhebliche Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die Gefahr darstellt, zu schützen. Kommunen bei Wolfsübergriffen künftig schneller und rechtssicher reagieren können. Wir haben die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17159

Hermann Färber (A) Die jetzt angedachten Maßnahmen sind ein wesentli- Als Problemlösung wird dann von Linken und Grünen (C) cher Schritt. Ob diese ausreichend sind, wird zu einem gerne der Herdenschutz angeführt. Überall im Land me- späteren Zeitpunkt zu bewerten sein. Aber die Novellie- terhohe Elektrozäune? Das kann nicht Ihr Ernst sein. Da- rung des Bundesnaturschutzgesetzes ist notwendig. Des- bei sind die Zäune beim Wolf wirkungslos. Sämtliche halb stimmen wir diesem Gesetzentwurf zu. Präventionsmaßnahmen funktionieren bis heute nicht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Johannes Kahrs [SPD]: Da hört nicht mal die FDP zu!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Und für andere Wildtiere bedeuten Zäune eine tödliche Gefahr. Schauen Sie es sich doch an, wenn sich ein Reh- Vizepräsident Thomas Oppermann: kitz verfängt und elendig zugrunde geht. Das ist ein Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion Trauerspiel. der FDP der Kollege Karlheinz Busen. Bitte sehr. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Meine Damen und Herren, eine echte Problemlösung Karlheinz Busen (FDP): gibt es nur mit der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht und Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr der Regelung von Jagdzeiten. Das bedeutet ganz einfach: Träger, Sie glauben doch wohl selbst nicht, dass der Ge- Abschuss. setzentwurf, der maßgeblich aus einem SPD-geführten Sie haben heute die Wahl zwischen einem Placeboge- Haus stammt, irgendwo zur Verbesserung der Weidetier- setz der Bundesregierung und einer wirklichen Problem- haltung beiträgt. Sie verkaufen die heutige Änderung als lösung, unserem Gesetzentwurf. Entlastung der Schafhalter. Aber spätestens nach den nächsten Rissen werden die Menschen draußen merken, Vielen Dank. dass sich da gar nichts verändert hat. Im Gegenteil: Die Anzahl der Wölfe nimmt weiter zu. Mit offensichtlich (Beifall bei der FDP sowie des Abg. falschen oder sogar alten Daten wird weiter krampfhaft Dr. Alexander Gauland [AfD]) versucht, die Kuscheltierromantik aufrechtzuerhalten. Ihr Problem: Sie machen sich vorsätzlich unglaubwürdig, Vizepräsident Thomas Oppermann: und die Menschen da draußen merken das. Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Linke der Kollege Ralph Lenkert. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. (B) Dr. Alexander Gauland [AfD]) (Beifall bei der LINKEN) (D) Die Bürger in den ländlichen Räumen verzweifeln am Wolf, und noch mehr verzweifeln sie mittlerweile an der Ralph Lenkert (DIE LINKE): Bundesregierung. Deutschlandweit haben wir inzwischen Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle- mit über 2 000 gerissenen Weidetieren zu kämpfen, Ten- gen! Es geht um den Wolf. Vergangene Woche fand im denz steigend. Alleine die vier Wölfe in Nordrhein-West- Bundestag die Anhörung zum neuen Bundesnaturschutz- falen kosteten bislang 880 000 Euro pro Jahr. Das versteht gesetz statt. Mehrere Juristen äußerten massivste Beden- draußen kein Bürger. Wissen Sie, was der Westfälisch- ken, dass dieser Gesetzentwurf nicht EU-konform ist und Lippische Landwirtschaftsverband dazu gesagt hat? Ich schwer umsetzbar sein wird. zitiere: Eine Patrone kostet 2,50 Euro. Im Umweltausschuss hatten wir mehrfach Diskussio- Die Deichregionen werden durch die Änderung des nen über die schwierige Lage von Schäferinnen und Bundesnaturschutzgesetzes nicht geschützt. Für Deich- Schäfern. Ich hatte die Hoffnung, dass CDU und CSU landschaften und für besiedelte Gebiete müssen wolfs- endlich anfangen, auf Fachleute zu hören. Aber beim freie Räume definiert werden. Wolf setzt der Verstand vermutlich aus. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der LINKEN) Die heutigen Probleme sind dabei noch vergleichswei- Und AfD und FDP schüren Angst und machen mit ihren se harmlos. Bei der Anhörung – Sie waren dabei – wurde Horrorgeschichten sogar Stephen King Konkurrenz. durch Experten bestätigt, dass wir, wenn die Zuwachsrate bei 33 Prozent im Jahr liegt – die CDU spricht sogar von (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN – 35 Prozent im Jahr –, in zehn Jahren mit über 1 700 Ru- Zuruf von der FDP: „Friedhof der Kuschel- deln und 15 000 Wölfen zu kämpfen haben werden. Das tiere“!) ist blanker Irrsinn. Zu anderen Problemen wie Schäden durch Wild- schweine oder verwilderte Hunde, die ebenfalls Schafe (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten und Weidetiere reißen, höre ich von Ihnen nichts; die der AfD – Carsten Träger [SPD]: Das ist vor ignorieren Sie. Aber wir alle wollen doch den allem falsch, was Sie sagen!) Schäferinnen und Schäfern helfen. Dazu können Sie heu- Das Populationswachstum ist nicht natürlich begrenzt. te beitragen: Stimmen Sie mit uns gemeinsam für Her- Die Freiburger Biologin Ilse Storch sagte kürzlich im denschutzmaßnahmen, die bundesweit einheitlich sind, „Spiegel“, in Deutschland könnten so viele Wölfe leben, und für die vollständige Finanzierung von Herdenschutz- wie wir Menschen es zulassen. hunden. 17160 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Ralph Lenkert (A) (Beifall bei der LINKEN) Expertenanhörung des Umweltausschusses von den Ex- (C) Stimmen Sie mit uns für die Beweislastumkehr, das heißt, pertinnen durch die Bank bestätigt. dass nach Übergriffen auf Weidetiere immer entschädigt Die Änderung von „erheblichen Schäden“ hin zu wird, solange nicht eindeutig ein Wolfsangriff ausge- „ernsten Schäden“ ist nicht nachvollziehbar. Es bleibt schlossen wird. Im Übrigen: Stimmen Sie mit uns für eine völlig unersichtlich, was Sie damit bezwecken. Gerichte Weidetierprämie von 30 Euro. – Damit ist den werden jetzt ausurteilen müssen, was der Unterschied Schäferinnen und Schäfern wirklich geholfen. zwischen diesen beiden Wörtern ist; denn in der Branden- burgischen Wolfsverordnung ist bereits heute festgelegt, (Beifall bei der LINKEN – Dr. Gero Clemens nach heute gültigen Rechtsmaßstäben, dass nach dem Hocker [FDP]: Das hat mit dem Thema nichts, zweimaligen Überwinden von Herdenschutzmaßnahmen aber auch gar nichts zu tun! Keine Ahnung, was der Wolf abgeschossen werden kann. Das heißt, dass der Sie da von sich geben!) Betrieb in seiner Existenz bedroht sein muss, ist bereits Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wie ist die geltende heute überhaupt nicht das Kriterium. Gesetzeslage? Wenn ein Wolf mehrfach Nutztiere reißt, wenn ein Wolf die Scheu vor Menschen verliert, dann Sie hatten wenigstens genug Einsicht, den allergrößten kann er bereits heute entnommen werden. Das ist mög- Klops aus Ihrem Gesetz herauszunehmen. Sie haben das lich. Das akzeptieren wir auch. Aber leider sind die Wölfe ursprünglich von Ihnen geplante Desaster für Gerichte, für manche Jäger zu clever; sie werden nicht erwischt. Naturschutzbehörden und unzählige geschützte Arten ab- gewendet. Andernfalls wäre jetzt bei Hobbytierhaltung (Lachen des Abg. Karlheinz Busen [FDP]) ebenfalls eine Abschussgenehmigung möglich gewesen. Da hilft es nicht, neue Gesetze zu machen; da müssen Sie Das ist das einzige Positive, was es in der heutigen De- eine bessere Jagd organisieren. Neue Gesetze versagen. batte dazu zu sagen gibt. Arbeiten Sie besser zusammen, dann können Sie das auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lösen. sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE]) (Beifall bei der LINKEN) Das Hauptproblem, das Sie mit diesem Gesetz neu Die Koalition stiehlt sich aus ihrer Verantwortung und schaffen und das weder europarechtskonform ist noch lädt die Risiken bei den Kommunen ab. Sie wissen doch in Deutschland zu mehr Rechtssicherheit führen wird, ganz genau, dass nach EU-Richtlinie die Entnahme eines ist der neue § 45a, mit dem Sie jetzt den Abschuss ganzer geschützten Tieres wie des Wolfes nur möglich ist, wenn Rudel von Wölfen ermöglichen wollen. Damit wird der der Bestand im Land nicht gefährdet wird. Sie machen Individuenbezug aufgegeben. Von den Sachverständigen (B) kein bundesweites Monitoring. Gleichzeitig erlauben Sie ist Ihnen klipp und klar gesagt worden, dass das rechts- (D) das Abschießen von ganzen Rudeln. Wenn jetzt mehrere widrig ist. Es ist mit Europarecht nicht vereinbar. Landkreise gleichzeitig der Entnahme von Rudeln zu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) stimmen und damit der Bestand in Deutschland gefährdet ist, drohen Strafzahlungen an die EU. Wer muss dann Die Sachverständigen haben Ihnen ebenfalls prophezeit, bezahlen? Die Kommunen. Das kann doch nicht Ihr Ernst dass das ein Vertragsverletzungsverfahren der EU nach sein. sich ziehen kann. Der EuGH hat in seinem Finnland-Ur- teil vom Oktober 2019 klargestellt, dass ein Präventivab- (Beifall bei der LINKEN) schuss des Wolfes europarechtlich nicht möglich ist. Dieses Gesetz löst keine Probleme. Dieses Gesetz hilft Der letzte Punkt. Überhaupt nichts sagt Ihr Gesetzent- den Schäferinnen und Schäfern nicht. Dieses Gesetz ver- wurf zu den real existierenden Problemen. Ich komme auf schärft Risiken und Umsetzungsprobleme bei den Kom- Schleswig-Holstein zurück. Dort existieren insgesamt munen. Die Linke wird es genauso ablehnen wie den noch zwei Wölfe, zumindest zwei nachgewiesene Wölfe. Für schlechteren Entwurf der FDP. den auffälligen männlichen Wolf GW924m, der mindes- Vielen Dank. tens 14-mal Herdenschutzzäune überwunden hat, wurde im Januar 2019 die Abschussgenehmigung rechtskon- (Beifall bei der LINKEN) form erteilt. Seitdem musste diese Genehmigung dreimal verlängert werden. Es sind inzwischen 175 Personen zum Vizepräsident Thomas Oppermann: Abschuss berechtigt, und der Wolf lebt immer noch. – Vielen Dank. – Als Nächste spricht für die Fraktion Herr Busen, Sie können mit Ihrer Patrone gerne mal raus- Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Steffi Lemke. gehen und versuchen, ihn zu schießen. Es ist bisher 175 Personen innerhalb eines Jahres nicht gelungen. Und jetzt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist dieser Wolf so frech und überquert einfach die Grenze von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpom- Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): mern, und siehe da, die Abschussgenehmigung erlischt. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- (Zuruf von der FDP: Sie kriegen das schon nen und Kollegen! Das Ziel der vorliegenden Gesetzes- hin!) änderung ist die Schaffung größerer Rechtssicherheit bei der Erteilung von Abschussgenehmigungen für den Wolf. Diesem Rechtsproblem widmen Sie sich in keinster Mit diesem Gesetz wird jedoch das Gegenteil erreicht. Er Weise. Statt Probleme in der Praxis zu lösen – mein Kol- schafft neue Rechtsunsicherheit. Dies wurde Ihnen in der lege Lenkert hat zu der Weidetierprämie bereits einiges Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17161

Steffi Lemke (A) ausgeführt –, statt sich diesen Problemen zu widmen, konkreten Hinweisen. Wir wollen im konkreten Fall han- (C) schaffen Sie jetzt neue Rechtsunsicherheit mit diesem deln. Ich glaube nicht, dass das uns versagt wird, zumal es Gesetzentwurf. Dafür können Sie von uns keine Zustim- ein weiteres europäisches Land gibt, das diesen Weg be- mung erwarten. schreitet, nämlich Frankreich. Wenn die Behörden es schaffen, es hinreichend zu definieren, dann bin ich mir Herzlichen Dank. relativ sicher, dass wir hier rechtlich auf der sauberen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Seite sind. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das Problem ist – da bin ich teilweise auch der Mei- nung der Gutachter –: Wir müssen natürlich die zuständi- Vizepräsident Thomas Oppermann: gen Behörden, ob das ein Landesumweltamt ist oder eine Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist der untere Naturschutzbehörde, durch entsprechende Erlasse Kollege Dr. Klaus-Peter Schulze für die Fraktion der in die Lage versetzen, dass sie rechtssichere Entscheidun- CDU/CSU. gen treffen können. Wenn wir dann eine solche rechts- sichere Entscheidung getroffen haben, dann muss sie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- auch akzeptiert werden. Es geht nicht an, dass Jäger, die ordneten der SPD) den Auftrag von der Behörde bekommen, hier Maßnah- men zu ergreifen, also das Tier zu entnehmen, sprich zu Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): erschießen, Drohbriefe bekommen. Das geht nicht. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zeigt, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dass das, was wir im Koalitionsvertrag mit unseren so- Es ist eine Verwaltungsentscheidung getroffen worden, zialdemokratischen Partnern vereinbart haben, in vielen und die muss jeder akzeptieren. Da hilft auch kein soge- Bereichen sehr intensiv diskutiert wird. Auf der einen nannter ziviler Ungehorsam; der passt hier nicht rein. An Seite bestehen Belange in der Bevölkerung vor allem dieser Stelle müssen wir alle gemeinsam daran arbeiten, im ländlichen Bereich; ich meine jetzt nicht die Balkon- dass wir solche Wege in Deutschland ganz einfach nicht biologen aus den Ballungsräumen, begehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Der Kollege Träger, bei dem ich mich an dieser Stelle Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP) für die gute Zusammenarbeit bedanken möchte, hat da- sondern ich meine diejenigen, die im ländlichen Bereich rauf hingewiesen, dass wir mit einem Antrag im nächsten leben. Auf der anderen Seite gilt europäisches Recht. In Jahr die Bundesregierung beauftragen werden, zu unter- (B) diesem Spannungsfeld haben wir eine Situation zu be- suchen, wie wir das Problem an den Deichen und das (D) arbeiten, an die man mit Augenmaß und Schritt für Schritt Problem in den Hochgebirgslagen in den Griff bekom- herangehen muss. Herr Busen, Ihr Vorschlag besagt, den men. Dann müssen weitere Entscheidungen daraus abge- Wolf in das Jagdrecht aufzunehmen, dann Jagdzeiten fest- leitet werden. Ich persönlich kann mir auch wolfsfreie zulegen, und dann geht es los. Ich glaube nicht, dass das Gebiete vorstellen. Es gibt in Deutschland – darüber redet die Europäische Union zulassen wird. Im Gegenteil: Wir aber keiner – rotwildfreie Gebiete. Darüber sagt man ein- können damit rechnen, dass es relativ schnell eine Ent- fach: Aus forstwirtschaftlichen Gründen wollen wir kein scheidung und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Rotwild haben. – Wenn die Schutzmaßnahmen von Deutschland geben wird. Weidetieren so erheblich und so groß sein müssen, dass man überlegt, ob das noch wirtschaftlich ist, dann müssen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wir uns in bestimmten Regionen in Deutschland dafür Wer am vergangenen Montag die Anhörung verfolgt entscheiden. Auf diese Diskussion sollten wir uns ge- und zugehört hat, was dort der Kollege Dr. Schneider meinsam freuen. vorgetragen hat – er ist dort, in Schweden, für das Ma- nagement von Großraubsäugern verantwortlich –, der Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Weihnachtsfest konnte den Weg in Schweden nachvollziehen. Dort ist und ein gutes neues Jahrzehnt, in dem wir uns zwar hier nämlich anhand wissenschaftlicher Grundlagen festge- weiter streiten, aber letztendlich gute Gesetze auf den legt worden, wie groß die Population sein muss, damit Weg bringen. der günstige Erhaltungszustand erreicht wird. Danach ist Danke. festgelegt worden, wie viele Tiere geschossen werden dürfen. In diesem Jahr beispielsweise ist die Situation (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) eingetreten, dass die Grenze des Korridors, den man in Schweden festgelegt hat, unterschritten wurde, und sie Vizepräsident Thomas Oppermann: haben für dieses Jahr die Jagd eingestellt. Wenn wir die- sen Weg gehen wollen, brauchen wir entsprechende wis- Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht senschaftliche Gutachten. Wir werden sicherlich in den vor. Ich schließe deshalb die Aussprache. nächsten Wochen und Monaten darüber diskutieren, ob Wir haben jetzt mehrere Abstimmungen. Zu allen Ab- wir diesen Weg gehen wollen. stimmungen liegen mir Erklärungen nach § 31 der Ge- 1) Der zweite Punkt bezieht sich auf das Urteil zu Finn- schäftsordnung vor. land, angeführt von der Kollegin Lemke. Das finnische Vorgehen war relativ breit gestreut und gründete nicht auf 1) Anlagen 11 und 12 17162 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- namentlich ab. – Die Schriftführer sind vor Ort. Ich er- (C) desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung öffne die Abstimmung. des Bundesnaturschutzgesetzes. Der Ausschuss für Um- welt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt in Gibt es Kollegen, die noch nicht abgestimmt haben? – seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/16148, Ich sehe, dass jetzt alle abgestimmt haben. Damit schließe den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa- ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und chen 19/10899 und 19/13289 in der Ausschussfassung Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Er- gebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt ge- anzunehmen. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetz- 3) entwurf der Bundesregierung in der Ausschussfassung geben. zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Das sind die Wir machen weiter mit Tagesordnungspunkt 10: Fraktionen von SPD und CDU/CSU. Wer stimmt dage- gen? – Das sind alle vier Oppositionsfraktionen. Enthal- – Zweite und dritte Beratung des von der Bun- tungen? – Bei einer Enthaltung des fraktionslosen Abge- desregierung eingebrachten Entwurfs eines ordneten Mieruch ist damit der Gesetzentwurf mit den Gesetzes zur Neustrukturierung des Zoll- Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen fahndungsdienstgesetzes der Oppositionsfraktionen in zweiter Beratung angenom- Drucksache 19/12088 men. Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- Wir kommen zur nanzausschusses (7. Ausschuss) dritten Beratung Drucksache 19/16116 und Schlussabstimmung. Wir stimmen jetzt über den Ge- – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- setzentwurf auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung und SPD namentlich ab. Drucksache 19/16139 Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen, damit wir die Abstim- Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der mung durchführen können. – Es fehlt noch jemand bei FDP vor. Urne eins; ein Schriftführer der Opposition wird ge- Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- braucht. – Dann sind alle Urnen besetzt. Ich eröffne damit schlossen. die Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die jetzt mit ihrer Abstimmung Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das noch (B) fertig sind und ihre Gespräche im Stehen fortsetzen wol- (D) keine Gelegenheit hatte, die Karte einzuwerfen? – Haben len, sich entweder einen Platz zu suchen oder den Saal zu alle abgestimmt? – Das ist der Fall. Dann schließe ich den verlassen. Wahlgang. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift- führer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir werden Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erste Ihnen das Ergebnis der Abstimmung später bekannt ge- Rednerin die Kollegin Ingrid Arndt-Brauer für die Frak- ben.1) tion der SPD. Wir fahren unmittelbar fort mit der nächsten Abstim- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mung: über den Entschließungsantrag der Fraktion Die der CDU/CSU) Linke auf Drucksache 19/16151. Wir stimmen nun über den Entschließungsantrag auf Verlangen der Fraktion Die Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Linke namentlich ab. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- be Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir beschließen Die Schriftführer sind vor Ort. Sind alle Urnen be- heute das Gesetz zur Neustrukturierung des Zollfahn- setzt? – Wenn keiner weggegangen ist, ist das der Fall. dungsdienstgesetzes – das hört sich ein bisschen sperrig Ich eröffne die zweite namentliche Abstimmung über den an. Ursächlich dafür ist ein Urteil des Bundesverfas- Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke. sungsgerichts vom 20. April 2016. Und zwar hatte das Haben alle Kollegen ihre Karte eingeworfen? – Ich Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das BKA- sehe keinen Kollegen oder keine Kollegin mehr, der oder Gesetz nicht den Ansprüchen genügt, die wir an ein sol- die die Karte noch nicht eingeworfen hat. Dann schließe ches Gesetz stellen. Deswegen wurde das BKA-Gesetz ich die Abstimmung.2) reformiert. Parallel dazu reformieren wir jetzt das Zoll- fahndungsdienstgesetz, weil es ähnliche Normen erfüllen Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetz- soll, und passen es präventiv an. entwurf der FDP zum Wolfsmanagement, Zusatzpunkt 13. Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Der Grundsatz des Urteils war: Je sensibler die persön- empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache lichen Daten sind, die durch polizeiliche Eingriffe erho- 19/16147, den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP auf ben werden, desto klarer muss das Gesetz die Vorausset- Drucksache 19/10792 abzulehnen. Wir stimmen nun über zungen für ihre Erhebung formulieren. Also: keine den Gesetzentwurf auf Verlangen der Fraktion der FDP Erhebung von Daten ohne gesetzliche Grundlage. Die Verwendung von Daten zu anderen Zwecken kann nur

1) Ergebnis Seite 17165 D 2) Ergebnis Seite 17169 A 3) Ergebnis Seite 17172 A Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17163

Ingrid Arndt-Brauer (A) erfolgen, wenn ein ähnlich schwerer Schaden an einem Auch der Aufbau des Zolls ist interessant – das ist (C) Rechtsgut zu erwarten ist. Diese Vorgaben setzen wir mit vielen gar nicht so bewusst –: Es gibt 9 Direktionen mit dem vorliegenden Gesetz um, und zusätzlich wollen wir Hauptsitz in Bonn. Auf Ortsebene gibt es 41 Hauptzol- europarechtliche Datenschutzvorschriften umsetzen. lämter, 252 nachgelagerte Zollämter – der Zoll ist also in der Fläche – und 8 Zollfahndungsämter. Es gibt 3 500 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Zollfahnder als Ermittlungspersonen der Staatsanwalt- wird eigentlich fast eins zu eins übernommen: Wir stär- schaft, die staatsanwaltschaftliche Befugnisse haben, ken die Datenschutzrechte der Betroffenen. Wir stärken und es gibt im Ganzen 40 000 Beschäftigte beim Zoll. die Anwenderfreundlichkeit für die ausübenden Zöllner, Allen, die uns immer wieder erzählen, der Zoll müsse das heißt, es gibt eigene Kapitel für die Bereiche des aufwachsen, der Zoll sei unterbesetzt, möchte ich einfach Zolls. Wir gewährleisten den Gleichlauf der Sicherheits- einmal diese Zahlen entgegenhalten. behörden des Bundes. Wir aktualisieren die Befugnisse wegen neuer komplexer Erscheinungsformen der Zollkri- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der minalität, zum Beispiel indem jetzt der Einsatz verdeckter CDU/CSU) Ermittler ermöglicht wird. Die aktuelle Koalition hat in dieser Legislatur schon (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der sehr wichtige Sachen beschlossen. Wir haben die Finanz- CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Sehr gut!) kontrolle Schwarzarbeit durch Befugniserweiterung ext- rem gestärkt. Wir haben allein im Haushalt 2018 1 400 – Ja. – Wir passen die Quellentelekommunikationsüber- neue Stellen beim Zoll geschaffen. Der Haushalt 2019 hat wachung an, das heißt, wir sorgen dafür, dass auch ver- die Grundlage für circa 4 700 weitere Stellen beim Zoll schlüsselte digitale Kommunikation überwacht werden für die nächsten Jahre gelegt. Deswegen, finde ich, ist der kann; auch das ist, denke ich, zeitgemäß. Was wir aber Zoll gut aufgestellt. Wenn wir allerdings merken – wir nicht wollen, ist eine dauerhafte Überwachung, und wir beobachten das ganz genau –, dass der Zoll Schwierig- verzichten bewusst auf sogenannte Onlinedurchsuchun- keiten personeller oder anderer Art hat, sind wir in der gen. Wir haben also den hohen Anforderungen des Bun- Koalition immer bereit, Gesetze für den Zoll zu erlassen, desverfassungsgerichts Rechnung getragen. um die Arbeit des Zolls zu ermöglichen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU]) Ich finde, der Zoll ist eine sehr wichtige Institution. Bei besonders eingriffsintensiven und anonymen Maß- Das vorliegende Gesetz erleichtert die Arbeit des Zolls nahmen gibt es Auskunftspflichten gegenüber Betroffe- und ermöglicht viele Dinge erst, aber es sichert auch die (B) nen. Grundrechte unserer Bevölkerung. Deswegen ist es ein (D) sehr gutes Gesetz. Ich bedanke mich noch einmal bei Fazit: Das neue Gesetz macht Zoll und Zollfahndungs- allen, die an der Erarbeitung dieses Gesetzes beteiligt dienst ein Stück zukunftssicherer, und wir gewährleisten waren: beim Ministerium, beim Koalitionspartner und das mit 26 zusätzlichen Stellen. auch bei der Opposition für die sehr konstruktive Mit- arbeit. Ich denke, wir können mit dem vorliegenden Ge- Ich möchte kurz noch etwas zu den Aufgaben des Zolls setz beruhigt ins neue Jahr gehen. Deswegen bitte ich um sagen, weil diese vielen gar nicht so bewusst sind. Der Zustimmung. Zoll ist hauptsächlich und maßgeblich dafür verantwort- lich, dass wir durch die Verbrauchsteuererhebung im Jahr Ich wünsche allen frohe Weihnachten und einen guten 2018 Steuereinnahmen in Höhe von 135 Milliarden Euro Rutsch. hatten. 135 Milliarden Euro! Das ist ein ganz großer An- Danke schön. teil am Bundeshaushalt, den der Zoll uns organisiert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei Abgeordneten der SPD) der CDU/CSU) Außerdem ist der Zoll zuständig für die Organisation von Warenein- und -ausfuhrkontrollen. Im Jahr 2018 war der Vizepräsident Thomas Oppermann: Zoll für 242 Millionen Zollabfertigungen zuständig. Der Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für Zoll ist auch zuständig für die Vollstreckung bei ausste- die Fraktion der AfD der Kollege Kay Gottschalk. henden Steuern und für die Bekämpfung von Schwarz- arbeit, Mindestlohnverstößen und illegaler Beschäftigung (Beifall bei der AfD) durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Hier wurden 111 000 Strafverfahren eingeleitet und Freiheitsstrafen Kay Gottschalk (AfD): von insgesamt 1 700 Jahren verhängt; auch das sind Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Statistiken, die man sich immer wieder vor Augen führen Herren! Vor allen Dingen aber verehrte Zöllner und Zöll- muss. Der Zoll ist auch zuständig für die Bekämpfung nerinnen! An dieser Stelle zunächst einmal: Vielen Dank von Produktpiraterie, für die Bekämpfung von Dro- für Ihre Arbeit. Das haben Sie, Frau Arndt-Brauer, glaube genschmuggel und für die Außenwirtschaftskriminali- ich, vergessen zu sagen. Ansonsten habe ich den Ein- tätsbekämpfung. Außerdem gibt es Zollkontrollen zur druck, Sie waren bei der Anhörung nicht zugegen, wenn Terrorismusbekämpfung und zur Bekämpfung der Geld- Sie tatsächlich behaupten, Sie kämen mit diesem Gesetz wäschekriminalität, hier besonders durch die Spezialein- den Bedürfnissen nach bzw. Sie hätten eine ganze Menge heit FIU. Positives für die Stärkung des Zolls getan. Das Einzige, 17164 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Kay Gottschalk (A) was Sie getan haben, ist: Sie haben den Bedürfnissen der amtenapparat umbauen, um das Personal dort einzuset- (C) OK Rechnung getragen. zen, wo es in der Tat nötig ist, und es andererseits bitte schön abzubauen oder gar nicht erst aufzublähen, wie es (Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Was? – zum Beispiel bei der völlig vergurkten Grund- Dr. h. c. [Univ Kyiv] [CDU/ steuerreform oder bei der Bonpflicht für Bäcker gerade CSU]: Quatsch! Unsinn!) geschieht, meine Damen und Herren. Das wäre Aber der Reihe nach. Ich möchte zunächst einmal auf weitsichtige, planende Politik; die vermisse ich bei dieser die Anhörung vom 25. November 2019 eingehen. Das GroKo aber nach wie vor. war insoweit ein kleiner Durchbruch; denn der von uns benannte Sachverständige, ein wirklicher Zöllner und da- Im Bereich Zoll sehen wir als AfD definitiv die Not- mit Praktiker, brachte, so war mein Eindruck, eine leb- wendigkeit, das Personal aufzustocken. Lassen Sie mich hafte Diskussion in Gang. Man höre und staune: auch da ein Beispiel aus der Anhörung vom Sachverstän- digen der GdP, Herrn Buckenhofer, aufgreifen. Ich zitiere (Markus Herbrand [FDP]: Da bin ich aber ge- mit Erlaubnis des Präsidenten: spannt!) (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Wenn der Was ich bisher selten und hier im Parlament noch nie wüsste, von wem er zitiert wird!) erlebt habe, ist die Tatsache, dass zwei andere Sachver- ständige und auch ein CDU-Abgeordneter vielfach die In den Medien wird „von einer Kokainschwemme oder Dinge und Punkte unseres Sachverständigen aufgriffen von massivem Zuwachs des Schmuggels von Crystal und in Teilen sogar bestätigten. Das ist, wie ich finde, Meth an der deutsch-niederländischen Grenze berich- in der Weihnachtszeit ein guter Anfang, verehrte Kolle- tet“. – Die Aufgaben des Zollfahndungsdienstes werden gen. also an dieser Stelle immer umfangreicher. Trotz unge- sicherter Grenzen? Meiner Meinung nach eher wegen (Beifall bei Abgeordneten der AfD) dieser völlig ungesicherten Grenzen, meine Damen und Kommen wir aber auch zur Kritik aus der Anhörung. Herren. Und auch der Rekordfund eines Containers mit Ein wesentlicher Kritikpunkt bleibt, dass die Anzahl der Kokain im Hamburger Hafen dürfte an dieser Stelle wohl Paragrafen im Gesetzentwurf nahezu verdoppelt wird. Ob nur die Spitze eines Eisberges sein. Wir könnten, glaube dies wirklich zu einer Klarstellung führt, ist aus meiner ich, noch viel mehr Elend von den Straßen holen, wenn Sicht nach wie vor hoch fraglich. Ob es in der Praxis dann wir dort den Zoll stärken würden. zu einem leistungsfähigeren Zollfahndungsdienst führt Daher ist klar: Der Zoll braucht an dieser Stelle mehr und damit zu einer effizienteren Verbrechensbekämpfung Personal. Dennoch: Der Zoll könnte aus meiner Sicht (B) kommt, (D) deutlich effizienter strukturiert werden, was insbesondere (Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: So wird bei der Verwaltung und der Führung teures Personal ein- es werden!) sparen könnte. Grund dafür sind auch dort – Sie haben es sogar genannt – die Doppelstrukturen unter dem Dach des bezweifle ich an dieser Stelle umso mehr. Was unser Zolls, was auch die GdP kritisiert. Sachverständiger auf jeden Fall anführte, ist die Tatsa- che – und der wurde auch kaum widersprochen; insoweit (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Ich habe nichts waren Sie, glaube ich, nicht zugegen, Frau Arndt- von Doppelstrukturen gesagt!) Brauer –, Lassen Sie mich am Rande weitere Strukturen nennen: (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Doch, ich war da! die FIU und die FKS. Frau Arndt-Brauer, Sie haben sie Das wissen Sie!) angeführt. Dabei kontrolliert die FIU, die Sie hier eben dass zunächst mal, bevor hier Klarheit kommt, ein erhöh- genannt haben und die wirklich nicht so gut funktioniert – ter Schulungsbedarf beim Zoll anfällt. Diese Menschen ein Drittel der Stellen sind unbesetzt –, nur die andere sind ohnehin heute schon – das haben Sie vergessen – Seite der organisierten Kriminalität; denn Geldwäsche überlastet und haben mit die meisten Überstunden zu stellt ja nur die Legalisierung eines erfolgreichen Umge- leisten. Auch dafür an dieser Stelle noch mal ein großes hens des Zollfahndungsdienstes dar. Im Klartext: Die Dankeschön an den Zoll. Drogen sind am Mann, an der Frau oder am dritten Ge- schlecht; jetzt muss das Geld legalisiert werden. (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Daher, meine Damen und Herren, können und werden Da klingt der im Gesetz genannte geschätzte Erfül- wir diesem Gesetz an dieser Stelle nicht zustimmen. Für lungsaufwand der Verwaltung für den Bund – man höre uns heißt es eindeutig: Grenzkontrollen statt Bonkontrol- und staune: gerade mal 26 neue Stellen – wie blanker len. Hohn – und das in der Vorweihnachtszeit. Ihnen ein frohes Weihnachtsfest (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Ich habe erzählt, wie viele Stellen es schon gibt!) (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Grundsätzlich – das möchte ich an dieser Stelle aber auch NEN]: Ihnen nicht!) betonen – sind wir für eine effiziente und hochmotivierte und Erkenntnisgewinn! Verwaltung. Das heißt, wir müssen an dieser Stelle tat- sächlich darüber nachdenken, wie wir den gewaltigen Be- Danke schön. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17165

Kay Gottschalk (A) (Beifall bei der AfD – Sebastian Brehm [CDU/ Die Erweiterung der Befugnisse für den Zoll ist ein (C) CSU]: So ein Schmarren!) wichtiger Beitrag für den Kampf gegen die organisierte Kriminalität, also zum Schutz aller Bürger. Gleichzeitig Vizepräsident Thomas Oppermann: werden alle Belange des Datenschutzes gewahrt, wie im EU-Recht vorgesehen und wie vom Bundesverfassungs- Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für gericht vorgegeben. Dieses umfangreiche Gesetz ist die Fraktion der CDU/CSU der Kollege Dr. Thomas de handwerklich und rechtlich eine schwierige Materie, die Maizière. sich nur wenig zur Polarisierung eignet. Unsere Beratun- (Beifall bei der CDU/CSU) gen waren intensiv, anspruchsvoll und konstruktiv zwi- schen allen beteiligten Fraktionen, einschließlich der Op- Dr. Thomas de Maizière (CDU/CSU): position. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heu- te ist es nach langen Beratungen endlich so weit: Wir Ein Wort zur Opposition. Liebe Kolleginnen und Kol- verabschieden das neue Zollfahndungsdienstgesetz und legen von der Opposition, Sie werden gleich kritisieren, setzen, wie Frau Arndt-Brauer es schon gesagt hat, ein dass der Zoll ab jetzt auch im Internet Kommunikation Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz, unter strengen Voraussetzungen überwachen darf, und Sie also zum Gesetz über das Bundeskriminalamt, und eine werden einen angeblich nicht ausreichenden Datenschutz EU-Richtlinie um. Der Zollfahndungsdienst erhält kritisieren. gleichwertige Befugnisse wie das Bundeskriminalamt, seine Aufgabenverteilung wird grundlegend neu struktu- (Metin Hakverdi [SPD]: Woher wissen Sie riert, damit er seine Befugnisse auch rechtssicher nutzen das?) kann. Dazu sage ich schon mal vorab: Diese Kritik ist aus Ihrer Mit dem Zollfahndungsdienstgesetz verabschieden wir Sicht konsequent, aber falsch. Sie ist deswegen konse- ein wichtiges Gesetz für die Sicherheit unseres Landes. quent, weil Sie auch schon gegen Befugnisse des Bundes- Der Zoll leistet für uns alle dazu einen wichtigen Beitrag; kriminalamts im Internet waren und auch da schon vor- das haben einige schon gesagt. Wenn der Oppositionsred- getragen haben, dass die Datenschutzregeln nicht ner Herr Gottschalk angemessen sind. Ihre Kritik ist falsch; denn wir wollen, dass alle Sicherheitsbehörden gleichwertige Befugnisse (Claudia Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- haben und auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Vor allem NEN]: Nicht der Oppositionsredner!) gilt: Wer dagegen ist, dass die Sicherheitsbehörden das im als Fundamentalkritik zum Gesetz vorträgt, es löse Schu- Internet dürfen, was sie in Wohnungen, auf der Straße und (B) lungsbedarf aus, dann sage ich: Na und? Das ist bei jedem im Geschäft unbestritten dürfen, um Straftäter zu ermit- (D) neuen Gesetz so. Wenn das alles an Kritik ist, können Sie teln, macht die Sicherheitsbehörden blind und taub und eigentlich auch zustimmen. Mehr Stellen werden wir so- erleichtert Straftätern ihr Geschäft. wieso bekommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. ordneten der SPD) Metin Hakverdi [SPD]) Zusammengefasst: Die Novellierung des Zollfahn- In der öffentlichen Debatte kommt zu kurz, dass der dungsdienstgesetzes – genau genommen die Neufassung; Zoll nicht nur eine Verwaltungs- und Vollzugsbehörde es ist ja eine umfassende Neuregelung – ist sinnvoll, not- des Finanzministeriums ist. Der Zoll ist zugleich eine wendig und verhältnismäßig. Sie dient der Sicherheit un- Sicherheitsbehörde, faktisch eigentlich eine Polizeibe- seres Landes und verdient Zustimmung von möglichst hörde. Der Zoll geht nicht nur gegen Unternehmer vor, vielen in diesem Haus. die ihre Mitarbeiter in Schwarzarbeit schicken, sondern er kämpft an vorderster Front gegen Menschenhandel, Pro- Vielen Dank. duktpiraterie, Drogenhandel und Geldwäsche. All das ist organisierte Kriminalität. Deswegen ist der Zoll zu Recht (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- ein wichtiger und fester Bestandteil der deutschen Sicher- ordneten der SPD) heitsarchitektur. Deswegen – das ist der Hauptgrund – ist es wichtig, dass das Bundeskriminalamt und der Zoll- Vizepräsident Thomas Oppermann: fahndungsdienst gleichwertige Befugnisse haben. Sie ar- beiten arbeitsteilig, und sie arbeiten zusammen. Sie bil- Vielen Dank. – Bevor wir mit der Debatte fortfahren, den gemeinsame Ermittlungsgruppen. Da wäre es absurd, möchte ich gerne die von den Schriftführerinnen und wenn die eine Bundesbehörde bei gemeinsamen Ermitt- Schriftführern ermittelten Ergebnisse der namentlichen lungen andere Befugnisse hätte als die andere. Abstimmungen bekannt geben. Sie liegen inzwischen vor. Es steht außer Frage, dass unsere Sicherheitsbehörden eine besondere Verantwortung tragen. Sie tragen Verant- Die namentliche Abstimmung über den Gesetzentwurf wortung für die Sicherheit aller in unserem Land, und sie der Bundesregierung zur Änderung des Bundesnatur- tragen Verantwortung gegenüber jedem Einzelnen, gera- schutzgesetzes ergab folgendes Ergebnis: abgegebene de wenn er betroffen ist. Auch die Rechte von Verdäch- Stimmkarten 636. Mit Ja haben gestimmt 361, mit Nein tigen müssen gewahrt werden. Dieser doppelten Verant- haben gestimmt 275. Damit ist der Gesetzentwurf ange- wortung werden wir mit diesem Gesetz gerecht. nommen. 17166 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Endgültiges Ergebnis Eckhard Gnodtke Jens Lehmann Erwin Rüddel (C) Abgegebene Stimmen: 636; Ursula Groden-Kranich Paul Lehrieder Albert Rupprecht davon Hermann Gröhe Dr. Katja Leikert Stefan Sauer ja: 361 Klaus-Dieter Gröhler Dr. Andreas Lenz Dr. Wolfgang Schäuble nein: 275 Michael Grosse-Brömer Antje Lezius Jana Schimke Astrid Grotelüschen Andrea Lindholz Tankred Schipanski Ja Markus Grübel Dr. Carsten Linnemann Dr. Claudia Schmidtke CDU/CSU Manfred Grund Patricia Lips Patrick Schnieder Dr. Michael von Abercron Oliver Grundmann Nikolas Löbel Nadine Schön Stephan Albani Monika Grütters Bernhard Loos Felix Schreiner Norbert Maria Altenkamp Fritz Güntzler Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Klaus-Peter Schulze Philipp Amthor Olav Gutting Daniela Ludwig Uwe Schummer Artur Auernhammer Christian Haase Karin Maag Armin Schuster (Weil am Florian Hahn Rhein) Peter Aumer Yvonne Magwas Jürgen Hardt Torsten Schweiger Dorothee Bär Dr. Thomas de Maizière Matthias Hauer Detlef Seif Thomas Bareiß Dr. Astrid Mannes Mark Hauptmann Johannes Selle Norbert Barthle Matern von Marschall Dr. Matthias Heider Reinhold Sendker Maik Beermann Andreas Mattfeldt Thomas Heilmann Dr. Patrick Sensburg Manfred Behrens (Börde) Stephan Mayer (Altötting) Frank Heinrich (Chemnitz) Thomas Silberhorn Veronika Bellmann Dr. Michael Meister Mark Helfrich Björn Simon Sybille Benning Jan Metzler Rudolf Henke Tino Sorge Dr. André Berghegger Dr. h. c. (UnivKyiv) Hans Michael Hennrich Michelbach Jens Spahn Melanie Bernstein Marc Henrichmann Dr. Mathias Middelberg Katrin Staffler Christoph Bernstiel Ansgar Heveling Dietrich Monstadt Frank Steffel Marc Biadacz Christian Hirte Karsten Möring Dr. Wolfgang Stefinger Steffen Bilger Dr. Heribert Hirte Elisabeth Motschmann Albert Stegemann Peter Bleser Alexander Hoffmann Axel Müller Andreas Steier Norbert Brackmann Karl Holmeier Sepp Müller Peter Stein (Rostock) (B) Michael Brand (Fulda) (D) Dr. Hendrik Hoppenstedt Carsten Müller Sebastian Steineke Dr. Reinhard Brandl Erich Irlstorfer (Braunschweig) Johannes Steiniger Silvia Breher Andreas Jung Stefan Müller (Erlangen) Sebastian Brehm Christian Frhr. von Stetten Ingmar Jung Petra Nicolaisen Heike Brehmer Dieter Stier Alois Karl Michaela Noll Ralph Brinkhaus Gero Storjohann Anja Karliczek Dr. Georg Nüßlein Dr. Carsten Brodesser Stephan Stracke Torbjörn Kartes Wilfried Oellers Gitta Connemann Max Straubinger Volker Kauder Florian Oßner Alexander Dobrindt Karin Strenz Dr. Stefan Kaufmann Josef Oster Michael Donth Dr. Peter Tauber Ronja Kemmer Henning Otte Marie-Luise Dött Dr. Hermann-Josef Tebroke Roderich Kiesewetter Ingrid Pahlmann Hansjörg Durz Hans-Jürgen Thies Michael Kießling Sylvia Pantel Thomas Erndl Alexander Throm Dr. Georg Kippels Martin Patzelt Hermann Färber Dr. Dietlind Tiemann Volkmar Klein Dr. Joachim Pfeiffer Uwe Feiler Antje Tillmann Axel Knoerig Stephan Pilsinger Enak Ferlemann Markus Uhl Jens Koeppen Dr. Christoph Ploß Axel E. Fischer (Karlsruhe- Dr. Volker Ullrich Land) Markus Koob Eckhard Pols Dr. Maria Flachsbarth Carsten Körber Thomas Rachel Thorsten Frei Alexander Krauß Kerstin Radomski Kerstin Vieregge Dr. Astrid Freudenstein Gunther Krichbaum Alexander Radwan Volkmar Vogel (Kleinsaara) Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Günter Krings Alois Rainer Christoph de Vries (Hof) Michael Kuffer Dr. Peter Ramsauer Kees de Vries Michael Frieser Dr. Roy Kühne Eckhardt Rehberg Dr. Johann David Wadephul Hans-Joachim Fuchtel Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Lothar Riebsamen Marco Wanderwitz Ingo Gädechens Andreas G. Lämmel Josef Rief Nina Warken Dr. Thomas Gebhart Katharina Landgraf Johannes Röring Kai Wegner Alois Gerig Ulrich Lange Dr. Norbert Röttgen Marcus Weinberg Eberhard Gienger Dr. Silke Launert Stefan Rouenhoff (Hamburg) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17167

(A) Dr. Anja Weisgerber Gabriele Hiller-Ohm Susann Rüthrich Joana Cotar (C) Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Eva Högl Bernd Rützel Dr. Gottfried Curio Sabine Weiss (Wesel I) Frank Junge Sarah Ryglewski Siegbert Droese Ingo Wellenreuther Thomas Jurk Johann Saathoff Thomas Ehrhorn Marian Wendt Oliver Kaczmarek Axel Schäfer (Bochum) Berengar Elsner von Kai Whittaker Johannes Kahrs Dr. Nina Scheer Gronow Annette Widmann-Mauz Elisabeth Kaiser Marianne Schieder Dr. Michael Espendiller Bettina Margarethe Ralf Kapschack Udo Schiefner Peter Felser Wiesmann Gabriele Katzmarek Dr. Nils Schmid Dr. Anton Friesen Klaus-Peter Willsch CanselKiziltepe Uwe Schmidt Markus Frohnmaier Elisabeth Winkelmeier- Arno Klare Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Götz Frömming Becker Lars Klingbeil Dagmar Schmidt (Wetzlar) Dr. Alexander Gauland Oliver Wittke Dr. Bärbel Kofler Carsten Schneider (Erfurt) Albrecht Glaser Paul Ziemiak Daniela Kolbe Johannes Schraps Franziska Gminder Dr. Matthias Zimmer Elvan Korkmaz-Emre Michael Schrodi Kay Gottschalk Christine Lambrecht Ursula Schulte Armin-Paulus Hampel SPD Christian Lange (Backnang) Swen Schulz (Spandau) Mariana Iris Harder-Kühnel Niels Annen Dr. Karl Lauterbach Frank Schwabe Dr. Roland Hartwig Ingrid Arndt-Brauer Sylvia Lehmann Stefan Schwartze Jochen Haug Heike Baehrens Helge Lindh Rita Schwarzelühr-Sutter Martin Hebner Ulrike Bahr Kirsten Lühmann Rainer Spiering Udo Theodor Hemmelgarn Nezahat Baradari Isabel Mackensen Svenja Stadler Waldemar Herdt Doris Barnett Caren Marks Martina Stamm-Fibich Dr. Matthias Bartke Katja Mast Sonja Amalie Steffen Dr. Heiko Heßenkemper Karsten Hilse Sören Bartol Christoph Matschie Mathias Stein Martin Hohmann Bärbel Bas Hilde Mattheis Kerstin Tack Dr. Bruno Hollnagel Lothar Binding Dr. Matthias Miersch Claudia Tausend (Heidelberg) Leif-Erik Holm Klaus Mindrup Michael Thews Dr. Eberhard Brecht Johannes Huber (B) Susanne Mittag Markus Töns (D) Leni Breymaier Fabian Jacobi Falko Mohrs Carsten Träger Katrin Budde Jens Kestner Claudia Moll Marja-Liisa Völlers Dr. Lars Castellucci Stefan Keuter Siemtje Möller Dirk Vöpel Bernhard Daldrup Norbert Kleinwächter Bettina Müller Dr. Joe Weingarten Dr. KarambaDiaby Enrico Komning Detlef Müller (Chemnitz) Bernd Westphal Esther Dilcher Jörn König Michelle Müntefering Dirk Wiese Sabine Dittmar Steffen Kotré Dr. Rolf Mützenich Gülistan Yüksel Dr. Wiebke Esdar Dr. Rainer Kraft Dietmar Nietan Dagmar Ziegler Yasmin Fahimi Rüdiger Lucassen Ulli Nissen Stefan Zierke Dr. Johannes Fechner Thomas Oppermann Jens Maier Dr. Jens Zimmermann Dr. Fritz Felgentreu Josephine Ortleb Dr. Lothar Maier Ulrich Freese Mahmut Özdemir Dr. Birgit Malsack- Dagmar Freitag (Duisburg) Nein Winkemann Martin Gerster Aydan Özoğuz CDU/CSU Corinna Miazga Angelika Glöckner Markus Paschke Andreas Mrosek Gisela Manderla Timon Gremmels Christian Petry Hansjörg Müller Kerstin Griese Sabine Poschmann Volker Münz Michael Groß Florian Post AfD Sebastian Münzenmaier Uli Grötsch Florian Pronold Dr. Bernd Baumann Christoph Neumann Bettina Hagedorn Dr. Sascha Raabe Marc Bernhard Jan Ralf Nolte Rita Hagl-Kehl Martin Rabanus Andreas Bleck Ulrich Oehme Metin Hakverdi Andreas Rimkus Peter Boehringer Gerold Otten Sebastian Hartmann Sönke Rix Stephan Brandner Frank Pasemann Dirk Heidenblut Dennis Rohde Jürgen Braun Tobias Matthias Peterka Hubertus Heil (Peine) Dr. Martin Rosemann Marcus Bühl Paul Viktor Podolay Marcus Held René Röspel Matthias Büttner Jürgen Pohl Wolfgang Hellmich Dr. Ernst Dieter Rossmann Petr Bystron Martin Reichardt Gustav Herzog Michael Roth (Heringen) Tino Chrupalla Martin Erwin Renner 17168 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Roman Johannes Reusch Alexander Kulitz Andrej Hunko Katrin Göring-Eckardt (C) Ulrike Schielke-Ziesing Alexander Graf Lambsdorff Ulla Jelpke Erhard Grundl Dr. Robby Schlund Ulrich Lechte Kerstin Kassner Anja Hajduk Uwe Schulz Christian Lindner Dr. Achim Kessler Britta Haßelmann Thomas Seitz Michael Georg Link Katja Kipping Dr. Bettina Hoffmann Martin Sichert (Heilbronn) Jan Korte Dr. Anton Hofreiter Detlev Spangenberg Oliver Luksic Jutta Krellmann Ottmar von Holtz Dr. Dirk Spaniel Till Mansmann Caren Lay Dieter Janecek René Springer Dr. Jürgen Martens Sabine Leidig Dr. Kirsten Kappert- Beatrix von Storch Christoph Meyer Ralph Lenkert Gonther Dr. Alice Weidel Alexander Müller Stefan Liebich Uwe Kekeritz Dr. Harald Weyel Frank Müller-Rosentritt Dr. Gesine Lötzsch Katja Keul Wolfgang Wiehle Dr. Martin Neumann Thomas Lutze Sven-Christian Kindler (Lausitz) Dr. Heiko Wildberg Pascal Meiser Maria Klein-Schmeink Hagen Reinhold Dr. Christian Wirth Amira Mohamed Ali Sylvia Kotting-Uhl Bernd Reuther Cornelia Möhring Oliver Krischer Dr. Stefan Ruppert Stephan Kühn (Dresden) FDP Norbert Müller (Potsdam) Dr. h. c. Thomas Christian Kühn (Tübingen) Sattelberger Zaklin Nastic Grigorios Aggelidis Renate Künast Dr. Wieland Schinnenburg Dr. Alexander S. Neu Renata Alt Markus Kurth Matthias Seestern-Pauly Thomas Nord Christine Aschenberg- Monika Lazar Dugnus Frank Sitta Petra Pau Sven Lehmann Nicole Bauer Judith Skudelny Sören Pellmann Steffi Lemke Jens Beeck Bettina Stark-Watzinger Victor Perli Dr. Tobias Lindner Dr. Jens Brandenburg Benjamin Strasser Tobias Pflüger Dr. Irene Mihalic (Rhein-Neckar) Katja Suding Martina Renner Claudia Müller Mario Brandenburg Linda Teuteberg Bernd Riexinger (Südpfalz) Beate Müller-Gemmeke Michael Theurer Eva-Maria Schreiber Sandra Bubendorfer-Licht Dr. Ingrid Nestle Stephan Thomae Dr. Petra Sitte Dr. Marco Buschmann Dr. Konstantin von Notz (B) Manfred Todtenhausen Helin Evrim Sommer (D) Karlheinz Busen Omid Nouripour Dr. Florian Toncar Friedrich Straetmanns Carl-Julius Cronenberg Friedrich Ostendorff Dr. Andrew Ullmann Dr. Kirsten Tackmann Britta Katharina Dassler Cem Özdemir Gerald Ullrich Jessica Tatti Bijan Djir-Sarai Lisa Paus Johannes Vogel (Olpe) Alexander Ulrich Christian Dürr Filiz Polat Sandra Weeser Kathrin Vogler Hartmut Ebbing Tabea Rößner Nicole Westig Dr. Sahra Wagenknecht Dr. Marcus Faber Claudia Roth (Augsburg) Katharina Willkomm Andreas Wagner Otto Fricke Dr. Manuela Rottmann Harald Weinberg Thomas Hacker Corinna Rüffer Katrin Werner Reginald Hanke DIE LINKE Manuel Sarrazin Hubertus Zdebel Peter Heidt Doris Achelwilm Ulle Schauws Katrin Helling-Plahr Gökay Akbulut Stefan Schmidt Markus Herbrand Simone Barrientos BÜNDNIS 90/ Charlotte Schneidewind- Torsten Herbst Dr. Dietmar Bartsch DIE GRÜNEN Hartnagel Katja Hessel Lorenz Gösta Beutin Luise Amtsberg Kordula Schulz-Asche Dr. Gero Clemens Hocker Matthias W. Birkwald Lisa Badum Dr. Wolfgang Strengmann- Kuhn Manuel Höferlin Michel Brandt Annalena Baerbock Margit Stumpp Dr. Christoph Hoffmann Jörg Cezanne Margarete Bause Markus Tressel Reinhard Houben Fabio De Masi Dr. Danyal Bayaz Jürgen Trittin Ulla Ihnen Dr. Diether Dehm Canan Bayram Dr. Julia Verlinden Olaf In der Beek Anke Domscheit-Berg Agnieszka Brugger Daniela Wagner Gyde Jensen Klaus Ernst Ekin Deligöz Beate Walter-Rosenheimer Dr. Christian Jung Susanne Ferschl Katja Dörner Karsten Klein Brigitte Freihold Katharina Dröge Daniela Kluckert Dr. Gregor Gysi Harald Ebner Fraktionslos Pascal Kober Dr. André Hahn Matthias Gastel Marco Bülow Dr. Lukas Köhler Heike Hänsel Kai Gehring Lars Herrmann Konstantin Kuhle Matthias Höhn Stefan Gelbhaar Mario Mieruch Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17169

(A) Die zweite namentliche Abstimmung betrifft den Ent- des Bundesnaturschutzgesetzes. Abgegebene Stimmkar- (C) schließungsantrag der Abgeordneten Dr. Kirsten ten 629. Mit Ja haben gestimmt 55, mit Nein haben ge- Tackmann, Ralph Lenkert, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer stimmt 509, 65 Enthaltungen. Damit ist der Entschlie- Abgeordneter und der Fraktion Die Linke zur Änderung ßungsantrag abgelehnt.

