ZWG_84544_ZWG_2_2014_VH_A5Br.indd 1 www.peterlang.com Debatte undgelegentlich diePublikationvon Quellen. sich aberauchForschungen undBeiträge aus der deutschen für deutschsprachige Leserübersetzt worden. Esfinden französischen, spanischenundchinesischenDiskussion sind entwickelt. WichtigeBeiträge ausderenglischen,russischen, Betrachtung von Geschichte, Sozial-undKulturwissenschaften Die ZWG hatsichzumForum einerneuen,umfassenden Weltgeschichte Zeitschrift für ZWG 15 H.-H. Nolte (Hg.) I 2 Zeitschrift für Weltgeschichte Weltgeschichte Zeitschrift für Interdisziplinäre Perspektiven für Geschichte desWeltsystems von Hans-HeinrichNolte Herausgegeben Für denVerein (Herbst 2014) Jahrgang 15 Heft 2 20.10.14 15:00

ZWG

ZEITSCHRIFT FÜR WELTGESCHICHTE Zeitschrift für Weltgeschichte

Herausgeberkreis Manfred Asendorf, Hamburg / Manuela Boatcä, Berlin / Christian Cwik, Wien / Beate Eschment, Berlin / Claus Füllberg-Stolberg, Hannover / Bernd Hausberger, Mexiko / Peter Kehne, Hannover / Andrea Komlosy, Wien / Hans-Heinrich Nolte, Barsinghausen / Ralf Roth, Frankfurt / Helmut Stubbe da Luz, Hamburg / Asli Vatansever, Istanbul

Geschäftsführend: Hans-Heinrich Nolte

Redaktion Dariusz Adamczyk, Warschau / Michael Bertram, Schellerten / Jens Binner, Buchenwald / Christian Lekon, Lefke / Eva-Maria Stolberg, Bochum

Wissenschaftlicher Beirat Maurice Aymard, Aleksandr Boroznjak, Helmut Bley, Luigi Cajani, Gita Dharampal-Frick, Hartmut Elsenhans, Jürgen Elvert, Stig Förster, Carsten Goehrke, Uwe Halbach, Carl-Hans Hauptmeyer, Klaus Kremb, Gesine Krüger, Rudolf Wolfgang Müller, Christiane Nolte, Pavel Poljan, Joachim Radkau, Dominic Sachsenmaier, Adelheid von Saldern, Karl-Heinz Schneider, Gerd Stricker, Beate Wagner-Hasel

Manuskripte bitte an den Geschäftsführenden Herausgeber Prof. Dr. Hans-Heinrich Nolte, Bullerbachstr. 12, 30890 Barsinghausen

Reviews und Rezensionen bitte an: Prof. Dr. Manuela Boatcä FU Berlin: Lateinamerika-Institut Sociology of Global Inequalities Rüdesheimer Str. 54-56 14197 Berlin

Manuskripte bitte als Disketten (rtf) sowie in zwei Ausdrucken; Manuskripte, die nicht als E-Datei vorgelegt werden, können leider nicht bearbeitet werden. Manuskripte sollen die Länge von 20 Seiten DIN A4, 14pt einzeilig in Times Roman beschrieben nicht überschreiten. Für unverlangt eingereichte Manuskripte wird keine Gewähr übernommen. Zeitschrift für Weltgeschichte (ZWG) Interdisziplinäre Perspektiven 15. Jg. 2014, Heft 2

Herausgegeben von Ralf Roth

Für den Verein für Geschichte des Weltsystems

Zu Qualitätssicherung und Peer Notes on the quality assurance and Review der vorliegenden Publikation peer review of this publication

Die Qualität der in dieser Zeitschrift Prior to publication, the quality of erscheinenden Arbeiten wird vor der the work published in this journal is Publikation durch externe, von der double blind reviewed by external Herausgeberschaft benannte referees appointed by the Gutachter im Double Blind Verfahren editorship. The referee is not geprüft. Dabei ist der Autor der aware of the author’s name Arbeit den Gutachtern während der when performing the review; Prüfung namentlich nicht bekannt; the referees’ names are not die Gutachter bleiben anonym. disclosed. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Die Schiffahrtslinien der Welt um 1890 (Übersichtskarte des Weltverkehrs aus Meyers Konversations-Lexikon, Leipzig u. Wien 1885-1892)

Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier.

ISSN 2199-8086 E-ISBN: 978-3-653-05243-5 (E-Book) DOIISSN 10.3726/978-3-653-05243-5 1615-2581 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2014 Alle Rechte Vorbehalten. Peter Lang Edition ist ein Imprint der Peter Lang GmbH. Peter Lang - Frankfurt am Main ■ Bern ■ Bruxelles ■ New ■ Oxford ■ Warszawa ■ Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. www.peterlang.com Editorial

Die 30. Ausgabe der Zeitschrift für Weltgeschichte wartet mit einer Überra­ schung auf. Der Gründer und Geschäftsführende Herausgeber dieser Zeit­ schrift, Hans-Heinrich Nolte, hat einen Preis zur Förderung der Welt- und Globalgeschichtsschreibung gestiftet. Er soll nächstes Jahr zum ersten Mal vergeben werden. Mehr dazu in der Anzeige auf Seite 198. Abgesehen von diesem Paukenschlag bietet das Heft auch sonst eine interes­ sante und spannende Mischung aus grundsätzlichen Beiträgen und Studien zu den Details der globalhistorischen Entwicklung. Den Reigen der Aufsätze lei­ tet Christoph Mertl mit seinen Überlegungen zur fruchtbaren Nutzanwendung der Kulturbereichsanalyse für weltgeschichtliche Untersuchungen in der vor­ modernen Zeit ein. Er skizziert sechs Kulturbereiche, die von der anthropo­ logisch konnotierten Selbsterhaltung bis zu Weltanschauung und Politik rei­ chen und möchte mit seinem Konzept unter Berücksichtigung der großen Auseinandersetzungen in der Soziologie von Talcott Parson über Niklas Luhmann bis hin zu Anthony Giddens die Globalgeschichte Querdenken. Die Le­ ser sind herzlich eingeladen mitzudiskutieren. Auch der zweite Beitrag von Helmut Prantner widmet sich grundsätzlichen Überlegungen zur Weltgeschichte und ihren Methoden, doch drehen sich sei­ ne Überlegungen um die Weltsystemanalyse von Immanuel Wallerstein. Er diskutiert in seinem Beitrag Imperiale Zyklen in der Weltsystemanalyse den Auf- und Abstieg hegemonialer Mächte im Kontext langfristiger ökonomischer und sozialer Rhythmen, sondiert die Bedeutung der militärischen Macht oder imperialen Gewalt und fordert dazu auf, ein größeres Augenmerk auf den Verbrauch von Natur und Umwelt zu legen, weil die darin intendierte Ver­ sorgungskrise zur Destabilisierung des Gesamtsystems infolge naheliegender Ressourcenkriege führen könne. Auch der dritte Beitrag dieses Hefts von Christoph Sorg liefert Stoff zum grundsätzlichen Nachdenken über Weltgeschichte, auch wenn erst einmal die Post-islamistischen Umbrüche im Weltsystem im Zentrum stehen. Er verfolgt einen interdisziplinären und multikausalen Ansatz, in dem er fünf Faktoren beson­ ders hervorhebt, die zum Ausbruch einer Revolution beitragen. Dazu gehören sowohl der repressive exkludierende Staat, politische Oppositionskulturen wie auch Wirtschaftskrisen und der Grad der weltsystemischen Öffnung der Ge­ sellschaft. Sorg betont, dass er Überlegungen zum regionalen Charakter der 6 Ralf Roth arabischen Aufstände und den dafür gewählten Ansatz eher als „theoretischen Vorschlag“ und nicht als „finale Interpretation“ verstanden wissen will. Nach diesen drei Beiträgen, bei denen synthetische Modelle und Plausibili­ tätsprüfungen im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen, folgen zwei Aufsät­ ze, die sich eher analytisch einem zentralen Problem der Weltgeschichte an­ nähern, nämlich der Bedeutung von kontinentalen oder globalen Infrastruktu­ ren, hier fokussiert auf den Energie-, Verkehrs- und Kommunikationsbereich, und dies in Kombination mit der Frage nach der Rolle des Staats beim Auf- und Ausbau dieser Strukturen. Es wird dabei die These geprüft, ob zentralisti­ sche Staatswirtschaften hier im Vorteil gegenüber dezentralen marktwirt­ schaftlichen Systemen sind. Die Antworten fallen in den beiden Aufsätzen von Hans-Georg Thielepape und R alf Roth auf den ersten Blick gegensätzlich aus, wobei die Antwort aber sehr von der Gesamtsituation jedes einzelnen Landes und den Zeitverhältnissen abzuhängen scheint. Während Thielepape im syste­ matischen und überzeugenden Vergleich zweier Schwellenländer ziemlich deutliche Vorteile des zentralstaatlich geplanten Infrastrukturausbaus in China gegenüber dem marktwirtschaftlich orientierten Ansätzen in Indien ausmacht, kommt Roth bei der Frage nach den Ursprüngen des Internet und warum das globale Netz in den USA und nicht in der Sowjetunion entstanden ist, zu einem anderen Er­ gebnis. Er verweist auf die Notwendigkeit von flexiblen Übergängen zwi­ schen staatlicher, zum nicht geringen Teil militärischer, Grundlagenforschung und der Zivilgesellschaft sowie dezentralen Machtstrukturen und eher klein- teiligen als großindustriellen Unternehmen, die entscheidend für die Durch­ setzung dieser dezentral angelegten weltweiten Kommunikationsstruktur ge­ wesen waren. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich in diesem neuen Markt­ segment in dem Zeitraum von einem Vierteljahrhundert nicht neue Super­ konzerne entfalten konnten. Dieses ganze, die heutige Weltwirtschaft domi­ nierende System kam jedoch weitgehend ohne eine zentralstaatliche Planung aus und entstand nicht einmal im Ansatz oder auch nur als Idee in den Pla­ nungsbehörden der untergegangenen Sowjetunion. Der nächste Beitrag von Martin Malek widmet sich einem ganz anderen Thema und Diskussionszusammenhang, nämlich den widersprüchlichen The­ sen von Globalisierungskritikern zur gegenwärtigen und künftigen Rolle des Nationalstaats und er stellt die überraschende Frage: Konnte Staatszerfall auf Westeuropa und Nordamerika übergreifen? Ausgehend von dem an der Peripherie des Weltsystems zu beobachtenden Phänomen der failed states folgt er der Diskussion über Probleme der Durchsetzung des Gewaltmonopols des Staa- Editorial 7 tes in westlichen Ländern, wie da sind: rechtsfreie Räume in Metropolregio- nen der USA und die Gegenreaktion der gated communities oder auch die Ver­ liererstraße der westlichen Vorzeigemächte auf den Schauplätzen der „Neuen Kriege“. In diesen Kontext bindet Malek auch die Trends und Hoffnungen auf den Zerfall der großen Staaten und die Vision einer Welt aus Tausenden von Kleinstaaten ein. Doch nach Meinung des Autors seien diese Nachrufe auf den Staat verfrüht und es fehle an plausiblen Vorschlägen, was den als notwendig erachteten effektiven Staat ersetzen könnte. Helmut Stubbe da lenkt den Blick vom ausgehenden 20. und beginnen­ den 21. Jahrhundert am Ende noch einmal zurück auf den Anfang des 19. Jahrhunderts. Ausgehend von Deutschlands wichtigster Hafenstadt fragt er in „Hambourg“ oder „Hambro“? nach den Auswirkungen des Konkurrenzkampfes zweier Empire auf die Hafenstadt, die damals gerade begann, eine Rolle im Weltverkehr zu spielen, und wie sich die Hamburger Bürger diesen weltpoliti­ schen Auseinandersetzungen stellten, beziehungsweise gezwungen wurden Position zu beziehen. In den Hamburger Desiderien hatte man sich für Frei­ handel, politische Autonomie und Neutralität ausgesprochen. Doch nachdem das Hl. Römische Reich Deutscher Nation zerfallen war, blieb auf der Suche nach einer neuen politischen Heimat nur die Frage, ob man auf einen politi­ schen Neuanfang in Deutschland setzen oder sich unter die Haube Däne­ marks, Frankreichs oder Großbritanniens flüchten sollte. Das Frankreich Na­ poleons hat den Hamburgern diese Entscheidung 1811 dann abgenommen. Doch der Zwang band die Stadt nur wenige Jahre und mit dem Russlandde­ saster standen die Optionen wieder im Raum, von denen sich die Hamburger Bürger dann für eine informelle Anbindung an das britische Empire entschie­ den. Die Stadt wurde auf diese Weise Einfallstor für britische Waren in die Territorien des Deutschen Bundes und globalhistorisch betrachtet war Deutschland auf diese Weise an den Zirkulationsströmen des Britischen Em­ pires als dominanter Teil des damaligen Weltsystems angebunden. So verweist ein stadtgeschichtliches Thema auf Aspekte des weltgeschichtlichen Zusam­ menhangs. Die Review, diesmal von Michael Zeuske, handelt von zwei Publikationen zur sich aktuell vollziehenden zweiten Urbanisierungswelle in den bevölke­ rungsstarken und wirtschaftlich auf- und nachholenden Regionen in Asien und Lateinamerika. Im Einzelnen geht es um die Studie von Dirk Bronger und Lutz Trettin über Megastädte und Global Cities in Asien sowie um den 8 Ralf Roth

Sammelband von Anne Huffschmid und Kathrin Wildner zum Stand der Stadtforschung in Lateinamerika. Der Band schließt mit drei Buchbesprechungen über eine Untersuchung von Rudolf A. Mark zur Rolle Zentralasiens in der deutschen und russischen Außenpolitik vor dem Ersten Weltkrieg, über das monumentale Handbuch von Michael Zeuske zur Geschichte der Sklaverei sowie über Andrea Komlo- sys globalhistorische Studie über die Arbeit. Ralf Roth Inhalt

