Stolpersteine in Biografi en, Schicksale und Hintergründe ERINNERN FÜR DIE ZUKUNFT Einführung Vorwort des Bürgermeisters Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Auf quadratischen Messingplatten werden die Namen und Daten von Menschen eingeschlagen, Stolpersteine. Was nach einem Hindernis klingt, soll doch die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. eine Hilfestellung sein. „Auf dem Stolperstein bekommt das Opfer seinen Namen wieder, jedes Opfer erhält einen Hilfe gegen das Vergessen. Vergessen von Gräueltaten und eigenen Stein – seine Identität und sein Schicksal sind, soweit bekannt, ablesbar. Durch den insbesondere Vergessen der Opfer. Gedenkstein vor seinem Haus wird die Erinnerung an diesen Menschen in unseren Alltag Mit dem Namen auf dem Stolperstein bekommt die Erin- geholt. Jeder persönliche Stein symbolisiert auch die Gesamtheit der Opfer, denn alle eigent- nerung wieder ein Gesicht, indem eine Verknüpfung mit lich nötigen Steine kann man nicht verlegen.“ (Gunter Demnig) dem letzten selbstbestimmten Wohnort des Opfers einen In Bad Camberg wurden bisher 32 Stolpersteine für jüdische Bürger und Euthanasieop- Teil seiner Biogra e o enbart. fer verlegt: Dreizehn am 13. Dezember 2014, sieben am 15. Mai 2015 und zwölf am 03. Wir sind es den Menschen schuldig, dass wir sie und ihr November 2018. Schicksal nicht vergessen, unsere Lehren daraus ziehen und diese auch für nachfolgen- Einst hatte Camberg eine der größten jüdischen Gemeinden im Kreis Limburg. 1927 leb- de Generationen bewahren und weitertragen. ten 72 jüdische Personen in Camberg, 1933 noch 63. Ab 1933 nahm ihre Zahl wegen der Die Stolpersteine sind ein Baustein auf diesem Weg. Eine Dokumentation ist unab- zunehmenden Entrechtung und Repressalien ständig ab, vor allem die jüngere Generation dingbar, da die letzten Zeitzeugen bald verstummt sind. verließ Deutschland. In der Pogromnacht 1938 wurde die Synagoge in der Schmiedgasse Ich selbst habe mit meinen Großeltern noch Zeitzeugen gekannt und insbesondere zerstört, Privat- und Geschä sräume jüdischer Bürger geplündert und die Bewohner über- durch meinen Großvater auch aus diesem Zeitabschnitt seines Lebens erzählt bekom- fallen und teils schwer misshandelt. Wer konnte, emigrierte jetzt ins benachbarte Ausland, men. z.B. Holland oder suchte die Anonymität der Großstadt, z.B. . Die noch verbliebe- nen jüdischen Bürger Cambergs wurden schließlich deportiert und fanden in verschiedenen Bereits meine Kinder haben diesen Bezug nicht mehr, es bleibt Ihnen daher nur die Vernichtungslagern den Tod. Ende 1942 gab es in Camberg keine Juden mehr. Eine fast Möglichkeit, sich über aufgezeichnete Berichte und Dokumentationen zu informieren. 500-jährige jüdische Gemeinde wurde vernichtet, die mit ihren Menschen und Gebäuden Dieser Information messe ich gerade in einer Zeit, in der zusehends (Protest-)Wähler in erheblichem Maße das kulturelle und wirtscha liche Leben im Camberg mitgeprägt und mit dem rechten Rand der Parteienlandscha sympathisieren, große Bedeutung bei. mitgestaltet hatte. O genug wiederholt sich Geschichte, weil die Menschheit nicht oder nicht genug aus Viele Menschen, auch aus Camberg, die geistig oder körperlich krank oder als „lebensun- den Fehlern ihrer Vorfahren gelernt hat. Dieser Teil der deutschen Geschichte darf sich wertes Leben“ angesehen wurden, fanden den Tod überwiegend in den Gaskammern der nicht ansatzweise wiederholen. nahegelegen berüchtigten Vernichtungsanstalt Hadamar. Die geplante Tötung von Eut- Die Stolpersteine und die sie erläuternde Broschüre tragen dazu bei, genau diese Bot- hanasieopfern wird als „Aktion T 4“ bezeichnet, weil das Hauptquartier der Aktion in der scha vermitteln. Berliner Tiergartenstraße 4 saß. Die Angehörigen erhielten einen Brief, der sie über das krankheitsbedingte plötzliche Ab- Bad Camberg im November 2018 leben informierte. Sie konnten sich eine Urne zusenden lassen, die aber – entgegen der An- kündigung – nicht die Asche der oder des Ermordeten enthielt. Jens Peter Vogel Diese Broschüre soll dazu beitragen, dass die schrecklichen Vernichtungstaten des NS-Re- Bürgermeister der Stadt Bad Camberg gimes nicht vergessen werden und das Schicksal der Ermordeten uns ein lebendiges Bild des Lebens der Opfer vermittelt. Auch soll die Broschüre dazu motivieren, einen Rundgang durch die Stadt mit Beachtung der Stolpersteine zu verbinden. Dieter Oelke, Initiative „Stolpersteine für Bad Camberg“

2 3 Verlegungsorte

Verlegungsorte Bad Camberg – Kernstadt Verlegungsorte Bad Camberg-Erbach

Li m b u rg e r S t r a e ß 18 ß e ra raße Er st hal St len ach adent b Hof Gn

25 26

Li mb 27 28 u r g 29 er Lim m S b t 10 r u a rg ß e e 11 r St ra 20 12 ß 3 e 1 Obertorstraße 14 2 8 Obertorstraße Fr an 9 kfuf ur 13 te r St Strackgasse Bahnhofstraße ra ße 31 Verlegungsort Bad Camberg-Schwickershausen 6 32 7 Neumarkt ße 15 fstra nho Bah 19 16 24 4 5 Burgstraße 23 22

21 30 17 Mühlweg e aß str eil W

4 5 Verlegungsort Verlegungsort Frankfurter Straße 8 369 8 Frankfurter Straße 8 Bad Camberg Bad Camberg

Siegfried Seligmann Bachenheimer

Pauline Bachenheimer Geburt 08.03.1871, Holzhausen-Rauischholzhausen Deportation ab Camberg 20.07.1942 Geburt 12.06.1869, Wol agen bei Kassel über Limburg/Lahn Deportation ab Camberg 20.07.1942 nach Frankfurt am Main, dort ab 22.07.1942 über Limburg/Lahn, nach Frankfurt/Main in „Untersuchungsha “ Gestorben 19.08.1942, Frankfurt am Main Am 19.09.1942 KZ Mauthausen Ermordet 25.09.1942, Mauthausen

Die Eheleute Pauline (genannt Paula) Sohn Kurt wanderte 1941 von Berlin Paula und Siegfried Seligmann Bachen- Am 19. September 1942 deportierte man und Seligmann Siegfried Bachenheimer über Spanien nach New York aus. Sohn heimer wurden Opfer der für den 20. Juli ihn in das Konzentrationslager Mauthau- waren Inhaber einer Schuh- und Möbel- Walter verließ Camberg am 20. Oktober 1942 angeordneten Deportation. Der Poli- sen. Seine Hä lingsnummer lautete 12929. handlung in der (heutigen) Frankfurter 1937. Seine Frau Helen geb. David geb. zeiwachtmeister Mick, ein Kriegskamerad Im KZ Mauthausen wurden die Gefange- Straße Nr. 8 in Camberg. Die Geschä e am 25. November 1905 und Tochter El- von Seligmann Bachenheimer, (Bachen- nen systematischer Folter, aber auch medi- der Firma Strauss & Bachenheimer lie- len geb. am 25 März 1935 folgten ihm heimer hatte im 1. Weltkrieg seinen linken zinischen Versuchen unterzogen. fen gut und die Familie hatte bis zu dem am 01. September 1938 nach New York. Arm verloren und wurde mit dem Eisernen Schon am 25. September 1942 wurde Sieg- Boykott der jüdischen Geschä sinhaber Sohn Ernst wanderte 1938 ebenfalls nach Kreuz II. Klasse ausgezeichnet), wird nach fried Seligmann Bachenheimer, im 72. Le- ihr Auskommen. New York aus. Kriegsende zu seiner Mitwirkung befragt bensjahr stehend, im Konzentrationslager Seligmann Siegfried Bachenheimer hatte Im Juli 1940 erkundigt sich der Land- und erteilt Auskün e über das Schicksal Mauthausen getötet. Als o ziell benannte aus seiner ersten Ehe mit Julie Bachen- rat des Kreises Limburg brie ich beim der Familie Bachenheimer. Diese habe er Todesursache verzeichnet der Totenschein heimer, geb. Strauss drei Söhne. Mit Bürgermeister der Stadt Camberg über persönlich am 20. Juli 1942 nach Limburg „Gehirnschlag“. begleitet. Siegfried Seligmann Bachenhei- seiner Familie und der zweiten Ehefrau den Stand der „Entjudung der gewerb- Das Anwesen der Familie Bachenheimer mer habe ihm noch kurz zuvor eine Chro- Paula bewohnte er ein gutbürgerlich ein- lichen Wirtscha “. Weiterhin bittet er wurde durch den Mieter Jakob Peuser er- nik mit Lebensdaten und Informationen gerichtetes, großes Haus (damals Lim- um Auskun , welche vormals in jüdi- worben. Dieser übernahm auch alle Gegen- über die Mitglieder der Camberger jüdi- burger Straße). schem Besitz be ndlichen gewerblichen stände, die Paula und Siegfried Seligmann schen Kultusgemeinde zur Au ewahrung Durch die per Gesetz vollzogene Aus- Anlagen noch nicht in arischen Besitz am 20. Juli 1942 dort hinterlassen hatten. übergegangen seien. Aus der Antwort ausgehändigt, die allerdings im Jahr 1945 plünderung der Juden im deutschen verschwunden sei. Reich wurde das Vermögen der Familie des Bürgermeisters Dr. Lawaczeck vom Bachenheimer aufgrund von „Judenver- 5. Dezember 1940 geht hervor, dass sich Von Limburg aus erfolgte die Deporta- mögensabgabe“ und „Reichs uchtsteu- in Camberg noch das in der Limburger tion der Juden aus dem weiteren Umfeld er“ dem NS-Staat zugeführt. Zu Beginn Straße 21 „jüdische Grundstück des Se- der Kreisstadt im Sammeltransport nach des Jahres 1939, nachdem Juden per Ge- ligmann Israel Bachenheimer“ be nde, Frankfurt, wo Paula Bachenheimer er- setz nicht mehr Inhaber von Geschä en „welches von dem nichtjüdischen Schrei- krankte. Sie wurde in das jüdische Kran- sein dur en (Gesetz zum Ausschluss der nermeister Jakob Peuser gewerblich kenhaus in Frankfurt gebracht, wo sie am Juden aus dem Wirtscha sleben), muss- genutzt“ werde. Die Veräußerung des 19. August 1942 im 74. Lebensjahr verstarb. te die Familie die Parterrewohnung ihres Anwesens Bachenheimer an den Mieter Ihr Ehemann Seligmann Siegfried Bachen- Hauses vermieten und zog in das 1. OG Peuser“ sei „angebracht, zumal Peuser heimer wurde am 22.7. in die Untersu- des Hauses. reges Interesse für den Kauf des Anwe- chungsha anstalt Frankfurt eingewiesen. Das Geschä shaus der Bachenheimers sens“ zeige. Als Ha grund wurde „JUDE“ angegeben. in der Frankfurter Straße 8 6 7 Verlegungsort Verlegungsort 20 21 Weilstraße 26 Hirtengasse 2 · Bad Camberg Bad Camberg-Schwickershausen

