Internationales Jahrbuch der Erwachsenenbildung

International Yearbook of Adult Education

Band 23

Architektur und Erwachsenenbildung

Herausgegeben von Joachim H. Knoll

Editorial Board: Lalage Bown, Peter Jarvls, Jindra Kullch, Klaus Künzel

1995 BÖHLAUVERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

1 INTERNATIONALESJAHRBUCH DER ERWACHSENENBILDUNG Inhalt / Content INTERNATIONALYEARBOOK OF ADULTEDUCATION

Herausgegeben von: JOACHIM H. KNOLL Vorwort / Preface XI

Editorial Board: Lalage Bown, Peter JaNis, Jlndra Kulich, Klaus Künzel Beiträge / Contributions

Redaktion: Architektur und Erwachsenenbildung Kirsten Menneken Joachim PETSCH: Architektur und Gesellschaft Anmerkungen zur Architekturvermittlung Georg BÖSE: Bauen und Weiterbildung - Versuch einer Annäherung 12 Manuskripte und Rezensionsexemplare Albrecht GÖSCHEL: bitten wir an den Herausgeber des Internationalen Jahrbuchs der Erwachsenenbildung, Prof. Dr. Joachim H. Knoll, Institut für Pädagogik der Ruhr-Universität, Universitätsstraße 150, Neue Kultureinrichtungen zwischen informeller Bildung D-44780 Bochum, zu richten. und urbanem Erlebnismarkt 27 Manuskripte sind, möglichst noch Anfrage, In satzfertlgem Zustand, einseitig beschrie­ Andreas BENEDICT ben zu übersenden. Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernom• men. Die Verfasser trogen für Ihre Beiträge die Verantwortung . Eine Verpflichtung zur Das Amerika-Haus Ruhr Aufnahme von Entgegnungen besteht nicht. Die Zeitschrift veröffentlicht keine bereits Baudenkmal der deutsch-amerikanischenKulturbeziehungen 42 anderweitig erschienenen Aufsätze. Renate STRAUCH: Besprechungsexemplare: Die Auswahl der Arbeiten zur Rezension behält sich die Redaktion vor. Rücksendungen unverlangter Bücher können nicht vorgenommen werden. Mit anderen Augen: die neue insel Werbeanzeigen und Beilagen besorgt der Verlag. Theodor-Heuss-Str.76 , 0-51149 Köln im Einkaufszentrum Marler Stern 52 © l 995 by Böhlau Verlag GmbH & Cie Köln Alle Rechte vorbehalten Annette LOREY: Die Volkshochschule im Kulturzentrum Leverkusen 69 Die In dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Überset• zung, Nachdruck - auch von Abbildungen-. Vervielfältigung auf photomechonischem Eckurd HEINTZ: oder ähnlichem Wege oder Im Magnettonverfahren, Vortrag, Funk- und Fernsehsendung Kultur-Management im Münchner "Gasteig" sowie Speicherung In Datenverarbeitungsanlagen - auch auszugsweise - bleiben vorbe­ 79 halten. Werden von einzelnen Beitrögen oder Teilen von Ihnen einzelne Vervlelföltlgungs• Alcxundcr N. CHARTERS: stücke Im Rahmen des § 54 UrhG hergestellt und dienen diese gewerblichen Zwecken, Ist die dafür nach Maßgabe des Gesamtvertrages zwischen der lnkossostelle für urheber­ Architccturc und Adult Education in the U.S.A. 87 rechtliche Vervlelföltigungsgebühren GmbH, 60311 Fronkfurt/M., Großer Hirschgraben 17-21. und dem Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.; 50674 Köln. Hobsburgerrlng .lnck J>.BLANEY: 2-12, vom 15.7.1970zu zahlende Vergütung an die lnkassostelle zu entrichten. Die Vervlel­ Architccture for Adults in Canadian Universities föltlgungen sind mit dem Vermerk über die Quelle und den Vervlelföltlger zu versehen. 99 Erfolgt die Entrichtung der Gebühren durch Wertmarken der lnkassostelle, so Ist für Jedes l{uchcl TOKATLI: vervlelföltlgte Blatt eine Marke Im Werte von DM 0,40 (bzw. DM 0, 15) zu verwenden. Thc "Tehila-Project" in Israel 109 Tyl(c ARNFRED: Gedruckt mit Unterstützungder Ruhr-UnlversltötBochum Druck und Bindung: Offsetdruck HorstKrannlch. Erpel 1>ic l llluser der dänischen "Folkeh0jskole" 122 PrlntedIn Germony ISSN0074-9818 VI Inhalt / Content Inhalt/ Content VII