Endgültiges Ergebnis Dr. Petra Sitte Thomas Erndl Anja Karliczek Abgegebene Stimmen: 629; Helin Evrim Sommer Hermann Färber Torbjörn Kartes davon Friedrich Straetmanns Uwe Feiler Volker Kauder ja: 55 Dr. Kirsten Tackmann Enak Ferlemann Dr. Stefan Kaufmann nein: 509 Jessica Tatti Axel E. Fischer (Karlsruhe- Ronja Kemmer enthalten: 65 Alexander Ulrich Land) Roderich Kiesewetter Kathrin Vogler Dr. Maria Flachsbarth Michael Kießling Ja Dr. Sahra Wagenknecht Thorsten Frei Dr. Georg Kippels DIE LINKE Andreas Wagner Dr. Astrid Freudenstein Volkmar Klein Simone Barrientos Harald Weinberg Dr. Hans-Peter Friedrich Axel Knoerig (Hof) Dr. Dietmar Bartsch Katrin Werner Jens Koeppen Michael Frieser Lorenz Gösta Beutin Hubertus Zdebel Markus Koob Hans-Joachim Fuchtel Matthias W. Birkwald Carsten Körber Ingo Gädechens Michel Brandt Fraktionslos Alexander Krauß Dr. Thomas Gebhart Jörg Cezanne Marco Bülow Gunther Krichbaum Alois Gerig Fabio De Masi Dr. Günter Krings Eberhard Gienger Anke Domscheit-Berg Michael Kuffer Nein Eckhard Gnodtke Klaus Ernst Dr. Roy Kühne CDU/CSU Ursula Groden-Kranich Susanne Ferschl Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Hermann Gröhe Brigitte Freihold Dr. Michael von Abercron Andreas G. Lämmel Klaus-Dieter Gröhler Dr. Gregor Gysi Stephan Albani Katharina Landgraf Michael Grosse-Brömer Dr. André Hahn Norbert Maria Altenkamp Ulrich Lange Philipp Amthor Astrid Grotelüschen (B) Heike Hänsel Dr. Silke Launert (D) Matthias Höhn Artur Auernhammer Markus Grübel Jens Lehmann Andrej Hunko Peter Aumer Manfred Grund Paul Lehrieder Ulla Jelpke Dorothee Bär Oliver Grundmann Dr. Katja Leikert Kerstin Kassner Thomas Bareiß Monika Grütters Dr. Andreas Lenz Dr. Achim Kessler Norbert Barthle Fritz Güntzler Antje Lezius Katja Kipping Maik Beermann Olav Gutting Andrea Lindholz Jan Korte Manfred Behrens (Börde) Christian Haase Dr. Carsten Linnemann Jutta Krellmann Veronika Bellmann Florian Hahn Patricia Lips Caren Lay Sybille Benning Jürgen Hardt Nikolas Löbel Sabine Leidig Dr. André Berghegger Matthias Hauer Bernhard Loos Ralph Lenkert Melanie Bernstein Mark Hauptmann Dr. Jan-Marco Luczak Stefan Liebich Christoph Bernstiel Dr. Matthias Heider Daniela Ludwig Dr. Gesine Lötzsch Marc Biadacz Thomas Heilmann Dr. Saskia Ludwig Thomas Lutze Steffen Bilger Frank Heinrich (Chemnitz) Karin Maag Pascal Meiser Peter Bleser Mark Helfrich Yvonne Magwas Amira Mohamed Ali Norbert Brackmann Rudolf Henke Dr. Thomas de Maizière Cornelia Möhring Michael Brand (Fulda) Michael Hennrich Gisela Manderla Norbert Müller (Potsdam) Dr. Reinhard Brandl Marc Henrichmann Dr. Astrid Mannes Zaklin Nastic Silvia Breher Ansgar Heveling Matern von Marschall Dr. Alexander S. Neu Sebastian Brehm Christian Hirte Andreas Mattfeldt Thomas Nord Heike Brehmer Dr. Heribert Hirte Stephan Mayer (Altötting) Petra Pau Ralph Brinkhaus Alexander Hoffmann Dr. Michael Meister Sören Pellmann Dr. Carsten Brodesser Karl Holmeier Jan Metzler Victor Perli Gitta Connemann Dr. Hendrik Hoppenstedt Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Tobias Pflüger Alexander Dobrindt Erich Irlstorfer Michelbach Martina Renner Michael Donth Andreas Jung Dr. Mathias Middelberg Bernd Riexinger Marie-Luise Dött Ingmar Jung Dietrich Monstadt Eva-Maria Schreiber Hansjörg Durz Alois Karl Karsten Möring 17170 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Elisabeth Motschmann Albert Stegemann Bärbel Bas Klaus Mindrup (C) Axel Müller Andreas Steier Lothar Binding Susanne Mittag Sepp Müller Peter Stein (Rostock) (Heidelberg) Falko Mohrs Carsten Müller Sebastian Steineke Dr. Eberhard Brecht Claudia Moll (Braunschweig) Johannes Steiniger Leni Breymaier Siemtje Möller Stefan Müller (Erlangen) Christian Frhr. von Stetten Katrin Budde Bettina Müller Petra Nicolaisen Dieter Stier Dr. Lars Castellucci Detlef Müller (Chemnitz) Michaela Noll Gero Storjohann Bernhard Daldrup Michelle Müntefering Dr. Georg Nüßlein Stephan Stracke Dr. Karamba Diaby Dr. Rolf Mützenich Wilfried Oellers Max Straubinger Esther Dilcher Dietmar Nietan Florian Oßner Karin Strenz Sabine Dittmar Ulli Nissen Josef Oster Dr. Peter Tauber Dr. Wiebke Esdar Thomas Oppermann Henning Otte Dr. Hermann-Josef Tebroke Yasmin Fahimi Josephine Ortleb Ingrid Pahlmann Hans-Jürgen Thies Dr. Johannes Fechner Mahmut Özdemir Sylvia Pantel Alexander Throm Dr. Fritz Felgentreu (Duisburg) Martin Patzelt Dr. Dietlind Tiemann Dagmar Freitag Aydan Özoğuz Dr. Joachim Pfeiffer Antje Tillmann Martin Gerster Markus Paschke Stephan Pilsinger Markus Uhl Angelika Glöckner Christian Petry Dr. Christoph Ploß Dr. Volker Ullrich Timon Gremmels Sabine Poschmann Eckhard Pols Arnold Vaatz Kerstin Griese Florian Post Thomas Rachel Oswin Veith Michael Groß Florian Pronold Kerstin Radomski Kerstin Vieregge Uli Grötsch Dr. Sascha Raabe Alexander Radwan Volkmar Vogel (Kleinsaara) Bettina Hagedorn Martin Rabanus Alois Rainer Christoph de Vries Rita Hagl-Kehl Andreas Rimkus Dr. Peter Ramsauer Kees de Vries Metin Hakverdi Sönke Rix Eckhardt Rehberg Dr. Johann David Wadephul Sebastian Hartmann Dennis Rohde Lothar Riebsamen Marco Wanderwitz Dirk Heidenblut Dr. Martin Rosemann Josef Rief Nina Warken Hubertus Heil (Peine) René Röspel Marcus Held Dr. Ernst Dieter Rossmann (B) Johannes Röring Kai Wegner (D) Dr. Norbert Röttgen Marcus Weinberg Wolfgang Hellmich Michael Roth (Heringen) Stefan Rouenhoff (Hamburg) Gustav Herzog Susann Rüthrich Erwin Rüddel Dr. Anja Weisgerber Gabriele Hiller-Ohm Bernd Rützel Albert Rupprecht Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Eva Högl Sarah Ryglewski Stefan Sauer Sabine Weiss (Wesel I) Frank Junge Johann Saathoff Dr. Wolfgang Schäuble Ingo Wellenreuther Thomas Jurk Axel Schäfer (Bochum) Jana Schimke Marian Wendt Oliver Kaczmarek Dr. Nina Scheer Tankred Schipanski Kai Whittaker Johannes Kahrs Marianne Schieder Dr. Claudia Schmidtke Annette Widmann-Mauz Elisabeth Kaiser Udo Schiefner Patrick Schnieder Bettina Margarethe Ralf Kapschack Dr. Nils Schmid Wiesmann Nadine Schön Gabriele Katzmarek Uwe Schmidt Klaus-Peter Willsch Felix Schreiner Cansel Kiziltepe Ulla Schmidt (Aachen) Elisabeth Winkelmeier- Arno Klare Dagmar Schmidt (Wetzlar) Dr. Klaus-Peter Schulze Becker Lars Klingbeil Carsten Schneider (Erfurt) Uwe Schummer Oliver Wittke Dr. Bärbel Kofler Johannes Schraps Armin Schuster (Weil am Emmi Zeulner Rhein) Daniela Kolbe Michael Schrodi Paul Ziemiak Torsten Schweiger Elvan Korkmaz-Emre Ursula Schulte Dr. Matthias Zimmer Detlef Seif Christine Lambrecht Swen Schulz (Spandau) Johannes Selle Christian Lange (Backnang) Frank Schwabe Reinhold Sendker SPD Dr. Karl Lauterbach Stefan Schwartze Dr. Patrick Sensburg Niels Annen Sylvia Lehmann Rita Schwarzelühr-Sutter Thomas Silberhorn Ingrid Arndt-Brauer Helge Lindh Rainer Spiering Björn Simon Heike Baehrens Kirsten Lühmann Svenja Stadler Tino Sorge Ulrike Bahr Caren Marks Martina Stamm-Fibich Jens Spahn Nezahat Baradari Katja Mast Sonja Amalie Steffen Katrin Staffler Doris Barnett Christoph Matschie Mathias Stein Frank Steffel Dr. Matthias Bartke Hilde Mattheis Kerstin Tack Dr. Wolfgang Stefinger Sören Bartol Dr. Matthias Miersch Claudia Tausend Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17171

(A) Michael Thews Steffen Kotré Thomas Hacker Fraktionslos (C) Markus Töns Dr. Rainer Kraft Reginald Hanke Lars Herrmann Carsten Träger Jens Maier Peter Heidt Marja-Liisa Völlers Dr. Birgit Malsack- Katrin Helling-Plahr Enthalten Dirk Vöpel Winkemann Markus Herbrand Dr. Joe Weingarten Corinna Miazga Torsten Herbst DIE LINKE Bernd Westphal Andreas Mrosek Katja Hessel Dr. Diether Dehm Dirk Wiese Hansjörg Müller Dr. Gero Clemens Hocker Volker Münz Gülistan Yüksel Manuel Höferlin BÜNDNIS 90/ Dagmar Ziegler Sebastian Münzenmaier Dr. Christoph Hoffmann DIE GRÜNEN Christoph Neumann Reinhard Houben Stefan Zierke Luise Amtsberg Jan Ralf Nolte Ulla Ihnen Dr. Jens Zimmermann Lisa Badum Ulrich Oehme Olaf In der Beek Annalena Baerbock Gerold Otten Gyde Jensen AfD Margarete Bause Frank Pasemann Dr. Christian Jung Marc Bernhard Dr. Danyal Bayaz Tobias Matthias Peterka Karsten Klein Andreas Bleck Canan Bayram Paul Viktor Podolay Daniela Kluckert Peter Boehringer Agnieszka Brugger Jürgen Pohl Pascal Kober Stephan Brandner Ekin Deligöz Martin Reichardt Dr. Lukas Köhler Jürgen Braun Katja Dörner Martin Erwin Renner Konstantin Kuhle Marcus Bühl Katharina Dröge Roman Johannes Reusch Alexander Kulitz Matthias Büttner Harald Ebner Ulrike Schielke-Ziesing Alexander Graf Lambsdorff Petr Bystron Matthias Gastel Dr. Robby Schlund Ulrich Lechte Tino Chrupalla Kai Gehring Uwe Schulz Christian Lindner Joana Cotar Stefan Gelbhaar Thomas Seitz Michael Georg Link Dr. Gottfried Curio Martin Sichert (Heilbronn) Katrin Göring-Eckardt Siegbert Droese Detlev Spangenberg Oliver Luksic Erhard Grundl Thomas Ehrhorn Dr. Dirk Spaniel Till Mansmann Anja Hajduk Berengar Elsner von René Springer Dr. Jürgen Martens Britta Haßelmann (B) Gronow (D) Beatrix von Storch Christoph Meyer Dr. Bettina Hoffmann Dr. Michael Espendiller Dr. Alice Weidel Alexander Müller Dr. Anton Hofreiter Peter Felser Dr. Harald Weyel Frank Müller-Rosentritt Ottmar von Holtz Dr. Anton Friesen Wolfgang Wiehle Dr. Martin Neumann Dieter Janecek Markus Frohnmaier Dr. Heiko Wildberg (Lausitz) Dr. Kirsten Kappert- Gonther Dr. Götz Frömming Dr. Christian Wirth Hagen Reinhold Dr. Alexander Gauland Bernd Reuther Uwe Kekeritz Albrecht Glaser Katja Keul FDP Dr. Stefan Ruppert Kay Gottschalk Dr. h. c. Thomas Sven-Christian Kindler Armin-Paulus Hampel Grigorios Aggelidis Sattelberger Maria Klein-Schmeink Mariana Iris Harder-Kühnel Renata Alt Dr. Wieland Schinnenburg Sylvia Kotting-Uhl Dr. Roland Hartwig Christine Aschenberg- Matthias Seestern-Pauly Oliver Krischer Dugnus Jochen Haug Frank Sitta Stephan Kühn (Dresden) Nicole Bauer Martin Hebner Judith Skudelny Christian Kühn (Tübingen) Jens Beeck Waldemar Herdt Bettina Stark-Watzinger Renate Künast Dr. Jens Brandenburg Martin Hess (Rhein-Neckar) Benjamin Strasser Markus Kurth Dr. Heiko Heßenkemper Mario Brandenburg Katja Suding Monika Lazar Karsten Hilse (Südpfalz) Linda Teuteberg Sven Lehmann Martin Hohmann Sandra Bubendorfer-Licht Michael Theurer Steffi Lemke Dr. Bruno Hollnagel Dr. Marco Buschmann Stephan Thomae Dr. Tobias Lindner Leif-Erik Holm Karlheinz Busen Manfred Todtenhausen Dr. Irene Mihalic Johannes Huber Carl-Julius Cronenberg Dr. Florian Toncar Claudia Müller Fabian Jacobi Britta Katharina Dassler Dr. Andrew Ullmann Beate Müller-Gemmeke Jens Kestner Bijan Djir-Sarai Gerald Ullrich Dr. Ingrid Nestle Stefan Keuter Christian Dürr Johannes Vogel (Olpe) Dr. Konstantin von Notz Norbert Kleinwächter Hartmut Ebbing Sandra Weeser Omid Nouripour Enrico Komning Dr. Marcus Faber Nicole Westig Friedrich Ostendorff Jörn König Otto Fricke Katharina Willkomm Cem Özdemir 17172 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Lisa Paus Manuel Sarrazin Dr. Wolfgang Strengmann- Daniela Wagner (C) Filiz Polat Ulle Schauws Kuhn Beate Walter-Rosenheimer Tabea Rößner Stefan Schmidt Margit Stumpp Claudia Roth (Augsburg) Charlotte Schneidewind- Markus Tressel Fraktionslos Dr. Manuela Rottmann Hartnagel Jürgen Trittin Mario Mieruch Corinna Rüffer Kordula Schulz-Asche Dr. Julia Verlinden

Die dritte namentliche Abstimmung war über den Ge- Stimmkarten 640. Mit Ja haben gestimmt 151, mit Nein setzentwurf der Abgeordneten Karlheinz Busen, Frank haben gestimmt 488, 1 Enthaltung. Damit ist der Gesetz- Sitta, Nicole Bauer, weiterer Abgeordneter und der entwurf abgelehnt, und es entfällt die weitere Beratung. Fraktion der FDP zum Wolfsmanagement. Abgegebene

Endgültiges Ergebnis Martin Hohmann Dr. Harald Weyel Pascal Kober Abgegebene Stimmen: 638; Dr. Bruno Hollnagel Wolfgang Wiehle Dr. Lukas Köhler davon Leif-Erik Holm Dr. Heiko Wildberg Konstantin Kuhle ja: 151 Johannes Huber Dr. Christian Wirth Alexander Kulitz nein: 486 Fabian Jacobi Alexander Graf Lambsdorff enthalten: 1 Jens Kestner FDP Ulrich Lechte Stefan Keuter Christian Lindner Ja Grigorios Aggelidis Norbert Kleinwächter Michael Georg Link Renata Alt AfD Enrico Komning (Heilbronn) Christine Aschenberg- Oliver Luksic Dr. Bernd Baumann Jörn König Dugnus Till Mansmann Marc Bernhard Steffen Kotré Nicole Bauer Dr. Jürgen Martens Andreas Bleck Dr. Rainer Kraft Jens Beeck Christoph Meyer Peter Boehringer Rüdiger Lucassen Dr. Jens Brandenburg Stephan Brandner Jens Maier (Rhein-Neckar) Alexander Müller Jürgen Braun Dr. Lothar Maier Mario Brandenburg Frank Müller-Rosentritt (B) (Südpfalz) (D) Marcus Bühl Dr. Birgit Malsack- Dr. Martin Neumann Sandra Bubendorfer-Licht (Lausitz) Matthias Büttner Winkemann Hagen Reinhold Petr Bystron Corinna Miazga Dr. Marco Buschmann Bernd Reuther Tino Chrupalla Andreas Mrosek Karlheinz Busen Dr. Stefan Ruppert Dr. Gottfried Curio Hansjörg Müller Carl-Julius Cronenberg Volker Münz Britta Katharina Dassler Dr. h. c. Thomas Siegbert Droese Sattelberger Sebastian Münzenmaier Bijan Djir-Sarai Thomas Ehrhorn Dr. Wieland Schinnenburg Christoph Neumann Christian Dürr Berengar Elsner von Matthias Seestern-Pauly Gronow Jan Ralf Nolte Hartmut Ebbing Frank Sitta Dr. Michael Espendiller Ulrich Oehme Dr. Marcus Faber Judith Skudelny Peter Felser Gerold Otten Otto Fricke Bettina Stark-Watzinger Dr. Anton Friesen Frank Pasemann Thomas Hacker Benjamin Strasser Markus Frohnmaier Tobias Matthias Peterka Reginald Hanke Katja Suding Dr. Götz Frömming Paul Viktor Podolay Peter Heidt Linda Teuteberg Dr. Alexander Gauland Jürgen Pohl Katrin Helling-Plahr Michael Theurer Albrecht Glaser Martin Reichardt Markus Herbrand Stephan Thomae Franziska Gminder Martin Erwin Renner Torsten Herbst Manfred Todtenhausen Kay Gottschalk Roman Johannes Reusch Katja Hessel Dr. Florian Toncar Armin-Paulus Hampel Ulrike Schielke-Ziesing Dr. Gero Clemens Hocker Dr. Andrew Ullmann Mariana Iris Harder-Kühnel Dr. Robby Schlund Manuel Höferlin Gerald Ullrich Dr. Roland Hartwig Uwe Schulz Dr. Christoph Hoffmann Johannes Vogel (Olpe) Jochen Haug Thomas Seitz Reinhard Houben Sandra Weeser Martin Hebner Martin Sichert Ulla Ihnen Nicole Westig Udo Theodor Hemmelgarn Detlev Spangenberg Olaf In der Beek Katharina Willkomm Waldemar Herdt Dr. Dirk Spaniel Gyde Jensen Martin Hess René Springer Dr. Christian Jung Dr. Heiko Heßenkemper Beatrix von Storch Karsten Klein Fraktionslos Karsten Hilse Dr. Alice Weidel Daniela Kluckert Lars Herrmann Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17173

(A) Nein Astrid Grotelüschen Andrea Lindholz Dr. Wolfgang Schäuble (C) CDU/CSU Markus Grübel Dr. Carsten Linnemann Jana Schimke Manfred Grund Patricia Lips Tankred Schipanski Dr. Michael von Abercron Oliver Grundmann Nikolas Löbel Dr. Claudia Schmidtke Stephan Albani Monika Grütters Bernhard Loos Patrick Schnieder Norbert Maria Altenkamp Fritz Güntzler Dr. Jan-Marco Luczak Nadine Schön Philipp Amthor Olav Gutting Daniela Ludwig Felix Schreiner Artur Auernhammer Christian Haase Dr. Saskia Ludwig Dr. Klaus-Peter Schulze Peter Aumer Florian Hahn Karin Maag Uwe Schummer Dorothee Bär Jürgen Hardt Yvonne Magwas Armin Schuster (Weil am Thomas Bareiß Matthias Hauer Dr. Thomas de Maizière Rhein) Norbert Barthle Mark Hauptmann Gisela Manderla Torsten Schweiger Maik Beermann Dr. Matthias Heider Dr. Astrid Mannes Detlef Seif Manfred Behrens (Börde) Thomas Heilmann Matern von Marschall Johannes Selle Veronika Bellmann Frank Heinrich (Chemnitz) Andreas Mattfeldt Reinhold Sendker Sybille Benning Mark Helfrich Stephan Mayer (Altötting) Dr. Patrick Sensburg Dr. André Berghegger Rudolf Henke Dr. Michael Meister Thomas Silberhorn Melanie Bernstein Michael Hennrich Jan Metzler Björn Simon Christoph Bernstiel Marc Henrichmann Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Tino Sorge Marc Biadacz Ansgar Heveling Michelbach Jens Spahn Steffen Bilger Christian Hirte Dr. Mathias Middelberg Katrin Staffler Peter Bleser Dr. Heribert Hirte Dietrich Monstadt Frank Steffel Norbert Brackmann Alexander Hoffmann Karsten Möring Dr. Wolfgang Stefinger Michael Brand (Fulda) Karl Holmeier Elisabeth Motschmann Albert Stegemann Dr. Reinhard Brandl Dr. Hendrik Hoppenstedt Axel Müller Andreas Steier Silvia Breher Erich Irlstorfer Sepp Müller Peter Stein (Rostock) Sebastian Brehm Andreas Jung Carsten Müller Sebastian Steineke Heike Brehmer Ingmar Jung (Braunschweig) Johannes Steiniger Stefan Müller (Erlangen) (B) Ralph Brinkhaus Alois Karl Christian Frhr. von Stetten (D) Dr. Carsten Brodesser Anja Karliczek Petra Nicolaisen Dieter Stier Gitta Connemann Torbjörn Kartes Michaela Noll Gero Storjohann Alexander Dobrindt Volker Kauder Dr. Georg Nüßlein Stephan Stracke Michael Donth Dr. Stefan Kaufmann Wilfried Oellers Max Straubinger Marie-Luise Dött Ronja Kemmer Florian Oßner Karin Strenz Hansjörg Durz Roderich Kiesewetter Josef Oster Dr. Peter Tauber Thomas Erndl Michael Kießling Henning Otte Dr. Hermann-Josef Tebroke Hermann Färber Dr. Georg Kippels Ingrid Pahlmann Hans-Jürgen Thies Uwe Feiler Volkmar Klein Sylvia Pantel Alexander Throm Enak Ferlemann Axel Knoerig Martin Patzelt Dr. Dietlind Tiemann Axel E. Fischer (Karlsruhe- Jens Koeppen Dr. Joachim Pfeiffer Antje Tillmann Land) Markus Koob Stephan Pilsinger Markus Uhl Dr. Maria Flachsbarth Carsten Körber Dr. Christoph Ploß Dr. Volker Ullrich Thorsten Frei Alexander Krauß Eckhard Pols Arnold Vaatz Dr. Astrid Freudenstein Gunther Krichbaum Thomas Rachel Oswin Veith Dr. Hans-Peter Friedrich Dr. Günter Krings Kerstin Radomski Kerstin Vieregge (Hof) Michael Kuffer Alexander Radwan Volkmar Vogel (Kleinsaara) Michael Frieser Dr. Roy Kühne Alois Rainer Christoph de Vries Hans-Joachim Fuchtel Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Dr. Peter Ramsauer Kees de Vries Ingo Gädechens Andreas G. Lämmel Eckhardt Rehberg Dr. Johann David Wadephul Dr. Thomas Gebhart Katharina Landgraf Lothar Riebsamen Marco Wanderwitz Alois Gerig Ulrich Lange Josef Rief Nina Warken Eberhard Gienger Dr. Silke Launert Johannes Röring Kai Wegner Eckhard Gnodtke Jens Lehmann Dr. Norbert Röttgen Marcus Weinberg Ursula Groden-Kranich Paul Lehrieder Stefan Rouenhoff (Hamburg) Hermann Gröhe Dr. Katja Leikert Erwin Rüddel Dr. Anja Weisgerber Klaus-Dieter Gröhler Dr. Andreas Lenz Albert Rupprecht Peter Weiß (Emmendingen) Michael Grosse-Brömer Antje Lezius Stefan Sauer Sabine Weiss (Wesel I) 17174 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Ingo Wellenreuther Frank Junge Sarah Ryglewski Dr. Gregor Gysi (C) Marian Wendt Thomas Jurk Johann Saathoff Dr. André Hahn Kai Whittaker Oliver Kaczmarek Axel Schäfer (Bochum) Heike Hänsel Annette Widmann-Mauz Johannes Kahrs Dr. Nina Scheer Matthias Höhn Bettina Margarethe Elisabeth Kaiser Marianne Schieder Andrej Hunko Wiesmann Ralf Kapschack Udo Schiefner Ulla Jelpke Klaus-Peter Willsch Gabriele Katzmarek Dr. Nils Schmid Kerstin Kassner Elisabeth Winkelmeier- Cansel Kiziltepe Uwe Schmidt Dr. Achim Kessler Becker Arno Klare Ulla Schmidt (Aachen) Katja Kipping Oliver Wittke Lars Klingbeil Dagmar Schmidt (Wetzlar) Jan Korte Emmi Zeulner Dr. Bärbel Kofler Carsten Schneider (Erfurt) Jutta Krellmann Paul Ziemiak Daniela Kolbe Johannes Schraps Caren Lay Dr. Matthias Zimmer Elvan Korkmaz-Emre Michael Schrodi Sabine Leidig Christine Lambrecht Ursula Schulte Ralph Lenkert SPD Christian Lange (Backnang) Swen Schulz (Spandau) Stefan Liebich Niels Annen Dr. Karl Lauterbach Frank Schwabe Dr. Gesine Lötzsch Ingrid Arndt-Brauer Sylvia Lehmann Stefan Schwartze Thomas Lutze Heike Baehrens Helge Lindh Rita Schwarzelühr-Sutter Pascal Meiser Ulrike Bahr Kirsten Lühmann Rainer Spiering Amira Mohamed Ali Nezahat Baradari Isabel Mackensen Svenja Stadler Cornelia Möhring Doris Barnett Caren Marks Martina Stamm-Fibich Norbert Müller (Potsdam) Dr. Matthias Bartke Katja Mast Sonja Amalie Steffen Zaklin Nastic Sören Bartol Christoph Matschie Mathias Stein Dr. Alexander S. Neu Bärbel Bas Hilde Mattheis Kerstin Tack Thomas Nord Lothar Binding Dr. Matthias Miersch Claudia Tausend Petra Pau (Heidelberg) Klaus Mindrup Michael Thews Sören Pellmann Dr. Eberhard Brecht Susanne Mittag Markus Töns Victor Perli Leni Breymaier Falko Mohrs Carsten Träger Tobias Pflüger Katrin Budde (B) Claudia Moll Marja-Liisa Völlers Martina Renner (D) Dr. Lars Castellucci Siemtje Möller Dirk Vöpel Bernd Riexinger Bernhard Daldrup Bettina Müller Dr. Joe Weingarten Eva-Maria Schreiber Dr. Karamba Diaby Detlef Müller (Chemnitz) Bernd Westphal Dr. Petra Sitte Esther Dilcher Michelle Müntefering Dirk Wiese Helin Evrim Sommer Sabine Dittmar Dr. Rolf Mützenich Gülistan Yüksel Friedrich Straetmanns Dr. Wiebke Esdar Dietmar Nietan Dagmar Ziegler Dr. Kirsten Tackmann Yasmin Fahimi Ulli Nissen Stefan Zierke Jessica Tatti Dr. Johannes Fechner Dr. Jens Zimmermann Thomas Oppermann Alexander Ulrich Dr. Fritz Felgentreu Josephine Ortleb Kathrin Vogler Ulrich Freese Mahmut Özdemir AfD Dr. Sahra Wagenknecht Dagmar Freitag (Duisburg) Joana Cotar Andreas Wagner Martin Gerster Aydan Özoğuz Harald Weinberg Angelika Glöckner Markus Paschke Katrin Werner Timon Gremmels Christian Petry DIE LINKE Hubertus Zdebel Kerstin Griese Sabine Poschmann Doris Achelwilm Michael Groß Florian Post Gökay Akbulut Uli Grötsch Florian Pronold Simone Barrientos BÜNDNIS 90/ Bettina Hagedorn Dr. Sascha Raabe Dr. Dietmar Bartsch DIE GRÜNEN Rita Hagl-Kehl Martin Rabanus Lorenz Gösta Beutin Luise Amtsberg Metin Hakverdi Andreas Rimkus Matthias W. Birkwald Lisa Badum Sebastian Hartmann Sönke Rix Michel Brandt Annalena Baerbock Dirk Heidenblut Dennis Rohde Jörg Cezanne Margarete Bause Hubertus Heil (Peine) Dr. Martin Rosemann Fabio De Masi Dr. Danyal Bayaz Marcus Held René Röspel Dr. Diether Dehm Canan Bayram Wolfgang Hellmich Dr. Ernst Dieter Rossmann Anke Domscheit-Berg Agnieszka Brugger Gustav Herzog Michael Roth (Heringen) Klaus Ernst Ekin Deligöz Gabriele Hiller-Ohm Susann Rüthrich Susanne Ferschl Katja Dörner Dr. Eva Högl Bernd Rützel Brigitte Freihold Katharina Dröge Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17175

(A) Harald Ebner Sven-Christian Kindler Dr. Konstantin von Notz Dr. Wolfgang Strengmann- (C) Matthias Gastel Maria Klein-Schmeink Omid Nouripour Kuhn Kai Gehring Sylvia Kotting-Uhl Friedrich Ostendorff Margit Stumpp Stefan Gelbhaar Oliver Krischer Cem Özdemir Markus Tressel Katrin Göring-Eckardt Stephan Kühn (Dresden) Lisa Paus Jürgen Trittin Erhard Grundl Christian Kühn (Tübingen) Filiz Polat Dr. Julia Verlinden Anja Hajduk Renate Künast Tabea Rößner Daniela Wagner Britta Haßelmann Markus Kurth Claudia Roth (Augsburg) Beate Walter-Rosenheimer Dr. Bettina Hoffmann Monika Lazar Dr. Manuela Rottmann Dr. Anton Hofreiter Sven Lehmann Corinna Rüffer Fraktionslos Ottmar von Holtz Steffi Lemke Manuel Sarrazin Marco Bülow Dieter Janecek Dr. Tobias Lindner Ulle Schauws Dr. Kirsten Kappert- Dr. Irene Mihalic Stefan Schmidt Enthalten Gonther Claudia Müller Charlotte Schneidewind- Uwe Kekeritz Beate Müller-Gemmeke Hartnagel Fraktionslos Katja Keul Dr. Ingrid Nestle Kordula Schulz-Asche Mario Mieruch

Wir fahren fort in der Debatte. Das Wort hat als Näch- Gesetz grundlegend zu überarbeiten. Beispielhaft will ich ster der Kollege Markus Herbrand für die Fraktion der drei Punkte nennen. FDP. Erstmals werden Befugnisse zur sogenannten Quellen- (Beifall bei der FDP) telekommunikationsüberwachung eingeräumt. (Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Richtig Markus Herbrand (FDP): so!) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin- nen und Kollegen! Was wir hier zur Abstimmung vor- Diese Maßnahmen sind potenziell geeignet, Zugriffe auf liegen haben, ist in Wirklichkeit nicht, wie die Bundesre- das gesamte IT-System zu ermöglichen. gierung uns weismachen will, die Weiterentwicklung (Zuruf von der FDP: Pfui!) (B) eines Gesetzes. Die darin enthaltenen wesentlichen Be- (D) fugnisausweitungen für den Zollfahndungsdienst machen Deshalb sind hier dringend strengere Voraussetzungen daraus nämlich ein Gesetz völlig neuer Qualität. festzuschreiben, wie beispielsweise bei der Onlinedurch- (Stephan Thomae [FDP]: Sehr richtig!) suchung. Die vorgesehene Regelung hierzu begegnet in unseren Reihen großen verfassungsrechtlichen Beden- Das Gesetz trägt schon die Handschrift eines Polizeige- ken. setzes und ist ein Gesetz im Schafspelz. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Der zweite Punkt. Das Gesetz sieht vor, dass zukünftig Zukünftig sollen neben vielen anderen Maßnahmen auch schon sogenannte als gefährlich eingestufte Personen in noch Bewegungsbilder aus Verbindungsdaten erstellt, den Fokus staatlicher Überwachung geraten können, und Chatnachrichten mittels Spähsoftware ausgelesen und zwar völlig unabhängig von einer konkreten Straftat. Eine verdeckte Ermittler eingesetzt werden, alles oft ohne hin- derartige Maßnahmenergreifung auf der Basis einer droh- reichende Begründungserfordernis. Außerdem sollen tat- enden Gefahr lädt aus unserer Sicht zu Missbrauch ein sächlich Maßnahmen aufgrund drohender Gefahr ergrif- fen werden können. Das ist ein Maßnahmenkatalog, der (Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Gefah- es in sich hat. renabwehr!) (Grigorios Aggelidis [FDP]: Ja!) und sollte so nicht Gegenstand eines Gefahrenabwehrge- setzes des Bundes sein. Wir machen uns eigentlich nur die Bedenken zu eigen, die unter anderem auch der Bundesdatenschutzbeauftrag- (Beifall bei der FDP) te in seiner Stellungnahme vorbrachte. Dass diese Beden- ken scheinbar so an Ihnen abprallen, liebe Kollegen der Dritter Punkt. Mit der neugeschaffenen Möglichkeit, Großen Koalition, sollte den Bürgerinnen und Bürgern dynamische IP-Adressen permanent abzurufen und fort- wirklich zu denken geben. laufend zu speichern, verstößt das Gesetz aus unserer Sicht klar gegen Artikel 10 des Grundgesetzes. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Sehr geehrter Herr Kollege de Maizière, Sie kannten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) meine Rede offenbar schon. Sie werfen uns immer vor, In unserem Entschließungsantrag zeigen wir sehr de- den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Eingriffen tailliert auf, wo wir die vielen Schwächen dieses Gesetz- des Staates allzusehr über die Notwendigkeit staatlichen entwurfs sehen, und fordern die Bundesregierung auf, das Handelns zu stellen. 17176 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Markus Herbrand (A) (Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Genau technik, oder der Vermögensabschöpfung bleiben so un- (C) so ist es!) genutzt. Ich meine, dass die hier deutlich werdenden Gewichtun- Für Zollfahnder ist das Gesetz – das haben Sie selber in gen einer der Gründe sind, warum wir nicht alle in der der Anhörung beklagt – oft unverständlich. Es ist nicht CDU sind, und vermutlich ist das auch gut so. klar für die Beamten; es ist aber auch nicht klar für die (Beifall bei der FDP – Dr. Gesine Lötzsch [DIE betroffenen Bürger. Wo im Polizeirecht zum Beispiel von LINKE]: Ja!) Sicherung von Beamten die Rede ist, wird hier von Schutz gesprochen. Es ist also nicht klar: Ist die Siche- Bei aller Notwendigkeit, den Zoll technisch und recht- rung der eigenen Beamten gemeint oder der Schutz der lich gut auszustatten, damit er seine wirklich wichtigen Bürger? Aufgaben auch wahrnehmen kann: Dieses Gesetz lässt die notwendige Balance zwischen Freiheit und Sicherheit Auch die Financial Intelligence Unit des Zolls, die für deutlich vermissen. die Geldwäschebekämpfung zuständig ist, bleibt eine Baustelle. Bei der FIU – das habe ich bereits 2017 mit (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ Anfragen an die Bundesregierung aufgedeckt – gab es DIE GRÜNEN) einen Riesenrückstau an unbearbeiteten Geldwäschever- Es ist toxisch; es ist Gift für die Bürgerrechte. Deshalb dachtsmeldungen einschließlich Verdacht auf Terrorfi- lehnen wir es ab. nanzierung. Sie wurden zu spät bearbeitet, und das hat dazu geführt, dass auch Gelder von Terrorverdächtigen Danke schön. nicht eingefroren werden konnten. (Beifall bei der FDP) Diese Planstellen, die jetzt bei der FIU zusätzlich ge- schaffen werden – das ist gut –, bleiben weiterhin unbe- Vizepräsident Thomas Oppermann: setzt. Dort sind viele Aushilfen tätig, die überhaupt keine Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion Die Erfahrung mit der Anwendung von Geldwäschegesetzen Linke der Kollege Fabio De Masi. haben. Mir hat kürzlich ein ehemaliger LKA-Beamter geschildert, dass er bei einem Lehrgang in der FIU vor (Beifall bei der LINKEN) 100 Beamten saß, von denen nur einer in der Lage war, die einschlägigen geldwäscherechtlichen Bestimmungen Fabio De Masi (DIE LINKE): anzuwenden, und zwar nicht, weil sie irgendwie zu blöd wären, sondern weil dort eben nicht das entsprechende (B) Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Der Zoll- (D) fahndungsdienst wird neu aufgestellt. Es ist selbstver- Personal angeheuert wird. ständlich gut und richtig, wenn Behörden im Kampf ge- gen Geldwäsche, Finanzkriminalität oder Lohndrückerei Der Zoll muss von daher dringend befähigt werden. Er aufrüsten. Deutschland ist ein Paradies für Geldwäsche, darf nicht auf dem Fahrrad gegen den Ferrari unterwegs und in Städten wie Hamburg und Berlin oder im Ruhrge- sein. biet haben wir einen regelrechten Arbeiterstrich, wo sit- tenwidrige Löhne gezahlt werden. Natürlich müssen auch die Bedenken des Bundesda- tenschutzbeauftragten berücksichtigt werden. Denn es Die Kontrollen sind lückenhaft, untergraben Mindest- gefährdet auch Ermittlungen, wenn man zu freigebig Da- löhne, und der Zoll nimmt laut Insidern die eigenen Prüf- ten durch halb Europa schickt. quoten beim Mindestlohn nicht ernst, weil er weiß, dass er derzeit nicht befähigt ist, die Mindestlöhne am Arbeits- Eine abschließende Bemerkung sei mir gestattet, Herr markt ordnungsgemäß durchzusetzen. Präsident, weil die AfD gemeint hat, es ginge darum, den Bei Verstößen ist es immer wieder so, dass überwie- Kokainschmuggel in Deutschland zu bekämpfen. Dann gend Bauarbeiter oder Beschäftigte in Schlachtbetrieben sollte den Zuschauern auch mitgeteilt werden, dass ein dran glauben müssen, nicht die Bosse. Daher sagt Die AfD-Kommunalpolitiker aus Bremerhaven bezichtigt Linke: Wir wollen die Generalunternehmerhaftung stär- wird, kürzlich 98 Kilo Kokain mit einem Marktwert ken, von 8 Millionen Euro geschmuggelt zu haben. Ich denke, das ist eine wertvolle Information auch für die Zuschaue- (Beifall bei der LINKEN) rinnen und Zuschauer.

damit Firmen nicht Aufträge an Subunternehmen verge- Vielen Dank. ben und sich dann nicht zuständig fühlen, wenn Löhne gedrückt werden. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Mit dem Zollfahndungsdienstgesetz sollen neue Be- Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) fugnisse zu verdeckten Ermittlungen geschaffen werden. Aber es gibt zahlreiche Doppelstrukturen beim Zoll, etwa Vizepräsident Thomas Oppermann: im Verhältnis zum Zollkriminalamt. Es gibt unklare Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Rechtsbegriffe, die die Anwendung auch für die Beamten Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Lisa Paus. selber schwer machen. Synergien mit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit etwa bei der Forensik, also der Kriminal- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17177