Elisabeth Belz

Geburt 17.01.1912 in Friesenheim Margarethe Duffy Ortsteil von Ludwigshafen Geburt Einweisung 1921 in das Nassauische-Volks- 10.05.1888 in O enbach Sanatorium Weilmünster Einweisung in den 1930iger Jahren Ermordet 24. 01.1941 in der Gaskammer in Hadamar in das St. Josefs-Haus in Elz Ermordet 07.03.1941 in der Gaskammer in Hadamar Elisabeth Belz wurde am 17. Januar 1912 ter von acht Jahren eine Hirnhautent- in Friesenheim, einem Ortsteil von Lud- zündung. Dadurch wurde sie geistig be- wigshafen, geboren. Ihr Vater war der hindert. Im Laufe der nächsten Jahre war Stuckateurmeister Albert Belz, ihre Mut- Elisabeth in verschiedenen Kliniken und Das Standesamt O enbach am Main Polen am 1. September 1939 und ter die Hausfrau Maria Belz, geb. Janz. Einrichtungen. Immer wieder versuchte verzeichnet für den 10. Mai 1888 die damit der Kriegsbeginn markierte eine Die Eltern stammten aus Schwickershau- die Familie Belz, Elisabeth bei sich aufzu- Geburt der Margaretha Ernestine Meyer. Zäsur in der Anstaltsp ege. Ehemalige sen und waren aus beru ichen Gründen nehmen, das gelang jedoch nicht auf Dau- Später wurde sie Margarethe genannt. Heilanstalten, darunter auch Hadamar, nach Friesenheim gezogen. er. Die Doppelbelastung für die Mutter Am 10. Oktober 1913 heiratete diese den wurden geräumt und zum Reservelazarett 1913 verunglückte Albert Scholz und Maria mit der P ege ihres schwerkran- zweieinhalb Jahre jüngeren Postscha ner umgewandelt. Margarethe Du y wurde war dadurch querschnittsgelähmt. Da er ken Mannes und der Tochter Elisabeth Josef Du y (*12. Juli 1890) aus Camberg. am 28. September 1939 in die Anstalt keine Rente bekam, zog die Familie nach war nicht zu verkra en. Mehrere Ange- Zuvor, am 18. Januar 1913, hatte sie in Herborn verbracht. Dort lebte sie unter Schwickershausen zurück. Peter Wenz, bote der Behörden, Elisabeth dauernd bei Frankfurt eine Tochter geboren, die den unmenschlichsten Bedingungen in einer ein 1930 pensionierter Justizamtmann, sich aufzunehmen, scheiterten deshalb. Vornamen der Mutter erhalten hatte. überfüllten Einrichtung. Am 7. März nahm die mittellose Familie in sein Haus Hinzu kam ab 1930 die Ablehnung des Der am 29. Juli 1915 geborene Sohn 1941 wurde sie in die zwischenzeitlich in der Weilstraße 18 auf. Durch Umbe- Hauseigentümers Peter Wenz, Elisabeth Peter verstarb am 2. Januar 1916 im zur Tötungsanstalt umgebaute Anstalt nennungen der Straßennummern ist Belz bei sich im Haus zu ertragen. Am 30. Säuglingsalter. In den Jahren 1918 und Hadamar transportiert und in der dortigen dies heute das Haus Nr. 26. Peter Wenz September 1938 wurde Elisabeth wieder 1920 wurden die Söhne Aloysius und Gaskammer ermordet. Unter Angabe lebte hauptsächlich in Köln und kam nur in die Landesheilanstalt Hadamar aufge- Anton Du y in Camberg geboren. Die der Todesursache „Lungentuberkulose“ im Spätsommer nach Schwickershausen. nommen. Später kam sie in die Landes- Familie lebte zunächst in der Hirten-, wurde den Angehörigen ein gefälschtes Als Gegenleistung für das unentgeltli- heilanstalt Herborn. Von dort gelangte sie dann in der Bächelsgasse, in wirtscha lich Todesdatum und als Sterbeort Pirna- che Wohnen musste die Familie Belz mit 49 weiteren Patienten am 24. Januar schwierigen Verhältnissen, da der Vater Sonnenstein mitgeteilt. In den 60iger das Haus in 1941 in die Landesheilanstalt nach Hada- erwerbsunfähig war. Aufzeichnungen der Jahren strengte die Familie der Ermordeten Ordnung hal- mar und wurde noch am gleichen Tag in Enkelin von Margarethe Du y belegen, ein Entschädigungsverfahren nach ten und Peter der Gaskammer ermordet. dass sie in den 30er Jahren depressive dem Bundesentschädigungsgesetz an, Wenz versor- Die Todesnachricht kam am 11. Februar Verhaltensweisen zeigte, was nach das negativ beschieden wurde. Erst gen, wenn er 1941 von der Landesanstalt Hartheim bei einem „Nervenzusammenbruch“ ihre Jahrzehnte nach der Ermordung wurde sich in Schwi- Linz in Österreich. Es war eine Fälschung Unterbringung im St. Josefshaus in Elz den Angehörigen von Margarethe Du y ckershausen des NS-Regimes. Es wurde behauptet, erforderlich machte. Aus ungeklärten der tatsächliche Ort ihrer Ermordung a u  i e l t . Elisabeth sei überraschend an einer Nie- Gründen wurde Margarethe Du y am durch die beharrliche Recherche ihrer renbeckenvereiterung mit nachfolgender 8. April 1936 in die Landesheilanstalt Enkelin bekannt. Elisabeth Belz Sepsis gestorben. Hadamar verlegt. Der Überfall auf bekam im Al- 8 Haus in der Weilstraße, in dem Familie Beltz wohnte 9 Verlegungsort Verlegungsort Frankfurter Straße 38 24 22 Frankfurter Straße 38 Bad Camberg 23 Bad Camberg

Gustav Eschenheimer Eugen Eschenheimer Geburt 19.04.1865, Esch, Taunus Geburt Flucht 1937 nach Rotterdam, 12.12.1900, Esch, Taunus später Naarden, Wohnorte Esch, Camberg, Bruchsal, Rotterdam, Deportation 14.08.1943 Rotterdam-Hillegesberg nach Westerbork später Naarden Ermordet 09.03.1943 in Auschwitz Ermordet 17.09.1943 in Auschwitz Jeanette Eschenheimer Geburtsdatum 18.05.1865, Singhofen Flucht 1937 nach Rotterdam, Nach seiner schulischen und später kauf- Seit 1941 wurden die deutschen und auch später Naarden, Amsterdam männischen Ausbildung verließ Eugen in die niederländischen Juden immer mehr Gustav Eschenheimer wurde in Deportation 29.05.1943 nach Westerbork den frühen 1930er Jahren Camberg und der Diskriminierung und Verfolgung aus- Esch geboren. Seine Eltern Feist Ermordet 23.07.1943 in Sobibor Eschenheimer und Gretechen wurde erfolgreicher Kau ausmanager des gesetzt. Ab Juli 1942 setzten die Deporta- betrieben Viehhandel und Land- „Bijenkorf“ in Rotterdam. Eine Kau aus- tionen ein. Es wird berichtet, dass Eugen wirtscha und hatten eine Metz- Die zunehmende Repression, das Verbot kette, die bis heute besteht. plante, bei einer nicht-jüdischen Familie gerei. einer einträglichen Geschä stätigkeit, Es ging ihm wirtscha lich sehr gut, 1935 auf dem Lande unterzutauchen. Der Plan auch der Wegzug der Kinder veranlassten lud er seine Verwandtscha zu einem Be- wurde aber vereitelt. Eugen wurde mit Gustav heiratete Johannette (Jea- das Ehepaar, ihr Anwesen zu verkaufen. such ein, wo sie sein Motorboot und das Frau, Sohn und den Eltern Gustav und nette) Goldschmidt. Er führte in Die Ausreise des Ehepaars nach Holland schöne dreistöckige Haus an einer der Jeanette Eschenheimer einen Tag zuvor Esch, später unterstützt durch zu ihrem Sohn Eugen ist für den 20. März Grachten im Zentrum Rotterdams bestau- von der Gestapo verha et, im Konzentra- zwei seiner neun Kinder, einen 1937 aktenkundig. Später zog die Familie nen konnten, das er mit Ehefrau Lucie, geb. tionslager Westerbork interniert und spä- Viehhandel und eine Metzgerei. (Gustav, Jeanette, Eugen, Lucie und Felix) Heinsheimer bewohnte. Am 5. April 1936 ter deportiert. 1917 siedelte die Familie nach Camberg in die Van Ostadelaan 7, Naarden. wurde ihr Sohn Sohn Felix Peter geboren. Nach dem Kriege wurde der Familie Ber- über, wo sie in der Frankfurter Straße Jeanette wurde am 29. Mai 1943 inhaf- Nach der Besetzung der Niederlande durch thold Eschenheimer berichtet, dass Eugen (heute Nr. 38) eine Metzgerei betrieb. Es tiert und bis 20. Juli 1943 im Sammella- die Wehrmacht schützte ihn zunächst ein noch im Frühjahr 1943 im Konzentrati- gab je eine Verkaufstheke für koscheres ger Westerbork festgehalten. Von hier aus Dokument, welches ihn als „wirtscha lich onslager Bergen-Belsen gesehen worden Fleisch und nichtkoscheres Fleisch. brachte man sie am 20. Juli 1943 ins Ver- unentbehrlich“ einstu e. sei, aber an Typhus litt. Am 2. August 1933 wurden jüdische und nichtungslager, Sobibor. Am 23. Juli 1943 Er wurde am 9. März 1943 in Auschwitz politisch andersgesinnte Camberger von wurde sie hier ermordet. ermordet. Nazis überfallen. Laut Familientradition Sohn Eugen hatte geplant, in den Unter- Lucie Heinsheimer und Sohn Felix konnte der wehrha e Gustav sich und grund zu gehen, wurde aber mit Frau, seine Familie mit seinem Metzgermesser Sohn und Vater von der Gestapo verhaf- Kinder gegen die Eindringlinge verteidigen. tet. Vom Sammellager Westerbork wur- von de Gustav am 14. September 1943 nach Jeanette 1936 besuchte das Ehepaar den und Gustav Sohn Berthold in Palästina, kehr- Auschwitz transportiert, wo er vermut- Eschenheimer te trotz der Warnungen der Familie lich am 17. September ermordet wurde. 1919. aber wieder nach Camberg zurück. Nach 1945 lebten nur noch zwei der neun Greta, Julius, Kinder, Berthold und Erna. Ludwig, Max, Felix, Albert, Eugen, Berthold 10 und Erna (v.l.) 11 Verlegungsort Verlegungsort Limburger Straße 29 25 26 Limburger Straße 29 Bad Camberg Bad Camberg

