Landschaftswerkstatt Schorfheide-Chorin Katalog zur Ausstellung

Herausgegeben von Kenneth Anders und Lars Fischer Der Druck dieses Kataloges wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Naturschutzstiftung Schorfheide-Chorin

Naturschutzstiftung Schorfheide Chorin Über diesen Katalog

Die hier versammelten kommen- tierten Fotografien und anonymi- sierten Zitate fassen das umfang- EINLEITUNG reiche Material einer Ausstellung über die Waldentwicklung in Nord- ostbrandenburg zusammen, die am 28. März 2007 in Wolletz bei Anger- münde mit Unterstützung der Natur- schutzstiftung Schorfheide-Chorin eröffnet wurde. Sie dokumentieren die verschiedenen Waldnutzungen und markieren das Spannungs- feld, in dem sich die gegenwärtige regionale Waldentwicklung voll- zieht. Entstanden sind sie auf der Grund- lage einer Befragung, in der sich Förster, Waldbesitzer, Sägerwerker, Naturschützer, Künstler, Umwelt- bildner und Anwohner über Sorgen, Hoffnungen und Erwartungen in Bezug auf „ihre“ Wälder geäußert haben.

Die Ausstellung und eine zeitgleich erschienene Materialsammlung mit Gesprächsprotokollen und histo- rischen Texten zur Waldentwick- lung in der Region sind Teil der „Landschaftswerkstatt Schorfheide- Chorin“. Deren Ziel ist es, mit den waldbezogenen Akteuren das Ge- spräch über den klimaplastischen Waldentwicklungstyp aufzunehmen, der den fachlichen Kern des For- schungsverbundes NEWAL-NET (Nachhaltige Entwicklung von Wald- landschaften im Nordostdeutschen Tiefland) bildet, und in dessen Rah- men die Landschaftswerkstatt reali- siert wird.

Kenneth Anders und Lars Fischer, Oktober 2007

 T F A H C S T R I W T S R O F

Dieser Leitspruch an der alten Eberswalder Forstakademie be- stimmt bis heute die Debatten um die Forstpolitik. Neben den viel reklamierten Wohlfahrtswirkungen des Waldes ist dabei auch das Verhältnis des Staatswaldes zum Privatwald virulent: Welche über eine effektive und nachhaltige Holzwirtschaft hinaus gehenden ökologischen und sozialen Verpflichtungen muss sich ein Staat selbst auferlegen, um eigenen Waldbesitz zu rechtfertigen? Welche Nutzungen muss er vorsehen und garan- tieren? Und wer ist für die Umsetzung einer multifunktionalen Waldwirtschaft verantwortlich – sind es nur die Förster oder auch andere Berufsgruppen und waldbezogene Akteure?

„Eile mit Weile“ mahnt eine Überschrift im 1937 erbauten Eberswalder Haus der Deutschen Waldarbeit. Die großen zeitlichen Dimensionen forstlichen Handelns bilden bis heute ein widerspenstiges Moment für die politische Ausgestaltung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen an den Wald. Die langen Umtriebszeiten machen das forstliche Programm der Nachhaltigkeit in der beschleunigten Gesellschaft zu einem geradezu utopischen Wirtschaftsansatz.

Wandbilder im Kaminzimmer des Hauses der Deutschen Wald- arbeit in , das heute zur Umweltbildungseinrichtung „Wald-Solar-Heim“ gehört, erinnern an die vorindustrielle Forstwirtschaft und zeugen von der Dominanz der Kiefer. Ein waldpädagogischer Spaziergang in die Wälder um Eberswalde sollte hier seinen Anfang nehmen.

In jedem Jahr findet in Menz das traditionelle Waldfest statt. Ziel ist es, die Schutzbedürftigkeit, die Schönheit und den Wert der Landschaft vorzustellen. Im Rahmen der Kampagne „Wald- wirtschaft – aber natürlich“ bietet das für Forstwirtschaft Templin zum Waldfest ein solides Informationsangebot für Waldbesitzer. An mehreren Informationsständen der Landes- forstverwaltung mit einem Oberförsterei- und Forstkarten- Center können Fragen zum Thema Wald, Waldbewirtschaftung und Waldbesitz mit den Forstleuten besprochen werden.  FORSTWIRTSCHAFT

In manchen Wäldern ist die Bodenvegetation sehr dicht. Über das Pflügen gibt es zwischen jüngeren und älteren Förstern oft verschiedene Auffassungen, dass jedoch der mineralische Boden freigelegt werden muss, ist allgemein vorherrschende Position. In der Oberförsterei Grimnitz nutzt man dafür den „Kobold- Kultivator.“ Nur Wildschweine hinterlassen ähnliche Spuren.

Innerhalb des brandenburgischen Landeswaldes müssen bei der Pflege Rückegassen eingerichtet werden, um den Waldboden zu schonen. Besonders bei alten, noch nicht derart strukturierten Beständen, ist diese Regel unter Forstpraktikern umstritten. Einerseits räumen die Förster ein, dass die heutige Technologie kaum eine Alternative lasse, andererseits bedauern manche den auf Dauer gestellten Verlust der Flächen, die nicht immer einen so degenerierten Eindruck machten, wie weithin behauptet. „Mir tut es auch leid, dass ich mir damit dauerhaft die auf den Gassen entstehende Naturverjüngung kaputt mache.“

Biesenthal, August 2006: Buchen wandern aus benachbarten Beständen in den Kiefernbestand ein. Es braucht Übersicht und Beherrschung der großen Technik dazu, den Jungwuchs nicht kaputt zu fahren.

Ohne Pflege wird die Kiefer auf der Mehrzahl der Brandenburger Waldböden nicht stocken. Als Lichtbaumart wird sie in Misch- beständen gezielt freigestellt werden müssen, um gerade in die Höhe zu wachsen. Die Ansprüche an die Forstarbeit werden in Mischbeständen wachsen. Wie groß sollten die Reviere sein, um erfolgreiche Arbeit zu ermöglichen?  T F A H C S T R I W T S R O F

Müllhaufen in der Nähe von Groß Schönebeck. Die Vielfalt des Abfalls ist groß, vom Elektronikschrott über Sperrmüll bis zu normalem Hausmüll reicht das Ärgernis für die Förster. „Der Müll wird von den Leuten mit großem Aufwand in den Wald ge- bracht, weil sie nicht wollen, dass man ihn bei ihnen zu Hause kostenlos abholt.“ Vor allem entlang der Straßen nehmen die Probleme nicht ab. „An der Autobahn gibt es eine Raststätte. Wenn die Leute ihre Cola getrunken und ihren Hamburger ge- gessen haben, werfen sie den Rest aus dem Fenster. Erstaun- lich, dass sie alle gleich lang zu essen scheinen, das Meiste liegt an einer Stelle.“ Die Landesförster fragen sich, wer den Müll dermaleinst wegschaffen wird, wenn die Aufgaben im Wald nach hoheitlichen und wirtschaftlichen Bereichen geteilt sind.

Sauna im Winterschlaf am Naturcampingplatz für Freikörper- kultur am Bugsinsee. Die angestammte Nutzung wird von der Forstverwaltung toleriert. In der attraktiven Schorfheider Land- schaft ergeben sich viele Schnittstellen zwischen Forstwirtschaft und Naherholung. Nicht immer fühlen sich die Förster in ihren gegenwärtigen Arbeitsstrukturen mit den daraus resultierenden Aufgaben wohl. So sind auch die Holzplätze am Werbellinsee eigentlich Forstflächen, wenn sie auch schon seit vielen Jahren statt für das Flößholz nur noch von Badegästen genutzt wer- den. „Vielleicht können sich auch unsere Waldarbeiter einmal darum kümmern. Im Moment ist das mit ihrem Berufsprofil nicht vereinbar.“ Differenzieren sich die forstlichen Aufgaben eher aus, oder können sie sich erneut zu einem ganzheitlichen Landschaftsbezug entwickeln?

Eberswalde im Mai 2006. Die Jahrestagungen des Branden- burger Forstvereins e.V. sind für Waldbesitzer, Revierförster, Mitarbeiter der Forstverwaltungen und Forstwissenschaftler ein wichtiges Podium, die Ausrichtung der Forstpolitik im Land zu diskutieren. Informelle Gespräche sind ein wichtiges Moment der Meinungsbildung.  FORSTWIRTSCHAFT

Der „märkische Brotbaum“ – die Waldkiefer (Pinus sylvestris) lag in den letzten Jahren im Brennpunkt der Sorgen des traditi- onell wirtschaftenden Forstmanns. Auch wenn der Anteil dieser Baumart an der Potenziell Natürlichen Vegetation dieser Regi- on mit 5% erheblich niedriger ausfällt als in den gegenwärtigen forstwirtschaftlich geprägten Bestockungen, so hat die Baumart dennoch ihre Vorteile: Sie ist anspruchslos, schnellwüchsig und liefert gutes und am Markt begehrtes Holz. So wird denn auch immer wieder beschwichtigt, die Kiefer würde auch in Zukunft seinen Platz in Wäldern haben, zum Teil sogar im Reinbestand, wie auf dieser Fläche aus der Oberförsterei Grimnitz. Allerdings wirft diese Versicherung doch einige Fra- gen auf – etwa die nach dem Umgang mit Kalamitäten, wie sie in der Schorfheide unlängst ausgebrochen sind, oder nach den geeigneten waldbaulichen Arbeitsweisen. Denn die Kiefer war der optimale Baum für relativ schematische und optimierte Anbaumethoden.

Vom Borkenkäfer befallene Kiefer im strukturreichen Hohen- lychener Wald. Borkenkäferkalamitäten treten recht plötzlich auf. Wird der Befall frühzeitig erkannt, lässt sich durch geringe Eingriffe der Schaden begrenzen. Wenn ein Förster durch sein Revier fährt, muss er deshalb immer einen Blick für versteckte Schäden haben.

Holzernte im Stadtforst Lychen, 2006. Harvester und Forwarder haben die Bestände durchgearbeitet. Sie sind nun aufgelichtet und werden langfristig für den Waldumbau vorbereitet, da der Standort auch eine Bestockung mit anspruchsvolleren Laub- bäumen erlaubt. „Die Kiefer ist eine Pionierbaumart und die Aufforstung dieser Flächen war eine Pioniertat.“

Kiefernverjüngung innerhalb einer gezäunten Fläche des Gutes Wolletz. Die Nutzung der Kiefer erfolgte einst in Monokulturen bzw. Reinbeständen. Es wurden Kahlschläge in den Kiefernbeständen durchgeführt, die dann wieder mit Kiefern aus anerkannten Saatgutbeständen aufgeforstet wurden. Die Kahlschlagsgröße lag zwischen drei bis fünf ha. Mit der Wende wurde die Kahlschlagwirtschaft eingestellt.  T F A H C S T R I W T S R O F

Für einen „Stangenforst“ sind Harvester optimal. Beinahe könnte man meinen, die Förster hätten vor Jahrzehnten diese Technolo- gie vorausgeahnt und die Bestände entsprechend angelegt.

Holzernte im Stadtforst Lychen, 2006. Nach der Fällung liegt alles bereit. Die verschiedenen Stammdicken werden je nach ihrer Verwertung bereits vom Harvesterfahrer sortiert. Die Bedingungen auf dem Holzmarkt sind gerade für die Kiefern- durchforstung günstig, da Schwachholz von der Industrie stark nachgefragt wird. Nur die Zweige bleiben liegen, obwohl auch sie zunehmend wieder von Brennholzsammlern begehrt werden.

Holzernte im Stadtforst Lychen, 2006. Die im 19. Jahrhundert mit Kiefern aufgeforstete Schafheide bietet „typische Harves- terbestände“, die gegenwärtig allein durch die Pflege und Ernte soweit aufgebraucht werden, so dass ein Laubmischwald neu begründet werden kann.

Werden Laubholzbaumarten in den Kiefernbeständen untergebaut, kommen Harvester nur noch zur Winterzeit oder auch gar nicht mehr in diesen Bestände zum Zuge. Das besorgt manchen Holzrücker: „Wenn überall Unterbau gepflanzt wird, wo soll dann das ganze Holz, vor allem das Industrieholz übers Jahr herkommen? Aus Mischbeständen kann man im Sommer nicht mehr so viel ernten.“  FORSTWIRTSCHAFT

Der Hopfen verleiht dem Wald romantischen Reiz. Für Förster, die verjüngen wollen, kann er zur Plage werden, so wie auf dieser jungen Eibe. Besonders bei den kleinen Privatwaldflächen wird sichtbar, wie hoch der Pflegebedarf im Einzelfall sein kann.

Das Schreckbild vieler Förster ist eine ungepflegte Kiefern bestockung, die lustlos, soweit eben zulässig, ausgelichtet worden ist, dazu ein wenig Birke, „der Rest ist Calamagrostis und Traubenkirsche“. Der natürlichen Selbstorganisation traut man da wenig zu: „Hier kommt auf hundert Jahre nichts Wertvolles hoch, wenn man nichts macht!“

Für den Laien der Gewinner – nicht dagegen für den Forstmann. So genannte Protze (hier in der Mitte) werden nicht, wie man denken könnte, als in der Konkurrenz überlegene Einzelbäu- me freigestellt, sondern wegen ihrer Tendenz, die umliegende Fläche zu stark zu dominieren, aus den jungen Beständen her- ausgenommen.

Zwiesel – wie bei dieser jungen Eiche – werden vom Förster beschnitten. Die Erziehung zu holzwirtschaftlich wertvollem Stammholz wird die Natur auch in Zukunft dem Förster nicht abnehmen.  T F A H C S T R I W T S R O F

Die Grabstelle von Alfred Dengler auf dem „Försterfriedhof“ am Kloster Chorin. Das Zusammenwirken von Wissenschaft und forstlicher Praxis hat in der Gegend um Eberswalde eine starke Tradition. Die Forstwissenschaftler wie Schwappach, Danckel- mann und Dengler waren oftmals auch Personen des öffent- lichen Lebens und übernahmen Verantwortung für den Wald und die mit ihm arbeitenden Menschen in ihrer Region. Bei den Auseinandersetzungen um die Zukunft des Landeswaldes geht es immer auch um die Zukunft des gesellschaftlich engagierten Försterstandes.