(A) Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Sachverständige Dr. Ulf Buermeyer, Richter am (C) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zoll Landgericht Berlin, formulierte es bei der Anhörung erfüllt eine oft unterschätzte Funktion innerhalb der deut- zum BKA-Gesetz folgendermaßen: Anstatt sich in der schen Sicherheitsarchitektur. Die Verfolgung von Geld- Mitte einer vorgegebenen Fahrspur möglicher Grund- wäsche und illegalen Rüstungsexporten zum Beispiel ge- rechtseingriffe zu bewegen, schrammt der Gesetzgeber hört zu seinen Aufgaben, aber auch die Bekämpfung von konsequent an der rechten Leitplanke entlang. – Und Schwarzarbeit und Steuerbetrug. Dafür braucht der Zoll das gilt leider eben auch hier wieder, werte Kollegen. selbstverständlich ausreichende Ressourcen und auch Be- fugnisse. (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Stimmt doch nicht! Das ist bewusst falsch!) (Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Eben!) Die GroKo kommt mir an diesem Punkt so vor wie ein Aber er braucht nicht dieses Gesetz, meine Damen und ganz unbegabter Fahrschüler: Sie verschrammen ohne Herren. jede Not das Grundgesetz. Außerdem hat das Gesetz viele Doppelungen, die die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Handhabbarkeit in der Praxis unnötig erschweren. Dabei Herr Staatssekretär Bösinger pries diese Novelle des wäre die gute Handhabbarkeit eines Gesetzes gerade bei Zollfahndungsdienstgesetzes mit dem Bild, mit diesem einer Behörde, in der Tausende Stellen nach wie vor un- Gesetz sei der Zoll nicht mehr der kleine Bruder des besetzt sind, besonders wichtig. Einige Sachverständige Bundeskriminalamtes, sondern sein Zwilling. Das finde empfahlen sogar, es deshalb schon aus rein handwerkli- ich auch, meine Damen und Herren, aber das heißt leider chen Gründen zurückzuziehen. Das haben Sie abgelehnt. vor allem, dass Sie von der Großen Koalition beim Zoll Schade! So müssen wir dieses Gesetz ablehnen, meine jetzt all die hochproblematischen Grundrechtseingriffe Damen und Herren. wiederholen, die Sie schon beim Bundeskriminalamt ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – macht haben. Das heißt, Sie verdoppeln die Probleme. Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Schade!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Thomas Oppermann: Ich nenne beispielhaft zwei: Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist der Erstes Problem. Sie schaffen mit diesem Gesetz auch Kollege Sebastian Brehm für die Fraktion der CDU/CSU. für den Zoll die gesetzliche Grundlage für den Einsatz (Beifall bei der CDU/CSU) (B) von Staatstrojanern. Hier schließt sich ironischerweise (D) ein Kreis; denn es war der Zoll, der als erste deutsche Sebastian Brehm (CDU/CSU): Behörde bereits 2007 Staatstrojaner einsetzte – damals Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und allerdings ohne rechtliche Grundlage. Jetzt gibt es diese Kollegen! Immer wenn eine EU-Richtlinie in nationales rechtliche Grundlage, aber die löst natürlich nicht das Recht umgesetzt wird, empfiehlt es sich natürlich, nicht massive strukturelle Problem bei der Anwendung von mehr zu machen, als nach der Richtlinie notwendig ist, Staatstrojanern; denn diese Software funktioniert eben und Gleiches gilt auch, wenn eine Gerichtsentscheidung gerade dann, wenn dafür gravierende Sicherheitslücken getroffen wurde. Beides haben wir hier bei der Neustruk- offen gehalten werden. Mit anderen Worten: Mit dem turierung des Zollfahndungsdienstgesetzes: Wir setzen Einsatz von Staatstrojanern setzt der Staat sämtliche An- einerseits eine Richtlinie aus der EU und andererseits wenderinnen und Anwender von Handys und Computern das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundes- bewusst erheblichen Sicherheitsrisiken durch Dritte aus, kriminalamtgesetz vom 20. April 2016 um. Beide haben (Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Das ist eine Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes doch Unsinn! – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: erforderlich gemacht. Stimmt doch nicht!) Darüber hinaus ist eine Neustrukturierung des Zolls und das lehnen wir ab. aber auch deshalb notwendig, weil der Zoll immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt wird. Daher kommt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- es nun zu dieser notwendigen Neustrukturierung. wie bei Abgeordneten der LINKEN – Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Deutschland si- Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Da ist chern rund 39 000 Zöllnerinnen und Zöllner täglich die der Herr von Notz schon weiter als Sie!) Leistungsfähigkeit unseres Gemeinwesens. Sie fördern Zweites Problem. Es fehlt in diesem Gesetz die klare den Wirtschaftsstandort Deutschland und tragen zur Sta- Abgrenzung gegenüber der Arbeitsweise eines Geheim- bilisierung der Sozialsysteme bei. Die Männer und dienstes. Frauen des Zolls schützen unsere Wirtschaft vor Wett- bewerbsverzerrungen, sie schützen die Verbraucher vor (Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Was?) mangelhaften Waren, und sie schützen die Bevölkerung eben auch vor den Folgen grenzüberschreitender organis- So darf der Zoll zukünftig nämlich bereits bei Verdacht ierter Kriminalität. verdeckte Ermittler einsetzen, und auch die präventiven Telefonüberwachungsmöglichkeiten werden ausgewei- Die Anforderungen an den Zoll entwickeln sich ständig tet. weiter, und auch in den letzten Jahren kamen weitere 17178 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Sebastian Brehm (A) Anforderungen dazu: die Überwachung des Mindest- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (C) lohns, die Verwaltung der Kfz-Steuer und anderes. Zur der SPD) Erfüllung dieses sehr breiten Spektrums – insbesondere Wir wollen einen starken Zoll. Der vorliegende Gesetz- auch des Zollfahndungsdienstes – bedarf es einer moder- entwurf verbessert die Grundlagen für eine effektive Ar- nen und flexiblen Organisationsstruktur, und es braucht beit unserer Zöllnerinnen und Zöllner, und das ist gut und auch eine entsprechende Unterstützung seitens der Poli- richtig. Deshalb begrüßen wir diesen Gesetzentwurf, und tik. wir stimmen selbstverständlich zu. Lassen Sie mich an dieser Stelle für die CDU/CSU- Ich danke den Berichterstattern, insbesondere Bundestagsfraktion meinen Dank an alle diese 39 000 Dr. Thomas de Maizière, der als zuständiger Berichter- Zöllnerinnen und Zöllner im Land richten, die auch heute statter dieses Gesetz mit großem Sachverstand begleitet unsere Staatsfinanzen und Sozialsysteme schützen sowie und verhandelt hat. den Umwelt- und Verbraucherschutz gewährleisten – und das teilweise übrigens auch unter Einsatz ihres Lebens. Lassen Sie uns ein deutliches Zeichen für den Zoll und Sie machen ihre Arbeit hervorragend. Herzlichen Dank für den Zollfahndungsdienst sowie gegen die organisierte dafür! Kriminalität in Deutschland setzen! Deswegen bitte ich um breite Zustimmung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Herzlichen Dank. neten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Ingrid Arndt-Brauer (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- [SPD]) ordneten der SPD) Der vorliegende Gesetzentwurf ist eine Verbesserung der Grundlagen für die praktische Arbeit der Zöllnerinnen Vizepräsident Thomas Oppermann: und Zöllner. Er verbessert aber vor allem auch die Mög- Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht lichkeiten zur Bekämpfung der organisierten Kriminali- vor. Ich schließe die Aussprache. tät. Künftig sind die Ermittler des Zolls mit ihren Kolle- ginnen und Kollegen des Bundeskriminalamts de facto Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- gleichgestellt. desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Neustruk- turierung des Zollfahndungsdienstgesetzes. Der Finanz- Die Befugnisse des Zolls werden gestärkt durch den ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Einsatz verdeckter Ermittlerinnen und Ermittler. Ver- Drucksache 19/16116, den Gesetzentwurf der Bundesre- deckte Ermittler sind aber nicht nur zum Zwecke der gierung auf Drucksache 19/12088 in der Ausschussfas- (B) Strafverfolgung notwendig, sondern auch zur Gefahren- sung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz- (D) abwehr, und das leistet der Zoll. entwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält (Dr. Thomas de Maizière [CDU/CSU]: Genau!) sich? – Damit ist der Gesetzentwurf bei Enthaltung der Fraktion Die Linke mit den Stimmen der Koalitionsfrak- Erfolgen soll diese Gefahrenabwehr eben auch durch tionen gegen die Stimmen von Bündnis 90/Grüne, FDP mögliche Telekommunikationsüberwachung, und diese und AfD angenommen. Überwachung muss durch verdeckte Ermittler erfolgen; denn nur die kennen die Codeworte der Drogendealer und Dritte Beratung derjenigen, die über WhatsApp und Messenger-Dienste und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem entsprechende Kennungen senden. Sie behaupten nun, Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – das werde einfach bei jedem Bürger gemacht. Das ist Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der falsch. Es ist natürlich immer nur in begründeten Fällen Gesetzentwurf wiederum bei Enthaltung der Fraktion möglich, und das muss man hier in diesem Zusammen- Die Linke mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen an- hang auch mal deutlich sagen, lieber Kollege Herbrand, genommen. liebe Frau Paus. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ßungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/ neten der SPD – Markus Herbrand [FDP]: Steht 16143. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – leider nicht so im Gesetzentwurf!) Das sind die Fraktionen FDP, Bündnis 90/Grüne und Lin- Es ist gut und richtig, dass dieses Gesetz neu geregelt ke. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Koalitionsfrak- wird – für eine effektive Verbrechensbekämpfung. Wer tionen und die AfD. Wer enthält sich? – Keine Enthal- heute diesen Gesetzentwurf also ablehnt, liebe Kollegin- tung. Damit ist dieser Entschließungsantrag mit der nen und Kollegen der Opposition, der läuft Gefahr, Ver- Mehrheit des Hauses abgelehnt. brechensbekämpfung zu verhindern. Das sollten Sie bei Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: der Abstimmung mitbedenken, und das kann doch nicht in unserem Sinne sein. Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Inneres und Heimat Wir stärken den Zoll; Sie reden davon, lehnen dann (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten aber das Gesetz ab. Lieber Herr Gottschalk, das ist un- Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, Ulla Jelpke, glaubwürdig, und deswegen sollten Sie entweder zustim- weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE men oder nicht solche Reden im Parlament führen. LINKE Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17179

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) Die Bundesbehörde Zentrale Stelle für Infor- Unternehmen fragen. Das ist genau das, was zumeist (C) mationstechnik im Sicherheitsbereich – ZI- von der Opposition kritisiert wird. Da geht es um Daten- TiS – auflösen sicherheit. Drucksachen 19/8270, 19/9293 Genau diese Datensicherheit haben wir schon: Weil nämlich die Unternehmen nicht mit dem Staat kooperie- Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- ren, wenn es darum geht, ihre Verschlüsselung preiszu- schlossen. geben. In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten: Ent- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erster weder Sie kommen gar nicht an die Daten und können die Redner der Kollege Christoph Bernstiel für die Fraktion Netzwerke nicht aufdecken, Sie können die Hintergründe der CDU/CSU. nicht aufdecken, und Sie können keine Strafverfolgung in dem Moment machen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Oder Sie bre- Christoph Bernstiel (CDU/CSU): chen das Gesetz!) Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Oder Sie versuchen, mit den Möglichkeiten, die ein Kollegen! Wir reden heute auf Antrag der Fraktion Die Rechtsstaat hat, Methoden zu entwickeln, um genau an Linke über die Zentrale Stelle für Informationstechnik im diese Daten heranzukommen, wenn das kriminelle Ge- Sicherheitsbereich. Sie möchten ZITiS, wie diese Behör- genüber eben nicht kooperieren will. Genau das macht de kurz genannt wird, abschaffen. ZITiS. Auf gut einer Seite Ihres Antrags stellen Sie dar, aus Meine lieben Kollegen, ein weiteres Beispiel ist der welchen Gründen die für uns sehr wichtige Behörde ab- Fall Nordkreuz. Herr Hahn, Sie beschweren sich im In- geschafft werden sollte, und ich muss Ihnen sagen: Da nenausschuss immer, man müsse die Netzwerke aufde- stehen so viele unwahre Behauptungen drin, dass ich cken. Sie wissen noch viel besser als ich, dass auch da die Ihnen vielleicht noch mal kurz erkläre, lieber Herr Hahn – entsprechenden Protokolle natürlich verschlüsselt sind Sie werden ja noch sprechen –, was die Behörde eigent- und dass wir da nicht an die Geräte herankommen. Ich lich macht und was ihr Zweck ist. bin gespannt darauf, wie Sie uns nachher erklären wollen, wie es möglich sein soll, an diese Daten heranzukommen (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Stimmt alles, ohne eine so wichtige Behörde wie ZITiS. was da steht!) Dann möchte ich noch etwas zum Duktus Ihres An- ZITiS ist in erster Linie eine Forschungs- und Wissen- trages sagen. Sie sprechen hier von einer Behörde, die (B) schaftsstelle für unsere Sicherheitsbehörden. Sie ist dazu ein „Arsenal“ aufbaut, die ein „verlängerter Arm der Ge- (D) da, digitale Forensik zu betreiben, unsere Behörden bei heimdienste“ ist, und Sie unterstellen der Bundesregie- der Telekommunikationsüberwachung zu unterstützen, rung Verschleierungstaktik, weil sie genau diese Behörde bei der Kryptoanalyse und im Fall von Big Data, das heißt mit einem ganz normalen Erlass errichtet hat. Wissen Sie, bei der Analyse großer Datenmengen, wie sie zum Bei- das ist selbst für Ihre Verhältnisse nicht würdig und der spiel bei Großereignissen schnell zusammenkommen, Debatte nicht angemessen. Sie sollten sich bei den Mit- wenn Zeugen zum Beispiel Videos oder Fotos in rauen arbeitern dieser Behörde wirklich einmal entschuldigen! Mengen bei unseren Sicherheitsbehörden einreichen. Dann zählt bei der Verfolgung eines potenziellen Täters (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. jede Stunde, dann geht es darum, diese Datenmengen Martin Hebner [AfD]) schnell analysieren zu können. Genau das macht ZITiS Meine Damen und Herren, Sie sprechen weiterhin unter anderem. von – angeblich – fehlender parlamentarischer Kontrolle Was ZITiS nicht ist – so wie Sie es behaupten –: ZITiS dieser Behörde. ist keine Behörde, die einen Hackback durchführt, die ein Arsenal aufbaut, wie es nur Staaten verfügen können. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Genau!) ZITiS ist keine Behörde, die über irgendeine operative Sie haben dazu eine Kleine Anfrage gestellt. Daraus Befugnis verfügt. Nehmen Sie das bitte erst einmal zur möchte ich einmal zitieren, was Sie sich unter parlamen- Kenntnis. tarischer Kontrolle dieser Behörde vorstellen. Sie haben konkret die Frage gestellt, wie viel Werbemittel die ZITiS (Zuruf von der LINKEN: Ich war dort!) bisher ausgereicht hat, und erwarten daraus einen Er- Dann sprechen wir darüber: Warum braucht es über- kenntnisgewinn für die digitale Souveränität unseres haupt ZITiS? Das ist ein ganz interessanter Punkt. Denn Landes. Also wirklich, wenn das die Qualität ist, mit heutzutage haben wir es häufig mit Handys zu tun; das ist der Sie parlamentarische Kontrolle ausüben, dann brau- eine Binsenweisheit. Kriminelle haben sich natürlich chen wir die von Ihrer Seite, glaube ich, überhaupt nicht. längst die neuen Kommunikationswege erschlossen, ver- wenden Messenger-Dienste und verschlüsselte E-Mails. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wir hatten jüngst den schweren Terroranschlag in meiner Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das war die Heimatstadt Halle an der Saale. Der Täter hatte natürlich einzige Frage, die beantwortet wurde! Die ein- auch ein Mobiltelefon. Jetzt stellt sich die Frage: Wie zige Frage von 24!) kommt man an diese Daten ran? Sie können die Telekom- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin selbst munikationsanbieter fragen, können natürlich auch die ein großer Fan von James Bond. Niemand würde auf die 17180 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Christoph Bernstiel (A) Idee kommen, ihm die Abteilung Q zu streichen. Und Wir kennen alle die Bilder aus Hamburg, Berlin, jetzt (C) nichts anderes macht auch ZITiS. Wir sind der Meinung, kürzlich aus Leipzig-Connewitz, wo Ihr Klientel bei Kra- ZITiS ist eine gute Behörde. Wir möchten an dieser Stelle wallen den Tod von Sicherheitskräften und Polizisten die Gelegenheit nutzen, dieser Behörde einfach einmal zu billigend in Kauf nimmt und sicher auch bald „Erfolg“ danken, den Mitarbeitern, die dort tätig sind, die jeden hat. Nicht umsonst spricht der OB Jung, SPD, in Leipzig Tag einen Mehrwert dazu beitragen, dass unser Land si- von einem Terroranschlag. Eine Partei, deren Kernkom- cherer wird, dass wir Kriminellen im Cyberraum eben petenz und DNA seit Jahrzehnten in der Bespitzelung der keine Verstecke liefern, keine Schlupflöcher liefern, dass eigenen Bürger liegt, will sich plötzlich als Bürgerrechts- wir zeigen: Der Staat kann sich sehr wohl wehren. partei aufspielen? Absurd! Ihr Antrag, diese Behörde abzuschaffen, sorgt nicht für (Kerstin Kassner [DIE LINKE]: 30 Jahre ver- mehr Sicherheit, sondern für weniger Sicherheit. Deshalb schlafen! – Zuruf von der LINKEN: Das ist werden wir Ihren Antrag konsequent ablehnen. lächerlich!) Danke schön. Vielleicht liegt aber Ihrem Antrag die grundsätzliche Ab- neigung gegen Polizei und Ermittlungsbehörden zugrun- (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der de. Ihre Darstellung verzerrt jedenfalls die tatsächliche LINKEN) Faktenlage. Unsere Polizei und unsere Nachrichtendienste stehen Vizepräsident Thomas Oppermann: vor einer großen und mit herkömmlichen Mitteln nicht Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist für mehr lösbaren Aufgabe. Die Sicherheit der Bürger die Fraktion der AfD der Kollege Dr. Christian Wirth. schützt man aber eben nicht, indem die Möglichkeiten einer legitimen Überwachung und Ermittlung einge- (Beifall bei der AfD) schränkt werden, sondern, indem man den Ermittlern die notwendigen Werkzeuge für eine effiziente Ermitt- Dr. Christian Wirth (AfD): lungsarbeit an die Hand gibt und rechtliche Grundlagen Herr Präsident! Werte Kollegen! Die Linke fordert in schafft, diese effizient zu nutzen und zu überwachen. ihrem Antrag die Auflösung der erst 2017 gegründeten (Beifall bei der AfD) Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheits- bereich. Die Begründung hierfür: Die Behörde gefährde Für solche Fälle stellt ZITiS als Dienstleister Hard- und die Datensicherheit und die Grundrechte der Bürgerinnen Software sowie neue Verfahren zur Verfügung. Aber wer kann eine solche Aufgabe besser erfüllen als eine staat- (B) und Bürger. Sie bezichtigen die Behörde, staatlich legiti- (D) miertes Hacken zu unterstützen. liche Behörde, die parlamentarisch überwacht wird? Terrorismus – links, rechts und religiös motiviert – so- (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Wie denn?) wie die organisierte Kriminalität sind, wie uns sicher al- In einer Sache haben Sie allerdings recht: Die Kontrol- len bewusst ist, längst im digitalen Zeitalter angekom- le einer solchen Behörde ist wichtig und notwendig. Die- men. Das heißt, der Schutz der Bürger findet auch im se muss durch das Parlament erfolgen. Wir sehen entge- sogenannten Cyberspace statt. gen Ihren Ausführungen aktuell keinen Beleg dafür, dass eine bewusste Kontrolllücke geschaffen wurde. Nach (Beifall bei Abgeordneten der AfD) vorliegenden Informationen hat es mittlerweile auch ei- Wie wichtig eine gut ausgestattete Ermittlungsbehörde nen Kontrollbesuch durch das Parlamentarische Kontroll- ist, zeigt der Fall Breitscheidplatz, bei dem alleine gremium gegeben, 7 600 Telefonverbindungen, 10 190 Nachrichten an Mo- (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Woher wissen biltelefone und 91 000 Internetverbindungen ausgewertet Sie das? Das ist doch geheim!) werden mussten. Und so muss man feststellen, dass Sie mit Ihrem Antrag nicht nur dem Kampf gegen den reli- woraus man schließen kann, dass diese Behörde zumin- giösen Terrorismus und die organisierte Kriminalität dest im Hinblick auf ihre Tätigkeit in Zusammenhang mit schaden, sondern auch dem Kampf gegen Rechtsterroris- Nachrichtendiensten unter der Kontrolle eben dieses Gre- mus, und dies aus einem einzigen Grund: Sie wollen Ihre miums steht. Wir von der AfD werden sehr genau darauf gewaltorientierte Klientel wie die Antifa schützen, die achten, ob eine regelmäßige Kontrolle dieser Behörde sich natürlich längst in diesem Bereich verknüpft haben stattfindet, und werden auch eine angemessene Transpa- und verabreden. renz einfordern. (Beifall bei der AfD) Diese Behörde mit einem solch substanzlosen Antrag aufzulösen, lehnen wir allerdings ab. Das ist Ihr Dilemma, dass Sie nicht bereit sind, sich von jeglicher Gewalt zu distanzieren, nämlich von rechts und Vielen Dank. links, wie dies die AfD tut. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE Vizepräsident Thomas Oppermann: GRÜNEN – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Vielen Dank. – Nächster Redner ist für die Fraktion der Das haben wir so oft und immer wieder gesagt!) SPD der Kollege Uli Grötsch. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17181

Vizepräsident Thomas Oppermann (A) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir von der SPD sind jedenfalls von der Notwendig- (C) keit von ZITiS überzeugt. Deshalb bauen wir diese Ent- Uli Grötsch (SPD): wicklungsstelle im Cyberbereich auch weiter aus. Nächs- Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und tes Jahr wird sie zehn weitere Stellen bekommen, um Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Lin- weiterhin unter anderem in der digitalen Forensik oder ken, ich siedele Verschwörungstheorien nicht bei Ihnen in der Kryptoanalyse forschen zu können, auch wenn die an, sondern eher auf der anderen Seite des Parlaments. Personalgewinnung für die ZITiS nicht einfach ist. (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Gibt es da Herr Bernstiel, Sie hatten eben James Bond bemüht, auch! – Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: was auch Herr Schuster schon hin und wieder getan hat, Die Linken sind da auch nicht schlecht!) und Sie hatten außerdem Q angeführt: Auch in Deutsch- land gibt es so schlaue Köpfe wie den britischen Entwick- Ihr Antrag liest sich aber trotzdem irgendwie wie eine ler Q, der James Bond ausstattet. Wenn der eine oder Verschwörungstheorie: ZITiS sei „ein verlängerter Arm andere sich jetzt angesprochen fühlt: Die ZITiS freut sich der Geheimdienste“, sei unkontrollierbar, die Bundesre- ganz bestimmt über Bewerberinnen und Bewerber aus gierung verschleiere dies und jenes usw. dem MINT-Bereich. (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das ist so!) (Beifall bei der SPD) Ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Die Zentralstelle Meine Damen und Herren, die Cybergefahr ist keine für Informationstechnik im Sicherheitsbereich, ZITiS, ist Science-Fiction. Antiquierte Dechiffriermaschinen, Re- eine Notwendigkeit in der Sicherheitsarchitektur der genschirme mit Giftpfeil, Wanzen im Lederschuh: Das Bundesrepublik Deutschland. Jeder, der ihre Abschaf- war gestern. Heute brauchen wir eine andere, eine digitale fung fordert, muss erklären, wie wir sonst auf Augenhöhe Ausrüstung. Dieser Tage startet im Kanzleramt ein Pilot- mit Verfassungs- und Staatsfeinden sein können, wie wir projekt der Fraunhofer-Gesellschaft für eine abhörsichere sonst Angriffe durch meistens ausländische Hacker auf Datenverbindung mittels Quantenkommunikation. Mit unsere kritischen Infrastrukturen und Wirtschaftsunter- der Fraunhofer-Gesellschaft arbeitet ZITiS zum Beispiel nehmen abwehren können und wie wir sonst die digitale auch zusammen. Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger gewährleisten können. Wir hatten die Hackerangriffe auf die Netze des Bun- des im Februar 2018 und auf das Intranet des Bundestages (Beifall bei Abgeordneten der SPD) in 2015. Wir wissen, dass Extremisten und Terroristen Ich denke, Ihr heutiger Antrag ist ein Reflex, so wie über verschlüsselte, onlinebasierte Kommunikationsfor- (B) alle Ihre anderen regelmäßigen Anträge, etwa zur Ab- men Angriffe planen. Wir wissen, dass alle Smarthome- (D) schaffung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Geräte zu Spähwerkzeugen werden können. Das ist keine anderer Nachrichtendienste. Deshalb – es wird Sie nicht Science-Fiction, sondern das ist die Realität, und zwar überraschen – lehnen wir Ihren Antrag auch ab. jeden Tag, überall in diesem Land. Ich habe durchaus ein bisschen Verständnis für Ihren Und doch: Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Reflex; sicherlich hat das mit der Erfahrung Ihrer Partei Recht auf IT-Sicherheit, auf die Sicherheit ihrer personen- mit dem Verfassungsschutz zu tun. Ganz ehrlich: Ich bezogenen Daten und auf die Sicherheit ihrer privaten wünsche Ihnen, dass Sie diese Erfahrung nicht mehr Kommunikation. Das ist gewiss kein Widerspruch. Für lange machen müssen, sondern dass sich ebenso auch diesen Schutz sorgen auch die unabhängigen Datenschut- der Verfassungsschutz auf die andere Seite des Parla- zaufsichtsbehörden von Bund und Ländern. Sie müssen ments konzentriert. angesichts der Herausforderungen besser ausgestattet werden, damit sie informieren und beraten sowie Verstö- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) ße konsequent ahnden und abstellen können. Im nächsten Außerdem ist in der Vergangenheit viel Vertrauen ver- Jahr stellen wir daher über 60 neue Stellen für den Bun- loren gegangen, Stichwort „NSU“. Aber wir haben die desdatenschutzbeauftragten zur Verfügung. Ich weiß, gesetzlichen Grundlagen für unsere Nachrichtendienste dass es einen holprigen Start bei der Einbindung der da- reformiert, und wir haben die Strukturen der parlamenta- maligen Datenschutzbeauftragten in die Arbeit der ZITiS rischen Kontrolle gestärkt. Hier werden wir mit der an- gegeben hat. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten aber stehenden Reform des Verfassungsschutzgesetzes im natürlich zu Recht, dass hier zumindest in Zukunft ver- nächsten Jahr sicher noch mehr tun. Wir müssen die par- nünftig zusammengearbeitet wird. lamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste neu den- Aber genauso wichtig ist, dass der Staat die Pflicht hat, ken, wenn man so möchte. Denn: Wo neue Strukturen und für die Sicherheit und Freiheit seiner Bürgerinnen und Befugnisse entstehen, müssen auch neue Kontrollmög- Bürger zu sorgen, nicht nur auf den Straßen in der analo- lichkeiten entstehen, auch in Bezug auf ZITiS. gen Welt, sondern auch im Netz in der digitalen Welt. Wer Aber dass eine so junge Forschungseinrichtung, die es von unseren Sicherheitsbehörden erwartet, dass sie Spio- überhaupt erst seit zwei Jahren gibt, die quasi noch im nageversuche und Cyberangriffe abwehren, der muss Aufbau ist, für Ihre schlechten Erfahrungen mit anderen ihnen auch das digitale Equipment zur Verfügung stellen. Behörden herhalten muss, ist nicht fair und nicht sach- dienlich. Außerdem handelt es sich um eine Behörde – (Beifall bei Abgeordneten der SPD) das ist ein ganz wesentlicher Punkt –, die keine Eingriffs- Wer auf Augenhöhe und im besten Fall sogar auch einen befugnisse hat, die also nur entwickelt und berät. Schritt voraus sein will, der braucht hierzu digitales 17182 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Uli Grötsch (A) Equipment wie Entschlüsselungstechnik oder Telekom- Auskunft war: Die Beantwortung sei zu geheim, um sie (C) munikationsüberwachungstechnik. Daran forscht ZITiS. mir eingestuft zuzustellen. Das macht uns nicht zuletzt auch unabhängiger von aus- ländischen Anbietern. Wir brauchen ZITiS, damit wir (Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Haha! Da ha- eine staatliche Behörde haben, die in solch sensiblen Be- ben wir es wieder!) reichen forschen und die Bundesregierung beraten kann. Nicht einmal streng geheim wollte man das beantworten. Und deshalb – ich sage das zum Ende noch mal – lehnen Um es klarzustellen: Streng geheim bedeutet: Es ist ein wir Ihren Antrag ab. Fall, bei dem der Bestand der Bundesrepublik bei der Vielen Dank. Veröffentlichung der Information gefährdet wäre. (Beifall bei der SPD – Dr. André Hahn [DIE Also die Beantwortung, was eine Forschungseinrich- LINKE]: Schade eigentlich!) tung des Bundes macht, ist zu geheim und gefährdet den Bestand der Bundesrepublik Deutschland. Das finde ich schon sehr bemerkenswert, meine Damen und Herren. Vizepräsident Thomas Oppermann: Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der (Beifall bei der FDP und der LINKEN sowie Kollege Manuel Höferlin für die Fraktion der FDP. der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der FDP) Vor was haben Sie eigentlich Angst, liebe Bundesregie- Manuel Höferlin (FDP): rung? Dass Verbrecher wissen, zu welchen Fragen ge- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und forscht wird? Kollegen! Lassen Sie mich vorweg sagen: So wie ZITiS momentan aufgestellt ist, lehnen auch wir Freie Demo- (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Dass sie kraten sie ab. Aber wir sind nicht dafür, ZITiS ganz auf- wissen, was wir können!) zulösen; denn eigentlich könnte so eine – wie es ja heißt – Sie können davon ausgehen, dass die Info, worüber ge- Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbe- forscht wird, auch Kriminellen keinen Vorteil gibt. reich, ZITiS, unverzichtbare Aufgaben für die Sicher- heitsbehörden erfüllen. Es stört mich weiter, dass Sie offensichtlich – man merkt es an den Ausführungen der Redner der Großen Laut offizieller Beschreibung ist ZITiS – ich zitiere – Koalition – die Grenze zwischen Nachrichtendienst, For- „Dienstleister der deutschen Sicherheitsbehörden“ und schung und Polizeieingriffsbehörden wieder einmal ver- (B) unterstützt sie mit Forschung, Entwicklung und Beratung (D) schwimmen lassen wollen. Das kennen wir schon. Das und ihrem Cyber-Know-how. Ich finde den Ansatz gut; Trennungsgebot ohne Rechtsgrundlage durch die Hinter- denn Verteidigung ist immer noch die beste Verteidigung, tür aufzuweichen, kennen wir schon vom GTAZ und von meine Damen und Herren. anderen Stellen. Deswegen braucht man eine Rechts- (Beifall bei der FDP) grundlage, wenn Sie da womöglich Eingriffsbefugnisse etablieren wollen. Deswegen soll ZITiS auch keine Kampftruppe sein. Sie soll eigentlich eine Forschungs- und Entwicklungsabtei- (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Gibt es lung sein. Herr Bernstiel und Herr Grötsch, wenn ich Ihre doch!) Ausführungen hier höre, frage ich mich: Was ist ZITiS denn? Ist es eine Forschungseinrichtung? Ist es ein Nach- Wir wissen auch nicht, wer alles dabei ist. richtendienst? Ist es irgendetwas anderes? Deswegen noch einmal: Wir lehnen diesen Antrag der (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: For- Linken ab, wollen aber ein ZITiS, das verfassungskon- schungseinrichtung!) form aufgestellt ist: erstens ZITiS als eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung aufzubauen, zweitens das Sie sind in Ihren eigenen Reden immer hin- und herge- Parlament darüber zu informieren, wie die Arbeit dort schwenkt zwischen beiden Bezeichnungen. vonstattengeht. Transparenz und rechtsstaatliche Kon- (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Nein!) trolle müssen dort auch gewährleistet sein. Und halten Sie drittens das Trennungsgebot ein, und schaffen Sie Was genau ZITiS macht, können wir als Parlamentarier nicht an der nächsten Stelle durch die Hintertür wieder auch gar nicht beurteilen; die Möglichkeit, Nachrichtendienste zu etablieren, (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Eben! Genau (Beifall des Abg. Stephan Thomae [FDP]) so ist es!) und zwar auch noch ohne Gesetzesgrundlage; das ist un- denn ZITiS ist sehr undurchsichtig. Weihnachten ist ja das glaublich. Nur so kann ZITiS seinen Beitrag zur Cyber- Fest des Lichtes, liebe Bundesregierung. Aber offensicht- sicherheit leisten und das Internet vielleicht ein bisschen lich haben Sie bewusst versucht, uns hinters Licht zu besser machen. führen. In einer Kleinen Anfrage habe ich dieses Jahr versucht, herauszufinden, wie das Arbeitsprogramm In diesem Sinne: Frohe Weihnachten! von ZITiS 2017 und 2018, also rückwirkend, war, welche Bedarfe es dort gab. Ich bekam darauf keine Antwort. Die (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17183

(A) Vizepräsident Thomas Oppermann: Vizepräsident Thomas Oppermann: (C) Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion Von Herrn Bernstiel. Die Linke der Kollege Dr. André Hahn. Dr. André Hahn (DIE LINKE): (Beifall bei der LINKEN) Ja, aber immerzu, wenn Sie meine Zeit anhalten.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Christoph Bernstiel (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zent- Sehr geehrter Herr Kollege Hahn, Sie haben ja gerade rale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich, eben ausgeführt, was ZITiS macht: Handys entschlüsseln. kurz ZITiS, ist aus Sicht der Linken ein unkalkulierbares Jetzt haben wir gerade heute und auch in den letzten Sicherheitsrisiko und sollte deshalb schnellstmöglich auf- Tagen darüber gesprochen, dass wir ein zunehmendes gelöst werden. Problem mit Rechtsextremisten haben, die sich unterei- nander vernetzen. Die Aufgabe dieser ohne jede gesetzliche Grundlage errichteten Institution mit einer Personalstärke von 400 (Armin-Paulus Hampel [AfD]: Was ist eigent- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es, komplizierteste lich mit Linksextremisten?) Verschlüsselungsmethoden zu brechen und daraus Über- Können Sie mir bitte erklären, welche Behörde wie in der wachungstechnologien für staatliche Behörden, insbe- Lage sein soll, an passwortgeschützte Daten, die sich auf sondere die Geheimdienste, zu entwickeln. Dazu sollen einem Handy von Rechtsextremisten befinden, die straf- existierende Sicherheitslücken in IT-Systemen genutzt fällig geworden sind und dann gefasst wurden, in irgend- werden. einer Weise heranzukommen – natürlich mit richterlich- em Beschluss? Wer soll das machen, wenn ZITiS Dabei geht es jedoch nicht etwa darum, Schwachstel- aufgelöst ist? Das würde mich brennend interessieren. len in Hard- oder Software zu schließen sowie Bürger- innen und Bürger oder auch die Wirtschaft vor Ausspä- Dr. André Hahn (DIE LINKE): hung zu schützen, nein, stattdessen soll das gleiche Sie wissen doch ganz genau, Herr Kollege, dass es unsägliche Arsenal, das in Cyberangriffen auf Staat, ausreichend rechtliche Möglichkeiten gibt, Wirtschaft und Gesellschaft zur Anwendung gelangt, be- reitgehalten und verfeinert werden, um Polizei und Ge- (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Techni- heimdiensten Zugänge zu Informationen zu ermöglichen, sche!) die sie ansonsten auf keinem legalen, verfassungskonfor- bestimmte Abhörmaßnahmen durchzuführen durch rich- (B) men Wege erlangen könnten. Wir als Linke lehnen das ab. terlichen Beschluss, durch die G 10-Kommission usw. (D) (Beifall bei der LINKEN) Wir haben diese Möglichkeiten bereits. Zum Präsidenten von ZITiS wurde mit Wilfried Karl (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Aber nicht ausgerechnet der vormalige Unterabteilungsleiter Tech- die technischen!) nische Aufklärung des BND in Bad Aibling ernannt. Für uns ist wichtig, dass eine Behörde, die gegründet worden ist ohne gesetzliche Grundlage – das ist der erste (Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU]: Punkt –, die keine klare Aufgabenzuweisung hat, nicht Guter Mann!) machen kann, was sie will, Er managte dort die Kooperation mit dem US-Geheim- (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Das ist dienst NSA. Karl war auch deshalb ein zentraler Zeuge überhaupt keine Behörde!) vor dem NSA/BND-Untersuchungsausschuss. Er will Staatstrojaner entwickeln, um Smartphones zu infiltrieren und dabei gegen Grundrechte verstößt, ohne dass sie die und die Kommunikation vor einer Verschlüsselung mit- rechtlichen Möglichkeiten dazu hat. zuschneiden und abzuhören. Und Herr Karl will alle mo- (Manuel Höferlin [FDP]: Ohne gesetzliche dernen IT-Geräte knacken und hacken können, auch Au- Befugnisse!) tos. Wer aber in die Software von Fahrzeugen eindringt, verwandelt diese nicht nur in rollende Abhörwanzen, son- Vorhin ist hier gesagt worden, die dürfen nichts tun. dern gefährdet auch die Fahrzeugsicherheit und das Le- Wenn sie das machen, was Sie wollen, ben der Insassen sowie völlig unbescholtener Verkehrs- (Manuel Höferlin [FDP]: Was denn jetzt?) teilnehmer. dann hätten sie Eingriffsbefugnisse, die ihnen nicht zu- stehen, weil es ein entsprechendes Gesetz gerade für ZI- Vizepräsident Thomas Oppermann: TiS nicht gibt. Aus diesem Grund haben wir große Skep- Herr Hahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage? sis gegenüber der Behörde. Da bin ich auch dankbar für das, was der Kollege der FDP hier gesagt hat, weil natür- lich sehr viele offene Fragen bestehen. Ich werde gleich Dr. André Hahn (DIE LINKE): noch was zur Kontrolle sagen, die eben in der jetzigen Von wem? Situation überhaupt nicht gegeben ist. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie wollen, dass ein Forschungsinstitut etwas Von James Bond!) macht, dann müssen Sie natürlich auch sagen, woran 17184 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. André Hahn (A) die forschen sollen und wie es weitergehen soll. Dann (Beifall bei der LINKEN) (C) sind wir auch bereit, darüber nachzudenken, ob es hier Dinge gibt, die für Sicherheitsbehörden – aus unserer Vizepräsident Thomas Oppermann: Sicht in erster Linie für die Polizei – notwendig wären. Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion (Manuel Höferlin [FDP]: Genau!) Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Tabea Rößner. Dann sind wir bereit, das zu diskutieren – aber nicht ohne (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gesetzliche Grundlage und nicht, wenn die machen kön- nen, was sie wollen. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ZITiS ist (Philipp Amthor [CDU/CSU]: Das stimmt eine Einrichtung, die es in unserem Rechtsstaat so eigent- doch gar nicht!) lich gar nicht geben dürfte. Und deshalb ist die Forde- Das ist aber gegenwärtig die Rechtslage – leider Gottes. rung, ZITiS aufzulösen, der einzig richtige Ansatz, den wir voll und ganz unterstützen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Manuel Höferlin [FDP] – Zuruf von der LIN- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN KEN: Super herausgearbeitet!) und bei der LINKEN) Herr Karl – damit komme ich zurück zu meinem Rede- Wie wichtig der Schutz digitaler Infrastrukturen und text – wie auch Teile der Union fordern, dass staatliche privater Kommunikation ist, zeigen zahlreiche Fälle von Behörden die Befähigung zu Cybergegenangriffen, zu Industriespionage, Hackerangriffen, Datenschutzskanda- sogenannten Hackbacks, erhalten sollen. Statt an Maß- len und auch die zunehmende Bedeutung staatlichen nahmen für eine bessere Computersicherheit und eine Hackens. Logisch wäre es, endlich eine Ende-zu-Ende- Härtung von IT-Systemen gegen Cyberangriffe wird hier Verschlüsselung zu ermöglichen. Denn im IT-Sicher- tatsächlich immer mehr an der Entwicklung von Cyber- heitsbereich gilt: Nicht Angriff ist die beste Verteidigung, waffen gearbeitet. Das trifft auf unseren entschiedenen sondern – Manuel Höferlin hat es gesagt – Verteidigung Widerstand. Der Staat darf unter keinen Umständen ist die beste Verteidigung. zum digitalen Angreifer werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der LINKEN) sowie bei Abgeordneten der FDP) ZITiS ist auch verlängerter Arm und technischer Zu- Manchmal tut die Bundesregierung ja so, als hätte sie träger der Geheimdienste. Die Bundesregierung hat das es verstanden, und redet davon, Deutschland zum Ver- (B) lange zu verschleiern versucht. Erst durch meine parla- schlüsselungsland Nummer eins zu machen. Aber dann (D) mentarischen Anfragen kam heraus, dass auch der BND pumpt sie unter dem Dach von ZITiS Geld, Zeit, Energie und der Militärische Abschirmdienst dort mitwirken. Da- und Personal in das Brechen von Verschlüsselung und durch wird das verfassungsrechtliche Trennungsgebot den Ankauf von Sicherheitslücken auf dem Schwarz- zwischen Polizei und Geheimdiensten in unverantwortli- markt in Millionenhöhe. Dieser ganze Humbug kommt cher Weise ausgehöhlt. den Steuerzahler teuer zu stehen, ist verfassungsrechtlich höchst problematisch und gefährdet die IT-Sicherheit. Schließlich ist ZITiS auch eine weitgehend unkontroll- Das ist nicht fahrlässig, das ist gefährlich. ierbare Institution. Die Bundesregierung sagt, die Behör- de sei kein Geheimdienst; eine Zuständigkeit des Parla- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mentarischen Kontrollgremiums sei somit nicht gegeben. sowie des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE]) Zugleich werden Antworten auf nahezu alle – auch mei- Sicherheitslücken müssen schnellstmöglich geschlos- ne – parlamentarischen Anfragen zur ZITiS-Tätigkeit, zu sen werden. Was andernfalls passieren kann, hat die NSA deren konkreten Projekten von der Bundesregierung un- anschaulich bewiesen. Über fünf Jahre lang hat sie eine ter Verweis auf angebliche Staatswohlinteressen für so Sicherheitslücke offen gehalten, ohne Microsoft in geheim erklärt, dass sie nicht einmal in der Geheim- Kenntnis zu setzen. Und an WannaCry werden Sie sich schutzstelle des Deutschen Bundestages eingesehen wer- ja sicher alle noch gut erinnern können. Diese Waffe den können. Damit wird jede Kontrolle ad absurdum ge- richtete sich gegen die Bevölkerung, legte Krankenhäuser führt. lahm und verursachte weltweit großen Schaden. (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Hört! Hört! – Es ist richtig, dass der Staat für die Sicherheit sorgen Kerstin Kassner [DIE LINKE]: Unfassbar!) muss, Kollege Grötsch. Aber die Konsequenz ist eine andere: Er muss diese Waffen unschädlich machen. Aus all diesen Gründen beantragen wir heute, ZITiS aufzulösen und das Personal an andere Bundesbehörden (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN überzuleiten. ZITiS steht nicht für Cybersicherheit, son- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) dern ist Bestandteil einer Anticybersicherheitsstrategie dieser Bundesregierung. Lassen Sie uns deshalb das Per- Andernfalls verlieren die Menschen das Vertrauen in die sonal und das viele Geld, das für ZITiS vorgesehen ist, in digitale Technologie und auch in die Politik. Denn Integ- die Grundlagen für einen sicheren digitalen Raum inves- rität und Vertraulichkeit der digitalen Kommunikation tieren. Dort wäre es besser eingesetzt. sind im Grundgesetz verbrieft und dürfen durch Aktivitä- ten von ZITiS nicht derart massiv untergraben werden. Herzlichen Dank. Das dürfen wir auch nicht weiter dulden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17185

Tabea Rößner (A) Zudem arbeiten in der Einrichtung Geheimdienste mit Zudem verstoße ZITiS gegen das aus den Erfahrungen (C) der Polizei zusammen. Das Trennungsgebot aufzuwei- der Nazidiktatur hervorgegangene Trennungsgebot be- chen, ist klar verfassungswidrig. ZITiS wird außerdem treffend Polizei und Geheimdienste. de facto nicht parlamentarisch kontrolliert. Ich kann nicht fassen, dass Ihnen dies als Mitglieder des Bundestages Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wirklich- anscheinend völlig egal ist. keit steht doch diesen Behauptungen diametral entgegen. Das weiß die Linke – und die FDP, Herr Kollege Höferlin, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte es auch wissen – spätestens seit der Antwort der und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken der FDP) vom 30. November 2018; denn ich gehe davon aus, dass auch Ihnen diese Antwort zugegangen ist. Die Bundesregierung sollte dringend in sichere Ver- schlüsselungsmethoden für alle investieren und sichere (Manuel Höferlin [FDP]: Da wurden meine Hard- und Software zertifizieren. Ich wundere mich da Fragen nicht beantwortet!) ein bisschen, dass sich die FDP dem vorliegenden Antrag nicht anschließen kann. Gerade Sie haben doch das Recht Danach handele es sich bei ZITiS eben gerade nicht um auf Verschlüsselung immer gefordert. eine weitere nachrichtendienstliche Behörde neben dem Verfassungsschutz, dem Militärischen Abschirmdienst (Manuel Höferlin [FDP]: Wir wollen ein For- und dem Bundesnachrichtendienst. Sie ist vielmehr eine schungs-ZITiS!) nicht rechtsfähige Bundesanstalt im Geschäfts- und Or- ganisationsbereich des Bundesinnenministeriums, Es gibt Konzepte, wie man IT-Sicherheit richtig um- setzt. Wir haben einen umfassenden Antrag dazu vorge- (Manuel Höferlin [FDP]: Das ist Augenwi- legt. Fest steht: Die Bundesregierung ist Teil des Prob- scherei! Sie macht doch was ganz anderes!) lems und nicht der Lösung. Das sieht im Übrigen die gesamte IT-Sicherheitsexpertenwelt so. ZITiS gehört auf- die bis 2022 gerade mal über 400 Stellen verfügt, von gelöst – besser gestern als morgen. In dieser Form jeden- denen gegenwärtig knapp 200 besetzt sind. falls braucht ZITiS niemand. Zur Erinnerung, wie ein Geheimdienst aufgestellt ist: Vielen Dank. Die Staatssicherheit hatte 1989, am Ende der DDR, mehr als 90 000 hauptamtliche Mitarbeiter. Die Aufgabe von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ZITiS ist und kann also gar keine nachrichtendienstliche und bei der LINKEN) Tätigkeit sein, sondern sie beschränkt sich auf die Unter- stützung der Nachrichtendienste und der Bundespolizei. (B) Vizepräsident Thomas Oppermann: Infolgedessen unterliegt ZITiS auch nicht der parlamen- (D) tarischen Kontrolle durch das Parlamentarische Kontroll- Vielen Dank. – Letzter Redner in der Debatte ist für die gremium; aber selbstverständlich der parlamentarischen Fraktion der CDU/CSU der Kollege Axel Müller. Kontrolle als Teil der Organisationseinheit des Bundes- (Beifall bei der CDU/CSU) innenministeriums, das seinerseits der parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Also viel Schall und Rauch um Axel Müller (CDU/CSU): nichts. Damit stellt sich aber nicht mehr die Frage des Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegen Trennungsgebots, weil es sich um keinen Geheimdienst und Kolleginnen! Meine sehr geehrten Damen und Her- handelt. ren! Die Linke fordert die Auflösung von ZITiS. Dazu stelle ich folgende Eingangsthesen auf: Vizepräsidentin Petra Pau: De facto will die Linke ZITiS abschaffen. Abschaffen Kollege Müller, gestatten Sie eine Frage oder Bemer- ist dann notwendig, wenn etwas schädlich ist. Auflösen kung? macht dann Sinn, wenn etwas nicht mehr gebraucht wird. Den vorliegenden Antrag hat der Ausschuss für Inneres Axel Müller (CDU/CSU): und Heimat bereits am 10. April 2019 mit großer Mehr- Nein, ich würde gerne im Zusammenhang vortragen. – heit gegen die Stimmen der Linken und der Grünen ab- Vielmehr handelt es sich um einen Dienstleister für meh- gelehnt. Warum diese Entscheidung wichtig war, möchte rere Dienste im Rahmen einer obersten Bundesbehörde. ich Ihnen hier aufzeigen. Die Alternative zu einer solchen zentralen Stelle wäre Zunächst zu der fehlerhaften Antragsbegründung der im Übrigen eine weiter gehende koordinierende Stelle, Linken, wonach ZITiS ja die Grundrechte aller Bür- eine zentrale Stelle, wie wir sie heute Morgen – Forde- gerinnen und Bürger gefährde, unterlegt mit der wahr- rung der FDP: neue Sicherheitsstruktur, Föderalismus- heitswidrigen und wider besseres Wissen aufgestellten kommission III – hier geschaffen haben. Wir machen es Behauptung, ZITiS sei ein verlängerter Arm der Geheim- da, wo es notwendig und sinnvoll ist, ohne den Födera- dienste und sei daher rechtswidrig der Kontrolle durch lismus in seinen Grundfesten zu erschüttern. das Parlamentarische Kontrollgremium entzogen. Ich komme zurück auf meine Eingangsthese: Erstens. (Manuel Höferlin [FDP]: Das hat ihr Kollege ja ZITiS ist damit für unsere demokratische Rechtsordnung selbst so gesagt, dass es ein Nachrichtendienst nicht schädlich und muss daher auch nicht abgeschafft ist! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Leider werden. Zweitens. ZITiS ist, um auf meine zweite These richtig!) einzugehen, aber auch nicht überflüssig, sondern gerade 17186 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Axel Müller (A) notwendig. Das will ich Ihnen an zwei Beispielen in aller strenger als streng geheim. Da frage ich mich: Wie soll (C) Kürze belegen. Der Kollege Bernstiel hat hier schon ei- wer im Deutschen Bundestag ZITiS – was auch immer es niges gesagt. dann genau ist – kontrollieren, wenn ich das als Antwort bekomme, wenn ich noch nicht mal in der Geheimschutz- In einer Zeit, in der es möglich ist, die Stromversor- stelle eine eingestufte Antwort zum Arbeitsprogramm der gung wichtiger Zentren eines Landes durch Hackeran- Behörde bekomme. griffe lahmzulegen und damit den Lebensnerv eines Landes, sei es Versorgung oder Verteidigung, auszuschal- Zweitens. ZITiS sei kein Nachrichtendienst, sagen Sie. ten, in einer Zeit, in der es möglich ist, durch digitale Wie erklären Sie sich dann, dass das PKGr dort zum Be- Kampagnen Wahlen zu manipulieren, auch in der größten such hingeht und dass das die Einzigen sind, die offen- Demokratie dieser Welt – neben Indien sind das ja die sichtlich Informationen bekommen? Das Parlamentari- USA –, muss sich der demokratische Rechtsstaat gegen sche Kontrollgremium untersucht ja auch sonst keine solche ihn ins Mark treffende Attacken wirksam zur Wehr anderen nichtgeheimdienstlichen Behörden. Herr setzen können. Bernstiel fragte vorhin in einer Zwischenfrage: Wer soll denn sonst in Kommunikation eindringen? – Das klingt (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Dann werden wieder nach Nachrichtendienst. Sie selbst zum Hacker!) Also klären Sie uns auf! Ist sie jetzt eine Forschungs- Das kann er, wenn er die Unterstützung von Fachleuten einrichtung? Ist sie eine Eingriffsbehörde? Sie haben eine hat. Darum genau geht es; dort setzt die Arbeit von ZITiS dritte Bezeichnung genannt. Sie sagten, sie sei eine Be- an. ratungsinstitution. Was ist das denn jetzt? Ich würde ger- ZITiS leistet strukturelle und anwendungsorientierte ne wissen: Was ist ZITiS? Und wie können wir sie hier als Forschung und sorgt so für Cybersicherheit. Das ist ge- Parlamentarier selbstbewusst kontrollieren? Um nichts rade keine polizeiliche oder nachrichtendienstliche Tätig- anderes geht es. keit, sondern die Dienstleistung eines Dienstleisters des Bundes. Sie können auch einen externen Dienstleister (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der nehmen, aber es ist sicherer, wenn wir das im Bundes- LINKEN und der Abg. Tabea Rößner [BÜND- innenministerium ansiedeln. NIS 90/DIE GRÜNEN])

ZITiS bietet also Beratungsdienstleistungen an und die Vizepräsidentin Petra Pau: entsprechende Unterstützung dazu. Sie haben das Wort zur Erwiderung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (B) (D) Beratung und Unterstützung gegen die Angriffe kriminel- Axel Müller (CDU/CSU): ler Organisationen und autokratischer Systeme, gepaart Herr Kollege Höferlin, zum Ersten: Ich kann Ihre An- mit der Befähigung für die ZITiS-Kunden, diejenigen zu frage und deren Inhalt natürlich nicht beurteilen. Mir ist identifizieren, die hinter diesen Anschlägen auf die Frei- diese nicht vorgelegt worden. Ich kann dazu auch nicht heit stehen, sind nicht überflüssig, meine Damen und Stellung nehmen. Ich würde Ihnen einfach empfehlen, Herren von den Linken, sondern dringend notwendig. dass Sie Ihre Anfrage im Rahmen der Regierungsbefra- gung anbringen. Ich kann nicht bewerten, was Sie da Ich komme zum Schluss. Wer aber die Notwendigkeit schreiben, ob das richtig oder falsch ist, ob die Bundes- einer solchen Einrichtung leugnet, verschließt die Augen regierung hier richtig oder falsch gehandelt hat, als sie die vor der Realität oder macht sich zum Helfershelfer derer, Anfrage zurückgewiesen hat. Das müssen Sie im Rahmen die den Rechtsstaat und die Freiheit bedrohen. der Regierungsbefragung klären. Vielen Dank. Zum Zweiten, was Sie angesprochen haben: Ich denke, wir, sowohl der Kollege Bernstiel als auch ich, haben (Beifall bei der CDU/CSU) eindeutig gesagt, um was es sich dabei handelt. Es handelt sich um einen Teil eines Ministeriums, der in der Orga- Vizepräsidentin Petra Pau: nisationseinheit des Ministeriums als nachgelagerte Ein- Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Manuel richtung zu finden ist. Höferlin das Wort. Wir haben auch deutlich gemacht, was die Aufgabe dieser Einheit ist. Das können Sie überall nachlesen. Manuel Höferlin (FDP): Die Selbstdefinition, die es von ZITiS gibt, ist ja sogar Herr Kollege Müller, ich muss doch noch mal darauf im Internet abgebildet. Da können Sie nachlesen, dass sie zurückkommen: Sie haben jetzt die dritte Bezeichnung sich als Dienstleister versteht und nicht als eigenständige für ZITiS ins Spiel gebracht. Sie haben selbst gesagt, Behörde. Sie wird dann tätig, wenn die Behörden sie an- sie sei ja keine Behörde, die irgendwelche Eingriffsbe- fragen und ihre Leistung anfordern. Sie wird nicht von fugnisse habe und deswegen müsse sie auch gar nicht sich aus, in Eigeninitiative tätig. durch das Parlamentarische Kontrollgremium, sondern selbstverständlich durch das Parlament kontrolliert wer- (Beifall bei der CDU/CSU) den. Ich habe Ihnen berichtet: Meine Antworten wurden Vizepräsidentin Petra Pau: nicht beantwortet, und zwar mit dem Hinweis, es sei Ich schließe die Aussprache. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17187