Erna Heymann

Geburt 24.07.1886, Hanau Louis Heymann Flucht nach Frankfurt, Mittelweg 48 Deportation 01.09.1942  eresienstadt Geboren 21.10.1879, Camberg Ermordet 14.03.1944 in  eresienstadt Flucht nach Frankfurt (vor 1938), Mittelweg 48 Deportation 01.09.1942  eresienstadt Ermordet 25.01.1943 in  eresienstadt Eine detaillierte Liste der Wohnungsein- Als letzte Adresse der Eheleute wird richtung, der Kleider und Schmuckstücke Frankfurt, Mittelweg 48/EG angegeben. des Ehepaars in den sogenannten Devi- Von dort wurde Louis Heymann am senakten im Hessischen Hauptstaatsar- 1. September 1942 im Alter von 62 Jahren chiv ergibt einen Wert von 16.160 RM. bei der achten großen Deportation aus Louis Heymann war der Sohn des Reli- Louis und Erna Heymann müssen vor Am 30. September 1942 wurde das Ver- Frankfurt zusammen mit seiner Ehefrau gionslehrers Ferdinand Heymann und 1938 Camberg verlassen haben, denn mögen des Ehepaars Heymann eingezo- in das Durchgangs- und Konzentrati- seiner Frau Rebecka geb. Danzig, der in der Liste der Anträge auf Namens- gen. Begründung: „Evakuierung nach onslager  eresienstadt verschleppt, wo von Hadamar kommend, im Dezem- änderung nach dem Gesetz vom 17. dem Osten“. er vier und sie knapp 19 Monate später ber 1872 von der Kultusgemeinde in August 1938 wird als Wohnort Frank- starben. Camberg angestellt wurde. furt angegeben. Die Familie Heymann lebte in der Das Ehepaar lebte o enbar in be- kleinen jüdischen Schule in der Hain- scheidenen Verhältnissen, wurde vom straße. Um etwas mehr Platz für seine Bruder der Ehefrau, Max Schwab aus Familie zu bekommen, wurde in der Hanau, nanziell unterstützt, was aber jüdischen Schule 1880/81 die Stadt- nicht ohne Streitigkeiten ablief. Todesfallanzeige mauer entfernt. 1891/92 lebte er mit Louis Heymann erhielt zu dieser Zeit Louis Heymann 7 Personen in den sehr beengten Ver-  eresienstadt monatlich 52 Mark von der Invaliden- hältnissen. versicherung und 40 Mark von seinem Ferdinand Heymann, seine Frau Re- Schwager. Max Schwab war der Mei- becka und die Tochter  ekla sind auf nung, dass sich Heymann auch von dem neuen jüdischen Friedhof beer- seinem Bruder in New York nanziell digt. unterstützen lassen könne. Dies An- Louis Heymann war Kriegsteilnehmer sinnen lehnte Louis Heymann aber ab. im 1. Weltkrieg. Abbildung links oben: Ansicht jüdische Schule 1880 Louis Heymann wurde hier 1879 geboren, sein Vater war Lehrer und wohnte mit seiner Familie in dem kleinen Haus in der Hainstraße

12 13 Verlegungsort Verlegungsort Limburger Straße 29 28 27 Limburger Straße 29 Bad Camberg Bad Camberg 29

Otto Heyum Therese Heyum

Geburt 14.10.1902, Rückershausen, Geburt 28.01.1906, Frickhofen Untertaunuskreis Flucht 14.02.1940 nach Brüssel/Belgien Flucht 07.07.1939 nach Brüssel, Interniert Caserne Dossin in Malines-Mechelen Rue Berkmans 104, Belgien Deportation 25.08.1942 nach Auschwitz Interniert Caserne Dossin in Malines-Mechelen Ermordet 24.09.1942 in Auschwitz Deportation 25.08.1942 nach Auschwitz Ermordet in Auschwitz, Datum nicht bekannt

Heinrich Kaiser Otto Heyum zog am 16.03.1930 von  erese Heyum wurde am 05. Juni 1940 Geburt 19.03.1876, Frickhofen Rückershausen nach Camberg. Von Be- von der Devisenstelle des Ober nanzprä- lebte bis 1940 in Limburg ruf war er Viehhändler. Er wohnte mit sidenten von ihrem gesperrten Vermögen Flucht 12.01.1940 Umzug nach Camberg, seiner Frau  erese Heyum in der Lim- ein monatlicher Freibetrag von 150 RM später nach Frankfurt, Unterlindau 74 burger Straße 57 (heute 29). Am 30. April gewährt. Sie war zu diesem Zeitpunkt Deportation 19.10.1941 Lodz/Litzmannstadt Meldekarte Heinrich Kaiser 1935 wurde ihr Sohn Simon geboren, der aber schon nach Belgien umgezogen, wie Ermordet in Lodz/Litzmannstadt, der Brie räger auf der Rückseite des Brie- 12.01.1940 aber schon einen Tag später starb. Datum nicht bekannt Stadt Camberg In der PogromnachReginet wurde ihre fes notierte. Wohnungseinrichtung beschädigt. Aus Ottos Schwester Regine, geboren am den Akten im Hauptstaatsarchiv in 7. November 1873 in Erbach/Rheingau, Heinrich Kaiser wurde 1876 in Frickhofen Wahrscheinlich zog er kurz danach nach geht hervor, dass das Ehepaar war mit dem Viehhändler Hermann Lö- geboren. Seine Familie lebte in Limburg. Frankfurt. Von dort wurde er am 19. Ok- über einen großen Hausstand verfügte. wenthal verheiratet. Das Ehepaar wohnte Er betrieb eine Pferde- und Viehhandlung. tober 1941 bei der ersten großen Deporta- In der Inventarliste sind eine Vielzahl mit der behinderten Tochter Irma in der Seine Frau Emma geb. Wurzinger, starb am tion aus Frankfurt in das Ghetto Lodz ver- von Haushaltsgegenständen sowie Wä- Limburger Straße 45. Die Familie wurde 31. August 1926 in Limburg im Alter von 51 schleppt, wo er ums Leben kam. sche und Kleidung verzeichnet. auch in der Schoah ermordet. Für Her- Jahren. In Limburg gehörte er dem Israeli- Seine Kinder Siegbert Kaiser,  erese mann, Regine und Irma Löwenthal wur- Im Februar 1939 beantragte Otto Heyum tischen Männer-Wohltätigkeitsverein und Heyum und Karola Schnurmann waren den 2014 Stolpersteine verlegt. die Ausstellung eines Reisepasses zur der Ortsgruppe Limburg im Reichbund jü- ebenfalls Opfer des Holocaust. Auswanderung in die USA. Der Kreislei- Der Vater von Otto Heyum, Jakob discher Frontsoldaten an. ter der NSDAP genehmigte am 17. Febru- Heyum, geboren am 14. Juli 1875 in Er- Im Januar 1940 zog er nach Camberg zu ar 1939 die Ausstellung eines Reisepasses bach Rheingau, zog am 15. Juni 1934 von seiner Tochter  erese Heyum (Limburger zur endgültigen Auswanderung. Am 5. Rückershausen nach Camberg zu sei- Straße 57, heute 29). Am 27. Februar 1940 April 1939 erklärte Otto Heyum schri - nem Sohn. Er starb am 21. Juni 1937 in schrieb er von Camberg aus an die Devisen- lich, dass er nach vollzogener Auswan- Camberg und wurde auf dem Friedhof in stelle (Ober nanzdirektion) in Frankfurt, derung nicht mehr nach Deutschland Camberg beerdigt. um den Transport des Hausstandes seiner zurückkehren werde. Tochter und seines Schwiegersohnes zu er- möglichen.

