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Das Feature

Fuchtel und ich

Wie man dem Charme eines Politikers widersteht

Von Rainer Schildberger

Produktion: Dlf 2018

Redaktion: Ulrike Bajohr

Sendung: Freitag, 11.05.2018, 20:10 - 21:00 Uhr

Regie: Matthias Kapohl

Erzähler/ Sprecher Pro/ Sprecher Contra: Torben Kessler

Sprecherin (Infos): Susanne Flury

Im O-Ton: Hans-Joachim Fuchtel (Staatssekretär, CDU) Gesine Lötzsch, Abgeordnete der Linkspartei Hans-Peter Thierer, Schulfreund

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© - unkorrigiertes Exemplar -

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Atmo Musik am Feuer

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Man muss als jemand, der mit zweieinhalb Zentnern durch das Land geht, schon mal von sich aus etwas vorsichtig sein, um da diese Gefühle, dass hier jemand mit dieser Macht daherkommt, diese gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Erzähler Meine Hand verschwindet in seiner viel größeren.

Sprecher Pro Kräftiger Händedruck.

Sprecher Contra Einschüchternd?

Sprecher Pro Eher freundschaftlich.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Ich bin mir dessen bewusst immer gewesen, dass man hier an die Augenhöhe denken muss zum Nächsten.

Sprecherin: Hans-Joachim Fuchtel. In der alten GroKo Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Über 30 Jahre Abgeordneter für die CDU im Deutschen . Seit 2009 Mitglied der Bundesregierung. Von Kanzlerin Merkel 2011 zum Griechenlandbeauftragten ernannt. Chairman der Asian Development Bank mit Sitz in Manila.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Insbesondere der Blasmusik verbunden, wo ich seit 1998 Vorsitzender von 34 Kapellen mit insgesamt 2200 aktiven Musikerinnen und Musikern bin.

Atmo Stimmengewirr am Feuer/ Orchester/ Glühweinstand

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Erzähler: Wir haben uns bei einer Podiumsdiskussion in Berlin kennengelernt. Es ging um die Lage in Griechenland, zu der ich ein Radio-Feature produziert hatte. Anschließend wurde ich ins Ministerium eingeladen und bekam das Angebot, den Staatssekretär bei seinen vielfältigen Aktivitäten zu begleiten.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Politiker tun gut dran, wenn sie auch Einblick geben, wie mühsam die Arbeit ist, dass ein Politiker nichts anderes ist wie ein Mensch, dass der Bürger nicht frustriert an seiner politischen Vertretung hinaufschaut und dann wegschaut.

Sprecher Contra Du fühlst dich geschmeichelt, nicht wahr? Aber was will er von dir. Pass bloß auf!

Sprecher Pro Unsinn! Sei offen! So eine Chance bietet sich nicht vielen. Politik aus nächster Nähe.

Sprecher contra Der weiß schon, wie er dich für sich nutzt.

Sprecher pro Das Risiko kannst du eingehen. Du nutzt ihn ja auch für deine Zwecke.

Ansage Sprecherin Fuchtel und ich – Wie man dem Charme eines Politikers widersteht Ein Feature von Rainer Schildberger

Atmo Musik am Feuer

O-Ton Gesine Lötzsch Ich glaube, das Geheimnis von Herrn Fuchtel ist, dass man ihn erstmal unterschätzt.

Erzähler sagt mir Gesine Lötzsch, Bundestagsabgeordnete der Linken.

O-Ton Gesine Lötzsch Also er spricht ja sehr stark Dialekt, und da denken ja manche, ach, der kommt aus seinem 3

Schwarzwald. Wer weiß, ist vielleicht so einer, der so ein bißchen Hinterwäldler ist. Aber da sollte man sich nicht täuschen, weil er doch sehr ausgebufft ist.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Ich bin ein sehr transparenter Politiker. Sie können alles über mich lesen, meine ganze Arbeit verfolgen.

Sprecher Pro Du hattest noch nie mit einem Politiker zu tun.

Sprecher Contra Tatsächlich? Nie?

Sprecher Pro Nicht so.

Erzähler Staatssekretär Fuchtel lädt mich zu einem Glühwein ein. Wir sind auf dem Weihnachtsmarkt in seinem Wohnort Altensteig im Nordschwarzwald. Stehen ums Lagerfeuer. Auf den Hügeln über dem Tal liegt der erste Schnee. Der Glühwein wärmt und lockert. Josef, der Leiter des Blasorchesters hat Geburtstag. Fuchtel erhebt sein Glas.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Ich bin ja nicht nur mit dir verbunden im Bereich Musik, sondern auch dein Nachbar. Und ich kann nur sagen, wer den Josef als Nachbarn hat, der hat einen echten Kamerad. Du bist unser Musikpapst. Mach einfach so weiter.

Sprecherin: Wahlkreis Calw-Freudenstadt. 273 000 Einwohner. Geringste Arbeitslosigkeit im Südwesten. In gepflegter Landschaft die Firmensitze etlicher mittelständischer Unternehmen. Weltmarktführer in vielen technischen Produktionssparten. Niederlassungen weltweit. Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. 43,3 Prozent wählten den CDU-Kandidaten Fuchtel 2017 zum 8. Mal in Folge direkt in den Bundestag.

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O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Ich bin ein Produkt in der Politik, und der Wähler ist der Kunde. Meine Aufgabe ist, als Pro- dukt zu überzeugen, damit eine Kundenbindung erzielt wird, und zur Marke zu werden.

Erzähler Raumfüllend, Schnauzbart. Haare braun, gefärbt, Designerbrille. Die Marke Fuchtel.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Die Marke muss bestimmte Grundprinzipien vorgeben, sie muss aber auch ein offenes Ohr haben, um zu hören, wo der Kunde nach Veränderungen ruft und das dann auch aufnehmen in die künftige Markenpolitik, wenn Sie so wollen. Und da gilt, wer fragt, der führt.

Szene: Treffen mit Unternehmern Fuchtel: Gucken, dass wir keinen verwechseln und jeden einzeln reinlassen. Es muss schnell gehen, das ist immer ganz entscheidend. Wir nehmen jeden einzeln, dann können wir ein Bild machen. Hello, very happy to meet you (Kameraklicken)

Atmo Begrüßung der Unternehmer

Erzähler: Der indische Botschafter ist zu Besuch im Schwarzwald. Fuchtel stellt ihm Firmenvertreter aus seinem Wahlkreis vor. Es sind Mittelständler, die bereits in Indien aktiv sind und ihr Engagement ausbauen wollen.

Sprecher Contra Du bist der Einzige ohne Anzug und Krawatte.

Sprecher Pro Er lobt deine Arbeit.