Christoph Mertl Globalgeschichte quer denken Grundideen der Kulturbereichsanalyse...... 11

HelmutAnton Prantner Imperiale Zyklen in der Weltsystemanalyse...... 41

Christoph Sorg Post-islamistische Umbrüche im Weltsystem Theoretische Überlegungen zum regionalen Charakter der arabischen Aufstände...... 61

Hans-Georg Thielepape Wirtschaftswachstum und Infrastruktur am Beispiel zweier Schwellenländer: China und Indien...... 89

RalfRoth Die Ursprünge des Internet und warum das globale Netz in den USA und nicht in der Sowjetunion entstanden is t...... 119

Martin Malek Könnte ein Staatszerfall aufWesteuropa und Nordamerika übergreifen? Erosion des staatlichen Gewaltmonopols vs. Notwendigkeit eines effektiven Staates...... 151

HelmutStubbe da Luz „Hambourg“ oder „Hambro“? Hamburgs Zugehörigkeit zu Napoleons Empire (1811—1814) — globalhistorisch betrachtet...... 163

Michael Zeuske Review: Globalisierungund Global Cities...... 181

Rezensionen...... 189

Autorinnen und Autoren der ZWG 15.2 197

10.3726/84544_119 Ralf Roth Die Ursprünge des Internet und warum das globale Netz in den USA und nicht in der Sowjetunion entstanden ist

Das Internet ist heute die größte Infrastruktur auf diesem Planeten. In seinem Kern ist es ein Netzwerk von Computern, das auf dem Austausch zwischen Milliarden von Nutzern basiert. Es durchdringt die gesamten ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Beziehungen der Menschheit und formt de facto eine Weltgesellschaft, auch wenn diese nach wie vor in Nationen und zahllosen transnationalen Vereinigungen fragmentiert ist. Seine Komponen­ ten sind einfach. Zuallererst haben wir zahllose Computer. Dies ist ein zentra­ ler Unterschied zu den vorherigen Kommunikationsmedien mit den getrenn­ ten Netzen der Telegrafie, Telefonie, Telefax, des Radios und Fernsehens. Die zweite Komponente des Internets sind Kabel oder Funkwellen der tra­ ditionellen Nachrichtennetze und dazu noch moderne Glasfaser- oder Breit­ bandnetze mit extrem hoher Kapazität. Sie sind das Rückgrat für den Fluss von Informationen im globalen Internet. Als drittes Element haben wir zahl­ lose Dienstleistungsunternehmen, die bestimmte Serviceangebote wie Such- maschinen, Kauf- und Verkaufsplattformen, soziale Netzwerke, Nachrichten, Informationen und zahllose andere Dienste anbieten.

Das Grundkonzept Computer Der Computer ist die komplizierteste Maschine, die das 20. Jahrhundert her­ vorgebracht hat. Erstaunlicherweise erblickte er in den 1930ern mit Hilfe der Telefonindustrie das Licht der Welt. Erste Komponenten des Übergangs von einfachen Rechenmaschinen für mehr oder weniger komplexe Rechenopera­ tionen zum Computer entwickelte aber schon Charles Babbage, doch schei­ terte er an der mechanischen Präzision und den Entwicklungskosten eines solchen Rechners. Erfolgreicher war Hermann Hollerith, der ein halbes Jahr­ hundert nach Babbage, eine Lochkarten-Zählmaschine baute, und damit den Grundstein für ein Unternehmen legte, aus dem 1924 die International Busi­ ness Machines (IBM) hervorging, in deren Forschungslabors immer kompli­ ziertere elektromechanische Rechenmaschinen entwickelt wurden.1

1 Vgl. zu Babbage Bruce Collier, Jam es MACLACHLAN, Charles BABBAGE: And the Engines of Perfection, Oxford 2000. Zu Herman Hollerith vgl. Geoffrey AUSTRIAN: Herman Hollerith: Forgotten Giant of Information Processing, New York 1982. Zur 120 Ralf Roth

Ein weiterer Strang zur Entwicklung des Computers führte über die Her­ ausbildung der modernen Mathematik und hier vor allem über die von Geor­ ge Boole begründete streng formalisierte Logik, wie er sie in seiner Schrift The Mathematical Analysis of Logic von 1847 niedergelegt hatte. Die Boolsche Algeb­ ra ist heute Grundlage für die Funktionsweise aller Computer- und Program­ miersprachen.2 Die Bemühungen, die Rechenmaschinen immer flexibler und effizienter zu gestalten und mit zugeführten Rechenanweisungen zu steuern, flössen kurz vor und im Zweiten Weltkrieg zum Konzept des Digitalcompu­ ters zusammen. Seine Prinzipien wurden erstmals umfassend von John von Neumann am Ende des Zweiten Weltkriegs in seiner Schrift First Draft of a Report on the EDVAC beschrieben. EDVAC stand dabei für 'Electronic Discrete Variable Automatic Computer? Seine darin entwickelten Vorgaben werden heute gemeinhin als Von-Neumann-Architektur bezeichnet. Die ersten Schritte zum Computer wurden allerdings unabhängig von seiner Theorie bereits zur Mitte der 1930erjahre praktisch vollzogen. Was in den Experimenten und beim Bau der ersten Prototypen von Digi­ talcomputern vor allem benötigt wurde, waren zahllose Schalter um die kom­ plexen logischen Strukturen der Boolschen Algebra zu simulieren, und zwar sowohl für den Speicher als auch für die Programmierung. Diese Schalter kamen anfangs aus der Telefonindustrie, wo sie in den automatischen Wahl- und Vermittlungsanlagen millionenfach Verwendung fanden. Von diesen

Geschichte der IBM siehe Emerson W. PUGH: Building IBM: Shaping an Industry and its Technology, Cambridge 1995, und den Beitrag von Burkard BRESLAUER: Von der Datenverarbeitung zur Informationstechnologie — „Mythos IBM“. Globale Netzwerke und lokales Engagement in der Wirtschaft am Beispiel der IBM Deutsch­ land GmbH, in: ZWG 14.1, 2012, S. 101-121. 2 George BOOLE: The Mathematical Analysis of Logic: Being an Essay towards a Cal­ culus of Deductive Reasoning, 1847. Vgl. zu seiner Wirkungsgeschichte Ja­ mes GASSER (Hg.): A Boole Anthology. Recent and Classical Studies in the Logic of George Boole, Dordrecht 2000. 3 John VON NEUMANN: First Draft of a Report on the EDVAC. Contract No. W— 670—ORD—4926 between the Army Ordnance Department and the University of Pennsylvania, University of Pennsylvania 1945. Zujohn von Neumann vgl. Ulf HASHAGEN: Johann Ludwig Neumann von Margitta (1903—1957). Teil 1: Lehrjahre eines jüdischen Mathematikers während der Zeit der Weimarer Republik, in: Informatik-Spektrum 29, 2, 2006, S. 133—141, und DERS.: Johann Ludwig Neumann von Margitta (1903—1957). Teil 2: Ein Privatdozent auf dem Weg von Ber­ lin nach Princeton, in: Informatik-Spektrum 29, 3, 2006, S. 227—236. Ursprünge des Internet 121 komplexen Vermittlungsmaschinen und den hochwertigen Rechenmaschinen der damaligen Zeit war der Schritt zum Digitalcomputer nicht mehr allzu weit.4 Experimente mit derartigen Relaiscomputern fanden nahezu zeitgleich in Großbritannien, den USA und in Deutschland statt. Dabei sind die Namen Alan Mathison Turing und Tommy Flowers sowie George Stibitz und Kon­ rad Ernst Otto Zuse zu nennen. Orte dieser Experimente waren unter ande­ ren die Bell Labs, also das Forschungsinstitut der amerikanischen Telefonge­ sellschaft AT&T und das Forschungslabor der Britischen Post in Dolis Hill.5 Die zweite wichtige Umgebungsbedingung für die Experimente war der Krieg und der sprunghaft ansteigende Bedarf an komplexen Berechnungen für die Kryptoanalyse, die Ballistik oder von Maschinenteilen unter Extrem­ belastungen. In diesen Bereichen kamen der britische Colossus und die Turing Bomb, der amerikanische Atanasoff-Berry-Computer und der von Howard Hathaway Aiken gebaute Mark I sowie Zuses Z3 zum Einsatz, wobei Zuse von den Machthabern kaum unterstützt wurde und auf wenig Verständ­ nis für die Potentiale seiner Erfindung stieß.6

4 Vgl. zum Beispiel die Überlegungen von Claude E. SHANNON: A Symbolic Analysis of Relay and Switching Circuits, in: Transactions of the American Institute of Electri­ cal Engineers 57, 1938, S. 713-723. 5 Zu Alan Turing vgl. Cooper S. BARRY, Jan VAN LEEUWEN (Hg.): Alan Turing — His Work and Impact, New York 2013. Zu Stibitz vgl. David RITCHIE: George Stibitz and the Bell Computers, in: DERS. (Hg.): The Computer Pioneers, New York 1986, S. 33—52. Zu Zuse vgl. Raul ROJAS (Hg.): Die Rechenmaschinen von Konrad Zuse, Berlin 1998; Jürgen ALEX: Zur Entstehung des Computers — von Alfred Tarski zu Konrad Zuse, Düsseldorf 2007, und die Autobiographie Konrad ZUSE: Der Compu­ ter — Mein Lebenswerk, Berlin 31993. 6 Zur Kryptoanalyse im Weltkrieg vgl. Sinclair MCKAY: The Secret Life of Bletchley Park: The WWII Codebreaking Centre and the men and women who worked there, London 2010, und Colin B. BURKE: It Wasn’t All Magic: The Early Struggle to Au­ tomate Cryptanalysis, 1930s—1960s, Fort Meade: Center for Cryptologic History, Na­ tional Security Agency 2002 (orig. 1994), online: http://www.fas.org/irp / nsa/automate.pdf (letzter Zugriff am 29. Mai 2014). Zum Atanasoff-Berry-Computer und zum Mark I vgl. Clark R. MOLLENHOFF: Atanasoff: Forgotten Father of the Computer, Ames 1988, Allan R. MACKINTOSH: Dr. AtanasofFs Computer, in: Scien­ tific American 90, August 1988, online: http://www.scientificamerican. com/article/dr-atanasoffs-computer/ (letzter Zugriff am 29. Mai 2014), und Bernard COHEN, Howard AIKEN: Portrait o f a com puter pioneer, Cambridge (MA) 2000. 122 Ralf Roth

Der digitale Computer auf dem Vormarsch Nach dem Weltkrieg stellte sich in wenigen Jahren heraus, dass die wirkliche technologische Innovation, von der ein nachhaltiger Umbau der Gesellschaft ausging, nicht die Atombombe, sondern die Verbreitung des digitalen Com­ puters war. Die enge Verbindung der Computerentwicklung zu militärischen Forschungsinstitutionen im angelsächsischen Lager bestand auch nach dem Krieg fort, denn die nächsten Großrechner mit neuen bemerkenswerten Ei­ genschaften gingen unter anderen aus dem U.S. Army’s Ballistic Research Laboratory hervor und nicht etwa aus den Bell Labs oder entsprechenden In­ stitutionen der IBM.7 In der nachfolgenden Generation ersetzten die Ent­ wickler die elektromechanischen Relais durch elektronische Röhren, die be­ deutend weniger fehleranfällig und viel schneller in den Schaltvorgängen wa­ ren. Auch die zu Tausenden pro Rechner eingesetzten Röhren stammten aus der Telefonindustrie und wurden seit 1900 zur Reichweitenverlängerung der Telefonnetze eingesetzt.8 Die Folgen dieser Innovation waren von fundamentaler Bedeutung und gaben dem angelsächsisch dominierten Westen den Schlüssel für seinen bis heute anhaltenden technologischen, wirtschaftlichen und daraus resultierend politischen und militärischen Vorsprung in die Hand. Das war in den Anfän­ gen durchaus nicht absehbar. Die ersten Computer mit noch sehr beschränk­ ten Kapazitäten, dafür sehr großem Raumbedarf, zeigten jedoch schnell ihre Überlegenheit bei der Verarbeitung komplizierter und weit verzweigter Pro­ zesse und verursachten dadurch schon nach wenigen Jahren radikale Verän­ derungen in der Wirtschaft — und zwar sowohl in den Verwaltungs- wie auch in den Produktionsabläufen, dazu in der Politik auf der Ebene der Beziehun­ gen und Netzwerke und in der Wissenschaft. Die Möglichkeiten, umfassende

7 Es handelte sich um den von John Eckert und John Mauchly konstruierten Electro­ nical Numerical Integrator and Computer (ENIAC), der als erster elektronischer digi­ taler Universalrechner angesehen werden kann. IBM baute erst im Jahre 1947 den Se­ lective Sequence Electronic Calculator (SSEC), einen Hybridcomputer mit Röhren. Vgl. Arthur W. BURKS, Alice R. BURKS: The ENIAC: The First General-Purpose Electronic Computer, in: Annals of the History of Computing 3, 4, 1981, S. 310—399. Einer der ersten Anwendungen waren Berechnungen für die Machbarkeitsstudie der W asserstoffbombe. Vgl. Scott MCCARTNEY: ENIAC: The Triumphs and Tragedies of the World’s First Computer, New York 1999, S. 103. 8 Vgl. zu den zeitgenössischen Erwartungen dieser technologischen Innovation Ed­ mund Callis BERKELEY: Giant Brains or Machines That Think, New York 1949 u. Bertram Vivian BOWDEN (Hg.): Faster Than Thought, New York 1953. Ursprünge des Internet 123 mathematische Aufgaben im Bruchteil einer Sekunde lösen zu können und Massendaten unter den verschiedensten Algorithmen zu betrachten, faszinier­ te viele und hier ist der Name Norbert Wiener ins Spiel zu bringen, der ge­ meinhin mit der Weiterentwicklung der Boolschen Algebra zur modernen Kybernetik verbunden wird. Er lehrte damals am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Mathematik und Philosophie. Nach dem Zweiten Welt­ krieg verband er in seinem Buch Cybernetics, or Control and Communication in the Animal and the Machine Nachrichtentechnik und Kommunikationstheorie zu der von ihm als Kybernetik bezeichneten Wissenschaft von den Prozessen.9 Kurz gefasst sei die Kybernetik die Theorie, wie Maschinen sich selbst regu­ lieren.10 Das war essentiell für die Automation und alle Bereiche, in denen die Betrachtung dynamischer Systeme eine Rolle spielt. Sein Buch hatte eine enorme Wirkung. Vom MIT ausgehend strahlte die neue Wissenschaft in die ganze Welt hinaus. Die Kybernetik entwickelte sich zu einem transdisziplinä­ ren Ansatz, der mechanische, physikalische, biologische oder soziale Struktu­ ren, Zusammenhänge und Möglichkeiten umfasste. Die Kybernetik entwickelte sich zu einem Schlüsselbegriff der 1950er und 1960er Jahre. Sie veränderte das Verständnis von Technik und lieferte neue Modelle, um Wirtschafts- und Machtprozesse effizienter zu gestalten. Für die Zwecke der Kybernetik entfalteten die Computer die volle Bandbreite ihrer Möglichkeiten. Die Rechenzentren wurden integraler Teil großer Unterneh­ men und Verwaltungseinheiten.11 In dem Vorgang der Verbreitung der Com­