14 15 Verlegungsort Verlegungsort Frankfurter Straße 34 19 14 Limburger Straße 113 Bad Camberg Bad Camberg-Erbach

Arnold Krings Anton (Toni) Hollingshaus Geburt 18.12.1898 in Camberg

Geburt 08.09.1905 Erbach / Ts. Erste Einweisung 1924 Landesheil- und P egeanstalt auf dem Eichberg im Rheingau Eingewiesen 21.09.1934 in die Landesheilanstalt Hadamar Ermordet 03.02.1941 Ermordet 31.01.1941 in der Gaskammer in der Gaskammer in Hadamar Hadamar

Arnold Krings wurde am 18. Dezem- 1927 wurde Arnold Krings in die St. ber 1898 als erstes Kind von Katharina Josephsanstalt in Hadamar verlegt. Die Der Schuhmacher Anton Hollingshaus ler der Anstalt be ndliche Gaskammer Krings geb. Stumpf, und Alban Krings in signi kante Verschlechterung seines see- wurde am 08. September 1905 in Erbach geschickt und ermordet. Der 31. Januar Camberg geboren. Dort betrieb sein Va- lischen Gesundheitszustandes erforderte geboren. Er unterhielt zeitweise eine 1941 ist daher als der Todestag von An- ter eine Kolonialwarenhandlung. Arnold 1937 die Verlegung in die Anstalt Herborn. Schusterei in der Hofgnadenthalstraße. ton Hollingshaus zu betrachten. In der Krings wurde eine normale Entwicklung Im Jahr 1938 endete n die regelmäßigen Am 16. August 1928 heiratete er Minna o ziellen Nachricht wurde der Familie in Kindesalter und Schule bescheinigt. Im Eintragungen in der Krankenakte. Dies ist Knoll. Das Ehepaar hatte zwei Kinder. der 9. Februar 1941 als Sterbetag und Jugendalter sollen sich erste Au älligkei- als Beleg für die systematische Unterlas- Aufgrund einer Kopfverletzung, die der Todesort Heil- und P egeanstalt ten im Verhalten gezeigt haben. Nach Ab- sung von P egemaßnahmen unter den Be- er sich als Kind beim Schlittenfahren Bernburg mitgeteilt. Als Todesursache schluss der Schulausbildung ging Arnold dingungen der NS-Rassenpolitik anzuse- zuzog, erkrankte er und konnte seinen wurde Wundinfektion mit Blutvergif- Krings nach Köln, um eine kaufmänni- hen. Für den 28. Januar 1941 wurde in der Beruf nicht mehr ausüben. Die NSDAP tung angegeben. Das damals o ziell sche Lehre zu absolvieren. Diese Ausbil- Krankenakte vermerkt, der Zustand von Kreisleitung drohte ihm darau in im mitgeteilte Todesdatum und auch der dung musste er aufgrund erheblicher, von Arnold Krings sei unverändert. Für den Februar 1934 mit der Einweisung in ein Sterbeort wurden gefälscht, um Ange- ihm verursachter Di erenzen mit dem 3. Februar 1941 wurde seine „Entlas- Konzentrationslager oder Arbeitshaus. hörige und Behörden zu täuschen. Die Dienstherrn vorzeitig beenden. Fortan ar- sung“ auf dem Aktendeckel vermerkt. Auf Betreiben des Erbacher Bürger- Urne wurde in Wiesbaden beigesetzt. beitete er im elterlichen Geschä . Arnold Tatsächlich wurde Arnold Krings an meisters Willi Litzinger wurde er am 21. Da Urnen damals normalerweise noch Krings, Soldat des 1. Weltkrieges, war zeit- diesem Tag aus Herborn mit weite- September 1934 in die Landesheilanstalt nicht katholisch beerdigt werden durf- weilig zur Beobachtung in einer Heilan- ren 74 Menschen in die Tötungsan- Hadamar eingewiesen. Als die Anstalt ten, trug der Kaplan der St. Bonifatius- stalt untergebracht. Eine Traumatisierung stalt Hadamar verbracht und in der zur Einrichtung eines Reservelazaretts kirche ins Totenbuch ein: „Ohne seine infolge von Kriegserlebnissen ist hierbei dortigen Gaskammer ermordet. geräumt werden musste, wurde Herr Einwilligung eingeäschert“. So wurde nicht auszuschließen. Im September 1924 Hollingshaus am 16. Januar 1940 in die ein kirchliches Begräbnis möglich. wurde er aufgrund von „Reizzuständen“ Landesheilanstalt Weilmünster verlegt. in die Heilanstalt Eichberg bei Eltville ge- Von dort gelangte er in einem Transport bracht. Von dort bemühte er sich brie ich mit 68 weiteren Patienten am 31. Janu- um Ausgleich mit seinem Vater. Die Bezie- ar 1941 nach Hadamar. Meist wurden hung zu ihm war kon iktbeha et. die Patienten eines solchen Transports Abbildung oben: Liste der „Kleider und sonstige Sachen“ 1924, noch am Tag der Ankun in die im Kel- Landes Heil- und P egeanstalt Eichberg In diesem Kolonialwarengeschä in Camberg arbeitete 16 Arnold Krings bei seinem Vater Alban Anfang der 1920iger Jahre. 17 Verlegungsort Verlegungsort Neumarkt 1 15 16 Neumarkt 1 Bad Camberg Bad Camberg

Josef Hollingshaus

Franz Hollingshaus Geburt 21.10.1914 in Camberg. Einweisung 14.04.1944 Landesheilanstalt Weilmünster Geburt 26.01.1921 in Camberg. Ermordet 05.09.1944 Landesheilanstalt Weilmünster Einweisung 14.04.1944 Landesheilanstalt Weilmünster Ermordet 25.09.1944 Landesheilanstalt Weilmünster

ten „Wilden Euthanasie“ geworden, denn Die Mutter und erste Ehefrau des Vaters, Gedenkstätte der trotz Stopps der zentral gelenkten Euthana- Anna geb. Herber, wurde am 5. November Vitos Weil-Lahn-Klinik in Weilmünster sie („Aktion T 4“) ging die Ermordung kör- 1887 geboren und starb am 13. März 1944. perlich und geistig Behinderter fast unge- Nach dem Tod der Mutter wurden die hindert weiter. Söhne vom Gesundheitsamt Camberg am 14. April 1944 in die Heilanstalt Weilmüns- Franz Hollingshaus wurde am 26. Januar Vom Klinikum Weilmünster war 2007 Über die Familie von Franz und Josef ter eingewiesen. 1921 in Camberg geboren und wohnte in zu erfahren, dass es keine Patientenakten Hollingshaus ist bekannt, dass der Vater, Erbach in der jetzigen Limburger Stra- mehr gibt. Als die Gebrüder zu Tode ge- Josef Hollingshaus, am 19. März 1885 gebo- ße 113. Am 14. April 1944 wurde er in bracht wurden, war die Tötungsmaschi- ren wurde und am 11. September 1959 starb. die Landesheilanstalt Weilmünster ein- nerie in Hadamar bereits gestoppt wor- gewiesen, wo er am 25. September 1944 den. In Weilmünster starben in dieser ermordet wurde. Er ist nur 23 Jahre alt Zeit bis zu 20 Personen täglich, größten- Gedenkstätte der Vitos Weil-Lahn-Klinik in Weilmünster geworden. teils durch Verabreichung von Luminal, Sein Bruder Josef, geboren am 21. Ok- verbunden mit dem planmäßigen Entzug tober 1914 in Camberg, wohnte dort von Lebensmitteln. Insofern kann man im Haus Neumarkt 1. Er wurde eben- von einer Ermordung durch Verhungern falls am 14. April 1944 in die Landes- lassen sprechen, begleitet von entspre- heilanstalt Weilmünster eingewiesen chend tödlichen Medikamentengaben. und dort nach 5 Monaten am 05. Sep- Nach Aussage des Klinikums Weilmüns- tember 1944 ermordet – mit 30 Jahren. ter sind die Brüder Opfer der sogenann-

18 19 Verlegungsort Verlegungsort Obertorstraße 39 3 2 Obertorstraße 39 Bad Camberg Bad Camberg

Adolf Kahn Dora Kahn

Geburt 15.10.1884, Stein schbach Geburt 03.06.1885, Nievern Deportation ab Camberg am 10.06.1942 Deportation ab Camberg am 10.06.1942 über Frankfurt am Main über Frankfurt am Main weiter am 11.06.1942 11.06.1942 nach Sobibor nach Majdanek oder Sobibor Ermordet für tot erklärt 31.12.1942 Ermordet für tot erklärt 31.12.1942

Das Ehepaar Adolf und Dora Kahn, geb. Die Situation der in Deutschland le- warteten tagtäglich auf die Einreiseunter- von Frankfurt aus im Sammeltransport in Mainzer, wohnte mit den beiden Töch- benden Juden verschlechterte sich ab lagen, die ihnen von ihren Kindern zuge- ein Vernichtungslager im Osten (Majdanek tern Irene und Henny sowie dem Sohn 1938 durch eine Flut von Gesetzen und sandt werden sollten. Die Auswanderung oder Sobibor) verschickt. Alex im Dombacherweg 17 in Camberg. Bestimmungen zunehmend. Es gelang gelang jedoch nicht. Da der genaue Todestag unbekannt ist, Sie besaßen ein bescheidenes kleines dem Ehepaar Kahn, ihre drei Kinder Das Ehepaar wurde mit anderen jüdischen wurden sie mit Datum 31. Dezember 1942 Wohnhaus mit Stall und Hausgarten rechtzeitig bei Verwandten im Ausland Bürgern am 10. Juni 1942 an den Bahnhof für tot erklärt. im Verkehrswert von 4.000 Reichsmark. unterzubringen. Dora und Adolf Kahn Camberg gebracht und am 11. Juni 1942 Adolf Kahn war Ziegenhändler. stellten spätestens im Frühjahr 1939 Während des Novemberpogroms am 9. über das Landratsamt bei der zustän- November 1938 wurden die Wohn- und digen Staatspolizeistelle in Frankfurt Geschä shäuser von etlichen jüdischen einen Antrag auf Auswanderung. Ziel Bürgern überfallen, geplündert und de- sollte die USA sein. Seit einigen Jahren moliert; gleichzeitig wurden jüdische lebten die Töchter Irene und Henny in Bürger, die sich nicht rechtzeitig in Si- New York, während der Sohn Alex in cherheit bringen konnten, bedroht bzw. Kanada Zu ucht suchte. Die Zu uchts- angegri en. Bei Familie Kahn wurden länder machten die Einreise jedoch von Möbel und Gebrauchsgegenstände zer- Bürgscha en abhängig, die jeweils von schlagen oder auf die Straße geworfen. Bürgern des Aufnahmelandes gestellt Herr und Frau Kahn wurden in der werden mussten. Herr Kahn musste auf- Pogromnacht verha et. Während Dora grund des komplizierten Verfahrens die Kahn einen Monat später wieder nach- ihm gesetzte Frist für die Auswanderung hause zurückkehren konnte, blieb Adolf insgesamt 13 Mal verlängern. Auch die Adolf und Dora Kahn Kahn bis zum 10. Februar 1939 im Kon- Tatsache, dass er Kriegsbeschädigter mit ihren Kindern zentrationslager Buchenwald inha iert. war, kam ihm nicht zugute. Die Eheleute Alex, Irene und Henny 20 21 Verlegungsort Verlegungsort Mühlweg 14 17 13 Bahnhofstraße 12 Bad Camberg Bad Camberg