Sprecher Contra Kostet ihn nix. Du bist keine Gefahr für ihn. Das spürt er.

Erzähler: „Der Herr kommt aus Berlin“, sagt Hans-Joachim Fuchtel, „und möchte mal sehen, wie ich arbeite. Jetzt wagt er sich auf das politische Feld.“ Die Unternehmer nicken freundlich. Dann 5 geht es ums Geschäft und ich werde nicht weiter beachtet.

Sprecher Contra Du hast ihm gleich gesagt, dass du kein investigativer Journalist bist. Glaubst du, du erfährst mehr, wenn du den Naiven gibst?

Sprecher Pro Du kannst es auch unvoreingenommen nennen.

Sprecher Contra Er hatte bei der letzten Wahl 15 % weniger als vier Jahre davor. Frag ihn danach!

Sprecher Pro Jetzt nicht. Er muss erst wissen, ob er dir vertrauen kann. Du kannst ungestört aufnehmen. Wie solche Wirtschaftskontakte angebahnt werden, zum Beispiel.

Sprecher Contra Oder wer eingeladen wird. Parteifreunde wohin man sieht. Reiner Lobbyismus. Frag ihn!

Sprecher Pro Lerne ihn doch erstmal kennen.

Atmo Blasmusik am Feuer

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Ich stehe am liebsten am Morgen auf meinem Balkon und schnupper erstmal die Luft. Dann merke ich, dass ich in einer gesunden Umwelt bin und sehe, was wir an Vorteil haben gegenüber dem, was ich auf der Welt so erlebe an Großstädten.. Da haben wir dann doch hier Verhältnisse, wo man weiß, um was es geht, mit wem man arbeitet. Und da legen die Leute auch Wert drauf. Die würden nicht verstehen, wenn ich sagen würde, ich war in der großen weiten Welt und jetzt kenne ich euch nimmer. Sondern die legen Wert drauf, dass man weiß als Politiker, wo man seinen Standort hat und sich auch für die Interessen einsetzt. Diesen Bogen muss ich immer spannen. Das ist manchmal schwierig. Weil man Klimaschutz in großen Szenarien vorm Auge hat und jetzt geht es konkret in ein Dorf im Schwarzwald, wo man das, was wir in der Energiewende tun, nicht bis zum Schluss versteht.

Atmo Musik Taverne 6

Atmo Autofahrt

Erzähler Die andere Welt des Hans-Joachim Fuchtel: Griechenland. Neu entwickelte Kooperationsprojekte sollen besucht werden. Erst sitze ich im Bus mit Unternehmern und Kommunalpolitikern aus Baden-Württemberg. Dann lädt mich Staatssekretär Fuchtel ein, mit ihm ein Stück in seiner klimatisierten Limousine zu fahren. Fragen zu stellen.

Sprecher Pro Exklusiv!

Sprecher Contra Exklusiv?

Erzähler: Ich versinke im hellen Lederpolster und bin für einen Moment etwas überrumpelt.

Sprecher Contra Und jetzt? Was fragen? Womit anfangen?

Sprecher Pro Durchatmen. Wo ist das Mikro?

Szene: Im Auto Interview Autor: Sie haben gestern und auch heute wieder das Wort Herz benutzt. Was hat es damit auf sich? Fuchtel: Aus meiner Grundüberzeugung bin ich der Auffassung, dass man die Arbeit als Politiker mit dem Gefühl der Nächstenliebe gestalten muss. Was die Welt braucht, ist mehr Herz. Autor: Sie haben von einem Durchbruch gesprochen. Wie ist die Entwicklung zu charakterisieren? Fuchtel: Als die Krise damals ihren Anfang nahm,..hat man mich als Merkels Statthalter bezeichnet…Als ich einige Male hier war, fuhr ich auch sehr intensiv aufs Land hinaus. Dort haben die Menschen von Anfang an meine Mission besser verstanden, als manche führenden Kräfte in den Medien, und man gab mir den Namen Fuchtolos.

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Sprecherin Die Aufgabe: Befriedung der angespannten deutsch-griechischen Beziehungen durch Gründung der Deutsch-Griechischen Versammlung als Netzwerk dezentraler, kommunaler Zusammenarbeit. Know-how-Transfer auf freiwilliger Basis. Müll, Energie. Duale Ausbildung. Landwirtschaft, Zivilgesellschaft und Tourismus. Konkrete Projekte auf lokaler Ebene zur Stärkung der Kommunen und ihrer Akteure. Prüfberichte zum Erkennen von Korruption.

Szene: im Auto Interview Autor: Haben Sie das erfunden? Fuchtel: Auch in der Politik gibt es Patente. Es ist ein völlig neues Produkt entstanden: Die kommunale Entwicklungszusammenarbeit. Die globale Welt muss an den Wurzeln verbun- den werden und das sind die Gemeinden. Autor: Waren Sie vorher mit Griechenland verbunden? Fuchtel: Als Student habe ich die griechischen Inseln als Rucksacktourist wie viele andere besucht. Ich hab den Rucksack dabei gehabt, wie sich das gehört und man hat gefragt Echete domatio? Hast Du ein Zimmer? Und man hatte genügend Spraymittel gegen Schnaken dabei, so dass man da jede Option auch annehmen konnte. Viel Kontakt mit den Menschen, mit ihrer überwältigenden Fähigkeit, freundschaftliche Gefühle zu zeigen. Das hat mich damals schon sehr fasziniert…

Atmo Zikaden

Erzähler Plötzlich sind da im Kopf die Bilder meiner ersten Griechenlandreise. Das wilde Campieren. Das Leben im Freien. Der Sternenhimmel. Das Jungsein.

Sprecher Pro Eine Gemeinsamkeit mit dem CDU-Mann. Hättest du nicht gedacht.

Sprecher Contra Vorsicht!

Sprecher Pro Einen Moment lang willst du mit ihm Erinnerungen austauschen, wie mit seinem Freund, der damals auch dabei war. 8

O-Ton Klaus-Peter Thierer Von seinem Äußeren her sah er eher aus wie der Revoluzzer.

Erzähler Klaus-Peter Thierer. Fuchtels Schulfreund aus dem Gymnasium

O-Ton Klaus-Peter Thierer Der hatte eine Haarpracht wie Rainer Langhans. Und dazu die konservativen Ansichten. Das war ein Widerspruch. Aber das ist ja interessant, so jemandem hört man dann zu. Was sagt der wirklich?

Sprecher Contra Ja, was sagt der wirklich?

Atmo Autofahrt

Erzähler: Die Sache mit fällt mir ein. Ein Journalist begleitet ihn im Wahlkampf. Schulz zeigt Schwächen. Das wird ihm zum Verhängnis.