So manche Pflanze in der Krautschicht der Brandenburger Forste steht dort nicht von ungefähr, sondern ist aus Liebhaberei kultiviert worden. „Ich weiß, es ist eine Spielerei“, erzählt der zuständige Förster, „aber wenn ich den Fingerhut am Wegesrand sehe, freue ich mich immer.“

Gehölz an einem Jägerhochsitz in der Schorfheide. „Jeder Jäger sollte einfach am Fuße seiner Ansitze eine Eichel oder eine Weidenrute stecken. Das macht so wenig Mühe und bringt so viel für die Landschaft!“

Einer der höchsten Bäume Brandenburgs steht im Lychener Stadtforst, Revier Hohenlychen. Es ist eine Douglasie – beinahe könnte man meinen, der beliebte Försterbaum wolle durch seine enorme Wuchsfreudigkeit in den Debatten um die Perspektiven ausländischer Baumarten ein stilles Wort mitreden.  FORSTWIRTSCHAFT

Die Industrialisierung der Forstwirtschaft ist kein neues Phäno- men. Mit der Waldbahn in der Schorfheide, die von Vogelsang an der Havel bis nach Joachimsthal am Werbellinsee das gesamte Waldgebiet erschloss und für eine effiziente Holzernte und Werbung sorgen sollte, wurde dieser Prozess bereits um 1900 in Gang gesetzt. Reste der Wald- und Feldbahnen, wie dieser aufgeschüttete Damm finden sich noch heute in der Landschaft.

Holzernte im Stadtforst Lychen, 2006. Die Absprachen zwischen Förster und Rückeunternehmen müssen präzise und zuverlässig sein. Einerseits sollten die Schäden am verbleibenden Bestand so gering wie möglich ausfallen, andererseits wird eine optimale Ausnutzung des Aufwuchses angestrebt.

Biesenthal, August 2006, Sonnabendvormittags in einem Forst bei Biesenthal. Die Ernte im Kiefernreinbestand erfolge im Akkord, sagt der Mitarbeiter eines Forstbetriebes aus Nordwest- deutschland. Ein Mann und die Zugmaschine reichen aus, um die Stämme für den Abtransport bereitzulegen.

Naturschutzgebiet Kienhorst, Oberförsterei Grimnitz. Der auf einem schönen Relief stockende Kiefernbestand hat schon in frühen Zeiten das Interesse des Naturschutzes geweckt, weil er gemischte Altersklassen innerhalb der Kiefer aufwies – eine Seltenheit in der Brandenburgischen Landschaft. Die heutige Ausdehnung des Schutzgebietes und die Behandlung der einstigen Wirtschaftswälder als Totalreservat stoßen bei manchem Förster auf wenig Verständnis. „Da steckt menschliche Arbeit drin, warum soll man das nicht ernten?“  T F A H C S T R I W T S R O F

Zum ersten Winterworkshop der Landesforstanstalt Eberswalde am 2. März 2006 waren zahlreiche Interessierte und Förster aus ganz gereist, der Hörsaal war überfüllt. Die einzelnen Referenten diskutierten ihre Ergebnisse bereit- willig mit dem Auditorium. Die thematische Bandbreite reichte von der Neufassung der Bestandeszieltypen und der Waldumbau- planung über die Auswirkungen des Maschineneinsatzes auf den Waldboden bis hin zu GIS-Anwendungen und Datenmanagement. Auch über das Jagdmonitoring und Untersuchungen zur Genetik der brandenburgischen Eichenbestände waren Vorträge zu hören. Parallel zur Konjunktur auf dem Holzmarkt ist der Wald auch wieder ein Thema in der Öffentlichkeit.

Der Eichelhäher als Agens der Naturverjüngung. Für die Kampagne „Waldwirtschaft aber natürlich“ des Referates Forstbetrieb im brandenburgischen Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz ist die Figur eigens bei erzgebirgischen Kunsthandwerkern in Auftrag gege- ben worden. Die Kampagne wirbt für die Waldumbaupolitik des Landes, Flyer und großformatige Poster informieren mit Witz Charme für eine ökologische Waldwirtschaft. Dass Wälder als Forste Orte der Arbeit sind, ist kaum noch im öffentlichen Bewusstsein präsent. Durch die modernen maschinellen Technologien wird es zudem immer schwieriger, die Akzeptanz für Waldarbeit mit ökologischen Einstellungen und Gefühlen zu verbinden. Umso größer sind die Anstrengungen, die die das Land Brandenburg in den letzten Jahren für eine positive Resonanz in der Öffentlichkeit unternommen hat.

Was ist ein guter, was ein schlechter Forstbaum? Der Franzose du Monceau hatte vor dem Hintergrund differenzierter Ansprüche an Bau- und Werkholz 1766 genaue Vorstellungen davon. Wie würde heute, angesichts von Leimbindertechnologie, Energieholznachfrage und dem Wachstum der Spanplatten- industrie, die Antwort ausfallen? 10 FORSTWIRTSCHAFT

Forst bei , April 2006. Ralf Fangerow ist Fuhrunterneh- mer und hat sich das Rücken selbst beigebracht. Holzrücker ist kein Lehrberuf. „Reiter gibt es Tausende, Rückearbeiter kaum.“ Mit Nachwuchs sähe es schlecht aus, er werde wohl der Letz- te sein. Neben seinem Betrieb gibt es in der Region noch zwei Rückeunternehmen, die mit Pferden arbeiten. Fangerow ist nicht nur zur Holzernte im Wald. Von Ende Oktober bis Mai, Juni wird Holz eingeschlagen. Im Sommer wird es weniger, dann übernehmen sie im Forst Pflegearbeiten. „Alle sieben Jahre geht der Förster durch den Wald, lässt hier einen Baum freistellen, dort ausästen. Da fällt immer was zum Rücken an.“ Das Rücken mit den Pferden bekommt dem Waldboden gut. Die Bodenverdichtung ist gering und „wo ein Pferd hintritt, in der Kuhle vom Huf, da wächst wieder ein Baum an. Auch in den Schleifspuren sät sich wieder was an.“

Forst bei Melchow, April 2006. Die Stämme werden mit der Rückezange in die richtige Lage gebracht, um die am Geschirr der Pferde angebrachte Zugkette anlegen zu können. Was man für diese gefährliche und körperlich schwere Arbeit an Fertig- keiten und Kenntnissen braucht, wird traditionell weiter gege- ben, von einem Rücker zum nächsten.

Forst bei Melchow, April 2006. Die Aufgabe des Rückeunter- nehmers ist es, die Langholzabschnitte (LAS) und kleineres Stammholz bis an die Rückegasse vorzuziehen, wo es von Forst- fahrzeugen aufgenommen und zum nächsten Forstweg gefahren wird. Mit den Rückpferden ziehen sie sortimentsgerecht, Kiefer zu Kiefer und Buche zu Buche etc., das Holz an die Rückegas- sen heran. Liegen die Rückegassen weiter auseinander, werden so genannte „Kabel“ – kleine schmale Gassen – als Verbindung zwischen den Rückegassen gelegt und dafür genutzt, das Holz zusammenzurücken. Schweres Stammholz wird geästet und maschinell bis an den Forstweg vorgezogen.

Forst bei Melchow, April 2006. Mancher Baumabstand ist so eng, dass Rückeschäden, wie zum Beispiel am Wurzelanwuchs dieser Eiche, nicht zu vermeiden sind. Ist die Rückearbeit getan, begutachtet und bewertet der Revierförster eventuell entstandene Rückeschäden. In Mischwaldbeständen, in denen manuell gehauen und das Holz mit Pferden vorgezogen wird, sei eine Rückegassenauszeichnung alle 40 m optimal, meint Pferderücker Fangerow. Die jetzt geforderten 20 m seien was für den Einsatz von Harvestern, Erntevollmaschinen in Stangenforsten. Hier kämen allerdings er und seine Pferde auch gar nicht zum Einsatz, da drinnen hätten sie keine Chance. „Wenn alle 20 m eine Rückegasse geschlagen wird, da geht so viel Fläche weg, das ist ein Irrsinn.“ 11 E T A T I Z

In den letzten sechzehn Jahren wurden die Anforderungen an den Wald alle zwei bis drei Jahre umgestülpt. Wenn sich das ändern soll, müssten die Forstbeamten auch mal eine Position beziehen dürfen.

Dort, wo ich wirtschafte, unterscheide ich nicht zwischen Schutzgebiet und normaler Fläche – dort arbeite ich so, wie ich es forstökologisch ohnehin für richtig halte.

Vielfalt? Wie soll ich Vielfalt entwickeln, wenn ich fast keine Ausländer anpflanzen darf?

Die Energieholzproduktion kann für den Wald zur Gefahr werden. Sie stürzt sich auf alles, was früher liegen blieb - die Baumkronen, die Äste, Rinden und Nadeln, in denen die Nährstoffe gebunden sind. Das ist wie die frühere Streunutzung.

Betriebswirtschaftlich wäre es im Moment das Klügste, flächendeckend Douglasien anzubauen und sie nach ein paar Jahrzehnten zu ernten. Will die Gesellschaft mehr vom Wald, muss sie dafür zahlen.

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13 ZITATE T F A H C S T R I W T S R O F

Waldarbeiter mit Rückenpferden um 1900, Heimatstube Glam- beck. „Pferde waren immer im Wald.“ Ob vor dem Pflug oder für den Holztransport. Immer wieder seien neue Rücketechniken erfunden worden, so Pferderücker Fangerow. Die Pferde hät- ten rausgesollt aus dem Forst. Da habe man dann die kleinen Rückeunternehmen kaputt gemacht, wie kurz nach der Wende. Und dann sei alles nicht so gegangen, wie vorgestellt und die Pferde waren wieder da. In Mischbeständen mit Einzelstamm- wirtschaft wird auf ihren Einsatz wohl auch in Zukunft nicht verzichtet werden können. Von den Naturschutzverbänden wird der Einsatz von Rückepferden dem von Harvestern vorgezogen, was mit deren Vorliebe für artenreiche Mischwälder korrespondiert. Die Harvester seien zwar effektiver, zermahlen aber den Waldboden und verdichten ihn so stark, dass er mit einem Bodenmeißel wieder aufgelockert werden müsse. Obendrein würden sie auch oft zur Brutzeit und auch nachts eingesetzt. Die junge Brut sei dann hin. Ob es sich dabei um Adlerbrutgebiete oder „nur“ um die Jungen eines Habichts handelt, mache keinen Unterschied. Es wird ein Maximum an Holz aus dem Wald geholt – ohne Gefühl für die Natur. Die Rückepferde sind nicht nur für den Waldboden verträglicher, sondern auch besser für die Region. Ihr Einsatz bietet mehr Beschäftigung. Die soziale Komponente sollte auch in der Waldwirtschaft berücksichtigt werden.

Mit Harvestern können Kiefern wie Buchen gezielt geerntet werden. Wenn der Stamm erstmal im Erntekopf der Maschine ist, kann er dorthin gelegt werden, wo er auch hin soll – ihn in die richtige Fallrichtung zu drücken ist kein Problem. „Aber Laubholz ist für den Harvester eine Quälerei. Bei den Zwieseln können die Messer abbrechen. Der Harvester braucht glatte Stämme! Lange geradschaftige Stämme.“

Mit dem Waldumbau wird auf Risiken und Veränderungen im Beziehungsgefüge von Mensch und Wald reagiert, die mehr- heitlich nicht forstwirtschaftlich bedingt sind. Im Morgennebel naturnaher Wälder scheint sich für nicht wenige zumindest schemenhaft eine heile Welt abzuzeichnen, artenreich, vielfältig, schön und obendrein auch wirtschaftlich. Der Waldumbau ein Notausgang? Der Försterstand als Weltenretter? 14 FORSTWIRTSCHAFT

Die Harznutzung in Brandenburgs Wäldern verdankte sich vor allem den politisch bedingten Rohstoffengpässen in Nazideutschland und der DDR. Inzwischen ist sie vollkommen aufgegeben worden – das Baumharz spielt in der chemischen Industrie keine Rolle mehr, Terpentin oder Kolophonium werden auf anderer Grundlage hergestellt. Viele Branden- burgische Kiefern tragen aber noch die Spuren der Harzgewin- nung.

Reste eines alten Meilers der Köhlerei in Neuehütte. Obwohl es viel Buchenholz in der Wäldern der Region gibt, ist die Köhlerei verschwunden. Köhlereien gab es in Redernswalde, Poratz und Neuehütte. Letztere ist in den 90er Jahren mit Mitteln der Deutschen Bundesstiftung Umwelt auf den modernsten Stand gebracht, konnte sich jedoch nicht gegen die billigere Konkurrenz durchsetzen.

Friedrichswalde erinnert sich seiner Tradition in der Holzschuh- produktion. Linde und Pappel für die Herstellung würde man noch finden, aber niemanden, der Schuhe daraus herstellt. Wie von vielen anderen kleinteiligen Holznutzungen, zum Beispiel bei der Produktion von Spankörben aus Pappelspänen, beim Flechten von Weidenkörben oder bei der Produktion von Weide- pfählen und Koppelstangen, ist auch von ihr nicht mehr als eine Erinnerung geblieben. 15 T F A H C S T R I W T S R O F

Vom Wind gebrochene, abgestorbene Buchen. Totholz hat in den letzten Jahren einen geradezu sprichwörtlichen ökologischen Stellenwert erlangt, weil es vielen Lebensgemeinschaften im Wald eine Stätte bietet. Zugleich wird das Interesse privater Brennholzwerber an ungenutzten Bäumen immer größer. Hier, im Grumsiner Forst ist wohl kaum mit unerlaubten „Übergriffen“ zu rechnen.