Vermischtes / Miscellaneous: Dokumente / Documents

Hilmar HOFFMANN und Dieter KRAMER: DEUTSCHER VOLKSHOCHSCHUL-VERBAND: Das Kommunale Kino als Element kultureller Öffentlichkeit 130 Volkshochschulen: Weiterbildung für die Zukunft Rene SPITZ: Schweriner Erklärung des Deutschen Volkshochschul-Verbandes (DVV) 245 Die Wurzeln der Hochschule für Gestaltung (HfD) 137 Joachim H. KNOLL: Rezensionen / Reviews Juden und jüdisches Leben in Berlin 143

Martin SCHWEER: Bildung in und für Europa Berufliche Weiterbildung heute Sammelrezension Anmerkungen anläßlich von drei Neuerscheinungen 158 ( Michael Schemmann und Christopher Wulff) 250 Joachim H. KNOLL: ()ualitätssicherung in der Erwachsenenbildung Das internationale Argument in der Erwachsenenbildung Summelrezension Wissenschaftliche und bildungspolitische Anregungen 169 ( 11orst Siebert) 258 Joachim H. KNOLL : Management, Marketing und Beratung Political Education , Civic Education and Citizenship in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung Notizen zur ESREA-Tagung in Wroclaw (Polen) 185 Summelrezension (Michael Schratz) 263 Länderprofile / Country Reports Jugend und Jugendforschung/Jugendkulturen Snm mclrezension ( Dieter Baacke) JohnFIELD: 268 Adult Education in a Divided Society: l{ITl'ELMEYER: a Perspective from Northern Ireland 188 Schulbauten positiv gestalten ( Klltc Meyer-Drawe) Agnieszka BRON° WOJCIECHOWSKA : 272 Active Citizenship and the Value ofEducation M/\RRIOTT/HAKE (Eds.): The Case of Sweden 200 < '11lturaland Intercultural Experiences in Huropean Adult Education Tatyana KOKE : (.fouchim H. Knoll) Adult Education in Latvia 220 274 K /\RSTEN/MAJOOR: Godfrey BALDACCHINO and Peter MA YO: l •'.ducnlion in East Central Europe Multifunctionalism, Volunteers and the "School Culture" STINCl/WlJLF: Adult Education in the Maltese Context 229 1-:ducutionin a Pcriod of Social Upheaval (Jindru Kulich) 275 1.1·'.IRMAN: 1:our <'ulturc~ of Education ( Peter Jurvis) 280 136 Hilmar Hoffmann / Dieter Krarner

Berücksichtung des Stiefkindes Film in der öffentlichen Kunst- und Kulturförderung galten, haben nichts an Richtigkeit verloren: Kulturen und Gesellschaften brauchen die Rene Spitz lebenden Bilder des Kinos, um über sich selbst, ihre Zukunft, ihre Möglichkeiten und Wünsche nachzudenken. Darin ist der unverzichtbare, auch ästhetische Beitrag des Films zur kulturellen Öffent• Die Wurzeln der Hochschule für Gestaltung Ulm (HfG) lichkeit zu sehen. Wer dem Kino und dem Film diese Rolle verweigern will, der muß Im folgenden geht es um die Beziehungen zwischen der Volkshochschule (VHS) Ulm, sich mit einer schmerzhaften Einschränkung dieser kulturellen Öffentlichkeit abfinden, einem herausragenden Exponenten der Erwachsenenbildung in der frühen Bundes­ denn gerade dieses moderne, zeitgenössische, künstlerische Medium besitzt eine weit republik, und der Hochschule für Gestaltung Ulm (HfG). 1 Es soll gezeigt werden, daß über seine unmittelbare Präsenz hinausreichende Bedeutung. die HfG nur deshalb gegründet werden konnte, weil sie aus der VHS Ulm hervor­ Literatur gegangen ist.