Szene: Interview im Auto Fuchtel: Das, was Martin Schulz hier gemacht hat, hätte ich nicht gemacht. In so einem harten Wahlkampf ist nicht der richtige Ort, um so Nabelschau zu bringen. Zum Beispiel gibt es grundsätzlich für jeden solche Stunden, wo er so denkt wie Martin Schulz, und dass dann bewusst reportieren zu lassen, das war weder vom Marketing noch vom Inhalt her so eine Glanzleistung. Autor: Warum nicht? Fuchtel: Weil er hier dem Volk gezeigt hat, wie zwiespältig sein Verhalten letztlich war. Das mag im Augenblick ein Punkt sein, wo man sich als transparenter Politiker zeigt, aber man schadet dann schlicht dem Ganzen und das muss man dem Journalisten zur Ehre gereichen lassen, dass er sich da nicht umbiegen lassen hat. Oftmals wird erwartet, bei so `ner hautnahmen Begleitung, dass man große Toleranz als Journalist an den Tag stellt.

Sprecher Contra Ah… er wartet, ob du dich verbiegst…

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Sprecher Pro Im Gegenteil. Er erwartet Geradlinigkeit. Man kann auch zu viel grübeln. Weiter im Text.

Szene: Interview im Auto Fuchtel: Ich sollte natürlich mich aus einem Guss zeigen, aber dazu muss auch die Form stimmen. Das ist natürlich klar, dass jeder Politiker auch ans Außenfeld denkt und die Frage, wenn das jetzt zur Veröffentlichung kommt, wie wird das dann auf Dritte wirken. Aber das muss ein Politiker im Blick haben. Dafür ist er Politiker. Und der Journalist ist Journalist, der den Auftrag hat, hier etwas weiterzugeben, was er erfahren hat. Autor: Wie wählen Sie da aus, was Sie gucken lassen?

Sprecher Contra Warum sollte er dir gerade das sagen?

Fuchtel: Also das ist nicht so festgelegt. Es kommt drauf an, wie die Stimmung ist. Was für Frageformen an einen herankommen. Ob man wirklich bis hinter die letzte Ecke denkt in dem Augenblick. Was auch nicht immer der Fall ist.

Szene: Im Auto, vor Ankunft Rathaus Kavala Begleiterin: Vorm Rathaus ist Presse, wir sollen hinters Rathaus fahren. Das kann ich nicht steuern, weil wir Polizei vor uns haben. Fuchtel: Doch, wir müssen hinters Rathaus. Das mach ich nie, dass ich schon vorher was sage. Die Presse verfolgt mich, jede kleinste Bewegung…

Sprecher Pro Du bist nicht gemeint.

Begleiterin: Wir haben Polizei vorne dran. Er hat gesagt er will keine Presse sehen.

Sprecher Contra Dich hat er ja dabei.

Fuchtel: Wenn´s geht. Wir haben geschworen, dass wir auf der Reise nur ein Minimum machen, wir wollen nicht so aufdringlich wirken. Ist auch `ne Frage der Psychologie. Normal sucht man als Politiker die Presse, aber wir sind in der Sache unterwegs und nicht um `ne große Presseschau zu machen. 10

Szene: Ausstieg, „Welcome!“, Treppensteigen im Rathaus

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Ich hatte mal als junger Abgeordneter eine Situation, dass man mir sagte, wenn Sie uns aus bestimmten Sitzungen Vertraulichkeiten liefern, dann werden Sie immer wieder auf die erste Seite kommen. In diesem Presseorgan bin ich 25 Jahre nie auf der ersten Seite gekommen. Und hab es auch überlebt. Und da bin ich stolz drauf. Ich bin gegen jede Anbiederung…

Sprecher Contra Glaubst du das?

Sprecher Pro Ja. Warum nicht?

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Wenn ich merke über längere Zeit, dass hier `ne hohe Seriosität gegeben ist, dann öffnet sich das bei mir auch ein bisschen mehr off records. Und daraus entstehen zuweilen richtig stabile Kontakte, wo jeder seine Arbeit macht und wo man weiß, dass jeder den anderen auch in seiner Persönlichkeit akzeptiert.

Sprecher Contra Du bist also auf Bewährung. Sollst deine Seriosität beweisen.

Sprecher Pro Das beruht auf Gegenseitigkeit.

Sprecher Contra Du hast ja schon bestanden.

Sprecher Pro Wieso?

Sprecher Contra Hat er dir nicht angeboten, ihn bei weiteren „interessanten Projekten“ zu begleiten? Dir erklärt, wie sich das finanzieren lässt? Nach deiner politischen Ausrichtung gefragt?

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Sprecher Pro Die Frage....

Sprecher Contra …rosige Aussichten…

Sprecher Pro …die Frage hab ich überhört!

Sprecher Contra … in beruflich unsicheren Zeiten.

Sprecher Pro Versuche das auszublenden.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Da muss ich dann dem Gegenüber auch die Chance geben, wie ein Doktor alles zu untersuchen und dass eben ich das Objekt bin, an dem das gerade gemacht wird. Wieder umgesetzt aufs Journalistische…Was hat der jetzt für `ne Art, mit den Fragen umzugehen?

Sprecher Contra Vorsicht! Gleich diktiert er dir deine Fragen.

Sprecher Pro Ja und? Du musst sie ja nicht stellen.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Wo sind seine Prioritäten, wo er sich hin bewegt, auch logistisch? Wie geht er mit den Leuten dort um? Was möchte er erreichen? Und wie vereinbart er das mit seinem restlichen Bisschen Privatleben?

Szene: Im Büro der Bürgermeisterin Fuchtel: As a state secretary, I am all over the world, I am responsible for Asia, for Latinamerica, for every country behind the border of Europe…

Erzähler Im Rathaus von Kavala. Alte, hohe Räume. Schwere Sessel. Die Bürgermeisterin, eine 12 studierte Ärztin, gehört der Nea Demokratia an. Der CDU Griechenlands. Staatssekretär Fuchtel ist hier sehr willkommen.

Sprecher Pro Er ist wichtig.

Sprecher Contra Was er auch gerne zeigt.

Szene: Im Büro der Bürgermeisterin Fuchtel: When I hear there is a problem to stay, we have five possibilities where I needed, but I thought, Kavala must be.

Erzähler So viele Termine. Aber dieser hier in Kavala ein Muss. Während sich draußen vor der Tür die Journalisten für ein banales Statement die Beine in den Bauch stehen, dirigiert mich Fuchtel neben sich,…

Sprecher Contra Du bist wichtig!

Erzähler: …damit ich mit am wuchtigen Eichentisch sitze. Alles aufnehmen kann.