9 Norbert WIENER: Cybemetics, or Control and Communication in the Animal and the Machine, Wiley 1948, Cambridge (MA) 21961 (dt. Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung in Lebewesen und Maschine, Reinbek b. Hamburg 1968). Viele Aspekte der Kybernetik hatte bereits Alfred North Whitehead in den 1930er und 1940er Jahren in seiner Philosophie der Prozesse angesprochen. Vgl. Michael HAMPE: Alfred North Whitehead, München 1998, S. 16. 10 Er selbst benannte als zentral These, dass „jede von einer wechselnden Umwelt ab­ hängige Maschine [...], um jeweils wirksam handeln zu können, als Teil der Informa­ tion für ihre zukünftige Tätigkeit auch Information über die Ergebnisse ihrer bisheri­ gen Tätigkeit erhalten“ muss. Norbert WIENER: Mensch und Menschmaschine. K y­ bernetik und Gesellschaft, Frankfurt am Main 1964, S. 114. 11 Als Beispiel für die rasche Adaption in wirtschaftlichen Prozessen vgl. John DIEBOLD: Automation. The Advent of the Automatic Factory, New York 1952 (dt. Die automatische Fabrik. Ihre industriellen und sozialen Probleme, Nürnberg 1954). Zur Rolle der Kybernetik für den Westen vgl. Jeremy RlFKIN: Der Europäische Traum. Die Vision einer leisen Supermacht, Frankfurt am Main 2006, S. 237—239. 124 Ralf Roth puter zeigt sich somit eine Schleife. Die Entwicklung verlief ausgehend von der Industrie über die Staatsunterstützung und Grundlagen- wie Rüstungsfor­ schung zurück zur breiten Umgestaltung und Effizienzsteigerung der Wirt­ schaft und politischen Administration.

Der Aufholversuch der Sowjetunion Eine vergleichbare Entwicklungsumgebung fehlte bei der zweiten Super­ macht dieser Zeit. Die Sowjetunion konnte von Anfang an bei der Entwick­ lung des Computers nicht Schritt halten.12 Denn eine der Voraussetzungen der Erfindung des Computers waren eine entwickelte Telefon- und Radioin­ dustrie, die das Rohmaterial für den Bau der ersten Computer lieferten und die Grundlagentechnologie bereitstellten. Das Land spielte jedoch bei der Entwicklung der Telegrafie, des Telefons und des Radios keine bedeutende Rolle und baute auch keine innovative Industrie in diesem Bereich auf. Dabei hatte sie durchaus fähige Ingenieure, die vor dem Ersten Weltkrieg erfolgreich auf diesem Gebiet gearbeitet hatten, aber viele emigrierten nach der Revoluti­ on und dem Bürgerkrieg — unter anderem in die USA.13 Russland erlitt am Beginn des 20. Jahrhunderts einen folgenreichen braindrain.14 Vor allem aber

12 Auch wenn schon 1938 die Entwicklung eines Analogcomputers am MIT in Cambridge von Isaak Semenovich Bruk und Lev Israelevich Gutenmakher am All­ Union Electrical Engineering Institute (VEI) mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wurde und es zum Bau erster Teilkomponenten eines Computers kam. Vgl. Gregory D. CROWE, Seymour E. GOODMAN: S. A. Lebedev and the Birth of Soviet Compu­ ting, in: IEEE Annals of the History of Computing 16, 1, Spring 1994, S. 4—24, hier 4f. 13 So hatte der Rosing-Schüler Wladimir Kosma Zworykin, nachdem er 1919 in die USA ausgewandert war, erst bei der Firma Westinghouse dann ab 1929 bei der Radio Corporation of America (RCA) maßgeblichen Anteil an der Entwicklung des ameri­ kanischen elektronischen Fernsehens. Vgl. Tim WU: Der Masterswitch. Aufstieg und Niedergang der Medienimperien, Heidelberg u. a. 2012, S. 184, und Hans Joachim BRAUN, Walter KAISER: Energiewirtschaft — Automatisierung — Information seit 1914, Propyläen Technikgeschichte Bd. 5, hg. v. Wolfgang König, Berlin 1997, S. 162. 14 Vgl. Karl SCHLÖGEL: Gestrandet auf der Sandbank der Zeit — Petersburg und Berlin (1900—1935), in: Ralf Roth (Hg.): Städte im europäischen Raum. Verkehr, Kommuni­ kation und Urbanität im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 2009, S. 139—156, hier S. 148ff. Siehe auch Karl SCHLÖGEL (Hg.): Der Große Exodus. Die russische Emigra­ tion und ihre Zentren 1917—1941, München 1994, und DERS. (Hg.): Russische Emig­ ration in Deutschland 1918—1941, Berlin 1996. Ursprünge des Internet 125 waren die Probleme, die das Land nach Krieg, Revolution und Bürgerkrieg bewältigen musste, von einer völlig anderen Natur als die der westlichen Staa­ ten und Deutschlands in der Zwischenkriegszeit. Nach dem Ersten Weltkrieg, der Revolution und dem Bürgerkrieg sowie dem Verfall der Wirtschaft weit unter das Niveau der Vorkriegsproduktion, musste sich das Land auf den Aufbau der Schwerindustrie als Fundament für eine weitergehende Industria­ lisierung und für den Ausbau der Transportinfrastruktur wie Eisenbahnen oder den Schiffsbau konzentrieren. Weiterhin versuchte es, die Landwirt­ schaft im großen Stil umzustrukturieren und eine Landwirtschaftsmaschinen­ industrie aufzubauen — mit zum Teil grauenhaften Rückschlägen und Hun­ gersnöten mit Millionen von Toten.15 Die trotz des Verlustes durch Emigration nicht geringen Kapazitäten an Akademien und Forschungsinstituten waren von diesen Auf- und Ausbauver­ suchen absorbiert. Aus diesem Grund fehlte mit einer gewissen Notwendig­ keit die erste Generation von digitalen Relaiscomputern völlig und trat die Generation der Röhrengroßcomputer erst in ihr Experimentierstadium, als im angelsächsischen Westen bereits die dritte Generation der Transistorgesteuer­ ten Computer auf dem Markt erschien.16 Die sowjetische Computerindustrie ist dabei von Anfang als Teil der Anstrengungen anzusehen, wirtschaftlich gegenüber dem Westen aufzuholen.17 Das sogenannte computing gap erwies sich in den folgendenjahren als von größerer Bedeutung als die viel diskutier­

15 Vgl. Dietmar NEUTATZ: Träume und Alpträume. Eine Geschichte Russlands im 20. Jahrhundert, München 2013, S. 221—247, und Hans-Heinrich NOLTE: Kleine Ge­ schichte Rußlands, Stuttgart 2005, S. 222—238. Siehe auch Robert W. DAVIES, Ste­ phen G. WHEATCROFT: The Years of Hunger. Soviet Agriculture 1931—1933 Basing­ stoke 2004. 16 Bereits im Jahre 1948 hatten John Bardeen, William Shockley und Walter Brattain in den Bell Laboratories von AT&T den Transistor erfunden. Die Vorteile lagen auf der Hand. Der Transistor war kleiner, schneller und billiger herzustellen — und er benö­ tigte weniger Energie. Zudem war er zuverlässiger. Der erste auf Transistoren basie­ rende Computer wurde bereits 1953 an der University of Manchester vorgeführt. 1955 folgten die Bell Labs von AT&T mit einem für die US Air Force vonjohn Ho­ ward Felker und J. R. Harris entwickelten TRansistorized Airbome Digital Computer (TRADIC). Ab 1958 wurde die Electrologica XI als volltransistorisierter Serienrech­ ner gebaut und I960 folgte IBM mit der IBM 1401, einen transistorisierten Rechner mit Magnetbandsystem. 17 Zum grundsätzlichen Problem der sowjetischen Wirtschaft vgl. Hans-Henrich NOL­ TE: Kosten nachholender Entwicklung: Der sowjetische Fall, in: ZWG 13, H. 2, 2012, S. 95-117. 126 Ralf Roth

te „Raketenlücke“ auf Seiten des Westens, weil aus strukturellen Gründen für die Sowjetunion der Druck zunahm, gerade in der Computerindustrie den technologischen Anschluss zu schaffen. Denn nur durch Automation und computergetriebene Prozesssteuerung konnte die Produktivität eine analoge Effizienz und Dynamik entfalten wie im konkurrierenden kapitalistischen La­ ger, das seine wirtschaftlichen Möglichkeiten — angetrieben von der kyberneti­ schen Revolution — beständig ausbaute, ohne immer mehr Ressourcen an Ar­ beitern und Fabriken in den Prozess einzubringen. Tatsächlich erfreute sich die Kybernetik in der Sowjetunion einer wachsen­ den Beliebtheit, was von dem amerikanischen Verteidigungsministerium be­ ziehungsweise seinem Think Tank, der 1946 von der U.S. Air Force gegründe­ ten RAND Corporation, aufmerksam registriert wurde.18 Es gab jedoch Prob­ leme bei der Umsetzung. Um im Aufholungsprozess Erfolge zu erzielen, be­ nötigte die Sowjetunion nicht nur Kybernetiker, sondern automatisierte In­ formationssysteme und hier vor allem Computer, also Großrechner. Da sie nur über eine schwache eigene technologische Tradition auf diesem Feld ver­ fügte, begannen das Ministerstvo priborostroenija, sredstva avtornatizacii i upravl- jajushhikh sistem (Minpribor — Ministry of Instrument Construction, Means of Automation, and Control Systems) und das Ministerstvo radio promyshlennosti (Minradioprom — Ministry of the Radio Industry) nach dem Zweiten Welt­ krieg — und hier im Zusammenhang mit dem Bau der Atombombe — einen energischen Aufbauversuch. Dieser blieb anfangs mit den Forschungen von Sergei Alekseevich Lebedev und den von ihm am Institute o f Electrical 'Enginee­ ring in Kiew und am Institute of Precise Mechanics and Computer Technology (IT- MVT) in Moskau entwickelten Modellen MESM (Malaja Elektronnaja Chet- naja Mashina), BESM (Bystrodejstvujushhaja Elektronnaja Chetnaja Mashina) und M-20 nicht ohne Erfolge. Doch rasch wurde deutlich, dass sie die Leistungen der Produktionen der amerikanischen Computerindustrie nicht erreichten.19 Nachdem sich eigene Entwicklungen als weniger erfolgreich erwiesen hatten,

18 Vgl. Edward A. FEIGENBAUM: Soviet Cybernetics and Computer Sciences, I960. Research Memoranda RM-2799-PR, Santa Monica: The Rand Corporation 1961, und Simon KASSEL: Soviet Cybernetics Research: A Preliminary Study of Organizations and Personalities. Report R-909-ARPA, Santa Monica, CA: The Rand Corporation, December 1971. Zur neueren Forschung zur sowjetischen Kybernetik vgl. Slava GEROVITCH: From Newspeak to Cyberspeak: A History of Soviet Cybernetics, Cambridge (MA) 2002. 19 CROWE, GOODMAN: S. A. Lebedev (wie Anm. 12), S. 20. Ursprünge des Internet 127 spähte die Sowjetunion die weiter fortgeschrittene westliche Technologie aus und kopierte sie.20 Igor Agamirzian vom Leningrader Institute of Informatics of the Academy of Sciences hat dies später auch unumwunden zugegeben: „The American IBM Model 360 (1965) was suddenly adopted as the Unified Com­ puter System by the Council for Mutual Economic Assistance (CMEA or Comecon).“21 Jong-Tsong Chiang vom MIT hatte kurz zuvor die Begründung dafür geliefert: „Owing to the low quality and small number of hardwares and softwares, and their incompatibility provided by different countries, mainly the USSR, most countries in the Soviet bloc were oriented toward the Western computers throughout the whole 1960s. This embarrassing situation resulted at the beginning of the 1970s in a CMEA agreement upon the Unified System of Electronic Computers (USEC) de­ rived from IBM models for the production of RYAD (or, in Russian abbreviation, ESEVM) series.“22 Dass grundlegende technologische Innovationen kopiert wurden, ist dabei weniger das Problem, sondern dass es mangels eigener Innovationsleistungen

