Mittelbiberach Pfarrkirche St. Cornelius und Mittelbiberach St. Cornelius und St. Cyprian – die Kirchenpatrone Pfarrkirche St. Cornelius und Cyprian Die Pfarrkirche Mittelbiberachs ist den Heiligen Cornelius und Patrozinium: 16. September Cyprian geweiht, die um das Jahr 250 lebten. Reliquien von ihnen kamen über die herrschenden Franken um 800 zum Damenstift Diözese: Rottenburg-Stuttgart Dekanat: Biberach Buchau. Da die Mittelbiberacher Kirche damals zum klösterlichen Gemeinde: 88441 Mittelbiberach Besitz gehörte, erhielt auch Mittelbiberach dieselben Patrone. Bundesland: Baden-Württemberg Landkreis: Biberach Reliquienstücke sind im Tabernakelkreuz eingearbeitet. Cornelius entstammte einer römischen Patrizierfamilie und Liebe Leserin und Leser dieses Kirchenführers, wurde 251 zum Papst gewählt. Im innerkirchlichen Streit über den Umgang mit den während der römischen Christenverfolgung vom Sie stehen in einer Kirche mit langer christlicher Tradition. Lassen Glauben abgefallenen Christen vertrat Cornelius entschieden die Sie dieses Gebäude und die Gegenwart Gottes auf sich wirken. Haltung des Nachsichtigen. Darin wurde er von Bischof Cyprian In diesem Gotteshaus befinden sich nicht nur Zeugnisse einer von Karthago unterstützt. Der römische Kaiser Valerian verbann- alten Frömmigkeitsgeschichte, hier hat die selige Schwester te Cornelius 253 nach Civitavecchia, wo er noch im selben Jahr Ulrika Nisch von Mittelbiberach vor ungefähr 100 Jahren gebetet. starb. Bischof Cyprian bescheinigte ihm „Ruhe und Bescheiden- So können Bilder und Gegenstände nochmals eine andere heit, treffliche Verwaltung, hohe Geistesstärke und Glaubens- Bedeutung bekommen. Jedes Gott geweihte Kirchengebäude ist festigkeit“. ein Bild der himmlischen Kirche. Der Kirchenraum öffnet sich für Cyprian, aristokratischer Herkunft, geboren um 200, genoss eine die Feier der „ewigen Liturgie“, wo die versammelte Gemeinde gute Ausbildung, besaß ein großes Vermögen und war als An- zusammen mit den Engeln und Heiligen Gott lobt und preist. Die walt erfolgreich, bevor er sich 246 taufen ließ. Er verschenkte sei- Form des Raumes und seine Ausstattung wollen etwas von die- nen Besitz, wurde Priester und bereits zwei Jahre nach seiner ser überirdischen Wirklichkeit erahnen lassen. Darum ist eine Taufe zum Bischof von Karthago gewählt. Die schweren Chris- schön gestaltete Kirche kein Luxus, sondern dient der Verherr- tenverfolgungen zwangen Cyprian um 250, sich zu verstecken lichung Gottes. In der liebevollen Ausgestaltung des Kirchen- und die Gemeinden mit Briefen zu leiten. Mit dem Ende der raumes und in der Liturgie will uns ein Hauch jenes Glanzes auf- Verfolgungen 251 stellte sich Cyprian auf die Seite von Papst leuchten, der uns einst in Gottes Herrlichkeit erwartet. Cornelius und ließ Milde gegenüber den vom Glauben abge- Der Dichter Reinhold Schneider hat einmal gesagt: „Eine Kirche fallenen und nun zur Rückkehr bereiten Christen walten. versteht nur, wer in ihr niederkniet.“ Möge dieser Kirchenführer Während der erneuten Verfolgungswelle unter Kaiser Valerian auch dazu anleiten, niederzuknien und den anzubeten, zu des- wurde Cyprian 257 verbannt, 258 in Karthago verurteilt und ent- sen Ehre diese Kirche erbaut worden ist. hauptet. Als bedeutender kirchlicher Schriftsteller wurde er im Mittelalter viel gelesen, nicht zuletzt wegen seiner Schrift „Von Wunibald Reutlinger, Pfarrer der Einheit der Kirche“, die sich mit der hierarchischen Organisation der Kirche befasst.

2 3 St Cornelius und Cyprian Innenansicht 4 5 Die Statuen der beiden Heiligen Cornelius und Cyprian befin- den sich links und rechts vom Hochaltar, der 1956 anlässlich der Kirchenrenovierung neu errichtet wurde. Sie gehörten schon in früher Zeit zum Kircheninventar und waren allerdings später in Privatbesitz, aus dem sie 1956 zurückgekauft werden konnten.