HICKETHIER, K.: Online mit der Zukunft. Zum Diskurs über die neuen Medien, in: Die HfG - eine international bedeutende Design-Schule Ästhetik und Kommunikation, 88 (1995), S. 9-15. HOFFMANN, H.: Bibliothek der Zukunft: Mediathek, in: DERS. (Hg.): Perspektiven Die HfG war eine Institution außerhalb des bundesdeutschen Bildungssystems . Sie der kommunalen Kulturpolitik, Frankfurt a. M. 1974, S. 372-384. bestand von 1953 bis 1968 und wurde von der privaten Geschwister-Scholl-Stiftung DERS.: Kultur für alle, Frankfurt a. M. 2 1981, S. 218-234. DERS.: Kommunales Kino, in: WITTE, K. (Hg.): Theorie des Kinos. Ideologiekritik .lt.f (GSS) getragen. Die Stiftung organisierte die Finanzierung der HfG aus Mitteln der \~ 1 der Traumfabrik, Frankfurt a. M. 1972, S. 265-282. 't Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand, wobei die Mittel von Stadt, Land und Bund DEUTSCHES LITERATURARCHIV: Die Schriftsteller und der Stummfilm. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum im Laufe der Jahre überwogen und so eine Abhängigkeit hervorriefen, die ihre Gründer Marbach a. N. 1976, Stuttgart 1976, S. 405. hatten vermeiden wollen. An der HfG gab es vier Abteilungen: Produktgestaltung, "MEIN KINO", in: DIE ZEIT, Ausgabe vom 30.12.1994. Visuelle Kommunikation, Architektur bzw. Industrialisiertes Bauen und Information . RUPRECHT, H.: Audio-visuelle Kommunikationszentren, in: HOFFMANN, H. (Hg.): Perspektiven der kommunalen Kulturpolitik, a.a.O., 1974, S. 365-371. Zudem entwickelte sich aus der Initiative vor allem Alexander Kluges 1961/62 das Institut für Filmgestaltung. Im Laufe der 15 Jahre ihres Bestehens schrieben sich ins­ gesamt 637 Studierende an der HfG ein, darunter 91 Frauen; 278 der eingeschriebenen Studierenden kamen aus dem Ausland. Die HfG war aus folgenden drei Gründen die wichtigste Design-Einrichtung der Bundesrepublik Deutschland : Zum einen leisteten die HfG-Angehörigen einen bedeu­ tenden Beitrag zur Grundlagenforschung, zur Methodik und zur wissenschaftlichen Fundierung des Entwerfens - man spricht in diesem Zusammenhang heute noch vom

Dieser Artikel faßt im wesentlichen einen Teil der Ergebnisse meiner Magisterarbeit zusammen, die ich 1993 Uber die GrUndungsgeschichte der Hfü geschrieben habe. Im Ubrigen verweise ich auf meine Dissertation, die an der Universität zu Köln von Prof. Dr. Harm Klueting betreut und im nächsten Jahr unter dem Titel "Politische Geschichte der Hochschule für Gestaltung" veröffentlicht wird. 138 Rene Spitz Hochschule fUr Gestaltung Ulm 139

"Ulmer Modell". Zum anderen haben viele der an der HfG entwickelten Produkte das Ende des Jahres 1949 ergab sich für ein Kontakt zum Leiter der internationale Design beeinflußt - der "Ulmer Stil" wurde durch die zeitgenössische ' Norwegischen Europahilfe, Odd Nansen; dieser Kontakt war die Initialzündung zur Anerkennung international verbreitet. Und nicht zuletzt war die HfG ein Schmelztiegel, Gründung der HfG. aus dem eine Vielzahl von Design-Professoren hervorgegangen ist: Rund 18% der Inge Scholl und traten 1949 mit denselben gesellschafts- und kultur­ 'Ulmer' unterrichteten nach der Schließung der HfG als Dozenten und damit als politischen Überzeugungen an die Gründung der HfG heran, die sie schon bei der Multiplikatoren im In- und Ausland. Errichtung der VHS Ulm 1945 geteilt hatten: Der Neubeginn der deutschen Gesellschaft sollte aus einer "vom Geist des Humanismus geprägte(n) Verbindung von Demokratie Beziehungen zwischen der VHS Ulm und der HJG und Sozialismus"4 hervorgehen. Sie hatten sich außerdem die Ansicht des Bauhauses zu eigen gemacht, daß die Gestaltung der Dinge des täglichen Bedarfs verbessert werden Wie eingangs bereits angedeutet, lassen sich Verbindungslinien zwischen der VHS Ulm müßte, um die Lebensverhältnisse der einfachen Bevölkerung anzuheben. Der Gestalter und der HfG nachweisen, ohne die es zu einer Gründung der Design-Einrichtung in der