20 Vgl. Seymour E. GOODMAN: Soviet Computing and Technology Transfer: An Over­ view, in: World Politics 31, 4, July 1979, S. 539—570 hier 539. Zur Geschichte der frühen sowjetischen Computerindustrie aus amerikanischer Sicht vgl. John W. CARR III u.a.: A Visit to Computation Centers in the Soviet Union, in: Communications of the Association for Computing Machinery 2, 6, 1959, S. 8—20; Willis H. WARE: Soviet Computer Technology — 1959, in: Communications of the Association for Compu­ ting Machinery 3, 3, I960, S. 131—166; CROWE, GOODMAN: S.A. Lebedev (wie Anm. 12), S. 4—24; George RUDINS: Soviet Computers: A Historical Survey, in: Soviet Cy­ bernetics Review 4, January 1970, S. 6—44, Seymour E. GOODMAN, W. K. HENRY: The Soviet Computer Industry: A Tale of Two Sectors, in: Communications of the Association for Computing Machinery 34, 6,June 1991, S. 25—29. 21 Igor AGAMIRZIAN: Computing in the USSR, in: Byte 16, 4, April 1991, 120—129. 22 Jong-Tsong CHIANG: Management of Technology in Centrally Planned Economy. WORKING PAPER WP 3130-90-BPS. Cambridge, MA: MIT February 1990, S. 18. Vgl. auch N. C. DAVIS, Seymour E. GOODMAN: The Soviet Bloc’s Unified System of Computers, in: ACM Computing Surveys (CSUR) 10, 2, June 1978, S. 93—122. Auch das mit dem Comecon Beschluss offenbarte Eingeständnis der Unzulänglichkeiten in der sowjetischen Computerproduktion wurde von der gegnerischen Supermacht ge­ nau registriert. Vgl. Heather CAMPBELL: Organization of Research, Development and Production in the Soviet Computer Industry. Report R-1617-PR. Santa Monica: The Rand Corporation, December 1976, und Central Intelligence Agency, Soviet RYAD Computer: A Program in Trouble. ER 77-10491. September 1977, http://www.foia.cia.gov/ sites/default/files/document_conversions /89801/D0c_0000498612.pdf (letzter Zugriff am 30. Mai 2014). 128 Ralf Roth beim Kopieren blieb und es nicht zu einer eigenständigen Weiterentwicklung der Systeme und dem Aufbau einer unabhängigen Computerindustrie kam.23 Man blieb von den IBM Computern abhängig und somit am Tropf der west­ lichen Industrie. Die Probleme reichten noch weiter, denn es fehlte in den Planungsbehörden auch an Kompetenz und Unterstützung, die Universalma­ schine Computer entsprechend ihren breiten Möglichkeiten flexibel und effi­ zient einzusetzen und damit zur vollen Anwendung zu bringen.24 Vielverspre­ chende Initiativen gingen in dem labyrinthischen Kompetenzwirrwarr der verschiedenen zuständigen Ministerien und Behörden einfach unter. Dazu kamen Kompetenzrangeleien zwischen den Führungsebenen der Partei und den Leitern der staatlichen Unternehmen um Macht und Einfluss auf den verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses sowie ein generelles Miss­ trauen, Daten an eine zentrale Instanz wie ein Rechenzentrum abzugeben.25 Die Konsequenzen waren fatal, denn im Ergebnis gelang es der Sowjetunion nicht, gegenüber dem Westen aufzuholen, dessen Wirtschaft in dieser Zeit durch Automation und Computerisierung erheblich an Leistungsfähigkeit hinzugewann.

Computer für Jedermann Das Dilemma ging noch weiter. Es gab nicht nur kein Aufholen im Rennen um die beste Computertechnologie und um die Anwendung der Kybernetik auf zahlreiche wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse, sondern der Ab­ stand vergrößerte sich auch noch erheblich. Während sich die Sowjetunion in den 1960er Jahren immer mehr darauf beschränkte, die Produkte der US- amerikanischen Computerindustrie zu kopieren, ging die USA schon mit ei­ nem ganzen Bündel von Innovationen zur vierten Generation der Computer über. Ab 1964 standen ausgehend von der Transistortechnologie die ersten

23 Brett RlCKMAN: Left Behind: Computing in the USSR, http://www.rickman.com/ brett/russian_computing/ (letzter Zugriff am 24. Juli 2013). 24 Vgl. Eugene ZALESKI: Planning and Financing of Research and Development in the USSR, in: John R. Thomas und Ursala Kruse-Vaucienne (Hg.): Soviet Science and Technology: Domestic and Foreign Perspectives, Washington DC 1976, S. 276—304, hier 277. 25 RlCKMAN: Left Behind (wie Anm. 23). Vgl. auch David APGAR: The Adversary Sys­ tem in Low Level Soviet Economic Decisionmaking, Santa Monica CA: Rand Corp. August 1984; Martin CAVE: Computers and Economic Planning: The Soviet Experi­ ence, Cambridge (UK) 1980, und John P. HARDT u.a. (Hg.): Mathematics and Com­ puters in Soviet Economic Planning, New Haven u. London 1967. Ursprünge des Internet 129

„integrated circuits“ (IC) zur Verfügung, die sich in den 1970er Jahren auf dem Markt durchsetzten. IC-Bausteine wie beispielsweise der damals weit verbreitete Intel 4004 enthielten Tausende von Transistoren und sie bildeten die Grundlage für die Kostensenkung, erhöhte Geschwindigkeit und Kapazi­ tät sowie Verlässlichkeit des Computers und sie standen am Beginn seiner ra­ dikalen Miniaturisierung.26 Das war wiederum Voraussetzung für die enorme Verbreitung der Computer in den späten 1970er und 1980er Jahren und der Beginn des Trends zu mobilen Kleincomputern, der erst einmal von der etab­ lierten Computerindustrie ignoriert wurde. So erklärte der Gründer der Digi­ tal Equipment Corporation (DEC) noch 1977: „There is no reason for any individual to have a Computer in his home.“27 So hätte das weite Feld der Klein- und Minicomputer noch lange auf seine industrielle Erschließung ge­ wartet, wenn nicht andere Akteure auf dem Plan erschienen wären. Ein jahr, bevor Ken Olsen sich so skeptisch zur Zukunft von Kleincompu­ tern äußerte, hatte Ed Roberts mit seiner Firma Altair bereits einen Compu- ter-Bausatz für wenige hundert Dollar herausgebracht.28 1977, also zeitgleich mit Olsons Bemerkung, kamen der Apple II, der Commodore PET und der Tandy TRS 80 auf den Markt und in den 1980ern folgte schließlich der breite Durchbruch der Personal- oder Heimcomputer. Auch IBM, die wie die DEC den Beginn des Booms verpasst hatte, brachte 1981 einen eigenen Personal­ computer heraus, der für längere Zeit den Standard bestimmte.29 In den 1980ern begann der Computer das alltägliche Leben breiter Bevölkerungs­ kreise umzukrempeln. Die gesamte Ökonomie des Westens, also der USA, Japans und Europas, befand sich binnen weniger Jahre in einem gewaltigen

26 Zur Geschichte des ICs siehe Arjun N. SAXENA: Invention of Integrated Circuits: Untold Important Facts, World Scientific 2009. 27 Ken Olson in einem Gespräch auf dem World Future Society meeting in Boston im Jahre 1977. Das Zitat griff das Time magazine 1977 auf. http://en.wikiquote. org/wiki/Incorrect_predictions#Computers, und http://www. snopes.com/ quo- tes/kenolsen.asp (letzter Zugriff am 30. Mai 2014). 28 Für den Bausatz schrieben Bill Gates und Paul Allen einen Basic-Interpreter und leg­ ten damit die Grundlagen für den Industriegiganten Microsoft. Etwa gleichzeitig kündigte das Unternehmen MOS Technology (später Commodore Semiconductor Group) einen preiswerten Prozessor an, mit dem ein Jahr später die Apple-Gründer Steve Jobs und Steve Wozniak den Apple I bauten. 29 Microsoft entwickelte dafür eine erste Version des Betriebssystems MS-DOS. Die weitere Entwicklung ist bekannt. Vgl. A. ROESLER, B. STIEGLER (Hg.): Microsoft — Medien, Macht, Monopol, Frankfurt am Main 2002. 130 Ralf Roth

Prozess der Umgestaltung und Millionen von Arbeitsplätze begannen sich in Wirtschaft und Verwaltung um einen Desktop zu drehen.30 Im Jahre 2002, also nur 25Jahre nach den ersten Experimentiermodellen, waren weltweit be­ reits 600 Millionen solcher Computer im Einsatz.31 Wichtig ist weiterhin fest­ zuhalten, dass die Revolution der Personalcomputer weitgehend ohne den Einfluss des Staates oder auch nur der traditionellen Großkonzerne der Computerindustrie vonstatten ging. Europa folgte dem amerikanischen Weg der Computerisierung jeweils recht unmittelbar nach, nicht jedoch die Sowjetunion und die Ostblockstaa­ ten. Sie wurden in den 1980er Jahren von der Durchsetzung des Personal­ computers in der westlichen Welt vollends überrollt. Der Ostblock konnte mit der Entwicklung nicht Schritt halten und kollabierte, weil es ihm in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren nicht gelungen war, gerade auf diesem Ge­ biet aufzuschließen und mit den Methoden der Kybernetik auf breiter Front die Effizienz der Wirtschaft zu steigern. Doch selbst mit der massenhaften Verbreitung der Kleincomputer in der sich globalisierenden Welt sind die Konsequenzen, die von den klobigen Computern der ersten und zweiten Generation ausgingen, noch nicht annä­ hernd beschrieben. Eine weitere geradezu explosive Dynamik entfaltete der Computer, als die sich rasant in der Welt ausbreitenden erst Tausende, dann Millionen von Rechner zu einem Kommunikationsnetz zusammengeschlos­ sen wurden. Dieser Zweig der Entwicklung hatte eine eigene langjährige Vor­ geschichte, die bis zum Beginn der 1960erjahre zurückreicht. Die Gründe für die Vernetzung sind komplex und nicht leicht zu überblicken. Dennoch liegt in ihnen der Schlüssel zum Verständnis der modernen Welt.

30 Vgl. die zeitgenössischen Untersuchungen von Christopher EVANS: The Mighty Mi­ cro: The Impact of the Computerrevolution, London 1979 (dt. Die winzigen Riesen. Mikroprozessoren revolutionieren die Gesellschaft, Frankfurt am Main 1981), und Günter FRIEDRICHS, Adam SCHAFF (Hg.): Auf Gedeih und Verderb. Mikroelektro­ nik und Gesellschaft. Bericht an den Club of Rome, Wien u.a. 1982. Zur Geschichte des Personalcomputers vgl. Michael FRIEDEWALD: Der Computer als Werkzeug und Medium. Die geistigen und technischen Wurzeln des Personalcomputers, Berlin 1999, und Roy A. ALLAN: A Bibliography of the Personal Computer, London u. On­ tario 2005. 31 Siehe Worldmapper, Personal Computers, Map No. 337, http://www.worldmapper. org/display.php?selected=337 (letzter Zugriff am 27. Juli 2013), und http://de. wi- kipedia.org/wiki/Personal_Computer#Verbreitung (letzter Zugriff am 30. Mai 2014). Ursprünge des Internet 131

Die Anfänge der Computernetze als Problem der Rüstungsforschung Die Computer in den beiden Jahrzehnten zwischen den 1940er und 1960er Jahren waren groß, teuer und wurden in den Unternehmen wie in der Verwal­ tung oder Forschung zentral in besonderen Abteilungen, den Rechenzentren, genutzt. Diese Zentralisation verursachte einige Probleme, weil die Maschinen in der Regel über mehr Kapazität verfügten, als ihre unmittelbaren menschli­ chen Bediener nutzen konnten. Das heißt, die Bedienungsmannschaften wa­ ren das Nadelöhr im Verarbeitungsprozess und sie begrenzten die Effizienz der Großrechner. Eine der vielen diesbezüglich entwickelten Ideen bestand darin, einen Rechner gleichzeitig von einer Vielzahl unabhängiger Anwender zu nutzen. Das in diesem Zusammenhang entwickelte time-sharing-system ist mit dem Namen joseph Carl Robnett Licklider verbunden. Von Hause aus war er eigentlich Psychologe, der jedoch entscheidend die Frühzeit der amerikani­ schen Informatik geprägt hat. In den späten 1950er Jahren leitete Licklider Forschungsgruppen zum time-sharing aber auch zu Bibliotheken der Zukunft bei dem Technologieunternehmen Bolt, Beranek and Newman (BBN). Seine Gründer Richard Bolt und Leo Beranek kamen vom MIT und arbeiteten auch später eng mit dem Institut zusammen wie sie auch als military contractor Auf­ träge für das Verteidigungsministerium übernahmen. Bei BBN baute Licklider eines der ersten time-sharing-systems und damit konnte ein Computer gleichzei­ tig mehreren Anwendern nützlich sein.32 Da dies eine Trennung der Nutzer vom Standort des Computers zur Folge hatte, bildete dies einen ersten Schritt vom Computer als Rechner zum Computer als Kommunikationssystem. An den damit verbundenen Phänomenen arbeitete Licklider in den Forschungs­ projekten Machine-Aided Cognition oder Man And Computer am MIT. Er und andere Forscher schlugen im Ergebnis vor, Computer in dezentralen Netz­ werken zusammenzuschließen und die Daten so vorzuhalten, dass auch weit entfernte Forscher davon Gebrauch machen konnten.33

32 Vgl. die Studie von Joseph Carl Robnett LICKLIDER: Libraries of the Future, Cam­ bridge 1965. Zu Licklider und seine Rolle für die Informatik vgl. M. Mitchell WALD­ ROP: The Dream Machine. J.C.R. Licklider and the Revolution That Made Compu­ ting Personal, New York 2001. Zu BBN und ihre Rolle fur die Informatik vgl. http://bbn.com/about/timeline und http://bbn.com/successes (letzter Zugriff am 30. Mai 2014). 33 Vgl. David WALDEN, Tom Van VLECK (Hg.): The Compatible Time Sharing System (1961—1973). Fiftieth Anniversary Commemorative Overview, Washington: IEEE 132 Ralf Roth