Sprecher Pro Niemand wundert sich. Es geschieht einfach.

Sprecher Contra Du gehörst dazu. Du fühlst dich gut. So läuft das.

Erzähler: Es geht um Wandertourismus, die Verlängerung der Saison, neue Pilgerwege. Da kennt sich Fuchtel aus. Viermal hat er die Mönchsrepublik Athos besucht.

Szene: Im Büro der Bürgermeisterin Fuchtel: Ich war schon fast schon auf dem Weg, selber Mönch zu werden. Tsanaka: Aaah! 13

Sprecher Pro Mönch? Merken!

Fuchtel: Und es gibt ja auch das Projekt ,diese Wege zu beleben. /Müssen wir jetzt dafür sorgen, dass diese Wege nicht nur zu den Kulturdenmälern führen, sondern auch bei den Weingütern vorbei kommen. Weil der richtige Pilger will auch diese Verknüpfung dieser spirituellen Ebene mit der durch den Magen gehenden Wirklichkeit. (Lachen)…Wie können wir das machen?

Erzähler Hans-Joachim Fuchtel webt persönliches Erleben in die Begegnungen und Verhandlungen. Er lockert mit Anekdoten und Humor die Situation auf. Er lässt seinen Charme spielen. Aber er hat auch klare Vorstellungen, wie sich die Griechen verändern müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen.

Szene: Im Büro der Bürgermeisterin Und dann möchte ich unter uns Freunden einen Fall ansprechen, wo überhaupt nicht zufriedenstellend ist. Die Ausbildung der Taxifahrer. Ihr müsst die Taxifahrer in ein besseres Niveau bringen. Wir erleben, dass Taxifahrer dorthin fahren, wo sie hinterher noch etwas Discount kriegen. Das ist schlecht. Die müssen dorthin fahren, wo ihr das für richtig haltet.

Erzähler Ich wundere mich über den Ton, den er plötzlich anschlägt. Die Bürgermeisterin hört geduldig zu. Sie weiß, dass die Deutschen ihrer Stadt in der höchsten Not der Flüchtlingskrise zur Seite gestanden haben. Und natürlich auch ins Geschäft kommen wollen beim Ausbau der touristischen Infrastruktur. Die Vertreterin eines bayerischen Unternehmens, das Pilgertourismus anbietet, sitzt mit am Verhandlungstisch.

Sprecher Pro Du wolltest nach dem Mönchsleben fragen! Hast du nicht selbst viele Male den Athos bereist? Dich gefragt, ob du Mönch werden könntest?

Sprecher Contra Erzähl ihm das nicht! Du bist derjenige, der fragt! 14

Szene: Interview Büro Fuchtel Autor: Gab es Alternativen in Ihrem Leben, wo Sie gedacht haben, Mensch, vielleicht geht es auch da lang? Fuchtel: Nein, also Mönch wollte ich auf jeden Fall nicht werden. Das war nicht die Motivation, sondern Motivation war,…mehr zu wissen von der Welt. Autor: Na gut, das klingt ja jetzt schon ganz anders. Ich dachte, Sie hätten da mehr Ambitionen gehabt. Fuchtel: Nein, es war für mich interessant von der Juristerei aus, dass dieses Berg Athos ein autarkes Staatsgebilde darstellt.

Sprecher Contra Du stellst die falschen Fragen. Er ist kein Pilger. Er ist ein Mitglied der Bundesregierung.

Sprecher Pro Genau. Und deine Aufgabe ist es, zu beobachten, wie so jemand agiert.

Sprecher Contra Das reicht nicht, und das weißt du. Frage!

Sprecher Pro Gestehe dir ein, dass du anders bist. Mehr ein Zuhörer.

Atmo Blasmusik am Feuer

Erzähler: Zurück in der Heimat. Haiterbach, Pfalzgrafenweiler, Schopfloch. Noch mehr Standorte von Unternehmen, die Fuchtel seinen indischen Gästen präsentiert. Mit meinem klapprigen Auto jage ich der Wagenkolonne des Staatssekretärs hinterher. Die Fahrer der Limousinen geben Gas. Ich habe Mühe, den Anschluss nicht zu verlieren. Schließlich erreichen wir einen winzigen Flughafen auf einer Wiese nahe Freudenstadt. Und den nächsten Programmpunkt: Rundflug in der Cessna über den Schwarzwald.

Szene: Am Flughafen (Stimmen) Fuchtel: Es ist nur eine Zweisitzer, die andere ist in Reparatur. Und das, Was hier stattfindet ist pure Werbung. Das sind Bilder, die das Auge nicht vergisst. Und nicht bei 15 anderen Gelegenheiten bekommt. Auch eine Spezialität von mir.

Atmo Am Flughafen Maschine

Erzähler: Der Botschafter und der Pilot nehmen Platz im Cockpit. Fuchtel und ich winken, als das Flugzeug in den blauen Himmel abhebt. Wir verziehen uns in den windgeschützten Hangar, bis die Maschine in einer halben Stunde wieder landen wird.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Man sieht auf diese Weise von oben mal die zusammenhängende Schwarzwaldlandschaft. Und für Leute aus anderen Erdteilen ist das was Unglaubliches, so eine intakte Landschaft zu sehen, so gepflegt, so ordentlich. Mit den kleinen Dörfern usw..Gehen wir mal rein in die Lokalität. (Schritte, Stimmen, Stühle)…So komme ich durch meinen Wahlkreis. Unser Interesse ist, dass dieser Schwarzwald wahrgenommen wird von der großen Diplomatie.

Sprecher Contra Das sollst du transportieren.

Sprecher Pro Was ist daran falsch?

Atmo Blasmusik

Sprecherin: Hans-Joachim Fuchtel, geboren 1952 in Sulz am Neckar, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Die Eltern arbeiteten als Magd und Knecht auf einem Bauernhof. Der Junge musste sein Taschengeld früh selber verdienen.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Die brauchten unbedingt einen Traktorfahrer, und so lernte man mir mit 9 Jahren Traktorfahren und der Ortspolizist, der sah die Not und schaute weg. Und natürlich war man sehr stolz, dass man nen Traktorschlüssel schon in der Tasche hatte.

Sprecherin: Er war fleißig und intelligent und schaffte als Einziger seiner Grundschulklasse den Sprung aus Gymnasium. Trotz eines Handicaps. 16

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Ich hatte das Schicksal, dass ich erst mit dem 4. Lebensjahr das erste Wort sprach und dann auch nur sehr eingeschränkt sprechen konnte und gestottert hab bis so ungefähr zum 10. Lebensjahr.

Sprecher Contra Wie oft hat er das wohl schon erzählt?