Der Grumsiner Forst ist, wie viele andere Waldgebiete Nordost- deutschlands, durch sein stark eiszeitlich überformtes Relief ge- kennzeichnet. Hügel und Senken wechseln einander auf engstem Raum ab. Dadurch sind auch die Wasser-Boden-Verhältnisse sehr heterogen; selbst innerhalb einzelner Reviere können sich die klimatischen Veränderungen verschieden auswirken.

Wo Altbäume umbrechen und abbrechen entsteht nicht nur ein Totholzbiotop, sondern es öffnet sich auch das Kronendach, so dass Licht auf den bis dahin stark beschatteten Boden fallen kann. Schlagartig setzt an diesen Stellen die Naturverjüngung ein. Bei Einzelbäumen zieht sich das Kronendach allerdings schnell wieder zu; erst wenn mehrere Bäume ausfallen, kann es zu einer stabilen Verjüngung kommen. Hat sich das Kronendach weiter gelichtet, kann die Verjüngung flächendeckend stattfinden. In diesem Stadium haben auch Baumarten eine Chance, die bis dahin nicht oder kaum auf der jeweiligen Fläche zu finden waren. Ob sie sich in der natürlichen Konkurrenz durchsetzen können, werden die nächsten Jahre zeigen. Die frühen Sukzessionsstadien sind wichtige Phasen in der Waldentwicklung, in denen das Ökosystem auf veränderte Umweltbedingungen durch andere Baumartenzusammensetzungen reagieren kann. 16 Arbeit –vonallemEtwas“. „vielfältige Eine Sargholz. und Parkettrohware Dielung, zu Erle in kleineren Mengen auch Laubhölzer wie Eiche, Buche und auch und verarbeitet etc. Dach Bretter Dielen, wie für Wertholz zu Bauholz und stühle zu Verpackungen, für Industrieholz zu sie Dougla und Kiefer wird Vorwiegend Raum. Berliner im dann gäbe, Zimmererarbeiten es wenn und weniger, viel es sei Heute worden. gemacht Bau dem auf und Dächern den an viel Region der in sei da gehabt, tun zu gut man habe Wende der Nach sägt. auf Jahr im Rundholz Festmeter 3.000 ca. das unternehmen, Familien kleines ein ist Vietmannsdorf in Sägewerk Das 2006. April Vietmannsdorf, Co, & Strempel Vietmannsdorf Sägewerk ere vrrett edn ae nct n a ken Gatter kleine das in nicht passen. aber werden, im verarbeitet an und Betrieb ab die aufgesägt, Stämme großen die werden Betrieb. Hier in noch ist Sägegatter das als größer kaum Sägewerk, April inVietmannsdorf, Co & Strempel aus ist Nadelholz. „IKEAistdochalles.“ alles – Türen Fenster, Strempel. meint keinen“, kenne Ich Buche? und Eiche aus Schränke noch denn baut Wer Haus. aus ins alles Produkten geht „Heute etc. nach Schiffe Fässer, Nachfrage gegeben, Laubhölzern entsprechende eine es hätte Früher Vietmannsdorf Sägewerk Rundholz, Aufgeschnittenes dings seisiedaherauchderteuersteBaumimEinkauf. Aller Vorteil. weiteren einen ihr verschaffe Douglasie der zeit Umtriebs kurze Die gut. sehr Festigkeit hohen seiner ob Baum der hinsichtlich sei Schnittholz im Asthäufigkeit der gegenüber Toleranz Auch der Werte. hohe Schädlingsbefall Kernholzbaum dieser gegen erreiche Resistenz und punkto In Zugfestigkeit Bauholz. ideale statische das sei Sie Douglasie. die auf setzt April Vietmannsdorf, Sägegatter 006. Inhaber Heiko Strempel Heiko Inhaber 2006. 0. a ken alte kleine Das 2006. ------

17 HOLZWIRTSCHAFT T F A H C S T R I W Z L O H

Holzindustrie Templin (HIT), März 2006. Buche und Eiche sind die Hauptholzarten im Laubholzbereich. Brandenburg ist kein Laubholzland und kann den gewachsenen Bedarf an Laubholz der HIT nicht decken. Für den Holzeinkauf orientiert man sich in erster Linie nach Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen- Anhalt. Erle, Esche, Kirsche, Ahorn, Ulme und Roteiche werden nur in geringen Mengen aufgeschnitten. Prinzipiell begrüßt Frau Maschmann-Fehrensen den Waldumbau von Nadel- zu Laub- holz. Er sollte aber nicht übers Knie gebrochen werden, sondern in Abhängigkeit der Standortbedingungen erfolgen. Für Bran- denburg wäre wohl eher die Eiche der Baum der Zukunft. Was nicht heißt, dass die Kiefer keine Berechtigung hätte. „Die Kiefer ist die Brotbaumart in Brandenburg.“

Holzindustrie Templin, März 2006. 85 % der Produktion der HIT gehen in den Export, nach den USA, China, Indien, nur 15 % werden in Deutschland an Großhändler abgesetzt. In der Region selber wird kaum Holz verkauft - es ist selten, dass mal ein Handwerker vorbei kommt.

Holzindustrie Templin, März 2006. Ein großer Nasslagerplatz, auf dem das Stammholz mit einer Sprenkleranlage ständig feucht gehalten wird, sichert die kontinuierliche Produktion. Da Laubholz nur außerhalb der Vegetationsperiode eingeschla- gen wird, muss das Lager bis April für die Produktion bis in den späten Herbst gefüllt sein. Die Lagerung von Buche ist schwierig, da sich bei häufigen Schwankungen von Temperatur und Feuch- te schnell Pilzkulturen ansiedeln, die das Holz angreifen.

Holzindustrie Templin, März 2006. Die Geradschaftigkeit der Stämme ist für das Sägewerk entscheidend. Diese Baumqualität – gerader Wuchs im Stammbereich bis zum Standartmaß von 26 cm Zopfdurchmesser – ist weder durch die Säge noch durch den Geschmack der Kunden zu beeinflussen. Die Krummholznutzung ist sehr selten geworden. 18 HOLZWIRTSCHAFT

Holzindustrie Templin, März 2006. Um die für die Produktion von Thermoholz notwendigen technologischen Voraussetzungen zu schaffen, investierte das Sägewerk in ein Kraftwerk, das mit Holzverschnitt befeuert wird. Leimholz ist ein gefragter Bau- stoff. In der Herstellung dominieren die Nadelhölzer. Mittels Bedampfen sollen die statischen Eigenschaften von Laubholz, insbesondere Eiche, manipuliert werden, um hier nachzuziehen.

Holzindustrie Templin, März 2006. Auf Kundenwunsch wird das geschnittene Holz nicht nur mit Holzschutz behandelt, sondern auch gedämpft, wodurch sich die Schnittflächen schließen und eine spürbar glattere Oberfläche erreicht wird.

Holzindustrie Templin, März 2006. Die Gattersäge für schwä- cheres Holz mit einem Zopfdurchmesser von 26 cm unter Rinde wurde angeschafft, um für alle Waldbesitzer attraktiv zu sein und flexibel am Markt agieren zu können. So können dicke und dün- ne Stämme und nicht nur Eiche und Buche, auch andere Arten, abgenommen werden. Mit diesem Ansatz sind breite Offerten an die Waldbesitzer möglich und es entsteht nicht der Eindruck, man wolle sich nur die Rosinen herauspicken.

Holzindustrie Templin, März 2006. Kernige Buchen seien eine Folge der „Dunkelwirtschaft“, die viele Förster Jahrzehnte lang betrieben hätten. Diese Buchen entstammen einem Altersklassenwald, wurden zu spät freigestellt und bekamen so keine Wachstumschance in die Höhe, was zu einer verstärkten Verkernung führte. Der Baum nahm nicht mehr an Dicke zu, sondern bildete einen starken Kern aus. Dies führt zu Holzqualitätsverlusten, denn der Kern wird dunkel, setzt sich farbig deutlich ab und kann nicht mehr zu hochwertigen Bohlen geschnitten werden. 19 T F A H C S T R I W Z L O H

ROBETA Milmersdorf, Juli 2006. Holzlagerplatz der ROBETA Holzindustrie in Milmersdorf bei Templin. Das Unternehmen ist durch und durch regional: Seine Gründer kommen aus der Gegend um Templin, zudem wird ausschließlich Nadelholz aus einem Umkreis von 100 km verarbeitet. Allerdings sind die regionalen Wertschöpfungsketten beim brandenburgischen Holz sehr kurz: spätestens nach dem Sägen verlässt das Holz die Region, Veredelung und Verarbeitung findet hier kaum statt. 7.000 Fm Nadelholz aus der Region lagern im Schnitt auf den beiden Holzplätzen und in knapp einer Woche ist es verbraucht. 50 LKW-Ladungen kommen täglich an, werden vermessen, auf Qualität geprüft und durch den Metalldetektor geschickt, um Projektile, Splitter, eingewachsene Zäune, Nägel und andere Metalleinschlüsse aufzuspüren. Das Stammholz wird auf dem Polterplatz sofort nach Anlieferung entsprechend den anstehen- den Kundenwünschen zugeschnitten und sortiert.

ROBETA Milmersdorf, Juli 2006. Die zugeschnittenen Stämme werden entrindet. Die in großen Mengen anfallende Rinde ist kein Abfall. Sie wird verkauft und gelangt letztlich zum Beispiel als Rindenmulch auf den Markt. Der Rohstoff Holz ist teurer geworden. Man bekommt mehr für den Schnitt und die Neben- produkte Holzschnitzel, Sägemehl und Rinde.

ROBETA Milmersdorf, Juli 2006: Länge, Durchmesser, Schnitt- bild - das vollautomatisierte Sägewerk sichert eine optimale Stammnutzung und minimiert den Verschnitt. Der Computer zeigt an, was an Kantholz und Brettern im Stamm steckt. Das Holz – Langholzabschnitte und ganze Stämme in einem Durch- messer von 10 bis 60 cm – wird mit einem hohen Vorschub von 70 m pro Minute durch das Gatter gefahren und optimal aufge- schnitten. 20 HOLZWIRTSCHAFT

ROBETA Milmersdorf, Juli 2006. Die anfallenden Späne werden wie auch das Sägemehl an die Papier- und Spanplattenindus- trie verkauft. 30 bis 40 % des eingekauften Holzes werden im Arbeitsprozess zu Rinde, Spänen und Sägemehl. Als nachwach- sender Rohstoff soll zukünftig insbesondere die Rinde in einem betriebseigenen Biomassekraftwerk zur Energiegewinnung verfeuert werden.

ROBETA Milmersdorf, Juli 2006. Am Rundholzplatz schließt sich der Kreis. Aus den Stämmen sind Kanthölzer geworden, die nach der Trocknung als Bauholz vermarktet werden. Was früher die Zimmerleute vor Ort auf der Baustelle in Handarbeit passfähig machten, wird heute im Sägewerk maschinell erledigt. Komplette Dachstühle werden just in time gefertigt und für den Kunden bereitgestellt.

ROBETA Milmersdorf, Juli 2006. Die gestiegenen Preise „sind gut für alle in der Kette.“ Das Investitionsklima in der Holzindus- trie ist besser geworden; auch ROBETA denkt an einen Ausbau seiner Produktionskapazitäten, zum Beispiel in der Holztrock- nung. Bis 2000 war das Kiefernholz schwierig auf den Markt zu bringen, oft musste unter Preis verkauft werden. Die Märkische Kiefer war zu dieser Zeit nur schwer exportfähig. Heute wird sie weltweit vermarktet, nach Japan, Indien, den USA.

ROBETA Milmersdorf, Juli 2006. Bandsägen schneiden den Stamm und kurz dahinter nehmen Schnittmesser Span für Span jenes Holz weg, das nicht zu Bauholz weiterverarbeitet werden kann. Die Zähne der Blätter für die Bandsägen werden in einer eigenen Abteilung gewartet und entsprechend den Anforderungen geschrägt. Es gibt für jeden Zahntyp eine Sommer und Winterform. Vor allem die Feuchte des Holzes und der Luft beeinflussen den Schnitt. 21 T F A H C S T R I W Z L O H

Sägewerk Bohm Hardenbeck, April 2006, Polterung und Län- genvorschnitt. „Es geht um Märkische Kiefer“, so lautet das Mot- to, unter dem das Sägerwerk Bohm in Hardenbeck produziert. 25.000 Festmeter Stammware werden im Jahr geschnitten. Sägemehl und Späne verkauft der Betrieb an die Spanplatten- industrie. Eine Zimmerei und ein kleiner Holzhandel runden das Unternehmensprofil ab. Das Sägewerk bezieht seine Stämme aus einem Umreis von 300 km. Die Holzlieferanten bieten ihre Stämme selten selbst- ständig den Sägewerken an. Man fragt die Waldbesitzer an und macht Verträge für ein Jahr maximal und ruft wieder an. Das Holz wird stehend und liegend gekauft. Nur bei ausgesprochen gutem Holz gibt es Vorbesichtigungen, die Herr Bohm selber macht.

Der alte Teil des Sägewerks in Hardenbeck , April 2006.. Die Gattersägen sind seit gut 100 Jahren im Einsatz und ihre Tech- nologie ist ausgereift. Der Sägerahmen ist 71 cm breit und kann Stämme bis 68 cm Durchmesser sägen. So starke Kiefern sind aber eher die Ausnahme, im Jahr fallen vielleicht 10 Stämme dieser Dicke an. Als Kiefernsäger sagt Bohm: „Der Waldumbau nimmt uns die Grundlage. Die Kiefernwälder sind unsere Grund- lage und für die wird nichts getan.“

Sägewerk Bohm Hardenbeck, zwei Mitarbeiter beim Schälen einer Kiefer. Aus dem besseren Ende ausgewählter Stämme, den so genannten „Erdstämmen“, dem Holz vom Stammfuß auf- wärts, wird Wertholz produziert, Tischlerholz zum Beispiel, das zwar geschält wird, aber unbesäumt bleibt. Tischlerholz stellt das wertvollste Holz dar.