Dies führte direkt zur Vorgeschichte des Internet und zur Rolle d et Advan­ ced Research Projects Agency (ARPA) in diesem Prozess. Den Hintergrund der ARPA bildeten der Kalte Krieg und die Angst vor der technologischen Über­ legenheit der Sowjetunion in der Raketen- wie Satellitentechnologie, nachdem es der Sowjetunion gelungen war, 1957 den ersten künstlichen Mond ins All zu schießen und so den Sputnik-Schock auszulösen.34 Als direkte Reaktion darauf rief der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower die ARPA ins Leben und zwar dezidiert mit der Aufgabe, Forschungsprojekte zu entwickeln und durchzuführen, um die Grenzen von Technologie und Wissenschaft zu erweitern, um damit die USA zu befähigen, weit über die damals vorhandenen militärischen Möglichkeiten hinauszugehen. Die Aufgabe der ARPA ist es bis heute, sicherzustellen, dass die Militärtechnologie der USA jederzeit fortge­ schrittener ist als die jedes erdenkbaren Feindes. Die ARPA hat in dieser Hin­ sicht tatsächlich viel zur Technologieentwicklung der USA beigetragen und insofern eine globale Wirkung entfaltet. Die ARPA (später DARPA mit ei­ nem verschämten „Defense“ am Beginn des Namens) war folgerichtig dem Verteidigungs- und nicht dem Forschungs- oder Bildungsministerium unter­ stellt und arbeitete eng mit dem MIT sowie dem erwähnten Technologieun­ ternehmen BBN zusammen.35 Es handelt sich also nicht um einen militärisch­ industriellen Komplex, sondern um einen militärisch-wissenschaftlichen, zu dem auch andere sogenannt Think Tanks des Verteidigungsministeriums ge­ hören wie etwa die genannte RAND Corporation. Warum aber begannen sich die ARPA und das Verteidigungsministerium für die Verknüpfüng von Computern zu interessieren? Warum blühte die Vi­ sion eines Netzes von Computern nicht bei den amerikanischen Telefonge­ sellschaften — etwa den berühmten Bell Labs oder bei der mächtigen IBM?36 Das hing wiederum eng mit ungelösten Problemen der Verteidigungsstrategie

Computer Society 2011, S. 3, und Joseph Licklider, http://history-computer.com/ Internet/Birth/Licklider.html (letzter Zugriff am 30. Mai 2014). 34 Zum Sputnikschock vgl. Paul DICKSON: Sputnik: The Shock of the Century, New York 2003, und Matthew BRZEZINSKI: Red Moon Rising: Sputnik and the Hidden Rivalries that Ignited the Space Age, New York 2007. 35 Zum Zusammenhang zum Internet und ARPA vgl. Bridget WESSELS: Understanding the Internet. A Socio-Cultural Perspective, Basingstoke 2010, S. 16. 36 AT&T war mit der Entwicklung von Computern durchaus vertraut. In den Bell Labs hatte Stibitz eines der ersten Modelle überhaupt gebaut. Vgl. M. M. IRVINE: Early Digital Computers at Bell Telephone Laboratories, in: IEEE Annals of the History of Computing, 23, 3, July—September 2001, S. 22—42. Ursprünge des Internet 133 in einem atomaren Konfliktfall zusammen. Seitdem klar geworden war, dass die Sowjetunion über ausreichende Raketenkapazitäten für einen atomaren Angriff auf die USA verfügten, hatten die etablierten Verteidigungs- und Frühwarnsysteme einen erheblichen Teil ihrer Wirksamkeit eingebüßt. Dazu gehörte auch das computerunterstützte System Semi-Automatic Ground En­ vironment (SAGE) der , das sich somit bereits nach wenigen Jahren als technisch veraltet und in seiner Reaktionsgeschwindigkeit als unzu­ reichend erwiesen hatte.37 Im Februar 1961 skizzierte der damalige Verteidi­ gungsminister Robert McNamara in einem Memorandum an John F. Ken­ nedy die Gründe für ein verbessertes Kommando- und Kontrollsystem {com­ mand and control), dessen Einzelheiten Eric Schlosser untersucht hat. Kurz zu­ sammengefasst bestand das Problem darin, dass bei einem Überraschungsan­ griff die Kommandokette vom Präsidenten zu den Offensiv- und Defensiv­ waffensystemen nach unten unterbrochen werden könnte. Da nur dieser den Befehl zum Gegenschlag oder überhaupt zum Einsatz von Atomwaffen ge­ ben konnte, wäre „bei einem Nuklearwaffenangriff auf die USA eine autori­ sierte Antwort unmöglich.“38 Eine derartige Blöße konnte sich eine Super­ macht natürlich nicht geben. Virulent wurde das Problem wenige Monate spä­ ter in der Kubakrise. In der Konsequenz dieses Szenarios wurde nach technischen Kommunika­ tionssystemen gesucht, die in der Lage sein sollten, umfangreiche Informatio­ nen in Sekundenbruchteilen zu verarbeiten und sie mussten so robust sein, dass sie auch noch arbeitsfähig waren, wenn Teile davon ausfielen, damit das Kommando- und Kontrollsystem der atomaren Verteidigung fünktionsfähig blieb. Vor diesem Hintergrund entwickelten die dem Verteidigungsministeri­ um unterstellten Forschungsinstitute, so etwa die RAND Corporation, Lö­

37 Zu SAGE vgl. Paul N. EDWARDS: The Closed World: Computers and the Politics of Discourse in Cold War America, Cambridge (MA) 1996, und Kent C. REDMOND, Thomas M. SMITH: From Whirlwind to MITRE: The R&D Story of The SAGE Air Defense Computer, Cambridge (MA) 2000. 38 „The chain of command from the President down“: Letter, From Secretary of De­ fense McNamara to President Kennedy, February 20, 1961 (top secret/declassified), in: Foreign Relations of the United States, 1961—1963, Volume VIII, National Securi­ ty Policy, S. 39. Zit. n. Eric SCHLOSSER: Command and Control. Die Atomwaffenar­ senale der USA und die Illusion der Sicherheit. Eine wahre Geschichte, München 2013, S. 314f. (Die deutsche Ausgabe enthält keine Anmerkungen. Der Verlag stellt jedoch unter www.beck.de/go/schlosser (letzter Zugriff am 30. Mai 2014) eine Refe­ renzliste zu den Anmerkungen der amerikanischen Ausgabe zur Verfügung. 134 Ralf Roth

sungsvorschläge.39 Auch bei der ARPA wurde die Abteilung Command and Control Research (CCR) eingerichtet. Es war genau diese Abteilung, die der er­ wähnte Licklider als Leiter übernahm, als er 1962 von BBN zur ARPA wech­ selte, um seine Forschungen zum Computer als Kommunikationssystem fort­ zusetzen. In einem ersten Schritt benannte er seine Abteilung mit einer Refe­ renz an die Kybernetik Wieners in Information Processing Techniques Office (IPTO) um. Hier setzte er den von ihm intendierten Paradigmenwechsel vom Com­ puter als Rechenmaschine zum Computer als Kommunikationsgerät durch. Aufgabenstellung war es, in Ubereinklang mit den strategischen Anforderun­ gen des Verteidigungsministeriums ein dezentrales Netzwerk zu schaffen, das erst einmal unterschiedliche US-amerikanische Universitäten, die für das Ver­ teidigungsministerium forschten, miteinander verbinden sollte. Die Verbin­ dungen sollten dabei denkbar einfach und kostengünstig über Telefonleitun­ gen hergestellt werden.40 Aber die weiteren Untersuchungen zeigten schnell, dass Computer mittels der vorhandenen Telefoninfrastruktur zwar über große Entfernungen verbunden werden konnten, dass es aber Schwierigkeiten mit der zentralistischen Netzstruktur des Telefonnetzes gab. Aus diesem Grund schlugen sie ein großes Forschungsprojekt vor, dass die genauen Spezifika eines solchen Netzes und seiner Anforderungen eruieren sollte.41 Zwei Jahre nach der Kubakrise konnte die ARPA-Forschungsabteilung im Jahre 1965 unter Licklider die verschiedenen Bestandteile des neuen Netzes ausschreiben. Das Stanford Research Institute (SRI) erhielt den Auftrag, die Spe­ zifikationen für das neue Netz zu schreiben. Dabei wurde entschieden, dass das Institut in Stanford der geeignete Ort sei, ein Network Information Center (NIC) für das ARPANET einzurichten. Den Zuschlag für die Entwicklung der Paketvermittlungstechnologien und eines Interface Message Processors (IMP),

39 So legte etwa Paul Baran eine Studie über ein communications network vor. Vgl. Paul BARAN: On Distributed Communications. Memoranda P 2626, Santa Monica, CA: The Rand Corporation September 1962. Siehe weitere Studien unter Paul Baran and the Origins of the Internet, http://www.rand.org/about/history/baran.html und http://www.rand.org/about/history/baran-list.html (letzter Zugriff am 31. Mai 2014). 40 Vgl. John NAUGHTON: A Brief History of the Future. The origins of the Internet, London 1999, S. 65—76, und generell zur Entstehung des ARPANET: Katie HAFNER, M atthew LYON: Where Wizards Stay Up Late: The Origins Of The Inter­ net, New York 1998, S. 15ff. 41 Vgl. The NSF and the history of the Internet: http://www.nsf.gov/news/ spe- cial_reports/nsf-net/textonly/60s.jsp (letzter Zugriff am 27. Juli 2013). Ursprünge des Internet 135 erhielt die schon mehrfach erwähnte BBN. Bei ihr hatte nicht nur Licklider seine Karriere begonnen, sondern auch Robert E. Kahn, der ebenfalls vom MIT zu BBN gekommen war. Auf ihn geht ein Großteil der Architektur des Internets zurück. Er griff dabei grundlegende Konzepte zu einem Struktur­ wandel der Netze auf, wie sie kurz zuvor Paul Baran bei der RAND Corpora­ tion und Donald Watts Davies am 'National Physical Laboratory in Middlesex, vorgeschlagen hatten. Hintergrund ihrer Überlegungen war wiede­ rum nicht eine einfache Dezentralisierung der Netze, sondern die völlige Um­ gestaltung der Form des Nachrichtentransports in der Telekommunikation. Die Kommunikation sollte mit Hilfe von Computern in kleine Datenpakete zerlegt werden, die, mit Ziel- und Absenderadresse versehen, quasi autonom ihren Weg durch das Netzwerk finden. Das sogenannt e. package-switching war Voraussetzung für die verteilte, dezentrale Architektur des distributed network wie des späteren Internets. Im Dezember 1968 legte Eimer B. Shapiro vom SRI auf 71 Seiten den Bericht über die spezifischen Anforderungen eines der­ artigen Netzes vor.42 Zehn Monate später gelang die Übertragung der ersten beiden Buchstaben eines Login Prozesses ,,LO“, die am 29. Oktober 1969 versuchsweise von der UCLA an das SRI übermittelt wurde. Sie gelten ge­ meinhin als die erste gelungene Internetbotschaft, obwohl das Login fehl­ schlug.43 Kurz darauf fiel der Startschuss für einen ersten Prototypen eines dezentralen Computernetzes mit vier Großrechnern in der UCLA, im SRI, der University of in Santa Barbara (UCSB) und der University of Utah, das E-Mail, File Transfer und Dialoganwendungen anbot.44 Der nächste Schritt bestand dann in der Integration verschiedener Netze, denn mittlerweile hatten immer mehr Forscher und Wissenschaftler begon­ nen, ihre eigenen Computernetze aufzubauen, und es entstanden unterschied­ liche Netze mit verschiedenen Schnittstellen, Paketgrößen, Kennzeichnungen und Übertragungsraten, was es schwierig machte, sie untereinander zu ver­ binden. Die Hilfsprogramme dafür wurden in den frühen 1970er Jahren im Rahmen des ARPA Projekts unter der Verantwortung von BBN entwickelt. Aus diesen Arbeiten ging das 'Network Control Protocol (NCP) hervor, ein Satz von Programmen für die Verbindung von Computern, das erste Arpanet-

42 E. B. SHAPIRO: A Study of Computer Network Design Parameters, Menlo Park (CA) 1968. 43 Vgl. NAUGHTON: A Brief History (wie Anm. 40), S. 139. 44 The NSF and the history of the Internet: http://www.nsf.gov/news/special_ re- ports/nsf-net/textonly/60s.jsp (letzter Zugriff am 27. Juli 2013). 136 Ralf Roth

Protokoll und schließlich die ersten Versionen des Transmission Control Protocol (TCP).45 Daraus entstand TCP/IP und eine standardisierte Version des pack­ age switching. Die ARPA Programme und Protokolle arbeiteten mit großem Erfolg, verbreiteten sich rasch, und zwar deshalb, weil sie einfach aufgebaut waren, sich flexibel einsetzen ließen und leicht zu installieren waren. Das von der ARPA errichtete ARPANET und seine Standards wurden rasch akzep­ tiert. In den 1970er Jahren schlossen sich dann immer mehr Rechenzentren an amerikanischen Forschungseinrichtungen und Universitäten auf Basis die­ ser Protokolle und unter Nutzung von angemieteten Telefonleitungen der AT&T zu Netzen zusammen. Bestand das Netz 1971 aus 14 Knoten, so ver­ fugte es wenige Jahre später bereits über 61 Knoten — ein großer Erfolg.46 Aber noch immer war das Netz ein großes Experiment im Sinne des geplan­ ten Aufbaus von Kommunikationsnetzen, die den strategischen Überlegun­ gen des Verteidigungsministeriums genügten, wie sie am deutlichsten in dem Memorandum von Paul Baran formuliert worden waren. Die Entwickler des ARPA-Netzes haben die militärische Zielsetzung ihres Projekts später bestritten. So hätten nach Angaben der Internet Society in A. Brief History of the Internet die Studie der RAND Corporation und die Ziele des ARPA Projekts nichts miteinander zu tun gehabt.47 Warum aber sollte das Verteidigungsministerium etwas finanzieren, das nichts mit seinen Interessen zu tun hatte? Dagegen spricht weiterhin ein Experiment von 1977, mit dem