Sprecher Pro Wusstest du `s? Also.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Das ist schon eine schmerzliche Zeit, vor allem dann, wenn Sie im Religionsunterricht solche Verse aufsagen sollen und Ihnen das einfach nicht gelingt. Da sind viele Tränen geflossen. Und da wird man dann mit seinem Unvermögen sichtbar und muss damit umgehen, dass man beschränkte Fähigkeiten hat. Wenn man das weiß, dann sucht man nach Wegen, wie man das ausgleichen kann.

Atmo Blasmusik

Sprecherin: Mit 16 Eintritt in die Junge Union. Mit 17 Pressesprecher der CDU in Calw. Mit 19 jüngster Delegierter zum Bundesparteitag. Und Wahlkampfleiter für einen Landtagskandidaten.

O-Ton Hans-Peter Theiner Hans-Joachim hat zuerst gesagt, er geht nur zur Jungen Union, weil er dort die besten Chancen hat, dass er was gezahlt bekommt.

Sprecher Contra Was verdient eigentlich so ein Staatssekretär?

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Also wenn Menschen keinerlei Geld haben, wenn sie keinen Ansprechpartner haben, wenn sie einsam sind, wenn sie keine gute Wohnung haben, wenn der Sprit ausgeht auf der Straße, wenn sie dastehen und eben dringend 5 Euro bräuchten, und von niemand können 17 sie die erreichen. Da denke ich, aufgrund meiner Vergangenheit, einigermaßen mich einfühlen zu können…

Erzähler: Ich bin erstaunt, wie offen er erzählt. Dass ihn die Politik seine Ehe gekostet hat, wie sie die vier Kinder aufgeteilt haben. Dass die Frau die Töchter und er die Söhne bekam. Wie er Ämter abgab, um sich mehr um die Kinder zu kümmern. Nicht wie der eigene Vater wollte er werden, der die Familie im Stich ließ.

Sprecher Contra Vorsicht! So viel Nähe ist nicht geheuer. Gehört sicher zum Repertoire eines Profis, sich menschlich zu zeigen.

Sprecher Pro Kann sein. Aber gestehe einem Politiker zu, ein Mensch zu sein. Diese Seite ist wichtig.

Erzähler: Fuchtel blinzelt verschmitzt. Dann wird er wieder ernst. Das wird er noch öfter tun. Mit den Augen lachen, sein Gegenüber auflockern und dann, ganz plötzlich, den Blick kippen lassen und alles löschen. Ein irritierendes, verunsicherndes Spiel. Ob ihm das bewusst ist?

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Ich habe immer mich so präsentiert, wie ich bin. Mit allen Stärken und Schwächen. Man muss auch ein bißchen mit sich kokottie..kokottieren. Das ist z.B. ein Wort, was mir nicht richtig über die Lippen kommt. Ich hab da heutzutage bei weitem nicht mehr so viele Probleme, wie ich das hatte in meiner Jugend. Und ich wundere mich heute, dass ich Reden vor großem Publikum in Bankkreisen und anderen anspruchsvollen Szenarien auf Englisch ausgestalten kann. Und auf sowas bin ich dann auch insgeheim ein bisschen stolz.

Atmo Blasmusik

Sprecherin: Jurastudent in Tübingen. Ziel Wirtschaftsanwalt. Nebenbei Verkäufer in einem Autohaus. Beachtliche Umsatzsteigerungen. Immer wieder Einsätze als Wahlkampforganisator. Ministerpräsident Erwin Teufel wird auf Fuchtels politisches Talent aufmerksam und holt ihn nach dem Examen als persönlichen Assistenten nach Stuttgart. Sieben Jahre später wird er zum ersten Mal in den Bundestag gewählt. 18

Atmo Fahrstuhl Ansage „Plenarsaalebene“/Bundestag

Sprecherin Heute ist Hans-Joachim Fuchtel neben Wolfgang Schäuble und Hermann Otto Solms einer der dienstältesten Abgeordneten.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Also ich bin angekommen, da war Kohl Kanzler. Und das erste, was man mir sagte, sei mal zwei Jahre ruhig. Daran hab ich mich gehalten. Nach zwei Jahren habe mich gemeldet und gesagt, nachdem ich jetzt hier zwei Jahre ruhig gewesen bin, möchte ich Ihnen Herr Bundeskanzler mal eins sagen, das geht nicht, dass sie schon alle Entscheidungen verkünden, bevor die Fraktionssitzung überhaupt gewesen war.

Erzähler Sitzungswoche im deutschen Bundestag. Ein ganz normaler Tag im Parlament.

Sprecher Pro Wieder bist du überall dabei.

Erzähler Fuchtel in einer Ausschusssitzung.

Sprecher Contra Aber aufnehmen darfst du hier nichts.

Erzähler Fuchtel trifft den mongolischen Botschafter in der Bundestagskantine. Fuchtel als Vertreter des Ministers auf der Regierungsbank. Aktuelle Fragestunde. Live im Fernsehen.

Szene 13 Bundestag Aktuelle Fragestunde Pau: Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans- Joachim Fuchtel zur Verfügung…Ich rufe die Frage 10 des Kollegen auf: Wird sich die Bundesregierung an der Konferenz zur Global Gag Rule beteiligen? Bitte, Herr Staatssekretär. 19

Fuchtel: Herr Kollege, die Bundesregierung hat bisher keine Einladung mit Details zu der Konferenz…erhalten. Sobald diese vorliegt, wird die Bundesregierung eine Entscheidung über ihre Teilnahme treffen. Kekeritz: Herr Staatssekretär, Sie werden verstehen, dass mich das jetzt überhaupt nicht befriedigt. Es geht ja darum, dass die Trump-Regierung in Zukunft über 170 NGOs, die also für Frauenrechte und Mädchenrechte aktiv sind, nicht mehr unterstützen wird. Und die Bundesregierung stellt sich hin und sagt: Wir warten auf eine Einladung.

Erzähler Hans-Joachim Fuchtel am Mikrofon vor der Regierungsbank. Aufrecht, ministrabel, eine Spur zu selbstsicher?

Fuchtel: In manchen Kreisen mag es so sein, dass man irgendwo hinläuft, egal ob man eine Einladung bekommt. Deutschland ist ja auf diesem Gebiet nicht untätig, sondern gehört hier zu den ganz großen Gebern. Ich kann Ihnen auch gerne sagen…

Erzähler Er blickt auf das Papier in seiner Hand.