Sägewerk Bohm Hardenbeck, April 2006. In den Bastelarbeiten zum zehnjährigen Betriebsjubiläum spiegelt sich das Betriebs- profil. Die persönliche Bindung der Mitarbeiter an ihren Arbeits- platz drückt sich oft in solch kleinen Dingen aus. „In dem Gerangel der großen hat mein Betrieb keine Chance“, meint Firmeninhaber Erhard Bohm. Da mit der gestiegenen Nachfrage nach Industrieholz immer mehr vom „dünnen Ende“ der Bäume beansprucht würde, konzentriere sich das Unterneh- men auf das „dicke Ende“. Noch bekommt das Sägewerk ausrei- chend Stammholz dieser Dimension, aber „das Korsett für die Schwachholzsäger wird eng. Die Massen, die derzeit umgebracht werden, wachsen nicht nach.“ 22 HOLZWIRTSCHAFT

Frisch geschnittene Kanthölzer im Sägewerk Bohm Hardenbeck, April 2006. Die Besäumung wird von einem Laser gesteuert. Das aufgeschnittene Bauholz wird anschließend mit Holzschutz imprägniert und meist an der Luft in überdachten Hallen getrocknet. Die Verarbeitung von dünnen Stämmen lohnt nicht mehr: Zopf- durchmesser von 15 cm auf dem Holzmarkt sind knapp gewor- den, zudem hat sich die Technologie verändert. Rundhölzer von 15 cm können bei Bohm mit fünf Meter pro Minute auf 10 x 10 cm starke Kanthölzer geschnitten werden; in zwei Minuten ein Fest- meter. Die Klenk AG in Baruth fährt dagegen mit 150 m je Minute – „da können sie nicht mal mehr nebenher laufen.“ Geht man auf 25 cm Stammdurchmesser und schneidet 20 x 20 cm, schafft man das Doppelte in der gleichen Zeit.

Sägewerk Bohm Hardenbeck, April 2006. Neben Tischler- und Fensterholz werden im Wertholzbereich verschiedene Dielen hergestellt. Ob Premium- und Schlossdiele oder die eher rustikale Mühlensortierung: Die Hobeldielen sind eines der wenigen in der Region veredelten Endprodukte in der Holzkette.

Sägewerk Bohm Hardenbeck, April 2006. Die Abbundanlage in der Zimmerei produziert montagefertige Dachstühle im Lohnabbund über eine CNC-Maschine, die nach Kundenmaß die Kanthölzer scheidet, so dass auf der Baustelle keine Säge mehr angefasst werden muss. Eine Vielzahl von Schablonen für die Balkenköpfe wird vorgehalten, um den verschiedenen ästhe- tischen Ansprüchen der Bauherren gerecht werden zu können.

Sägewerk Bohm Hardenbeck, April 2006. Wie viele Dielen und Bretter stecken in einem Kieferstamm? Für Präsentationszwecke wurde dieser Kiefernstamm so aufgeschnitten, dass der Laie einen Einblick bekommt. Auf Messen und anderen Ausstellungen fehlt dieses Objekt am Stand des Sägewerks Bohm nie. 23 T F A H C S T R I W Z L O H

Holzsubmission Chorin, Januar 2007. Seit 1991 verkaufen die Brandenburger Landesforstbetriebe auf dem Submissionsplatz bei Chorin ihre wertvollsten Stämme. Loseweise werden die Nadelhölzer meistbietend versteigert. Die Laubhölzer werden in einem geschlossen Bieterverfahren verkauft. Wer nach Begut- achtung schriftlich das höchste Gebot abgibt, der bekommt den Zuschlag. Auf dem Submissionsplatz liegen die über Jahrzehnte gezielt gepflegten Försterbäume: astfrei und geradschaftig. Bei Neuruppin gibt es einen zweiten Platz, auf dem Holz ausgestellt ist, dass in Chorin versteigert wird. Der Submissionsplatz atmet die Atmosphäre einer forstlichen Leistungsschau. Zählte man die Jahrringe und kennte die Reihe der Förster, die die Reviere geleitet haben, in denen diese Bäume einst standen – man ginge durch ein Spalier der Forstgeschichte.

Auktion bei der Holzsubmission Chorin, Januar 2007. Im Saal des Hotels „Haus Chorin“ geben Holzhändler und Sägewerker aus Deutschland, Österreich und Polen ihre Angebote zu den Nadelholzlosen ab. Es gibt kein Los, das unter dem Taxwert weg- geht, der fast immer über 120 Euro den Festmeter liegt. Oberforstrat Lothar Krüger vom Fachteam Forstbetrieb des Amtes für Forstwirtschaft Eberswalde organisiert die Submission. Die kleine Holzplastik „Der Herr der Stämme“ vor ihm auf dem Tisch ist aus verschiedenen Edelhölzern gedrechselt und ein Ge- schenk eines Forstwissenschaftlers.

Auktion bei der Holzsubmission Chorin, Januar 2007. Für die Sägewerker aus der Region ist die Submission einer der wich- tigsten Termine im Geschäftsjahr. Solange die Nummer in die Höhe gehalten wird, ist man im Geschäft. Der Auktionär steigert in Schritten zu zwei Euro den Festmeter den Preis für das Los bis nur noch ein Bieter seine Karte hochhält und den Zuschlag bekommt. Vogelkirsche, Linde, Hainbuche, Erle, Ahorn und Esche sind auf der Submission nur in kleinen Mengen vertreten. Es dominieren Kiefer, Eiche und Buche. Edle Laubhölzer aus Brandenburg, die sich für Furniere oder als Tischlerholz eignen, kommen nur in wenigen Stämmen auf den Markt. Für Kunsthandwerker sind Gehölze wie Elsbeere, Robinie, Ahorn oder Goldregen ein ge- suchtes Material. 24 HOLZWIRTSCHAFT

Forst bei Melchow, April 2006. Der Kronenbereich der ein- geschlagenen Bäume, die so genannten Zopfenden verblieben eigentlich immer im Wald, um durch ihre Zersetzung die Nähr- stoffe im Waldboden zu stärken. Die gestiegene Holznachfrage führt dazu, dass die Zopfenden immer knapper geschnitten werden und die Selbstwerber fast jeden liegenden Ast aus dem Wald tragen. Der Nährstoffverlust komme bald der verbotenen Streunutzung aus alten Tagen gleich und man müsse aufpas- sen, dass der Stoffkreislauf des Waldes keinen Schaden nähme, meinen einige Förster.

Holzindustrie Templin, März 2006. Dieser in Bohlen auf- geschnittene Eichenstamm erzielt auf dem Markt mehrere Tausend Euro.

Bei Grumsin, Oktober 2005. Eingeschlagen, aufgestapelt und vergessen: Das der Holzmarkt vor nicht allzu langer Zeit schlechtere Zeiten kannte, ist diesem halbverrotteten Stapel Buchenlangholzabschnitt anzusehen. Heute würde wohl kaum ein Holzunternehmen diese Festmeter einfach vergessen.

Holzindustrie Templin, März 2006. Dieser Eichenstamm, bei dem ein Pilzbefall die Ring- oder Kernschäle ausgelöst hat, ist im Sägewerk nicht mehr zu verarbeiten. Wäre er nicht eingeschlagen worden, hätte sich der Kern des Baumes zersetzt und er wäre von innen hohl geworden. 25 E T A T I Z Die Geradschaftigkeit ist kriegsentscheidend.

Ein Forst braucht 100 Jahre von der Pflanzung bis zur Ernte. Im Sägewerk ist der Maschinenpark nach 20 Jahren verschlissen und neue Technologien auf dem Markt. Heute einen Wald zu schaffen, der morgen auf unsere Maschinen passt, geht wohl nicht.

Die Bindungen von Produktion und Naturraum werden aufgelöst. In stand in früheren Jahren mal alle 150 Meter ein Sägerwerk – alles weg.

Totholz im Wald ist Mist, die reine Parasitenzucht.

Kiefer und Douglasie sind in Brandenburg die Bäume der Zukunft!

26 Illusion. schöne eine ist Plenterwaldprinzip Das ernten? zu mehr nichts später dann und arbeiten zu viel jetzt davon, wir haben Was zu. ruppig zu es geht Heute Forst. im Gewalt statt Kontinuität sie irrelevant. holzwirtschaftlich ist attraktiv sein, die Naturschützer im Waldmagjafür Die freieSukzession Ranger bezahltwerden! um die Rohstoffe Rohstoffe die um von demdieganzen an demKuchenmit, hat begonnen. hat Holzproduktion Der Kampf Kampf Der mit unserer Wir backen 27 ZITATE S U M S I R U O T D N U T A M I E H

Kinder im Wald um Vietmannsdorf, gefunden in der Heimatstu- be. Der Wald war – und ist es in Waldlandschaften wohl noch – immer auch ein Spielplatz. Die im von der Umweltbildung und Waldpädagogik unbelasteten Spiel mit Ästen, Laub und weichem Waldboden etc. gestifteten Bindungen werden anders gestrickt sein, als jene, die sich dem Versuch verdanken, Kindern in weni- gen Stunden den Naturraum Wald nahe zu bringen.

Postkarte aus dem Jahre 1918, Aufgenommen in der Schorfheide bei Altenhof: Für das Bild der Schorfheide waren und sind die Rothirsche wichtiger als die Bäume.

Der Hirsch prangt am Heck: wie selbstverständlich ist das Edel- wild zum Symbol für die Schorfheide mit ihrer langen Jagdtradi- tion geworden. Auch erste Ansätze von Wildvermarktung haben sich entwickelt, so z.B. die Marke „roter Keiler“ in Kerkow bei Angermünde.

Besucher im Wildpark Schorfheide beim Blick in das Wolfs- gehege. Die Faszination für Tiere ist ein zentrales Bindeglied zwischen Mensch und Wald. 28 HEIMAT UND TOURISMUS

Ein Buchenwald bei Bad Freienwalde nach dem Einschlag, Revier Sonnenburg, 2006. Das Erscheinungsbild der Wälder nach der Ernte ist bei den aktuellen Holzerntetechnologien oft drastisch. In Waldgebieten, die von Wanderern und Spazier- gängern genutzt werden, erregt der Anblick Ärger, vor allem, wenn die Waldbesucher aus früheren Zeiten andere Verhältnisse gewohnt sind. Waldbesitzer und Förster halten dagegen, dass sie weder technologische noch finanzielle Alternativen haben und sich zudem der Eindruck des Zerstörten und Gerupften schon im nächsten Jahr wieder verflüchtigt: „Es zieht sich ganz schnell wieder zu.“ Lediglich das Laufen abseits der Wege bleibt beschwerlich – ein Effekt, den mancher Waldbesitzer und Förster wohl nicht ungern in Kauf nimmt. In der politischen Debatte um die Zukunft der brandenburgischen Wälder ist das Erscheinungsbild der beernteten Flächen zum Symbol für die empfundene Vernachlässigung des Naturkapitals Wald schlecht- hin geworden.

Ein Bewohner des Oderbruchs vor seinen meterlangen Brenn- holzstapeln. Der pensionierte Landwirt heizt ausschließlich mit Holz. Die Vorräte, vornehmlich Buchen- und Eichenholz, sind auf viele Jahre angelegt. Sie werden nach Absprache mit dem Förster jedes Jahr im Wald um Bad Freienwalde geworben und mit dem eigenen Tecker nach Hause gebracht.

Die Brennholznutzung nimmt nicht nur im kleinen Privatwald wieder zu. Früher hätten die Waldarbeiterinnen nach der Holzernte die Reste, Äste, Kleinholz etc. aufgeräumt. Heute erledigen das die Eigenwerber, Privatleute aus der Umgebung, die auf Holzberechtigungsschein vom Förster alles Kleinholz rausholen. „Die sind wie die Guppies – an einem Wochenende ist hier alles sauber. Früher hätte es ja mal geheißen, es soll Totholz im Wald liegen bleiben, 7 % oder so. Nächstes Jahr ist hier nur noch mit geübtem Auge zu sehen, dass hier geerntet wurde.“

Mit einer artenreichen Bestockung und den sich damit vollziehenden Veränderungen in der Humusschicht werden auch andere Pilze zu finden sein. Wer in Buchenmischwäldern Pilze sammeln geht, wird wohl mit weniger aber sehr schmackhaften Pilzen, wie dem Steinpilz, zufrieden sein müssen. Regelrechte Pilzernten von Braunkappen, wie sie in den Kieferbeständen mitunter möglich sind, werden seltener. Verhält es sich hier wie mit dem Holzsortiment, weniger Masse, dafür Klasse? 29 S U M S I R U O T D N U T A M I E H

Die Waldschenke am Baasee bei Bad Freienwalde versetzt den Besucher schlagartig in volkstümliche Mittelgebirgsromantik. In der lokalen Anwohnerschaft erfreut sich der Ort enormer Beliebtheit. Wälder werden aufgrund ihrer besonderen Raum- struktur von Besuchern gern als ganz andere Welten wahr- genommen. Der kleine Baasee als typischer Brandenburger Waldsee wurde schon von Fontane in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg beschrieben.

Wer diesen Mann im Zichower Forst auf den Stock gesetzt hat, war in der Handhabung einer Kettensäge nicht ungeübt und wird im Wald angestrengt gearbeitet haben. Zumindest lassen dies die Schraubverschlüsse der Wasser- und Limonadenflaschen vermuten, die das Gesicht ausmachen. Eine Pausenarbeit von Waldarbeitern?