• 1 hatte in ihren Augen auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung. Man könnte ihre beschriebenen Form nicht gekommen wäre. Die VHS Ulm ging aus einer privaten Überzeugung auf das Motto "Demokratisierung durch Design" zuspitzen. Aber sie muß• Initiative Otl Aichers hervor, der wenige Wochen nach Ende des Zweiten Weltkriegs in ten feststellen, daß sich mittlerweile die Stimmung in der Bevölkerung gewandelt hatte: Ulm öffentliche Vorträge veranstaltete, in denen es um die Notwendigkeit ging, ange­ War es vier Jahre zuvor noch weitverbreitete Ansicht, daß sich die Gesellschaft in sichts der gerade überlebten Katastrophe einen gesellschaftlichen Neuanfang zu wagen. Deutschland grundlegend wandeln müsse, damit so etwas wie das "Dritte Reich" nicht Das vielzitierte Stichwort von der "Stunde Null" bedeutete in diesem Kontext, nicht wieder möglich wäre, so stießen die HfG-Gründer nun überall auf Unverständnis für einfach eine Kontinuität zu der Zeit vor 1933 herzustellen, sondern an andere histori­ Neuanflinge, Neugründungen und neue Denkansätze.5 Inge Scholl bemerkte einmal, daß sche, kulturelle und gesellschaftliche Grundlagen anzuknüpfen, die nicht von den es leichter gewesen wäre, an etwas Bestehendes anzuknüpfen oder etwas Traditionelles Nationalsozialisten vereinnahmt worden waren;2 dazu gehörte aus dem Bereich der aufzubauen.6 Daß sich Inge Scholl und Otl Aicher dieses 'Nullpunkt-Denken' bewahrt Gestaltung das "". Inge Scholl und Otl Aicher gründeten im Anschluß an die hatten, ist ein wichtiger Grund dafür, daß die HfG nicht ohne die VHS Ulm zu denken Vorträge die VHS Ulm. Sie wurden dabei vom US High-Commissioner of ist. Beide haben ihre gesellschafts- und kulturpolitische Haltung über die Gründung der (HICOG) unterstützt, weil ihr Konzept hervorragend in das amerikanische HfG hinaus in diese hineingetragen und ihre Vorstellungen dort auch zum Teil verwirk­ Re-education-Prograrnm paßte3• Am 24.04.1946 eröffnete der damalige Kultusminister lichen können. Dazu gehört auch, daß sie im Frühjahr 1950 mit einen promi­ von Württemberg-Baden, Theodor Heuss, den Betrieb der VHS Ulm. Es stellte sich bald nenten Vertreter des Bauhauses für ihren Plan gewinnen konnten. Hiermit schlugen sie ein außerordentlicher und unerwarteter Erfolg ein. So gediehen unter dem Einfluß des die Brücke zu einer Kontinuität, die sich von derjenigen Kontinuität deutlich unter "Ulmer Kreises" um die VHS Ulm Pläne, eine zweite Bildungseinrichtung zu gründen, die sich international ausrichten und die für die Lebens- und Berufspraxis ihrer Studen­ ten unmittelbar verwertbares Wissen und Fertigkeiten vermitteln sollte. Aber erst