Fuchtel….wie hoch unser Anteil bis jetzt ist: Er liegt bei 383 Millionen Euro. Kekeritz: Rechnet eigentlich die Bundesregierung mit weiteren Rückzügen der Trump- Regierung aus diesem Bereich? Welche Reaktion ist von der Bundesregierung zu erwarten? Fuchtel: Ich bin leider nicht in der Lage, die nächsten Entscheidungen des amerikanischen Präsidenten vorauszusehen, sonst wäre ich sicher ein sehr begehrtes Medienobjekt…

Sprecher Pro Den hat er auflaufen lassen.

Sprecher Contra Hast du ihm das nicht zugetraut?

O-Ton Gesine Lötzsch Wenn man Mitglied des Bundestages ist, hat man mit vielen Kollegen zu tun, die teilweise persönlich auch sehr nett und freundlich sind,

Erzähler: Gesine Lötzsch von den Linken 20

O-Ton Gesine Lötzsch aber wenn es um Entscheidungen geht, dann stehen die natürlich wie ´ne Eins zu ihrer politischen Linie. Und da darf man sich auch keine Illusionen machen. Gerade wenn ein Kollege neu kommt, die denken, ach, da haben wir doch gleich so einen tollen Draht. Wenn es zum Schwur kommt, sind die Fronten klar.

Sprecher Pro Ein Crash-Kurs in politischer Bildung.

Sprecher Contra Stell endlich schärfere Fragen! Wie nutzt er die Presse für seine Zwecke? Was darf er sagen und was nicht? Wie transparent ist Politik?

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Wenn ich jetzt Leute aufrütteln möchte, in meinem Ministerium, dass Afrika nicht geholfen ist mit Detailaktivitäten, dass es einen Marschallplan braucht, erstmal sagt, wir müssen den gesamten Komplex neu denken. Und wenn man das gemacht hat, wie läuft das Ministerium voran, wie greift das über in die deutsche Politik, und wie platziert man das im internationalen Rahmen. Da muss man mit mal Ideen rausschießen und mit der Unterstützung der Medien manche verschrockenen Geister dann aufwecken.

Sprecher Contra Das will er von dir.

Szene: Interview Büro Fuchtel Autor: Wenn es brisant wird, Beispiel jetzt mal, da gab es ja die Überlegung von Wolfgang Schäuble, temporär soll Griechenland aussteigen aus dem Euro. Wenn wir das jetzt rauslassen, ist dann die Büchse der Pandora geöffnet. Fuchtel: Wie kann ich in einem Ministerium denken lassen? Und die Lösung heißt, dass man auch mal einen kleinen thinktank bildet, und das natürlich auch mit Tempo macht. So dass die Problematik nicht so schnell nach außen kommt, dass das eigentliche Temp140 gar nicht mitgehalten wird für die Lösung der Frage…

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Sprecher Contra Kapierst du das?

Sprecher Pro Klar. Es darf nichts durchsickern, solange sie noch nicht fertig sind mit Nachdenken.

Szene: Interview Büro Fuchtel Fuchtel: Und in dem Stadium darf man natürlich niemals etwas in die Öffentlichkeit lassen. Sonst kann man sagen, dass die Sache schon verloren ist.

Erzähler Immer wieder gewährt mir der Staatssekretär Interviewtermine. Dann will er, dass ich schnell zur Sache komme. Ich gebe mir Mühe, aber spüre, dass ich an meine Grenzen stoße. Mich permanent mit der Frage quäle, wie weit ich gehen kann. Ob ich ihn bei längeren Ausführun- gen unterbrechen darf. Womöglich das allmählich gebildete Vertrauen wieder verspiele. Nicht nachfrage. Mir mein Tun harmlos und sinnlos vorkommt. So viele Aufnahmen. Aber wenn ich zu Hause das Material abhöre, habe ich das Gefühl, noch einen Termin zu brauchen.

Sprecher Pro Den entscheidenden!

Sprecher Contra Du machst dir was vor. Den gibt es nicht.

Sprecher Pro Es ist schon fast eine Sucht.

Sprecher Contra Ja, die Fuchtel-Sucht!

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Und daher ist meine Grundhaltung zu solchen Kontakten, dass es da noch weitere Kom- ponenten gibt, die zu nem späteren Zeitpunkt verfügbar sind. Und da gibt es Journalisten, die das akzeptieren und Journalisten die das nicht akzeptieren, und wer dann immer weiter bohrt und letztlich schon Dinge, die noch gar nicht das Stadium erreicht haben, wo man vernünftig reden kann, versucht raus zu holen, mit denen tue ich mich bisschen schwer. 22

Sprecher Pro Ist das eine Warnung?

Sprecher Contra Sicher. Aber du bist nicht gemeint. Oder hast du schon bei irgendwas nachgebohrt?

Szene Interview im Büro Fuchtel Autor: In dieser Rolle als Griechenlandbeauftragter gibt es da nicht manchmal Loyalitätskonflikte? Fuchtel: Wir lösen solche Konflikte durch Arbeitsteilung. In Griechenland, indem jetzt der Bundesfinanzminister seinen Part macht und der Beauftragte für die Deutsch-Griechische Versammlung ganz bewusst sich auf diese Bereiche begrenzt, die in seinem Geschäftsfeld liegen. Autor: Ich will es jetzt nicht verkürzen auf der Schäuble ist der bad guy und Fuchtel ist der good guy, aber von Ihrer Herkunft her…da muss es doch für Sie gewisse Spannungen geben oder vielleicht sogar Zweifel. Fuchtel: Natürlich tut es einem weh, wenn man sieht, dass da Menschen auf Straßen sitzen und um Almosen fragen.Da hilft ja nichts, wie der Weg nach vorne, um seinen eigenen Jammer auch runter zu schlucken und den Kopf zu öffnen für Lösungen. Die Auffassung der Bundesregierung und auch ganz stark meine persönliche Auffassung ist, man darf solche Situationen nicht verloren geben.

Sprecher Contra Nervt dich das nicht, wie unangreifbar er tut?

Sprecher Pro Was hast du erwartet? Dass er Schäuble kritisiert? Mach einfach weiter!

Szene: Interview im Büro Fuchtel Autor: Wenn man nochmal ganz zurückspringt an den Anfang, dass es da sehr sehr kritisch war für Deutschland für Frankreich, nicht nur für Griechenland auch für die Banken dort, was stand da auf dem Spiel, was darf ein Politiker sagen?

Sprecher Contra Ja, was darf ein Politiker sagen?