Eingrenzung und Abgrenzung. Rot-weiße Abgrenzungen werden von den Waldbesuchern mit Unbehagen gesehen. Hier allerdings dient sie der Ausgrenzung der Autos. „Unberechtigt den Wald durchfahrende private Autos sorgen bei Touristen und Anwoh- nern immer wieder für Empörung. Dies gilt allerdings auch für Jäger, die mit 50 km/h durch dem Wald rasen“.

Diese beiden Alteichen im Revier Hohenlychen waren Teil des Schulwaldprogramms im Jahr 2006. Die Fläche um die Bäume herum wurde abgeholzt und mit den Eicheln der beiden Riesen neu begründet. Die Schüler lernen auf diese Weise etwas über den genetischen Wert der Altbäume, über ihre Schönheit und Geschichte und über ihren Platz in der Forstwirtschaft. 30 HEIMAT UND TOURISMUS

Feldrain, Windschutz und Biotopverbund in einem: Die umfang- reichen Heckenpflanzungen bei Groß Schönebeck verdanken sich der gemeinsamen Initiative eines pensionierten Försters und des örtlichen Landwirtschaftsbetriebes, der Schorfheider Agrar GmbH (SAG). Wer heute nach Groß Schönebeck kommt, wird allerorten die Spuren dieser Arbeit erkennen. „Heute freuen sich alle, wenn es blüht. Die Schlehe, die Brombeeren, die Spil- linge, alles kommt heraus, das spricht die Leute an.“ Zu den Be- sonderheiten des ländlichen Raumes gehört es, dass sehr wenige Akteure entscheidend das Landschaftsbild beeinflussen können.

Spuren marginaler Landschaftsnutzungen, die keinen forstlichen Charakter tragen, finden sich in der Landschaft immer wieder, ob ein kleiner Sandabbau, wie dieser im Revier Voigtswiese, aufgelassene Ton- und Mergelgruben oder Steinbrüche. Solche „Kratzstellen“ sind Indikatoren, welche natürlichen Ressourcen die Landschaft birgt.

Grenzstein an einer alten Kastanie am Rande des Grumsiner Forstes. Die Wälder in Deutschland haben eine Kulturgeschichte, auch wenn einige von ihnen heute den Status eines Totalreservates tragen und als reines Naturgebiet wahrgenommen werden. Gerade aus einer naturschützerischen Perspektive erschließt sich oftmals die Schönheit des Waldes und die Vielfalt historisch vergangener Nutzungsformen. Zur gegenwärtigen Nutzung und der daraus erwachsenden Landschaft besteht dagegen eher ein nüchternes Verhältnis.

Tourist auf dem Holzsubmissionsplatz in Chorin, Januar 2007. Da liegen die Stämme, unter denen er vielleicht einst wanderte. Auf dem Submissionsplatz erscheint der Wald als das, was er aus forstwirtschaftlicher Sicht in erster Linie ist: eine Ware. Doch auch in dieser Form ist er nicht ohne ästhetischen Reiz. 31 S U M S I R U O T D N U T A M I E H

Biosphärenreservat, Naturschutzgebiet und Betreten verboten: Manchmal lässt sich noch an den Beschilderungen ablesen, wie hart die Auseinandersetzungen um die Schutzgebietsauswei- sungen in den neunziger Jahren gewesen sind. Der Grumsiner Forst ist inzwischen ein Totalreservat und Eigentum des Kultur- landschaft Uckermark e.V., des Fördervereins des Biosphären- reservates Schorfheide-Chorin.

Ein Langholztransporter, mitten in Müncheberg, August 2006. Der gegenwärtig hohe Holzeinschlag in Brandenburgs Wäldern schlägt sich auch im Straßenbild nieder, sodass viele Anwohner sich bereits fragen, ob an den Wäldern Raubbau betrieben wird. Immerhin waren in den neunziger Jahren erheblich weniger Holztransporte auf den Straßen zu verzeichnen.

Waldfest in Menz, 2006. Der Vertreter der regionalen Baum- schule erklärt, wie aus gebietseinheimischem Saatgut junge Bäume gezogen werden. Hauptaufgabe jeder Forstbaumschule ist es, die Waldbesitzer mit Forstpflanzen zu versorgen, die den gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Herkunft und Qualität des Pflanzgutes entsprechen. Dieses sollte nicht nur einheimisch, sondern gebietseinheimisch sein. Das bedeutet, dass es von Pflanzen abstammt, welche sich in dem jeweiligen Naturraum über einen längeren Zeitraum in vielfachen Generationsfolgen vermehrt haben. Diese Pflanzen sind optimal an den jeweiligen Naturraum angepasst.

Waldfest in Menz, 2006. Die Veranstaltung bemüht sich, einem breiten Spektrum von waldbezogenen Anbietern Platz zu geben. So finden sich neben Kunsthandwerkern, Technikanbietern wie Husqvarna und Fiskas, dem NABU, der Naturwacht und anderen Ausstellern auch Schautafeln, die um Interesse für die moderne Waldwirtschaft werben. 32 HEIMAT UND TOURISMUS

Waldfest in Menz, 2006. Ein Leistungsvergleich der besten Waldarbeiter aus dem Amt für Forstwirtschaft Templin gibt Ein- blick in deren teils nicht ungefährlichen Arbeitsalltag. Die Waldarbeiter demonstrieren ihr Können beim Wettbewerb im Präzisionsbaumsägen. Trotz der zunehmenden Übernahme der Arbeiten der Waldarbeiter durch Maschinen erfreut sich der Berufsstand einer hohen Wertschätzung. Im nahen Waldstück ist die Arbeit der Harvester zu beobachten. Hier jedoch sind kaum Interessenten zu finden.

Waldfest in Menz, 2006. Es gibt Ausstellungen und Vorfüh- rungen zu alten und neuen Wald-Handwerken wie Harzer, Korb- macher, Imker und Zapfenpflücker. Neben der Vorführung der Arbeit der Zapfenpflücker werden Informationen zu Ernte und Zertifizierung des Saatgutes vermittelt.

Wanderer im Grumsiner Forst. Wandern erfüllt eine tiefe Sehnsucht: Man will Wildnis erleben, Stille genießen, sich in schönen Landschaften und frischer Luft bewegen. Das ist das exakte Gegenteil des alltäglichen Lebens in unseren Kunstwelten. Die Wälder der Uckermark haben viel davon zu bieten. In Angeboten der Tourismusbranche spiegelt sich das kaum wider.

In zahlreichen Wandervereinen organisieren sich aktive Menschen. Wanderführer wie Frau Hirthe aus Angermünde nutzen ihre Freizeit, um sich in ihrem Wald zu erholen und zu erbauen. Sie sind diejenigen, die Veränderungen am ehesten bemerken und auf Missstände beispielsweise bei der Beschilderung hinweisen. Ambivalent ist ihr Verhältnis zum Waldumbau: Natürlich will man das Beste für den Wald, aber ein hoher Totholzanteil oder das scheinbare Versiegen der Pilzfundstellen werden kritisiert. 33 S U M S I R U O T D N U T A M I E H

Neben einigen gepflasterten Straßenabschnitten verlaufen paral- lel Radwege. Dies verleitet allerdings immer häufiger Autofahrer dazu, auf den asphaltieren Radwegen zu fahren. Um dies zu un- terbinden, wäre eine Ausstattung der Wege mit Pollern nötig.

Streckenabschnitt des Fernwanderweges Berlin – Usedom. Der überregionale Radweg ist wie alle Radwege dieser Kategorie asphaltiert. Sie sind unschwer und schnell befahrbar. Das stößt durchaus auch auf Kritik. „Die Touristen sollen in der Region bleiben, nicht nur durchrauschen – nicht nur ein asphaltierter Highway und Natur als Kulisse.“ Die Wege, ihr Verlauf und Zu- stand sind ein zentrales Thema für Touristen und Anwohner. Die örtlichen Wandervereine schätzen den Zustand im Allgemeinen als gut ein. Als größtes Problem sehen sie die Zerstörung der Wege durch Reiter. „Die Wanderwege sind Ostseestrand ge- worden!“ – wird gleichlautend in den Wandervereinen der Um- gebung geklagt. Verschlechtert hat sich die Situation seit dem Inkrafttreten des neuen Waldgesetztes. „Mit dem neuen Wald- gesetz kann nun überall geritten werden. Die Schilder wurden von den Reitwegen abgenommen und die Reiter kamen auf alle Wege rauf.“

Wanderer wünschen sich am meisten zuverlässige Orientierungs- hilfen. Sie wollen nicht Detektiv im Wald spielen und versteckte Wanderzeichen suchen, vielmehr in den Wald gelockt und wie von selbst zu den Schönheiten und Sehenswürdigkeiten geleitet werden. „Der moderne Mensch hat kaum noch Erfahrung im Umgang mit der Natur und wird daher sehr schnell unsicher“ konstatiert eine Studie des Deutschen Wanderinstituts. Die regi- onalen Wanderwege gelten allerdings als gut gekennzeichnet. 34 HEIMAT UND TOURISMUS

Im Wald suchen Menschen „die Stille der Natur“. Jede künst- liche Lärmquelle, von Kettensägen der Forstarbeiter bis zu den Automotoren, vermindert den Landschaftsgenuss. Erhöht wird er durch Naturlaute wie Vogelstimmen oder Blätterrauschen. Vorläufig bleibt die Frage offen, ob ein moderner Laubmischwald akustisch attraktiver ist als Kiefernmonokulturen. Scheinbar werden derartige Differenzen ohnehin kaum wahrgenommen.

Der Reit- und Fahrtourismus erfreut sich großen Zuspruchs. Das Unternehmen Sander aus Groß Schönebeck verfügt über verschiedene Kremserwagen, über Pferde und Esel. Auch für Rollstuhlfahrer ist das Kremserfahren keine Schwierigkeit mehr, seit Herr Sander den „Mercedes unter den Kremsern“ besitzt. Obgleich das Unternehmen im Nebenberuf geführt wird, entwickeln die Sanders immer neue Ideen, so den „Berliner Kremser“ und „Tier tut gut“, ein Angebot an Menschen mit Handicap. Die Wegesituation schätzen Sanders als unkompli- ziert ein, für sie ist es mit der Einführung des neuen Waldge- setzes leichter geworden.

Touristinformation in Groß Schönebeck. Ständiger Personal- wechsel ist ein wesentliches Problem der Touristinformationen. Häufig fehlen Ortskunde und Detailwissen dem oft nur für kurze Zeit eingesetzten Personal. Dies ist umso bedauerlicher, als Wanderer eindeutig zu der für Touristiker attraktivsten Zielgruppe gehören. „Die Wiederentdeckung des Wanderns bietet dem Tourismus eine ungeheure Chance.“

Wie viele Informationen braucht ein Tourist? Die engagierten Unternehmen sorgen selbst für ihr Marketing. Obgleich die Strukturen der touristischen Vermarktung in klaren Bahnen laufen, mangelt es an Kooperation und Koordination. „Im Tourismus wurschtelt lieber jeder für sich allein. Der Gast langweilt sich vielleicht, weil er alles nicht findet.“ 35 S U M S I R U O T D N U T A M I E H

Für den Leiter des Templiner Kirchenforstbetriebes spielt der Tourismus eine viel zu große Rolle bei der gegenwärtigen Ausrichtung der Waldpolitik, was enorme Auswirkungen auf das Wildverhalten habe. „Die Wege werden lauter, Reiter und Radfahrer bringen Unruhe in die Wälder. Dadurch wird die Äsungszeit für das Wild knapper und das Wild verbeißt be- sonders schädlich.“ Die Kirchenforstflächen von Templin sind, obwohl sie sehr attraktive Waldbilder bieten, recht wenig von touristischer Nutzung betroffen. Trotzdem bilden Reiter, die die Wege zerstörten und Wanderer, die Lagerfeuer anlegten, eine Belastung. Dem kämen schwammige Regelungen entgegen, z.B. welche Wege nun für das Reiten freigegeben seien.

Dass Reiter die Brandenburgischen Waldwege frei benutzen können, gehört zu den heftig umstrittenen politischen Entschei- dungen der Landesregierung. Fahrradfahrer und Fußgänger beklagen einen sich verschlechternden Zustand der Wege, die Reiter dagegen verweisen auf die viel drastischeren Schäden durch Erntemaschinen. Gehören Pferde und Reiter in den Wald, oder nicht? Beim Streit um die Wege steht auch immer die Frage im Hintergrund, welche sozialen Gruppen sich den Wald durch ihre Nutzungen aneignen dürfen.

Untergeordnete Radwege, insbesondere in Naturschutzgebieten, sollten möglichst eine wassergebundene Decke erhalten, um die Zerschneidungswirkung der Wege möglichst gering zu halten. Die Wälder dürften nicht zerschnitten und mit Pkws befahren werden. Dies mindere die Erholungsqualität erheblich und ließe den Wald für den Tourismus nicht mehr interessant sein.

Die Schnitte der Motorsäge verraten, dass hier mal ein Weg ent- lang führte. Es gibt kaum noch Wälder, die nicht durch breite Forstwege erschlossen sind. So wird der Waldgang in der Regel zum Spaziergang. Um die Eigenartigkeit einer Waldgesellschaft erfahren zu können, den Waldboden, die Krautschicht, die Äste des Unterstandes etc. muss man die Wege verlassen, wie die Pilze- und Beerensammler es tun. 36 HEIMAT UND TOURISMUS

Joachimsthal, 2006. Auf der Aussichtsplattform des alten Joachimsthaler Wasserturms fällt es einem wie Schuppen von den Augen, warum das BIORAMA-Projekt von Sarah Phillips und Richard Hurding diesen Namen trägt: Wohin das Auge blickt, scheint Natur die Landschaft zu prägen. Von der Idee des Biosphärenreservates überzeugt, wollen sie nicht nur Touristen in die Region ziehen, sondern mit Kunstprojekten und einer Möbelmanufaktur, die mit Naturfasern produziert, ihre Attrak- tivität steigern.