Ernst Löwenberg Daniel Levi Geburt 03.12.1899, Kamberg (Camberg) Geburt 05.02.1870, Sulzburg (Baden) Einweisung 28.04.1937 Bendorf Sayn Deportation ab Frankfurt am Main Deportation 22.03.1942 nach Izbica 18.08.1942 nach  eresienstadt Tod unbekannt und weiter am 25.08.1942 Maly Trostenec Postkarte der Jacoby‘schen Heil- und P egeanstalt Ermordet für tot erklärt 08.05.1945 am Ende der 1929iger Jahre

Ernst Löwenberg wurde am 3. Dezember „Kfm.“ (Kaufmann) verzeichnet. Als Di- 1899 in Kamberg (Camberg) geboren. Er agnose wird „Genuine Epilepsie“ und als Daniel Levi ist in Sulzburg (Baden) als die einen monatlichen „Freibetrag“ von wohnte bei seinen Eltern im Mühlweg 14. Maßnahme „DV“ (dauernde Verwahrung Sohn des Handelsmannes Salomon 150 Reichsmark genehmigte. Am 8. Mai Sein Vater hieß Moritz Löwenberg (ge- wegen Geisteskrankheit) angegeben. Am Levi und seiner Frau Jeanette Levi, geb. 1940 verzog er verfolgungsbedingt nach boren am 20. Oktober 1878 in Lengerich, 1. Juli 1937 wird als Diagnose „erbliche Kahn, zur Welt gekommen; am 23. Mai Frankfurt am Main in ein jüdisches Al- wahrscheinlich am 02. Februar 1937 in Fallsucht“ vermerkt mit dem Hinweis 1902 heiratete er Mathilde Levi, geb. tersheim in der Hans-Handwerk-Straße Frankfurt gestorben, Beerdigung in Cam- „Wird wegen Geistesstörung in der ge- Kahn. Die Ehefrau starb am 6. Februar 30 (heute Lange Straße). berg am 04. Feburar 1937), seine Mutter schlossenen Anstalt verwahrt“. 1936 in Camberg und ist dort auf dem Von dort wurde Daniel Levi am 18. Mathilde Löwenberg geb. Dreifuß, (gebo- Ernst Löwenberg wurde am 22. März 1942 neuen jüdischen Friedhof bestattet. Sein August 1942 im Alter von 72 Jahren ren am 28.02.1874 in Rockenhausen, ge- mit dem 1. Transport in das polnische Ghet- Sohn Albert wurde am 20. April 1908 in bei der siebten großen Deportation aus storben am 13.04.1937 in Camberg). Mo- to Izbica deportiert. In dem Zug befanden Camberg geboren, ihm gelang 1937 die Frankfurt in das Durchgangslager und ritz Löwenberg war Kaufmann und hatte sich neben 337 Juden aus – darun- Flucht in die Vereinigten Staaten. Ghetto  eresienstadt und von dort am ein Manufaktur- und Konfektionsgeschä ter 84 jüdische Insassen der Heilanstalten Vor der Heirat lebte Daniel Levi in 25. August 1942 nach Maly Trostenec in der Frankfurter Straße in Camberg. Er in Bendorf-Sayn – noch Personen aus wei- Frankfurt. Die Familie besaß ein Haus (Vernichtungslager) nahe dem Ghet- war auch Gastgeber für Kurgäste. teren rheinischen Städten. Am 24. oder 25. in Limburg, Fahrgasse 2, und ein zwei- to Minsk verschleppt, wo er ermordet Ernst Löwenberg war, wie man damals März kam der Zug in Izbica an. Die Insas- stöckiges im Geburtsort der Ehefrau in wurde. Sein Todesdatum wurde auf den sagte, „nervenkrank“. Bei Sonderaktio- sen des Zuges wurden nach ihrer Ankun Camberg, Bahnhofstraße 12, wo Daniel 8. Mai 1945 festgesetzt. nen in Camberg der Nazis wurde er sehr in Izbica als „Transport III“ registriert. Sie Levi eine Ziegenhandlung betrieb. Eine Auf dem Grabstein seiner Frau auf dem schwer verletzt. Auch sein Vater hatte un- konnten noch eine Zeit lang, vermutlich Wohnung war vermietet. Durch den er- neuen jüdischen Friedhof wurde nach ter den brutalen Ausschreitungen sehr zu etwa 3 bis 4 Wochen, durch Postkarten mit heblichen Umsatzrückgang infolge der Kriegsende, möglicherweise auf Veran- leiden. ihren noch nicht deportierten Angehörigen Boykotte seit 1933 war er gezwungen, lassung des als amerikanischer Soldat in Verbindung treten. Das Ghetto Izbica sein Geschä aufzugeben. 1937 ver- Ernst Löwenberg kam nach den Tod zurückgekehrten Sohnes, die Nachricht entwickelte sich zu einem Durchgangslager kau e er seine Liegenscha in Camberg der Eltern am 28. April 1937 in die Jaco- von seiner Ermordung eingraviert. für die Vernichtungsstätten Sobibor und an die Witwe Maria Hess. Laut „Siche- by’schen Heil- und P egeanstalt in Ben- Daniel Levi ist damit das einzige Cam- Belzec. Von Ernst Löwenberg gab es keine rungsanordnung“ vom 17. November dorf-Sayn (auch Israelitische Kuranstalten berger Holocaust-Opfer, an das ein Nachrichten mehr. Sein Todesdatum lässt 1939 unterlag das Vermögen von Levi Sayn für Nerven- und Gemütskranke) bei Grabstein erinnert. sich nicht ermitteln. der Kontrolle durch die Devisenstelle, Koblenz. In den Akten ist sein Beruf mit

22 23 Verlegungsort Verlegungsort Neumarkt 11 4 5 Neumarkt 11 Bad Camberg Bad Camberg

David Liebmann Johanna Liebmann

Geburt 06.03.1879, Bonbaden Geburt 18.07.1879, Camberg Deportation ab Camberg 10.06.1942 Deportation ab Camberg 10.06.1942 über Frankfurt Main über Frankfurt am Main weiter am 11.06.1942 nach weiter am 11.06.1942 nach Sobibor Sobibor o. Majdanek Tod Ermordet in Sobibor Tod Ermordet im besetzten Polen

Das Ehepaar wohnte im Elternhaus von Es soll auch nicht vergessen werden, was des Gauleiters Sprenger, Frankfurt (Main), Liebmann wurde zuletzt mit seiner Ehefrau Frau Liebmann. Johanna Liebmanns unser Camberger Mitbürger Paul Reich- auf Nimmerwiedersehen nach Frankfurt auf ihrem Abtransport ins Vernichtungsla- Vater war Jachiel Oppenheimer, der mann, Friseurgeschä , Strackgasse 21, abgeführt. Am Abend vorher setzte man ger am 11. Juni 1942 von einer in Frankfurt 1901 für die Anlage eines Turnplatzes damals Adolf-Hitler-Straße, erleben sie davon in Kenntnis, dass sie morgen früh am Main wohnha en Cambergerin am die ersten Schritte mit einer Spende von musste und für Oberstaatsanwalt Wolf, Camberg verlassen müssten. In der Nacht Ostbahnhof gesehen. 950 Mark für 119 Ruten unternahm. In Limburg/Lahn, am 12. Dezember 1953 bewachte man das Haus von Liebmann. Der Sohn Julius Liebmann geb. 10. Juli 1908 Camberg blieb er mit seinem o genann- niedergeschrieben hatte: „Ich selbst war Am nächsten Morgen erschien schon früh- in Camberg, wohnha in Fulda wanderte ten Vornamen, der Jachiel, in Erinne- vom 19. Juni bis 10. Juli 1942 zu einer zeitig ein Gendarm bei Liebmann. Dann mit seiner Frau Klara und Tochter Gertrud rung. David Liebmann war Viehhändler, Gefängnisha , die ich in Frankfurt/M. stellte sich ein Camberger Parteigenosse 1941 über Liverpool nach New York aus. hatte eine kleine Metzgerei. verbüßte, verurteilt, weil ich in Camberg und eine -genossin ein. Liebmann und sei- Tochter Flora Goldschmidt geb. Liebmann, 1936 wurde er von Landrat Dr. Karl mit einem Juden, David Liebmann, ein ne Frau mussten sich vollständig ausziehen, geboren am 16. Mai 1909 in Camberg, ge- Uerpmann für die Dauer von 6 Jahren paar Worte ausgetauscht hatte und die worauf all ihre Kleider untersucht wurden, lang die Flucht nach Tel Aviv. nach Anhörung des Bezirksrabbinats, Frau des damaligen Bürgermeisters La- um festzustellen, ob sie nichts versteckt hat- zum letzten Vorsteher der Israelitischen waczeck mich dabei gesehen und ange- ten. Nur 10 Mark und eine Kleinigkeit zum Kultusgemeinde Camberg ernannt und zeigt hatte. Die während der Ha erlitte- Essen dur en sie mitnehmen. Es war ein auf dem hiesigen Bürgermeisteramt ver- nen Misshandlungen habe ich bis heute trauriges Bild, als sie fortgingen. Frau Lieb- Das Haus der Familie Liebmann nach der Pogromnacht 1938 p  i c h t e t . nicht vergessen.“ mann weinte bitterlich und bekam einen Am 9. November 1938, in der Pogrom- Das Ehepaar Liebmann musste Cam- Gallensteinbrechreiz. Von Haus und Hof nacht, wurde das Wohnhaus der Familie berg am Mittwoch, 10. Juni 1942, ver- gejagt zu werden, nur weil sie Juden waren, im Anschluss an die Synagogenzerstö- lassen. Albert Schorn schreibt dazu war furchtbar. Ein Gendarm von Nieder- rung in Camberg schwer beschädigt und in seinem Buch „Cambergs Chronik und einer von Erbach brachten sie ausgeplündert. 1918–1945“: „Mit dem Zug 11.25 Uhr weg. Die Nachbarn, die diese traurige Bege- wurden David Liebmann und seine benheit miterlebten, sagten sich: „Wenn das Herr Liebmann und seine Frau sahen Frau, mit ihnen noch Juden aus Cam- sich nicht rächen wird, dann gibt‘s keinen weinend von der Ferne aus zu, wie ihr berg und Umgebung, auf Veranlassung Herrgott mehr!“ Hab und Gut zerstört wurde. 24 25 Verlegungsort Verlegungsort Limburger Straße 17 12 11 Limburger Straße 17 Bad Camberg Bad Camberg 10