45 Vgl. A Protocol for Packet Network Intercommunication, in: Jeremy M. NORMAN (Hg.): From Gutenberg to the Internet: A Sourcebook on the History of Information Technology, Novato (CA) 2005, S. 871—890. 46 Vgl. NAUGHTON: A Brief History (wie Anm. 40), S.49—167, und WESSELS., Under­ standing the Internet (wie Anm. 35), S. 9—29. An weiterführender Literatur zur Früh­ geschichte des Internet siehe P. H. SALUS: Casting the Net: From ARPANET to INTERNET and beyond..., Reading (MA) 1995; Michael HAUBEN, Ronda HAUBEN: Netizens: On the History and Impact of Usenet and the Internet, Los Alamitos (CA) 1997; J. ABBATE: Inventing the Internet, Cambridge (MA) 1999; Katie HAFNER, M atthew LYON: ARPA KADABRA oder Die Geschichte des Internet, Heidelberg 2000, und M. FRIEDEWALD: Vom Experimentierfeld zum Massenmedium: Gestal­ tende Kräfte in der Entwicklung des Internet, in: Technikgeschichte 67, 4, 2000, S. 331-361. 47 Vgl. http://www.intemetsociety.org/intemet/intemet-51/history-intemet/brief-hist ory-internet (letzter Zugriff am 27. Juli 2013). Auch Naughton bestreitet einen Zu­ sammenhang zu den Interessen des Verteidigungsministeriums und meint:. „Bob Taylor simply wanted to make the taxpayer dollar go further.“ NAUGHTON: Brief History (wie Anm. 40), S. 83. Ursprünge des Internet 137 die Funktionsfähigkeit des neuen netzwerkverbindenden TCP in einem auf­ wendigen Versuchsaufbau auf mobilen Plattformen demonstriert worden war, um eben seine Tauglichkeit für mobile Kriegsschauplätze zu testen, was Vin­ ton Cerf ausdrücklich bestätigte.48 Es zeigte sich dann auch die Robustheit und Uberlebensfähigkeit dieses „Internets“ in Krisen- und Kriegszeiten, was genau dem Anliegen der RAND-Studie entsprach. Vor allem aber spricht die weitere Entwicklung des ARPANET gegen diese Interpretation der ISOC. Denn mit der Forschungsförderung für die Implementierung von TCP hatte die ARPA ihre Mission eigentlich erfüllt. 1975 wurde die Verantwortung für das ARPANET an die Defense Communications Agency (DCA), die später in De­ fense Information Systems Agency (DISA) umbenannt wurde, übertragen.49 In die Aufgaben der DCA als Agentur des Verteidigungsministeriums fügte sich das ARPANET ganz ausgezeichnet ein. 1978 war das Ziel des Projekts erreicht und damit das ARPANET-Experiment offiziell eigentlich beendet. Der gesamte Prozess, soweit wir ihn bisher betrachtet haben, lag also nicht in der Hand von privaten Unternehmen und ihren Forschungseinrichtungen — etwa AT&T und ihren Bell Labs — und war auch nicht das Produkt eines klassischen Erfinders, wie das bei der Entstehung der anderen modernen Me­

48 Die Übertragungsstrecke begann mit einem mobilen Paketsender in einem fahrenden Auto auf dem San Francisco Bayshore Freeway, lief zu einem Gateway bei BBN, über das Arpanet, über eine Punkt-zu-Punkt-Satellitenverbindung nach Norwegen, von dort via Kabel nach London, zurück über das Atlantic Packet Satellite Network (SATNET) ins Arpanet und schließlich zum Informatikinstitut der University of Southern California. Cerf erklärte dazu: „So what we were simulating was someone in a mobile battlefield environment [__], we were looking for demonstrations that would translate to militarily interesting scenarios.“ Vinton CERF: How the Internet Came to Be, in: Bernard Aboba (Hg.), The Online User’s Encyclopedia, Addison- Wesley, November 1993, http://www.virtualschool.edu/mon/Intemet/CerfHow In- ternetCame2B.html (letzter Zugriff am 31. Mai 2014). 49 Zu ihren damaligen Aufgaben schreibt die DISA heute: „DCA assumed responsibil­ ity for the Minimum Essential Emergency Communications Network (MEECN), a subsystem of WWMCCS (Worldwide Military Command and Control System; R. R.), in December 1971.“ Zu den weiteren Zielsetzungen des MEECN siehe Defense In­ formation System Agency, Our History, 1970s, http://www.disa.mil/About/Our- History/1970s (letzter Zugriff am 31. Mai 2014). Der Zweck von WWMCCS war „to enable national command authorities to exercise effective command and control of their widely dispersed forces.“ Defense Information System Agency, Our History, 1960s, http://www.disa.mil/About/Our-History/1960s (letzter Zugriff am 31. Mai 2014). 138 Ralf Roth dien des 20. Jahrhunderts noch oft der Fall gewesen war, sondern oblag For­ schungseinrichtungen und Technologieunternehmen, die allesamt direkt oder indirekt für das US-amerikanische Verteidigungsministerium arbeiteten. Wenn in diesem Zusammenhang der Staat der einzige handelnde Akteur geblieben wäre, dann hätten sich Computernetze erst einmal nur als Spezialanwendun­ gen für bestimmte militärische Zwecke entfaltet. Das wäre vermutlich dann auch das Ergebnis eines analogen Projekts in einer Planwirtschaft gewesen. Und tatsächlich war dies auch erst einmal das Schicksal des größten Teils des ARPANET in der amerikanischen Entwicklung hin zum globalen Internet. Obwohl viele der beteiligten Institute und die zahlreichen Entwickler gerade­ zu elektrisiert waren von den Möglichkeiten der wachsenden Netze für wis­ senschaftliche Forschungsinteressen, machte das US-Verteidigungsminis- terium schnell klar — und zwar Anfang der 1980er jahre —, dass es nicht ge­ willt war, ein nationales Netz, das nicht direkt mit seinen Aufgaben verbun­ den war, zu betreiben das heißt, die Kosten dafür zu übernehmen. Kurz da­ rauf, nämlich 1983, traf es die Entscheidung, das Netz in ein öffentliches ARPANET und das vertrauliche Military Network (MILNET) aufzuteilen. Von den 113 Host-Rechnern über die das ARPANET 1983 verfügt hatte, blieben nur 45 für die zivile Nutzung übrig.50 Das MILNET ist der Vorläufer der heutigen militärischen Kommunikationsnetze der US-Streitkräfte. Im Laufe der 1980er Jahre wurde das MILNET zum 'Defense 'Data 'Network erwei­ tert, ein weltweites System von verschiedenen militärischen Netzwerken mit verschiedenen Sicherheitsstufen.51 Soweit zu den militärischen Interessen, die die Ausbildung des vom Verteidigungsministerium initiierten und finanzierten ARPA Projekts hin zum ARPANET von Anfang an dominiert hatten.

Von der militärischen zur zivilen Nutzung Aber die Geschichte endete nicht an dieser Stelle. Denn die Entwickler mein­ ten, sie hätten mehr gefünden als nur ein MILNET. Im Abschlussbericht heißt es deshalb wenig bescheiden: „This ARPA program has created no less

50 Geschichte des Internets, Frühphase, http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_ des_Internets#Frühphase (letzter Zugriff am 31. Mai 2014). 51 In den 1990er Jahren wurde aus dem MILNET dann das Non-classified Internet Protocol (IP) Router Network (NIPRNet). Das NIPRNet basiert auf Internet Proto- col-Routem des US-Verteidigungsministeriums. Es wurde in den 1980er Jahren von der DCA aufgebaut und seither durch diese betrieben, um das ältere MILNET zu er­ setzen. http://en.wikipedia.org/wiki/NIPRNET (letzter Zugriff am 1. Februar 2014). Ursprünge des Internet 139 than a revolution in computer technology and has been one of the most suc­ cessful projects ever undertaken by ARPA. The program has initiated exten­ sive changes in the Defense Department’s use of computers as well as in the use of computers by the entire public and private sectors, both in the United States and around the world. Just as the telephone, the telegraph, and the printing press had far-reaching effects on human intercommunication, the widespread utilization of computer networks which has been catalyzed by the ARPANET project represents a similarly far-reaching change in the use of computers by mankind.“52 Tatsächlich kamen nun andere Akteure ins Spiel und nahmen den Ball auf. In diesem Fall waren es die Universitäten, die mit ihren rasch an Bedeutung gewinnenden Rechenzentren Interesse an den Ergebnissen des Projekts der ARPA anmeldeten. Deshalb versank der zivile Teil des ARPANET nicht in die Bedeutungslosigkeit, sondern es fand eine bemerkenswerte Transformati­ on statt. Aus einer regierungsadministrativen Struktur entstanden öffentlich­ rechtliche Organisationen, die sich — zumindest am Beginn — fest in der Hand der Entwickler des Netzes befanden. Diese begannen von einem offenen und universalen globalen Netz zu träumen.53 Noch von der ARPA aus richteten sie 1978 das Internet Configuration Control Board (ICCB) ein.54 Mit der Trennung von ARPA- und MILNET trat dann das Internet Activities Board (IAB) an die Stelle des ICCB. Für die eigentliche Entwicklungsarbeit bildeten sich 1986 im Rahmen des IAB die Internet Engineering Task Force (IETF) und die Internet Re­ search 'Task Force (IRTF). Als Dachorganisation für alle Intemetinteressierten und für die bestehenden Gremien wie IAB und IETF gründeten unter ande­ rem Vint Cerf und Robert Kahn schließlich 1992 die Internet Society (ISOC). Das IAB wurde nach der Gründung der ISOC in Internet Architecture Board umbenannt.55 Mit diesen gemeinnützigen Vereinen oder auch NGOs, auf je­

52 Stephen T. WALKER: DARPA, Information Processing Techniques Office, Comple­ tion Report of ARPA Network Development — Distributed Information Systems (62706E) and Various Others. Defense Supply Service — Washington; Air Force Eastern Test Range, January 4, 1978, http://www.cs.utexas.edu/users/chris/ DIGI- TAL_ARCHIVE/ARPANET/DARPA4799.pdf (letzter Zugriff am 31. Mai 2014). 53 Vgl. ABBATE: Internet (wie Anm. 46), S. 141. 54 Zum ICCB vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Internet_Architecture_Board (letzter Zugriff am 31. Mai 2014). 55 Zur Struktur siehe ISOC, Internethistory, http://www.intemetsociety.org/internet/ what-internet/history-intemet/ietf-and-intemet-society (letzter Zugriff am 31. Mai 2014). Zum Aufbau vgl. auch http://swlab.et.fh-duesseldorf.de/pc_pool/ lernmodu- 140 Ralf Roth den Fall mit einer Struktur zwischen Staat und privater Industrie begann die zivile Nutzung des ARPANET an den US-amerikanischen Universitäten und damit auch der Wechsel von den militärischen Zielsetzungen zur Wissenschaft und Forschungsförderung. Damit begann rund 15 Jahre nach der ersten er­ folgreichen Verbindung zwischen Computern die internationale Ausbreitung des Internets. Dieser Vorgang fiel genau in die Zeit, als der Boom der Mini-, Home und Personalcomputer einsetzte. Wichtig war in diesem Zusammenhang, die frühe Interkonnektivität dieser Kleincomputer, denn schon 1979 hatte die US- Firma Hayes erstmals ein Telefonmodem für den Apple-II herausgebracht.56 Damit konnte sich das ARPANET mit der sich anbahnenden mächtigen Wel­ le der Ausbreitung der PCs in der Welt verbinden und das sollte die wirkliche Revolution des Internet bilden.57 Doch damit sich aus diesen Anfängen tatsächlich ein globales Netz entwi­ ckeln konnten, mussten zwei weitere Hürden genommen werden. Erstens entsprach die zentralistisch ausgerichtete Struktur des amerikanischen Tele­ fonnetzes nicht dem, was sich die Entwickler des ARPANET ausgehend von den Überlegungen Paul Barans unter einem distributed network vorstellten. Zweitens war die Frage offen geblieben, wer die Kosten für das zivile AR­ PANET aufbringen sollte, nachdem das Verteidigungsministerium die Finan­ zierung eingestellt hatte.

le/aufbau_ internet/organi.htm (letzter Zugriff am 1. Februar 2014). Wichtig blieb für längere Zeit die IETF, die anders als staatliche Standardisierungsgremien oder In­ dustriekonsortien als offenes Forum aufgebaut ist. Da es bis heute keine scharf um- rissene Mitgliedschaft gibt, werden Entscheidungen nicht durch Abstimmungen ge­ troffen. Das Credo der IETF lautet: „We reject: kings, presidents and voting. We be­ lieve in: rough consensus and running code.“ David D. CLARK: A Cloudy Crystal Ball — Visions of the Future (Alternate tide: Apocalypse Now), Cambridge (MA): M.I.T. Laboratory for Computer Science, IETF,July 1992, Slide 19. 56 Zu Hayes vgl. die Unternehmensgeschichte: Hayes Corporation History, http://www.iundinguniverse.com/company-histories/hayes-corporation-history/ (letzter Zugriff am 31. Mai 2014). Zu anderen Möglichkeiten mit Kleincomputern Reisen in die sich entfaltenden Datennetze zu unternehmen siehe Christian STÖ­ CKER: Nerd-Attack! Eine Geschichte der digitalen Welt vom C64 zu Twitter und Fa- cebook, München 2011, S. 91—104. 57 Zur Rolle der NGOs und anderer kultureller Milieus zur Ausformung des Internet vgl. NAUGHTON: Brief History (wie Anm. 40), S. 193—228, und WESSELS: Under­ standing (wie Anm. 35), S. 19—23. Ursprünge des Internet 141

Die Probleme schienen unüberwindlich. Vorstöße sowohl von Paul Baran von der RAND Corporation wie auch von den Entwicklern der ARPA stie­ ßen bei der AT&T auf taube Ohren.58 Doch die Gruppe der Internetentwick­ ler hatte Glück. Sie bekam von unerwarteter Seite Unterstützung. Die Hinter­ gründe sind komplex, weil sich grundlegende Rahmenbedingungen wie Zeit­ geist und Wertevorstellungen in der westlichen Welt im Zuge der globalen Protestbewegung änderten und mit konkreten gesellschaftlichen Anliegen verbanden. In den 1960er Jahren war Schritt für Schritt die Begeisterung für zentrale Planungs- und Verwaltungssysteme geschwunden. Ein Vordenker in dieser Beziehung war Friedrich August von Hayek gewesen. Sein Hauptargu­ ment sowohl gegen Planwirtschaft als auch gegen Monopolunternehmen be­ stand darin, dass weder die strategischen Abteilungen großer Konzerne noch staatliche Planungsbehörden alle Fakten des dynamischen Marktes kennen könnten, und damit strukturell bedingt falsche Entscheidungen getroffen würden.59 Diese Kritik fiel im Zeitalter des Kalten Kriegs auf fruchtbaren Bo­ den und erfreute sich auch in den Protestbewegungen Ende der 1960er und Anfang der 1970erjahre einer großen Popularität. Das heißt, der Aufstieg des Internet begann in einer Zeit, in der zentrale Macht, Planwirtschaft, aber auch Monopolindustrie und Machtkonzentrationen äußerst kritisch betrachtet wurden und die Sympathien eindeutig den dezentralen und unabhängigen Prozessen sowie den Basisstrukturen galten. Die USA war für einen solchen Umbruch offen, die Sowjetunion, die kompromisslos an der Planwirtschaft festhielt, nicht.