Der Hochaltar wird dominiert vom Rosenkranzbild. Darauf wird die heilende Kraft des Rosenkranzgebetes dargestellt. Das Gemälde zeigt, wie Maria mit dem kleinen Jesuskind Rosen- kränze an die Heiligen Dominikus und Katharina von über- reicht. Um diese Darstellung sind kranzförmig 15 Medaillons angeordnet, welche die freudenreichen, schmerzhaften und glor- reichen Gesätze des Rosenkranzes beinhalten.

Schmerzhafter Rosenkranz

Freudenreicher Glorreicher Rosenkranz Rosenkranz

Im unteren Bereich des Kunstwerks sieht man das Fegefeuer, aus dem die Menschen durch das Rosenkranzgebet gerettet wer- den können. Das Gemälde wurde 1697 von der Ortsherrschaft, den Herren von Ulm, gestiftet zeitgleich mit der Einführung einer Rosenkranz- bruderschaft für den Hochaltar. Das Bild war bis 1956 Altarbild, anschließend hing es bis zur Renovierung 2001 an der südlichen Innenseite der Kirche. Hochaltar 6 7 Der Volksaltar wurde vom Ravensburger Bildhauer Josef Henger Die Chordecke zeigt ein zeitgemäßes Bild der Schutzmantel- gestaltet. Er ist in Kreuzform aus Trientiner Rot gehauen und ent- madonna des Kunstmalers Reinhold Dassler aus Rechtenstein. In hält Reliquien der Heiligen , Papst Pius X., Gerhard der Gestalt von Maria bildete er seine Tochter ab, die schützend Majella und der Seligen Mutter Anna Maria Taigi. Er wurde von ihre Hände über ihm bekannte Personen hält: Links seine Frau, Abt Johannes Kraus aus Neresheim am 14. 10. 1973 geweiht. Er davor Kinder aus der Nachbarschaft, neben seiner Frau Pater ist das Zeichen des sich dem Vater hingebenden und den Franz Temminghoff, bis 1994 Pfarrer in Mittelbiberach. Auf der Gläubigen schenkenden Herrn Christus. rechten Seite ist eine Wirtsfamilie aus der Umgebung von Oberstadion dargestellt, Aus demselben Stein ist rechts außen steht ein auch das Taufbecken. Schüler von Reinhold In unmittelbarer Nähe Dassler an einem astro- steht die Osterkerze nomischen Gerät als als Sinnbild für den Sinnbild für die Wissen- Sieg Christi über den schaft, auf der linken Tod. Rechts an der Bildseite erkennt man Wand hängt das „Ewige ein Vogelnest, Symbol Licht“, welches auf die für die Natur. Im Hinter- Gegenwart Christi im grund ist Mittelbiberach Eucharistischen Brot im mit Kirche und Schloss Tabernakel hinweist. zu erkennen. Das darunter gelegene Ebenso von Josef Hen- alte Deckengemälde war ger stammen die Bronze- bei der Sanierung um abeiten: der Ambo, die 1980 nicht mehr zu ret- Altarkerzenleuchter und ten. Nur im äußeren die drei Sitze. Kranz wurden die vier Evangelisten Matthäus, Der Goldschmied Her- Markus, Lukas und Jo- mann Stadelmaier aus hannes wieder sichtbar Schwäbisch Gmünd ge- Taufbecken, Osterkerze, Ewiges Licht gemacht. Deckengemälde im Chorraum: staltete die Tabernakel- Schutzmantelmadonna vorderseite mit einer modernen Herz-Jesu-Darstellung, den Osterleuchter und die kupferne Taufbeckenabdeckung mit Dreifaltigkeitssymbolen und Krone.