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parla- (C) ses für Inneres und Heimat zu dem Antrag der Fraktion mentarische Staatssekretärin Sabine Weiss. Die Linke mit dem Titel „Die Bundesbehörde Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich – (Beifall bei der CDU/CSU) ZITiS – auflösen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/9293, den An- Sabine Weiss, Parl. Staatssekretärin beim Bundesmi- trag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/8270 ab- nister für Gesundheit: zulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- Das sind die Koalitionsfraktionen, die AfD-Fraktion und legen! Meine Damen und Herren! Medizinprodukte sol- die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktio- len die Gesundheit der Patienten verbessern. Wer in nen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Gibt es je- Deutschland einen Herzschrittmacher eingesetzt be- manden, der sich enthalten möchte? – Das ist nicht der kommt, wer mit einem Röntgenapparat durchleuchtet Fall. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. wird, der muss darauf vertrauen können, dass das Risiko so gering wie irgend möglich ist. Dieses Ziel verfolgt Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a und 12 b sowie auch das vorliegende Gesetz. Wir setzen damit schnell den Zusatzpunkt 14 auf: und entschlossen europäische Vorgaben um. Damit kön- 12 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung nen wir die Sicherheit der Medizinprodukte noch besser eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur überwachen und koordinieren. Anpassung des Medizinprodukterechts an Ich möchte drei Punkte aus dem Gesetz ansprechen. die Verordnung (EU) 2017/745 und die Verordnung (EU) 2017/746 (Medizinpro- Erster und wichtigster Punkt: Der Bund wird, wenn es dukte-EU-Anpassungsgesetz – nötig ist, stärker durchgreifen können, so wie wir das bei MPEUAnpG) der Arzneimittelversorgung schon geregelt haben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Drucksache 19/15620 kurz BfArM, bewertet derzeit im Falle von Vorkommnis- Überweisungsvorschlag: sen bei einem Produkt das Risiko. Es soll in Zukunft nun Ausschuss für Gesundheit (f) direkt Maßnahmen zur Risikoabwehr treffen können. Das Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ist auch sinnvoll; denn die neuen europäischen Medizin- b) Beratung des Antrags der Abgeordneten produkteverordnungen verlangen, dass die Mitgliedstaa- Detlev Spangenberg, Jörg Schneider, ten sogenannte meldepflichtige Vorkommnisse zentral er- Dr. Robby Schlund, weiterer Abgeordneter fassen und bewerten. Das BfArM als zentrale deutsche (B) und der Fraktion der AfD Bundesoberbehörde kann also zukünftig Risiken erken- (D) nen, europaweit kommunizieren und deutschlandweit Gesundheits-Apps auf klinische Wirksam- eindämmen, sozusagen nach dem Prinzip „Alles aus einer keit prüfen und Patienten schützen Hand“. Das stärkt im Übrigen auch die Rolle dieser wich- tigen Behörde gegenüber den Herstellern und auch in der Drucksache 19/16057 öffentlichen Wahrnehmung. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (f) Der zweite Punkt betrifft die Beteiligung der Ethik- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Kommissionen bei klinischen Studien und Leistungsstu- Ausschuss Digitale Agenda dien, also wenn Medizinprodukte auf ihre Wirksamkeit ZP 14 Beratung des Antrags der Abgeordneten Katrin geprüft werden. Ethik-Kommission und zuständige Bun- Helling-Plahr, Christine Aschenberg-Dugnus, desoberbehörde bewerten unabhängig voneinander und Michael Theurer, weiterer Abgeordneter und der eigenständig die einzureichenden Antragsunterlagen, Fraktion der FDP und das hat sich unseres Erachtens in der Vergangenheit bewährt. Deshalb nutzen wir in diesem Punkt unseren EU-Medizinprodukteverordnung verantwor- nationalen Gestaltungsspielraum; denn was gut funktio- tungsvoll implementieren – Patientenversor- niert, das soll auch so bleiben. gung sicherstellen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Drucksache 19/16035 Mein dritter und letzter Punkt betrifft die Fälschung Überweisungsvorschlag: von Medizinprodukten. Wir setzen die sogenannte Me- Ausschuss für Gesundheit (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie dicrime-Konvention um. Diese Konvention soll unter an- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung derem helfen, Fälschungen von Arzneimitteln und Medi- zinprodukten europaweit effektiver zu verhüten. Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- schlossen. Alles lohnenswerte Punkte also, und diesen Punkten wollen wir nun gemeinsam mit Ihnen im Parlament den Ich bitte alle Rednerinnen und Redner nicht nur zu letzten Schliff geben. Denn wir modernisieren das Medi- diesem Tagesordnungspunkt, sondern auch zu den nach- zinprodukterecht, wir passen es fristgerecht an europä- folgenden Tagesordnungspunkten, eventuell vorhandene ische Vorgaben an, und wir sorgen damit für noch mehr Bedürfnisse nach Wünschen für gesegnete Weihnachten Patientensicherheit in Deutschland. und anderes in der entsprechend verabredeten Redezeit unterzubringen und nicht noch hinten anzuhängen. Herzlichen Dank. 17188 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Parl. Staatssekretärin Sabine Weiss (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Aussetzung aller Beschränkungen, bis ausreichende (C) ordneten der SPD) Notifizierungsstellen zur Verfügung stehen. Nach meiner Kenntnis sind es zurzeit nur sieben. Wir hatten mal über Vizepräsidentin Petra Pau: 50. Es wird kaum zu schaffen sein, mit sieben solcher Stellen dieses Riesenprogramm durchzuführen. Das Wort hat der Abgeordnete Detlev Spangenberg für die AfD-Fraktion. Eine Prüfung, ob wirklich alle Bestandsprodukte neu bewertet werden müssen. Dann fordern wir auch, dass der (Beifall bei der AfD) G-BA die Zulassungsregelungen der MDR anerkennt und nicht noch mal prüft. Das halten wir für überflüssig. Und Detlev Spangenberg (AfD): die EUDAMED, also die Europäische Datenbank für Me- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! dizinprodukte, soll zum Geltungsbeginn der MDR voll Thema: Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz und funktionsfähig sein. der Antrag der AfD „Gesundheits-Apps auf klinische Wirksamkeit prüfen und Patienten schützen“. Ziel: Ge- Zu unserem Antrag „Gesundheits-Apps auf klinische währleistung hoher Produkt- und Versorgungsqualität. Wirksamkeit prüfen und Patienten schützen“. Kurz ge- Anlass war ja der Brustimplantateskandal 2010. Wenn sagt: Ab 2020 besteht ja die Möglichkeit der Verschrei- man davon ausgeht, dass am 25. Mai 2017 die MDR, bung von Gesundheits-Apps. Es fehlt hier aus unserer die Medical Device Regulation, in Kraft getreten ist, dann Sicht ein systematischer Überblick der mehr als muss man sagen: Das ist eine ziemlich lange Zeitspanne, 300 000 Apps. Man kann auch nicht gerade behaupten, ehe man sich bemüht hat, diese Probleme zu beseitigen. dass das wissenschaftlich fundiert aufgestellt ist. Also ganz so doll ist das nicht, was wir eben gehört haben. Dann haben wir hier den Begriff „positive Versor- Meine Damen und Herren, das Ziel ist, die Zulassung gungseffekte“. Das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. aller Medizinprodukte noch einmal zu überprüfen und sie Das müsste aus unserer Sicht hinterlegt werden. Was ist zu zertifizieren. Seit drei Jahren ist in Deutschland aus denn das überhaupt, ein positiver Versorgungseffekt? Den unserer Sicht nichts passiert – mit der Folge, dass Fach- empfindet ja jeder anders. Wir sehen das Problem, meine verbände wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft und Damen und Herren, dass Apps mit einem geringeren Ri- auch der Bundesverband Medizintechnologie feststellen, sikopotenzial bewertet werden und somit keine ent- dass in den Krankenhäusern ab 2020 Medizinprodukte sprechenden Studien gefordert sind. Fehldiagnosen kön- fehlen werden bzw. dass sie nicht wissen, wie sie produ- nen nicht ausgeschlossen werden, und eine Probezeit von zieren sollen. 24 Monaten kann aus unserer Sicht als unfreiwilliges Probandentum auf dem Rücken der Patienten verstanden (B) (D) Für den ökonomischen Teil kommt noch hinzu, meine werden. Damen und Herren: Die Regierung hat selbst festgestellt, dass dieser Produktionsteil – der drittwichtigste der Ge- Die AfD fordert deshalb: erstens als Voraussetzung für sundheitswirtschaft – mit immerhin 16 Milliarden Euro die Aufnahme einer Gesundheits-App in das Verzeichnis Bruttowertschöpfung in Deutschland von großer Bedeu- des BfArM mindestens eine randomisiert kontrollierte tung ist. Insofern ist unverständlich, warum bis jetzt keine Studie durchzuführen, die ausgewertet wird, um die Lösung angeboten wurde. Zwar hat Bundesminister Wirksamkeit der Apps bewerten zu können; zweitens Ge- Spahn am 14. Juni in Brüssel Begleitmaßnahmen ange- sundheits-Apps, die zum Zeitpunkt der Antragstellung kündigt. Aber wie gesagt: Seit 2017 ist das Problem ja beim BfArM keine positive Wirkung evidenzbasiert bereits bekannt. nachweisen können, nicht auf die Liste der digitalen An- wendungen zu setzen. Das Korrigendum, das eingeführt wurde, reicht aus unserer Sicht nicht aus, also die Begleitung, die Berich- Vizepräsidentin Petra Pau: tigung, um bis Mai 2020 Anforderungen nach der MDR sicherzustellen. Wir haben ja immerhin 500 000 Medizin- Herr Spangenberg, ich weiß nicht, wie lang Ihre Liste produkte. 205 000 werden, glaube ich, davon erfasst, und noch ist, aber Sie müssen zum Schluss kommen. die anderen fast 300 000 nicht, meine Damen und Herren, und das sind die schwierigen Größen. Es betrifft ja nur die Detlev Spangenberg (AfD): Klasse I – hier gibt es eine Verlängerung bis 2024 –, und Dann komme ich zum Schluss. – Sie haben ja den An- die Klassen IIa, IIb und III nicht. Also gibt es Probleme trag gelesen. Sie können sich die ersten vier Punkte selbst bei den Anwendern, Probleme bei den Herstellern – die durchlesen. Ich denke, sie sind so logisch, dass Sie dem wissen nicht, wie sie produzieren sollen –, Probleme bei sogar zustimmen können. den Prüfstellen. Wie soll geprüft werden? Wer soll prü- fen? Nicht nachvollziehbar ist: Bereits zertifizierte und in Vielen Dank. Anwendung befindliche Produkte müssen den gleichen (Beifall bei der AfD) Prüfumfang über sich ergehen lassen wie alle anderen. Das kritisiert zum Beispiel der TÜV Süd. Vizepräsidentin Petra Pau: Gehen wir weiter. Wir fordern deshalb einen sogenann- Für die SPD-Fraktion hat nun die Abgeordnete Martina ten nationalen Notfallplan zu Sicherung der Patientenver- Stamm-Fibich das Wort. sorgung bis zum 1. Quartal 2020. Ein paar Begriffe da- raus: (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17189

(A) Martina Stamm-Fibich (SPD): Wichtig ist auch, dass das Gesetz die Sonderzulassung (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! für Medizinprodukte ermöglicht, auch wenn die erforder- Sehr geehrte Damen und Herren! Uns Sozialdemokratin- liche Konformitätsbewertung nicht durchgeführt worden nen und Sozialdemokraten liegt die Sicherheit der Patien- ist. Damit stellen wir sicher, dass in speziellen Fällen tinnen und Patienten ganz besonders am Herzen, und des- Versorgungsengpässe vermieden werden können. Diese halb freue ich mich mit meiner Fraktion, dass wir heute Maßnahmen dienen dem Schutz der Patienten. Frau über einen ganzen Strauß von Maßnahmen zur Verbesse- Staatssekretärin hat schon darauf hingewiesen: Auch rung der Patientensicherheit in Deutschland sprechen die Medicrime-Konvention des Europarates werden wir können. damit ratifizieren.

Den Kern des vorliegenden Gesetzes bildet die Um- Ich möchte an dieser Stelle noch einen Blick auf die EU setzung der europäischen Medizinprodukteverordnung in richten. Die Medizinprodukteverordnung soll nach der nationales Recht. Auslöser für diese Medizinprodukte- dreijährigen Übergangsfrist am 20. Mai 2020 in Kraft verordnung auf europäischer Ebene waren verschiedene treten. Ich blicke mit Sorge auf dieses Datum; denn Skandale und auch die Vorfälle rund um die Brustimplan- die notwendige Rezertifizierung der Medizinprodukte tate, die zahlreiche Frauen erhielten und die uns in Europa schreitet nicht so schnell voran, wie man sich das vorge- schwer erschüttert haben. So etwas darf nicht passieren. stellt hat. Insbesondere bei der Benennung der Benannten Stellen, die zur Zertifizierung der Medizinprodukte not- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten wendig sind, hakt es gewaltig. der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche Es ist gut, dass sich die EU der Sache angenommen hat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) und im Jahr 2017 einheitliche Mindeststandards gesetzt hat. Die EU-weite Einführung einer einheitlichen Kon- Ich bin deshalb froh, dass das Europäische Parlament formitätsbewertung von Medizinprodukten ist ein wich- am Dienstag für Medizinprodukte der Risikoklasse I eine tiger Schritt hin zu mehr Patientensicherheit. Gleichzeitig Verlängerung der Übergangsfrist bis 2024 beschlossen hat die EU vorgesehen, dass einige Aspekte individuell zu hat. Nichtsdestotrotz müssen wir im Auge behalten, wie regeln sind. Mit dem vorliegenden Gesetz können wir sich die Situation entwickelt. Es darf unter keinen Um- jetzt unserer Pflicht gegenüber der EU nachkommen. ständen Versorgungsengpässe bei Medizinprodukten ge- Ja, wir gehen sogar darüber hinaus und führen noch wei- ben, weil der Zertifizierungsprozess zu langsam fort- tere Regelungen ein, die für eine noch bessere Qualitäts- schreitet. Ich bin der Meinung, dass die Reform des (B) kontrolle und Übersicht bei Medizinprodukten sorgen Medizinprodukterechts sowohl auf EU-Ebene als auch (D) werden. Damit tun wir effektiv etwas für die Patientinnen auf nationaler Ebene für die Verbesserung der Patienten- und Patienten. sicherheit dringend notwendig ist. Aber es wäre eine Bla- mage für die Politik, wenn diese guten Maßnahmen in der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Umsetzung zu Versorgungsengpässen führen würden. der CDU/CSU) Das müssen wir unbedingt verhindern.

Neben dem Implantateregister, das wir in diesem Jahr (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) bereits eingeführt haben, zeigt der jetzige Entwurf einmal mehr, dass der Begriff „Patientensicherheit“ für diese Zum Abschluss möchte ich noch auf einen vorliegen- Koalition keine leere Worthülse ist. Ganz konkret sieht den Änderungsantrag zu diesem Gesetz eingehen, und der Entwurf vor, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel zwar zum Thema Hilfsmittelversorgung. Seit dem HHVG und Medizinprodukte und das Paul-Ehrlich-Institut eige- kämpft die SPD für eine qualitätsorientierte Hilfsmittel- ne Vollstreckungsbefugnisse bekommen. Die beiden Be- versorgung in Deutschland. Mit dem TSVG haben wir hörden können in Zukunft eine Risikobewertung vorneh- Ausschreibungen und Open-House-Verträge verboten. men. Zusätzlich erhalten die Behörden einen wirksamen Wir haben die Kassen und die Leistungserbringer dazu Instrumentenkasten, der vom Produktrückruf bis zum verpflichtet, gute qualitätsorientierte Verträge auszuhan- Entzug der Zulassung gereicht. Damit stärken wir die deln. Aber wir bemerken, dass es immer noch einige Kontrolle und gewährleisten vor allem, dass im Notfall schwarze Schafe gibt, denen eine qualitativ hochwertige effektiver und schneller gehandelt werden kann, als es Versorgung der Patientinnen und Patienten egal ist. Der bisher der Fall ist. vorliegende Änderungsantrag gibt den Aufsichtsbehör- den jetzt ein scharfes Schwert an die Hand, um diese (Beifall bei der SPD) schwarzen Schafe zu sanktionieren. Dazu werden die Darüber hinaus enthält das Gesetz neue Regelungen zu Aufsichts- und Ahndungskompetenzen der zuständigen klinischen Prüfungen und sogenannten Leistungsstudien Behörden deutlich ausgeweitet, und ich hoffe, dass wir für Diagnostika. Hier nutzen wir den nationalen Gestal- mit diesem Signal die betroffenen Akteure endlich zur tungsspielraum, den das künftig geltende Unionsrecht Räson bringen. bietet und verankern das Verfahren bei der Ethik-Kom- mission. Zusätzlich nutzen wir den Gestaltungs- Herzlichen Dank. spielraum, um aktuell geltende und besondere Schutzvor- schriften für Minderjährige und nicht einwilligungsfähige (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Patienten aufrechtzuerhalten. DIE GRÜNEN) 17190 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: machen, aber auch flankierend tätig werden, um Versor- (C) Das Wort hat die Kollegin Katrin Helling-Plahr für die gungsengpässe zu vermeiden. Wir brauchen Sonderrege- FDP-Fraktion. lungen für selten eingesetzte Produkte und einen Fast Track, der ermöglicht, dass auch Innovationen auf den (Beifall bei der FDP) Markt kommen. Katrin Helling-Plahr (FDP): (Beifall bei der FDP) Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deshalb bringen wir heute unseren Antrag ein, für den Unser Medizinprodukterecht an die europäischen Vorga- ich um breite Zustimmung werben möchte. Ich freue ben anzupassen, ist überfällig; denn sie gelten ab dem mich auf die weitere Beratung. 26. Mai des nächsten Jahres unmittelbar. Leider müssen wir das wieder einmal unter Zeitdruck tun. Aber wenn ich Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. auf das Chaos um die Implementierung der MDR schaue, (Beifall bei der FDP) meine ich, ist das späte Tätigwerden unserer Bundesre- gierung noch meine kleinere Sorge. Vizepräsidentin Petra Pau: Rund 500 000 Medizinprodukte müssen nach dem Das Wort hat der Abgeordnete Harald Weinberg für die neuen Rechtsrahmen komplett neu zertifiziert werden. Fraktion Die Linke. Von bisher 58 Benannten Stellen zur Zertifizierung von Medizinprodukten sind bislang nur 9 nach neuem Recht (Beifall bei der LINKEN) zugelassen und notifiziert. Eine Vielzahl europäischer Rechtsakte fehlt noch. Der Start der für die Erhebung Harald Weinberg (DIE LINKE): der Daten- und Patientensicherheit notwendigen europä- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ischen Datenbank EUDAMED ist kürzlich um zwei Jahre Kollegen! Worum es der Linken in dieser Diskussion vor verschoben worden. Gerade kleine und mittlere deutsche allen Dingen und in erster Linie geht, ist die Patientensi- Medizintechnikunternehmen haben die Befürchtung, cherheit. dass sie viele Produkte nicht oder nicht rechtzeitig zertifi- zieren können, nicht einmal binnen der Gnadenfrist bis (Beifall bei der LINKEN) 2024. Daran ändert auch die Verlängerung der Geltungs- Medizinprodukte gibt es viele: von einfachen Ver- dauer der Übergangsregelung für die Klasse-I-Produkte bandsmitteln bis zum Herzschrittmacher oder künstlich- nur wenig. em Hüftgelenk. Deshalb sind sie eingeteilt in Risikoklas- sen. Die Zulassungsverfahren bzw. die Überwachung (Beifall bei der FDP – Christine Aschenberg- (B) muss relativ lückenlos sein. Es kommt auch immer wie- (D) Dugnus [FDP]: So ist es!) der zu unerwünschten Ereignissen: künstliche Gelenke, Es ist die Rede davon, dass 30 Prozent der Produkte die nicht halten oder deren Abrieb zu Vergiftungen führt; auch langfristig vom Markt verschwinden werden. Herzschrittmacher mit Kabelbrüchen, die unkontrollierte Deutschland ist nicht nur in Europa der stärkste Medizin- Stromschläge verursachen; Stents, also kleine Arterien- produkte-Industriestandort, sondern auch in der Welt die implantate, die eigentlich Schlaganfälle verhindern sol- Nummer zwei. Das verdanken wir unseren vielen kleinen len, aber leider in der Vergangenheit die doppelte Zahl und mittleren Unternehmen dieser Branche, die von Infarkten ausgelöst haben. Im Jahr 2008 gab es laut 200 000 Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. BfArM 4 800 Risikomeldungen. In 2017 waren es bereits über 14 000 Risikomeldungen. Das heißt, es ist dringend (Beifall bei der FDP) notwendig, dass entsprechend überwacht und auf die Zu- Bei uns werden aber nicht nur hochwertige innovative lassung geachtet wird. Medizinprodukte hergestellt, sondern Deutschland ist auch der drittgrößte Absatzmarkt. Für unsere Patientin- (Beifall bei der LINKEN) nen und Patienten müssen wir gewährleisten, dass sichere Zur Vorgeschichte gehört auch der Skandal um ge- und moderne Medizinprodukte zur Verfügung stehen. fälschte, weil mit Industriesilikon befüllte Brustimplan- tate der Firma PIP. Das war ein bewusst krimineller Akt, (Beifall bei der FDP) der allerdings das unzureichende Zulassungs- und Über- Nur: Wie soll das funktionieren, wenn die Zertifizie- wachungssystem ausgenutzt hatte. Das war ein wesent- rungsstellen überhaupt noch nicht vorhanden sind, wenn licher Anstoß zur Verhandlung einer neuen Medizinpro- nicht klar ist, ob dort ausreichend Personal zur Verfügung dukteverordnung auf EU-Ebene, die allerdings insgesamt stehen wird, wenn die Rahmenbedingungen so chaotisch vier, fünf Jahre beanspruchte. sind, dass unklar ist, wie viele Hersteller das durchhalten? Gerade bei Nischenprodukten wie Kinderherzklappen, Die Bundesregierung, die wichtige Maßnahmen für für die es nicht viele Hersteller gibt, kann das schnell den Patientenschutz ausbremste und sich eher für die her- eng werden. Das will ich nicht riskieren. stellerfreundliche Regelung starkmachte, hat daran einen gewissen Anteil. Die Linke hat sich im Rahmen der Ver- Ich bin sicher, dass unsere Unternehmen auch künftig handlungen stets für ein zentrales Zulassungsverfahren innovative Produkte entwickeln werden, die Menschen bei den Behörden starkgemacht. Jetzt gibt es ein Verfah- das Leben erleichtern oder retten. Wie sollen sie damit ren, nach dem die Produkte durch sogenannte Benannte bei den überlasteten Benannten Stellen noch durchdrin- Stellen geprüft werden sollen. In Deutschland ist das gen? Deshalb müssen wir auf europäischer Ebene Druck meistens der TÜV. Der Fortschritt ist manchmal eine Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17191

Harald Weinberg (A) Schnecke. Gegenüber dem heutigen Stand sind die neuen Bedeutung weiter zunehmen wird. Dass dies nicht unbe- (C) Vorgaben der Richtlinie allerdings ein Fortschritt, zum dingt eine Selbstverständlichkeit war, haben wir in den Beispiel bei der klinischen Prüfung von Hochrisikomedi- letzten Jahren bei den Verhandlungen über die Verord- zinprodukten. nung auf EU-Ebene gesehen, die heute in deutsches Recht umgesetzt wird. Noch einige Anmerkungen zum Gesetzentwurf. Begrüßenswert finden wir die künftig bessere Kompe- Ein widerlicher Skandal mit Brustimplantaten war der tenzverteilung zwischen Bund und Ländern mit bundes- Auslöser. Dann folgte fünf Jahre lang eine Diskussion, einheitlichen Marktüberwachungen. ein Prozess des Lobbyismus auf EU-Ebene nicht gerade der feinsten Art, übrigens auch unter Beteiligung von Nicht einverstanden sind wir mit den Plänen, Sonder- Parlamentariern aus Deutschland, die versucht haben, zulassungen nicht nur in ganz konkret umschriebenen auf diesen Prozess Einfluss zu nehmen. Wir können froh Ausnahmefällen zuzulassen. sein, dass der Patientenschutz in diesem Prozess nicht völlig unter die Räder gekommen ist. Deswegen möchte (Beifall bei der LINKEN) ich an dieser Stelle allen aufrechten Parlamentariern im Unzufrieden sind wir damit, dass es einzelne Maßnah- EU-Parlament danken, die sich über Jahre für den Patien- men gibt, die eigentlich über das hinausgehen, was von tenschutz eingesetzt haben. der EU-Richtlinie vorgegeben ist. Zum Beispiel sollen die Aufsichtsbehörden bei Meldungen von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schwerwiegenden Vorkommnissen eine Risikobewertung sowie bei Abgeordneten der LINKEN) nur dahin gehend vornehmen, ob ein unvertretbares Risi- Wir begrüßen ausdrücklich die im vorliegenden Ge- ko vorliegt. Diese Einschränkung wollen wir gestrichen setzentwurf vorgesehene Kompetenzerweiterung des haben. Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte; (Beifall bei der LINKEN) denn die Zentralisierung der Risikobewertungen solcher Produkte fordern wir seit Langem. Das ist ein zentraler Auch hinsichtlich der Transparenz bei Ergebnissen von Punkt, um die Patientensicherheit zu fördern. klinischen Prüfungen gibt es aus unserer Sicht Nachbes- serungsbedarf. Wir fordern schon seit Jahren, dass ein Aus unserer Sicht bräuchte man gerade im Hinblick auf zentrales Studienregister geschaffen werden soll, in dem den Patientenschutz eine verpflichtende Haftpflichtversi- alle Studien, auch die, die abgebrochen oder beendet wor- cherung für Medizinproduktehersteller. Wir haben gese- den sind, verzeichnet werden. Alle Beteiligten sollen ent- hen, was beim Brustimplantateskandal passiert ist. Die sprechend verpflichtet werden. Frauen, denen die Implantate eingesetzt worden waren, (B) waren die Opfer; sie wurden aber nicht entschädigt. Hier (D) Wir können auch nicht verstehen, warum die Bundes- brauchen wir wirklich eine Haftpflicht der regierung für den großen Markt der Medizinprodukte Medizinproduktehersteller; aber dies hat die Bundesre- kein generelles Werbeverbot außerhalb von Fachkreisen gierung auf EU-Ebene aktiv verhindert. Das ist wirklich erlassen will. Bei verschreibungspflichtigen Medikamen- ein Problem. So besteht weiter die Gefahr, dass geschä- ten und bei Krebsmitteln gibt es das, und zwar zu Recht; digte Patientinnen und Patienten mit den Folgen von doch bei den Medizinprodukten wäre es in gleicher Weise Skandalen oder Fehlern bei Medizinprodukten leben erforderlich. müssen. Hier bleibt viel zu tun. Das sind Punkte, auf die wir uns in der weiteren De- batte über den Gesetzentwurf in den Ausschüssen freuen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: So richtig krankt es aktuell an anderer Stelle, nämlich Kollege Weinberg, kommen Sie bitte zum Schluss. bei der Zertifizierung von Medizinprodukten. Derzeit entsprechen europaweit weniger als 10 Benannte Stellen Harald Weinberg (DIE LINKE): den gestiegenen Anforderungen, die durch das neue EU- Genau damit komme ich jetzt auch zum Ende. Recht entstehen. Bis Ende März 2020 sollen 20 Stellen zertifiziert sein. Das wird kaum gelingen, auch wenn jetzt (Beifall bei der LINKEN) bei einigen Medizinprodukten – es wurde bereits er- wähnt – eine Fristverlängerung vereinbart wurde. Wir Vizepräsidentin Petra Pau: befürchten, dass es zu Versorgungsengpässen in diesem Bereich kommt. Das darf nicht sein. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Kordula Schulz-Asche das Wort. Nach fünf Jahren Verhandlungen in der EU bleiben bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes tatsächlich nur fünf (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Monate, um die Zertifizierungen durchzuführen. Meine Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Damen und Herren von der Bundesregierung, drücken NEN): Sie auf die Tube für gute Qualität, und bessern Sie nach für guten Patientenschutz bei Medizinprodukten. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Patientin- nen und Patienten haben das Recht auf transparente, si- Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. chere und verlässliche Versorgung mit Medizinproduk- ten, gerade in Zeiten, wo wir wissen, dass deren (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 17192 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: wann diese Regelung gilt. Mit dem Antrag ist nunmehr (C) Danke. – Das Wort hat der Kollege Dietrich Monstadt verbindlich klargestellt, dass dies für sogenannte Altfälle für die CDU/CSU. nicht gilt. Die neuen Regelungen werden erst wirksam für Aufnahmeverträge in Krankenhäusern, die nach Inkraft- (Beifall bei der CDU/CSU) treten des Gesetzes bzw. der nachfolgenden Verordnung abgeschlossen wurden. Damit wird Rechtssicherung für Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Krankenhäuser und Krankenkassen geschaffen. Eine sich Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! abzeichnende Klagewelle für Altfälle wird damit ge- Liebe Kollegen! Verehrte Damen! Meine Herren! Die stoppt. Medizintechnikbranche hat nicht nur für die gesundheits- Meine Damen und Herren, der zweite Änderungsan- wirtschaftliche Gesamtrechnung eine nicht zu unterschät- trag, den ich hier ansprechen möchte, ist die Regelung zende Bedeutung, sondern auch für die gesamte deutsche zum Ausschreibungsgeschehen im Hilfsmittelbereich. Wirtschaftsleistung. Hier arbeiten mehr als 200 000 Mi- Im TSVG wurde klargestellt, dass jeder der Leistungser- tarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen Gesamtumsatz bringer prinzipiell berechtigt ist, mit den Krankenkassen von circa 30 Milliarden Euro erwirtschaften. Die Branche Vertragsverhandlungen zu führen. In der Realität haben ist hoch innovativ: Circa ein Drittel des Umsatzes wird wir leider feststellen müssen, dass die Kassen sich nicht mit Produkten erzielt, die nicht älter als drei Jahre sind. umfassend daran gehalten haben. Hier mussten wir rea- Die Exportquote liegt bei über 65 Prozent, und dies in gieren. Dafür werden nunmehr folgende Regelungen ge- einem Regelungsrahmen, der entscheidend von EU-Vor- troffen: Zukünftig können Aufsichtsbehörden rechtswid- gaben bestimmt ist rige Verträge zur Hilfsmittelversorgung beenden und Meine Damen und Herren, mit dem heute zu diskutier- ihren Vollzug verhindern. Sie können vor Vertragsschluss enden Gesetzentwurf sollen Anpassungen unseres natio- durch besondere Aufsichtsmittel Krankenkassen ver- nalen Rechtsrahmens an die beiden EU-Verordnungen pflichten, Vertragsverhandlungen mit allen interessierten vorgenommen werden. Wesentliche Regelungen dieses Leistungserbringern aufzunehmen. Krankenkassen wer- Gesetzes hat Frau Staatssekretärin Weiss gerade darge- den verpflichtet, ihre Absicht, Verträge zur Hilfsmittel- stellt. versorgung abzuschließen, unionsweit bekannt zu ma- chen. Außerdem wird ein Schiedsverfahren im Meine Damen und Herren, insbesondere die Regelun- Hilfsmittelbereich eingeführt. Damit soll insbesondere gen zur MDR bedeuten, dass mehr als 500 000 Produkte – sichergestellt werden, dass der gesetzgeberische Wille es ist bereits angesprochen worden – nach der neuen Ver- uneingeschränkt umgesetzt wird. Meine Damen und Her- ordnung zertifiziert werden müssen. Frau Stamm-Fibich, ren, ich bitte um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. (B) ich teile ausdrücklich Ihre Sorge, dass dort Probleme ent- (D) stehen. Die Umsetzung der MDR-Regelung erweist sich Herzlichen Dank. nach wie vor als schwierig, und das, obwohl die MDR schon ab Mai 2020 gelten soll. Dabei sollen künftig nicht (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- mehr nur Medizinprodukte aus anderen Risikoklassen ein ordneten der SPD) bestimmtes, strengeres Zulassungsverfahren durchlaufen, auch die Benannten Stellen benötigen eine neue Akkredi- Vizepräsidentin Petra Pau: tierung. Von den bestehenden 58 Benannten Stellen sind Das Wort hat Dr. Georg Kippels für die CDU/CSU- aktuell nur 9 nach MDR, nur 2 für In-vitro-Diagnostika Fraktion. zertifiziert. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Zulassungsbedingungen müssen streng sein, damit die Patientensicherheit gewährt wird. Gleichzeitig dürfen Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): die Innovationen nicht – in Anführungszeichen – „im Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolle- Stau stehen“; denn wir benötigen sie in der gesundheit- ginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer lichen Versorgung. Das neueste Korrigendum zur MDR an den Fernsehgeräten! verschafft den Herstellern zumindest für bestimmte Me- dizinprodukte der Klasse 1 eine etwas längere Über- (Reinhard Houben [FDP]: Das werden nicht gangsfrist von vier Jahren. Ich bin unserem Bundesminis- mehr so viele sein, Herr Kippels!) ter Jens Spahn sehr dankbar – ich bitte, ihm das auszurichten –, dass er sich auf EU-Ebene so intensiv Wir haben hier gerade schon sehr viel über den Aspekt der für eine Verlängerung der Übergangsfristen eingesetzt Patientensicherheit gehört. Das ist mit Abstand eine der hat und weiterhin einsetzt. wichtigsten Motivationen, um sich mit der Prüfung von technischen Geräten, die bei der Behandlung von Patien- (Beifall bei der CDU/CSU) tinnen und Patienten benutzt werden, zu befassen. Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Ge- Es geht aber nicht nur um die Patientensicherheit, son- setzwurf werden außerdem noch zwei wichtige soge- dern natürlich auch um die Erwartungshaltung der Patien- nannte fachfremde Änderungsanträge auf den Weg ge- ten, dass Innovationen auf technischem Sektor ständig bracht. Mit dem MDK-Reformgesetz wurde das vorangetrieben werden und diese Technik, begleitet durch Prüfsystem zwischen den Medizinischen Diensten, den eine entsprechende Zulassung und eine Prüfung, mit Krankenkassen und den Krankenhäusern neu justiert. Es bestmöglicher Präzision eingesetzt wird. Wie sehr die sind Unsicherheiten entstanden, für welche Fälle und ab Medizinprodukte mittlerweile eine Rolle im Behand- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17193

Dr. Georg Kippels (A) lungsverlauf spielen, sei nur daran festgemacht, dass die Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf: (C) Wissenschaftliche Gesellschaft für Krankenhaustechnik den Krankenhäusern empfiehlt, pro 100 Betten nahezu Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Götz 300 medizintechnische Geräte vorzuhalten, mit denen Frömming, Nicole Höchst, Dr. Marc Jongen, wei- das Pflegepersonal, aber natürlich auch das medizinische terer Abgeordneter und der Fraktion der AfD Personal in der Lage ist, Abläufe zu optimieren, die Diag- Deutsch als Wissenschaftssprache erhalten nostik zu präzisieren und natürlich auch die zeitlichen und stärken Ressourcen bestmöglich zu heben. Drucksache 19/16053

Darüber hinaus finden durch die Medizinprodukte Überweisungsvorschlag: vollkommen neue Behandlungsmethoden Eingang in Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Ausschuss für Kultur und Medien den medizinischen Alltag. So nimmt die Anzahl der ro- boterassistierten Operationen permanent zu. Absolute Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- Spitze in Europa ist da zurzeit Schweden. In Deutschland schlossen. gibt es noch ein gewisses Unbehagen, wenn neben dem Operateur, dem Mediziner aus Fleisch und Blut, kompli- Ich würde gern die Aussprache eröffnen und frage die ziert aussehende Geräte eingesetzt werden. Aber sie stei- AfD-Fraktion, ob sie einen anderen Redner benennt oder gern die Präzision. Sie sorgen dafür, dass Folgerisiken ob ihr Redner noch zu erwarten ist. - teilweise deutlich besser vermieden werden. Die Liege- (Lachen bei Abgeordneten der SPD) zeiten und vor allen Dingen auch die Komplikationsrisi- ken schwinden. Es hätte jetzt der Abgeordnete Dr. Götz Frömming ge- redet. Da dieser nicht anwesend ist, fahren wir in der Aussprache fort. Noch eine Anmerkung aus meiner Sicht als Europa- politiker. Der Gesundheitspolitiker wird immer dann Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Michael von etwas sensibel, wenn er hört, dass die Europäische Union Abercron für die CDU/CSU-Fraktion. aktiv wird. Bei der letzten Initiative zum HTA, dem Health Technology Assessment, haben wir uns zu einer (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Subsidiaritätsrüge durchgerungen, weil wir der Meinung Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP], an die waren, dass die Kombination aus der geplanten Reg- AfD gewandt: Tolle Leistung!) elung und unserem medizinischen System unverträg- lich ist. Dieses Recht ist niedergelegt in Artikel 168 Ab- Dr. Michael von Abercron (CDU/CSU): (B) satz 7 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europä- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und (D) ischen Union, wonach das nationale Versorgungs- und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der hier vor- Gesundheitssystem in sozialrechtlicher Hinsicht privile- liegende Antrag hat zweifellos eine große Chance – nicht giert ist. wegen der aktuellen Vorkommnisse, sondern aus anderen Gründen –, einen vorderen Platz auf der Hitliste der Ku- Hier haben wir es allerdings ausschließlich mit techni- riositäten in diesem Bundestag zu bekommen. schen Fragen und Standardisierungsfragen zu tun, die in (Beifall bei der CDU/CSU, der LINKEN und unsere Hoheit in keiner Weise eingreifen. Vor diesem dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hintergrund ist es richtig und wichtig, dass wir mit un- serem BfArM ein Höchstmaß an technischer Fachkunde Er passt eigentlich viel mehr in die Zeit von Kaiser installieren, das im Interesse der Patientensicherheit zu- Wilhelm II., weil man von dem ja wusste, dass er mit künftig ununterbrochen zur Verfügung stehen wird. seinem englischen Vetter nicht so gut klarkam, und weil die wissenschaftliche Leistung damals eher zur Staffage, Stimmen Sie bitte dem Gesetzentwurf zu. Ich freue zu einer Art Deutschtümelei verkam. Man sagte kurzer- mich auf die interessanten Beratungen im Ausschuss hand: Forschung unter der Pickelhaube für die Pickelhau- und die Ergebnisse der Anhörung. be. – Heute, hundert Jahre später, dieser Antrag der AfD zur Rettung der deutschen Sprache. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Falls Sie es noch nicht bemerkt haben: Das Drama dieser Zeit, der Schwund der deutschen Sprache, hat (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- nun auch die Wissenschaft erreicht. Nur ein nationaler ordneten der SPD) Aktionsplan kann retten, was noch zu retten ist. – Was für eine Weltferne! Da wird von einem Niedergang der Vizepräsidentin Petra Pau: deutschen Sprache seit Mitte des 20. Jahrhunderts gespro- Ich schließe die Aussprache. chen. In der dazugehörigen Pressekonferenz wurde sogar der Verlust des deutschen Erbes, der deutschen Kultur, Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf der Philosophie heraufbeschworen. Hegel, Heidegger, den Drucksachen 19/15620, 19/16057 und 19/16035 an Marx, sie alle sind schwer zu bekommen. – Ich empfehle die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- den Kollegen von der AfD einen Besuch in der Buch- schlagen. Gibt es weitere Überweisungsvorschläge? – handlung. Da werden Sie mit Sicherheit Ihre geliebte Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir wie vorgeschla- Lektüre – etwa „Das Kapital“ von Karl Marx – finden; gen. Sie werden sie mit Begeisterung lesen können. 17194 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Michael von Abercron (A) Und wer ist schuld? Natürlich – wie sollte es auch Schlüssel zum Erfolg. Wir müssen Angebote machen: (C) anders sein? – die Bundeskanzlerin. Sie hat sich ver- bilinguale Angebote in der Schule, fremdsprachige Stu- schworen, will das Deutsche im Multilateralismus auflö- diengänge. Das ist die moderne Antwort, vor der sich sen. Das nenne ich eine beispiellose Irrationalität. keiner fürchten muss. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem des Abg. René Röspel [SPD]) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Richtig wäre eigentlich dieser historische Rückblick: Dieser Antrag fordert die Bundesregierung auf, einen Das Deutsche hat im letzten Jahrhundert einen absoluten nationalen Aktionsplan zum Erhalt, zur Stärkung und Tiefpunkt erreicht. Ursache war eine katastrophale deut- Pflege der Wissenschaftssprache Deutsch zu entwickeln. sche Überheblichkeit und Menschenverachtung, die auch Die drei Punkte, die da genannt sind, lassen aber völlig in der Sprache ihren Niederschlag gefunden hat. – Gerade offen, wie das im Einzelnen aussehen soll. Wie steht es daraus erwächst für uns der Auftrag, besonders sorgsam um die Freiheit der Lehre? Wie steht es um die Autono- mit der deutschen Sprache umzugehen. Ich gucke da be- mie der Universitäten? All das wird überhaupt nicht an- stimmte Persönlichkeiten hier im Hause an. gesprochen. Wenn nun hier ein Rückgang von wissenschaftlichen In der Begründung zu dem Antrag wird es schon etwas Veröffentlichungen in deutscher Sprache beklagt wird, so deutlicher, um nicht zu sagen: zweideutiger. Zitat: „Spra- hat das einen einfachen Grund. Jeder weiß, dass wir eine che bedeutet, eine ... Weltsicht ... zu haben.“ Was ist denn unheimliche Zunahme von wissenschaftlichen Veröffent- damit eigentlich gemeint? Ist das eine deutsche Welt- lichungen haben, und niemandem ist geholfen, wenn Er- sicht? Das ist es eben: Sind es nicht diese immer wieder kenntnisse wegen sprachlicher Hürden nicht ausgetauscht wiederholten Zweideutigkeiten, die auch in diesem An- und angewandt werden können. Und: Fremdsprachen bil- trag Ihrer Fraktion erneut zum Ausdruck kommen? Meine den. Sie sind nicht nur in der Wissenschaft wichtig, son- sehr verehrten Damen und Herren, das führt diesen An- dern auch ein wichtiger Beitrag zur internationalen Ver- trag völlig ad absurdum. Deshalb müssen wir den Antrag ständigung. Diese Erkenntnis ist doch nicht neu. Die ablehnen. Antragsteller sprechen selbst von der „Linguae francae“. Marcel Reich-Ranicki hat einmal gesagt: „Die deut- (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE sche Sprache ist sexy.“ Die Sprache der AfD in diesem GRÜNEN]: Ist ja schon nicht so deutsch!) Antrag ist es leider nicht. Dieser Begriff allein zeigt doch, dass die lateinische Spra- Herzlichen Dank. che seit der Antike die Wissenschaft prägt, bis heute. In (B) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie (D) der Medizin, in der Botanik, in der Chemie, überall haben bei Abgeordneten der LINKEN) wir auch die lateinische Sprache. Ich kenne eigentlich niemanden, der daran Anstoß nimmt. Das ist vielmehr ein Beispiel für eine hervorragende Kultur, die in Europa Vizepräsidentin Petra Pau: entwickelt worden ist. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in der Debatte fortfahren, unterrichte ich Sie darüber, dass Es ist doch sofort für jeden ersichtlich, dass wir uns in der Abgeordnete Frömming, der für die AfD-Fraktion einer globalen Welt auch wissenschaftlich austauschen diesen Antrag hier einbringen sollte, ein medizinisches müssen. Hinzu kommt, dass an diesem wissenschaftli- Problem hat. Wir haben jetzt vereinbart, dass der Rede- chen Dialog im Zeitalter der digitalen Technik weit mehr beitrag des Abgeordneten Frömming zu Protokoll ge- Nationen teilnehmen, dieser Vorgang sehr viel schneller nommen wird, sodass Sie in den nachfolgenden Aus- stattfindet und viel intensiver ist als je zuvor. Da hilft eine schussberatungen darauf Bezug nehmen können.1) gemeinsame Sprache. Diese über Grenzen hinweg beste- hende wissenschaftliche Zusammenarbeit ist ein Gewinn Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. h. c. Thomas und gewiss kein Verlust. Sattelberger für die FDP-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei der FDP) der SPD und des Abg. Kai Gehring [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]) Dr. h. c. Thomas Sattelberger (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die deut- Seien wir dankbar, dass wir unsere wissenschaftlichen sche Sprache ist eine wichtige Grundlage unseres Natio- Publikationen und Abstracts gegenseitig lesen können. nalstaats für Integration, Bindung und Teilhabe in der Denken Sie an die aktuelle Forschungsreise der „Polar- Gesellschaft. Wer über Goethe, Bettina von Arnim, Beet- stern“, wo Wissenschaftler aus 19 Nationen auf einem hoven und Bach forschen will, muss Deutsch können. Schiff versammelt sind. Man kann sich doch vorstellen, Doch diese Beispiele kommen aus einer Zeit, in der wie untereinander kommuniziert wird, welches die Bord- Deutsch Wissenschaftssprache war – wie zuvor Latein sprache ist. und davor Griechisch. Später war die deutsche Sprache Man muss kein Prophet sein, um vorherzusehen, dass beinahe ein Jahrhundert lang eine der drei Wissenschafts- die deutsche Sprache auch in der Wissenschaft eine Zu- sprachen neben Englisch und Französisch. Nach 1945 kunft hat und wir auch in Zukunft auf Deutsch schreiben setzte sich endgültig Englisch durch. werden; aber globale Herausforderungen sind zu beste- hen. Das Erlernen von Sprachen ist dabei ein wichtiger 1) Anlage 13 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17195