Szene: Interview im Büro Fuchtel Fuchtel: 50% der Wirtschaftspolitik ist Psychologie. Da gab es ne klare Aussage von Angela 23

Merkel, dass man das stabilisieren wird, die dann auch tatsächlich zur Beruhigung der Märkte geführt hat. Autor: Ist das Psychologie oder Wahrheit? Fuchtel: Das ist begründet gewesen auf Fakten und hat sich auch bewahrheitet. Autor: Gibt es Spielregeln unter Mächtigen. Fuchtel: Die gibt es ganz sicher. Da ich nicht zu denen gehöre, kann ich das nicht genau beurteilen, aber wenn einer den Mund nicht halten kann, wo der Mund gehalten werden muss, dann ist das sicher auch nicht der Traumpartner für die Zukunft. Autor: Ich meine auch sowas wie -Insider sprechen mit Outsidern nicht über Insider.

Sprecher Pro Politiker sprechen mit Journalisten nicht über Politiker.

Sprecher Contra Nicht über Parteifreunde.

Szene: Interview im Büro Fuchtel Fuchtel: Da würde ich eine Spielregel schon sehen…Der Bessere wird verzichten… jetzt im Übermaß…einander zu….in der Öffentlichkeit dann über…Der Satz ist vielleicht nichts.

Sprecher Contra Er windet sich ja!

Sprecher Pro Bist du nun zufrieden?

Erzähler (auf Erläuterungen Fuchtels) Fuchtel spricht über Lauterkeit, blutige Nasen, die man sich holen kann. Dass er der Profilierung abgeschworen habe. Er redet von der schwierigen Suche nach Sachverstand, von Gefälligkeitsgutachten und seinem Wunsch nach mehr Transparenz.

Sprecher Contra Niederlagen?

Erzähler Darüber möchte er sich nicht äußern. Und tut es dann doch später bei einer ganz anderen Frage. Vermögensbildung für Arbeitnehmer. Plan ausgearbeitet. 600 Millionen DM disponibel Kanzler Kohl begeistert. Braucht aber das Geld für den Euro. Verspricht späteren Zeitpunkt. 24

Nie was draus geworden.

Szene: Interview im Büro Fuchtel Bonhoeffer hat mal gesagt, es gibt ein erfülltes Leben trotzt vieler unerfüllter Wünsche. Und das ist einer meiner Leitsprüche. Ich bin heute noch der Meinung, wir müssen alles tun, dass die Spreizung des Vermögens stärker wird, und dass jeder ein Stück soziale Marktwirtschaft im positiven Sinne, auch im Vermögensbereich erleben kann. Autor: Das ist immer noch ein Traum von Ihnen? Das ist 20 Jahre her. Fuchtel: Man soll immer weiter träumen…

Erzähler Und Fuchtel erzählt von einer Klinik für schwerkranke Kinder. Dass er plötzlich die Kraft hatte, für ein Stiftung Geld zu sammeln. Und wieder hat er diesen weichen Blick, der schlagartig verschwindet, als ich darauf reagiere. Dann ist die Zeit auch schon herum. Ein nächster Termin. Fraktionssitzung. Da dürfe ich natürlich nicht mit. Zwei Tage später erhalte ich die Einladung zu seinem Geburtstagsempfang im Ministerium. Er wird 65.

Sprecher Contra Gratuliere!

Szene: Empfang, Stimmen Alles Gute! Danke, danke! Herr Botschafter, Sie können ein paar Worte sprechen nach dem Minister.

Erzähler Oberstes Stockwerk des Ministeriums. Herrliche Aussicht. Sonnenuntergang. Eine lange Schlange von Gratulanten. Botschafter, Minister, Parteifreunde, Mitarbeiter. Auch Journalisten sind dabei.

Sprecher Pro Du auch!

Sprecher Contra Und ein früherer Focus-Mann, der jetzt eine PR Firma betreibt.

Szene: Empfang, Stimmen Ich hoffe, Sie verabschieden sich nicht ganz schnell in den Ruhestand. Fuchtel: Nein, 25

überhaupt nicht geplant. Wir haben heute einfach nach dem Herz eingeladen. Ja vielen Dank, wir sollten professionell mal wieder was zusammen machen.)

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Einsamkeit ist natürlich ein Problem. Weil man kann viele Dinge nicht weitertragen, die man normalerweise mit seiner privaten Umgebung besprechen würde und das macht dann auf eine ganz seltsame Art etwas einsam. Und natürlich ist auch ein Problem, sich seinen Freundeskreis zu erhalten. Es tut einem manchmal schon weh, wenn man denkt, dass die Nachbarn jetzt am Grill sitzen und ich selbst bin noch irgendwo auf dem Weg zu `ner Veranstaltung und kann da nicht dabei sein.

Szene: Rede Fuchtel Ich habe nicht eingeladen nach Protokoll, sondern einfach, wie es mir gerade ums Herz war. Und da gehörten Sie alle dazu. Bei jedem habe ich mir warme Gedanken gemacht (Lachen)

Sprecher Contra Du bist bei Hofe.

Sprecher Pro Unsinn. Finger weg vom Champagner!

Sprecher Contra Ist dir aufgefallen, dass er nur Mineralwasser trinkt?

Szene: Rede Fuchtel (unter folg. Text)

Erzähler Und während der Jubilar von den lebensbedrohlichen Umständen seiner Geburt erzählt, dem Weg vom Flaschenschrubber zum Anwalt - auch in Scheidungsfragen bei Abgeordneten - und alles lacht und selbst Gesine Lötzsch von der Linkspartei eine charmante Anekdote Fuchtels abbekommt und schließlich noch zwei Journalisten hervorgehoben werden…

Sprecher Contra Hey, du bist nicht gemeint. Hast du wirklich kurz gedacht, oder?

Sprecher Pro Ja. Verrückt!

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Atmo Empfang, Geigerin

Erzähler …stehe ich da mit meinem Mikro. Mittendrin und doch entfernt. Lache mit, spüre das Fremd- sein auf Stehempfängen. Die Unfähigkeit zum Smalltalk. Oder hier gleich mal Stimmen einzufangen.

Sprecher Contra Hast noch nicht mal Visitenkarten dabei.

Erzähler Ich lasse das Aufnahmegerät laufen. Genieße die Aussicht. Die ukrainische Geigerin. Proste Fuchtel zu. Der verschwindet irgendwann unauffällig.

Atmo Sprechfunk Polizei, Stimmen im Hintergrund/ Demo Nafplio mit „Fuchtel raus!“- Rufen

Sprecherin Spiegel online, November 2012: Hans-Joachim Fuchtel, der Beauftragte der Bundeskanzlerin für Griechenland, erregt den Zorn von Demonstranten in Thessaloniki wegen seiner gegenüber Reportern getätigten Aussage, für eine Arbeit, die in deutschen Kommunen tausend Beschäftigte erledigten, brauche man 3000 Griechen. Später sprach Fuchtel von einem Missverständnis.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Das Wort kann man ja, wie bewiesen, nicht mehr zurückholen. Das ist übrigens ein großes Problem in der Politik.