8 9 Rechts im Chorraum steht, die Blicke auf den gekreuzigten Herrn der ohnmächtigen Maria aus den Kirchen entfernt. Die Gottes- gerichtet, eine (nicht originalgetreue) Nachbildung der „Gruppe mutter wurde gefasster und standhafter dargestellt. der Trauernden aus Mittelbiberach“. Der mittleren Frau, nach der Überlieferung Maria, fehlt im Original der linke Arm, in der Kopie ist diese Stelle kasch- iert. Der originale Falten- wurf, ein wesentliches Merkmal zur Bestim- Original der „Gruppe der Trauernden aus Mittelbiberach“ mung einer Meister- werkstatt, ist durch zu- (Kaiser-Friedrich-Museum, Berlin) sätzliche Falten verän- dert. Herber Schmerz wird in diesem Bildwerk mit einem für Schwaben Im Chorbogen stellt ein ganz ungewöhnlichen spätgotisches Kreuz die Realismus zum Aus- Verbindung von Kirchen- druck gebracht. schiff und Chorraum her. Bis 1912 stand das Ori- Es wird der Ulmer Werk- ginal in Mittelbiberach statt von Nikolaus Weck- an der heutigen Buch- mann zugeschrieben und auer Straße und war dürfte um 1520 entstan- stark von der Witterung den sein. in Mitleidenschaft gezo- gen. Ein Händler kaufte das Kunstwerk, erkann- te seinen Wert und ver- kaufte es weiter an das Kaiser-Friedrich-Museum „Im Kreuz ist Heil.“ in Berlin, wo das Origi- (Ulrika Nisch) nal heute noch besich- tigt werden kann. Gruppe der Trauernden aus Mittelbiberach

Als Entstehungszeit wird 1430 und als Meisterwerkstatt eine Ulmer Schule angenommen. Im 16. Jahrhundert wurden Darstellungen Kreuz

10 11 Die Seitenaltäre Der linke Seitenaltar wird geschmückt durch Der rechte Seitenaltar eine Statue der Strah- wurde 1956 den Heili- lenmadonna. Er wurde gen Josef und Papst 1956 dem unbefleckten Pius X. geweiht. Er wird Herz Mariens und der durch eine Josefstatue Heiligen Maria Goretti geschmückt. Sie ist ver- geweiht. mutlich ein Werk von Die Statue ist eine Caspar Wilhelm Hegen- Maria-Königin-Darstel- auer, entstanden um lung ohne Zepter und 1750. Beachtenswert ist, hat für die Gemeinde dass das Kind nicht der eine besondere Bedeu- Formensprache des Hl. tung: Sie stammt aus Josef entspricht. Es ist der Feldkapelle „Maria zu klein, passt nicht in vom Troste“, die 1585 die Hand und wirkt wie beim Pestfriedhof erbaut nachträglich aufgesetzt. und 1810 im Zuge der Aufklärung unter Kaiser II. abgebrochen wurde. Charakteristisch für die Strahlenmadonna schwäbische Herkunft Josefstatue dieser Madonnengestalt sind neben der Gewandung die lang her- abfallenden Haare, die selbst auf der Rückseite noch gut ausge- arbeitet sind. Insgesamt handelt es sich um eine eher „ländliche“ Darstellung. Der Strahlenkranz wurde nachträglich angebracht und die Bemalung (Fassung) mehrfach geändert. Als Ausläufer „Die Fehler und Sünden darf man beweinen, des „Parallelfaltenstils“, der im Illertal und südlich davon seine aber nicht mutlos und kleinmütig werden.“ Heimat hat, kann die Statue durch Vergleiche um 1550-1570 (Ulrika Nisch) datiert werden.

12 13 Im Kirchenschiff befinden sich rechts und links Kreuzwegsta- Nach einer umfangreichen Restaurierung wurde im Jahr 2008 an tionen. der linken Seite das große Gemälde, das die Aufnahme Mariens Schon um 1737 wurde ein Kreuzweg zwischen dem Ort Mittel- in den Himmel darstellt, wieder aufgehängt. Die Apostel umste- biberach und der Wallfahrtskapelle „Maria vom Troste“ errichtet, hen das leere Grab, während Maria von Gottvater, Gottsohn und dessen Erstausstattung aber nicht bekannt ist. Im 19. Jahrhundert dem Heiligen Geist im Himmel empfangen wird. wurden die Darstellungen durch Schnitzereien, die der Mayer- Das Bild wurde unter Pfarrer Ruef erworben und stammt aus dem schen Hofkunstwerkstatt zugeschrieben werden, ersetzt. 18. Jahrhundert. Es wird dem Umkreis des Malers Franz Josef Nach einem Diebstahl Spiegler zugeschrieben. der 12. Station: „Jesus stirbt am Kreuze“ wur- den diese Bildtafeln ent- fernt und nach einer Restaurierung an den Wänden des Kirchen- schiffes angebracht. Die geschnitzten Reliefs zeigen ausgeprägte Fi- guren, die ursprünglich wohl farbig bemalt wa- ren. Das gestohlene Bild wurde in Anlehnung an die Plastik „Gruppe der Trauernden von Mittel- biberach“ ergänzt. Die heutigen Bilder in den Kreuzwegstationen zum ehemaligen Pestfriedhof sind Kopien der Origi- nale. An der linken Kirchen- schiffseite befindet sich eine Herz-Jesu-Statue aus dem 19. Jahrhun- dert. Herz-Jesu-Statue Aufnahme Mariens in den Himmel