Dr. h. c. Thomas Sattelberger (A) Dass die AfD jetzt zwei Weltkriege für eine Diskredi- Vizepräsidentin Petra Pau: (C) tierung der deutschen Sprache verantwortlich macht, das Das Wort hat Dr. Ernst Dieter Rossmann für die SPD- ist eine infame Verdrehung der Realität. Fraktion. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, (Beifall bei der SPD) der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Deutschland hat sein intellektuelles Ausbluten selbst be- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! trieben. Es war die nationalsozialistische Diktatur, die die Wenn der Kollege Frömming denn erkrankt ist, dann will deutsch-jüdische Intelligenz ermordet und vertrieben hat. ich ihm durchaus auch gute Besserung wünschen. Ich will umgekehrt sagen, dass wir von der Ausschusssitzung am (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, gestrigen Mittwoch wissen, wie er in der Diskussion um der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Blockchain – vielleicht wissen das die Kollegen auch GRÜNEN) noch – englisch geendet hatte, nämlich mit der Aussage: Lots of gear, no idea. – Er hätte auch auf Amerikanisch Noch in den 1930er-Jahren erhielten deutsche Forscher sagen können: All hat and no cattle. die meisten Auszeichnungen. Bereits Anfang der 1940er- Jahre begann die lange Siegesserie von in den USA leb- (Heiterkeit bei der SPD und dem BÜND- enden Nobelpreisträgern, viele davon geflüchtete Deut- NIS 90/DIE GRÜNEN) sche. Was ist die Zusammenführung zur Wissenschaftsspra- Heute sind die Adressaten naturwissenschaftlicher che? Offensichtlich gibt es Internationalität, egal welchen Publikationen zu über 90 Prozent Nichtdeutsche. Auto- Geistes man ist. Gleichzeitig gibt es in diesen Worten den renteams sind international zusammengesetzt. Zitationen, Hinweis auf das Idiomatische, auf das Besondere, das in Vorträge und Veröffentlichungen, wichtige Währungen einer nationalen Sprache liegt, weshalb man manchmal internationaler Wissenschaft, sind auf Englisch formu- auf andere Sprachen ausweicht. So weit die Hinführung. liert. Internationale Wissenschaftler bewegen sich souve- Was ich damit grundsätzlich sagen möchte, ist, dass wir rän in zwar deutschen, aber englischsprachigen Commu- natürlich recht daran tun, uns auch mit diesen Fragen nities. Hier geht es, meine Damen und Herren, nicht um auseinanderzusetzen, weil Sprache einerseits ein Medium literarische Schönheit, Tradition und Kultur, sondern sehr der Kultur, der Identität, der Differenzierung bis in das einfach um eine Fachsprache im Wissenschaftsbetrieb; da Denken, in das Verstehen hinein ist. Andererseits ist sie hilft auch keine romantische Verklärung. ein Medium der Überbrückung von Differenzen und Ver- (B) (Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN schiedenheiten; sie ist ein Medium der Verbreitung, der (D) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie maximalen Reichweite. bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb müssen wir uns fragen, wie dieses aufgeteilt Eine Debatte darüber führt in die Abschottung. Des- werden kann, aber immer vor dem Hintergrund, dass wir halb sind moderne Wissenschaftler zur Mehrsprachigkeit eines nie vergessen sollten – das möchte ich der AfD ganz aufgerufen. Die globale Wissenschaftssprache Englisch, ruhig sagen, weil das auch in der „Frankfurter Allgemei- der sich selbst Russen und Chinesen beugen, ist Conditio nen Zeitung“ kürzlich zu lesen war; dies meinte darin der sine qua non. Doch Forschung muss auch und gerade Philosoph Waldenfels –: Das Entscheidende ist eigentlich nationale Sprachbrücken bauen. Deutsche Forscher müs- immer die Begegnung mit dem Fremden, mit dem Ande- sen wissenschaftliche Erkenntnisse in deutscher Sprache ren, mit dem Verschiedenen, weil nur daraus Kultur und allgemeinverständlich bekannt machen, für die Akzep- Innovationen entstehen. tanz in der breiten Öffentlichkeit und Bevölkerung. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE der SPD und der LINKEN) GRÜNEN) Dies kann aber nicht heißen, dass wir die deutsche Es ist wichtig, dass wir es so auch in unserer Auseinan- Wissenschaftssprache nun subventionieren. Wir brau- dersetzung mit Sprache halten. chen wieder die brillanten Nobelpreisträger hierzulande. Das hat die Wissenschaft beschäftigt. Kollege Die gewinnen wir nur durch exzellente Forschungswel- Sattelberger hat es schon auf den Begriff gebracht: Das ten, nicht durch sprachliche und nationalistische Einen- A und O ist die Mehrsprachigkeit. – Mehrsprachigkeit gung. dann allerdings in zwei verschiedenen Bereichen: Mehr- (Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN sprachigkeit in Bezug auf die Welt von Forschung – ihre und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Anwendung in der Wissenschaft und in der Forschung für bei Abgeordneten der CDU/CSU) die Welt – und Mehrsprachigkeit in der Welt von Lehre und Lernen an Hochschulen. Ihr Antrag, Sie angebliche Alternative, ist eine Farce, die wir mit breiter polyglotter Brust ablehnen. Ich will an ein sehr tragendes Konzept von Macron anknüpfen, der ja für die europäischen Hochschulen, für (Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der CDU/ die europäische Sprachenentwicklung angeregt hat, mög- CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜND- lichst drei Sprachen zu beherrschen: die Muttersprache, NIS 90/DIE GRÜNEN) die Weltsprache und eine zusätzliche Sprache. Ich glaube, 17196 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Ernst Dieter Rossmann (A) genau so müssen wir es sehen. Wissenschaftler und For- Dies von einer Partei, die Geschlechterforschung für (C) scher müssen dann besondere Ansprüche an sich richten: Steuergeldverschwendung hält und deshalb zur Straftat dass sie in der Weltsprache exzellent sind, aber dass sie machen möchte. auch in ihrer Muttersprache exzellent sind, weil beides herausfordert: das eine bei der Kommunikationsfähigkeit, (Enrico Komning [AfD]: Zu Recht!) das andere – das Denken in der eigenen Sprache – bei der Dies von einer Partei, deren Vertreter im Kultur- und im Differenzierungsfähigkeit. Forschungsausschuss eine „Entsiffung des Kulturbetriebs Ich mache doch eine kleine Differenz zu Herrn in Angriff“ nehmen wollten. Sattelberger auf: Ich glaube schon, dass es einen Unter- (Michael Theurer [FDP]: Schlechtes Deutsch schied macht, ob es sich um Naturwissenschaften, um ist das!) Mathematik, um Technik handelt oder ob es sich um Geisteswissenschaften handelt. Dort, wo die Geisteswis- Meine Damen und Herren, ach, wenn es doch nur ein senschaften sich nicht auf dem höchsten Niveau aus der Indiz dafür gäbe, dass Wissenschaftssprache die Aufnah- Muttersprache heraus entwickeln können, haben wir För- me- und Erkenntnisfähigkeit der AfD beeinflussen könn- derinstrumente einzusetzen, te! (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der LINKEN, der CDU/CSU, der GRÜNEN]: Das verstehen die gar nicht! Ist viel SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE zu komplex!) GRÜNEN) damit es dort zu entsprechend wahrnehmbarer hoher wis- Meine Damen und Herren, ja, Deutsch war lange Zeit senschaftlicher Leistung für die Welt kommt – aus dem eine wichtige Wissenschaftssprache. Dazu trugen Men- ganzen Feld der Geistes- und der Sozialwissenschaften. schen wie Sigmund Freud, Hannah Arendt oder Albert Was die Lehr- und Lernsprache an den Hochschulen Einstein bei. Diese wurden jedoch wie viele andere Wis- angeht, gilt das Gleiche: das Prinzip der Mehrsprachig- senschaftlerinnen und Wissenschaftler antisemitisch ver- keit. Die Hochschulrektorenkonferenz, DAAD, Hum- folgt. boldt, alle sagen uns: Es kann nicht nur ein durchgängig (Enrico Komning [AfD]: Und was hat das mit fremdsprachiges, englisches Studium an deutschen Hoch- uns zu tun?) schulen geben; denn dieses würde die enttäuschen, die Deutsch gelernt haben – – Da müssen Sie mal nachdenken. (Enrico Komning [AfD]: Da sollten Sie mal (B) Vizepräsidentin Petra Pau: drüber nachdenken!) (D) Kollege Rossmann, Sie können selbstverständlich wei- tersprechen; das würde dann aber auf Kosten des Kol- Ihnen blieb nur, vor den Nazis zu fliehen. legen Röspel gehen. Auch die Liste deutscher Nobelpreisträger – sie ist hier (Zuruf von der LINKEN: Oh! – René Röspel schon angeklungen – ist lang: Carl von Ossietzky, Albert [SPD]: Der ist klüger als ich!) Schweitzer, Marie Curie – wenngleich sie aus Polen stammt –, Hermann Hesse, Heinrich Böll, Max Planck Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): und Otto Loewi. Keiner von diesen würde sich von der – und zu uns kommen und die Kultur kennenlernen AfD vereinnahmen lassen, um Deutsch als Wissen- wollen. Es würde diejenigen genauso enttäuschen, die schaftssprache zu verteidigen. bei uns etwas in ihrer Sprache vermitteln wollen. Deshalb (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem werben wir dafür: Halten wir an der Mehrsprachigkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- fest! – Das soll der Schlussbegriff sein. ordneten der CDU/CSU und der FDP) Danke. Der Bedeutungsverlust des Deutschen als Wissen- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) schaftssprache – das klang bei Herrn Sattelberger schon an – hat vor allem damit zu tun, dass viele brillante Köpfe Deutschland verlassen mussten. Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Dr. Petra Sitte für die Frak- (Enrico Komning [AfD]: Und immer noch tion Die Linke. tun! – Gegenruf der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, (Beifall bei der LINKEN) wegen Ihnen! Die gehen doch wegen Ihnen!) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Infolgedessen mussten sie auch im Ausland publizieren, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die AfD meist in den USA. So musste beispielsweise Hannah sorgt sich also um Deutsch als Wissenschaftssprache. Arendts Schrift zu den Ursprüngen des Totalitarismus Dies von einer Partei, die seit Jahren alle wissenschaft- oder Adornos „Studien zum Autoritären Charakter“ lichen Studien ignoriert und leugnet, die den menschli- zuerst auf Englisch erscheinen. chen Anteil am Klimawandel nachweisen. Deutsch war auch die Sprache von Besatzern und Mas- (Enrico Komning [AfD]: Zu Recht!) senmördern – nicht verwunderlich, dass sich Überleben- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17197

Dr. Petra Sitte (A) de und andere Länder wie beispielsweise die Schweiz (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- (C) sprachlich ausdrücklich von Deutschland absetzten. wie der Abg. René Röspel [SPD] und Jörg Cezanne [DIE LINKE]) Wenn Sie sich für die Sprache von Kant, Hegel, Les- sing oder Goethe einsetzen wollen, dann lesen Sie viel- Wer seine Sprache liebt, ist dankbar, wenn sie sich leicht doch erst mal deren Werke: „Zum ewigen Frieden“, wandelt. Denn das ist ein Zeichen, dass sie lebt. den „West-östlichen Divan“, Goethes Schriften zum Is- Wer mit exzellenter Forschung wirken möchte, lam oder Christian Wolffs zum Konfuzianismus. schreibt so, dass sie oder er auch im Ausland verstanden wird – sei es in Hongkong, Berkeley oder Singapur. Wer Meine Damen und Herren, Wissenschaft und ihre Spra- nur auf Deutsch schreibt, wird dort nicht gelesen. Ich will che leben von geistiger Freiheit und Unabhängigkeit. Die nicht, dass sich deutsche Forscherinnen und Forscher so Wissenschaftspolitik letzter Jahre hat aber durchaus auch beschränken müssen. Gegenteiliges bewirkt. So betrachtet die Bundesregierung Wissenschaftler wettbewerblich, quasi als Standortfaktor. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Und in den Zeiten der Globalisierung bleibt vielen Wis- bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abge- senschaftlerinnen und Wissenschaftlern eben auch nichts ordneten der CDU/CSU und der FDP) anderes übrig, als auf Englisch zu publizieren, um Auf- Die AfD will Deutschzwang in der Wissenschaft. Wir merksamkeit zu bekommen. wollen Wissenschaftsfreiheit. Und Wissenschaft setzt (Enrico Komning [AfD]: Ja, weil Sie alle aus nicht auf Einheitssprache, sondern auf Mehrsprachigkeit. Deutschland vertreiben!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Die Wissenschaft, auf die Gesellschaft ausgerichtet, wie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- braucht den Dialog mit der Gesellschaft und in der Spra- KEN und des Abg. Andreas Steier [CDU/ che dieser Gesellschaft. CSU]) Deutsch als internationale Wissenschaftssprache hat Danke. weiter Stellenwert in den Sozial- und Geisteswissen- (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem schaften. Aber gerade vor diesen Disziplinen haben au- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- toritäre Kräfte wie die AfD am meisten Angst, prägen ordneten der CDU/CSU und der FDP) doch gerade diese Disziplinen kulturellen Wandel, gesell- schaftliche Erkenntnis und kritischen Geist. Das macht Wissenschaft wirkungsmächtig. Vizepräsidentin Petra Pau: (B) Das Wort hat der Kollege Kai Gehring für die Fraktion (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- (D) Bündnis 90/Die Grünen. wie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Man kann auf Deutsch und in jeder Sprache publizie- ren. Es kommt aber immer auf den Inhalt an und die Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Qualität. Es macht keinen Unterschied, ob wir von „Gen- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! der Studies“ oder „Geschlechterforschung“ reden – Sie Gute Wissenschaft ist international und damit multilin- flippen so oder so aus. gual. Sagt und schreibt die AfD „Klapprechner“ statt „Laptop“? Spricht sie von „Großblockständer“ statt (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ „Flipchart“? Ist sie „im Weltnetz“, statt „im Internet zu DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) surfen“? Natürlich nicht! Das müsste die AfD aber, wenn Mir ist egal, ob Gender Studies auf Französisch oder sie Anglizismen vermeiden will oder ihre eigene Initiati- Ungarisch veröffentlicht werden – Hauptsache, sie kön- ve ernst nimmt. Beides tun Sie nicht, und damit fehlt nen ungestört forschen und lehren. Ihnen jedwede Seriosität. Wenn es nach Ihrem AfD-Antrag liefe, dann würde (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, keine Vorlesung mehr „cum tempore“ beginnen. Statt in bei der SPD und der LINKEN) „Mensen“ äßen Studierende in „Gemeinschaftsverpfle- gungsstätten“; denn „Kantinen“ wäre auch ein Unwort, Die AfD hat kein Rentenkonzept, sie leugnet die Kli- da italienischen Ursprungs. Damit steht die AfD für „Ab- makrise, beschäftigt das Hohe Haus einmal mehr mit ei- wegige Fraktion Deutschlands“. nem Problem, das es so eigentlich gar nicht gibt – weil sie mit Vielfalt nicht klarkommt, natürlich auch nicht mit (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- linguistischer Vielfalt. Wie berechenbar! wie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) Deutsch ist eine lebendige Sprache. Die größte Gefahr Komplexität, Rationalität und Intellektualität brauchen für lebendige Sprachen ist, wie es die AfD fordert, Sprachenvielfalt, keinen Deutschzwang, keine national Sprachwandel zu unterdrücken. Wir drücken uns anders bornierte Einfalt à la AfD. aus als Goethe vor 200 Jahren oder Walther von der Vo- gelweide vor 700 Jahren – und das ist auch gut so. Die Ihre nächsten bedeutungslosen Anträge wie „Nur deut- AfD erklärt sich zur Hüterin der deutschen Sprache, ist sches Liedgut im deutschen Radio“ erwarten wir mit Lan- aber eher Totengräberin für ein lebendiges Deutsch. geweile und aufgeklärter Gelassenheit. 17198 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Kai Gehring (A) Vielen Dank. die Besprechungen in Englisch und nicht in der Mutter- (C) sprache abgehalten werden. Die Diskussionsbereitschaft (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, nimmt selbst bei den Studenten ab, die sehr gut Englisch bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. sprechen. Dr. Dietlind Tiemann [CDU/CSU]) Unsere Sprache hat nämlich neben der kommunikati- ven auch eine kognitive Funktion. Unsere Denkmuster Vizepräsidentin Petra Pau: und Sprachbilder beruhen auf der Muttersprache, und Das Wort hat die Kollegin Dr. Astrid Mannes für die auch im wissenschaftlichen Bereich arbeiten wir mit Bil- CDU/CSU-Fraktion. dern und Metaphern, die der Alltagssprache entnommen (Beifall bei der CDU/CSU) sind. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr rich- Dr. Astrid Mannes (CDU/CSU): tig!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- ren! Auch ich möchte zunächst einmal alle guten Gene- Nicht ohne Grund plädieren daher viele Forschungs- sungswünsche dem Kollegen Dr. Frömming überbringen. einrichtungen, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und auch die Hochschulrektorenkonferenz für die Mehr- (Enrico Komning [AfD]: Danke sehr!) sprachigkeit in den Wissenschaften und damit auch für Englisch verdrängt im Zuge der Internationalisierung mehr Übersetzungen. Auch das Bundesministerium für auch in der Wissenschaft zunehmend die anderen Spra- Bildung und Forschung misst der Muttersprache eine chen. Die Verdrängung des Deutschen aus der universitä- enorme Bedeutung in Arbeits-, Erkenntnis- und Kommu- ren Diskurs- und Textwirklichkeit ist weit vorangeschrit- nikationsprozessen und eben auch in der Wissenschaft bei ten. Der Anteil deutschsprachiger Veröffentlichungen im und fördert und fordert daher auch die Mehrsprachigkeit. Bereich der naturwissenschaftlichen Publikationen ist (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie nach Angaben des Deutschen Akademischen Austausch- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE dienstes auf 1 Prozent zurückgegangen. GRÜNEN und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE Mittlerweile wird auch in Deutschland in der Wissen- LINKE]) schaftskommunikation zunehmend ausschließlich die In der Tat sollte der Anspruch einer Wissenschaft, die englische Sprache verwendet, sogar auf Kongressen mit verantwortlich mit der eigenen Kultur umgeht, in der ausschließlich deutschen Teilnehmern. Deutsche Dritt- Mehrsprachigkeit liegen. mittelgeber schreiben oftmals vor, Förderanträge aus- (B) schließlich in englischer Sprache einzureichen, und auch (Beifall des Abg. Detlef Müller [Chemnitz] (D) Hochschulen bieten mehr und mehr komplett englisch- [SPD]) sprachige Studiengänge an. Die Ausbildung einer sogenannten Lingua franca in den Englisch hat sich also damit als Wissenschaftssprache jeweiligen Disziplinen jedoch ist Angelegenheit der durchgesetzt. Dies hat Gründe: Forschung ist heute längst Hochschule bzw. der Wissenschaft selbst und kann nicht international. Forscherteams setzen sich aus Wissen- vom Bund aus gesteuert werden. schaftlern unterschiedlicher Nationalitäten zusammen. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE Wenn ich in meinen Wahlkreis, in die Wissenschaftsstadt GRÜNEN]: Dazu gibt es Wissenschaftsfrei- Darmstadt, schaue und an die verschiedenen Forschungs- heit!) einrichtungen denke, zum Beispiel an die GSI mit dem FAIR-Projekt oder auch das Weltraumkontrollzentrum Zu den klar geregelten Zuständigkeiten im Bildungs- ESOC, dann stelle ich fest: Dort wird auch im betriebli- bereich muss ich hier wohl nicht ausführen; ich nenne nur chen Alltag Englisch gesprochen, und zwar deswegen, die Stichworte „Freiheit von Wissenschaft und Lehre“ weil sich Wissenschaftler aus verschiedenen Nationen und „Hochschulautonomie“. einbringen. Wir als Unionsfraktion werden dem Antrag nicht zu- Natürlich erleichtert das Englischsprechen, herausra- stimmen. Ich möchte Ihnen allen aber von dieser Stelle gende nichtdeutschsprachige Spitzenwissenschaftler aus schon einmal gesegnete Weihnachten wünschen. nach Deutschland zu holen. Der Austausch über die ein- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- heitliche englische Sprache hat die Wissenschaft erheb- ordneten der SPD) lich beschleunigt. Denn Forschung und Wissenschaft le- ben vom Austausch. Erst diese gemeinsame Sprache hat vielen Wissenschaftlern aus Entwicklungs- und Schwel- Vizepräsidentin Petra Pau: lenländern die Chance eröffnet, sich am globalen Diskurs Das Wort hat der Abgeordnete René Röspel für die zu beteiligen, und auch die Adressaten der wissenschaft- SPD-Fraktion. lichen Publikationen von deutschen Forschern sitzen (Beifall bei der SPD) überwiegend im Ausland. Studien zeigen aber auch, dass das tiefere Verständnis René Röspel (SPD): deutlich eingeschränkt ist, wenn Studenten den Lehrstoff Vielen Dank. – Meine sehr verehrten Damen und Her- nur in einer Fremdsprache aufnehmen. Auch verflacht der ren! Frau Präsidentin! Ich hätte gar nicht gedacht, dass Austausch über wissenschaftliche Inhalte schnell, wenn sich infolge eines doch so schwachen Antrags der AfD Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17199

René Röspel (A) noch so eine spannende abendliche Diskussion entwi- sprache sein können. – Hätte! Zu Beginn des letzten Jahr- (C) ckelt; sie ist wirklich gut. hunderts war Deutschland eines der Hochzentren von Wissenschaft. Gerade im Bereich der naturwissenschaft- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) lichen, ingenieurswissenschaftlichen und geisteswissen- Tatsächlich gab es in meinem Leben einen Zeitpunkt, schaftlichen Publikationen war Deutsch – mindestens – an dem ich mir wirklich gewünscht hätte, dass Deutsch eine der wichtigsten Sprachen. Und dann kamen eben- die Wissenschaftssprache sei, nämlich als ich vor rund jene, die die Mehrheit in diesem Land gewannen, die ge- 30 Jahren in meinem Studium während des zellbiologi- gen Minderheiten gehetzt haben, die gegen Andersgläu- schen Praktikums vor einem „Nature“-Paper saß und das bige gehetzt haben, die gegen Demokratie gehetzt und sie lesen sollte. Ich dachte: Gar nicht so schlecht, aber wie verächtlich gemacht haben und die gegen Vielfalt und kriege ich das jetzt hin? – Es enthielt ganz viele Fremd- Freiheit gehetzt haben. wörter, die ich nicht mal im Lexikon fand. Ich habe mich da einarbeiten müssen und dadurch richtig viel gelernt. (Enrico Komning [AfD]: Hetzen, hetzen, het- Und ich habe zwei Dinge gemerkt: zen! Ihr hetzt doch die ganze Zeit!) Erstens. Mein Englisch ist zu schlecht. Vielleicht lag Am Ende stand der größte Exodus von Wissenschaft, den das daran, dass das Arbeiterkind auf der Realschule ganz Deutschland je erlebt hat. Und weil das heute Morgen andere Voraussetzungen hatte als der eine oder andere aus Thema war: Die Väter und Mütter des Grundgesetzes einem Elternhaus mit einem anderen Hintergrund, der ins haben daraus gelernt, dass man niemandem die Staats- Ausland gefahren ist. Das hat mich zu der Überzeugung bürgerschaft entziehen darf. Als Einstein 1933 aus dem gebracht, dass wir kein Kind zurücklassen dürfen, jedes Staatsdienst entlassen wurde, hat er seine Staatsbürger- Kind wertschätzen müssen und alle seine Begabungen schaft verloren und ist in die USA emigriert. Das war die fördern müssen. Lehre: – (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Röspel. Zweitens. Dadurch, dass ich so viel gelernt habe, habe ich eben auch gemerkt, dass wir eine gemeinsame, inter- nationale Sprache brauchen, über die sich Wissenschaft- René Röspel (SPD): lerinnen und Wissenschaftler miteinander verständigen – nie wieder leichtfertig die Staatsbürgerschaft entzie- und einander verstehen können. Das habe ich nicht nur hen. auf meinem ersten Kongress gemerkt, sondern auch in (B) den vielfältigen Austauschen danach. Es ist einfach Deswegen: Wissenschaft braucht Vielfalt und Freiheit (D) Realität, dass knapp 115 Millionen deutschsprachige wie die Luft zum Atmen. Wir werden uns weiterhin dafür Menschen auf der Welt weniger sind als 520 Millionen einsetzen, dass Vielfalt und Freiheit in diesem Land die englischsprachige, von den 1 400 Millionen chinesisch- Oberhand behalten. sprachigen ganz zu schweigen, und dass das Englische sicherlich mehr Chancen hatte, sich durchzusetzen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- Es stellt sich natürlich noch eine Frage: Wie schaffen ordneten der LINKEN) wir es, Deutsch für Menschen im Ausland vielleicht in- teressanter zu machen? Da gibt es in Deutschland ja viele löbliche Ansätze über den DAAD und andere Organisa- Vizepräsidentin Petra Pau: tionen, die eben versuchen, Menschen in anderen Län- Ich schließe die Aussprache. dern über ein Studium für die deutsche Sprache zu inte- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf ressieren. Das ist doch ein guter Weg, und den können wir Drucksache 19/16053 an die in der Tagesordnung aufge- fortsetzen. führten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Über- (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann weisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ver- [SPD]) fahren wir wie vorgeschlagen. Der manifestiert sich beispielsweise in der Türkisch- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a bis 14 d auf: Deutschen Universität, wo auch auf Deutsch gelehrt wird, oder in der Deutsch-Jordanischen Universität, wo es jun- a) Erste Beratung des von der Bundesregierung gen Jordaniern schmackhaft gemacht wird, auf Deutsch eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur zu studieren. Das ist ein so wichtiger wissenschaftlicher Vorbereitung der Schaffung von Baurecht und internationaler Aspekt, dass es das weiter zu fördern durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbe- gilt. reich (Maßnahmengesetzvorbereitungsge- setz – MgvG) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Petra Sitte Drucksache 19/15619 [DIE LINKE]) Überweisungsvorschlag: Sie schreiben in Ihrem Antrag – ich danke Herrn Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Sattelberger, dass er darauf schon eingegangen ist –: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Deutsch hätte aber auch die internationale Wissenschafts- Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen 17200 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Vizepräsidentin Petra Pau (A) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung nungsverfahren. Wir benötigen also baureif geplante Inf- (C) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur rastrukturprojekte, und daran mangelt es leider häufig. weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Ver- Zudem erleben wir immer wieder, dass große Projekte kehrsbereich mit Klagen ausgebremst werden, die Gerichtsprozesse sich über Jahre hinziehen und sich das Ganze somit ver- Drucksache 19/15626 zögert. In anderen Ländern und bei unseren Bürgern Überweisungsvorschlag: herrscht meist völliges Unverständnis darüber, dass Pla- Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) nungen und Genehmigungen bei uns gern mal acht, zehn Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz oder mehr Jahre dauern. Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Ich war am Montag in Duisburg-Neuenkamp beim c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Spatenstich für die Rheinbrücke, eine Großinvestition Torsten Herbst, Frank Sitta, Daniela im Umfang von 365 Millionen Euro. Da reden wir bei Kluckert, weiterer Abgeordneter und der einer Dauer von fünf Jahren bis zum Spatenstich schon Fraktion der FDP von „Eiltempo“. Mehr Tempo bei der Infrastruktur – Pla- (Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nungsturbo jetzt NEN]: Und wie lange dauert es, bis die Brücke Drucksache 19/16040 steht?)

Überweisungsvorschlag: Deswegen wird das erste Planungsbeschleunigungsge- Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) setz, das schon seit 1. Dezember 2018 gilt, hier schon Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit einmal für Linderung sorgen, nämlich indem wir Doppel- prüfungen vermeiden, Bürokratie abbauen, Transparenz d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg stärken und Klageverfahren beschleunigen. Cezanne, Sabine Leidig, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE (Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring LINKE [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Transparenz Planungskapazitäten ausbauen, Bürger- können Sie ja im Untersuchungsausschuss zei- beteiligung wirksamer machen und Aus- gen!) höhlung durch Maßnahmengesetze ver- Jetzt gibt es zwei weitere Gesetzesvorschläge von mir. (B) hindern Zum einen geht es darum, dass wir Baurecht künftig auch (D) Drucksache 19/16042 durch Gesetze schaffen. Das heißt, dass wir in bestimm- ten, wichtigen Fällen die Verfahren beschleunigen, indem Überweisungsvorschlag: das Parlament darüber entscheidet. Wir nehmen uns da Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ein Beispiel an Dänemark, das erfolgreich per Gesetz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Infrastrukturvorhaben genehmigt. Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- schlossen. – Ich bitte, die Umgruppierungen zügig vor- ordneten der SPD) zunehmen. Wir brauchen eine nationale Investitionsoffensive, und da Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes- greife ich die Äußerungen aus der Fraktion Die Grünen in minister Andreas Scheuer. der Haushaltsdebatte auf. Herr Hofreiter hat hier gestan- den und gesagt: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- wie des Abg. Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]) … wir brauchen mehr Investitionen, wenn wir unse- ren Wohlstand, unsere ökonomische Leistungskraft Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und und … unsere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Welt- digitale Infrastruktur: markt verteidigen wollen. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE Wer vorankommen will, braucht Wege: Schienen, Stra- GRÜNEN]: Ja!) ßen, Radwege, Wasserwege, Brücken und Tunnel. Mit der Unterstützung durch die Koalitionsfraktionen kann Besonders bemerkenswert ist, dass er nachdrücklich sei- mein Haus im kommenden Jahr mehr als 15 Milliarden ne Unterstützung angeboten hat, wenn es darum geht, Euro investieren und für diese wichtigen Infrastruktur- Planungsbeschleunigung auf den Weg zu bringen. projekte zur Verfügung stellen. (Florian Oßner [CDU/CSU]: So ist es!) Unlängst, vor ein paar Tagen, hat die Ministerpräsiden- tenkonferenz stattgefunden, wo sich wie ein roter Faden Dagegen hat er mich aber drei Wochen vorher angegrif- durch die ganze Debatte gezogen hat, dass die Tatsache, fen, als ich die zwei Pakete vorgelegt habe, und hat von dass viele Projekte nicht vorankommen, momentan nicht „Turbobaurecht“ gesprochen. Von Turbobaurecht ist an möglicherweise fehlenden Haushaltsmitteln liegt, son- Deutschland nach meiner gesicherten Erkenntnis noch dern vielmehr an schleppenden Genehmigungs- und Pla- recht weit entfernt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17201

Bundesminister Andreas Scheuer (A) (Torsten Herbst [FDP]: Weit entfernt! Und Das ist ein richtig gutes Signal, diese wichtigen Maßnah- (C) zwar Lichtjahre!) men zu entwickeln, um unsere Infrastruktur zu stärken. Die Grünen haben aufgrund ihrer Regierungsbeteili- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- gungen morgen im Bundesrat eine Superchance, zwi- ordneten der SPD) schen Rede und Realität keinen Widerspruch aufkommen zu lassen: Bei kleinen und großen Projekten müssen wir die Standspur verlassen und auf die Beschleunigungsspur (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wechseln. Ich werde mir ganz genau anschauen, wie mor- die Rede von Herrn Hofreiter und das Verhalten morgen gen im Bundesrat argumentiert wird. im Bundesrat. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Auch noch arrogant hier rumlabern!) NEN]: Die Realität von Herrn Scheuer! Reden Weil alle so in Weihnachtsstimmung sind, wünsche Sie doch mal über die 560 Millionen Euro!) auch ich allen Kolleginnen und Kollegen frohe Weih- Das ist die erste Bewährungsprobe der Grünen, wie ernst nachten. sie es meinen mit ihrer Unterstützung der Pakete dieser (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Koalition zu Planungsbeschleunigungen. ordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU]: Das ist der Vizepräsidentin Petra Pau: Lackmustest! – Gegenruf des Abg. Oliver Das Wort hat der Abgeordnete Leif-Erik Holm für die Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der AfD-Fraktion. Lackmustest, wie lange der da vorne noch steht!) (Beifall bei der AfD) Wir brauchen für 2020 das Motto „Stemmen statt Hem- men“. Diese beiden Gesetze müssen wir weiterentwi- Leif-Erik Holm (AfD): ckeln. Bei den zwölf Pilotprojekten, die wir vorgeschla- Schönen guten Abend! Sehr geehrte Bürger! Frau Prä- gen haben, darunter Wasser- und Schienenbauprojekte, sidentin! Meine Damen und Herren! Kurz vorm Weih- ist die Öffentlichkeit weiterhin umfangreich beteiligt. Na- nachtsfest wird die AfD gehört und erhört; das finden türlich finden auch die Umweltprüfungen statt. Natürlich wir wirklich großartig. Endlich ist es so weit: Wir fordern beteiligen wir die entsprechenden Behörden und die seit über einem Jahr, dass wir endlich Baugesetze nach (B) Bürger schon vor Einleitung des Verfahrens; das ist zwin- dem Vorbild Dänemarks bekommen. Nun ist es so weit, (D) gend. Wir versprechen uns daher auch eine Akzeptanz für und das ist auch wirklich höchste Eisenbahn. die Großprojekte, und die Umsetzung wird beschleunigt. (Beifall bei der AfD – Detlef Müller [Chem- Ein zweites Gesetzesvorhaben betrifft die Verschlan- nitz] [SPD]: Das hat mit euch nichts zu tun!) kung bei den Planungsverfahren für Ersatzneubauten. Schließlich haben wir Planungsverfahren, die wahre Bü- Man kann doch keinem erklären, dass wir, wenn eine rokratiemonster sind. Von der Planung bis zum Bau Brücke aus den 70er-Jahren – eine Eisenbahnbrücke, eine dauert es manchmal 30 Jahre. Kein Wunder also, dass Autobahnbrücke – wieder eins zu eins hergestellt wird, wir derzeit ganze Lebensabschnitte in Staus und auf zu- aber diesmal als Ersatzneubau, dazu statt eines einfachen gigen Bahnsteigen verbringen. Das ist wirklich ein Ar- Verfahrens ein aufwendiges Genehmigungsverfahren mutszeugnis für unser hochentwickeltes Land. brauchen und dadurch wiederum Jahre verlieren, und das wegen einer einfachen Ersatzneubaumaßnahme, einer (Beifall bei der AfD) kleinen Schienenbrücke. Das kann doch nicht sein. Der Staat ist viel zu schwerfällig geworden und kommt (Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU]: So ist es!) bisher beim Ausbau der Infrastruktur einfach nicht aus dem Knick. Man muss wirklich sagen: Verschiedene Deswegen brauchen wir da Beschleunigung. Bundesregierungen haben das über Jahrzehnte ver- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie schwitzt, sodass wir heute schon Mühe haben, im inter- bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Oliver nationalen Wettbewerb um die attraktivsten Standorte Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) überhaupt noch bestehen zu können. Dieses Problem müssen wir endlich lösen, und dafür ist dieses Maßnah- Wir haben sogar eine sehr schöne Botschaft an die mengesetzvorbereitungsgesetz tatsächlich ein Anfang. Kommunen: Mit dem Gesetz über Kreuzungen von Ei- senbahnen und Straßen können wir den Anteil des Bun- Wir brauchen aber mehr als die zwölf benannten Pilot- des noch mal verstärken und somit die Kommunen ent- projekte. Wichtige Vorhaben fehlen, bei denen wir schon lasten; denn häufig scheitert es daran, dass die meilenweit hinterherhinken. Was ist mit dem wichtigen Kommunen keine eigenen Mittel aufbringen können. Da- Nordzulauf zum Brennerbasistunnel? Was ist mit der An- mit können wir schneller Brücken und Unterführungen bindung zum Fehmarnbelttunnel? Was ist mit der bauen, die Schienen kreuzen, somit ist auch das eine Marschbahn, die Sie sogar aus dem Gesetzentwurf he- Maßnahme, die Schiene zu stärken. Ich bedanke mich rausgenommen haben? Das alles sind dringende Projekte. sehr herzlich, dass das in der Debatte über den Haushalt Warum stehen überhaupt keine Straßenbauvorhaben im 2020 bei allen Beteiligten auf Zustimmung gestoßen ist. Entwurf? 17202 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Leif-Erik Holm (A) (Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU]: Wegen der (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Dann müssen (C) Autobahn GmbH!) Sie mal erklären, warum Sie für Abschottung sind!) Auch da haben wir einen riesigen Nachholbedarf. Zwei Drittel der Menschen fahren täglich mit dem Auto zur Meine Damen und Herren, Planungsbeschleunigung ist Arbeit, und das wird sich entgegen aller grünen Träume ein absolut notwendiger Schritt, um beim Ausbau unserer auch in Zukunft nicht ändern, weil Bürger eben auch im sehr maladen Infrastruktur endlich voranzukommen. Die- ländlichen Raum leben und nie ein Zug vom Dorf in die sem Schritt müssen natürlich dringend weitere folgen. Stadt fahren wird. Das ist die Realität. Auch diesen Mil- Also, kommen Sie endlich in die Puschen oder, wie Sie lionen Bürgern muss der Staat Mobilität ermöglichen; das es gesagt haben, Herr Minister: „Stemmen statt Hem- heißt eben auch Straßenbau. Also, nehmen Sie endlich die men“. Sehr gut. Klimaideologenbrille ab, und sorgen Sie für einen schnelleren Ausbau unserer Straßen. Schöne Weihnachten. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD)

Auf eines müssen wir bei den Maßnahmegesetzen na- Vizepräsidentin Petra Pau: türlich achtgeben: Die Einbindung der Bürger muss ge- Das Wort hat der Abgeordnete Mathias Stein für die währleistet bleiben – das ist völlig klar –, und sie muss in SPD-Fraktion. Zukunft auch früher, umfänglicher und transparenter er- folgen. Auch hier können wir uns einiges von den Dänen (Beifall bei der SPD) abgucken, die extra eine Agentur gegründet haben, die sich um die Anliegen der Bürger kümmert. Mathias Stein (SPD): Für uns ist klar: Wir müssen einerseits das Verbands- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und klageunwesen beenden; aber sinnvolle Einwände der tat- Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Als die sächlich betroffenen Bürger müssen Berücksichtigung ersten Berichte über den Entwurf des Maßnahmengesetz- finden. Das schafft auch mehr Akzeptanz für die wichti- vorbereitungsgesetzes in der Presse auftauchten, war ich gen Vorhaben. sehr erstaunt über die öffentlichen Reaktionen darauf. Die einen glaubten, dass gleich nach dem Beschluss dieses (Beifall bei der AfD) Gesetzes die Bagger anrollen und mit dem Bau fleißig begonnen wird. Die anderen befürchteten, dass wir Bür- Was brauchen wir noch, um wieder schlagkräftig zu gerrechte beschneiden und die Bürger vor Ort nicht mehr (B) werden? Wir brauchen vor allem ausreichend Baukapa- (D) anhören würden. Es schimmerte auch das Wort „Verfas- zitäten. Wir sehen doch, dass wir im Moment gar kein sungsbruch“ durch. All diese Befürchtungen treffen nicht Geldproblem haben. Das ist wahr; das hat Herr Minister zu. Wir können getrost sagen, dass das Irrläufer sind. Mit Scheuer auch gesagt. Vielmehr fließen die Mittel zum dem Gesetz werden weder gleich die Bagger rollen noch Teil gar nicht ab, unter anderem, weil die Bauunterneh- wird die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ein- men völlig ausgelastet sind. Wir brauchen also keine Ab- geschränkt. schaffung der Schuldenbremse, wie hier auch im Haus gefordert wird; vielmehr brauchen wir eher eine sehr Wir haben hier jetzt die erste Lesung des Entwurfs der langfristige Planung von Investitionen, auf die die Unter- Bundesregierung. Es werden weitere Verhandlungen fol- nehmen vertrauen und Kapazitäten entsprechend auf- gen. Der Bundesrat hat dazu schon getagt. Wir werden bauen können. Anhörungen und Beratungen in den Ausschüssen haben. Und es ist auch kein Geheimnis, dass Gesetze, die hier in Es lauert ein weiterer Engpass auf uns. Wo kommen den Deutschen Bundestag eingebracht werden, auch noch eigentlich die Facharbeiter und Ingenieure her? Ich habe verändert werden. gerade Zahlen aus meinem Heimatland Mecklenburg- Vorpommern gesehen: Bei uns gehen jedes Jahr (Kirsten Lühmann [SPD]: Das ist gut so!) 120 Bauingenieure in Rente, Der Gesetzentwurf ist auch nur ein kleiner Teil einer (Detlef Müller [Chemnitz] [SPD]: Das liegt an Gesamtstrategie zur Planungsbeschleunigung. Wir als euch!) Koalition packen hier umfassend an. Wir sorgen dafür, dass deutlich mehr Personal bei den Behörden und auch und jedes Jahr kommen nur 50 Absolventen von den Uni- bei der Bahn beschäftigt wird. Wir durchbrechen damit versitäten neu ins Berufsleben, und von denen wandern den konservativ-liberalen Irrweg, gedacht zu haben, wiederum 30 ab, teilweise sogar ins Ausland. Uns gehen durch Stellenabbau könne der Staat schlanker und flexib- also jedes Jahr 100 Ingenieure verloren. Das kann und ler werden. darf nicht sein in einem Land, das praktisch von dem Wissen in den Köpfen lebt. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der AfD) Wir steigern die Investitionen für Schiene, Wasserstra- ße und Straße. Allein im beschlossenen Haushalt sind Hier ist vor allem in erster Linie die Bildungspolitik ge- 17,8 Milliarden Euro für Baumaßnahmen vorgesehen. fordert, die Prioritäten stärker im MINT-Bereich zu set- zen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17203

Mathias Stein (A) Wir reformieren Stück für Stück das Planungsrecht, und Dieses Gesetz kann aus fachlicher Sicht noch nicht mit (C) zwar mit Augenmaß. Mit dem ersten Planungsbeschleu- dem dänischen Vorbild mithalten. Wir werden im parla- nigungsgesetz aus dem letzten Jahr ermöglichen wir be- mentarischen Verfahren noch einige Stellschrauben dre- reits jetzt vorbereitende Maßnahmen und Plangenehmi- hen müssen, um es besser zu machen. Gut gemachte Maß- gungen statt Planfeststellungsverfahren. Unser Ziel ist nahmengesetze können für mehr Akzeptanz und mehr und bleibt eine schnelle Umsetzung mit und nicht gegen Tempo sorgen. Die Chance, dies auszutesten, sollten eine stärkere Bürgerbeteiligung. wir nicht ungenutzt lassen. Wenn es uns gelingt, dem dänischen Vorbild nahezukommen, dann werden wir in (Beifall bei der SPD) sechs Jahren feststellen, dass wir einiges geleistet haben. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, für fünf Das ist die Evaluierung, die wir am Ende machen wollen. Pilotprojekte Baurecht durch ein Maßnahmengesetz zu Sie sehen also: Dieses Vorhaben ist ein kleiner Bau- erproben. Dänemark ist hierfür die Blaupause. Dänemark stein bei einer schnelleren Realisierung von Verkehrsinf- plant und baut wesentlich schneller und im Konsens; dort rastrukturmaßnahmen. Wir laden alle diejenigen, die auf gibt es eine enorme Akzeptanz gegenüber Verkehrspro- den Bäumen sitzen und „Verfassungsbruch!“ rufen, und jekten in der Bevölkerung. auch diejenigen, die schon die Bagger warmlaufen lassen, Das dänische Erfolgsmodell basiert auf einer sehr frü- herzlich zur Diskussion über Planungsbeschleunigung hen und sehr pragmatischen Konfliktbeilegung. Statt ein. Dann wird es uns gelingen, viele Infrastrukturprojek- nach dem Planfeststellungsbeschluss Differenzen vor Ge- te, die so dringend notwendig sind, auf die Schiene, auf richt auszutragen wie bei uns, sucht man bereits vor Be- die Wasserstraße und auch auf die Straße zu bringen. ginn der Maßnahme auf Augenhöhe zu verhandeln, mit Ich wünsche Ihnen allen ein frohes Fest und einen gu- mehr Dialog und mehr Debatte. Das sorgt dann für eine ten Rutsch, wie man in Norddeutschland sagt, ins Jahr höhere Akzeptanz. 2020. Wir wollen über die Modellprojekte untersuchen, ob Vielen Dank. die Maßnahmengesetze auch bei uns tatsächlich schneller und stärker akzeptiert werden. Der Gesetzentwurf der (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Bundesregierung sieht vor, dass das Planfeststellungsver- fahren weitgehend unverändert bleibt. An die Stelle eines Vizepräsidentin Petra Pau: Planfeststellungsbeschlusses tritt allerdings ein konkretes Maßnahmengesetz des Deutschen Bundestages. Danke. – Der nächste Redner ist der Abgeordnete Torsten Herbst für die FDP-Fraktion. (B) Dadurch verändern sich zwei Dinge. Erstens. Ein sol- (D) ches Gesetz kann nur vor dem Bundesverfassungsgericht (Beifall bei der FDP) beklagt werden. Wenn wir es aber so wie in Dänemark wollen, dann wollen wir gar nicht, dass jemand vor dem Torsten Herbst (FDP): Verfassungsgericht klagt. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bechsteinfledermaus, Kleine Hufeisennase, Deswegen ist der zweite Aspekt besonders wichtig. Kammmolch, Feldhamster und Juchtenkäfer: Sie alle wir- Anders als die Planfeststellungsverwaltung kann der ken mittlerweile an der Verkehrsplanung in Deutschland Deutsche Bundestag zusätzliche Maßnahmen beschlie- mit, und sie sind ein Grund – nicht der alleinige –, warum ßen, die für die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger wir bei der Realisierung von Verkehrsvorhaben so oft nur sorgen. Das ist der eigentliche Kernpunkt des Gesetzes. im Schneckentempo vorankommen. Der Bundestag kann also beispielsweise zusätzlichen Lärmschutz oder bessere Umwelt- und Naturschutzstan- (Beifall bei der FDP) dards beschließen. All dies kann man in dem vorgelager- ten verpflichtenden Bürgerbeteiligungsverfahren abspre- Übrigens: Eine Schnecke schaffte ungefähr 26 Kilome- chen. ter im Jahr, wenn sie keine Pause machen würde. Ich glaube, der Bundesverkehrsminister wäre froh, wenn (Beifall bei der SPD) wir im Durchschnitt eines Jahres einen Autobahnneubau von 26 Kilometern hinbekommen würden. Wir sollten Nun hat das Verkehrsministerium eine sehr agile und uns einmal an der Schnecke orientieren und endlich den kampagnenstarke Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. Planungs- und Genehmigungsturbo anwerfen, meine Da- Aber dieser wichtige Aspekt, die Maßnahmen für mehr men und Herren. Akzeptanz, ist bei der bisherigen Kommunikation leider komplett unter den Tisch gefallen. Das Ministerium hat (Beifall bei der FDP) leider so getan, als sei dieses Gesetz eher ein Bürgerbe- teiligungsverhinderungsgesetz. Das ist es nicht; das müs- Ich habe auch mitbekommen, was bei der Einbrin- sen wir deutlich sagen. Das würde meine Fraktion auch so gungsrede des Verkehrsministers von den Fraktionen nicht mitmachen. der Grünen und der Linken entgegnet wurde. Ich frage Sie ernsthaft: Halten Sie es für normal, dass wir mittler- Wir wollen kein Bürgerbeteiligungsverhinderungsge- weile bis zu zehn Jahre für einen neuen Radweg brau- setz, sondern wir wollen ein Gesetz mit der Zielsetzung: chen, gemeinsam schneller bauen. (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Da haben wir (Beifall bei der SPD) schon drei Jahre drüber diskutiert!) 17204 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Torsten Herbst (A) dass wir für wenige Kilometer Bundesstraße bis zu (Beifall bei der FDP) (C) 20 Jahre brauchen und dass wir selbst für eine umwelt- freundliche neue Eisenbahntrasse drei Jahrzehnte brau- Vizepräsidentin Petra Pau: chen? Ich halte das nicht für normal. Ich finde, das ist Kollege Herbst, das Stichwort „schnell“ war sehr tref- eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort und für die Le- fend. Sie müssen einen Punkt setzen. bensqualität in diesem Land.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Torsten Herbst (FDP): der CDU/CSU und der AfD) Ich komme zum Ende, meine Damen und Herren. Das Wir unterstützen die Grundintention der Bundesregie- ist der richtige Hinweis. rung, schneller zu bauen, und der zweite Gesetzentwurf, den Sie hier vorlegen, enthält einige gute Punkte. Ich (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- frage mich aber auch, warum Sie an mancher Stelle der NEN]: Über Planungsbeschleunigung reden, Mut verlassen hat. Einer der Knackpunkte ist sicher das aber nicht die Redezeit einhalten!) Thema Umweltprüfung. – Um Beschleunigungsideen zu haben. – Ich glaube, Wir sind der Auffassung, dass wir noch über das, was wenn das Bundesverkehrsministerium sich von vornhe- Sie vorlegen, hinausgehen sollten, nämlich dass man rein mit so viel Energie und Akribie um das Thema Pla- prüft, welche Mehrfachumweltprüfungen in verschiede- nungsrecht gekümmert hätte wie um die gescheiterte nen Phasen der Verfahren zusammengeführt werden. Ich Pkw-Maut, dann wären wir heute deutlich weiter. glaube, wir müssen uns ernsthaft damit befassen, wie die Ein schönes Weihnachtsfest, meine Damen und Her- Mitwirkung von Umweltverbänden aussieht und ob wir ren. nicht auch Dinge auf das europäische Mindestmaß zu- rückführen können. Andere europäische Länder machen (Beifall bei der FDP) uns das vor. (Beifall bei der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Sabine Leidig für die Frak- Wir wollen Mitwirkung in dem Sinne, dass auch Ver- tion Die Linke. kehrsprojekte ökologisch besser werden. Was wir nicht wollen, liebe Grüne, ist Blockade. Blockade brauchen wir (Beifall bei der LINKEN) nicht. Das wird der Realität in unserem Land und den (B) Erwartungen der Bürger auch nicht mehr gerecht. Sabine Leidig (DIE LINKE): (D) (Beifall bei der FDP) Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Klar ist es sinnvoll, Infrastrukturprojekte Wir müssen natürlich über Stichtage nachdenken. Wir für den Ausbau der Eisenbahn in unserem Land gut und sollten auch über das Thema materielle Präklusion nach- schnell voranzubringen. Dafür ist auch Die Linke. Aber denken, also dass nur noch geklagt werden kann, wenn wir teilen nicht den Enthusiasmus der AfD und der FDP, Einwendungen schon vorher vorgebracht wurden. Ich be- dass noch mehr Autobahnen eine gute Infrastrukturent- daure sehr, dass das Bundesverkehrsministerium hier ge- wicklung für unser Land sind. Wir sind der Meinung, wir genüber dem Umweltministerium eingeknickt ist und die müssen die Klimaziele einhalten, und dazu brauchen wir Regelung aus dem Gesetzentwurf verschwunden ist. Hier eine Verkehrswende. wünschte ich mir mehr Mut von der Bundesregierung. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der FDP – Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen Sie Ich möchte zu dem, was jetzt hier vorgestellt wurde, sich mal die Rechtsprechung an!) zwei Punkte sagen. Das Erste ist: Zwischen dem, was der Kollege Stein von der SPD gerade vorgetragen hat, näm- Es gibt noch mehr Punkte, die in diesem Zusammen- lich dass es frühzeitig eine bessere Bürgerbeteiligung ge- hang eine Rolle spielen. Die frühzeitige Bürgerbeteili- ben soll und die Einwände, Anregungen und möglichen gung ist angesprochen worden. Das sehen wir genauso. Alternativen ernsthaft geprüft werden müssen, und dem, Zum Thema Digitalisierung: Zwischen Sachsen und was der Bundesverkehrsminister hier sozusagen heraus- der Tschechischen Republik wird gerade ein Bahntunnel, tönt, klaffen Welten. Das Schlimme ist, dass mit den vor- der Erzgebirgstunnel, in der frühen Planungsphase vor- gelegten Gesetzentwürfen auch beide Welten bedient bereitet. Da werden momentan ernsthaft 600 Kilo Akten- werden. ordner verschickt. Das ist doch nicht mehr zeitgemäß. Da Sie haben auf der einen Seite sinnvolle Maßnahmen müssen wir deutlich schneller werden. vorgeschlagen. Klar, wenn eine Eisenbahnbrücke er- (Beifall bei der FDP) neuert werden soll, muss man kein neues Planfeststel- lungsverfahren machen. Aber auf der anderen Seite ist Der Kerneinwand ist ja immer, dass es die EU-Vorga- vorgesehen, dass Bürgerbeteiligung praktisch komplett ben gibt. Ich glaube, die Dänen zeigen es mit sieben Jah- ausgehebelt wird, ren für die 18 Kilometer lange Fehmarnbeltquerung. Wir sollten uns an Dänemark ein Beispiel nehmen. Auch das (Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das stimmt wurde schon gesagt. doch gar nicht! Quatsch!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17205