4 SONTHEIMER (1991), S. 135. 5 Vgl. hierzu etwa SCHWARZ (1981). 2 Vgl. hierzu etwa GLASER (1990). 6 Vgl. Hffi-Archiv, Akte 433: unveröffentlichter Brief von Inge Scholl an Shepard Stone vom 3 Zum Konzept der Re-education vgl. BUNGENSTAB (1970). 31.12.1951. 140 Rene Spitz Hochschule für Gestaltung Ulm 141 schied, mit der nun in Deutschland unter dem Stichwort "Normalität" seit dem Beginn etagen bei der Spendensammlung durchsetzen mußten, obwohl John J. McCloy ihnen des "Wirtschaftswunders" an die Zeit vor 1933 angeknüpft wurde. 7 den Rücken stärkte. HICOG wiederum hätte Inge Scholl und Otl Aicher nicht unter­ Hinsichtlich der Verbindung von VHS Ulm und HfG ist es von nicht zu unterschät• stützt, wenn diese nicht ihre Erfahrung und ihren Erfolg mit der VHS Ulm hätten zender Bedeutung, daß die Gründer beider Einrichtungen identisch waren: Es waren vorweisen können. Schließlich hatte sich durch ihre Arbeit die VHS für einige Jahre dieselben engagierten Menschen, die sich zuerst der Erwachsenenbildung verschrieben zum Mittelpunkt des geistigen Lebens der Stadt Ulm entwickelt. hatten und dann über die HfG Kulturpolitik in einem weitergefaßten Maßstab betrieben. Wenn man diesen Faden noch ein wenig weiter verfolgt, so läßt sich auch schluß• So wichtig dieser Aspekt auch ist, so darf er doch nicht zu unangemessenen Einschät• folgern, daß die HfG, wäre sie ohne die Vorgeschichte der VHS Ulm gegründet worden, zungen führen: Bis auf die Gründer der VHS Ulm und der HfG, lnge Scholl und Otl zumindestens in den Anfangsjahren ohne ihren architektonischen und institutionellen Aicher, finden sich keine weiteren Verbindungen und Kontakte, die aus der Arbeit der Rahmen hätte bestehen müssen. Die Campus-Anlage gehörte aber von ihrem Wesen her VHS Ulm hervorgehend die HfG bereichert hätten. Man darf aber nicht übersehen, daß zur HfG und zu ihrem Programm, sie bedingte ihre Eigenheit und ihren Charakter. Ohne die HfG in ihren kargen Anfangsjahren auf die Institution VHS Ulm zurückgreifen ihre Hochschulbauten wäre die HfG eine Schule ohne festen Bezugspunkt gewesen. Da konnte, eben weil beide Einrichtungen über Inge Scholl und Otl Aicher miteinander ist es fraglich, ob sie überhaupt eben ihre schulbildende internationale Wirkung hätte verwoben waren. Die Aufbauarbeit wurde in den Räumen und mit der Verwaltungsaus­ entfalten und sich zum Brennpunkt der Lebenslinien verschiedenster ausgeprägter stattung der VHS Ulm geleistet, und als am 03.08.1953 der erste Grundkurs von Walter Persönlichkeiten entwickeln können. Peterhans den Unterricht der HfG eröffnete, fand dieser in den Räumen der VHS Ulm Abschließend bleibt festzuhalten, daß das hier gewählte Beispiel eine enge Verbindung statt. zwischen der Erwachsenenbildung und der kulturellen Entwicklung in der frühen Ein vierter und letzter Grund ist vermutlich der ausschlaggebende gewesen: Die Grün• Bundesrepublik nachweist: Die Volkshochschule Ulm kann als Impulsgeber der der der HfG hätten in diesen frühen 50er Jahren, die ja, wie erwähnt, andere Rahmen­ Hochschule für Gestaltung Ulm angesehen werden . bedingungen als die späten 40er aufwiesen, kaum finanzielle Mittel für ihre Neugrün• dung erhalten, weder vom Land noch vom Bund und erst recht nicht von privatwirt­ Literatur schaftlicher Seite, wenn nicht der amerikanische Hochkommissar McCloy hinter dem AICHER, 0 .: Die Hochschule für Gestaltung. Neun Stufen ihrer Entwicklung, in: Vorhaben gestanden hätte . Er hatte dem Plan zur Errichtung der HfG zugestimmt und archithese 15 (1975), S. 26-37. eine Million DM versprochen, wenn eine zweite Million innerhalb eines Jahres von DERS.: krise der moderne, in: DERS.: die weit als entwurf, Berlin 1991, S. 15-26. DERS .: bauhaus und ulm, in: DERS.: die weit als entwurf, a.a.O., S. 87-95. deutscher Seite aufgebracht würde und wenn der Betrieb der HfG innerhalb der ersten BUNGENSTAB, K.-E.: Umerziehung zur Demokratie? Re-education-Politik 1m drei Jahre gesichert wäre. Es ist heute kaum noch vorstellbar, gegen welche Wider­ Bildungswesen der US-Zone 1945-1949, Düsseldorf 1970. stände sich Inge Scholl und ihre Mitstreiter in deutschen Ministerien und Vorstands- FREI, H.: Konkrete Architektur? Über Max Bill als Architekt, Baden/Schweiz 1991. GLASER, H.: Kleine Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bde. 1-3, Frankfurt a. M. 1990. UNDINGER, H. (Hg.): Ulm - Hochschule für Gestaltung . Die Moral der Gegenstände, 7 Die Bedeutung Max Bills für das Vertrauen der Amerikaner in das Gelingen der HfG-Gründung Berlin 1987. steht zwar hier nicht im Mittelpunkt des Interesses, darf aber dennoch nicht unerwähnt bleiben. Übrigens war es auch Max Bill, der im Sommer 1950 den Plan lnge Scholls und Otl Aichers RETTICH, H.: Kunstförderung, in: SCHRAAB, M. (Hg.): 40 Jahre Baden­ umwandelte: Aus einer Hochschule für Politik mit gestalterischem Hintergrund wurde eine Hoch­ Württemberg. Aufbau und Gestaltung 1952-1992, Stuttgart 1992, S. 557-589. schule für Gestaltung mit politischer Unterfütterung. Er vollbrachte außerdem das Kunststück, die RÜBENACH, B.: der rechte winke! von ulm. ein bericht über die hochschule für Amerikaner davon zu überzeugen, daß diesem Konzept mit ihm als Rektor mehr Überlebensaus• gestaltung 1958/59, hg. v. B. MEURER, Darmstadt 1987. sichten beschieden seien, obwohl das ursprüngliche Konzept den Re-educutlon-lntcntionen sehr entgegenkam. 142 Rene Spitz