14 15 Gegenüber eröffnet eine ausgesparte Bank den Blick auf eine Über dem Kreuzweg rechts Pieta, die leidende Gottesmutter, vom Schwert durchbohrt, ihren in der Mitte des Kirchen- Sohn auf dem Schoß. Das Bildwerk wurde 1750 von Hegenauer schiffes zwischen zwei Fen- geschaffen und wird dem Barock- bzw. Rokokostil zugeschrieben. stern ist eine Kreuzigungs- gruppe zu sehen. Die Figurengruppe entstand um 1500 und wird Zeynsler (um 1533) zuge- schrieben. Sie wurde um 1900 durch die Familie Dob- ler vom damaligen Besitzer des Klosters Heggbach er- steigert und der Pfarrkirche überlassen. Sollten sie ein- mal nicht mehr ausgestellt werden, gehen sie an die Familie Dobler zurück. Die Kreuzbalken in der Kirche stammen aus dem Restholz der Eichentreppe im Pfarr- haus. Kreuzigungsgruppe

Zurück zum großen Ein- gangsportal gewandt er- blickt man schließlich an den massiven Turmpfei- lern Statuen der Heili- gen Franziskus und Antonius aus dem 20. Jahrhundert.

Pieta Hl. Franziskus Hl.

16 17 Ulrika-Nisch-Gedenkstätte Lebensweg der Schwester Ulrika Nisch

Links vom Haupteingang befindet sich die Gedenkstätte zu Ehren Ulrika Nisch wurde am 18.09.1882 im Ortsteil Oberdorf als Toch- der Seligen Schwester Ulrika Nisch, die 1997 durch Weihbischof ter einfacher, armer Leute geboren. Die finanzielle Lage war so Bernhard Rieger eingeweiht wurde (siehe rückwärtiges Deckblatt). schlecht, dass ihre Eltern zuerst nicht heiraten konnten bzw. durf- Das Bronzerelief von ten. Ulrika Nisch war sehr gottesfürchtig. Sie betete gerne und Joseph Krautwald zeigt freute sich auf jeden Kirchgang. Nach der Schule erlernte sie im die Selige Schwester Haushalt ihrer Tante (der Wirtin zum Grünen Baum in der Nähe Ulrika als Kreuzschwes- ihres Geburtshauses) das Kochen und arbeitete danach an meh- ter. Eine Hand zeigt reren Stellen als Dienstmagd und Kindermädchen. Von einer nach unten auf die Kir- Gesichtsrose befallen, kam sie ins Krankenhaus. Dort lernte sie che von Mittelbiberach. die Ingenbohler Kreuzschwestern kennen. Nachdem ihr Beicht- Die andere Hand streckt vater sie zu einem klösterlichen Leben ermunterte, erhielt sie mit sich nach oben Gott ent- 22 Jahren die Zusage fürs Kloster. Es folgte eine halbjährige gegen. Probezeit in der Küche. 1906 begann in Hegne ihr Noviziat, am Der Altar aus Stein ist 24.04.1907 legte sie die ewige Profess ab. Ihr Wunsch war es, als einfache Schwester zu arbeiten. Am liebsten verbrachte sie ihre in Kelchform von Hans Freizeit in der Kapelle. Im vertieften Gebet hat sie öfters Visionen Nägele, Steinmetzmeis- erlebt. Im März 1912 stellte man bei ihr Lungen- und Kehlkopf- ter in Mittelbiberach, ge- Tuberkulose fest. Unauffällig und bescheiden, wie sie gelebt hatte, arbeitet. Der Wahlspruch starb sie am 08.05.1913 in Hegne am Bodensee. der Seligen Schwester Ulrika: „Im Kreuz ist Aufgrund vieler Gebetserhörungen (Heilungen und Wunder), die Heil“ ziert den Altar. ihre Mitschwestern sammelten, wurde Schwester Ulrika Nisch von In der Vorderfront des Papst Johannes Paul II. am 01.11.1987 in Rom selig gesprochen. Steines ist eine vergit- Heute weist eine Gedenktafel, die 1964 am „Ulrika-Nisch-Haus“ terte Mulde eingelassen. in der Buchauer Straße 51 angebracht wurde, auf ihren Geburtsort In dieser steht eine hin. Dieses Haus wurde von der Kirchengemeinde erworben und Pyxis mit einer Reliquie im Jahr 2003 in die kirchliche Stiftung „Ulrika Nisch“ eingebracht. der Seligen Schwester Die Stiftung stellt die im Haus vorhandenen kleinen Wohnungen in Ulrika. Es ist ein Stück Bronzerelief der Not geratenen Müttern und deren Kindern, besonders auch wer- Seligen Schwester Ulrika Nisch ihres Fingerknochens, denden Müttern in Schwangerschaftskonflikten zur Verfügung; die ein Geschenk der Bewohnerinnen werden zudem sozial betreut. Die heutige Nutzung Schwestern von Hegne an die Heimatgemeinde anlässlich der des Geburtshauses spiegelt so etwas von der Not und der Situ- Seligsprechung 1987. ation der unehelichen Geburt von Ulrika Nisch wider.