Sabine Leidig (A) indem der Bund das Planungs- und Baurecht per Gesetz keine Vorteile von großen Fernverkehrsstrecken haben, (C) feststellt. mit den Kosten für Unter- und Überführungen schlicht und ergreifend überfordert sind. Das sprengt deren Haus- (Kirsten Lühmann [SPD]: Aber nach der Bür- halte für Jahre. Allein bei der Ausbaustrecke Dresden– gerbeteiligung! Das steht da drin! Danach!) Berlin in Brandenburg hat das für eine Verzögerung von – Das möchte ich mal sehen, wie der Bundesverkehrsmi- zwei Jahren gesorgt. Deshalb ist es richtig, an der Stelle nister mit seiner großartigen Transparenz ein transparen- etwas zu ändern. tes Verfahren unter Beteiligung der betroffenen Bürger- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) innen und Bürger durchführt. Ich kann es mir nicht vorstellen. Kommen wir nun aber zu dem zweiten Gesetzentwurf. Oft werden in den Debatten um Planungsbeschleunigung (Beifall bei der LINKEN – Mathias Stein wahlweise Bürgerinitiativen oder Umweltverbände als [SPD]: Das machen wir als Parlament!) Verhinderer dargestellt. Es ist übrigens auch so, dass es sich die Bundesländer (Florian Oßner [CDU/CSU]: Zu Recht!) nicht vorstellen können. Aus der Stellungnahme, die von allen zuständigen Ausschüssen des Bundesrates gemein- Das ist absolut falsch. Es gibt viele Projekte, die ich Ihnen sam verabschiedet worden ist, spricht ja Erfahrung. Sie nennen könnte, bei denen Bürgerinitiativen konstruktiv haben gesagt, sie lehnen das von Ihnen vorgeschlagene zur Verbesserung der Planung beigetragen haben, zum Maßnahmenvorbereitungsgesetz für das Baurecht ab. Beispiel beim Lärmschutz. Und sie haben es in verschiedenen Punkten sehr gut be- Nur ein Beispiel – es ist schon angesprochen worden –: gründet. Ein Punkt ist zum Beispiel, dass es an den Ur- das Bundesverkehrswegevorhaben in Sachsen, Neubau- sachen vorbeigeht. Es gibt zu wenig Personal, kompeten- strecke Dresden–Prag. Dort ist es einer Bürgerinitiative te Planerinnen und Planer, in den Behörden, und es ist ja gelungen, einen sehr konstruktiven Trassenvorschlag in überhaupt nicht so, wie hier getan wird – und der Ver- das Raumordnungsverfahren einzubringen. Also, Bürger- kehrsminister redet der AfD da ja nach dem Maul –, dass beteiligung und das Engagement für Bürgerinitiativen nämlich die Naturschutzverbände das Problem darstellen. sorgen für die Qualität von Planungen. Im Gegenteil! Viele Planungen sind einfach so schlecht, dass ihre Feststellung vor Gericht keinen Bestand hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das muss man verbessern. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Schweizerinnen und Schweizer machen es vor: mit Wer die Belange des Natur- und Umweltschutzes von allerbester Bürgerbeteiligung, mit ausreichender Finan- Anfang an berücksichtigt, kommt bei den Planungen am (B) zierung für besten Lärmschutz, mit eingehaltenen Finan- Ende auch schneller zum Ziel. Die hohe Erfolgsquote von (D) zierungsplänen und mit eingehaltener Bauzeit. Warum 50 Prozent bei den wenigen Verbandsklagen, die es über- nehmen wir uns nicht daran ein Beispiel? Mehr Demo- haupt gibt, kratie für bessere Verkehrsinfrastruktur! (Reinhold Sendker [CDU/CSU]: Wenige?) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- zeigt doch, dass die Planungen an vielen Stellen vorher neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) schlecht waren und dass die Belange des Natur- und Um- Danke. weltschutzes eben nicht ordentlich berücksichtigt wur- den. Vizepräsidentin Petra Pau: Man schafft keine Akzeptanz für Infrastrukturprojekte, Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der indem man die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern so- Abgeordnete Stephan Kühn das Wort. wie Umweltverbänden beschneidet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber genau das haben Sie mit diesen Maßnahmengeset- Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zen vor: Baurecht per Gesetz statt Planfeststellung. Dies NEN): dient der Verkürzung von Rechtsschutzmöglichkeiten. Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- legen! Ja, es stimmt: Die Planung von Verkehrsprojekten Der Deutsche Anwaltverein hält den Gesetzentwurf für dauert oft zu lang. verfassungsrechtlich bedenklich, und Ihr eigenes Exper- tengremium, Herr Minister Scheuer, das Innovationsfo- (Dr. Christian Jung [FDP]: Wegen der Grünen!) rum Planungsbeschleunigung, hat sich im Endbericht sehr kritisch zu solchen Planungsgesetzen geäußert. Wir Es ist richtig, die Genehmigungsverfahren für Ersatzneu- sollten an der Stelle auf die Experten hören. bauten deutlich zu verschlanken; da stimmen wir zu. Es ist auch richtig, die Kommunen aus der Finanzie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rungsverantwortung beim Ausbau von Bahnstrecken wie- Die Beschleunigungswirkung, die Sie unterstellen, ist der herauszunehmen. Durch die Änderung des Eisen- zumindest fraglich. Die im Gesetzentwurf aufgeführten bahnkreuzungsgesetzes – eine Forderung, die wir seit Projekte sind sehr umfangreich. Es wird jeweils meter- Jahren vorgetragen haben – wird das nun vollzogen. Es lange Aktenberge nach sich ziehen, die wir hier im Parla- ist in der Tat so, dass viele kleine Kommunen, die gar ment bearbeiten sollen. Ich frage mich, wie bei solchen 17206 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Stephan Kühn (Dresden) (A) Aktenumfängen eine gewissenhafte und fachlich fundier- kämpfen mussten, um Infrastrukturvorhaben umzuset- (C) te Prüfung im Bundestag überhaupt möglich sein soll. zen, haben wir heute kein Finanzierungsproblem, sondern wir haben das Problem, die Dinge umzusetzen, weil Ka- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) pazitäten am Bau fehlen, weil Planungskapazitäten fehlen Am Ende ist dieser Gesetzentwurf nur ein Einfallstor und weil die Genehmigungsverfahren zu lang und zu für mehr Straßenbau. Der Staatssekretär Ferlemann hat es kompliziert sind. bereits im Ausschuss angekündigt: Wenn die Auftrags- verwaltung für die Autobahnen von den Ländern zur Au- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) tobahn GmbH gewechselt ist – Ende 2020 –, dann ist klar, Diese Koalition hat gehandelt; wir fangen ja nicht heu- dass man mit Maßnahmengesetzen für neue Straßenbau- te mit Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung an. projekte um die Ecke kommt. (Florian Oßner [CDU/CSU]: Deswegen sind (Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Ja, logisch! Ja, wir ja auch schon so weit!) natürlich! Richtig!) Es ist schon fast heuchlerisch, Herr Krischer, zwischen- Darum geht es doch eigentlich. durch zu sagen, wir würden schon 14 Jahre regieren. (Florian Oßner [CDU/CSU]: Unter anderem! (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Auch auf die Schiene!) NEN]: Ja, das tun Sie!) Wenn Sie es ernst mit dem Thema Klimaschutz und mit dem Thema Planungsbeschleunigung meinen, dann legen Sie hätten in der Vergangenheit bei all den Vorhaben und Sie doch endlich mal ein Planungsbeschleunigungsgesetz den Vorschlägen, die wir gemacht haben, mitwirken kön- für den öffentlichen Nahverkehr vor, zum Ausbau der nen. Wir haben ein Planungsbeschleunigungsgesetz 2018 ÖPNV-Infrastruktur. gemacht. Wo waren Sie? Sie haben es nicht mitgetragen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit 14 Jahren regieren Sie! Das ist Vizepräsidentin Petra Pau: das Problem! Das ist doch unglaublich!) Kollege Kühn, kommen Sie bitte zum Schluss. Sie sind gefordert. Zeigen Sie, dass Sie wirklich Pla- Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nungs-Genehmigungsbeschleunigung wollen, und dann NEN): stimmen Sie einfach zu! (B) Nichts machen Sie da. Da sind Sie überhaupt nicht (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (D) glaubwürdig. Ein Untersuchungsausschuss nach dem ande- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ren!) Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU]: Das war deut- Wir haben in der Vergangenheit für einen Personalauf- lich zu wenig!) wuchs bei den Genehmigungsbehörden, für die der Bund verantwortlich ist, gesorgt. Vizepräsidentin Petra Pau: (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege NEN]: Weil Sie einen Verkehrsminister haben, Schnieder für die CDU/CSU-Fraktion. der sich mit der Maut beschäftigt hat, kriegen (Beifall bei der CDU/CSU) Sie hier nichts geregelt!) – Kreischen Sie doch nicht so, Herr Krischer! Handeln Patrick Schnieder (CDU/CSU): Sie! Stimmen Sie ordentlich ab! Sie können hier mittun. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als letzter (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Redner in dieser Debatte will ich noch einmal die wesent- Mit zwei wichtigen Maßnahmen über das Planungsbe- lichen Argumente schleunigungsgesetz 2018 hinaus machen wir heute (Otto Fricke [FDP]: Wiederholen!) weiter in diesem Bereich. bewerten und abwägen. Wir haben über das Maßnahmengesetz gesprochen. Dänemark ist das Vorbild. Ich will einmal daran erinnern: (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir haben selbst schon Projekte umgesetzt, nämlich die NEN]: Kann man auch lassen!) Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“. Natürlich macht Wir haben, glaube ich, übereinstimmend festgestellt – Dänemark das vorbildlich. Wir haben gezeigt, dass es sogar die Grünen, die hier mit ihren Vorschlägen eine geht, und wir haben im Grundgesetz übrigens eine Er- ganz dünne Suppe serviert haben –, mächtigung dafür, dass wir so vorgehen können. Deshalb kann ich überhaupt nicht verstehen, dass hier geplärrt (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) wird, das sei eine Verkürzung von Bürgerrechten. Es ist dass wir zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren in unserem Grundgesetz vorgesehen. Also lassen Sie es haben. Wir haben eine vollkommen veränderte Situation. uns umsetzen! Wir machen das gesetzeskonform und im Während wir vor wenigen Jahren noch um Finanzmittel Rahmen der vorgegebenen Rechtsprechung. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17207

Patrick Schnieder (A) Die weiteren Maßnahmen, die wir im zweiten Geset- deshalb werden wir dafür kämpfen, dass wir eine solche (C) zespaket vorsehen, sind genauso wichtig. Es geht um Er- Einwendungsklausel noch in das Gesetz mit hineinbe- satzneubauten, es geht um Bauten, bei denen wir nur ge- kommen. ringfügig an den vorhandenen Voraussetzungen etwas ändern. Da sind wir alle einer Meinung, dass wir handeln (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) müssen. Also: Stimmen Sie in diesem Bereich zu! Ich will zusammenfassen – in einer Sprache, die auch Ich will aber noch einen Punkt herausgreifen, der im Sie verstehen –: Wir haben bei Genehmigungs- und Pla- Gesetzentwurf noch nicht vorhanden ist, auf den wir aber nungsverfahren zu viel Speck angesetzt. Es geht nicht großen Wert legen: eine Präklusionsklausel. Auch eine darum, dass wir uns zu Tode hungern; es geht darum, dass solche ist im Rahmen der Vorgaben des Europäischen wir das auf ein normales, schlankes Maß zurückführen. Gerichtshofes zulässig. Und das ist keine Beschneidung von Bürgerrechten! (Stefan Gelbhaar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich stelle hier fest: Die Progressiven sitzen hier vorne; NEN]: Ah!) wir sind die, die Fortschritt wollen. Sie sind die Beharrer; Sie sind die, die Fortschritt in Deutschland verhindern – Ja, natürlich. Wir sind die Partei, die sich an Recht und wollen. Gesetz hält. (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen beim (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – La- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver chen des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wird DIE GRÜNEN]) ja immer lustiger!) Vielleicht machen Sie uns das bei den Vorschlägen, die Wenn wir in Deutschland zukunftsfähig bleiben wol- Sie machen, mal nach. len, dann brauchen wir bessere, schlankere Genehmi- (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gungs- und Planungsverfahren, und die scheint es nur NEN]: Andi Scheuer hält sich an Recht und mit dieser Großen Koalition zu geben. Gesetz! Das ist doch wohl ein Witz!) Vielen Dank. – Herr Kollege Krischer, noch einmal: Kreischen Sie doch nicht so! (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Christoph Ploß [CDU/CSU]: Absolut auf den Punkt!) (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Europarecht!) Vizepräsidentin Petra Pau: (B) (D) Machen Sie mal in der Sache Vorschläge und nicht in Ich schließe die Aussprache. Bereichen, die heute hier gar nicht zur Debatte stehen! Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- den Drucksachen 19/15619 – – NEN]: Das ist ja absurd!) (Unruhe) Das, was Sie hier bringen, ist doch wirklich substanzlos. Das hat mit der Sache überhaupt nichts zu tun. – Also, im Moment habe überwiegend ich das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Zuruf von der CDU/CSU: Überwiegend!) der FDP) Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Ich sage Ihnen: Wir brauchen eine solche Präklusions- den Drucksachen 19/15619, 19/15626, 19/16040 und klausel. Ich wundere mich immer – ich sage das mal 19/16042 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus- überspitzt –: Wir führen Rote Listen über bedrohte Pflan- schüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Überweisungs- zen- und Tierarten, und immer, wenn wir eine Groß- vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir baustelle haben und sich das Verfahren dem Ende zuw- wie vorgeschlagen. endet, Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a und 20 b auf: (Torsten Herbst [FDP]: Finden die immer die gleichen Tiere!) a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Olaf in der Beek, Alexander Graf Lambsdorff, Till tauchen die plötzlich alle an dieser Baustelle auf. Mansmann, weiterer Abgeordneter und der (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU Fraktion der FDP und der FDP – Jörg Cezanne [DIE LINKE]: Förderung der beruflichen Bildung und Was für ein abenteuerlicher Mist!) Zinssubventionen für China beenden Da fragt der geneigte Planer sich natürlich: Wo kommen Drucksache 19/15567 die plötzlich alle her? b) Beratung der Beschlussempfehlung und des (Sabine Leidig [DIE LINKE]: Es ist antide- Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche mokratisch, was Sie hier machen!) Zusammenarbeit und Entwicklung (19. Aus- Also, insofern brauchen wir etwas mehr Realität und schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Pragmatismus bei der Umsetzung dieser Vorhaben, und Markus Frohnmaier, Dietmar Friedhoff, Ul- 17208 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Vizepräsidentin Petra Pau (A) rich Oehme, weiterer Abgeordneter und der Wir liefern also Know-how made in Germany für Chi- (C) Fraktion der AfD nas globale Hightech-Führerschaft, während in Deutsch- land der nächste PISA-Schock ausbricht. Aufstrebenden Wirtschaftsmächten den Status als Entwicklungsland entziehen – (Beifall bei der FDP) Keine Förderung im Rahmen der Ent- Wir sägen sprichwörtlich an dem Ast, auf dem wir selber wicklungszusammenarbeit und des Au- sitzen. Das ist politischer Irrsinn, das muss ein Ende ha- ßenhandels für Schwellenländer ben! Drucksachen 19/8986, 19/15932 (Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU/ Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- CSU) schlossen. – So, ich bitte jetzt um zügiges Umgruppieren Ich kann mir schon denken, was gleich von Ihnen kom- in den Fraktionen. Ich eröffne die Aussprache. – Das Wort men wird, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Koa- hat der Kollege Olaf in der Beek für die FDP-Fraktion. litionsfraktionen: Sie werden sagen, dass das ja alles gar (Beifall bei der FDP) nicht so schlimm sei, die Zinsvergünstigungen nur ge- ringfügig seien und dass wir mit China nicht weniger, Olaf in der Beek (FDP): sondern mehr kooperieren müssen, gerade im Bereich Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich des Umwelt- und Klimaschutzes. starte heute einmal, mit der Erlaubnis der Präsidentin, mit (Dagmar Ziegler [SPD]: Genau!) einem Zitat: Mit Blick auf den globalen Klima- und Umweltschutz Jeder, der versucht, eine Region von China zu tren- gebe ich Ihnen sogar recht. Das hat aber nichts, rein gar nen, wird untergehen – mit zertrümmertem Körper nichts mit Krediten für Aus- und Weiterbildung zu tun. und zu Puder gemahlenen Knochen. (Beifall bei der FDP) Noch demokratie- und menschenfeindlicher geht es kaum. Das ist die Antwort der chinesischen Staatsführung Erst in den letzten Wochen wurde bekannt, dass China auf die Proteste in Hongkong. China ist im Jahr 2019 nur Weltbankkredite dafür benutzt hat, um Überwachungs- noch mit seiner neuen Seidenstraße auf dem Weg Rich- technologien an Schulen einzusetzen. Ich weiß bis heute tung Westen – in seiner Weltanschauung und politisch ist nicht, ob wir das für die Kredite aus Deutschland wirklich China wieder auf den Spuren Maos unterwegs; nichts ausschließen können. Also hüten Sie sich davor, abzulen- zeigt sich deutlicher im Umgang der Staatsführung mit ken! Es geht hier um etwas Grundsätzliches: Hier geht es (B) den Protesten in Hongkong als das. um unseren eigenen Wertekompass. (D) Dennoch ist China heute, im Gegensatz zu vor vierzig (Beifall bei der FDP) Jahren, zum globalen und wirtschaftlichen Powerhouse Anstatt unsere Unternehmen im globalen Wettbewerb aufgestiegen: China ist Exportweltmeister. China ist die zu unterstützen, geben Sie denen Geld, die sich nicht an zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. China hat die größ- die Regeln halten. te verarbeitende Industrie der Welt. Und China ist mitt- lerweile einer der größten Geber von Entwicklungsgeld; (Beifall bei Abgeordneten der FDP) allein für die Staaten Afrikas will China in den nächsten Anstatt unsere Unternehmen zu unterstützen, stärken Sie drei Jahren 60 Milliarden Euro bereitstellen. unseren größten Konkurrenten auf dem Weltmarkt. Sie Gleichzeitig ist China aber auch – man mag es kaum haben keine Strategie, wie Sie mit dem wirtschaftlichen, glauben – nach eigener Einschätzung Entwicklungsland. sicherheitspolitischen und geostrategischen Machtstre- China stuft sich bei der Welthandelsorganisation WTO ben Chinas umgehen wollen. Machen Sie jetzt den An- als Entwicklungsland ein und hat damit Anrecht auf fang, stimmen Sie unserem Antrag zu, und beenden Sie endlich diese unsinnigen Zinssubventionen an China! weitgehende Zollfreiheiten und höhere CO2-Emissionen. Das ist blanker Hohn, meine sehr verehrten Damen und (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Herren. Die Menschen im Land verstehen das nämlich nicht, und Und was macht unsere Bundesregierung? Sie schaut ich übrigens auch nicht. Das ist doch Wasser auf die nicht nur beim Selbsteinstufungsprozess der WTO Mühlen derjenigen, die Entwicklungsarbeit komplett ab- sprachlos zu. Nein, Deutschland unterstützt Aus- und schaffen wollen. Weiterbildung in China ausgerechnet in den Schlüssel- branchen der deutschen Industrie: in der Automobilin- Herzlichen Dank. dustrie, der Elektroindustrie, der Informations- und Tele- (Beifall bei der FDP) kommunikationstechnologie, der Chemieindustrie und der Medizintechnologie. Vizepräsidentin Petra Pau: Nach Angaben der Bundesregierung – also Ihren eige- Das Wort hat der Kollege Volkmar Klein für die CDU/ nen Angaben – vom 19. August summieren sich die zins- CSU-Fraktion. subventionierten KfW-Kredite seit 2013 auf sagenhafte 630 Millionen Euro! Davon geht nur 1 Prozent an deut- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und sche Unternehmen, die in China aktiv sind. der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17209

(A) Volkmar Klein (CDU/CSU): (Otto Fricke [FDP]: Wir würden das gerne von (C) Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Ihrem Ministerium hören!) Herren! Der Kollege Olaf in der Beek hat völlig recht Wir sind sehr daran interessiert, möglichst viele Stu- mit den Fragen, die er stellt. denten aus Australien, aus Amerika, aus vielen Ländern nach Deutschland zu bekommen, weil sie dann hoffent- (Beifall bei der FDP) lich, wenn sie wieder zurückkommen, eine andere Ver- Wahrscheinlich ist vieles von dem, was er in Sachen Men- bindung zu Deutschland haben, und das gut ist, auch für schenrechte in China anmerkt, noch viel schlimmer. Das unsere Firmen. kann die FDP nicht so genau wissen. Aber Volker Kauder (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) würde dazu eine ganze Menge sagen können. Das ist ein Teil von Wirtschaftsförderung. Das wird im (Dr. Roland Hartwig [AfD]: Wo ist er? Schon Falle von Australien natürlich nicht als ODA-Leistung lange nicht mehr gesehen!) registriert. Weil aber China als Entwicklungsland gilt, gelten schon mal 208 Millionen Euro als ODA-Leistung; Das ist sicherlich alles richtig. das sind die Gelder für Studenten, weil bei uns keine Es ist auch richtig, dass wir immer wieder überlegen Studiengebühren zu zahlen sind. Die Länder haben das müssen: Welches Land ist denn tatsächlich ein Entwick- zu tragen, aber das ist nicht irgendwo im Haushalt. Das ist lungsland? – Es gibt sicherlich gute Gründe, zu über- ja keine Entwicklungshilfe im üblichen Sinne. Das heißt, legen: Ist China nach der rasanten wirtschaftlichen am Ende würde sich, wenn die OECD den Chinesen den Entwicklung in der Vergangenheit noch ein Entwick- Status als Entwicklungsland entzieht, in der Sache an lungsland, auch angesichts der Technik, die dort inzwi- diesen Stellen überhaupt nichts ändern. Sehr wohl aber schen produziert wird, angesichts der finanziellen Situa- würde die Zahl, gerade bei den Studenten, gar nicht mehr tion von China, auch angesichts der Aktivitäten zur neuen erfasst und könnte dann auch keinen mehr aufregen. Seidenstraße? Auf der anderen Seite: ODA – diese Official Develop- ment Assistance, oder auf Deutsch: staatliche Entwick- Die gleiche Frage ist natürlich auch in anderem Zu- lungshilfe – ist ja noch längst nicht gleichbedeutend mit sammenhang berechtigt: Ist Brasilien noch ein Ent- Steuergeld oder mit Haushaltmitteln. wicklungsland? Die Firma Embraer ist die viertgrößte Flugzeugproduktionsfirma der Welt – in einem Entwick- lungsland? Ist Malaysia noch ein Entwicklungsland? Wir Vizepräsidentin Petra Pau: haben hier schon oft darüber geredet, dass wir eigentlich Kollege Klein, gestatten Sie eine Frage oder Bemer- (B) mehr Investitionen in Afrika tätigen wollen. Aus Malay- kung? (D) sia wird mehr in Afrika investiert als aus Deutschland. Das alles spricht für einen gewissen Erfolg der bisherigen Volkmar Klein (CDU/CSU): Entwicklung, und Entwicklung in einem Land voranzu- Ja, gerne. bringen, entspricht durchaus unserem Interesse. Ulrich Lechte (FDP): Die Frage, ob jetzt ein einzelnes Land als Entwick- lungsland zu qualifizieren ist oder nicht, können wir – Herr Kollege Klein, die Opposition wundert sich darü- jenseits der menschenrechtlichen Fragen – sicherlich ber, dass wir über ein entwicklungspolitisches Thema nicht allein feststellen. Es darf auch keine Lex China sprechen und aus dem Entwicklungshilfeministerium nie- geben. Wenn, dann müsste innerhalb der OECD entschie- mand anwesend ist. den werden, dass die Regeln geändert werden. Gegen- (Otto Fricke [FDP]: Noch nicht mal aus dem wärtig besagen die Regeln aber, dass ein Land immer Kanzleramt! – Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/ noch als Entwicklungsland gilt, wenn es ein Brutto- CSU]: AA ist da!) inlandsprodukt pro Kopf – und die Zahlen gelten bei der OECD für 2016 – zwischen 3 950 und 12 300 Dollar Sehen Sie das genauso, dass das sehr verwunderlich ist, hat. Da liegen aber sowohl China als auch Brasilien und dass niemand von der Bundesregierung unseren Ausfüh- Malaysia, im Übrigen auch die Türkei, immer noch deut- rungen zu so einem wichtigen Thema wie der Chinapo- lich drunter. Wenn wir etwas ändern wollen, dann dürfen litik folgen möchte? wir keine Lex China schaffen, sondern müssen insgesamt (Parl. Staatssekretär Norbert Barthle betritt den die Regeln ändern. Plenarsaal – Johannes Selle [CDU/CSU]: Gar (Otto Fricke [FDP]: Ministerium!) nicht! Da kommt der Parlamentarische Staats- sekretär!) – Die OECD müsste das ändern; da wären wir nur ein – Oh, ja. Volkmar Klein (CDU/CSU): kleiner Beitrag. – Die Frage ist aber: Wie wichtig wäre das überhaupt? Denn wenn ein Land als Entwicklungs- Erstens ist der Parlamentarische Staatssekretär da. land qualifiziert wird, heißt das ja nicht, dass andere ver- pflichtet sind, dorthin irgendwelche Gelder zu zahlen. Die (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Lachen bei der Folge ist aber sehr wohl, dass verschiedene Tatbestände, AfD und der FDP) die durchaus in unserem Interesse sind, im Falle der Qua- Zweitens können Sie davon ausgehen, dass die Zusam- lifikation als Entwicklungsland als ODA-Leistung gelten. menarbeit zwischen der Arbeitsgruppe Entwicklungszu- 17210 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Ulrich Lechte (A) sammenarbeit der Unionsfraktion und dem Minister und Vizepräsidentin Petra Pau: (C) dem Staatssekretär so eng ist, dass kein einziges Wort der Herr Frohnmaier, ich habe die Uhr angehalten. Würden Einlassungen der anderen Fraktion am Ende verloren ge- Sie sich korrigieren? hen wird. (Lachen bei der FDP – Zurufe von der FDP: Markus Frohnmaier (AfD): Oh!) Ach so, entschuldigen Sie. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Damit ist die Frage beantwortet. (Zuruf von der CDU/CSU: Ja, geht doch!) (Dr. Roland Hartwig [AfD]: Das glauben Sie doch selber nicht! – Otto Fricke [FDP]: Miss- Manche laden sich Schmuddelfilmchen aus dem Netz; die achtung des Parlaments ist das! – Zuruf von der Kollegen von der FDP AfD-Anträge. Hier sitzen magen- AfD: Peinlich!) ta-gelbe Raubkopierer. ODA ist nicht gleichbedeutend mit Steuermitteln oder (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE Haushaltmitteln. Das wird insbesondere bei den Krediten GRÜNEN]: Too much information!) der KfW deutlich. Die gelten nach den Regeln der OECD Die FDP möchte heute die Entwicklungszusammenar- als ODA, also als Official Development Assistance, auch beit mit China auf den Prüfstand stellen. Das ist schon wenn am Ende die KfW daran verdient. Die Chinesen erstaunlich; denn erst letzte Woche hat die FDP im Aus- kriegen – genau wie viele andere Schwellenländer – schuss unseren AfD-Antrag abgelehnt, der genau das ge- durchaus gute, günstige Kredite. Da sich die KfW aber fordert hat. Der Kollege Hoffmann von der FDP sagte refinanziert zu den Bedingungen der Bundesrepublik noch bei der letzten Plenardebatte zu unserer Forderung, Deutschland, also oft zu Zinsen im eher negativen Be- Chinas Status als Entwicklungsland abzuerkennen – ich reich, verdient die KfW noch Geld damit. Das heißt also: zitiere –: Das ist hier überhaupt nicht zu skandalisieren. In 2017 sind an China etwa 600 Millionen Euro Ich glaube, das macht Sinn, wenn auf diesem Wege ODA-Mittel geflossen. Was waren das denn für Mit- auch noch Deckungsbeiträge für die KfW erwirtschaftet tel? … Das waren eigentlich nur Kreditmittel in werden können. Hinzu kommt – das gilt ganz genauso für großem Umfang, und diese Kreditmittel werden ja Indien und für viele andere Länder –, dass dort in der Tat wieder zurückgezahlt. … Also geht dem Steuerzah- kein Mangel an Liquidität herrscht. Das Interesse an Zu- ler eigentlich nichts verloren, und on top gibt es sammenarbeit mit der KfW besteht daher vor allen Din- dafür auch noch Zinsen. (B) gen darin, ein gemeinsames Kooperationsprojekt zu ha- (D) ben, auch inhaltlich zusammenzuarbeiten. Das wiederum (Beifall bei der FDP …) ist gut für deutsche Firmen. Zitat Ende. Bei der DEG gibt es überhaupt kein Steuergeld, das Während Herr Hoffmann von der FDP uns also noch ausgegeben wird; da gibt es auch keine ODA-Anrech- beim AfD-Antrag erzählt hat, dass zinsvergünstigte Kre- nung. Wir haben als letztes Projekt der technischen Zu- dite eine ganz tolle Form der Entwicklungszusammen- sammenarbeit einen Rechtsstaatsdialog; es ist, glaube ich, arbeit sind, fordern Sie heute in Ihrem Antrag das genaue gut, wenn wir helfen, dass China ein Rechtssystem ent- Gegenteil: Sie wollen die vorzeitige Einstellung der Kre- wickelt, das eher an unser Rechtssystem angelehnt ist als dite an China. Herzlichen Glückwunsch: Die FDP ist an angelsächsische Kasuistik. Das wird am Ende den lernfähig, AfD wirkt! deutschen Firmen eher zugutekommen. (Beifall bei der AfD) Insofern glaube ich: Es sind gut gemeinte Überlegun- gen, immer wieder zu überprüfen: Kann denn China noch Generell lässt sich feststellen, dass der Zinssatz bei dazugehören? Die Antwort heute aber ist: Es gibt keinen solchen verbilligten Krediten für Entwicklungsländer aktuellen Handlungsbedarf. – Deswegen ist es sicherlich bei mageren 0,5 bis 2 Prozent liegt, also kaum die Infla- richtig, diesen Antrag zurückzuweisen. tion ausgleicht. Wenn also Minister Müller und die ande- ren Parteien sich hierhinstellen und behaupten, China Vielen Dank. würde keine Entwicklungshilfe erhalten, ist das schlicht und ergreifend falsch. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) Mit 630 Millionen Euro vergünstigten deutschen Kre- diten hat China seit 2013 für Berufsausbildung in Maschi- Vizepräsidentin Petra Pau: nenbau, in der Chemie-, Elektro- und Automobilindustrie Das Wort hat der Abgeordnete Markus Frohnmaier für gesorgt. Während in Deutschland also bei Bosch, Daimler die AfD-Fraktion. und VW Stellen gestrichen werden, Eisenmann Insolvenz anmeldet und Continental Werke schließt, bezahlt (Beifall bei der AfD) Deutschland für die Berufsausbildung chinesischer Ju- gendlicher. Markus Frohnmaier (AfD): Neben den Billigkrediten bezahlt der deutsche Steuer- Herr Präsidentin! Meine Damen und Herren! zahler auch noch absurde Projekte wie – ich zitiere aus Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17211

Markus Frohnmaier (A) den Projektlisten des Haushaltes – Gender-, Arbeitsrecht- Technikgiganten und einer innovativen Industrie hat uns (C) und Medientraining für Migrantinnen in Südchina – das Land – das muss man zugeben – in vielen Bereichen bereits überholt, in anderen konkurrieren wir mit ihm. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Auch ist diese Entwicklung in vielen Feldern mit einem NEN]: Jetzt bleiben Sie beim Thema!) sozioökonomischen Aufschwung verbunden. Kostenpunkt: 367 000 Euro –, Förderung eines zivilge- In der Entwicklungszusammenarbeit ist China vor al- sellschaftlichen landesweiten Gendernetzwerkes in Chi- lem in Afrika sehr aktiv und verbindet dieses Engagement na für 400 000 Euro oder Fortbildungsprogramme für unverdeckt mit seinen großen wirtschaftspolitischen und chinesische Manager. Während die Wirtschaftsweltmacht strategischen Interessen. Eigentlich kann man bei den China den deutschen Roboterhersteller Kuka und den Praktiken Chinas nicht mehr von „Entwicklungszusam- Maschinenbauer Putzmeister aufgekauft hat und erst vor- menarbeit“ sprechen, da nicht die Entwicklung der Part- gestern bekannt wurde, dass die Chinesen ihren Anteil bei nerländer, sondern die eigenen ökonomischen Vorteile im Daimler auf 20 Prozent ausbauen, bildet Entwicklungs- Vordergrund stehen. Aus diesem Grund hat unser Aus- minister Müller mit deutschem Steuergeld chinesische schuss im letzten Jahr eine Studie zu den strategischen Manager aus. Interessen hinter Chinas Entwicklungszusammenarbeit in Was wir heute hier im Kontext zu China diskutieren, ist Afrika beim Technikfolgenbüro des Bundestages in Auf- erst der Anfang. Weitere aufstrebende Wirtschaftsmäch- trag gegeben. Wir warten auf das Ergebnis. te, sogenannte „next Chinas“ wie Indonesien, Indien und Nicht angesprochen im FDP-Antrag wird die schlechte Brasilien, stehen schon in den Startlöchern. Konsequent Menschen- und Bürgerrechtslage in der Volksrepublik, wäre es gewesen, wenn Sie unserem Antrag zu aufstreb- die ich nicht unerwähnt lassen möchte. Gerade gestern enden Wirtschaftsmächten zugestimmt hätten; denn der haben wir im Ausschuss ja über die Arbeit unserer politi- beschränkt sich nicht nur auf China, sondern würde ge- schen Stiftungen gesprochen. In China ist die Arbeit für nerell Schluss machen mit der Alimentierung potenter die meisten Stiftungen entweder gar nicht oder nur sehr Wirtschaftsmächte. Das wäre richtig gewesen. eingeschränkt möglich. Herr in der Beek, das ist sicherlich ein guter Ansatz, den Sie heute verfolgt haben. Vielleicht könnten Sie die Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, kriti- Zuständigkeit übernehmen, und könnte Kollege sieren muss ich an dem Antrag den verwirrenden Um- Hoffmann in Zukunft genderneutrale feministische Au- gang mit dem Wort „Entwicklungszusammenarbeit“ im ßenpolitik oder Ähnliches betreuen. nationalen und internationalen Kontext. Da will ich auch einiges klarstellen: (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Ist doch Erstens. Zwischen Deutschland und China gibt es seit (B) gut! Was haben Sie denn dagegen?) (D) 2008 keine zwischenstaatliche Entwicklungszusammen- Dann wäre das kohärent, und dann könnten wir auch zu- arbeit mehr. Die noch laufenden und durch Haushaltsmit- stimmen. tel finanzierten Kredite werden wirklich nur noch abge- wickelt. Vielen Dank. Zweitens. Nach unseren Auskünften sind Ihre Anga- (Beifall bei der AfD – Helin Evrim Sommer ben hinsichtlich Zinssubventionen an China durch die [DIE LINKE]: Haben Sie Angst vor starken KfW nicht richtig. Frauen?) (Otto Fricke [FDP]: Was ist denn richtig?) Vizepräsidentin Petra Pau: Aber da können wir ja einen Check machen. Das Wort hat die Kollegin Dagmar Ziegler für die SPD-Fraktion. Ja, es gibt Darlehensverträge – dazu komme ich jetzt – zwischen der KfW und chinesischen Partnern, die aus (Beifall bei der SPD) Eigenmitteln der KfW gespeist werden. Diese sind aber nicht zinsverbilligt und mithin auch nicht durch deutsche Dagmar Ziegler (SPD): Steuermittel subventioniert. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich festhalten: Die FDP- (Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU – Bundestagsfraktion spricht in ihrem Antrag wirklich sehr Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Zu markt- viele richtige, wichtige und auch durchaus kritische üblichen Konditionen!) Punkte an Kredite der KfW haben für alle Vertragspartner güns- tige Bedingungen. Es wurde schon ausgeführt: Die Bank (Beifall bei der FDP – Helin Evrim Sommer hat durch ihre guten Refinanzierungsbedingungen auf [DIE LINKE]: Aber? – Olaf in der Beek dem Finanzmarkt die Möglichkeit, diese Vergünstigung [FDP]: Aber? – Frank Sitta [FDP]: Punkt!) weiterzugeben; aber Geschenke gibt es eben keine. China – Komma –, aber sie vermischt auch einige Tatsachen. wird behandelt wie andere Partner auch. Die Förderkre- dite sind vollständig rückzahlungspflichtig und zu markt- Wir stimmen uneingeschränkt zu, dass China ein nahen Konditionen verzinst. schwieriger Partner ist. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Land zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ent- Liebe Kolleginnen und Kollegen unserer Serviceoppo- wickelt. Mit Wachstumsraten, die in die Höhe schießen, sition, wir können durchaus darüber sprechen, ob wir 17212 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dagmar Ziegler (A) Kredite durch unsere staatseigenen Banken an China ge- Helin Evrim Sommer (DIE LINKE): (C) nerell stoppen wollen. Mit angeblichen Subventionen be- Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! gründen können wir dies aber eben nicht. Da hat uns aber die FDP einen aufschlussreichen Antrag beschert. Sie wollen die Entwicklungszusammenarbeit Dann aber müssen wir auch akzeptieren, dass wir durch mit der Volksrepublik China bei der beruflichen Bildung Darlehen eben auch keine weiteren Anreize – Sie haben beenden. Sie kritisieren, dass mit zinsgünstigen Krediten es selbst gesagt, das wird unser Argument sein – in den der deutschen Entwicklungsbanken, KfW und DEG, chi- Bereichen Umwelt und Klima zur Umsetzung des Ab- nesische Fachkräfte unterstützt werden. Liebe FDP, das kommens von Paris und der Agenda 2030 mehr setzen ist schon erstaunlich: Ausgerechnet Sie als selbsternannte können. Aber genau das wird Ihrem eigenen Anspruch in Partei der Marktwirtschaft fürchten sich vor der wirt- Punkt 7 Ihres Antrages vehement widersprechen. Gerade schaftlichen Konkurrenz. in diesem Bereich setzt die KfW Entwicklungsbank einen neuen Schwerpunkt. Wir wissen alle, dass diese Heraus- (Otto Fricke [FDP]: Das ist keine soziale forderungen nur gemeinsam mit China bewältigt werden Marktwirtschaft!) können. Bisher sind darin auch acht Projekte geplant. Die Zudem versetzen Sie sich selbst einen Kinnhaken mit vom Antragsteller kritisierten Verträge im Bereich der Ihrem Antrag. beruflichen Bildung laufen aufgrund der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung Chinas aus. Nur zur Erinnerung: Es war einmal ein Entwicklungs- minister , übrigens von der FDP Drittens. Im Antrag Ihrer Fraktion wird immer wieder die ODA-Anrechenbarkeit der Darlehensverträge kriti- (Markus Frohnmaier [AfD]: Der war gar nicht siert. Wir stufen dieses Land nicht so ein. Auch die so schlecht! – Otto Fricke [FDP]: Guter Mann!) ODA-Anrechenbarkeit hat nichts mit der durchaus frag- – hören Sie zu; vielleicht können Sie noch was dazuler- ilen und kritikwürdigen Selbsteinstufung Chinas als Ent- nen –, wicklungsland bei der WHO zu tun. Die Frage, ob Mittel auf die ODA-Quote anrechenbar sind, bestimmt sich (Markus Frohnmaier [AfD]: Ich bin gespannt!) nämlich danach, ob ein Land auf der DAC-Liste – DAC ist der Entwicklungsausschuss der OECD – geführt wird. der die Entwicklungszusammenarbeit mit China zweck- Dafür, welche dort geführt werden, gibt es ganz objektive entfremdet hat. Sie sollte deutschen Unternehmen den Kriterien, die alle drei Jahre überprüft werden: ein gerin- Zugang zum chinesischen Markt erleichtern. ges Pro-Kopf-Einkommen, schlechte Gesundheits- und (Frank Sitta [FDP]: Warum denn nicht? – (B) Nahrungsversorgung oder eine extrem ungleiche Vertei- Markus Frohnmaier [AfD]: Ja! Warum denn (D) lung der vorhandenen Güter. nicht?) Darunter fällt China nach wie vor. Die nächste Evaluie- Und nun schlottern Ihnen die Knie vor den Folgen Ihrer rung findet in 2020 statt. Wir gehen im Moment davon eigenen Politik, liebe FDP. aus, dass vielleicht Ende der 20er-Jahre diese Kriterien (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe von China sozusagen nicht mehr erfüllt werden und Chi- Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Wi- na deshalb aus dieser ODA-Anrechenbarkeit rausfällt. derspruch bei Abgeordneten der AfD und der Aber wir müssen wissen: Nur aufgrund der Einordnung FDP – Dr. Roland Hartwig [AfD]: Wo bleibt Chinas auf dieser DAC-Liste ist es der KfW überhaupt denn da die Logik?) möglich, diese Kredite zu vergeben. Aber warum jetzt noch die Entwicklungszusammen- Als Fazit bleibt zu sagen: Ja, wir sind auch auf diesem arbeit mit China fortführen, obwohl seit 1978 über Weg. Wir müssen unsere Zusammenarbeit mit China 850 Millionen Chinesinnen und Chinesen weniger in Ar- überprüfen. Dabei sollten wir uns auf politischer Ebene mut leben? Es gibt ein enormes Wohlstandsgefälle inner- auch die Frage stellen, ob wir Kredite durch die KfW halb Chinas. Hightech und Elend liegen dicht weiterhin zulassen wollen. Die genannten Gründe aber beieinander. für eine Beendigung der laufenden Kreditverträge ent- behren aus unserer Sicht jeder Grundlage. Deshalb – (Markus Frohnmaier [AfD]: Das sind staatliche nur deshalb – lehnen wir den Antrag ab. Aufgaben!) In Tibet und in Xinjiang gibt es staatliche Repressionen Vielen Dank. und, abgesehen von großen Verkehrsinfrastrukturpro- grammen, kaum Entwicklungschancen. Die muslimi- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten schen Uiguren werden massiv unterdrückt. Daran gibt der CDU/CSU) es nichts zu beschönigen. Wir wollen, dass sich das auf jeden Fall ändert. Vizepräsidentin Petra Pau: (Beifall bei der LINKEN) Das Wort hat die Kollegin Helin Evrim Sommer für die Fraktion Die Linke. Die Entwicklungszusammenarbeit mit China bietet hier- für Chancen, wenn sie den politischen Dialog unterstützt (Beifall bei der LINKEN) und sich auf die richtigen Ziele konzentriert. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17213

Helin Evrim Sommer (A) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns Könnte es nicht auch so sein, dass VW, Porsche, Mer- (C) doch bitte das Richtige tun und die strategische Zusam- cedes und andere Firmen in China einfach auch qualifi- menarbeit mit China vertiefen. Das ist gerade beim Kli- ziertes Personal brauchen, damit sie produzieren können? maschutz sinnvoll, weil deutsche Unternehmen das Das wäre doch auch mal eine Frage, die man sich stellen Know-how haben. müsste. (Markus Frohnmaier [AfD]: Das sind doch al- (Olaf in der Beek [FDP]: Das haben Sie mit les chinesische Unternehmen!) Ihrer Rede schon widerlegt!) Nur so kann globaler Klimaschutz funktionieren, aber Tatsache ist, dass unser Sozialprodukt bisher vom En- doch nicht mit den Mustern von vorgestern als beleidigte gagement der deutschen Industrie in China profitiert hat. Leberwurst, liebe FDP. Ob das jetzt gut oder schlecht für die mittel- und lang- Vielen Dank. fristige Entwicklung Deutschlands oder für die globale Entwicklung ist, sollten wir tatsächlich mal ganz genau (Beifall bei der LINKEN – Frank Sitta [FDP]: und ernsthaft diskutieren, vor allem vor dem Hintergrund Leberwurst?) der aggressiven Wirtschafts- und Militärpolitik und der katastrophalen menschenrechtlichen Situation in China. Vizepräsidentin Petra Pau: Hier spreche ich nicht nur die unsägliche menschenver- Das Wort hat Uwe Kekeritz für die Fraktion Bünd- achtende Vorgehensweise Chinas gegen die Volksgruppe nis 90/Die Grünen. der Uiguren an. Dazu verlieren Sie in Ihrem Antrag aber kein Wort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ganz erstaunlich finde ich dann auch den FDP-Salto in Gestern titelte die „FAZ“: „FDP will Entwicklungshilfe der letzten Forderung Ihres Antrags. Da fordern Sie doch für China stoppen“. Ich habe das gelesen und habe gesagt: tatsächlich, zukünftig noch enger in den Bereichen Kli- Na, das ist doch vom Jahr 2009; denn die FDP bzw. Nie- ma- und Umweltschutz mit China zusammenzuarbeiten. bel hat das ja schon 2009 gestoppt. Wieso bringt jetzt der Richtig! Aber was will denn die FDP nun eigentlich? Herr Olaf in der Beek die „FAZ“ dazu, genau das zu Wollen Sie die Verbindungen zu China kappen, oder wol- schreiben? len Sie im Bereich Klima- und Umweltschutz zusammen- arbeiten? Erst kappen und dann zusammenarbeiten – das (B) Wesentlich ist doch – und da hat der Herr Frohnmaier (D) ja recht –, ist eine merkwürdige Verbindung. (Markus Frohnmaier [AfD]: Oh! Was?) Übrigens: 2018 wurde zwischen China und Deutsch- land vereinbart, dass die Zusammenarbeit sich schwer- dass die FDP heute mit falschen Botschaften in dasselbe punktmäßig auf Klima- und Umweltschutz konzentrieren Horn bläst wie die AfD, die ja permanent jede Möglich- wird. Ihr Antrag zeigt, dass eine kluge Chinapolitik mit keit sucht, mit falschen Fakten Negatives über die Ent- der FDP nicht möglich ist. wicklungszusammenarbeit zu kolportieren. Und das ma- chen Sie auch. Sie senden hinaus in die Welt: Wir zahlen Danke schön. 628 Millionen für Entwicklungshilfe in China. – Das ist falsch, und das wissen Sie. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Warum haben Sie eigentlich nicht die Antwort auf Ihre Kleine Anfrage gelesen? Fünfmal gibt die Bundesregie- rung Ihnen die Erklärung, dass seit 2010 keine Entwick- Vizepräsidentin Petra Pau: lungszusammenarbeit mehr stattfindet. Lesen und dann Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Stefinger für auch die Konsequenzen ziehen! die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. SES 90/DIE GRÜNEN) Dagmar Ziegler [SPD]) Das haben Sie nicht gemacht; sonst wüssten Sie es ja, und Ihr Antrag wäre damit natürlich hinfällig gewesen. Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kollegen! Es ist ja unbestritten – das ist in der Debatte Im Antrag fordert die FDP auch, die Förderung der auch schon mehrfach angesprochen worden –, dass China beruflichen Bildung für China zu stoppen. Sie behaupten, in den letzten Jahren eine beispiellose wirtschaftliche dass die Förderung der beruflichen Ausbildung in der Entwicklung hingelegt hat: zweitgrößte Volkswirtschaft – Automobilindustrie und anderen Bereichen für die deut- das ist schon gesagt worden –, unglaubliches wirtschaftli- sche Industrie, ja gar für die deutsche Volkswirtschaft ches Wachstum, technologischer Fortschritt, ja, auch mi- insgesamt schädlich ist. Mich würden mal Ihre Belege litärische Stärke nicht zu vergessen. Genau deshalb ist – für diese Behauptung interessieren. Da haben Sie nämlich das ist auch schon erwähnt worden – die Entwicklungs- keine Quellen genannt. zusammenarbeit 2009 beendet worden. 17214 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Wolfgang Stefinger (A) Es ist richtig: Ja, China ist einer der größten Geber im Vizepräsidentin Petra Pau: (C) Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Ja, selbstver- Kollege Stefinger. ständlich gibt es dort auch immer wieder Anlass zur Kri- tik, etwa daran, wie die Chinesen insbesondere in Afrika unterwegs sind. Aber der Antrag von der FDP suggeriert, Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU): China erhalte eine Förderung als Entwicklungsland ähn- Nein, keine Zwischenfrage. – Das ist reiner Populis- lich der Förderung von Staaten in Afrika bzw. ähnlich mus. Ich muss Ihnen jetzt mal eines sagen: Es versteckt dem Marshallplan mit Afrika, und das ist einfach falsch. sich hier überhaupt nichts, ganz im Gegenteil. Wenn wir uns die berufliche Bildung anschauen, sehen wir: Da sind (Beifall bei der CDU/CSU) ganz viele Akteure am Tisch, angefangen bei den Ge- werkschaften über die Goethe-Institute und die Arbeits- Richtig ist, dass wir eine Zusammenarbeit bei Zu- agentur etc. etc. Die Finanzdaten liegen offen. Die haben kunftsfragen mit der Volksrepublik China haben. Glaubt Sie in Ihrem Antrag sogar erwähnt. Was ist dort ver- denn hier im Haus irgendjemand, dass wir die globalen steckt? In Ihrem ursprünglichen Titel stand das Wort Herausforderungen ohne die zweitgrößte Volkswirt- „versteckt“. Er sprach von „versteckter Entwicklungszu- schaft, ohne China, lösen könnten? sammenarbeit“. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Mit die- ser ursprünglichen Formulierung befeuern Sie die Ver- Ich frage mich wirklich, was Sie mit Ihrem Antrag schwörungstheorien hier im Land. eigentlich wollen; denn im Antrag der FDP und auch im Antrag der AfD – das muss ich wirklich sagen – (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- kommt für mich ein sehr merkwürdiges Weltbild zum neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Vorschein: Sie gehen offenbar davon aus, dass, wenn und der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) zwei Länder zusammenarbeiten, immer ein Land verlie- Sie verunsichern die Bürgerinnen und Bürger, und Sie tun ren muss und ein Land gewinnt. Genau das ist ein falsches so, als würde diese Bundesregierung unrechtmäßig han- Bild. deln. Das ist absoluter Blödsinn. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Um mit einem abgewandelten Wort Ihres Parteivorsit- ordneten der SPD) zenden zu schließen: Es ist manchmal besser, keinen An- trag vorzulegen als einen schlechten. Aber aufgrund dieses Bildes kommt die Forderung von Ihnen, die Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung zu Vielen Dank. (B) beenden. Da muss ich schon sagen: Wir haben das beste (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem (D) Berufsausbildungssystem, und wir haben die geringste BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jugendarbeitslosigkeit. Dass dieses Erfolgsmodell von anderen Ländern kopiert wird, ist doch gut. Wir wollen der Jugend eine Chance geben. Deswegen unterstützen Vizepräsidentin Petra Pau: wir hier auch. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Im Übrigen: Liebe FDP, wenn wir nicht mehr mit Län- Fraktion der FDP auf Drucksache 19/15567 mit dem Titel dern kooperieren dürfen, deren Wirtschaft möglicherwei- „Förderung der beruflichen Bildung und Zinssub- se eine Konkurrenz für uns darstellt, wird es lustig. Dann ventionen für China beenden“. Wer stimmt für diesen dürfen wir nämlich in Zukunft mit keinem europäischen Antrag? – Das ist die FDP-Fraktion. Wer stimmt dage- Land mehr kooperieren. Dann müssen wir die Zusam- gen? – Die Koalitionsfraktionen, die Fraktion Die Linke menarbeit mit Frankreich beenden und und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Die AfD-Fraktion. Der Antrag ist damit abge- (Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Jetzt wird lehnt. es wirklich abwegig! Herr Stefinger, jetzt wird es wirklich abwegig!) Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus- ses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit Griechenland, mit Italien und mit vielen anderen Län- zu dem Antrag der Fraktion der AfD mit dem Titel „Auf- dern auch. Da frage ich mich schon: Möchte denn die strebenden Wirtschaftsmächten den Status als Entwick- FDP plötzlich keinen Wettbewerb mehr? lungsland entziehen – Keine Förderung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit und des Außenhandels für (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Schwellenländer“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – schlussempfehlung auf Drucksache 19/15932, den An- Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE trag der Fraktion der AfD auf Drucksache 19/8986 abzu- GRÜNEN]: Ja, so ist es! Das habe ich mich lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – auch gefragt!) Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Ein weiterer Punkt. Der ursprüngliche Titel Ihres An- CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Frak- trags ist nämlich der eigentliche Skandal. Der ursprüng- tion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/ liche Titel Ihres Antrags lautete nämlich: Versteckte Ent- Die Grünen gegen die Stimmen der AfD-Fraktion ange- wicklungszusammenarbeit mit China beenden. nommen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17215