Der Uckermärkische Mythengarten e.V. geht auf die Suche geht nach Orten in der Landschaft, die mit besonderen Bedeutungen, Sagen, Mythen etc. beleget sind und dem Wort „Heimat“ einen neuen Sinn geben. Gemeinsam mit den Menschen, die in der Nähe solcher Orte leben, will man diese oft in Vergessenheit geratenen Schichten der Landschaft wieder ins Bewusstsein heben. Dafür werden sie gemeinsam gestaltet. Bei Götschendorf am Ufer des Kölpinsees ist mit Kindern ein solcher Ort gestaltet worden.

Waldfest in Menz, 2006. Ihren Blick auf die Landschaft stellen regionale Künstler aus. Gezeigt werden die Schönheit der Natur, die friedlichen Tiere, ein Idyll. Wirtschaftende Menschen bleiben außen vor. 37 E T A T I Z Die Leute sind behutsam mit dem Wald.

Die für Pilzsammler interessanten Pilze gibt es eher in den Kiefernforsten.

Zäunungen, wie sie verstärkt zu beobachten sind, verärgern die Pilzsammler.

Nach Wald hat sich noch niemand so direkt erkundigt, die Leute wollen die Landschaft allgemein erkunden, die Natur genießen, Fahrrad fahren... Also ich würde die Touristen nach Wolletz oder in den Grumsiner Forst schicken.

Manchmal werden wir gefragt, ob wir nicht mal den Wald bisschen aufräumen könnten. Die Leute aus der Fachklinik sind über den Wald oft nicht so begeistert, die kennen so natürlichen Wald nicht, sind meist Städter und Wessis.

38 Die aus der Nutzung genommenen naturnahen Wälder in den Kernzonen ZITATE des Reservates... werden explizit nicht als touristische Ziele aufgefasst. Ebenso die Monokulturen und Altersklassenwälder der Kiefer, insbesondere das Waldbild in der Schorfheide... ist von geringem Interesse. Naturnahe Wälder: Mischwälder mit hoher Artenvielfalt, mit Totholz und eindrucksvollen Baumindividuen – das spricht die Leute aus den Städten an.

Die Leute nehmen sehr wohl wahr, wie der Wald aussieht. Sie unterhalten sich darüber, dass es weniger Blaubeeren gibt und kaum noch Himbeerschonungen. Sie sehen, wo gearbeitet wurde. Unaufgeräumtheit verursacht ihnen Unmut.

Die Leute nehmen den Wald so, wie er ist.

Die überregionalen Radwege sind alle asphaltiert. Das wollte man nicht. ...Die Touristen sollen in der Region bleiben, nicht nur durchrauschen – nicht nur ein asphaltierter Highway und Natur als Kulisse.

Die kaputten Wege sehe ich auch als eine Art Disziplinierungsmaßnahme, da Wege oft unsachgemäß genutzt werden. Ich stelle auch öfter Schranken auf oder lasse Bruchholz extra liegen.

39 Z T I S E B D L A W

Die Schorfheider Agrar GmbH (SAG) bewirtschaftet ca. 2500 ha landwirtschaftliche Nutzflächen überwiegend südlich von Groß Schönebeck. Die Beziehungen der Landwirte zum Wald sind durch zwei Umstände bestimmt: Das Wild aus den umliegenden Wäldern drückt auf die Felder, zudem ist die SAG ist im Zuge des Ankaufs von Ackerflächen selbst mehr oder weniger freiwillig zum Waldbesitzer geworden. Die Landschaft um Groß Schönebeck ist trotz Flurbereinigungen des letzten Jahrhunderts immer noch mosaikartig gestaltet. Dies hängt mit der Grenzertragsqualität der Böden zusammen – hier befinden sich Senken, in denen es feucht bleibt und wo kleine Erlenbruchwäldchen entstanden sind, dort heben sich eiszeit- liche Sandkuppen aus den Feldern, die für eine ackerbauliche Nutzung ebenfalls nicht in Frage gekommen sind und die mit Kiefern oder Laubhölzern bestockt sind. Die historische Ausdif- ferenzierung der Nutzung nach der Bodengüte war sehr filigran und ist erst im Zuge der Technisierung der Landwirtschaft gröber geworden. Immer noch aber finden sich sehr differenzierte Über- gänge von Wald – Feld – Grünland in der Landschaft. Dies führt z.T. zu einem erheblich erhöhten Bearbeitungsaufwand. „Wenn ich so einen Schlag mit der Maschine abfahre, sind es manchmal dreizehn Kilometer, obwohl er nur wenige Hektar groß ist.“

So genannter Bauernwald im Besitz Schorfheider Agrar GmbH „wo eben alles durcheinander wächst. Hier könnte man im Moment höchstens Brennholz machen. In letzter Zeit fragen die Leute öfter, ob sie einen trockenen Baum herausholen können, das erlauben wir auch. Wirtschaftlich ist da nichts zu holen.“ Ob diese Kleinstflächen im Sinne des Leitbildes artenreicher Laubmischwälder irgendeine Relevanz haben, kann der Leiter des Betriebes nicht beurteilen – eine Frage, die zu klären wäre!

Insgesamt hat die SAG zu viel Wald, um ihn zu ignorieren, gleichwohl schildert Geschäftsführer Gottschalk eine gewisse Ratlosigkeit beim Umgang mit den Flächen. Eigentlich sei es ein Gebot, eine wirtschaftliche Perspektive auf die Forstflächen zu entwickeln, trotzdem sei dies nicht einfach. Eine GmbH sei nicht die ideale Eigentumsform für eine langfristige forstliche Perspektive – „Das kann am besten der Staat oder der Großpri- vatwaldbesitzer. Die kleinen Waldgemeinschaften sind ja Notge- meinschaften.“ Waldentwicklung verlange eine Perspektive über Generationen. „Wir sollten uns damit beschäftigen, aber es fehlt uns an fachlichem Wissen und an Geld für die Investitionen“. 40 WALDBESITZ

Jüngst gepflegter Bestand der Schorfheider Agrar GmbH, 2006. Gerade habe man 25 ha durchforstet und dabei auch Geld einge- nommen. Fachlich ließ Gottschalk diese Maßnahme von einem pensionierten Förster betreuen, „der hat auch die Bäume ausge- zeichnet.“ Nun stünde da ein Altersklassenwald, der in ein paar Jahren wieder reif zum Hieb wäre – spätestens dann müsse aber mit der Neuaufforstung etwas passieren. Man sei aber unent- schlossen, wie beherzt und mit welchen Methoden man das Pro- blem angehen solle. Die Abgaben an den Gewässer- und Boden- verband und die Beiträge für die IHK bänden zusätzlich Mittel, die man dort vielleicht einsetzen könne – mit 9 Euro je ha ziehe die Gemeinde permanent Geld ab. Der größte Teil der Wirtschaftsflächen der SAG ist immer noch in Pacht, erst nach und nach kauft man die Flächen von den alten Eigentümern ab. Dabei sind oftmals auch kleine Waldflächen, die die Eigentümer in der Regel gleich mit abgeben wollten. So kommt es, dass die SAG bei 300 ha Ackerland im eigenen Besitz auch 70 ha Wald ihr eigen nennt. Zum Teil handelt es sich dabei um forstlich bearbei- tete Flächen mit holzwirtschaftlichem Potenzial.

Rückeschaden in einem Bestand der Schorfheider Agrar GmbH. Bei der Ernte versuchen die Landwirte, den richtigen Zeitpunkt im Jahr zu wählen, so dass die Wunden am besten verheilen würden, obwohl die Ernteunternehmen meist in den weniger guten Jahreszeiten mehr zahlten – „die wollen ja das ganze Jahr über was zu tun haben.“

Pflegebedarf ist an vielen Stellen um Groß Schönebeck auszumachen. Die Kleinwaldbesitzer fragen bei dem größeren Landwirtschaftsbetrieb schon nach, „ob sie sich mit ihren Maßnahmen nicht bei uns einklinken könnten“. Viele kleine Flächen müssten dringend durchforstet werden, aber es hänge sehr von der Bindung des Eigentümers ab. „Die Bauern haben meist keinen Ehrgeiz und hängen sich bei uns ran.“ 41 Z T I S E B D L A W

Forsthaus Laatz, Sitz des Kirchenforstbetriebes Templin. Der Templiner Kirchenwald geht auf das Jahr des Kirchenbaus 1752 zurück. Ursprünglich erwarben die askanischen Mark- grafen Johann I. und Otto III. knapp 400 ha vom Slaven-Herzog I. Damit kam das jetzige Revier „Laatz“ an Brandenburg und ging später in den Besitz der Templiner Kirche über. Weitere Schenkungen schlossen sich an, so dass bis 1900 ca. 520 ha zu- sammen gekommen waren. Ab 1991 vergrößerte sich der Kirchen- forst durch Arrondierungskäufe um weitere 400 ha. Zudem schlossen sich die kleineren Kirchgemeinden der Umgebung mit ihren Waldflächen zu einer Waldgemeinschaft zusammen und lassen ihre Flächen seither vom Templiner Kirchenforst be- wirtschaften. Im Gegensatz zu dem sonst oft sehr kleinflächigen Kirchenwald findet sich also bei Templin ein relativ großer Forst- betrieb in der Hand von Kirchgemeinden.

Revier Laatz im Kirchenforst Templin. „Das ist ein Filetstück, es ist deshalb von vornherein recht artenreich.“ Trauben- und Stie- leiche mischen sich hier mit Buche, Linde und Ahorn, hin und wieder gemischt mit einzelnen mächtigen Kiefern. Seit langem arbeitet man hier in einer Plenterstruktur. An anderen Stand- orten finden sich dagegen sehr arme Böden. „Da steht eben nur Kiefer.“

Plenterwald in der Nähe von Templin, Revier Laatz, Kirchenforst Templin. Zu den zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre, die aus forstlicher Sicht kaum zu beeinflussen sind, zählt der zuständige Förster das zunehmende Auftreten lang andau- ernder Sommertrockenheit. „Vieles ist hier im Juli verbrannt.“ In dieser Hinsicht macht sich der Forstmann ernste Sorgen um die Zukunft seiner Bestände. 42 WALDBESITZ

Weg durch zwei Kleinwaldflächen von verschiedenen Eigen- tümern. Die linke Fläche war mit Birken bestockt und ist nun von einem pensionierten Förster mit jungen Bäumen unterbaut worden. Auf der rechten Fläche stocken Kiefern, verjüngt wurde bisher nicht.

Wie verschieden die Eigentümer auf ihren Flächen agieren, kann man in den Wäldern um Groß Schönebeck gut sehen – oft grenzen sehr verschiedene Waldbilder direkt aneinander. Fehle es der Landbevölkerung schon an Eigentümerbewusstsein, sei es bei den Erben in den Städten noch stärker gelockert. „Die haben keine Skrupel, alles abzuholzen und den Rest liegen zu lassen, wenn ihnen das jemand schmackhaft macht.“

Von einem pensionierten Förster verjüngter Kleinwaldbestand, der bald durchforstet werden muss. Wo entsprechende engagierte Akteure fehlen, verkommen dagegen viele Flächen. Der Klein- waldbesitz ist eine der größten Herausforderungen für die Forst- und Holzwirtschaft in den kommenden Jahren. Hier liegen nicht nur große Potenziale an Holz, hier fehlt es oft auch am nötigen Interesse für aktive Investitionen. Die Eigentümer sind oft ver- streut, nur Waldbesitzer, die auch im ländlichen Raum wohnen, kooperieren in der Regel in Forstbetriebsgemeinschaften. Gemessen an den geringen Einnahmen, die mit den kleinen Flächen in sehr langen Zeiträumen erzielt werden können, ist das weit verbreitete Desinteresse nachvollziehbar. Andererseits wird für die Landbevölkerung auch der kleinflächige Wald wie- der zunehmend als Brennholzlieferant interessant.

„Ein guter Waldbesitzer ist der, der alles liefern kann.“ Betrachtet man nicht nur die Holznachfrage, sondern alle Leistungen, die vom Waldbesitz erbracht oder zumindest ermöglicht werden sollen - Erholung, Bil¬dung, Artenschutz, ökosystemare Leistungen - stellt sich die Frage, welche Formen des Waldbesitzes diesen Anforderungen wohl am ehesten gewachsen sind. 43 E T A T I Z

Ich habe Angst, dass jemand sich hier Wald kauft und erst mal richtig Kohle macht. Dann wird das Holz verkauft und nicht mehr investiert.

Die Privatwaldbesitzer werden sich lieber die Laubholzverjüngung fördern lassen als Douglasie anzubauen.

Ich bin Vorsitzender einer Forstbetriebsgemeinschaft, aber das hat nichts zu sagen, ick geb‘ da nur meinen Namen für her. Die Arbeit macht alles der Förster. Und die Frau von der Buchhaltung dit Schriftliche.

Die kleinen Waldgemeinschaften sind Notgemeinschaften.

Höchstens 5 % der Waldbesitzer nehmen meiner Einschätzung nach Fördermittel in Anspruch. Für die meisten ist der Wald ohne wirtschaftliche Bedeutung, sie betrachten ihn höchstens als Brennholzlieferant und tun folglich nichts für eine gute forstliche Bewirtschaftung.

44 Man spricht die Privatwaldbesitzer ZITATE an, einige lassen sich überreden, einen Harvester auf der Fläche ernten zu lassen. Danach bleibt ein Bestockungsgrad von 0,4 oder 0,5 und es wird nichts mehr gemacht. Was kommt, ist Calamagrostis und Traubenkirsche.

Wir sollten uns mit unserem Wald beschäftigen, aber es fehlt uns an fachlichem Wissen und an Geld für die Investitionen.

Die defizitäre Situation der Waldbesitzer führt dazu, dass das Grundvermögen der Menschen im Land verloren geht. Sie veräußern ihre Lebensgrundlagen. Das ist Kolonialisierung.