18 19 2005 wurde bei der Warthausen gezogen. Auch die beiden Kirchenerweiterungen von Ulrika-Nisch-Gedenk- 1517 und 1592 gehen auf die Initiative der Familie Schad zurück. stätte ein buntes Kir- Anno 1598 ließen die Schadschen Erbtöchter Euphrosine II. und chenfenster mit Hinter- Dorothea (Urenkel von Dr. Hans Schad) ihren Eltern Bernhard grundbeleuchtung an- (†1596) und Veronika Schad, geb. Späth von Zwiefalten, diese gebracht. Es ist aus Spätrenaissance-Gedenkstätte errichten. Sie besticht durch ihre Resten eines der Fen- enorme Größe, ihr Gliederungskonzept sowie ihre bis ins Detail ster zusammengefügt, hochwertig ausgeführten Arbeiten. die bei der Kirchen- renovierung 1956 ent- fernt worden waren. Das Bild stellt den Heiligen Hieronymus (347-420) dar, einen lateinischen Kirchenvater. Er war einer der gelehr- testen Männer seiner Zeit mit großen Sprach- kenntnissen. Sein Hauptwerk, die „Vulgata“, ist die Über- setzung der Heiligen Schrift aus dem Hebrä- ischen und Griechischen in das klassische Latein. Altes Kirchenfenster: Hl. Hieronymus

Epitaphe, Gedenktafeln

Die linke Seite des Chorraums wird vom Epitaph der Familie Schad beherrscht: Dr. Hans Schad (1469-1543) hatte sich im 16. Jahrhundert im Dienste des Hauses Habsburg Ansehen und Vermögen erworben. 1508 erhielt er das Reichslehen Obersulme- tingen, 1529 das Lehen Warthausen. In der Folge war die Familie von Mittelbiberach in das 1539 eigens neu errichtete Schloss nach Epitaph der Familie Schad

20 21 Der Architekturgliederung liegt die Kunst des antiken Rom zugrun- Schließlich wird in einer de. Die Signatur (Steinmetzzeichen: GAE) des Bildhauers Esaias weiteren Tafel aller seit Gruber von Lindau befindet sich am Kreuz des Zentralreliefs. 1296 hier tätigen Pfarrer Im Zentralrelief ist Bernhard Schad mit seinen Töchtern Euphro- gedacht. sine II. und Dorothea und seiner Gemahlin Veronika dargestellt. Sie In den Turmpfeilern rechts lebten in dem von seiner Mutter Euphrosine I. (geb. Rechberg) und links befinden sich 1584 neu erbauten Schloss von Mittelbiberach. die Epitaphe der Pfarrer Links außen befindet sich Hans Philipp Schad (†1598, Bruder Heerenbrand (†1757) von Bernhard Schad und Enkel von Dr. Hans Schad) und im rech- und Brack (†1778). Das ten Feld dessen Frau Margaretha, Schwester von Veronika, die im Epitaph von Pfarrer Brack Steintafel mit Namen der bisherigen Pfarrer Schloss Warthausen wohnten. ist farbig dargestellt und Die in prächtigen Ritterrüstungen gekleideten Männer stehen zum wurde vermutlich mehrfach übermalt. Die Inschrift ist als Ausdruck ihrer Stärke auf Löwen. Tatsächlich werden diese beiden Chronogramm gestaltet; aus den groß geschriebenen und in Rot Herren als schwache Persönlichkeiten geschildert, die von ihrer hervorgehobenen Buchstaben ergibt sich das Todesjahr 1778. Bei Mutter, Euphrosine I., bis ins hohe Alter bevormundet wurden. Die der Abbildung handelt es sich um das Wappen des Verstorbenen Frauen dagegen stehen auf Lämmern, einem Zeichen für Fröm- und um Symbole, die auf Tod und Vergänglichkeit hinweisen. migkeit und Friedfertigkeit. 2001 und 2003 wurde das Epitaph in Abstimmung mit dem Landes- denkmalamt restauriert und diese Arbeit ausführlich dokumentiert. Rechts neben dem großen Epitaph finden wir weitere Grab- und Gedenkplatten, zunächst die des um 1717 verstorbenen Johann Albert Anton, eines Enkels der Euphrosine II., der das Rosen- kranzbild gestiftet haben soll. Rechts daneben steht die Gedenkplatte des Ehepaares Heinrich Bernhard von und zu Mittelbiberach, Freiherr von Ulm († um 1681), eines Sohnes der Euphrosine II. und seiner Frau Katharina Johanna, Gräfin von Törring (†1669).