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: die Wissenschaftsmündigkeit der Bürgerinnen und (C) Bürger stärken; denn es gibt nicht wenige Stimmen, die Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ wissenschaftsbasierte Informationen täglich infrage stel- CSU und SPD len. Ich nenne hier beispielhaft jene, die bis heute die Wissenschaftskommunikation stärken – Verantwortung der Menschen für die globale Erwärmung Strukturen sichern, neue Möglichkeiten leugnen – auch heute wieder an diesem Rednerpult bei schaffen den nachmittäglichen Debatten –, Leute, die – so war es neulich in der „FAZ“ formuliert – Drucksache 19/16044

Überweisungsvorschlag: einerseits munter Handys nutzen, in Flugzeuge stei- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) gen und Navigationssysteme nutzen, die aber ande- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Kultur und Medien rerseits so tun, als wären die Wissenschaftler, ohne Ausschuss Digitale Agenda die es all diese Technologien letztlich gar nicht gäbe, Haushaltsausschuss ein korrupter Haufen gewissenloser Betrüger. Für die Aussprache ist eine Dauer von 30 Minuten be- schlossen. Ich würde auch gern die Aussprache eröffnen, Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden diesen wenn denn alle weiter teilnehmenden Kolleginnen und Leugnern, diesen Ignoranten und Blendern nicht das Feld Kollegen einen Platz gefunden haben. überlassen. Wir dürfen es ihnen nicht überlassen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Stefan Kaufmann für die CDU/CSU-Fraktion. Schon heute bringen zahlreiche Initiativen der Länder, (Beifall bei der CDU/CSU) des Bundes, der Hochschulen, auch der Wissenschaftsa- kademien und -organisationen Wissenschaftlerinnen und Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): Wissenschaftler in einen Austausch mit Bürgerinnen und Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es Bürgern. Ich nenne die Wissenschaftsjahre, Citizen- ist mir eine große Freude, dass wir heute das Humboldt- Science-Projekte, die Initiative „Wissenschaft im Dialog“ Jahr 2019 mit einer Debatte zum Thema Wissenschafts- oder auch das hier in unmittelbarer Nähe gerade erst er- kommunikation abschließen und damit unseren weltweit öffnete Futurium. Aber das reicht noch nicht. Deshalb geschätzten Universalwissenschaftler Alexander von stellen die Koalitionsfraktionen im vorliegenden Antrag Humboldt auch hier im Plenum des Deutschen Bundes- eine Liste von 13 konkreten Forderungen auf, die dem tages würdigen können. Denn Alexander von Humboldt Ziel der Weiterentwicklung der Wissenschaftskommuni- (B) war bekanntermaßen nicht nur ein exzellenter Naturfor- kation dienen sollen. (D) scher, sondern er war auch ein begnadeter Wissenschafts- kommunikator. Er begeisterte mit seinen Kosmos-Lesun- Was brauchen wir? gen, Artikeln und Essays ein breites Publikum; denn es war ihm besonders wichtig, eine möglichst breite Öffent- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: lichkeit zu erreichen, nicht nur seine Fachkollegen. Damit Was ist neu!) gilt er als Vorbild und auch als Vorreiter in der Wissen- Wir brauchen effektive Instrumente gegen Fake News schaftskommunikation. und Fehlinformationen. Die Stimme der Wissenschaft Heute leben wir in einer Zeit des rasanten Wandels. kann Sachlichkeit und Ausgewogenheit befördern, wenn Digitalisierung, Globalisierung und technischer Fort- sie denn verständlich ist und gehört werden kann. Daher schritt verändern unser Umfeld mit enormer Geschwin- wollen wir den Austausch zwischen Wissenschaft und digkeit, und ohne ein besseres Verständnis der modernen Gesellschaft weiter intensivieren, indem die Wissen- Wissenschaft hat der Einzelne zunehmend Orientierungs- schaftskommunikation, aber auch, liebe Kolleginnen probleme in dieser Wissensgesellschaft des 21. Jahrhun- und Kollegen, der Wissenschaftsjournalismus gestärkt derts. Vor diesem Hintergrund brauchen wir eine umfas- werden. sende, eine hochwertige Wissenschaftskommunikation, die die Ergebnisse der Wissenschaft, die möglichen prak- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und tischen Anwendungen, die wissenschaftlichen Fragestel- der SPD) lungen und auch die wissenschaftlichen Methoden einer breiten Öffentlichkeit vermitteln kann. Journalisten müssen mit den Informationen aus der Wissenschaft unter den heutigen Bedingungen im Me- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Kai dienbetrieb arbeiten können. Daher sind neue Vermitt- Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was lungsformate zwischen Wissenschaft und Journalisten er- meint denn „hochwertig“?) forderlich. Wir setzen auch beim wissenschaftlichen Nachwuchs an und wollen schon im Studium stärker Nur so kann es im Übrigen gelingen, dass wir Akzeptanz Kommunikationskompetenzen vermitteln, die später hel- schaffen für neue Technologien, zum Beispiel Biotechno- fen, die Erkenntnisse auch verständlich darzustellen. Wir logie, Quantenoptik usw. brauchen eine Bestandsaufnahme zur Situation der Wi- Darüber hinaus müssen wir in Zeiten von steigendem Ko – das macht gerade der Wissenschaftsrat –, und es Populismus, Fake News und lauter werdenden wissen- braucht ein enges Zusammenwirken von Forschungsor- schaftsskeptischen Stimmen das Vertrauen der Bürger ganisationen, Medieninstitutionen, journalistischen In- in die Wissenschaft zurückgewinnen, und wir müssen stanzen und der Wissenschaft. 17216 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Stefan Kaufmann (A) (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Kollege Götz Frömming sollte heute den Antrag (C) Und was macht Frau Karliczek?) der AfD-Fraktion zur Erhaltung des Deutschen als Wis- senschaftssprache hier vorstellen. Ich wünsche ihm von Ich darf in diesem Zusammenhang Bundesministerin hier aus gute Besserung. Anja Karliczek herzlich danken, dass sie die Stärkung der Wissenschaftskommunikation zu einem ihrer Schwer- Der Antrag der GroKo enthält denn auch einige wirk- punktthemen gemacht hat und mit ihrem im November lich positive Beispiele: die Wissenschaftsjahre, die Initi- veröffentlichten Grundsatzpapier den strategischen Dia- ative „Wissenschaft im Dialog“, die Stiftung „Haus der log über die Weiterentwicklung angeregt hat. kleinen Forscher“, das Futurium. Das alles sind schon länger bestehende Vorzeigeprojekte, und wir halten es (Beifall bei der CDU/CSU des Abg. Dr. Ernst für richtig, sie weiter abzusichern und, wo nötig, auszu- Dieter Rossmann [SPD]) bauen. Danke, liebe Anja Karliczek auch, dass du heute hier bist und diesen Antrag unterstützt. Wenn Sie in Ihrem Antrag fordern – Zitat –, die „Sicht- barkeit von Frauen in der Wissenschaft und Forschung zu Last, but not least darf ich dem Kollegen Ernst Dieter erhöhen und damit zur tatsächlichen Durchsetzung der Rossmann herzlich danken für die konstruktive und Gleichberechtigung von Frauen und Männern auch in freundschaftliche Zusammenarbeit bei der Erstellung un- Wissenschaft und Forschung beizutragen“, dann ist das seres schönen Antrages. schon weniger zustimmungsfähig, da eine Vortäuschung falscher Tatsachen. Männer und Frauen sind in Deutsch- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) land gleichberechtigt. Ihnen geht es in Wahrheit um die Sie alle darf ich in vorweihnachtlicher Stimmung herz- Quote, und die ist ein ganz und gar wissenschaftsfremdes lich um Ihre Zustimmung bitten. Element und daher abzulehnen, meine Damen und Her- ren. Danke sehr. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die wahre Problematik Ihrer Initiative zeigt sich aber Vizepräsidentin Petra Pau: nicht in dem Antrag selbst, sondern in dem Grund- satzpapier des BMBF zur Wissenschaftskommunikation Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte im weiteren vom November dieses Jahres und in einem Artikel von Verlauf der Debatte mögliche Danksagungen, Wünsche Ihnen, Frau Ministerin Karliczek, hierzu in der „Zeit“. Sie für die bevorstehenden Feiertage usw. in der geplanten schreiben in Ihrem Gastbeitrag, Frau Karliczek, manche Redezeit unterzubringen. (B) politischen Gruppierungen würden Fakten ignorieren (D) (Heiterkeit) oder schamlos umdeuten. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Marc Jongen für die (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: AfD-Fraktion. Sie sind gemeint! (Beifall bei der AfD) Sie nennen die Klimadebatte als ein Beispiel, wo sich Wissenschaftler eindrucksvoll eingemischt und wegwei- Dr. Marc Jongen (AfD): sende Impulse geliefert hätten. Auch Ihr Antrag nennt Frau Präsidentin! Frau Ministerin Karliczek! Meine jetzt wieder den Kampf gegen sogenannte Fake News Damen und Herren! Die Regierungskoalition hat eine als einen wichtigen Aspekt der Wissenschaftskommuni- Initiative zur Austreibung der Wissenschaft aus dem El- kation; Herr Kaufmann hat es hier heute wieder unter- fenbeinturm gestartet. „Wissenschaftskommunikation“ strichen. heißt das Zauberwort, das dafür sorgen soll, dass Wissen- Aber kaum eine Debatte ist doch derart von milliar- schaftler nicht mehr nur lehren und forschen, sondern ihre denschweren Interessen überlagert und Verzerrungen Erkenntnisse auch publikumsgerecht vermitteln. durch politisch interessierte Gruppen ausgesetzt wie die (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: um den menschengemachten Klimawandel. Der Begriff Sie haben für Ihre Doktorarbeit nicht mal einen des „Klimaleugners“, der mehr an einen religiösen Häre- Verlag gefunden!) tiker als an einen wissenschaftlich Andersdenkenden er- innert, zeigt das doch in greller Schärfe. So weit, so gut, möchte man sagen; denn die Gesellschaft, die die Wissenschaft finanziert, hat selbstverständlich (Beifall bei der AfD – Kai Gehring [BÜND- auch ein Anrecht darauf, zu erfahren, welche Erkenntnis- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn ein „wis- se und Theorien dort produziert werden, und zwar in einer senschaftlich Andersdenkender“?) Sprache und auf eine Weise, die auch interessierte Laien nachvollziehen können. Ich füge hinzu, dass dies in Manche wollen den Klimaleugner, der lediglich eine ab- Deutschland unbedingt in deutscher Sprache geschehen weichende Theorie zur Rolle des CO2 für den Klimawan- sollte, eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Es ist trau- del vorträgt, sogar auf eine Ebene mit dem des Holocaust- rig genug, dass ich dies hier sagen muss, meine Damen Leugners stellen. Wenn Sie ausgerechnet diese hochpoli- und Herren. tisierte und verhetzte Debatte als positives Beispiel für Wissenschaftskommunikation anführen, dann lässt das (Beifall bei der AfD) nichts Gutes ahnen. Es zeigt, wenn nicht Ihre ideologi- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17217

Dr. Marc Jongen (A) schen Absichten, so doch das ideologische Missbrauch- vollen Debatten mehr. Deshalb ist es wichtig, dass wir die (C) spotenzial dieses Instruments. Wissenschaft stärken, dass wissenschaftliche Erkenntnis- se deutlich werden, weil es uns sonst auch bei politischen Und, Frau Karliczek, Sie drohen die Wissenschaft auch Debatten in die Irre führt. mit ihr fremden Aufgaben zu überfrachten. Die Wissen- schaftskommunikation grundständig in den Studiengän- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gen zu verankern, wie Ihr Grundsatzpapier es fordert, der CDU/CSU) verdonnert Wissenschaftler zur permanenten PR in eige- ner Sache, um überhaupt noch an Forschungsgelder zu Leider erleben wir immer öfter, dass wissenschaftliche gelangen. Wissenschaft hat selbstverständlich einen ge- Erkenntnisse infrage gestellt werden. Dadurch geht die sellschaftlichen Nutzen, aber wenn ihre Existenzberech- Basis verloren, wie ich finde. Wir sollten auf gesicherter tigung davon abhängt, dass sie diesen Nutzen dem Laien Basis diskutieren. oder gar der politisierten Zivilgesellschaft tagtäglich neu erklären muss, dann machen Sie aus Wissenschaftlern Meine Damen und Herren, auf der anderen Seite neh- PR-Agenten oder Politaktivisten. men schiere Mengen an wissenschaftlicher Komplexität zu, gleichzeitig verändert sich Kommunikation drama- (Beifall bei der AfD – Kai Gehring [BÜND- tisch. Die Wissenschaft selbst hat diese Herausforderung NIS 90/DIE GRÜNEN]: „PR“ ist übrigens kein bereits erkannt und auch angenommen. Hochschulen, Deutsch!) wissenschaftliche Akademien, wissenschaftliche Organi- sationen und ihre Institute sind seit Längerem dabei, ihre Beides kann sich nur negativ auf Qualität von Lehre und Aktivitäten im Bereich der Wissenschaftskommunikation Forschung auswirken. zu stärken und entsprechende Strukturen aufzubauen. Daher: Schalten Sie einen Gang zurück. Fördern Sie herausragende Projekte der Wissenschaftsvermittlung, Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir aber respektieren Sie das Wesen der Wissenschaft, und die Wissenschaftskommunikation verbessern wollen. halten Sie sie frei von permanenter Selbstrechtfertigung Deshalb haben wir diesen Antrag, den Herr Kaufmann und Politisierung. gerade vorgestellt hat, vorgelegt. Wir freuen uns, dass die Ministerin, Frau Karliczek, dieses Thema mit ihrem Vielen Dank. Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation eben- falls aufgegriffen hat. Unsere Vorschläge zielen in die (Beifall bei der AfD) gleiche Richtung. Es geht darum, dass der Dialog mit Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft inten- siviert wird. Dazu wollen wir mit unserem Antrag bei- (B) Vizepräsidentin Petra Pau: (D) Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Bärbel Bas tragen. Wir wollen, dass die Wissenschaft dort unterstützt das Wort. wird, wo sie bereits aktiv ist. Wir wollen, dass Wissen- schaftskommunikation zum Bestandteil von Ausschrei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten bungen von öffentlichen Forschungsvorhaben wird, und der CDU/CSU) wir wollen prüfen, wie wir Wissenschaftskommunikation bereits in der Ausbildung von Wissenschaftlerinnen und Bärbel Bas (SPD): Wissenschaftlern verankern können. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, wir leben in einer Wissensgesellschaft. Wissen gewinnt im- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten mer mehr an Bedeutung. Das gilt für jeden Einzelnen, das der CDU/CSU) gilt aber auch für uns in der Gesellschaft und auch für die Abschließend will ich sagen: Die Aufgabe der Wissen- Politik. Auch wir brauchen die Erkenntnisse der Wissen- schaft ist es natürlich, selbst wissenschaftliche Erkennt- schaft, um eine nachhaltige Politik zu gestalten. Gleich- nisse zu deuten. Es ist die Wissenschaft selbst, die das zeitig – das zeigen die Debatten über Fake News deut- Wissen auf der Basis bereitstellen muss, dass wir in der lich – werden selbst gesicherte wissenschaftliche Politik Handlungen verwirklichen. Ich möchte aber auch Erkenntnisse immer stärker infrage gestellt. Wir erleben feststellen: Ohne Akzeptanz von wissenschaftlichen Er- das leider immer wieder in unseren Debatten im Plenum, kenntnissen sind konstruktive Debatten nicht möglich. ganz besonders auch in der Kommunikation mit Bürger- Ohne Kommunikation ist diese Akzeptanz auch nicht innen und Bürgern. Diese Erfahrungen machen deutlich, mehr zu erreichen. dass es notwendig ist, die Wissenschaftskommunikation zu stärken. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich hoffe, wir haben sehr gute Diskussionen zu unserem Antrag, den (Beifall bei der SPD) wir heute vorgelegt haben. Wir haben erst vor Kurzem hier im Plenum darüber diskutiert, wie wir die Masern bekämpfen können. Dies (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ist ein Beispiel. Natürlich kann man politisch entschei- den, ob es eine Impfpflicht geben soll oder nicht. Aber Vizepräsidentin Petra Pau: wenn man am Ende in den Diskussionen fragwürdige Danke. – Das Wort hat der Kollege Dr. h. c. Thomas Einzelstudien erhält oder wenn aus dem Zusammenhang Sattelberger für die FDP-Fraktion. gerissene Zahlen auf einmal die Wirksamkeit einer Imp- fung an sich infrage stellen, dann haben wir keine sinn- (Beifall bei der FDP) 17218 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Dr. h. c. Thomas Sattelberger (FDP): forschung auseinandergesetzt? Diejenigen, die den (C) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Beitrag des Menschen zum Klimawandel leugnen, die Frau Ministerin, Sie haben seit Ihrem Amtsantritt stets Genderforschung für eine Chimäre halten, sitzen übri- die Wichtigkeit der Wissenschaftskommunikation betont. gens auch mitten unter uns, Herr Kollege Jongen. Hier 18 Monate kreißte der Berg und gebar jetzt eine hilft nur die direkte Auseinandersetzung. Steter Tropfen dreiseitige Maus. höhlt den Stein, auch wenn es Steine gibt, die an sich schon recht hohl sind. (Heiterkeit bei der FDP) (Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD, Ein erstaunlich dürftiges BMBF-Papier für ein solches der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Herzensanliegen. So dürftig, dass der heutige Antrag GRÜNEN) der Koalition noch dürftiger nachlegen musste: aus der Komfortzone für die Komfortzone der Etablierten. Also: Protagonisten in die Bütt, Netzwerke online und offline aktivieren und animieren – Wissenschaftskommunikation, meine Damen und Her- ren, wird von der Großen Koalition als reine Elitendebatte gedacht. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Sattelberger. (Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Nein, das stimmt nicht!) Dr. h. c. Thomas Sattelberger (FDP): Viele Ihrer geforderten Initiativen finden in Berliner Sa- – und mehr Ringen um die Wahrhaftigkeit jenseits des lons statt, auf elegant bezogenen Fauteuils, Salons. Ran an den Speck, Frau Ministerin Karliczek. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Heiterkeit und Beifall bei der FDP) Woher wissen Sie das?) die immer gleichen Verdächtigen im sogenannten Dis- Vizepräsidentin Petra Pau: kurs. Das Wort hat Dr. Petra Sitte für die Fraktion Die Linke. (Heiterkeit und Beifall bei der FDP) (Beifall bei der LINKEN) Weder Karliczek-Papier noch Ihr Antrag enthalten Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): auch nur ein Wort, wie man Elitensilos aufbricht, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Martin (Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Das Stratmann, der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (B) (D) stimmt nicht!) stellte unlängst fest – ich zitiere –: wie man Bakteriologinnen zum Bloggen bewegt, wie Niemand will eine Expertokratie, in der wenige Wis- man die sogenannte Provinz erreicht, wie man mehr sende über die Zukunft eines Staates bestimmen. MINT-YouTuberinnen gewinnt, wie die Chemikerin Wohl wahr. Das heißt, was die Wissenschaft hervorbringt, Dr. Mai Thi Nguyen mit 561 000 Followern. Sie müssen muss bei allen ankommen können. das Netzwerk der Zehntausenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktivieren. So erreicht man Reich- Bereits 2014 und aktualisiert 2017 haben Leopoldina, weite. Bei Ihnen tröpfelt die Reichweite. acatech und andere Wissenschaftsakademien ein umfas- sendes Papier zur Wissenschaftskommunikation vorge- (Beifall bei der FDP) legt. Nicht weniger als fünf Jahre dauerte es, bis das For- Stattdessen wird man heute in der Wissenschaftssze- schungsministerium – es wurde schon gesagt – ein ne – ich habe das selber erlebt – mit Podcasts und Kinder- dreiseitiges Grundsatzpapier dazu vorlegte. Wow! Und uni mitleidig belächelt und ins Karriereabseits befördert. nun, quasi in zweiter Ernte, legen die Koalitionsfraktio- Ihre Rezepte dagegen: jahrelange Strategieplanung, For- nen einen sechsseitigen Antrag vor. Aber er enthält, wie schungs- und Prüfungsaufträge statt Handeln. auch das ministerielle Papier, über weite Teile Projekte, die längst laufen, und was Wissenschaft bereits selbst Kennen Sie Flacherdler? Das sind Menschen, die glau- leistet. Als wäre das nicht schon einigermaßen verblüf- ben, die Erde sei eine Scheibe. fend, wollen Sie keinerlei zusätzliche Ressourcen geben. Vielmehr verweisen Sie unter anderem auf den „Zu- (Heiterkeit bei der FDP und dem BÜND- kunftsvertrag Studium und Lehre stärken“. Das ist, ehr- NIS 90/DIE GRÜNEN) lich gesagt, schon ein bisschen dreist. Den haben Sie Eine gewagte These. Selbst die katholische Kirche hat nämlich gerade um 50 Millionen Euro gekürzt. Das passt sich 1992 dazu durchgerungen, Galileo Galilei zu reha- überhaupt nicht in diese Zeit. bilitieren. Es gibt Zehntausende Flacherdler und Tau- sende in Deutschland. Was hilft denn gegen Flacherdler? (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen die direkte Auseinandersetzung mit Die große Gruppe der Scientists for future oder die Wissenschaftsleugnern, Verschwörungstheoretikern und March-for-Science-Bewegung zeigen, dass sich Wissen- Sympathisanten. Für die Granden der Wissenschaft gilt: schaftlerinnen und Wissenschaftler ihrer Verantwortung Leadership, selber in die Bütt gehen, nicht an Kommuni- bewusst sind. Zugleich wirken Tausende Bürgerinnen kationsabteilungen delegieren. Hat ein Max-Planck-Prä- und Bürger nicht nur an Diskussionen, sondern an For- sident jemals getwittert, sich mit der AfD über Gender- schungsprojekten mit. So hat Citizen Science die Neu- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17219

Dr. Petra Sitte (A) entdeckung von Planeten ermöglicht, Proteinketten sind (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (C) entschlüsselt worden, neu entdeckt worden oder die Zäh- Ihre Regierung hat zu der Skepsis zum Teil übrigens so- lung von Tieren wird ermöglicht. Und doch beobachten gar selbst beigetragen. Ich erinnere an die Feinstaubde- wir, dass es wissenschaftliche Fakten bisweilen schwer batte. Ich hätte mir da von Ihnen mehr Einsatz für wissen- haben. In virtuellen und realen Filterblasen werden, wie schaftliche Fakten gewünscht, schon gesagt, völlig abstruse Verschwörungstheorien ver- folgt. Es ist schier zum Verzweifeln ob solcher Ignoranz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Umso mehr kommt es darauf an, Wissenschaftlerinnen als Sie in der Regierung eine ganze Weile einem sehr und Wissenschaftler in ihren Bemühungen, sich der Ge- zweifelhaften Gutachten hinterhergelaufen sind. Sie ver- sellschaft zu erklären und Impulse aus den Diskussionen kennen Ihre Verantwortung als Bundesregierung ein aufzunehmen, zu stärken. Gleichermaßen – Herr Stück weit, wenn Sie jetzt ausschließlich die Wissen- Sattelberger hat das schon angesprochen – müssen die schaft dafür in Haft nehmen wollen. professionellen Erklärer komplizierter wissenschaftlicher Themen, die Wissenschaftsjournalistinnen, in den Fokus (Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ rücken. Wer sonst soll bitte schön verständlich über Spal- DIE GRÜNEN]) lationsneutronenquellen schreiben, oder wer soll ver- Mich wundert noch eine zweite Sache, die auch schon ständlich Quantenphysik erkären? Da sind nicht selten erwähnt worden ist. Da Sie dieses Thema zu einem auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überfor- Schwerpunkt in dieser Legislaturperiode erklärt haben, dert. Sie alle haben, sofern Sie studiert haben, bestimmt stellt sich die Frage, ob der vorliegende dreiseitige Antrag den einen oder anderen Wissenschaftler erlebt, der gran- wirklich der große Wurf ist und dem Schwerpunkt ge- diose Entdeckungen gemacht hat, aber megalangweilige recht wird. Unter anderem schlagen Sie vor, eine Vorlesungen gehalten hat. Denkwerkstatt #FactoryWisskomm weiterzuentwickeln. Ministerin Karliczek möchte eine wissenschaftsmün- Das klingt irgendwie fancy und soll auch in den Chef- dige Gesellschaft. Zwingend dafür ist eine ausfinanzierte etagen verankert werden. Aber am Ende ist das nur eine Wissenschaft mit Wissenschaftlerinnen und Wissen- Fortsetzung der Debatte, konkrete Vorschläge sind das schaftlern, gerade im Nachwuchsbereich, denen dafür nicht. Wenn das alles ist, womit Sie Ihren Schwerpunkt ausreichend Zeit, Raum und Mittel zur Verfügung gestellt untermauern, frage ich mich, mit welchem Engagement werden. andere Projekte angegangen werden, die nicht zum Schwerpunkt erklärt worden sind. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Ulrich (B) Über die Bedeutung des Themas besteht große Einig- (D) Lechte [FDP]) keit. Wir Grüne sind sehr dafür, Wissenschaft stärker in die Gesellschaft zu tragen und Wissenschaftskommuni- Vizepräsidentin Petra Pau: kation zu unterstützen. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Dr. Anna Christmann das Wort. (Zuruf von der AfD: Ui, ui, ui!) Wir haben viele Vorschläge dazu gemacht. Es ist nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lange her, dass wir über Partizipation in der Wissenschaft einen sehr ausführlichen Antrag vorgelegt haben. Formen Dr. Anna Christmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wie Citizen Science und Reallabore, wo die Zivilgesell- NEN): schaft und Forschungsinstitutionen zusammenkommen, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und unterstützen wir seit Langem. Kollegen! Wir haben es schon gehört: Die Ministerin hat Wissenschaftskommunikation zu einem ihrer Schwer- (Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Aber Par- punkte in dieser Legislaturperiode erklärt. Das BMBF tizipation ist nicht Kommunikation!) hat ein entsprechendes Papier herausgegeben. Es ist tat- Wir würden uns hier eine stärkere Zusammenarbeit wün- sächlich ein wichtiges Thema, und es ist gut, dass wir schen. Auch die Beteiligung der Zivilgesellschaft am anlässlich des vorliegenden Antrags der Koalitionsfrak- Hightech-Forum haben wir uns seit Langem gewünscht. tionen darüber debattieren. All das könnte man schon jetzt sehr konkret angehen, Zwei Punkte wundern mich an dem selbstgewählten darüber müsste man nicht noch jahrelang diskutieren. Schwerpunkt der Ministerin. Zum einen wundert mich die Begründung. Sie haben gesagt, Sie erwarten, dass (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wissenschaft sich besser erklärt. Sie sehen also – so ver- Wir begrüßen es, dass wir die Debatte führen. Wir sind stehe ich das – die Wissenschaft unter Rechtfertigungs- gerne bereit und freuen uns darauf, über einzelne Vor- druck. Natürlich ist die Wissenschaft zunehmend unter schläge zu diskutieren. So viel Neues haben wir im An- Druck durch die zunehmende Skepsis gegenüber wissen- trag nicht gefunden, wir freuen uns aber, wenn sich die schaftlicher Expertise, aber es ist doch nicht allein Auf- Vorhaben in aktiven Taten niederschlagen, vielleicht so- gabe der Wissenschaft, sich dem entgegenzustellen. Viel- gar in einem Haushaltsaufwuchs; denn auch hier fristet mehr braucht es dafür eine gemeinsame Anstrengung die Wissenschaftskommunikation bisher ein eher trauri- unserer gesamten Gesellschaft, und da gehört die Politik ges Dasein. Insofern freuen wir uns über die weitere De- dazu. batte zum Thema Wissenschaftskommunikation. 17220 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Dr. Anna Christmann (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring (C) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn Vizepräsidentin Petra Pau: daran neu?) Das Wort hat die Bundesministerin Anja Karliczek. Jetzt soll die Wissenschaftskommunikation noch mehr Gewicht bekommen: Wissenschaftskommunikation wird (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. fester Bestandteil der Förderprogramme meines Hauses; Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr gut!) Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und denn Wissenschaftskommunikation soll Teil des wissen- Forschung: schaftlichen Selbstverständnisses werden. Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- (Beifall bei der CDU/CSU) legen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 99 Pro- zent der Wissenschaftler sind der Meinung, dass ein Teil Wenn Forscher gut kommunizieren, dann muss genau das unseres Klimawandels menschengemacht ist. Und trotz- auch anerkannt werden. dem gibt es immer wieder Diskussionen darüber. Was (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: schließen wir daraus? Dass wir klarer kommunizieren Ist es doch längst!) müssen. Jetzt kann man natürlich die Frage stellen: Ist das so wichtig? Wir wissen ja, dass es so ist, also lasst Und Kommunikation muss Chefsache sein. uns handeln. Aber das ist gerade der entscheidende Punkt; (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: denn unsere Demokratie lebt davon, dass wir die Men- Und Chefinnensache!) schen an unserem Wissen teilhaben lassen. In einer modernen Denkfabrik – Sie haben sie angespro- Politische Diskussionen und Entscheidungen basieren chen – werden wir gemeinsam ausloten, wie ein solcher häufig auf Erkenntnissen aus der Wissenschaft, gerade in Weg aussehen kann; denn es ist die Aufgabe der Wissen- so komplexen Fragen wie dem Klimawandel, technischen schaft, sich verständlich zu äußern. Dabei ist Wissen- Innovationen oder auch dem medizinischen Fortschritt. schaftskommunikation das eine. Zur Einordnung braucht Außerdem – das ist hier auch schon gesagt worden – wird es aber auch den Wissenschaftsjournalismus; denn ein großer Teil unseres Wissenschaftssystems öffentlich Deutschlands Bürger sollen faktenbasiert urteilen kön- finanziert. nen. Darum ist es mehr denn je nötig, dass Wissenschaftler- Liebe Kolleginnen und Kollegen, die frohe Botschaft (B) innen und Wissenschaftler uns einen guten Einblick in so kurz vor Weihnachten ist, dass viele, gerade auch junge (D) ihre Arbeit gewähren, dass sie über Methoden und Er- Menschen ein hohes Interesse an der Wissenschaft haben. kenntnisse ihrer Forschungsarbeiten sprechen und Zu- Beim jüngsten Wissenschaftsbarometer haben 59 Prozent sammenhänge einordnen, dass sie Impulse aus der Ge- der Menschen angegeben, ein großes Interesse an The- sellschaft aufnehmen und Wissenschaft nicht als men aus Wissenschaft und Forschung zu haben. Das ist Einbahnstraße sehen, kurzum, dass der Austausch zwi- für die Innovationskraft Deutschlands eine richtig gute schen Wissenschaft und Gesellschaft noch intensiver Botschaft. Denn wir brauchen Lust auf Zukunft, Spaß wird. an Innovationen und das Verständnis, dass all das wesent- liche Bausteine für den Erhalt der liberalen Demokratie (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- sind. ordneten der SPD) Danke schön. Denn: Aus Freiheit entsteht Verantwortung! Die Wissen- schaftsfreiheit ist nicht nur ein Brunnen der Kreativität. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Die Wissenschaftsfreiheit gibt auch jedem Einzelnen die ordneten der SPD) Verantwortung mit auf den Weg, sein Wissen mit anderen zu teilen und daraus etwas zu machen. Gerade in Zeiten, Vizepräsidentin Petra Pau: in denen wissenschaftliche Fakten mitunter ignoriert oder Das Wort hat Dr. Ernst Dieter Rossmann für die SPD- einfach umgedeutet werden, danke ich den Koalitions- Fraktion. fraktionen, dass sie sich mit einem Antrag zur Wissen- schaftskommunikation meinen Bemühungen anschlie- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ßen. der CDU/CSU)

Gerade unter den jungen Nachwuchswissenschaftlern Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): erlebe ich immer wieder eine große Freude, unter Nut- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! zung moderner Medien die Faszination für die Suche Frau Ministerin, ich will die frohe Botschaft fortsetzen: nach Neuem zu wecken. Wir sind heute schon sehr aktiv. Der Ausschuss war gestern mit einigen Mitgliedern und Wir haben die Wissenschaftsjahre – im nächsten Jahr vielen Mitarbeitern im Futurium. Die Leitung konnte uns übrigens zum Thema Bioökonomie. Wir haben das „Haus sagen, dass sie mit 100 000 Besuchern gerechnet haben, der kleinen Forscher“ – liebe Frau Christmann, auch Citi- und es sind 300 000 geworden. zen Science machen wir schon lange –, und wir haben gerade erst hier in Berlin das Futurium eröffnet, wo man (Marianne Schieder [SPD]: Das ist super da! einen Blick in die Zukunft werfen kann. Ich war auch schon da!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17221

Dr. Ernst Dieter Rossmann (A) Das ist ein Zeichen dafür, dass viele Menschen jeder (Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: Wir (C) Generation Orientierung suchen, sich fragen, wie sie ihr hätten uns Vorschläge gewünscht!) Leben in Zukunft organisieren, auf Basis welcher Werte Zum anderen erwarten wir von dem Netz von Akade- sie es gestalten werden, welche Interessen sie dabei ver- mien, dass sie sich einbringen. Das sind hochanerkannte, folgen wollen. Die Menschen wollen auch verstehen, und mit Autorität versehene Institutionen, die Wissenschaft, zwar auf der Basis von Wahrheit und fundierter Prognose, Bevölkerung und Journalismus zusammenbinden kön- wie sich die Zukunft entwickeln kann. Und das bildet das nen. Futurium ab. Das ist der Aufgabenteil von Wissenschafts- kommunikation. – Insofern, Kollege Kaufmann: Ich stehe Mein Schlussgedanke soll sein: Laut Artikel 5 unseres nicht hintan, wenn es darum geht, die freundschaftliche Grundgesetzes sind die Freiheit der Wissenschaft und die Zusammenarbeit hier zu rühmen. Es ist gut, wenn sich das Freiheit der Medien gleichwertig, gleichgestellt. Das Parlament vergewissern kann, wenn es die Umsetzung schließt ein, dass wir der Wissenschaft und den Medien eines von der Regierung vorbereiteten Projekts begleiten diese Freiheit verschaffen, aber auch, dass Wissenschaft kann. und Medien die Verantwortung haben, aus der Freiheit der Wissenschaft und der Freiheit der Medien etwas für Herr Sattelberger, sosehr ich Sie auch schätze, muss ich die Gesellschaft zu tun, gemeinsam Wissenschaftskom- doch sagen: Ich schätze noch mehr diejenigen, die nicht munikation zu betreiben. Das wollen wir gerne erreichen. nur hier große Reden führen. Im Zuge der Haushaltsbe- ratungen hat die FDP Anträge gestellt, mit denen sie die Vielen Dank und schöne Weihnachten! Mittel für Wissenschaftskommunikation, Partizipation, Citizen Science markant kürzen wollte. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Vizepräsidentin Petra Pau: der CDU/CSU und des Abg. Kai Gehring Das Wort hat der Kollege Andreas Steier für die CDU/ [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) CSU-Fraktion. Wir wünschen uns, dass Sie sich genauso akribisch mit diesem Bereich beschäftigen und nicht nur hier der (Beifall bei der CDU/CSU) Meister der markanten Worte sind. – Ich drücke es freundlich aus. Andreas Steier (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich Ich möchte hier zugespitzt drei Punkte ansprechen: darauf hinweisen, dass die Investitionen in Forschung (B) und Entwicklung in Deutschland ein Rekordniveau er- (D) Erste Zuspitzung. Wir unterstützen die Ministerin aus- reicht haben. Ein guter Teil dieser Mittel kommt natürlich drücklich in ihrem Bemühen, den Kulturwandel im Be- auch der Wissenschaftskommunikation zugute. Wir sor- reich Wissenschaft, was die Selbstbeauftragung von Wis- gen damit für den Transfer von Wissen in die Gesell- senschaftskommunikation angeht, konsequent und im schaft. Und wir können so sicherstellen, dass die Inves- Detail fortzusetzen; denn es ist nicht so, dass dieser Kul- titionen, die wir tätigen, auch gut sind für unser Land. turwandel schon von allen wahrgenommen würde. Es gibt auch Stimmen in der Wissenschaft, die sagen: Wozu (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. h. c. Thomas sind wir da? Wir sind doch dafür da, gute Wissenschaft, Sattelberger [FDP]: Deutsche Transfergemein- gute Forschung zu machen. Stehlt uns nicht die Zeit. schaft!) Sorgt dafür, dass wir nicht überlastet werden. – Daher Das, Herr Sattelberger, ist auch gut und richtig so. Wir unsere ausdrückliche Unterstützung, den Kulturwandel von der CDU setzen uns dafür ein. Wir wollen weiterhin voranzutreiben, mit uns, mit dem Parlament zusammen. für Investitionen in Deutschland sorgen und die Investi- tionen in Deutschland weiter stärken. (Beifall des Abg. Eberhard Gienger [CDU/ CSU]) (Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: Ihr wollt Zweitens. Wir erbitten vom Wissenschaftsrat – Kollege prüfen! Prüfen, nicht handeln!) Kaufmann, das ist dort noch nicht beschlossen – eine Wichtig ist, dass die Menschen wissen, wofür wir das Status-quo-Analyse zur Situation im Bereich der Wissen- Geld ausgeben. Wofür ist Wissenschaft, wofür ist For- schaftskommunikation in Deutschland und Empfehlun- schung nützlich? Welche Dinge werden erforscht? Wel- gen. che Lösungen bieten Forschung und Wissenschaft? Es ist gut für die Menschen, wenn sie wissen, woran wir for- Drittens. Wir fordern ein, dass im Zuge des positiven schen, was daraus entwickelt werden kann, welche Prozesses von #FactoryWisskomm zwei Projekte in der Krankheiten dadurch geheilt werden können, was wir Zuspitzung stärker mitdiskutiert werden. Zum einen kann für den Kampf gegen den Klimawandel entwickeln kön- der Wissenschaftsjournalismus mit neuen Impulsen auf- nen und wie wir dadurch für eine bessere wirtschaftliche warten. Da bin ich wieder bei Ihnen, Herr Sattelberger. Es Wertschöpfung sorgen können. gibt neue mediale Zugänge und ganz andere Abläufe. Dieser Prozess kann nicht nur durch eine Agentur für Meine Damen und Herren, es ist wichtig, dass wir im Sprunginnovationen, sondern auch durch eine Agentur Pakt für Forschung und Innovation dafür sorgen, dass die für Wissenschaftskommunikation innovativ gestärkt wer- Forschungseinrichtungen, die Hochschulen, die Univer- den. sitäten, ihre Ergebnisse besser kommunizieren. Eben 17222 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

Andreas Steier (A) wurde angeführt, dass es in der Debatte über den Klima- und weiter auf die Kommunikation mit weiten Teilen der (C) wandel die einen gibt, die den Klimawandel leugnen, und Gesellschaft setzen. Ich denke, das ist ein sehr guter An- die anderen, die immer Panikstimmung verbreiten und satz. Diesen Dialog sollten wir pflegen und in den Aus- das Szenario vom Weltuntergang aufziehen. Angesichts tausch kommen. dessen ist es wichtig, dass Wissenschaft den Menschen mit klaren Worten die Fakten benennt, auf deren Basis (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Lösungen entwickelt werden können. ordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Ich freue mich schon auf die Weihnachtsferien, die ordneten der SPD) bald anstehen. Morgen haben wir noch einen schönen Tag. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Ich freue Genau da setzt dieser Antrag an. Wir wollen die Kom- mich auf die Debatte, die jetzt im Ausschuss ansteht. munikation weiter vorantreiben, in den Dialog mit der Alles Gute und bis morgen früh. Gesellschaft eintreten und die Dinge hier entsprechend umsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: Die Sa- ordneten der SPD) che hat zwei Seiten! Sender und Empfänger!) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich danke dem Koalitionspartner dafür, dass wir diesen Antrag vorangetrieben haben. Ich danke auch der Minis- Ich schließe die Aussprache. terin dafür, dass sie den Dialog mit der Gesellschaft su- Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf chen will. Drucksache 19/16044 an die in der Tagesordnung aufge- Zu guter Letzt, da ich nur drei Minuten Redezeit habe, führten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere Über- möchte ich kurz auf ein Beispiel hinweisen, bei dem wir weisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ver- schon seit Langem in der Breite aktiv sind, auf das „Haus fahren wir wie vorgeschlagen. der kleinen Forscher“. Hier geben wir jungen Menschen etwas mit. Sie entwickeln selber etwas Technisches. Wir Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord- geben den jungen Menschen Vertrauen in neue Entwick- nung. lungen. Wir bringen den jungen Menschen bei, wie man Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- Dinge überwinden kann, wie man mit Fehlern umgehen tages auf morgen, Freitag, den 20. Dezember 2019, 9 Uhr, kann, wie man Vertrauen schaffen kann, wie man Begeis- ein. terung für technologische Entwicklungen wecken kann. (B) Hier wird bei den Kindern Vertrauen geschaffen. Bei Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen alles (D) ihnen entsteht eine Bereitschaft, eine Aufnahmefähigkeit Gute. gegenüber neuen Dingen. Das „Haus der kleinen For- scher“ ist ein gutes Beispiel. Darauf sollten wir aufbauen (Schluss: 22.07 Uhr) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17223

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Entschuldigte Abgeordnete

Abgeordnete(r) Abgeordnete(r)

Brunner, Dr. Karl-Heinz SPD Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU Buchholz, Christine DIE LINKE Schneider, Jörg AfD Burkert, Martin SPD Schreiner, Felix CDU/CSU Dağdelen, Sevim DIE LINKE Solms, Dr. Hermann Otto FDP Damerow, Astrid CDU/CSU Stefinger, Dr. Wolfgang CDU/CSU De Ridder, Dr. Daniela SPD Strack-Zimmermann, FDP Dr. Marie-Agnes Föst, Daniel FDP Weber, Gabi SPD Friedhoff, Dietmar AfD Weiler, Albert H. CDU/CSU Gabelmann, Sylvia DIE LINKE Witt, Uwe AfD Gerdes, Michael SPD Zickenheiner, Gerhard BÜNDNIS 90/ Gohlke, Nicole DIE LINKE DIE GRÜNEN Groß, Michael SPD Zimmermann (Zwickau), DIE LINKE Sabine Heil, Mechthild CDU/CSU Zimmermann, Pia DIE LINKE (B) Heinrich, Gabriela SPD (D) Hendricks, Dr. Barbara SPD Heßenkemper, Dr. Heiko AfD Anlage 2 Hitschler, Thomas SPD Höchst, Nicole AfD Erklärung nach § 31 GO Irmer, Hans-Jürgen CDU/CSU der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Diether Dehm, Heike Hänsel, Ulla Jelpke, Zaklin Nastic, Juratovic, Josip SPD Dr. Alexander S. Neu, Sören Pellmann und Pia Zimmermann (alle DIE LINKE) zu der Abstim- Klinge, Dr. Marcel FDP mung über den Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD und FDP: Wirksames Vorgehen gegen Konrad, Carina FDP die Hisbollah Magnitz, Frank AfD (Zusatzpunkt 3) Marwitz, Hans-Georg von CDU/CSU Aus folgenden Gründen können wir dem Antrag der der Koalitionsfraktionen und der FDP nicht zustimmen: Müller-Böhm, Roman FDP Erstens. Weder die Vereinten Nationen noch die EU haben die Hisbollah bisher als Terrororganisation gelistet. Nick, Dr. Andreas CDU/CSU Bei den einzelnen EU-Mitgliedstaaten ist es eine extreme Minderheit, die den politischen Arm der Hisbollah als Petry, Dr. Frauke fraktionslos Terrororganisation einstuft und verbietet – eins darunter, das die EU gerade verlässt, Großbritannien. Post (Minden), Achim SPD Zweitens. Die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und Remmers, Ingrid DIE LINKE der FDP schreiben in ihrem Antrag „Wirksames Vorge- hen gegen die Hisbollah“, Drucksache 19/16046, die Schäfer (Saalstadt), Anita CDU/CSU Stabilität des Libanon sei „von hoher Bedeutung“. Die Entwicklung habe gezeigt, „dass sich die Hisbollah im 17224 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Libanon über die Jahre zu einem maßgeblichen politi- Anlage 3 (C) schen, militärischen und gesellschaftlichen Faktor ge- macht hat“. Die Hisbollah sei „ein zentraler Akteur in Erklärungen nach § 31 GO der politischen, militärischen und gesellschaftlichen Landschaft Libanons, insbesondere für die Belange der zu der Abstimmung über den Antrag der Fraktio- schiitischen Bevölkerungsteile. Bei einer Gesamtbe- nen der CDU/CSU, SPD und FDP: Wirksames Vor- wertung der komplexen Gemengelage muss berücksich- gehen gegen die Hisbollah tigt werden, dass die Hisbollah im libanesischen Parla- (Zusatzpunkt 3) ment vertreten und aktuell Teil der Regierung des Libanon ist.“ Alexander Graf Lambsdorff (FDP): Abgeordneter Mieruch hat angeführt, der deutsche Botschafter bei den CDU/CSU und SPD konterkarieren mit ihren Forde- Vereinten Nationen sei des Antisemitismus beschuldigt rungen ihre eigenen politischen Feststellungen. worden. Das ist zwar zutreffend, die Anschuldigung als solche aber falsch, ja verleumderisch. Christoph Hens- Die Hisbollah ist seit 1992 in der libanesischen Natio- gen, der die Bundesrepublik Deutschland bei den VN nalversammlung vertreten. Nach der Parlamentswahl vertritt, stimmt so ab, wie es die Weisungen des Auswär- 2018 stellt sie mit 13 Mandaten etwa 10 Prozent der Par- tigen Amtes erfordern. Über deren politische Richtigkeit lamentsabgeordneten. Sie war schon in mehreren Kabi- kann man demokratisch streiten. Persönliche Angriffe auf netten der libanesischen Regierung vertreten. Ein Verbot den Botschafter aber sind völlig haltlos, insbesondere der der Hisbollah trägt nichts zur Stabilität im Libanon bei, des Simon-Wiesenthal-Centers. Es ist gut, dass der die den Koalitionsfraktionen, wie eingangs erwähnt, Botschafter Israels in Deutschland das öffentlich und un- wichtig ist. missverständlich klargestellt hat.