Der Waldbesitzer, der das umsetzten soll, tut mir jetzt schon leid. Der muss eine Stelle im öffentlichen Dienst haben, damit er was zu beißen hat.

Den Kleinwaldbesitzer können Sie mit so einem Leitbild nicht ansprechen.

45 T S N U K

Holger Barthel, Poetische Bahnhofslaternen, Skizzen, Misch- technik 2006. Für den Joachimsthaler Kaiserbahnhof, auf dem nicht wenige Wander- und Radtouristen aussteigen, hat sich der Maler Holger Barthel poetische Bahnhofslaternen einfallen lassen, an denen nicht nur Naturgedichte, sondern auch kurze naturphilosophische Texte die Gäste in einen stillen Dialog über verschiedenste Naturerfahrungen verwickeln sollen.

Holger Barthel, Aus dem Skizzenbuch zum Werbellin, 2006. Seine nach der Natur gearbeiteten Szenen können als Einladung an den Betrachter verstanden werden, intakte Natur als beson- deren Erfahrungsraum zu entdecken, der durch nichts anderes zu ersetzen ist. Sein Wald der Zukunft wäre ein Mischwald, dominiert von Buche und Eiche, bestockt mit vielen Altersklas- sen, reich an Strukturen, aber auch „wirtschaftlich tragfähig“.

Holger Barthel, Wald am Ufer des Werbellinsee, Aquarell 2006. Fasziniert vom Wildnisgedanken sucht Barthel in seinen Bildern einen Ausdruck für Raum, Rhythmus und Farbe unberührter Natur als Teil der Landschaft, zur Inspiration wie zur Herausfor- derung für den Betrachter. Seine Arbeiten seien „nicht süß und zärtlich“, sagt Barthel – „in intakter Natur ist nicht alles heiter, Idylle.“ Er knüpft die Hoffnung an seine Arbeiten, einen scho- nenden Umgang mit Natur zu befördern. 46 KUNST

Sophie Natuschke, Im Moor Plagefenn, April 1992, Aquarell „Wald ist ein Chaos von Gewebe und Strukturen, die auf Ge- wachsenem gewachsen sind – Wald ist eine Einheit für sich“, meint Sophie Natuschke, Künstlerin im Oderbruch, die Anfang der 90er Jahre als Rangerin im Biosphärenreservat Schorf- heide-Chorin gearbeitet hat. Bringt man Licht hinein, stört man diese Einheit. Aber es bedarf des Lichts, um ihn darzustellen. Das Licht und das Klima haben viele Auswirkungen, beides ist kostbar, jeder Eingriff zieht viel nach sich – auch gestalterisch. Es bedarf auch beim Zeichnen der Störung, um Wald darzustel- len – das Licht formiert die räumlichen Einheiten.

Sophie Natuschke, Fenn 1991 - 64, Aquarell Der Wald war für Natuschke lange etwas, was schützt. Anfang der 90er Jahre kippte bei ihr diese Vorstellung um. „Wald ist, was dünne Erdhaut schützt. Der Wald muss geschützt werden. Und das kann man nur, wenn man viel über ihn weiß, über seine Flora, Fauna und seine Geschichte.“ Wo der Wald unheimlich sei, träfe man sich selbst. Was sich uns heute als Wald darstelle, sei ein Sekundärwald. „Hier war alles schon mal gerodet, entwaldet. Die Frage ist doch, wie ist das eigentliche Bild der Uckermark? Wie entwickelte sich die Wald-Feld-Verteilung?“

Sophie Natuschke, trockenes kleines Moor 1988, Aquarell „Auf große Spurensuche“ ist sie gegangen, hat nicht nur die Landschaft für sich ausgedeutet, sondern über die Landschaft wohl auch sich selbst. Ein Moor ist für Natuschke mehr als ein Moor, es ist der eigene Sumpf, in dem nur mageres Licht phosphoreszierend leuchtet und zögerlich dem Raum Konturen und Struktur verleiht. Ist Erinnerung an die Kindheit, wo der Vater, ein Biologe, ins Moor über Schwingrasen führt… 47 T S N U K

Phillips und Hurding, Waldhaus, Joachimstal, September 2004 Die Installation „Waldhaus“ im Sommer 2004 war der Auftakt für das BIORAMA-Projekt in Joachimsthal, mit dem Sarah Phil- lips und Richard Hurding den alten Wasserturm und die „weiße Villa“ zu einem touristischen und künstlerischen Anziehungs- punkt entwickeln wollen. Mit der Installation begaben sie sich auf Spurensuche, um ihr Projekt in der Landschaft zu verorten. In den Bildern der Eiche, des dichten Geästes und der Bison- herde, die neben anderen Motiven durch Zweige an die Wände der Villa projiziert wurden, nahmen sie historische Signaturen auf, die das Haus in der Landschaft verorten.

Horst Seebacher, Wasser, Joachimstal, September 2006 Im Sommer 2006 stellte der Bildhauer Horst Seebacher aus der Schweiz in der „Weißen Villa“ mit dem Thema „H2O“ auch das Verhältnis von Wasser und Landschaft in den Mittelpunkt. Wenn gleich diese Installation sich dem Thema eher in einer nicht orts- spezifischen Allegorie nähert, korrespondiert sie doch mit der Landschaft. Der Landschaftswasserhaushalt in der Schorfheide ist ein zentrales Thema in den nächsten Jahren.

Nathan Peter, ohne Titel, Joachimstal, Juni 2006 Nathan Peter schuf im Juni 2006 ein beklemmendes Waldbild in einem Nebengebäude der „Weißen Villa“. Der Wald erscheint durch den technischen Zugriff zugerichtet und verkrüppelt.

„… im spiegelbild des blättertanzes … über den Hörwert“ (2000) ist die Arbeit von Helmut Lemke bei Steinmühle im Buchenwald des Serrahner Teils des Nationalparks Müritz benannt. Die Hör- rohre markieren an einem Wanderweg durch den Wald und das nahe Feld Orte, an denen es lohnt, die Sinne zu schärfen. Die Arbeit ist ein Angebot, wie aus dem Nicht-Nutzen ein Nutzen gezogen werden kann. 48 KUNST

Jürgen Hasse, Vierzehnender, Bebersee 2006 Erica Stürmer-Alex, Hirschkissen, Liebenberg 2005 Eberhard Ugowski, Jagd, Öl auf Leinwand, Bebersee 2006 Das größte der heimischen Waldtiere, der Rothirsch, nimmt im künstlerischen Schaffen in der Region einen besonderen Platz ein. Sei es, dass das einzelne Fundstücke die Phantasie und Produktion anregen, wie bei dem „Vierzehnender“ von Jürgen Hasse, sei es, dass er als Zeichen der Herrschaft über den Wald ironisch gebrochen wird, wie es Erika Stürmer-Alex mit ihrer Plastik in Liebenberg tat, wo sie das Hirschtor des Jagdschlosses zum Gegenstand ihrer Arbeit wählte oder sei es, dass der Hirsch als begehrte Jagdtrophäe in den Mittelpunkt rückt, wie bei Eber- hard Ugowski, der über den Hirsch die Jäger ins Visier nimmt.

Der Wald an und für sich spielt im Schaffen des Bildhauers Lutz Kittler aus Friedrichwalde weniger eine eigene Rolle. „Am Authentischen ist nicht rumzuwackeln. Im Wald ist der Wald, der ist nicht zu toppen, nur durch Waldbau zu verbessern, zum Beispiel hinsichtlich Naturnähe, Artenvielfalt, etc. Ich brauche meine Skulpturen dort nicht hineinzutragen.“ Vielmehr ist er für Kittler als Heimstatt von Hirsch, Reh, Wolf und Co. von Interesse. Er hat eine Reihe von Tiermasken aus Weichholz geschnitzt: Wolf, Adler, Hirsch und andere mehr. Für einen Umzug, oder besser einen Einzug der Tiere ins Dorf sind sie gedacht. Die sympathische Anverwandlung des Menschen an die Tier- und Pflanzenwelt ist für Kittler ein Thema. 49 E T A T I Z

Wir leben in einer Landschaft, die der liebe Gott verschwenderisch ausgestattet hat.

Der Wald ist der Wald, der ist nicht zu toppen. Ich brauche meine Skulpturen dort nicht hineinzutragen.

An die schöpferische Naturwidrigkeit ist der Mensch gefesselt. In Wahrheit ist seine Geschichte ein unaufhörliches Programm der Verkünstlichung. Nicht eine Pflanze im Garten, wie Gott sie schuf. Alles gezüchtet, bearbeitet, veredelt. Nun denn: veredeln wir uns!

Die Natur ist ein Korrektiv unseres Handelns. Das schließt ihre wirtschaftliche Nutzung nicht aus, sollte aber die Form der Nutzung beeinflussen.

Wald ist eine Einheit für sich. Bringt man Licht hinein, stört man diese Einheit. Aber es bedarf des Lichts, um ihn darzustellen. Das Licht und das Klima haben viele Auswirkungen, beides ist kostbar, jeder Eingriff zieht viel nach sich – auch gestalterisch. Es bedarf auch beim Zeichnen der Störung, um Wald darzustellen – das Licht formiert die räumlichen Einheiten.

50 Wir müssen ZITATE uns kümmern um das, was wir zeichnen!

Der Klimawandel zwingt dazu, den Wald so umzubauen, dass er überhaupt überdauern kann. Hier braucht es keine Ästhetik, sondern handfeste Arbeit im Forst.

Die kapitalistische Marktwirtschaft als Gesellschaftsform geht nur nach Gewinn und Nutzenmaximierung.

Ihr Wald ist der Forst. Seine Form der rechte Winkel.

Der Wald zeigt uns unser eigenes Gesicht.

Forst gestalten hieße, schöpferische Förster und Forstarbeiter ausbilden.

51 Z T U H C S R U T A N

Bei Libbesicke, September 2006. „Alles was Blätter abwirft, ist zu begrüßen. Alles was Kiefer heißt und über 30 Jahre alt ist, wirkt wie ein Verdunster, bildet kein Grundwasser“, so Frau Dr. Heike Mauersberger, Referentin für ökologische Grundlagen und Ge- wässerökologie im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Der Landschaftswasserhaushalt brauche vor allem in der Schorf- heide jeden Liter.

Bei Libbesicke, September 2006. Bezogen auf die gegenwärtige Ausrichtung der Arbeit der Landesforst formuliert die Gewässer ökologin Mauersberger eine klare Alternative: Entweder schwarze Zahlen mit Kiefernmonokulturen oder Grundwasseranreiche- rung! „Grundwasser muss in die Wirtschaftlichkeitsrechnung der Forst eingebracht und Wasser als ökologischer Wert mo- netarisiert werden.“ Solange das nicht geschehe, sähe sie kaum eine Möglichkeit, das Problem des Landschaftswasserhaushaltes langfristig in den Griff zu bekommen.

Grumsiner Forst, Juni 2006. Noch reiche das Wasserdargebot für einen Waldumbau aus und es bestünde auf lange Sicht die Chance, die Schäden im Landschaftswasserhaushalt zu beheben. Die Bereiche um die Plageseen / Choriner Endmoränenbogen und im Grumsiner Forst sind zum Beispiel komplett hydrolo- gisch saniert, die Abflüsse geschlossen und der Wasserspiegel gehoben worden. Es spiele eine große Rolle, dass die Eigentümer ihr Wasser verteidigen. Im Choriner Bereich seien es die Förster, die dies tun. Manchmal würde aus Unkenntnis eine Solschwelle, die das Was- ser im Moor zurückhalten soll, durchstochen, weil man meine, das war doch früher immer ein Bach. Frau Mauersberger ent- gegnet dann: „was vorher hier lief, war künstlich – aus einer Zeit als es noch keinen merkbaren Klimawandel gab. Auch wenn sich diese Abflüsse fünf bis sechs Generationen bewährt haben – für die nächsten Generationen erzeugen sie eine Steppe.“

Alte Mühle am Werbellinsee bei Joachimstal, August 2006. Eine Reihe von zum Teil weit zurückliegenden Eingriffen in den Was- serhaushalt wirken sich heute nachteilig aus: Das aus offenen Gräben und Drainagerohren bestehende Meliorationssystem in den Wäldern, die Trockenlegung vieler kleiner Wasserein- zugsgebiete der Moore, das Aufpumpen der Pinnowseen in der südlichen Schorfheide mit Grundwasser und die Anlage von Wildsuhlen. Hinzu kommen die Einflüsse der Flößerei in Nie- derungsbereichen, für die z.B. das Döllnfließ ausgebaut wurde; natürlicher Weise entspringt dort kein Fließ – sondern es gäbe ein Durchströmungsmoor. Auch die Staubecken und Wasser- gräben der vielen Wassermühlen sind künstlich angelegt. 52 NATURSCHUTZ

Strukturreicher Wald bei Wolletz, 2006. Eine naturnahe Wald- wirtschaft sei nicht nur aus der Sicht des Naturschutzes anzu- streben, sie sei auch touristisch ansprechender und obendrein ökonomisch, so die These der Naturschutzstiftung Schorfheide- Chorin. Die natürliche Konkurrenz, das Streben der Bäume nach Licht, führe hier fast von selbst zu Geradschaftigkeit.

Multifunktionale oder nach ihrer Primärfunktion segregierte Wälder? Diese Frage ist mit der gestiegenen Holznachfrage neu entbrannt. „Wer macht den Trend, die Holzindustrie oder die Forst?“ Diese Frage, so Dr. Michael Egidius Luthardt, Refe- ratsleiter Waldökologie, Waldschutz in der Abteilung Forst und Naturschutz des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Um- welt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MLUV), sei offen. Prognosen darüber, wie die Ansprüche in 30 Jahren aussehen, ob an dem heute noch politisch verfolgten Ansatz einer Multifunktionalität des Waldes in der Trias Holznutzung, Erholungsnutzung und Naturschutz festgehalten wird, seien schwierig. „Von heute aus betrachtet, geht die Tendenz zur Holz- nutzung.“

Zichower Forst, Winter 2006. Im Zichower Forst treffen ver- schiedene Waldgesellschaften auf engstem Raum aufeinander, da er im Übergangsbereich von Buchen- und Eichen-Hain- buchenwald-Verbreitung liegt. Um diesen Waldgesellschaften eine natürliche Entwicklung zu sichern, kaufte der NABU- Regionalverband Angermünde e.V. Teile des Forstes. Die Siche- rung des Waldes als Naturfläche steht an erster Stelle.