58 Vgl. NAUGHTON: A Brief History (wie Anm. 40), S. 114—117, und Tim WU: Der Masterswitch. Aufstieg und Niedergang der Medienimperien, Heidelberg u. a. 2012, S. 209—211. Mehr über das Verhältnis von Vint Cerf, Robert Kahn und Robert Met­ calf zu AT&T findet sich in den Beiträgen in Laura LAMBERT u.a. (Hg.): The Inter­ net: A Historical Encyclopedia, Bd. 2, New York 2005. 59 Friedrich A. HAYEK: Der Weg zur Knechtschaft, Zürich 1945 (ND 2009). Siehe auch Friedrich A. HAYEK: Individualism and Economic Order, Chicago 1948. Auf der Grundlage Hayeks begann in Österreich der Politologe Leopold Kohr eine Kam­ pagne gegen Imperien, große Staaten und überhaupt gegen Größe. „Where always something went wrong it is too big. “ Leopold KOHR: Das Ende der Großen. Zurück zum menschlichen Maß, Salzburg u. Wien 2002. Sein Schüler, der Wirtschaftswissen­ schaftler Ernst F. Schumacher prägte daraus 1973 den Slogan: Small is beautiful. Sie­ he E m st F. SCHUMACHER: Small is beautiful: die Rückkehr zum menschlichen Maß = (Klein ist fein), Bad Dürkheim 32001. Siehe auch WU: Der Masterswitch (wie Anm. 58), S. 236-242. 142 Ralf Roth

Dieser gesellschaftliche Wandel der späten 1960er und 1970er Jahre ließ auch die Entwickler des Internet nicht unbeeinflusst — zumal ihnen mit AT&T ein Monopolist par excellence im Wege stand, auf den Hayeks Vorbe­ halte in großem Umfang zutrafen. Sie sahen sich also mit ihren distnbuted net­ works durchaus als Vorkämpfer einer über die militärischen Belange weit hin­ ausgehenden allgemeinen Dezentralisierung und die weitere Entwicklung schien ihnen Recht zu geben.60 Ihr Problem, das de facto Monopol von AT&T, wurde 1984 von der Federal Communications Commission (FCC) nach ei­ nem mehrjährigen Prozess mit Hilfe der antitrust laws gelöst und der Konzern in zehn unabhängige Gesellschaften zerschlagen.61 In Europa vollzog sich im Zuge der Liberalisierung der Wirtschaft und damit auch der Privatisierung der staatlichen Post- und Telefongesellschaften ein ähnlicher Prozess. Damit öff­ neten sich Freiräume für die Nutzung der großen Netze und für die Einfüh­ rung neuer Technologien in der Telekommunikation wie etwa die Digitalisie­ rung — die zentrale Voraussetzung für die distributed networks in den Vor­ stellungen von Baran und den ARPANET-Entwicklern. Doch damit das Internet nun blühen konnte, musste ebenfalls das Problem der Finanzierung des zivilen ARPANET gelöst werden. Hier sprangen den in den NGOs organisierten Entwicklern und den Universitätsverwaltungen staatliche Forschungsstiftungen bei. Zum Hauptsponsor entwickelte sich vor allem die 'National Science 'Foundation (NSF). Die NSF ist auch heute noch eine unabhängige Einrichtung der Regierung der USA. Sie hat ihren Sitz in Arling­ ton, Virginia. Ihr Zweck ist es, finanzielle Unterstützung für Forschung und Bildung auf allen Gebieten mit Ausnahme der Medizin zu gewähren. Sie wur­ de einigejahre vor der ARPA gegründet und verfügte imjahre 2010 über ein Budget von immerhin sieben Milliarden US-Dollar. Das waren damals unge­ fähr 20 Prozent der Summe, die der amerikanische Staat für Grundlagenfor­

60 Vgl. John MARKOFF: What the dormouse said. How the 60s Counterculture Shaped the Personal Computer Industry, New York 2005, und STÖCKER: Nerd-Attack! (wie Anm. 56), insbesondere das Kapitel Althippies, Acid Phreaks und die Freiheit der Netze, S. 105—120. Ein Beispiel lieferte die Computerindustrie selbst, die in einem großen Bogen von der Produktion großer mainframes für Rechenzentren großer Verwaltungseinheiten zu den kleinen PCs für den individuellen Gebrauch überging. 61 Vgl. WU: Masterswitch (wie Anm. 58), S. 225—234, und S. 293. Siehe auch Christo­ pher H. STERLING: Phyllis Bemt and Martin B. H. Weiss, Shaping American Tele­ communications: A History of Technology, Policy, and Economics, New York 2006, S. 145-177. Ursprünge des Internet 143 schung an Universitäten ausgab.62 Bevor die NSF sich am ARPANET enga­ gierte, finanzierte sie den Aufbau von Supercomputerzentren für akademische Belange, um auf diese Weise die Computerwissenschaften zu fördern. Zusätz­ lich unterstützte sie Grundlagenforschung im Bereich der Computerwissen­ schaften und -netze an nicht weniger als 120 amerikanischen Universitäten. Es lag deshalb nahe, über neue Wege nachzudenken, wie diese teure Infra­ struktur von noch mehr Forschern genutzt werden könnte. Aus diesem Grund ergriff die NSF Anfang der 1980er Jahre die Initiative, die Vorteile der Vernetzung zu verbreiten, und entwickelte ein Netzwerk, um ihre gestifteten Supercomputerzentren miteinander zu verbinden. Daraus ging erst das CSNET hervor, das TCP/IP nutzte und damit das know how der ARPA­ NET Ingenieure. 1981 kamen mit Hilfe der NSF die Universitäten zusammen und gründeten das BITNET, das es Tausenden von Nutzern ermöglichte, Neuheiten wie E-mail und das file transfer protocoll erstmals zu nutzen. Mitte der 1980er jahren entschied die NSF schließlich, dass die Zeit gekommen sei, die regionalen Universitätsnetze mit ihren Supercomputerzentren zu verbin­ den. Daraus entstand das NSFNET.63 Die NSF wollte das Netz so ausgestal­ ten, dass es den akademischen Belangen der Hochschulen Vorbehalten blieb. Es sollte jedoch auch rasch wachsen und so viele Nutzer wie möglich auf­ nehmen. Damit hatte sie Erfolg. Bis 1987 erreichte die Teilnehmerzahl im NSFNET ein solches Ausmaß, dass die Forschungsstiftung gezwungen war, das Netz grundlegend umzubau­ en. Sie beteiligte zu diesem Zweck ein Konsortium aus IBM, Microwave Communications, Inc. (MCI) — ein früh von der FCC geschützter Konkurrent von AT&T — und MERIT, ein gemeinnütziges Unternehmen, das von der University of Michigan mit dem Auftrag gegründet worden war, Computer­ netze zu entwickeln, um mit ihrer Hilfe ein Netzwerk von Netzwerken auf­ zubauen. Das nannten sie erstmals „Internet“.64 Im Juni 1987 ging das Netz

62 Vgl. NSF Congressional Highlight. Congress Completes Action on FY 2013 Appro­ priations, http://www.nsf.gov/about/congress/113/highlights/cul3_0409.jsp (letz­ ter Zugriff am 31. Mai 2014). 63 Vgl. NSF and the Birth of the Internet — Text-only 1980s, http://www.nsf.gov/ news/special_reports/nsf-net/textonly/80s.jsp (letzterZugriff am 1. Februar2014). 64 Die NSF unterstützte das Netz, indem sie die akademische backbone-Struktur finan­ zierte — also spezielle Computer alleine für den Datentransfer. Zu MCI und Merit Network vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/MCI_Communications. http://en. wi- kipedia.org/wiki/MCI_Inc. http://en.wikipedia.org/wiki/Merit_Network (letzter Z ugriff am 1. Februar 2014). 144 Ralf Roth in Betrieb. Sobald der Umbau im Jahre 1988 abgeschlossen war, wurden die Netzbetreiber sofort mit einer überwältigenden Nachfrage konfrontiert. Da­ mals wuchs das Netz mit einer Geschwindigkeit von zehn Prozent pro Mo­ nat. Die NSF musste deshalb immer mehr Netzknoten und den Kauf von Leitungsverbindungen finanzieren. In den folgenden Monaten suchten die Partner des NSFNET nach Möglichkeiten, die stürmische Nachfrage zu be­ friedigen. Die Entscheidungen, die in diesem Zusammenhang getroffen wur­ den, um diese Frühform des Internet fünktionsfähig zu halten, waren letzt­ endlich entscheidend für das Wachstum des Internet in den 1990er Jahren und seine Ausgestaltung in der heutigen Form. Doch erst einmal hatte es die NSF Monat für Monat Tausenden neuen Nutzern auf diesem Weg ermög­ licht, dem Internet beizutreten. Außerdem boten sie eine offene Plattform, mit der sich Computernetze in anderen Ländern leicht verlinken konnten. Auf diese Weise wurde das Internet tatsächlich ein weltweites Phänomen.65

Das Internet als Technologie der Emanzipation und das rasche Ende der Blütenträume Das war die Zeit, als vor dem Hintergrund der erfolgreichen Ausweitung des Internet Visionen eine überaus anziehende Wirkung entfalteten, die dem In­ ternet einen emanzipativen Charakter attestierten. Unzensierte Kommunikati­ on und Kommunikationsrevolution waren die Stichworte unter denen das In­ ternet in die großen Forderungen nach Freiheit in der Geschichte eingeordnet wurde. Sie nannten das Internet in einem Atemzug mit den Menschrechtsarti­ keln zur Rede- und Meinungsfreiheit, weil jeder wie Naughton meinte, seine Meinung auf einer Website veröffentlichen könne, und damit ein globaler Publi­ zist werde.66 Nach der Meinung der US-amerikanische IT-Journalistin Esther Dyson würde das Internet ein „media for the widening of our intellectual and emotional identity“ sein. Es werde Auswirkungen auf die Demokratie haben und den machtlosen Individuen werde es einen Weg zur „co-regency“ wei­ sen.67 Manuel Castells, der den bisher wohl bedeutendsten Beitrag zur sozio­ logischen Medientheorie vorgelegt hat, und der im Zusammenhang mit dem Internetboom in Kalifornien weiten Anklang fand, beschrieb das Internet als

65 Vgl. NSF and the Birth of the Internet — Text-only 1980s: http://www.nsf.gov/ news/special_reports/nsf-net/textonly/60s.jsp (letzter Zugriff am 1. Februar 2014). 66 NAUGTHON: A Brief History (wie Anm. 40), S. 22f. 67 Esther DYSON: Release 2.0. Die Internet-Gesellschaft. Spielregeln für unserer digitale Zukunft, München 1997, S. 52. Ursprünge des Internet 145 ein „potential source of emancipation which, if utilized in progressive social relations, can transform society.“ Auch seiner Meinung nach würde das In­ ternet bürokratische Hindernisse überwinden und auch andere etablierte Bar­ rieren im Prozess der Erschaffüng einer neuen Welt beseitigen.68 Gegenüber diesen Blütenträumen sprach Tim Berners-Lee, britischer Physi­ ker und Informatiker, der die HTML (Hypertext Markup Language) erfunden hat und insofern als der Begründer des World Wide Web gelten kann, viel nüchterner allein von der Expansion des Netzes: „The vision I have for the Web is about anything being connected with anything. It is a vision that provides us with new freedoms, and allows us to grow faster than we could when we were fettered by hierarchical classification systems into which we bound our­ selves.“69 Diesem rein in Größe und globaler Expansion definiertem Ziel wurde schließlich alles andere untergeordnet. Das zeigen die Entscheidungen der Internet NGOs und der NSF Ende der 1980er Jahre. Noch während die Visionen blühten und weit in den Himmel schossen, wurden die breit ausfä­ chernden Zielperspektiven der Internetenthusiasten, die auf ein Medium für jedermann und alles mit einem anarchistischen, also nicht- herrschaftsbezogenen, Grundtenor zielten, unter der Hand grundlegend ver­ ändert. Dafür reichten einige wenige scheinbar kleine und unbedeutende au- tokratische Entscheidungen einiger Weniger. Die neuen Festsetzungen zur Struktur des Netzes hatten wieder einmal et­ was mit der Finanzierung dieses Netzes und seiner Infrastruktur zu tun, denn das rapide wachsende System produzierte noch rascher wachsende Infrastruk­ tur- und Verbindungskosten, die in den 1990ern den Universitäten und dann auch der NSF über den Kopf wuchsen. Eric M. Aupperle, damaliger Präsi­ dent von MERIT Networks, das von der NSF in einem Verbund mit IBM und MCI für die technische Ausgestaltung des NSFNET sorgte, antwortete in einem Interview auf die Frage nach den Kosten, dass die 200 Millionen US- Dollar, die damals investiert worden waren, nicht mehr gewesen seien als „a drop in the bucket“ und George O. Strawn, der damalige Chief Information