„Kein Maß kennt die Liebe.“ (Ulrika Nisch)

Epitaph von Pfarrer Heerenbrand Epitaph von Pfarrer Brack

22 23 Hinten in der Kirche, Die Baugeschichte rechts neben dem Auf- gang zur Empore, befin- Die heutige Pfarrkirche stammt im Wesentlichen aus der Wende det sich das Epitaph der zum 17. Jahrhundert. Die Grundmauern gehen aber bis ins 13. Jahr- Ursula von Au, geb. von hundert zurück und sind noch aus Natursteinen zusammengefügt. Nothaft, die um 1582 1979 wurden im Rahmen von Trockenlegungs-Maßnahmen im verstarb. Interessant ist gesamten Kirchenlanghaus ein umfangreicher Bodenaushub und die Symbolik mit Stun- bauarchäologische Untersuchungen vorgenommen. Dabei zeigten denglas und Totenschä- sich zwei ältere Grundrisse, die in nachfolgender Übersicht sche- del. Bemerkenswert ist matisch dargestellt sind. die Inschrift:

Kirchengrundriss mit Bauperioden

Daraus kann man folgende Bauperioden ableiten:

Phase I: 1275 Epitaph der Ursula von Au Erstmalige urkundliche Erwähnung einer romanischen Kirche. Man kann jedoch davon ausgehen, dass eine Ansiedlung schon vorher bestand. Phase II: 1517 „O Mensch, sieh an Mich und nit dich, Teilweiser Neubau und Verlängerung der ersten Pfarrkirche (in Dann das du bist, das war auch ich, den Biberacher Spitalakten überliefert). Vermutlich wurden diese Jung, Edel, starck, Reich, wol gestalt Arbeiten von Dr. Hans Schad betrieben. Mit Ehrn in Lüsten Manigfalt, Phase III: 1592-1610 Jetzund bin Ich wie du siehst mich, Diese letzte Bauphase bestimmt das heutige Bild der Kirche. Auch Thuo auft Ich kom und holle dich.“ der Kirchturm wurde um 1600 gemeinsam mit dem neuen Kirchen-

24 25 schiff errichtet (archäologische Untersuchungen 1979). In diese Einweihung des Hochaltars durch Bischof Keppler Bauphase fallen auch die Herrschaftliche Empore über der (1910) Sakristei (1592), neue Seitenaltarbilder von den Pestheiligen 1942 Neue Orgel Rochus und Sebastian, (heute in der Kirche von Stafflangen) und 1955/56 Unter Pfarrer Ruef Renovierung durch Architekt das Schadsche Epitaph (1598). 1608 erfolgte der Einbau der Schmid aus Biberach mit Entfernung der neugotischen Orgelempore und die Barockisierung der Kirche. Elemente: Altäre von 1886 durch neue Altäre aus italie- nischem Marmor ersetzt, Hochaltar neu gestaltet (Pieta, Kreuzigungsgruppe und Kirchenpatrone), Kan- Zeittafel zur Baugeschichte zel am linken Chorbogen angebracht, Kommunion- bank, neue helle Fenster, Säulen unter Orgelempore um 1000 Vermutlich erste Kirche in Mittelbiberach entfernt, Aufgang zur Orgelempore in einem außenste- 1275 Erste urkundliche Erwähnung der Kirche im Zehnt- henden Rundturm buch der Diözese Konstanz 1973/74 Unter Pfarrer Burkhardt Neugestaltung des Altarraums um 1300 Zwei Glocken nachgewiesen mit Volksaltar und Ambo von Bildhauer Josef Henger 1351 Inkorporation, d.h. Übergang der Kirche mit Patronat aus Ravensburg, und Entfernung von Kanzel, und gesamtem Besitz an den Spital Biberach Kommunionbank und Kinderbänken 1517 Um- und Erweiterungsbau durch Dr. Hans Schad 1979/80 Unter Pfarrer Temminghoff Innenrenovation durch (1469-1543) Architekt Eugen Mayer aus Biberach: Deckenbild im 1538 Dr. Hans Schad verhindert die Einführung der Re- Chor von Reinhold Dassler, neues Gemeindegestühl; formation in Mittelbiberach archäologische Untersuchungen bestätigten die drei 1592-1610 Erweiterung der Kirche auf die heutigen Ausmaße Bauphasen und Barockausstattung 1987 Unter Pfarrer Temminghoff Außenrenovation durch 1658 Weihe eines neuen Hochaltars Architekt Helmut Scheytt 1697 Der Hochaltar erhält das Bild der Rosenkranzköni- 1997 Segnung der Ulrika-Nisch-Gedenkstätte durch Weih- gin; Gründung der Rosenkranzbruderschaft bischof Rieger 1721 Neubau des Pfarrhofes 2001 Unter Pfarrer Tönnis umfassende Innenrenovation 1796 Plünderung des Kirchenschatzes durch die Franzosen durch Architekt Helmut Scheytt mit Neugestaltung des 1844-1858 Der Kirchenbesitz wird vom Spital an die politische Hochaltars Gemeinde abgegeben und mit Dienstleistungen abgegolten 1886 Unter Pfarrer Rupf neugotische Umgestaltung 1908 Unter Pfarrer Hirner Ausmalung im Barockstil; kleinere bauliche Veränderungen, u.a. Versetzung des Hochaltars und Einbau von Kinderbänken;