Regine Löwenthal

Geburt 07.11.1873, Erbach/Rheingau Deportation ab Camberg 28.08.1942 über Frankfurt a. Main weiter am 01.09.1942,  eresienstadt Herrmann Löwenthal Ermordet 23.11.1942,  eresienstadt

Geburt 20.01.1867, Marienfels Deportation ab Camberg 28.08.1942 über Frankfurt am Main weiter am 01. 09.1942,  eresienstadt Irma Löwenthal Ermordet 24.12.1942,  eresienstadt Geburt 19.04.1908, Camberg Deportation ab Camberg 28.08.1942 über Frankfurt am Main weiter am 01.09.1942,  eresienstadt Hermann und Regina Löwenthal Außenstände. Bis zur Machtübernahme Ermordet 24.10.1942,  eresienstadt sowie deren behinderte Tochter soll er bei der Nassauischen Länderbank Irma wohnten bis 1939 in der in Camberg an Bargeld 100.000 Limburger Str. 45. Zunächst waren die Reichsmark deponiert haben; der Eheleute Eigentümer eines größeren Wert seiner Immobilie wurde mit Krankenhaus hielt sich auch zur gleichen zweistöckigen Hauses mit Bauplatz und 125.000 Reichsmark angegeben. Die Zeit Recha Oppenheimer auf. Hier erhielt Stallungen. Im Jahr 1937 verkau en sie Pogromnacht im November 1938 die Familie die Beschlagnahmeverfügung zwar das Objekt an die Eheleute  eodor überstand die Familie unbehelligt, für ihre inzwischen sehr ärmliche Woh- und Anna Lehmann, geb. Werkmeister, da sie zu diesem Zeitpunkt kein nungsausstattung. bewohnten aber in ihrem früheren Wohnungseigentum mehr hatte. 1939 Schon am 1. September 1942 deportierte Anwesen weiterhin zwei Zimmer und zog sie in die Obertorstraße 11, in das man die Familie in das Ghetto/KZ eine Küche im ersten Stock. ehemalige Wohn- und Geschä shaus  eresienstadt. Die Tochter Irma verstarb Herrmann Löwenthal war Viehgroß- von Frau Bertha Goldschmidt. dort am 24. Oktober 1942, Mutter händler. In den Jahren vor 1933 liefen Hermann, Regina und Irma Löwenthal Regina am 23. November 1942 und Vater seine Geschä e o enbar gut. Bis zum wurden am 28. August 1942 mit den Herrmann am 24. Dezember 1942. Beginn der Machtübernahme durch letzten noch im Kreis be ndlichen die Nationalsozialisten sollen seine Juden zunächst nach Frankfurt monatlichen Nettoeinnahmen bei etwa deportiert. Zwischenstation war ein 2.500 Reichsmark gelegen haben; dazu jüdisches Krankenhaus/Altenheim in Viehbestand, diverse Einrichtungen und der Rechneigrabenstraße 11. Im selben

26 27 Verlegungsort Verlegungsort Frankfurter Straße 32 6 7 Frankfurter Straße 32 Bad Camberg Bad Camberg

Hedwig May Moritz May

Geburt 07.11.1870, Nastätten Geburt 15.04.1865, Camberg Deportation 1938 unfreiwillig verzogen nach Frankfurt/Main Deportation 1938 unfreiwillig verzogen 15.09.1942  eresienstadt nach Frankfurt/Main 16.05.1944 Auschwitz Tod 01.01.1942 Ermordet im Mai 1945 für tot erklärt

Hedwig Leopold wurde am 7. November Jahr 1933 markiert eine Zäsur: Die Wirtscha sleben“ in Kra . Moritz May Friedhof beigesetzt. Hedwig May wurde im 1870 in Nastätten als Tochter des Umsätze in der Eisenwarenhandlung war gezwungen, das Ladengeschä samt Juli 1942 in das Frankfurter Ghettohaus in dortigen Kultusvorstehers und Stadtrats verringerten sich infolge des Boykotts Inventar und Wohnhaus zu verkaufen. der Gaußstraße 14 verwiesen, wo sie unter Julius Leopold geboren. Sie war mit jüdischer Geschä e. Durch die Eine Klausel im Verkaufsvertrag sah für erbärmlichen Bedingungen leben musste. dem am 15. April 1865 in Camberg „Arisierung“ des gesellscha lichen das Ehepaar ein Wohnrecht im ersten Am 15. September 1942 erfolgte ihre geborenen Kaufmann Moritz May Lebens wurden Menschen jüdischer Stock des Hauses vor. Dort ho en sie Deportation nach  eresienstadt. Hedwig verheiratet, der in der Frankfurter Straße Herkun aus Vereinen und Verbänden bleiben zu können. Moritz May hatte May wurde nach Auschwitz transportiert eine Eisenwarenhandlung betrieb. Am herausgedrängt. Eine schmerzliche dem neuen Besitzer angeboten, ihm in und dort zu einem unbekannten Zeitpunkt 14. Januar 1894 wurden sie Eltern einer Erfahrung für Hedwig und Moritz May, der Anfangsphase des Geschä sbetriebs ermordet. Die Tochter Irma May, verh. Tochter, die den Namen Irma erhielt. denen bürgerscha liches Engagement zu helfen – ein letzter Versuch, die NS- Fleischer, und ihr Ehemann Julius wurden Schilderungen der Lebensverhältnisse in ihrer Stadt ein Herzensanliegen Gesetzgebung zu umgehen. Nach den im Februar und März 1942 deportiert im Hause May sind in den war. Immerhin war Moritz May Novemberpogromen des Jahres 1938 und ermordet. Die vier Enkelkinder von Lebenserinnerungen der Enkeltochter Gründungsmitglied des am 26. Juni 1926 versuchten Moritz und Hedwig May in Hedwig und Moritz May überlebten den Sylvia Hurst, geb. Fleischer, überliefert. gegründeten Kur- und Badevereins, der Anonymität der Großstadt Frankfurt Holocaust nicht zuletzt auch durch die Das Ehepaar May war kulturell und sozial wodurch Camberg Kurstadt unterzutauchen. Sie bezogen eine Wohnung Weitsicht der Eltern, die dafür gesorgt engagiert und setzte sich insbesondere wurde und einen wirtscha lichen in der Guiollettstraße 59. hatten, dass die drei Älteren: Sylvia, Susan für die Camberger Taubstummenanstalt Aufschwung verzeichnen konnte. Die Moritz May, bereits schwer herzkrank, und Arnold mit einem Kindertransport ein, zu deren Bene zveranstaltung sie Umsatzeinbußen konnten über einen konnte sich an die erzwungene Untätigkeit nach England in Sicherheit gebracht werden alljährlich als Ehrengäste geladen waren. gewissen Zeitraum abgefangen werden, nicht gewöhnen. Das Verlassen der konnten. Richard, der Jüngste, überlebte Moritz May widmete sich in seiner allerdings war es den Großeltern Wohnung war ihm allerdings nicht mehrere Lager und schloss sich nach seiner freien Zeit gerne dem Klavierspiel. Über nicht möglich, ihre Enkelkinder vor möglich. Juden war es verboten, ö entliche Befreiung der Roten Armee an. Jahre hinweg war er Vorsitzender der den ö entlichen Anfeindungen der Parkbänke zu benutzen. Das Restvermögen jüdischen Kultusgemeinde in Camberg, HJ zu schützen. Die gebildete und des Ehepaars wurde 1940 durch die Hedwig May (rechts) mit ihrer Enkeltochter deren Belange er gegenüber den Gremien kulturell interessierte Hedwig May Ober nanzdirektion Kassel eingefroren. Susan auf dem Schoß, der der Stadt vertrat. Ein besonderes versuchte, diese Entgleisungen mit Monatlich wurde ihnen eine Summe Tochter Irma (stehend), Ereignis waren die alljährlichen „mangelnder Bildung“ zu erklären. Zum zugeteilt, über deren exakte Verwendung ihrem Vater Leopold und den Enkelindern Sylvia Besuche der Enkelkinder, die im Jahresende 1938 trat die „Verordnung Buch zu führen war. Am 1. Januar 1942 starb (mit Schleife) und Arnold Sommer aus Göppingen anreisten. Das zur Ausschaltung der Juden aus dem Moritz May. Er ist auf dem neuen jüdischen (links) 28 29 Verlegungsort Verlegungsort Frankfurter Straße 5 32 31 Frankfurter Straße 5 Bad Camberg Bad Camberg