68 M anuel CASTELLS: The Internet Galaxy. Reflections on the Internet, Business, and Society, Oxford 2001, S. 9. Vgl. auch Roger SlLVERSTONE: The Sociology of Media­ tion and Communication, in: C. Calhoun, R. Silverstone, B. S. Turner (Hg.): The Sage Handbook of Sociology, London 2005, S. 188—207. 69 Tim BERNERS-LEE, M ark FlSCHETTI: Weaving the Web: The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web by its inventor, San Francisco (CA) 1999, S. 1. 146 Ralf Roth

Officer der NSF bestätigte: „There’s no way in the world we could’ve in­ vested l/10th or even l/100th of the capital that was required to uh, to uh, transition to that huge growth in usage“ und er ergänzte: „Too much infra­ structure cost for a state or private foundation.“70 Als Notausgang folgte deshalb die Kommerzialisierung des Internet. Am Beginn der 1990er Jahre entschied die NSF, genauso wie rund sieben Jahre zuvor das Verteidigungsministerium, dass das Netzwerk finanziell selbsttra­ gend werden müsse. Dies wollte man durch die Einbeziehung privater Inves­ toren erreichen. Aus diesem Grund entschieden sich die Beteiligten für „giving private industry an incentive“.71 Diese „Anreize“ bestanden nun gera­ de nicht in der ganzen Ideologie von Freiheit, Universalität und An-Archie, sondern in der banalen Erlaubnis, das Internet künftig für Werbung zu öff­ nen. In diesem Zusammenhang hob die NSF 1991 das bis dahin bestehende Werbeverbot in ihrer acceptable use policy auf.72 Erst auf dieser Basis konnte das Internet in seiner heutigen Funktion den Siegeszug antreten. Die in den 1980er Jahren entwickelten Vorstellungen vom Internet als einer emanzipati- ven Technologie zerrannen zur Freiheit, mit allen Mitteln werben zu dürfen — ganz wie bei den anderen Medien des späten 19. und 20. Jahrhunderts, also der Massenpresse, der Radioindustrie und den großen Konzernen des TV- Mediums. Erschwerend kam dann mit der Zeit als eine Art Gewohnheitsrecht der entsprechenden Unternehmen hinzu, alle Daten über ihre Nutzer sam­ meln zu dürfen, um sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.73 Dabei muss

70 NSF and the Birth of the Internet — Text-only 1990s, http://www.nsf.gov/news/ special_reports/nsf-net/textonly/90s.jsp (letzter Zugriff am 1. Juni2014). 71 NSF and the Birth of the Internet — Text-only 1980s, Private-Public Innovation, http://www.nsf.gov/news/special_reports/nsf-net/textonly/80s.jsp (letzter Zugriff am 1. Juni 2014). 72 Dort hieß es unter §7: „Announcements of new products or services for use in re­ search or instruction, but not advertising of any kind.“ Vgl. Internet History — NSFNET, 1989 THE NSFNET BACKBONE SERVICES Acceptable Use Policy, http://www.cybertelec0m .0rg/n0tes/nsfnet.htm#aup (letzter Zugriff am 1. Juni 2014). 1991 erfolgte die Abänderung der acceptable use policy http://www.nsf. gov/od/lpa/nsf50/nsfoutreach/htm/n50_z2/pages_z3/28_pg.htm (letzter Zugriff am 1. Juni 2014). Vgl. auch ABBATE: Internet (wie Anm. 46), S. 195—199. 73 Das war die Grundlage für den phänomenalen Aufstieg von Google (und vieler an­ derer Intemetuntemehmen). Vgl. David A. VISE: The Google Story, New York 2005, S. XIII. Der größte Teil der Einnahmen resultierte im Jahre 2010 aus den Werbe­ diensten und zwar mit 28,236 Milliarden US-Dollar bei einem Gesamtumsatz von Ursprünge des Internet 147 angemerkt werden, dass die Verfügung über die Datenberge, das akribisch in Bytes kristallisierte Verhalten der Milliarden Nutzer im Netz, natürlich auch leicht anderen Verwendungen als der Werbung zugeführt werden kann. Das ist der Kern, den die Snowden-Affäre enthüllt hat.74 Aufgrund gerade dieser Entscheidung in den frühen 1990er Jahren und dem Engagement von privaten Investoren nahm die Geschwindigkeit, mit der sich das Internet ausbreitete noch einmal beträchtlich zu. Enthusiastisch hielt eine Dokumentation der NSF fest: „In fact, the number of Computers that are networked is growing phenomenally.“75 Im November 1989 waren insge­ samt 160.000 Hosts am Internet. 1991 schloss das Netz bereits 5000 einzelne Computernetze ein mit alles in allem 600.000 Nutzern. 1992 überschritt die Zahl der Hosts die Eine-Million-Marke. Das kommerzialisierte Internet wuchs nun mit einer Geschwindigkeit, die wenige Jahre zuvor noch unvor­ stellbar gewesen war.76 Vor zwei Jahren, also 2012, zählte das Netz 2,4 Milli­ arden Nutzer.77 Bis das Internet diesen Stand erreichen konnte, vergingen al­ so ausgehend von dem Siegeszug der Mikroprozessoren annähernd fünfjahr­ zehnte.

Schlussfolgerungen Eines der zentralen Ergebnisse dieses Blicks auf die Geschichte des Compu­ ters und des Internet ist somit, dass es zu seinem Bau keinen großen Plan ge­

29,3 Milliarden. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Google_Inc. http://investor. google.com/financial/tables.html (letzter Zugriff am 1. Februar 2014). Zum ähnli­ chen Fall Amazon vgl.James MARCUS: amazonia — Fünf Jahre im Epizentrum der E- Commerce-Revolution, Berlin 2006. 74 Vgl. etwa Markus BECKEDAHL, Andre MEISTER (Hg.): Überwachtes Netz. Edward Snowden und der größte Überwachungsskandal der Geschichte, Berlin 2013 und Marcel ROSENBACH, Holger STARK: Der NSA Komplex. Edward Snowden und der Weg in die totale Überwachung, München 2014. 75 NSF and the Birth of the Internet — Text-only 1990s, http://www.nsf.gov/ news/special_reports/nsf-net/textonly/90s.jsp (letzter Zugriff am 1. Juni 2014). 76 Ed KROL: Die Welt des Internet. Handbuch und Übersicht, Bonn 1995, S. 15f. Zur allgemeinen Entwicklung siehe FRIEDEWALD: Experimentierfeld (wie Anm. 46) und SALUS: Casting the Net (wie Anm. 46). 77 Intemetnutzer weltweit und nach ausgewählten Weltregionen in Millionen (letzter Zugriff am Juni 2012), http://de.statista.com/statistik/daten/studie/157868 /umfrage/anzahl-der-weltweiten-internetnutzer-nach-regionen/ (letzter Zugriff am 6. Juni 2014). 148 Ralf Roth geben hatte, sondern einen windungsreichen Weg von Versuchen mit vielen unabhängigen Akteuren. Bemerkenswert ist der Übergang vom Staat (Vertei­ digungsministerium) zu nichtstaatlichen Forschungsinstituten, Universitäten, Stiftungen und Vereinen, wobei letztere von Computerwissenschaftlern und IT-Experten gegründet wurden, sowie schließlich in der Schlussphase der Etablierung die Einbeziehung von privaten Unternehmen, die in das Internet investiert haben, einen Teil der Verbindungskosten übernahmen und damit wiederum zum Ausbau der Netzinfrastruktur beitrugen.78 Dabei blieb in der Konsequenz der Kommerzialisierung von den Visionen wie von der Vereins­ und Stiftungskultur des anfänglichen Internet nicht allzuviel übrig.79 In der komplexen und windungsreichen Geschichte der Ursprünge des In­ ternet liegt neben den Defiziten in der Computerindustrie ein weiterer Schlüs­ sel zur Antwort, warum das Internet nicht in der Sowjetunion entstand. Es fehlten die Freiräume, eine von staatlichen Forschungsinitiativen entwickelte Innovation für ganz andere Zwecke in der Zivilgesellschaft zu entfalten, um dann wiederum davon ausgehend ein Segment der Marktwirtschaft neu zu schaffen. Es tauchen bezüglich der sowjetischen Planwirtschaft also vier gro­ ße Defizite auf: 1) Sie verfügte am Beginn des Kalten Kriegs über keine ent­ wickelte Computerindustrie und es gelang ihr nicht, nachdem der Aufholver- such Ende der 1950er Jahre gescheitert war, von den Kopien amerikanischer Computer zu Eigenentwicklungen überzugehen. Die Kybernetik als Wissen­ schaft wurde durchaus erfolgreich adaptiert, doch zeigten sich gravierende Mängel in der praktischen Umsetzung, sprich erfolgreichen Anwendung in

78 Generell ist das Internet jedoch von der sogenannten Tier-1- bis Tier-3-Struktur be­ stimmt, die die backbones des ARPANET und NSFNET nach seiner Kommerziali­ sierung abgelöst haben. Zu den zentralen Netzbetreibem des Tier-1 gehört AT&T, AOL, NTT Communications, Level 3, Sprint Nextel, Global Crossing, Qwest, Savvis, Verizon, und zu Tier-2: British Telecom, Cogent, Deutsche Telekom, France Telecom, TeliaSonera, Tiscali usw. Vgl. List of tier 1 networks, http://en.wikipedia.org/wiki/Tier_l_network (letzter Zugriff am 6. Juni 2014). Es bleibt anzumerken, dass zwischen den Netzbetreibem und den bekannten globalen Intemetuntemehmen ein Kampf um den Einfluss im Internet, um die Internet Governance tobt. vgl. Milton L. MUELLER: Networks and States: The Global Politics of Internet Governance, Cambridge (MA) 2010, und Laura D e NARDIS: The Global War for Internet Governance, New Haven (CT) 2014. 79 Vgl. etwa Jeanette HOFMANN: Der Erfolg offener Standards und seine Nebenwir­ kungen, in: Telepolis, 23. Juli 1999, http://www.heise.de/tp/artikel/ 6/6453/l.html (letzter Z ugriff am 7. Juni 2014). Ursprünge des Internet 149 der Administration und Produktion. 2) Mangels Existenz konnten Strukturen der Zivilgesellschaft die inflexible Struktur der Kommandowirtschaft nicht aufbrechen. Es bot sich keine Möglichkeit, außerhalb des Staats Schutzräume für Eigeninitiativen zur Gestaltung von technologischen Innovationen zu ent­ falten. 3) Fehlten marktwirtschaftliche Elemente, die es ermöglicht hätten, Konzepte wie das frühe Internet unabhängig vom Willen der Staatsmacht aufzugreifen, und es dem Konsumenten zu überlassen, ob sie eine Innovation goutieren oder nicht. 4) Letztendlich war die Effizienz der staatlichen Wirt­ schaft zu gering, um die gewaltigen Infrastrukturkosten für einen Netzumbau zu generieren, der das Kommunikationsbedürfnis der ganzen Welt bedient. Das Internet ist also nicht zufällig in den USA entstanden und es ist von der amerikanischen politischen Kultur wie von den amerikanischen Wirt­ schaftsprinzipien tief geprägt. Das hat gravierende Folgen, die bis in die Ge­ genwart fortwirken. Das Internet ist ein gewaltiger Hebel, der die Weltwirt­ schaft umwälzt. Aber vor allen anderen sind es die USA, die dadurch zusätzli­ che wirtschaftliche Macht erhielten, indem amerikanische Unternehmen das neue und rasant wachsende Marktsegment der digital economy erschlossen.80 Die kleinen start up Unternehmen des Silicon Valley Apple, Amazon, Face- book, Google oder Microsoft in den späten 1980ern — und den Folgejahren und nicht zu vergessen die schon damals mächtige IBM — sind mittlerweile oder nach wie vor global players mit einer starken Tendenz die verschiedenen Segmente des cybernetic space oder des virtual global markets zu monopolisieren — so wie AT&T vor dem Ersten Weltkrieg den amerikanischen Telefonmarkt unter seine Kontrolle gebracht hatte. Ein globales Netz ist das Internet in die­ ser Hinsicht also gerade nicht. Immerhin hat es — bei allen Problemen — die Kommunikation in der Welt vereinfacht. Der Sowjetunion gelangen nicht einmal die Anfänge einer solchen nachhaltigen Entwicklung. Als gelenkte Staatswirtschaft erwies sie sich als infrastrukturschwach.

80 Vgl. Simon HEAD: The New Ruthless Economy. Work and Power in the Digital Age, Oxford 2005.

Autorinnen und Autoren derZWG 15.2

Martin Malek ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik (ISS) der Landesverteidigungsakademie in Wien E-mail: [email protected]

Christoph Mertl ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschafts­ und Sozialgeschichte der Universität Wien E-mail: [email protected]

Helmut Anton Prantner ist freier Publizist und forscht an der Universität Wien und am Zentrum für Umweltgeschichte des IFF Wien E-mail: [email protected]

R alf Roth ist Professor für Neuere Geschichte am Historischen Seminar der Goethe-Universität in Frankfürt am Main E-mail: [email protected]

Christoph Sorg ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berlin Graduate School of Social Sciences (BGSS) des Instituts für Sozialwissenschaften an der Hum­ boldt-Universität zu Berlin E-mail: [email protected]

Helmut Stubbe da Luz ist Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr Hamburg E-mail: [email protected]

Hans-Georg Thielepape war leitender Ingenieur bei der Metallgesellschaft AG in Frankfurt am Main E-mail: [email protected]

Michael Zeuske ist Professor am Historischen Institut, Iberische und Latein­ amerikanische Abteilung, der Universität zu Köln E-mail: [email protected]