26 27 Der Turm erscheint durch fünf Gesimse in Geschosse unterteilt, Sonstiges mit Schlitzöffnungen und rundbogigen Schallöffnungen in Blend- nischen, Lisenen, Satteldach und Giebelfialen. Das Pfarrhaus stammt Von 1740 bis 1919 war eine von Christian Schneegans, Biberach, aus dem Jahr 1721 und gefertigte Uhr in Nutzung. 1919 wurde diese ersetzt durch eine weist ein sehr schönes Uhr aus der Fabrik Hörz, Ulm, die ebenso wie die alten Gewichte Fachwerk auf. In ihm noch erhalten ist. Heute jedoch wird eine elektronische Uhren- befinden sich das Pfarr- anlage mit Glockenautomatik betrieben. büro und Gemeinde- Die Kirchenglocken wurden während des Zweiten Weltkriegs räume. nach Hamburg transportiert, um dort als Kriegsrohstoff einge- schmolzen zu werden. Nach Kriegsende konnten sie jedoch wie- Am Ortseingang aus Bi- der zurückgeholt und in den Kirchturm gebracht werden. berach kommend befin- Pfarrhaus Die größte Glocke (Durchmesser 119 cm, Höhe 96 cm) wurde det sich linker Hand der 1599 von Sebastian Volmar, Biberach, gegossen. Sie trägt reich- Pestfriedhof. Nachdem im Jahre 1611 die Vogtei Mittelbiberach haltige Dekorationen wie die Kreuzigungsgruppe und zahlreiche und ganz besonders das nahe gelegene Reute von der Pest Inschriften. heimgesucht wurden, beantragte der damalige Pfarrer Wagner, Die zweitgrößte Glocke (Durchmesser 92 cm, Höhe 70 cm) in Ergänzung zum Friedhof bei der Pfarrkirche außerhalb des stammt von Hans Schnitzer, Kempten, und wurde 1615 geweiht. Ortes einen neuen Gottesacker zu errichten, um die an der Pest Ihre Dekorationen stellen ein Kreuz, die Muttergottes auf der Verstorbenen dort zu begraben und so die Gefahr der Ansteckung Mondsichel und Verzierungen dar. Die Inschriften enthalten die zu minimieren. Ein Stück Land bei der heute nicht mehr existieren- älteste Erwähnung der mittelbiberacher Kirchenpatrone Cornelius den Feldkapelle „Maria vom Troste“ wurde gekauft und vom und Cyprian. Ordinariat Konstanz zur Bestattung der Toten freigegeben. Die Das älteste erhaltene Inventar der Kirche stellen zwei kleinere Herrschaft von Mittelbiberach ordnete sogar an, dass alle Glocken (Durchmesser 61 cm, Höhe 45 cm und Durchmesser Pesttoten nicht bei der Pfarrkirche, sondern dort begraben werden 62 cm, Höhe 50 cm) dar. Es ist zu vermuten, dass diese Glocken mussten. Von der Pestfriedhofmauer ist übermittelt: „Anno 1745 schon in der früheren Kirche (etwa 13. Jahrhundert) Verwendung hat ein armer Mann das Bildnis der Geißelung Christi hierher fanden. gebracht und mit Pfarrers Erlaubnis eine Kapelle in die Gottes- 1970 wurden zwei weitere Glocken angeschafft, eine davon gestif- ackermauer gemacht und das Bild zur Verehrung darin aufge- tet und auf Wunsch ihres Spenders das Vesperläuten um 16 Uhr stellt.“ eingeführt. Eine der alten Glocken fand in der Friedhofskapelle Von 1820 an war der Pestfriedhof schließlich alleinige Begräbnis- Verwendung. stätte bis er mit der Errichtung des neuen Friedhofs an der Straße nach Biberach 1894 aufgegeben wurde. 1967 erfolgte eine erste einfache Sanierung, 1990 eine zweite und 2004 eine dritte, um die- ses Kleinod für weitere Generationen zu sichern.