Bei einem Verbot der Hisbollah dürfte es konsequen- Helin Evrim Sommer (DIE LINKE): Es kann kontro- terweise auch keinen politischen Austausch mehr mit Ab- vers diskutiert werden, ob Vereins- und Betätigungsver- geordneten und Ministern dieser Partei geben – und bote ein geeignetes und angemessenes Mittel für Proble- eigentlich auch nicht mit anderen Mitgliedern eines Ka- me sind, denen gesellschaftliche Ursachen zugrunde binetts, dem Minister der Hisbollah angehören. Es stellt liegen, die mit gesetzlichen Verboten nicht verschwinden sich die Frage, wie die Bundesregierung mit einer Regie- werden. Das gilt auch für die Aktivitäten der ausländ- rung umgehen will, deren Mitglieder einer Organisation ischen Organisation der Hisbollah in Deutschland. angehören, die in Deutschland verboten ist und deren Die aus dem Libanon stammende Hisbollah steht nicht (B) politische Betätigung kriminalisiert wird? (D) für gesellschaftlichen Fortschritt, sondern strebt die Er- richtung eines islamistischen Gottesstaates an. Sie ist eine Drittens. Ein Verbot der Hisbollah verunmöglicht auch zutiefst antisemitische und antidemokratische Organisa- politische Lösungen, da ein Verbot auch den politischen tion, die das friedliche Zusammenleben in Deutschland Flügel betreffen und somit zu einer weiteren Destabilisie- gefährdet. Auf ihrem jährlich stattfindenden Al-Quds- rung im Libanon beitragen würde, wo die Hisbollah ja Tag verbreiten ihre Anhängerinnen und Anhänger in ag- wie erwähnt Teil der Regierung ist. gressiver Weise in aller Öffentlichkeit antijüdische Has- spropaganda sowie pauschale Hetze gegen den Staat Is- Der Antrag ist also kein Beitrag zur Förderung politi- rael, dessen Existenzrecht infrage gestellt wird. scher Lösungen im Nahen Osten, da wir diejenigen, mit denen verhandelt werden muss, von Verhandlungen aus- Die Ursachen und Erscheinungsformen des Antisemi- schließen würden. Dabei sind zur Beilegung des Kon- tismus in Deutschland sind historisch wie aktuell in erster flikts Gespräche und Verhandlungen unabdingbar, in Linie der deutschen Gesellschaft zuzuordnen. Die Mas- der Türkei mit der PKK, im Nahostkonflikt auch mit senermordung von über 6 Millionen Jüdinnen und Juden der Hisbollah. aus ganz Europa in deutschen Konzentrationslagern unter der Diktatur des Hitlerfaschismus, das singuläre Mensch- Den Antrag der Grünen auf Drucksache 19/16050 leh- heitsverbrechen des Holocaust, sind das Ergebnis einer nen wir ab, da sich im Feststellungsteil ein Positivbezug langen politischen Traditionslinie gruppenbezogener und auf einen Auslandseinsatz der Bundeswehr und die „Be- rassistisch begründeter Menschenfeindlichkeit in teiligung Deutschlands an der UNIFIL-Mission“ findet. Deutschland. Wir haben die Beteiligung der Bundeswehr an der UNI- Es ist politisch dennoch notwendig, jedwede Form von FIL-Mission bisher stets abgelehnt und treten für die Be- Antisemitismus konsequent zu ächten, auch wenn er von endigung der Auslandseinsätze der Bundeswehr ein. Die- den Anhängerinnen und Anhängern einer ausländischen se Einsätze sind friedenspolitisch verheerend. Die Organisation verbreitet wird, die in Deutschland leben massiven Rüstungslieferungen der Bundesregierung an oder hierher zugewandert sind. Als langjährige Anmelde- einzelne Akteure in der Region, die wir wie alle Rüs- rin der Gegendemonstration zum Berliner Al-Quds-Tag tungsexporte ablehnen, sind zudem ein deutlicher Beleg der Hisbollah betrachte ich ein deutschlandweites Verbot für die konfliktverschärfende Rolle Deutschlands in der dieser antisemitischen und antidemokratischen Organisa- Region. tion als folgerichtige Konsequenz meines politischen En- gagements. In Zeiten eines wachsenden Antisemitismus darf es keine falsch verstandene Toleranz gegenüber den Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17225

(A) Feinden der Demokratie und der offenen, pluralistischen und noch nicht einmal eine Rückantwort der Bundesre- (C) Gesellschaft geben. Antisemitismus ist immer auch eine gierung; das Thema ist damit erledigt. Gefahr für die Demokratie. Als überzeugte linke Demo- kratin fühle ich mich dem Schutz der sozial Schwachen Mit einem Votum, wie wir es im Ausschuss gefordert und besonders verwundbaren Menschengruppen beson- haben, die Petition der Regierung zur Erwägung zu über- ders verpflichtet. weisen, wäre die Regierung unter Zugzwang geraten, hier Abhilfe zu schaffen und damit eine Gleichbehandlung Aus den dargelegten Gründen habe ich mich entschie- von Beamtinnen und Beamten und Angestellten des Bun- den, dem gemeinsamen Antrag der Regierungsfraktionen des bezüglich der Arbeitszeit wieder herzustellen. Das CDU/CSU und SPD mit der FDP „Wirksames Vorgehen halte ich für dringend erforderlich, da wir eine effektive, gegen die Hisbollah“ zuzustimmen. aber auch motiviert arbeitende Bundesverwaltung brau- chen. Zu Letzterem hätte die Überweisung der Petition „zur Erwägung“ an die Bundesregierung ein Signal sein können. Aus den vorgenannten Gründen lehne ich die Anlage 4 Beschlussempfehlung des Ausschusses ab.

Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jan Korte (DIE LINKE) zu der Anlage 6 Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung Erklärung und Kommunen zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Christian Kühn (Tübingen), des Abgeordneten Andreas Jung (CDU/CSU) zur Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Arti- der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sofort- kel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) programm Bauflächenoffensive – Hunderttausend zu dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzpro- Dächer und Häuser Programm gramms 2030 im Steuerrecht (Tagesordnungspunkt 11 c) (Zusatzpunkt 21) Ich erkläre für die Fraktion Die Linke, dass unser Vo- Als Berichterstatter des Bundestages zu den abschließ- tum Zustimmung lautet. enden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses am 18. Dezember 2019 mache ich darauf aufmerksam, dass (B) der Vermittlungsausschuss folgende Begleiterklärung be- (D) schlossen hat. Diese gebe ich nachfolgend zur Kenntnis: Anlage 5 Der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Einvernehmen Erklärung nach § 31 GO mit den Ländern schnellstmöglich Maßnahmen für eine des Abgeordneten Friedrich Straetmanns (DIE größere Akzeptanz von Windenergie zu erarbeiten. Dabei LINKE) zu der Abstimmung über die Beschluss- muss Ziel der akzeptanzsteigernden Maßnahmen die Be- empfehlung des Petitionsausschusses: Sammel- teiligung der Bürger und Kommunen an den Erträgen übersicht 457 zu Petitionen (Arbeitszeitverord- einer Windkraftanlage auf ihrer Gemarkung sein. Diese nung) Maßnahmen sollen im 1. Quartal 2020 vereinbart und im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens eingebracht (Zusatzpunkt 20 t) werden. Der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses zur Petition 1-19-06-20102-007205 stimme ich nicht zu. In der öffentlichen Petition, die von über 50 000 Unterstüt- zerinnen und Unterstützern mitgezeichnet wurde, wird Anlage 7 eine Änderung der Arbeitszeitverordnung von Beamtin- nen und Beamten dahin gehend gefordert, dass die regel- Erklärung mäßige wöchentliche Arbeitszeit der Bundesbeamtinnen des Abgeordneten Andreas Jung (CDU/CSU) zur und -beamten von derzeit 41 Stunden auf das Niveau der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Arti- Tarifbeschäftigten des Bundes in Höhe von 39 Stunden kel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) angepasst wird. zu dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzpro- Die Notwendigkeit des Anliegens wurde in einer öf- gramms 2030 im Steuerrecht fentlichen Beratung des Ausschusses dargelegt. Es ist (Zusatzpunkt 21) sehr bedauerlich, dass sich die Regierungsfraktionen, CDU/CSU und SPD, im Petitionsausschuss hier für ein Als Berichterstatter des Bundestages zu den abschließ- Votum ausgesprochen haben, das einer Ablehnung des enden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses am Anliegens gleichkommt, nämlich zu einer einfachen 18. Dezember 2019 mache ich darauf aufmerksam, dass Überweisung an das Bundesministerium des Innern, für die Bundesregierung eine Protokollerklärung abgegeben Bau und Heimat. Dieses Votum erfordert kein Handeln hat. Diese gebe ich nachfolgend zur Kenntnis: 17226 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Protokollerklärung der Bundesregierung zum Gesetz im Einklang mit den europäischen Vorschriften die erfor- (C) zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im derlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon Lea- Steuerrecht kage und zum Erhalt der EU-weiten und internationalen Wettbewerbsfähigkeit betroffener Unternehmen mit Der Bund sichert den Ländern mit Blick auf die Ein- besonderer Berücksichtigung kleinerer und mittlerer Un- nahmen und Ausgaben von Bund und Ländern eine recht- ternehmen mit Rückwirkung zum 1. Januar 2021 regeln zeitige gemeinsame Evaluation zu, ob und inwieweit eine wird. weitere Kompensation der Länder ab 2025 erforderlich ist.

Anlage 9 Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO Erklärung der Abgeordneten Jens Koeppen und Dr. Dietlind Tiemann (beide CDU/CSU) zu der namentlichen des Abgeordneten Andreas Jung (CDU/CSU) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Arti- Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes kel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Umset- zu dem Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzpro- zung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuer- gramms 2030 im Steuerrecht recht (Zusatzpunkt 21) (Zusatzpunkt 21) Als Berichterstatter des Bundestages zu den abschließ- enden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses am Der Bundesrat rief am 29. November 2019 den Ver- 18. Dezember 2019 mache ich darauf aufmerksam, dass mittlungsausschuss zu den steuerrechtlichen Maßnahmen die Bundesregierung eine Protokollerklärung abgegeben des Klimapakets der Bundesregierung an, um das vom hat. Diese gebe ich nachfolgend zur Kenntnis: Bundestag am 15. November 2019 verabschiedete Gesetz überarbeiten zu lassen. Protokollerklärung der Bundesregierung zum Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Die nun vorliegenden Ergebnisse des Vermittlungsaus- Steuerrecht schusses lehnen wir aus folgenden zwei Gründen ab: (B) Die Bundesregierung wird bis zum Frühjahr 2020 ei- Erstens. Das vorgelegte Ergebnis und die Protokoller- (D) nen Gesetzentwurf zur Änderung des BEHG einbringen, klärungen gehen über den Auftrag an den Vermittlungs- in dem die Preise für Emissionszertifikate für den Zeit- ausschuss deutlich hinaus. Die Änderung des Gesetzes raum 2021 bis 2025 wie folgt festgelegt werden: über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffe- missionen und die Anrufung des Vermittlungsausschus- 1. im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. De- ses hierzu wurden vom Bundesrat selbst abgelehnt. Ein zember 2021: 25 Euro, Verhandlungsauftrag zu diesem vom Bundestag und Bun- desrat gerade beschlossenen Gesetz bestand somit nicht. 2. im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. De- zember 2022: 30 Euro, Zweitens. Mit der finanziellen Beteiligung der Stand- 3. im Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 31. De- ortkommunen an Windkraftanlagen durch steuerliche Er- zember 2023: 35 Euro, hebungsmöglichkeiten bestand die Chance, der Bevölke- rung in den ländlichen Regionen ein klares Signal zu 4. im Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis zum 31. De- senden, dass sie zukünftig nicht nur die Lasten zu tragen zember 2024: 45 Euro, hat, sondern auch an den Gewinnen der Energiewende beteiligt wird. Dieses Instrument wurde ersatzlos gestri- 5. im Zeitraum vom 1. Januar 2025 bis zum 31. De- chen. Die nun formulierte Willensbekundung ist kein Er- zember 2025: 55 Euro. satz für die gestrichene konkrete gesetzliche Regelung. Für das Jahr 2026 wird ein Preiskorridor mit einem Dieser Umgang mit den Menschen wird die Akzeptanz Mindestpreis von 55 Euro pro Emissionszertifikat und für den Windkraftausbau weiter reduzieren. einem Höchstpreis von 65 Euro pro Emissionszertifikat Wir erwarten für das anstehende Gesetzgebungsver- festgelegt. fahren: Zusätzliche Einnahmen werden vollständig zur Sen- kung der EEG-Umlage ab dem 1. Januar 2021 und ab Erstens, dass umgehend Akzeptanzmaßnahmen für den dem 1. Januar 2024 auch zur Anhebung der zusätzlichen Windkraftenergieausbau auf den Weg gebracht werden. Entfernungspauschale für Fernpendler verwendet. Der Das betrifft sowohl die im Klimaschutzprogramm verein- Zahlungsanspruch gemäß EEG für die erneuerbaren barte Abstandsregelung zu bewohnten Gebieten als auch Energien bleibt davon unberührt. die monetäre Beteiligung der Standortkommunen, die nun als Willensbekundung auch vom Vermittlungsaus- Die Bundesregierung sagt zu, dass sie schnellstmög- schuss eingefordert wird. Ein weiteres Hinauszögern lich im Rahmen der Erarbeitung der Rechtsverordnung konkreter gesetzlicher Festlegungen schadet der Akzep- gemäß § 11 Absatz 3 BEHG gemeinsam mit den Ländern tanz der Energiewende insgesamt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17227

(A) Zweitens, dass die nun festgelegte Novellierung des nicht vornehmen können, auch kein E-Auto kaufen kön- (C) Gesetzes über einen nationalen Zertifikatehandel für nen, werden sie durch das Klimapaket bedingt, mit stän- Brennstoffemissionen genutzt wird, um die Verordnungs- dig steigenden Kosten für Lebenshaltung, Wohnen und ermächtigungen, insbesondere für Carbon Leakage, für Mobilität über Gebühr belastet. Das ist auch eine Form den Nachweis der Belastungen, oder über die jährlichen der Enteignung, die ich nicht mittragen kann. Emissionsreduzierungen, durch konkrete Regelungen im Gesetz selbst zu ersetzen. Zweitens. Das vorgelegte Ergebnis und die Protokol- lerklärungen gehen über den Auftrag an den Vermitt- Drittens, dass die bestehenden verfassungsrechtlichen lungsausschuss deutlich hinaus. Die Änderung des Ge- Bedenken zum Gesetz über einen nationalen Zertifikate- setzes über einen nationalen Zertifikatehandel für handel für Brennstoffemissionen hinsichtlich der Setzung Brennstoffemissionen und die Anrufung des Vermitt- eines Festpreises ausgeräumt und im Gesetz ein echter, lungsausschusses hierzu wurden vom Bundesrat selbst ökonomisch sinnvoller Zertifikatehandel festgeschrieben abgelehnt. Ein Verhandlungsauftrag zu diesem vom Bun- wird. destag und Bundesrat gerade beschlossenen Gesetz be- Viertens, dass ein Ausstiegsplan aus dem EEG-Förder- stand somit nicht. system vorgelegt wird. Deutschland braucht zur Errei- chung der Energie- und Klimaziele funktionierende und Drittens. Mit der finanziellen Beteiligung der Standort- bezahlbare Instrumente. Das EEG gehört nachweislich kommunen an Windkraftanlagen durch steuerliche Erhe- nicht dazu und sollte zugunsten eines effizienten Zertifi- bungsmöglichkeiten, bestand die Chance, der Bevölke- katehandels auslaufen. rung in den ländlichen Regionen ein klares Signal zu senden, dass sie zukünftig nicht nur die Lasten zu tragen haben, sondern wenigstens teilweise an den Gewinnen der Energiewende beteiligt werden. Dieses Instrument Anlage 10 wurde ersatzlos gestrichen. Die nun formulierte Willens- bekundung ist kein Ersatz für die gestrichene konkrete gesetzliche Regelung. Dieser Umgang mit den Menschen Erklärungen nach § 31 GO im ländlichen Raum wird die Akzeptanz für den Wind- zu der namentlichen Abstimmung über die Be- kraftausbau weiter reduzieren. schlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Ich erwarte für das anstehende Gesetzgebungsverfah- Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms ren: 2030 im Steuerrecht (B) Erstens, dass umgehend klare Regelungen zur Stär- (D) (Zusatzpunkt 21) kung der Akzeptanz des Windkraftenergieausbaus bei Standortkommunen und den Menschen vor Ort auf den Veronika Bellmann (CDU/CSU): Der Bundesrat rief Weg gebracht werden. Das betrifft sowohl die im Klima- am 29. November 2019 den Vermittlungsausschuss zu schutzprogramm vereinbarte Abstandsregelung zu be- den steuerrechtlichen Maßnahmen des Klimapakets der wohnten Gebieten als auch die monetäre Beteiligung Bundesregierung an, um das vom Bundestag am 15. No- der Standortkommunen, die nun als Willensbekundung vember 2019 verabschiedete Gesetz überarbeiten zu las- auch vom Vermittlungsausschuss eingefordert wird. Ein sen. Die nun vorliegenden Ergebnisse des Vermittlungs- weiteres Hinauszögern konkreter gesetzlicher Festlegun- ausschusses lehne ich aus folgenden zwei Gründen ab: gen schadet der Akzeptanz der Energiewende insgesamt. Erstens. Sowohl das Klimapaket als solches als auch Zweitens, dass die nun festgelegte Novellierung des das Ergebnis des Vermittlungsausschusses belastet den Gesetzes über einen nationalen Zertifikatehandel für ländlichen Raum, insbesondere die älter werdende Bevöl- Brennstoffemissionen genutzt wird, um die Verordnungs- kerung über Gebühr. Von all den steuerlichen Erleichte- ermächtigungen, insbesondere für Carbon Leakage, für rungen haben sie nichts, weder von der erhöhten Pendler- den Nachweis der Belastungen, oder über die jährlichen pauschale noch von den Abschreibungsmöglichkeiten für Emissionsreduzierungen, durch konkrete Regelungen im Investitionen, wenn sie einen zu kurzen Arbeitsweg ha- Gesetz selbst ersetzt werden. ben, nicht mehr berufstätig sind, oder „nur“ zur Betreu- ung von Freunden und Familienangehörigen oder im Eh- Drittens, dass die bestehenden verfassungsrechtlichen renamt mobil sein müssen. Was nützen ihnen steuerliche Bedenken zum „Gesetz über einen nationalen Zertifikate- Abschreibungen für den Einbau alternativer Heizungen handel für Brennstoffemissionen“ hinsichtlich der Set- und die Wohngebäude klimafreundlich gestalteten Maß- zung eines Festpreises ausgeräumt und im Gesetz ein nahmen, wenn sie auf geringe Einkommen oder Renten echter, ökonomisch sinnvoller Zertifikatehandel festge- keine Steuern zahlen? Was nützen ihnen Investitionszu- schrieben wird. schüsse von 40 Prozent auf eine Heizungsumstellung – circa 20 000 Euro, wenn sie für den Restbetrag wegen des Viertens, dass ein Ausstiegsplan aus dem EEG-Förder- Alters (ab 60 Jahre) noch nicht einmal einen Kredit be- system vorgelegt wird. Deutschland braucht zur Errei- kommen oder wenn doch, die zusätzlichen Tilgungsraten chung der Energie- und Klimaziele funktionierende und von geringen Einkommen oder Renten nicht zu stemmen bezahlbare Instrumente. Das EEG gehört nachweislich sind? Das gilt im Übrigen auch für die Anschaffung neuer nicht dazu und sollte zugunsten eines effizienten Zertifi- Elektroautos. Wenn sie aber eine Heizungsumstellung katehandels auslaufen. 17228 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Christian Haase (CDU/CSU): Wir haben mit der Unter- desregierung an, um das vom Bundestag am 15. Novem- (C) zeichnung des Pariser Klimaabkommens klare Zusagen ber 2019 verabschiedete Gesetz überarbeiten zu lassen. zur CO2-Reduktion vorgenommen. Ich als konservativer Die nun vorliegenden Ergebnisse des Vermittlungsaus- CDU-Abgeordneter möchte, dass eingegangene Verträge schusses lehne ich aus folgenden zwei Gründen ab: auch eingehalten werden. Der Klimaschutz ist eine große Herausforderung, die wir vor allen Dingen global, aber Erstens. Das vorgelegte Ergebnis und die Protokoller- auch lokal angehen müssen. Somit war ich mit der ur- klärungen gehen über den Auftrag an den Vermittlungs- sprünglichen Version des nationalen Klimapaketes unein- ausschuss deutlich hinaus. Die Änderung des Gesetzes geschränkt einverstanden. Wir haben den Dreiklang von über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffe- Wirksamkeit, Anreizen und sozialem Ausgleich ge- missionen und die Anrufung des Vermittlungsausschus- schafft. Die Klimaziele 2030 können wir einhalten. Hier- ses hierzu wurden vom Bundesrat selbst abgelehnt. Ein bei handelte es sich um einen langsamen Einstieg, der vor Verhandlungsauftrag zu diesem vom Bundestag und Bun- allen Dingen in ländlichen Regionen eine Lenkungswir- desrat gerade beschlossenen Gesetz bestand somit nicht. kung hätte entfalten können und die Grundlage für einen Zweitens. Mit der finanziellen Beteiligung der Stand- Innovationssprung in unserer Wirtschaft gebildet hätte. ortkommunen an Windkraftanlagen durch steuerliche Er- Diesen Weg wollten die Länder in dieser Form nicht hebungsmöglichkeiten bestand die Chance, der Bevölke- mitgehen und haben den Vermittlungsausschuss angeru- rung in den ländlichen Regionen ein klares Signal zu fen. Vielen Ländern ist es dabei um eine Beteiligung an senden, dass sie zukünftig nicht nur die Lasten zu tragen den Einnahmen aus dem Zertifikatehandel gegangen, um hat, sondern auch an den Gewinnen der Energiewende ihre Steuerausfälle zu kompensieren. Das ist legitim, so- beteiligt wird. Dieses Instrument wurde ersatzlos gestri- dass ich diesen Teil des Kompromisses nicht kritisiere. chen. Die nun formulierte Willensbekundung ist kein Er- Die Gesetze bedürfen nun einmal der Zustimmung der satz für die gestrichene konkrete gesetzliche Regelung. Länder. Zu den Ländern gehören aber auch die Kommu- Dieser Umgang mit den Menschen wird die Akzeptanz nen, die erhebliche Investitionen bzw. auch Einnahme- für den Windkraftausbau weiter reduzieren. ausfälle haben und deshalb als Teil der Länder von diesen Ich erwarte für das anstehende Gesetzgebungsverfah- zusätzlichen Landesmitteln profitieren sollten. ren: Durch die Erhöhung des CO2-Zertifikatpreises ist der Erstens, dass umgehend klare Regelungen zur Stär- ländliche Raum stärker betroffen, da der ÖPNV noch zu kung der Akzeptanz des Windkraftenergieausbaus bei wenig Alternativen bietet. Das gilt für den Einkauf, die Standortkommunen und den Menschen vor Ort auf den eigenen Freizeitaktivitäten und die der Kinder, Verwand- Weg gebracht werden. Das betrifft sowohl die im Klima- (B) ten- und Freundesbesuche etc. Das gilt aber auch für das schutzprogramm vereinbarte Abstandsregelung zu be- (D) Handwerk und kleinere Unternehmen. wohnten Gebieten als auch die monetäre Beteiligung der Standortkommunen, die nun als Willensbekundung Auf einen höheren CO2-Preis haben insbesondere die Grünen gedrängt, die an zehn Landesregierungen betei- auch vom Vermittlungsausschuss eingefordert wird. Ein ligt sind und zudem einen Ministerpräsidenten stellen. In weiteres Hinauszögern konkreter gesetzlicher Festlegun- einer Demokratie muss ich anerkennen, dass eine Eini- gen schadet der Akzeptanz der Energiewende insgesamt. gung nur im Kompromiss möglich ist. Keine Lösung wä- Zweitens, dass die nun festgelegte Novellierung des re keine verantwortungsvolle Alternative gewesen. Ich Gesetzes über einen nationalen Zertifikatehandel für danke daher den Verhandlern auf Unionsseite. Ihnen ist Brennstoffemissionen genutzt wird, um die Verordnungs- es gelungen, einen Mittelweg beim CO2-Preis zu verhan- ermächtigungen, insbesondere für Carbon Leakage, für deln und die erhöhte Pendlerpauschale nicht nur zu hal- den Nachweis der Belastungen, oder über die jährlichen ten, sondern noch weiter zu erhöhen. Beides wollten die Emissionsreduzierungen, durch konkrete Regelungen im Grünen vorher nicht zugestehen. Positiv ist auch die deut- Gesetz selbst ersetzt werden. liche Senkung der EEG-Umlage. Drittens, dass die bestehenden verfassungsrechtlichen Das Leben auf dem Land hat viele Vorteile. Die hohe Bedenken zum Gesetz über einen nationalen Zertifikate- Lebensqualität und der günstige Wohnraum gehören da- handel für Brennstoffemissionen hinsichtlich der Setzung zu. Deshalb kann ich unter Abwägung aller Gesichts- eines Festpreises ausgeräumt und im Gesetz ein echter, punkte dem Kompromiss zustimmen. Letztlich helfen ökonomisch sinnvoller Zertifikatehandel festgeschrieben die Fördermaßnahmen, insbesondere die unbürokratische wird. energetische Gebäudesanierung und im Bereich von Heizungen, die Menschen in meiner Heimat zu entlasten. Viertens, dass ein Ausstiegsplan aus dem EEG-Förder- Wir beraten heute nur den Förderungsteil des Gesetzes, system vorgelegt wird. Deutschland braucht zur Errei- dem ich uneingeschränkt zustimmen kann. Sollte sich chung der Energie- und Klimaziele funktionierende und aber herausstellen, dass sich Befürchtungen einer einsei- bezahlbare Instrumente. Das EEG gehört nachweislich tigen Belastung des ländlichen Raumes als richtig erwei- nicht dazu und sollte zugunsten eines effizienten Zertifi- sen, muss geprüft werden, wie hier ein Ausgleich ge- katehandels auslaufen. schaffen werden kann. Josef Rief (CDU/CSU): Ich stimme der Beschlussemp- Sylvia Pantel (CDU/CSU): Der Bundesrat rief am fehlung zu, halte allerdings die Höhe des CO2-Preises 29. November 2019 den Vermittlungsausschuss zu den zum Einstieg für viel zu hoch, da den Menschen kaum steuerrechtlichen Maßnahmen des Klimapakets der Bun- Zeit gegeben wird, durch ihr Verhalten und durch Inves- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17229

(A) titionen in klimafreundliche Technik, wie zum Beispiel senden, dass sie zukünftig nicht nur die Lasten zu tragen (C) Heizungen, Fahrzeuge und Wärmedämmung, umzustei- hat, sondern auch an den Gewinnen der Energiewende gen. Ich bin der Auffassung, dass die Belastungen und beteiligt wird. Dieses Instrument wurde ersatzlos gestri- Entlastungen zulasten des ländlichen Raums gehen und chen. Die nun formulierte Willensbekundung ist kein Er- die Bürgerinnen und Bürger in Städten, die nicht auf das satz für die gestrichene konkrete gesetzliche Regelung. Auto angewiesen sind und über zum Beispiel Fernwärme Dieser Umgang mit den Menschen wird die Akzeptanz jetzt schon günstigere Heizungsmöglichkeiten haben, be- für den Windkraftausbau weiter reduzieren. sonders durch die Kompensationen bevorzugt werden. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Ich stimme der Jana Schimke (CDU/CSU): Der Bundesrat rief am Beschlussempfehlung zu, halte allerdings die Höhe des 29. November 2019 den Vermittlungsausschuss zu den CO2-Preises zum Einstieg für viel zu hoch. steuerrechtlichen Maßnahmen des Klimapakets der Bun- desregierung an, um das vom Bundestag am 15. Novem- Meine Zustimmung bezieht sich nur auf die Steuerge- ber 2019 verabschiedete Gesetz überarbeiten zu lassen. setze, über die wir hier abstimmen. Die nun vorliegenden Ergebnisse des Vermittlungsaus- schusses lehne ich aus folgenden Gründen ab: Sebastian Steineke (CDU/CSU): Das mit dem Ge- setzentwurf verfolgte Ziel, einerseits stärkere Maßnah- Erstens. Die Bepreisung von CO2 wird zum 1. Januar men für den Klimaschutz und andererseits als Ausgleich 2021 von 10 Euro auf 25 Euro und bis 2025 auf 55 Euro Erleichterungen für die Bürgerinnen und Bürger, unter steigen. Dies wird der Verbraucher tragen müssen. Es anderem im Steuerrecht, einzuführen, begrüße ich. Um bestehen zwar Entlastungsinstrumente, doch werden da- die Klimaschutzziele zu erreichen und die notwendige von nicht alle Bürger profitieren. So ist zwar eine Erhö- Energiewende weiter voranzutreiben, müssen wir ent- hung der Pendlerpauschale vorgesehen, doch partizipie- sprechend handeln. Deshalb werde ich dem Gesetz im ren davon nur diejenigen, die auch eine entsprechende Ganzen zustimmen. Einkommensteuererklärung abgeben müssen. Senioren, junge Menschen oder Personen mit einem geringen Ein- Allerdings werden in dem Gesetzentwurf die speziel- kommen werden damit verstärkt belastet. Inwieweit es len Bedürfnisse der Menschen im ländlichen Raum nur perspektivisch zu einer tatsächlichen und spürbaren Ent- unzureichend berücksichtigt. Ebenso fehlt es an weiteren lastung beim Strompreis kommen wird, ist lediglich eine Regelungen für eine größere Akzeptanz für Windkraftan- ungesicherte Prognose. Maßnahmen gegen den Klima- lagen und damit verbundene Erleichterungen für die be- wandel können nur im Einklang mit der Bevölkerung troffenen Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Diese Positio- durchgesetzt werden. Die Schaffung von neuen Mehrbe- nen sind im Deutschen Bundestag derzeit nicht (B) lastungen wird die Akzeptanz für die politischen Maß- mehrheitsfähig. Ich werde mich weiterhin dafür einset- (D) nahmen daher eher verringern. zen, dass wir bei den Themen ländlicher Raum und Wind- kraft in Zukunft Verbesserungen erzielen. Zweitens. Um dem Klimawandel effektiv begegnen zu können, ist die Erforschung neuer Technologien unab- dingbar. Dazu gehört insbesondere die Offenheit für alter- native Antriebsformen neben der Elektromobilität. Diese Anlage 11 Technologieoffenheit ist jedoch kein Bestandteil der Er- gebnisse des Vermittlungsausschusses, sodass die Politik Erklärung nach § 31 GO hier letztlich hinter den Erwartungen geblieben ist. der Abgeordneten Silvia Breher, Gitta Connemann, Drittens. Die Einführung einer CO2-Bespreisung könn- Axel Knoerig, Dr. Roy Kühne, Andreas Mattfeldt, te nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes Dr. Georg Nüßlein, Henning Otte, Ingrid Pahl- des Deutschen Bundestages verfassungswidrig sein. Die mann, Josef Rief und Tankred Schipanski (alle CO2-Besteuerung müsste sich in eine der vorhandenen CDU/CSU) zu den namentlichen Abstimmungen Steuertypen des Artikel 106 GG einordnen lassen. Ob dies vorliegend möglich ist, erscheint als sehr fraglich. – über den von der Bundesregierung eingebrach- Zwar sieht der Artikel 106 GG ein Steuerfindungs-, aber ten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Ände- eben kein Steuererfindungsrecht des Gesetzgebers vor. rung des Bundesnaturschutzgesetzes Viertens. Das vorgelegte Ergebnis und die Protokoller- und klärungen gehen über den Auftrag an den Vermittlungs- – über den von den Abgeordneten Karlheinz ausschuss deutlich hinaus. Die Änderung des Gesetzes Busen, Frank Sitta, Nicole Bauer, weiteren Ab- über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffe- geordneten und der Fraktion der FDP einge- missionen und die Anrufung des Vermittlungsausschus- brachten Entwurf eines Gesetzes zum Wolfs- ses hierzu wurden vom Bundesrat selbst abgelehnt. Ein management Verhandlungsauftrag zu diesem vom Bundestag und Bun- desrat gerade beschlossenen Gesetz bestand somit nicht. (Zusatzpunkt 12 und 13) Fünftens. Mit der finanziellen Beteiligung der Stand- Artenschutz ohne Realitätssinn funktioniert nicht. Mit ortkommunen an Windkraftanlagen durch steuerliche Er- den überfälligen Änderungen im Bundesnaturschutzge- hebungsmöglichkeiten bestand die Chance, der Bevölke- setz tragen wir dem in einem ersten Schritt Rechnung. rung in den ländlichen Regionen ein klares Signal zu Der Druck der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich 17230 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) gelohnt. Deshalb stimmen wir für das Zweite Gesetz zur schutzgesetz sind jedoch erste wichtige Schritte in die (C) Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. richtige Richtung, die wir unterstützen. Den vorliegenden Gesetzentwurf der FDP-Fraktion Der Gesetzentwurf der FDP-Bundestagsfraktion wird lehnen wir dagegen ab. Denn er greift zu kurz und löst der Komplexität der Herausforderungen beim Umgang die Probleme nicht ausreichend. mit dem Wolf nicht gerecht. Diese sieht die Lösung nahe- zu ausschließlich in einer Änderung des nationalen Jagd- Den Schutz des Wolfes, den internationale und EU- rechts. Auch wir befürworten dieses, aber das allein reicht rechtliche Bestimmungen zum Artenschutz verlangen, nicht. Denn nationales Jagdrecht kann internationale und respektieren wir. Aber es ist höchste Zeit für einen prag- EU-rechtliche Bestimmungen zum Artenschutz nicht matischen Umgang mit diesem Raubtier – auch bei uns in aushebeln. Deutschland. Wir leben in einem dicht besiedelten Ge- biet. Die Akzeptanz für den Wolf kann hier dauerhaft nur Der vor allem auf das Jagdrecht abzielende Lösungs- gesichert werden, wenn sich Bürgerinnen und Bürger auf ansatz birgt eine weitere Gefahr: Jäger würden damit ein- einen wirksamen Schutz vor ihm verlassen können. seitig für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und den Schutz der Weidetierhaltung in die Pflicht genommen Für uns steht die Sicherheit der Menschen an erster werden. Andere Akteure, insbesondere die für den Natur- Stelle. In dicht besiedelten und wirtschaftlich genutzten schutz zuständigen Behörden, würden aus ihrer originä- Arealen ist kein konfliktfreies Zusammenleben mit dem ren Verantwortung für ausgleichende Konfliktlösungen Wolf möglich. Für Wolfsromantik hat dort aus gutem zunehmend entlassen. Sie könnten sich sogar bewusst Grund niemand Verständnis. Deshalb haben wir uns früh- aus dieser schwierigen Verantwortung ziehen. Das ist zeitig am 27. November 2018 als CDU/CSU-Bundestags- zu vermeiden. fraktion mit unserem Beschluss „Wölfe in Deutschland – Sorgen ernst nehmen, Sicherheit schaffen, Bestände regu- Schließlich soll mit dem Gesetzentwurf ein Rechtsan- lieren“ positioniert. spruch auf Zuschüsse zur Prävention von Wildschäden durch Wild, welches wie der Wolf nach FFH-Richtlinie Die Zahl der in Deutschland nachgewiesenen Rudel ist streng geschützt ist, begründet werden. Dafür fehlt dem im Berichtsjahr 2018/2019 von 77 auf 105 hochge- Bund aber die Zuständigkeit. Diese liegt allein bei den schnellt. Und damit auch die Anzahl der Übergriffe und Ländern. Risse – von Ziegen, Lämmern, Rindern, Fohlen oder Gat- terwild. In den betroffenen Gebieten sorgt der Wolf für Angst. Denn der Wolf ist ein Raubtier. Die Menschen sehen sich mit ihm konfrontiert. Sie erleben: Haus- und Anlage 12 (B) Nutztiere werden angegriffen und gerissen – auch trotz (D) Herdenschutzmaßnahmen. Erklärungen nach § 31 GO Wir wissen: Tierschutz ist nicht teilbar. Wenn Weide- tiere dem Wolf trotz Schutzmaßnahmen im Regelfall zu den namentlichen Abstimmungen chancenlos ausgeliefert sind, ist Gegensteuern auch ein – über den von der Bundesregierung eingebrach- Gebot des Tierschutzes. Nichtstun ist keinem ten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Ände- Weidetierhalter vermittelbar, der infolge Wolfsrissen um rung des Bundesnaturschutzgesetzes seine wirtschaftliche Existenz bangen muss. Bereits heute müssen Schäfereien aufgeben. Dies hat auch Folgen für und unsere Kulturlandschaft, wie zum Beispiel unsere Dei- – über den von den Abgeordneten Karlheinz che. Diese müssen zwingend beweidet werden. Dabei Busen, Frank Sitta, Nicole Bauer, weiteren Ab- geht es nicht um das schöne Landschaftsbild, sondern geordneten und der Fraktion der FDP einge- um die Deichsicherheit. brachten Entwurf eines Gesetzes zum Wolfs- Deshalb setzen wir uns weiterhin für ein aktives und management vorausschauendes Bestandsmanagement bis hin zur (Zusatzpunkt 12 und 13) Schaffung faktisch wolfsfreier Zonen ein – gerade dort, wo Herdenschutzmaßnahmen nicht möglich sind bzw. Maik Beermann (CDU/CSU): Artenschutz ohne Re- nicht wirken. Wir konnten mit dem Koalitionspartner zu- alitätssinn funktioniert nicht. Mit den überfälligen Ände- mindest vereinbaren, darüber zeitnah intensiv zu reden. rungen im Bundesnaturschutzgesetz tragen wir dem in Denn staatliches Handeln darf nicht erst mit dem Scha- einem ersten Schritt Rechnung. Der Druck der CDU/ densfall beginnen. Europa gibt uns dazu die Möglichkeit CSU-Bundestagsfraktion hat sich gelohnt. Deshalb stim- an die Hand. Diese nutzen andere Mitgliedstaaten bereits. me ich für das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundes- Deshalb fordern wir in der CDU/CSU-Bundestagsfrak- naturschutzgesetzes. tion nach wie vor, Artikel 16 Absatz 1 e FFH-Richtlinie Den vorliegenden Gesetzentwurf der FDP-Fraktion eins zu eins in nationales Recht durch das Bundesnatur- lehne ich dagegen ab. Denn er greift zu kurz und löst schutzgesetz umzusetzen. Damit würde ein gemäßigtes, die Probleme nicht ausreichend. behördlich kontrolliertes Bestandsmanagement möglich. Leider waren diese weitergehenden Forderungen mit der Den Schutz des Wolfes, den internationale und EU- SPD-Bundestagsfraktion jetzt nicht zu vereinbaren. Die rechtliche Bestimmungen zum Artenschutz verlangen, nun vorgenommenen Änderungen am Bundesnatur- respektiere ich grundsätzlich. Aber es ist höchste Zeit Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019 17231

(A) für einen pragmatischen Umgang mit diesem Raubtier – mungen zum Artenschutz nicht aushebeln und greift da- (C) auch bei uns in Deutschland. Dies zeigt sich insbesondere her zu kurz. in meiner niedersächsischen Heimat, im Landkreis Nien- burg. Hier ist der inzwischen deutschlandweit bekannte Der vor allem auf das Jagdrecht abzielende Lösungs- Rodewalder Rüde beheimatet, welcher bereits mehrmals ansatz birgt eine weitere Gefahr: Jäger würden damit ein- wolfssichere Zäune überwunden hat und gegen den selbst seitig für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und den Rinder in ihrer Herde nicht mehr sicher sind. Inzwischen Schutz der Weidetierhaltung in die Pflicht genommen erscheinen wöchentlich neue Zeitungsberichte über Risse werden. Andere Akteure, insbesondere die für den Natur- des Rodewalder Rudels. schutz zuständigen Behörden, würden aus ihrer originä- ren Verantwortung für ausgleichende Konfliktlösungen Für uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion steht die zunehmend entlassen. Das ist zu vermeiden. Sicherheit der Menschen an erster Stelle. Wenn die Wöl- Schließlich soll mit dem Gesetzentwurf ein Rechtsan- fe, deren Taten wöchentlich in der Zeitung nachzuvoll- spruch auf Zuschüsse zur Prävention von Wildschäden ziehen sind, in unmittelbarer Nähe von Waldkitas gesich- durch Wild, welches wie der Wolf nach FFH-Richtlinie tet werden, sind Eltern und Großeltern nachvollziehbar streng geschützt ist, begründet werden. Dafür fehlt dem besorgt. Ich freue mich daher, dass wir uns als CDU/ Bund aber die Zuständigkeit. Diese liegt allein bei den CSU-Bundestagsfraktion bereits am 27. November Ländern. 2018 mit unserem Beschluss „Wölfe in Deutschland – Sorgen ernst nehmen, Sicherheit schaffen, Bestände regu- lieren“ positioniert haben. Hans-Jürgen Thies (CDU/CSU): Hiermit erkläre ich Ihnen mit, dass ich nur mit Einschränkungen dem von der In den betroffenen Gebieten sorgt der Wolf für Angst. Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Denn der Wolf ist ein Raubtier. Die Menschen sehen sich Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes, mit ihm konfrontiert. Sie erleben: Haus- und Nutztiere Drucksache 19/10899, 19/13289, 19/16148, zustimmen werden angegriffen und gerissen – auch trotz Herden- kann, da es sich dabei nur um einen ersten Schritt hin schutzmaßnahmen. zu einem geordneten Wolfsmanagement handeln kann. Bei derzeit rund 1 300 Wölfen in Deutschland ist deren Der Wolf bedroht dabei auch diverse Tierarten, welche günstiger Erhaltungszustand, vor allem mit Blick auf die seit geraumer Zeit bei uns beheimatet sind: In weiten genetische Verbindung mit den Wölfen in Westpolen, Teilen Niedersachsens ist das Muffelwild beispielsweise längst erreicht. durch den Wolf schon völlig verschwunden. In meinem Wahlkreis ist eine der letzten freilebenden Populationen Der Wolf gehört deshalb auch in Deutschland in An- hang V der FFH- Richtlinie. Eine bestandspflegende Jagd (B) Norddeutschlands beheimatet. Ich möchte, dass auch (D) meine Kinder und Enkelkinder diese noch in freier Wild- der Wölfe ist daher in Deutschland zur Erhaltung der bahn im Schaumburger Wald erleben dürfen; dies wird Akzeptanz und zur Vermeidung von unauflösbaren Ziel- ohne ein nachhaltiges Wolfsmanagement und wolfsfreie konflikten im ländlichen Raum dringend geboten. Die in Zonen aber nicht machbar sein. Artikel 16 der FFH-Richtlinie gewährten nun durch das Urteil des EuGH vom 10. Oktober 2019 aufgezeigten Deshalb setze ich mich weiterhin für ein aktives und Handlungsspielräume müssen nunmehr rasch in Deutsch- vorausschauendes Bestandsmanagement bis hin zur land umgesetzt werden. Schaffung faktisch wolfsfreier Zonen ein – gerade dort, wo Herdenschutzmaßnahmen nicht möglich sind bzw. Grundsätzlich begrüße ich die Erleichterung bei der nicht wirken. Wir konnten mit dem Koalitionspartner zu- Erteilung von artenschutzrechtlichen Ausnahmegeneh- mindest vereinbaren, darüber zeitnah intensiv zu reden. migungen in § 45 Absatz 7 Nummer 1 BNatschG. „Erns- Denn staatliches Handeln darf nicht erst mit dem Scha- te“ Schäden im Sinne der geänderten Vorschrift sind nach densfall beginnen. Europa gibt uns dazu die Möglichkeit meinem rechtlichen Verständnis alle Schäden, die das an die Hand. Diese nutzen andere Mitgliedstaaten bereits. Maß der sozialpflichtigen Duldungspflicht und deren ent- schädigungsloser Hinnahmepflicht übersteigen. Orientie- Deshalb fordern wir in der CDU/CSU-Bundestagsfrak- rungsmaßstab dafür sind die Regelungen zum ersatz- tion nach wie vor, Artikel 16 Absatz 1 e FFH-Richtlinie pflichtigen Wildschaden im Sinne von §§ 29 f. BJG. eins zu eins in nationales Recht durch das Bundesnatur- Ersatzlos hinzunehmen sind dort Grundstücksschäden, schutzgesetz umzusetzen. Damit würde ein gemäßigtes, die durch wildlebende Tiere verursacht wurden und ledig- behördlich kontrolliertes Bestandsmanagement möglich. lich im Bagatellbereich, also unter 50,00 Euro je Scha- Leider waren diese weitergehenden Forderungen mit der densfall liegen. Schäden oberhalb dieses Rahmens sind SPD-Bundestagsfraktion jetzt nicht zu vereinbaren. Die nicht entschädigungslos hinzunehmen, eben weil es sich nun vorgenommenen Änderungen am Bundesnatur- insoweit um ernste Schäden handelt. Es wäre sachlich schutzgesetz sind jedoch erste wichtige Schritte in die auch nicht gerechtfertigt, danach zu differenzieren, ob richtige Richtung, die ich unterstütze. ein wirtschaftlicher Schaden von einem wildlebenden Tier im Sinne von § 29 BJG oder von einem wildlebenden Der Gesetzentwurf der FDP-Bundestagsfraktion wird Tier einer Art im Sinne von § 7 Absatz 2 Nummer 13, 14 der Komplexität der Herausforderungen beim Umgang BNatschG verursacht wird bzw. droht. mit dem Wolf nicht gerecht. Die FDP sieht die Lösung nahezu ausschließlich in einer Änderung des nationalen Erhebliche Zweifel habe ich hinsichtlich der Praktika- Jagdrechts. Auch wir befürworten dies, aber nationales bilität der in § 45 a Absatz 4 BNatschG vorgesehenen Jagdrecht kann internationale und EU-rechtliche Bestim- Entnahmemöglichkeit. Ohne die orts- und sachkundigen 17232 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 19. Dezember 2019

(A) Jagdausübungsberechtigten wird die Wolfsentnahme Wenn das Englische die deutsche Sprache an deutschen (C) nicht gelingen. Diese werden sich zwar zur Entnahme Hochschulen verdrängt, dann ist die Verankerung der formal bereit erklären, um staatliche Eingreiftruppen in Wissenschaft in der sie tragenden Gesellschaft in Gefahr. ihren Revieren zu vermeiden. Durchführen werden diese Jäger die angeordneten Entnahmen von Wölfen aber so- Die Allgemeinsprache ist das wichtigste verbindende lange nicht, wie ihnen der Gesetzgeber und die Vollzugs- Element aller gesellschaftlichen Bereiche. Deshalb ist es behörden den notwendigen rechtlichen Geleitschutz ver- gut und richtig, wenn Ausländer, die für einen längeren sagen. Nur bei voller Wahrung ihres Identitätsschutzes Zeitraum oder sogar für immer zu uns kommen, die deut- und bei Absicherung ihres Handelns durch strafbewehrte sche Sprache erlernen und anwenden. Betretungs- und Störverbote werden Jäger bereit sein, Wenn wir vom türkischen Facharbeiter in der Auto- sich bei der Wolfsentnahme als Nichtstörer in Anspruch mobilindustrie oder der Pflegekraft aus Mexiko erwarten, nehmen zu lassen. Die ergebnislos gebliebenen Entnah- dass sie Deutsch lernen, dann dürfen wir das Gleiche meversuche bei Problemwölfen in Niedersachsen und wohl auch von ausländischen Akademikern erwarten. Schleswig-Holstein haben dies bewiesen. Leider enthält die Regelung des § 45 a Absatz 4 BNatschG dazu keine Die meisten ausländischen Studenten sind dazu ja auch Lösungen. Sie wird daher wirkungslos bleiben. bereit. Zunehmend setzen Wissenschaftsverwaltungen und Politik auch im internen, nationalen Wissenschaftsbetrieb Anlage 13 auf die englische Sprache, weil sie glauben, dadurch ihren internationalen Anspruch herausstellen zu können. Künf- tig gibt es Brötchen vom Bachelor Professional statt vom Zu Protokoll gegebene Rede Bäckermeister. Das bedeutet zum Beispiel, dass immer zur Beratung des Antrags der Abgeordneten mehr Hochschulen ganze Studiengänge überhaupt in der Dr. Götz Frömming, Nicole Höchst, Dr. Marc Landessprache anbieten, nationale Kongresse, Kollo- Jongen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion quien oder alltägliche Besprechungen mit ganz über- der AfD: Deutsch als Wissenschaftssprache erhal- wiegend oder gar ausschließlich deutschsprachigen ten und stärken Teilnehmern oft nur noch auf Englisch stattfinden, deutschsprachige Forschungsanträge von deutschen Ein- (Tagesordnungspunkt 18) richtungen oft nicht mehr entgegengenommen werden, deutsche Forschungseinrichtungen sich nur noch in eng- Dr. Götz Frömming (AfD): „Das Festhalten an der lischer Sprache präsentieren. (B) Wissenschaftssprache Deutsch hat nichts mit Deutschtü- (D) melei oder gar Nationalismus zu tun. Ganz im Gegenteil, Das hat Auswirkungen auf die Qualität der wissen- es geht um die Sicherung der kulturellen Vielfalt und den schaftlichen Kommunikation, das hat Auswirkungen auf Erhalt kultureller Eigenständigkeit.“ die Qualität der akademischen Lehre, das untergräbt den „Kulturelle Vielfalt fängt nämlich mit dem Erhalt der gesellschaftlichen Bildungsauftrag der Hochschulen, das eigenen Sprache an.“ ist integrations-, erkenntnis- und demokratiefeindlich. Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Zu Recht hob der frühere Bundestagspräsident Kulturrats, im Januar 2009. Ein Mann, dem wir sonst in hervor, dass der Kontakt zwischen freundschaftlicher Fehde verbunden sind, aber da hat er der Wissenschaft und dem Bürger durch die Anglisierung etwas Richtiges gesagt. verloren geht. Denn die wissenschaftliche Elite in Deutschland hege „ein Verhältnis der Verachtung“ für Gleichwohl sehen wir auch die großen Vorteile der ihre Muttersprache, so Thierse wörtlich. englischen Sprache für den internationalen wissenschaft- lichen Austausch. Sie hat heute die Funktion, die früher Ein nationaler Aktionsplan Deutsch als Wissenschafts- das Lateinische als lingua franca der Gelehrten und Theo- sprache zu erhalten und zu stärken, wie ihn die AfD vor- logen innehatte. Und wir sind auch nicht so vermessen, schlägt, ist also nötig. Er würde dazu beitragen, die Wis- uns einzubilden, daran etwas ändern zu können. senschaften weiter zu demokratisieren und ausländische Wissenschaftler bei uns besser zu integrieren. Ein solcher Diese internationale Entwicklung darf jedoch nicht da- nationaler Aktionsplan würde auch den Forderungen ver- zu führen, dass wir das Kind mit dem Bade ausschütten. schiedener, zumeist sprachpflegerischer Institutionen An deutschen Schulen und Hochschulen muss Deutsch entsprechen: vom „Verein für deutsche Sprache“ über die unangefochtene Leitsprache sein und bleiben. den „Arbeitskreis Deutsch als Wissenschaftssprache“ Aber schon heute gibt es über 1 500 (von 20 053) (ADA Wis) bis hin zum „Deutschen Kulturrat“ – sie alle Studiengänge, die komplett auf Englisch umgestellt wur- haben bereits Ähnliches gefordert wie das, was wir Ihnen den. Tendenz steigend. („FAZ“ vom 14. November heute vorschlagen. Ich freue mich auf Ihre Redebeiträge 2019). und die weitere Beratung dieses wichtigen Themas.

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