Siegmund May Emma May Geburt 24.04.1879 Geburt 05.05.1874 Emigration nach Holland 1933 Flucht nach Holland 11.05.1939 Deportation 14.09.1943 von Westerbork (Holland) Deportation 10.12.1942 von Westerbork (Holland) nach Auschwitz nach Auschwitz 21.12.1943 Ermordet Auschwitz 17.09.1943 Ermordet Auschwitz 24.09.1943

Emma May war das älteste Kind von Seit 1937 betrieb sie ihre Auswande- (Markus) Mayer May und seiner Ehe- rung, beantragte in Camberg einen frau Juliane Mayer. Mayer May be- Pass. Aber erst am 11. Mai 1939 über- Als zweiter (überlebender) Sohn von Mar- Nachdem das Deutsche Reich die Nieder- trieb ein Textil- und Möbelgeschä in siedelte sie nach den Niederlanden. kus Mayer May und seiner Ehefrau Juliane lande besetzt hatte, begann die Jagd auf dem von ihm erworbenen Haus in der Unterkun fand sie wahrscheinlich bei Mayer aus St. Goar (nach Hermann, geb. ausgewanderte und einheimische Juden. Frankfurter Straße. Er war eine in der Bruder Siegmund und Schwager Gustav 11. August 1877) hatte Siegmund May Wen die Gestapo verha ete, wurde in das jüdischen und auch in der Zivilgemein- Droller im Hotel Hiegentlich in der kaum Aussicht, das väterliche Geschä in Sammellager Westerbork gebracht. Von de angesehene Persönlichkeit, z. B. als Hoogstraat 9/11 in Amsterdam. Am 4. Camberg zu übernehmen. Deshalb musste hier wurden sie in das ebenfalls besetzte Stadtverordneter oder als Mitglied des Juli 1940 zog sie in die Uitwaardenstraat er außerhalb eine Existenz gründen. Nach Polen deportiert, wo die Nazis ihre Ver- Kriegervereins, weil er am Frankreich- 86 I. den wenigen Nachrichten aus seinem Be- nichtungsmaschinerie betrieben. feldzug 1870/71 teilgenommen hatte. Wie in solchen Fällen üblich, wurde rufsleben betrieb er zusammen mit sei- Siegmund May wurde am 14. September Emma heiratete am 30. August 1899 ihr Vermögen staatlich überwacht. Sie nem Schwager Gustav Droller die Manu- 1943 nach Auschwitz transportiert. Als Daniel Otto Liebmann und zog nach musste für die Kosten ihrer Auswan- fakturwaren Großhandlung L. Bauer in Todestag wird der 17. September 1943 an- Frankfurt/M. Die kinderlose Ehe war derung die Genehmigung der Behörde der Kaiserstraße 68 – 70 in Frankfurt, die genommen. o enbar nicht glücklich und wurde (Devisenstelle) einholen. Am 14. 6. 1939 im Adressbuch der Stadt vom Jahre 1917 1911 geschieden. gibt die Nassauische Landesbank der gelistet ist. Privat wohnte er zuletzt in der

Da sie, wie damals üblich, keinen Be- Devisenstelle Frankfurt Nachricht von Freiherr-vom-Stein-Straße 46 in Frank- ruf gelernt hatte, machte sie sich im Überweisungen und fügt hinzu: „Wir furt, einer großbürgerlichen Wohngegend, Elternhaus und später im Haushalt bemerken noch, daß Frau May am 11. nahe der Westend Synagoge. ihres Bruders Hermann, der das Ge- Mai d. Js nach Holland ausgewandert O enbar begri er sehr schnell nach der schä übernommen hatte, nützlich. Sie ist und wir deren Guthaben in Höhe von Machtübernahme der Nazis, dass Juden hatte ihre Unterkun in der 1923 zum RM 2.989 als Auswanderersperrmark- in Deutschland keine Zukun haben wür- Wohnhaus umgebauten Scheune neben guthaben führen.“ den. Deshalb wanderte er, vielleicht schon dem Geschä shaus. Seit 1936 lebte sie in Bruder, Schwager und sie selbst wurden 1933, nach den Niederlanden aus. Seine Frankfurt, wo sie in der Wohnung ihres am 10. Dezember 1942 von der Gestapo letzte bekannte Adresse ist der Uiterwaar- verwitweten Schwagers Gustav Drol- verha et und in das Sammellager Wes- denstraat 86 I in Amsterdam, wo er allem ler in der Sche elstraße 11 diesen und terbork verbracht. Nach Auschwitz de- Anschein nach mit Schwager Droller und den jungen Ne en Robert Markus May portiert, wurde sie am 24. September Schwester Emma zusammen wohnte, die Manufakturwaren Großhandlung betreute, der das jüdische 1943 dort ermordet. ebenfalls nach Holland emigriert waren. L. Bauer, Frankfurt (Philantropin) besuchte. Kaiserstraße 68 – 70, 3. Stock

30 31 Verlegungsort Verlegungsort Burgstraße 16 30 18 Erlenbachstraße 33 Bad Camberg Bad Camberg-Erbach

Jettchen Neumann

Geburt 29.03.1869, Stein schbach Josef Nagel Umzug Aufnahme in das Jüdische Altersheim Wöhlerstraße 6 in Frankfurt am 1. Januar 1937 Geburt 20.12.1899 Erbach / Ts. Deportation von Frankfurt 18.08.1942 Eingewiesen 16.12.1940 Kalmenhof Idstein in das Ghetto  eresienstadt Tod 02.02 1942 Kalmenhof Idstein Ermordet 17.09.1942 in  eresienstadt

Josef Nagel diente als Ersatz-Reservist unter Aufsicht des Ortsgerichtsvorste- Von Jettchen Neumann sind nur sehr we- Für die Deckung der im jüdischen Al- im ersten Weltkrieg. Ende 1915 lag er hers verkau und das Wohnhaus von nige Aktennotizen erhalten. tersheim entstehenden Kosten tritt sie mit einem Kopfschuss in einem Laza- der Gemeinde vermietet, um die Kos- Sie ist in der Liste „Nachweisung der in der ihr Sparkassenbuch bei der Nassauischen rett in Gießen. Dort wurde er für „treue ten der Unterbringung zu nanzieren. Stadt Camberg wohnha en Juden“ vom 25. Landesbank an die Stadt Camberg ab. P ichterfüllung im Felde und tapferes Josef Nagel verstarb unter nicht geklär- November 1933 aufgeführt. Sie war ohne Am 24. Dezember schreibt der Bürger- Verhalten vor dem Feinde“ mit dem Ei- ten Umständen am 02. Februar 1942. Beruf und ledig. meister an den Provinzialverband für jü- sernen Kreuz dekoriert. Durch seine Als Todesursache wurde Paralyse und dische Wohlfahrtsp ege, dass, „nachdem Kopfverletzung bekam er immer wieder Marasmus (deutet auf gezieltes Verhun- Aus dem Jahr 1936 ist im Stadtarchiv ein Schri wechsel zwischen dem Bürgermeis- nunmehr das Sparkassenbuch der Genann- Anfälle und konnte keinen Beruf aus- gernlassen hin) angegeben. Sein in Er- ten No. 995526 hier hinterlegt worden ist, üben. Herr Nagel lebte mit seiner Mut- bach wohnha er Bruder Wilhelm Na- ter der Stadt Camberg und dem Provinzi- alverband der jüdischen Wohlfahrtsp ege besteht gegen die Unterbringung von Frl. ter zusammen. Laut Erzählungen war er gel wurde über seinen Tod informiert. Neumann im Altersheim zu einem tägli- sehr hilfsbereit und half, wenn man ihn Er beau ragte das in Camberg ansäs- in Hessen- mit Sitz in Frankfurt erhalten, in dem es um die Unterbringung chen Verp egungssatz von 1,50 RM keine fragte, bei allen möglichen Arbeiten. sige Fuhrunternehmen Bach und einen Bedenken. Die Aufnahme in das genannte Die meisten Männer waren ja im Krieg. Nachbarn mit der Überführung der von Jettchen Neumann in ein jüdisches Altersheim in Frankfurt geht. Altersheim kann am 1. Januar 1937 erfol- Als seine Mutter Josef aufgrund ihres Leiche. Da der Wagen im Schnee ver- gen“. Alters nicht mehr betreuen konnte (Sie unglückte und die Überführung mehr Am 28. Dezember 1936 unterzeichnet sie war selbst in einer P egeeinrichtung der Zeit als geplant beanspruchte, ö neten eine Erklärung, dass sie in das jüdische Laut der Central Database of Shoah victims Dernbacher Schwestern in Niederselters die Männer den Sarg. Josef Nagel lag Altersheim in Frankfurt eintreten will, names wurde sie am 18. August 1942 von und verstarb am 22. März 1941.), wurde nackt und völlig ausgezehrt darin. und sie bittet zu veranlassen, dass ihre Frankfurt nach  eresienstadt deportiert er am 16. Dezember 1940 auf Betreiben Möbel und vorhandene Wäschestücke auf und am 17. September 1942 dort ermordet. des Erbacher Bürgermeisters Litzin- ihre Kosten nach Frankfurt in die Wöh- ger, infolge eines angeblich erstellten lerstraße 6 verbracht werden. Auch bittet ärztlichen Gutachtens in den idsteiner Sie darum, ihr ein Auto zur Verfügung zu Kalmenhof gebracht. Sein Sparkassen- stellen, damit sie damit nach Frankfurt buch und die Lebensversicherungs- fahren kann, da eine Eisenbahnfahrt für Abbildung oben: police mussten gegen Quittung bei Gedenktafel im Verwaltungsgebäude des sie allzu beschwerlich sei. Die Kosten für Abbildung oben: der Gemeinde abgegeben werden. Die Kalmenhofes mit seinem Namen (Josef N.) die Transporte sollen von ihrem Sparbuch Ausschnitt der Erklärung vom 28. Dezember 1936 Gegenstände aus dem Haus wurden Das Geburtsdatum ist hier falsch angegeben abgehoben werden. mit der Unterschri von Jettchen Neumann