28 29 Nahe am später errichteten Pestfriedhof stand die Feldkapelle Literatur und Quellenangaben „Maria vom Troste“, in der das Gnadenbild, das sich heute in der Weise Georg Pfarrkirche befindet, verehrt wurde. Eine urkundliche Erwähnung „Mittelalterliche Bildwerke“ („Die Trauernden“) (1924) über die Gründung der Feldkapelle ist nicht nachgewiesen. Hirner Anton / Rummel Anton: Gesichert ist aber, dass die Kapelle 1585 von der Witwe Euphro- „Reichsvogtei und Bürgerwache“ (1930) sine I. erbaut wurde. In den weiteren Jahrzehnten entwickelte sich Ruef Vinzenz die kleine Kirche auf Grund vieler Gebetserhörungen bald zu einer „Mittelbiberacher Feldkapelle und das Madonnenbild“ (1949) Wallfahrtskapelle. Es erfolgten zahlreiche Erweiterungen und Deutscher Glockenatlas Ausschmückungen. Durch das Dekret des königlich Katholischen Auszug 4 Glocken von Mittelbiberach (1959) Mayer Karl Geistlichen Rates vom 29. November 1809 wurde der Gottesdienst „Chronik von Mittelbiberach und Oberdorf“ (1965) in der Kapelle völlig verboten. Dieses Dekret war eine Folge des Diemer Kurt, 10.09. und 11.09. Josefinismus, der die kirchlichen Angelegenheiten, die nicht den „Mittelbiberach feiert 700-jähriges Bestehen“ (1975) Glauben und das Gewissen betrafen, durch den Staat neu regelte. Schmidt Erhard So wurden althergebrachte und im Volk geschätzte Marienwall- „Baugeschichtliche Beobachtungen ...“ (1979, 1982) fahrten untersagt. In diesem Zusammenhang wurde die Kapelle Beck Otto 1810 abgerissen. Das Mittelbiberacher Heimatfest „Mariä Geburt“ „Kunstgeschichte im Landkreis Biberach“ (1985) hat seinen Ursprung im Patroziniumsfest der Wallfahrtskirche Havel Peter „Maria vom Troste“. „Die Pieta“ (unser Vesperbild) (1985) Schnell, Kunstführer Nr. 1706 Vermutlich war die Wallfahrt zur „Maria vom Troste“ nach dem „Mittelbiberach, St. Nikolaus und Ulrika“ (1988) Mohr Franz / Ehrle Karl Gottesdienst in der Pfarrkirche mit einem Bittgang zur Feldkapelle „Wallfahrtskirche, Pestfriedhof, Kreuzwegstationen“ (1992) verbunden. Dieser Weg sollte durch die Errichtung eines Kreuz- Kasper Alfons wegs ein Wallfahrtsweg werden. 1737 wurden die Kreuzweg- „Kunstwanderung im Herzen Oberschwabens“ (1996) stationen erbaut, mit Linden zwischen den Stationen, wie sie heute noch den Ortseingang von Mittelbiberach schmücken. Bilder Fotoatelier Emmenlauer Gruppe der Trauernden aus Mittelbiberach: Bildarchiv preußischer Kulturbesitz „Ohne Gebet keine Gnaden, Dank ohne Gnaden keine Freude an Herrn Kronenbürger für historische Recherchen und keinen Frieden.“ an die Feuerwehr Biberach für die Unterstützung bei der Erstellung der Kirchenaußenaufnahme (Ulrika Nisch) Inhalt Kirchengemeinderat Mittelbiberach

30 31 Ulrika-Nisch-Gedenkstätte