RUPPERT, W.: Ulm ist tot. Es lebe Ulm! Rückblick auf die Hochschule für Gestaltung, in: Kursbuch 106 (1991), S. 119-138. 'l SCHNAIDT, C.: Ulm 1955-1975, in: archithese 15 (1975), S. 5-10. i Joachim H. Knoll SCHWARZ, H. P.: Die Ära Adenauer 1949-1958. Gründerjahre der Republik, Stuttgart/Wiesbaden 1981. SECKENDORFF, E. von: Die Hochschule für Gestaltung in Ulm. Gründung (1949-1953) und Ära Max Bill (1953-1957), Marburg 1989. Juden und jüdisches Leben in Berlin* SONTHEIMER, K.: Die Adenauer-Ära. Grundlegung der Bundesrepublik, München 1991. SPITZ, R.: Die Hochschule für Gestaltung in Ulm. Ein Beispiel für kulturelle Bemü• Jüdische Minderheit und Berlin - Anlässe hungen und Kulturpolitik in der frühen Bundesrepublik, Köln 1993 (unveröff. Magisterarbeit). Daß sich die diesjährige Exkursion des Bochumer Oberseminars des Lehrstuhls für Erwachsenenbildung .und außerschulische Jugendbildung zur "Jüdischen Minderheit in Deutschland" thematisiert und dies in Berlin zu erkunden sucht, hat mehrfache Gründe: Einmal den, daß Minderheitenfragen, autochthone Minderheiten und Minderheiten zufolge von Migrationsbewegungen in den vergangenen Jahren ein perennierendes Interesse beansprucht haben; wir haben solchermaßen die Dänen in Deutschland, die 1 Deutschen in Dänemark, die Sorben in der Lausitz und im engeren Zusammenhang die Polen aus der Periode ihrer Früheinwanderung im Ruhrgebiet forschend und mit­ erlebend aufgesucht und dies auch an mehreren Stellen dokumentiert. Die dazu­ gehörigen Minderheitenfragen gehören, so meine ich, in einen wissenschaftlichen Zusammenhang, zumal wenn Fragen und Aspekte des Bildungswesens im Vordergrund stehen. Erwachsenenbildungsforschung legt sich multikulturell aus. Es sei indes hier bereits darauf hingewiesen, daß die jüdische Minderheit, zufolge ihrer geschichtlichen Eigenheit und ihres grauenvollen Schicksals, eine plane Übertragung oder Analogisierung nicht verträgt. Die jüdische Minderheit nimmt zudem aus der Perspektive der Shoa einen besonderen Stellenwert ein, der durch die Wannsee-Konferenz und deren Vemichtungsbeschlüsse nur als ein letztes Indiz für den planmäßigen Genozid angezeigt ist. Der besondere Verfolgungs- und Leidensdruck äußert sich derzeit auch angesichts der Rückerinnerung des Jahres 1945 und der Beendigung nationalsozialistischer Diktatur. Dabei scheint, daß die 'Denkmalfrage' der jüdischen Minderheit von außen aufgedrängt wird und zudem

• Einleitungsvortrag anläßlich der Exkursion des Oberseminars von Prof. Dr. Knoll vom 20. - 24. Mai 1995 nach Berlin. Die Exkursion stand unter dem Titel: "Bildung und Kultur der jüdischen Minderheitin Berlln".Für die Unterstützung zur Durchführung der Exkursion sei der Hanns Martin Schleyer-Stlftunanachdrücklich aedankt.