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Verlegungsort Orte der Erinnerung 1 Obertorstraße 11 Bad Camberg

Recha Oppenheimer Jüdische Friedhöfe die Kultusgemeinde kein Betätigungsfeld mehr und der letzte Jude wird dann wohl Zwei jüdische Friedhöfe sind in Bad Cam- Geburt 18.01.1882, Camberg oder übel gezwungen sein, das Eigentum berg in der Kapellenstraße zu nden. Deportation 01.09.1942,  eresienstadt der Kultusgemeinde auch ohne Entrich- Ein weiterer älterer Friedhof befand sich Ermordet 15.05.1944, Auschwitz tung eines Kaufpreises abzugeben. ...“ Der in unmittelbarer Nähe, heute wird das Nachfolgefriedhof ist erhalten und wurde Gelände als Spielplatz genutzt. 1811 be- etwa bis zum Ende des 19. Jh. belegt. Als richtet Gerichtsschreiber Rath, dass die die Stadt zu Beginn des 20. Jh. als Ersatz Recha Oppenheimer wohnte zuletzt in berg: Die Jüdin Recha Sara Oppenhei- Juden „vor dem oberen  or einen Gar- für den Friedhof bei der katholischen Kir- der Obertorstraße 11. Sie war als Haus- mer, geb. am 18. Januar 1882, welche ten von den Erben des Joes Stockmann ge- che eine neue Begräbnisstätte am Weg zur hälterin tätig, wurde infolge einer Er- sich in letzter Zeit in einem jüdischen kau , wovon diese das Gras benutzen und Kreuzkapelle einrichtete, wurde auch ein krankung erwerbsunfähig und bezog Krankenhaus in Frankfurt/Main be n- wie bald der Garten mit Toden belegt ist, das Platz für einen neuen jüdischen Friedhof ein Ruhegeld in Höhe von RM 48,40 det, kam nicht, wie gesagt, nach Cam- Eigentum zurück bekommen. Ihre Toden ausgewiesen. Maßgabe war, dass die Um- monatlich. Sie kam 1933 von einer Stel- berg zurück und konnte aus diesem haben sie bisher nach ihrem alten Brauch fassungsmauer der des christlichen Fried- lung in Marsberg/Westfalen zurück Grunde nicht abtransportiert werden. auf dem Sterbtag vor Sonnenuntergang hofs angepasst wurde. und wohnte zunächst bei ihrer Schwes- Die von ihr in der Obertorstraße zu- noch immer begraben.“ Dieser Friedhof Die Größe und Belegung des jüngeren ter und ihrem Schwager, den Eheleuten rückgelassenen Gegenstände und ihr war im Jahre 1938 Gegenstand einer Kor- jüdischen Friedhofes sprechen einerseits David und Johanna Liebmann, in ih- Vermögen wurden vom Reich beschlag- respondenz zwischen der Stadt Camberg von dem wachsenden Optimismus der rem Elternhaus Neumarkt 11, danach in nahmt. Die Verfügung des Ober - und der Kreisverwaltung. Man wollte sich jüdischen Bevölkerung zu Beginn des 20. der Burgstraße 6 und anschließend bis nanzpräsidenten über den Einzug ih- das scheinbar verwahrloste Stück Land Jahrhunderts, andererseits zeigt die An- 1939/1940 in der Burgstraße 27. res Vermögens wurde ihr noch vor der aneignen, setzte die jüdische Gemeinde in zahl der Gräber (er ist nur halb belegt) die Am 4. September 1939 erstattete ein Deportation am 28. August 1942 in der persona des Vorstehers David Liebmann tragischen Geschehnisse deutlich auf. Camberger Anzeige gegen Frau Recha Rechneigrabenstraße 18, einem jüdi- mehr und mehr unter Druck. Schließlich Oppenheimer, die bei Ausbruch des schen Krankenhaus und Altersheim, kam es zum Verkauf, der aber Zweiten Weltkrieges, an dem, wie be- zugestellt. Ihre in der Obertorstraße zu- im Grunde einer Enteignung hauptet wurde, die Juden schuld seien, rückgelassene Habe wurde versteigert gleichkam Die Kosten für das sich geäußert haben soll: „Wart nur ihr und erbrachte RM 355,55. Friedhofsgelände wurden nicht Nazis, in vier Wochen seid ihr erledigt.“ Recha Oppenheimer wurde am 1. Sep- beglichen und ein Kreisver- Im Zusammenhang mit dem von der tember 1942 von Frankfurt zuerst nach waltungsbeamter rät hierzu: Geheimen Staatspolizeistelle Frankfurt  eresienstadt und anschließend weiter „Ich empfehle zunächst mit den am Main angeordneten, am Freitag, ins Vernichtungslager Auschwitz de- Verhandlungen zum Erwerb des dem 28. August 1942, durchgeführten portiert und dort am 15. Mai 1944 er- Grundbesitzes der Kultusge- Abtransport der Juden im Kreis Lim- mordet. meinde abzuwarten. Wenn die burg/Lahn berichtete die Stadt Cam- Juden alle fort sind, hat ja auch Nachfahren ehem. jüdischer Bürger besuchen im Mai 2015 den Friedhof 34 35 Orte der Erinnerung

Alte jüdische Schule

Im Jahr 1782 erwarb die israelitische Kultusgemeinde Cambergs ein kleines Grundstück mit Haus in der abseits gelegenen Hainstraße, um dort eine Sy- nagoge einzurichten. Das kleine Haus wurde bereits 1729 an der Stadtmauer Standort der erbaut, die Verhältnisse waren hier be- ehmaligen Synagoge Heute ist der Platz leer, von den Nachbarn engt und dunkel. 1838 erbaute die Kultusgemeinde mitten als Hofeinfahrt genutzt. Eine Gedenktafel Es gab hier neben einem Schulzimmer in der Altstadt, in der Schmiedgasse, eine rechts am Nachbarhaus erinnert an die jü- im Erdgeschoss ein Frauenbad im hin- zustellen, um ein für die über neue und zweckangepasste Synagoge. Die dische Geschichte dieses Ortes. teren Bereich, teils in die Stadtmau- 300 Jahre jüdische Geschichte in Bad Gemeinde war inzwischen zu einigem ersubstanz eingegraben. Im oberen Camberg und die Geschichte der Stadt- Wohlstand gekommen, man konnte sich Stockwerk befand sich der Betraum und befestigung dort unterzubringen. ein entsprechendes Anwesen leisten. Die wahrscheinlich ein räumlich getrennter Seit der Erö nung im Jahre 2015, bei zentrale Lage spricht vom wachsenden Bereich für Frauen. der rund 30 Nachfahren ehemaliger Selbstbewusstsein und dem optimisti- Als 1838 die Synagoge in der Schmied- jüdischer Bewohner Cambergs anwe- schen Ausblick der jüdischen Bevölkerung gasse erbaut wurde, diente dieses kleine send waren, erfährt die „Alte jüdische Cambergs Haus weiterhin als Lehrerwohnung und Schule“ reges Interesse. Es werden Füh- Einhundert Jahre später sollte dieser Op- Schule, ebenso war hier immer noch das rungen angeboten und seit 2018 ist die timismus sich zur Verzwei ung wenden. Frauenbad untergebracht. jüdische Schule von April bis Oktober Am Abend des 9. November 1939 wurde an Sonntagen von 14:00 bis 16:00 Uhr 1906 verkau e die jüdische Gemein- die Synagoge zerstört und in den folgen- geö net. de das Anwesen an einen Camberger den Tagen eingerissen. Die Kosten für den Schmied. Abtransport des Bauschuttes wurde sei- 2007 entstand das Bürgerprojekt „Alte tens der Stadt Camberg dem jüdischen Ge- jüdische Schule“, ein Zusammenschluss meindevorsteher vorgelegt. Eine weiterere von Bürgern, des Magistrats der Stadt Steigerung der vielen Repressialien, die die Bad Camberg und des Verein Histori- jüdischen Bürger zu ertragen hatten. sches Camberg e. V., welches es sich zur Von der Synagoge vor und nach ihrer Zer- Aufgabe machte, das Haus in seinen ur- störung sind einige wenige Bilder (s.o.) er- sprünglichen Dimensionen wieder her- halten. 36 37 Erweiterte Texte · Quellenangaben

Autoren Erweiterte Texte, Quellenangaben und Informationen unter www.stolpersteine-bad-camberg.de und im Stadtarchiv Bad Camberg. Doris Ammelung Dieter Oelke, Familie Eschenheimer, S. 10–11 Elisabeth Belz, S. 8 „Orte der Erinnerung“ S. 35–37 Ernst Löwenberg, S. 23

Martina Hartmann-Menz Tobias Scheinkönig, Regina Du y, S. 9 Josef Nagel, S. 32 Arnold Krings, S. 17 Anton Hollingshaus, S. 16 Hedwig und Moritz May, S. 28–29 Familie Liebmann, S. 24–25 Recha Oppenheimer, S. 34 Sebastian Hösch Redaktion Pauline und Seligmann Peter Karl Schmidt Bachenheimer, S. 6–7 Siegmund und Emma May, S. 30–31 Helmut Lottermann Josef und Franz Hollingshaus, S. 18–19 Dieter Oelke Adolf und Dora Kahn, S. 20–21 Michael Traut Peter Karl Schmidt Daniel Levi, S.22 Familie Heymann. S. 12–13 Familie Löwental, S. 26–27 Jettchen Neumann, S. 33 Gestaltung Recha Oppenheimer, S. 34 Heinrich Kaiser, S. 15 Doris Ammelung Familie Heyum, S. 14–15 arthaus31, Bad Camberg

Fotogra e Titelseite: Gunter Demnig bei der Verlegung eines Stolpersteins in der Obertorstraße, Bad Camberg 38 39 Magistrat der Stadt Bad Camberg Am Amthof 15 65520 Bad Camberg Tel.: 06434.202 - 0 Fax.: 06434.202 -121

E-Mail: [email protected] · SchutzgebürStand 11/2018 2,– Euro