Sprecherin: Spiegel online, Februar 2014: Der in Deutschland weitgehend unbekannte Fuchtel ist in Griechenland ein Liebling der Medien - und der vielleicht einzige beliebte deutsche Politiker überhaupt.

Szene: Interview Büro Fuchtel 27

Autor: Da war es ja nicht unbedingt zu erwarten gewesen, dass da alles in Butter ist. Ich weiß noch in Nafplio standen die ja draußen die Demonstranten oder in Alexandropouli, da gab es den Bürgermeister, der erstmal vor laufender Kamera, Sie anstelle von Frau Merkel sich zur Brust nehmen wollte. Was mache ich dann?

Sprecher Contra Was macht er dann?

Fuchtel: Ich tue meine Hand in die Hosentasche und dort sieht die Faust niemand.

Sprecherin 2016 erhält die Deutsch-Griechische Versammlung den von der Goerdeler-Stiftung ausgelobten Preis für Kommunalpolitik und Völkerverständigung als innovativstes Projekt Europas.

Szene: Fuchtel Rede Nafplio Während da draußen einige schreien, wird hier gearbeitet und das ist das Wichtigste, meine Damen und Herren. Einige, die eben nur kommentieren wird es immer geben….(Beifall)

Sprecher Contra Bisschen arrogant ist er schon?

Sprecher Pro Wütend.

Sprecher Contra Du bist auch gemeint. Deutscher Journalist. Mit dir reden wollten die Demonstranten auch nicht.

Atmo Autofahrt, Blättern in Unterlagen

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Dann gibt es nur die Möglichkeit durch die Tat vom Besseren zu überzeugen. Abperlen lassen oder nachdenken, ob man einen Grund gelegt hat. Diese Selbstreflexion muss man immer wieder vornehmen.

Sprecher Pro Selbstreflexion. Ok. Wer bist du in diesem Spiel?

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Sprecher Contra Um dich geht`s nicht.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Die sozialen Medien ermöglichen dem Menschen weit weg und anonym, sich abzureagieren. Da hat man dann seine Spezialfreunde. Meistens habe ich gar keine Zeit, das zu verinnerlichen, weil schon die nächste Herausforderung kommt. Es ist so, dass meistens ein bißchen gilt: Eine deutsche Eiche hält viel aus.

Atmo Spieluhr im Haus Fuchtel

Erzähler: Am Stadtrand von Altensteig. Ein unscheinbarer Bungalow. Vorweihnachtszeit Hier lebt Hans-Joachim Fuchtel mit seiner Lebensgefährtin Iris Follak, einer ehemaligen thüringischen SPD-Abgeordneten. In der Diele steht eine riesige Spieluhrlandschaft aus dem Erzgebirge, auf der Menschen, Engel und Tiere auf drei Ebenen umeinander kreisen. Der indische Botschafter verabschiedet sich. Fuchtel ist müde von den vielen Terminen. Im kleinen Wahlkreisbüro des Abgeordneten gibt es Beuteltee und Kekse. Plötzlich ist so viel Zeit.

Szene:Im Haus Fuchtel, Schreibmaschine Das hier ist meine Schreibmaschine, die meine politische, sagen wir mal Start gewesen sind. (Gerumpel) Oh, Sie müssen mal dieses Ding heben. Die hat Gewicht (klopft). Überall hat es da Hebel. Autor: Ist die noch funktionsfähig? Fuchtel: Jaja. Die steht so wie ich sie damals in Gebrauch hatte. Autor: Nach dem Motto, wenn mal der Strom ausfällt, kann der Herr Fuchtel immer noch seine Mitteilungen verschicken. Fuchtel: Ohne Computer bin ich noch handlungsfähig.

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Und da ist es sicher von gegenseitiger Art, dass wir festgestellt haben, wir sind Typen, die im Leben stehen, jeder an seiner Stelle und zu diesem Zweck, die Öffentlichkeit über bestimmte Dinge zu informieren.

Sprecher Contra Wir beide?

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Sprecher Pro Fuchtel und ich?

O-Ton Hans-Joachim Fuchtel Und deswegen war mir sehr wichtig, dass ich Ihnen eine Vielzahl an Szenen, die ich nicht persönlich beeinflussen kann, anbiete, aus der Sie dann Ihre Schlüsse ziehen können. Sie sind da in diesen Apfel wie so ein Wurm reingeschlüpft. Dann kann man sich da ganz anders nähren. Und ich hab in keinem Fall, irgendjemand, auch nur einmal präpariert, vorgewarnt,sondern ich verlasse mich da einfach auf das Gute.

Atmo Blasmusik

Szene: Im Haus Fuchtel Ich möchte da politisch noch ein bißchen überleben. Ich weiß nicht, ob ich Dinge gesagt hab, die da zu weit gehen. Autor: Mir ist nichts aufgefallen.

Sprecher Contra Quatsch.

Szene: Im Haus Fuchtel Ihnen nicht. Ja, Sie sind ja Journalist, Ihnen fällt ja nie was auf, wenn´s kritisch wird. (Lachen) Ist ja völlig klar. Während ich muss gucken, dass ich jemand dabei sitzen hab, der sofort sagt, halt, das war zu viel. Das habe ich ohne Netz gemacht, ohne Netz ist das.

Sprecherin In der neuen Großen Koalition wird Hans-Joachim Fuchtel zum Staatssekretär im Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Szene: Im Ministerium Fuchtel: Sie sehen, das wird hier noch alles neu gemacht. Hier ist 12 Jahre nicht tapeziert worden….

Sprecherin Ob er Griechenlandbeauftragter der Bundesregierung bleibt, ist noch nicht entschieden. 30

Erzähler Fuchtels neues Büro ist bei unserem letzten Treffen noch nicht eingerichtet. Ein Teppich liegt zusammengerollt in der Ecke. Kisten stehen gestapelt herum, ein Adenauerbild lehnt an der Wand. Ich habe keine Ahnung, was Hans-Joachim Fuchtel zu diesem Stück sagen wird, er hat den Text nicht sehen wollen. Bin ich seinem Charme erlegen oder er meinem?

Szene: Im Ministerium Fuchtel: Kommen Sie auch mal wieder! Wir haben schöne Themen ganz anderer Art.

Absage Sprecherin Fuchtel und ich – Wie man dem Charme eines Politikers widersteht Ein Feature von Rainer Schildberger

Es sprachen: Thorben Kessler und Susanne Flury Ton und Technik: Ernst Hartmann und Roman Weingart Regie: Matthias Kapohl Redaktion: Ulrike Bajohr

Eine Produktion des Deutschlandfunks 2018

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