Grumsiner Forst, Juni 2006. Je naturnäher, desto schöner sind die Wälder: Diese These wird von den Naturschützern unisono vertreten. „Wenn dann noch ein Ertrag erwirtschaften werden kann, um so besser.“ Einzelstammwirtschaft, die hohe Gewinne mit Edellaubhölzern erzielt, erscheint vielen Naturschützern als eine Perspektive. 53 Z T U H C S R U T A N

Grumsiner Forst, Juni 2006 – eine Kernzone des Biosphären- reservates Schorfheide-Chorin. Was dem Verein fehlt, so ein Vertreter des Kulturlandschaft Uckermark e.V., dem Teile des Grumsiner Forstes gehören, ist die Möglichkeit, den Wald „an- deren zu zeigen“, ihn der Öffentlichkeit nahe zu bringen. Es gäbe nur Ausnahmen für Eliten: Jäger und Wissenschaftler. Um hier dennoch eine Lücke zu schlagen, vergibt der Verein gegen eine Spende Seenpatenschaften für die fünf Seen im Wald. Von der unteren Naturschutzbehörde (UNB) habe man die Erlaubnis be- kommen, mit den Spendern die Seen besuchen zu können.

In der Nähe der Glambecker Mühle, April 2006. Im Wald fin- den sich auch Objekte, die, wie dieser Bunker bei Glambeck, den die Staatsicherheit der DDR anlegte, um das Staatsjagdgebiet zu überwachen, auf die politische Dimension der Landschaft verweisen. Heute dient er als Fledermausquartier dem Arten- schutz.

Grumsiner Forst, Juni 2006. Waldumbau ohne Förster? Wohin tendiert eine Waldlandschaft, wenn man sie sich selbst überlässt? Die Kernzonen des Biosphärenreservates wie jene im Grumsiner Forst dienen in erster Linie dem Arten- und Biotopschutz. Auch solche Wälder könnten einen Waldumbau vertragen, da große Teile ihrer Flächen von der Artenausstattung aber nicht von deren Altersklassen her naturnah seien, so ein Waldschützer.

Landschaft am Südufer des Wolletzsees, Sommer 2006. Offene, abwechslungsreich strukturierte Landschaften, seien für Touris- ten interessant, meinen die Landschaftsplaner des Biosphären- reservates. Deshalb sollten die kleinen Waldstücke und Feldge- hölzinseln in der Agrarlandschaft erhalten bleiben bzw. wieder eingebracht werden. Seitens der Planer besteht kein Interesse an einer Arrondierung der Splitterflächen bei gleich bleibender Flächengröße des Verhältnisses von Wald zu Acker. Die Wald- Feld-Grenze sollte in ihren Augen nicht geringer, könnte gar ver- mehrt werden. Wald ist nicht nur wegen seines Vorrates an Holz und der wohl dauerhaft steigenden Holznachfrage eine Wertan- lage, sondern auch als Immobilie interessant, wo er in touristisch attraktiver Lager steht. Im Biosphärenreservat Schorfheide- Chorin ist man beunruhigt, dass entlang der großen Seen viele Grundstücke von wenigen Personen aufgekauft würden. „Gerade die Ufer werden Gold wert sein“, wenn das seenreiche Nord- brandenburg, wie geplant, zum Wassersporttourismuszentrum entwickelt wird. 54 NATURSCHUTZ

Imposante Altbäume, Totholz, ehemaliger Hutewald, Buchen- wälder mit Buschwindröschenteppich, Pflasterstraßen, Moore, schwebende Wollgrasfrüchte, Moorfroschkonzerte – das ist das Potential, welches es in den Landschaftsschutzgebieten zu nutzen gilt. Interessante Punkte werden als Naturerlebnispunkte für den Tourismus ausgestattet: mit Beobachtungstürmen, Lehrpfaden und Informationstafeln wurden bereits 40 Naturer- lebnispunkte eingerichtet.

Nicht nur der holzwirtschaftliche und der touristische Nutzungs- druck auf die Wälder werden zunehmen. Mit dem Touristen- angelschein werden wohl auch die Waldseen häufiger als bisher aufgesucht werden. Ob alle mit dem Fahrrad an die Angelstellen fahren werden, wie dies am Bachsee, einem Gewässer des Deut- schen Anglerverbandes, die Regel ist? Lenkungsarbeit wird zum Schwerpunkt der Naturschutzarbeit. 55 Z T U H C S R U T A N

Redernswalder Forst, Winter 2006. Viele Waldeigentümer machen die Steuerung der Waldentwicklung schwierig: Die Pla- nung von Bepflanzung, Forschungsflächen, Wasserrückhalt, die Umsetzung von Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen – alles dies bekomme man nicht mehr so einfach hin, so der für die Wal- dentwicklung im Biosphärenreservat zuständige Mitarbeiter. Ankauf wäre eine Lösung, aber die sei derzeit außerhalb der Reichweite. „Ein großer Waldbesitzer wäre besser.“

Grumsiner Forst, Juni 2006. Im Mosaik der Landschaft spielt die Wald-Feld-Grenze eine besondere Rolle. Hier Treffen zwei Landnutzungssysteme aufeinander, deren Grenze nur künstlich aufrechterhalten werden kann. Da der Wald beständig Raum greift und die Landwirtschaft ihre Flächen nicht preisgibt, fin- den sich naturnahe Waldsäume mit ausgeprägter Strauchschicht kaum mehr.

Wann tritt das Wild aus der Deckung? Aus ihren Verstecken her- aus und mit ähnlich eingeschränkten Blickfeldern aber grund- verschiedenen Interessen beobachten der Naturliebhaber und der Jäger die Waldkanten. Setzt man für den Waldumbau auf Naturverjüngung und erhöht daher den Jagddruck, werden die Erfolgserlebnisse auf beiden Seiten wohl geringer. 56 NATURSCHUTZ

Das Naturschutzgebiet „Heilige Hallen“ in Mecklenburg ist ein alter Buchenwald. Er erhielt seinen Namen wegen des hallen- artigen Raumgefühls, das der Besucher unter den alten großen Bäumen empfinden konnte: keine Bodenvegetation, nur die Baumriesen mit ihrem geschlossenen Kronendach, die Stämme wie Säulen fest im beschatteten Waldboden verankert. Inzwi- schen hat sich das Bild geändert: An vielen Stellen haben die Buchen ihr kritisches Alter erreicht und werden anfällig für Windbruch, elliptisch reißt die geschlossene Kronendecke auf. Obwohl auch dieses Stadium des Waldes für Besucher hoch interessant ist, erscheint es doch weniger majestätisch – und vor allem ist es relativ gefährlich.

Das auf dem Markt begehrte Buchenholz hat gänzlich andere Eigenschaften als etwa das Eichenholz. Stirbt die Buche ab und bleibt im Wald, können sich durch Feuchtigkeit schnell Pilze und mit ihnen viele andere Organismen einnisten. Eine abge- storbene Buche ist im Wald schneller verschwunden als viele andere Bäume.

Zusammengebrochene Buche im Grumsiner Forst, Juni 2006. Naturblößen wie Steinhalden, Froststellen, temporäre Wasser- stellen oder Sturmlöcher bis zu einer Größe von 0,5 ha solle man ihrer natürlichen Entwicklung überlassen. Die Totholzan- reicherung sei wichtig, so die Naturschützer. Und das laufende „Methusalem-Programm“, wonach in genutzten Forsten je ha fünf Altbäume stehen zu lassen sind, gehe in die richtige Richtung.

Der Schwammbefall von Altbäumen der Kiefer ist in manchem Revier ein Problem. Sie sind holzwirtschaftlich nicht mehr nutzbar. 57 E T A T I Z

Wir haben kein Wasser mehr. Grundwasser muss als ökologischer Wert monetarisiert werden.

Es kann nicht sein, dass privatwirtschaftliches Interesse dazu führt, dass die Wälder den Allgemeingutfunktionen nicht mehr gerecht werden können. Das heißt, die privaten und wirtschaftlichen Interessen müssen zurückgedrängt werden.

Ist das der deutsche Märchenwald, wie wir ihn kennen, der in den Kernzonen entsteht oder nicht?

Während Brandenburgs Wälder heute immer noch zu 80 Prozent durch Kiefernmonotonie in Reih und Glied langweilen, bietet der Wald rund um Hubertusstock wohltuende Vielfalt.

Naturnahe, artenreiche Wälder – wenn es die nicht mehr gibt, vergessen wir, wie der Wald aussieht und nehmen Kiefernmonokulturen auch als Wald hin.

58 In den Schutzgebieten ZITATE gehen mir zehntausende Festmeter verloren: alles Holz aus forstlicher Arbeit. Warum schreibt man das in den Wind?

Geht es nur um Gewinnmaximierung, nimmt die Verantwortlichkeit für die Landschaft ab.

Ganz deutlich feststellen kann man den Rückgang des Wassers, den rapiden Rückgang des Wildes, die Veränderungen im Wald, wie das Aufreißen der Walddecke, damit die Vergrasung. So gibt es keine Pilze mehr. Die Wege sind in einem furchtbaren Zustand, weil die großen Erntegeräte darüber fahren, andere schöne Wanderwege sind plötzlich geschottert.

Alles, was Blätter abwirft, ist zu begrüßen. Alles, was Kiefer heißt und über 30 Jahre alt ist, wirkt wie ein Verdunster.

Wir wissen doch nicht, welche Pflanzen wir in 200 Jahren brauchen. Genetische Vielfalt ist der Garant für größtmögliche Anpassungsfähigkeit gegenüber Veränderungen.

59 G N U D L I B T L E W M U

Schulwaldprojekt der Pannwitz-Grundschule in Lychen. Seit dem Schuljahr 2005/2006 findet für die 6. Klasse wöchent- lich waldbezogener Unterricht im nur fünf Minuten entfernten Schulwald statt. Die bereits 1911 als Freiluftschule für lungen- kranke Kinder gegründete Schule knüpft mit diesem Projekt an die Tradition an. Lehrer und Förster des Stadtforstamtes Lychen haben gemeinsam ein Konzept für einen fächerübergreifenden Unterricht im Freien entwickelt, wofür das Stadtforstamt 139 ha Schulwald ausgewiesen hat. Das Projekt wurde 2006 beim 2. bundesweiten Ganztagsschul- wettbewerb prämiert. Einbezogen werden die Fächer Biologie, Geografie und Arbeitslehre, die an diesen Tagen durch zwei Revierförster und eine Försterin. unterstützt durch die Biolo- gielehrerin und eine weitere Kollegin. unterrichtet werden. Am Ende des Schuljahres fließen Waldprüfung und Arbeitshefter in die Biologienote ein.

Die Mittel für die wetterfeste Ausstattung der Schüler, Regen- cape und Rucksack mit Klapphocker, Fernglas, Kompass und Schreibunterlage sowie Bestimmungsbücher, Fahrräder und die Schutzhütte im Wert von insgesamt 25.000 € warb Stadtförster Hilmar Alexandrin hauptsächlich von seinen Holzkunden ein. So spendeten etwa ROBETA Milmersdorf, das Sägewerk BOHM und der Industrieholzverarbeiter KRONOTEX. Das Beispiel Lychen zeigt, dass regionale Wertschöpfung schnell über den Bereich der Wirtschaft hinaus Entwicklung im ländlichen Raum fördert.

Anlegen einer Blattsammlung im Schulwaldprojekt. Verant- wortungsbewusst gehen die Schüler mit der Natur um, kein Blatt wird unnütz abgerissen. Auch die Zusammenarbeit in den Gruppen funktioniert. Nachfragen an die Förster werden gern und immer im waldspezifischen Zusammenhang beantwortet. Hausaufgaben gibt es auch: Drei weitere Blattarten sollen der Sammlung hinzugefügt werden.

Für die Förster im Schulwaldprojekt ist es wichtig, den Wald in Beziehung von Wirtschaft und Naturschutz zu zeigen. Ergänzt wird der Lehrplan durch naturkundliche und forstwirtschaftliche Themen passend zur jeweiligen Jahreszeit. Zu jedem Baum erfah- ren die Schüler neben den biologischen auch die wirtschaftlichen Aspekte. Wesentliche Merkmale werden gemeinsam erarbeitet. So wird ganz nebenbei der Umgang mit Bestimmungsbüchern und Fachbegriffen gelernt und das Lesen gefördert. Daneben sind die Gespräche zwischen Schüler und Förster sowie viel Bewegung und Erfahrungen mit allen Sinnen von Bedeutung. 60 UMWELTBILDUNG

Ein sprechender und schauender Baum im NABU-Naturerlebnis- zentrum Blumberger Mühle. Umweltbildung für Kinder arbeitet oft mit kreatürlicher Imagination. Auf diese Weise kann die Identifikation mit dem lebenden Organismus befördert werden. Forstliche Perspektiven sind dagegen schwerer zu vermitteln.

NABU-Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle, Sommer 2006. Das als Baumstumpf geformte Haus ist einer der wichtigsten Anlaufpunkte für die Umweltbildung im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. Die Bildung zu waldwirtschaftlichen Frage- stellungen bleibt dagegen den Waldschulen vorbehalten.

Junior-Rangerinnen. Die Arbeit mit den Junior-Rangern der Naturwacht findet kontinuierlich statt. Neben Kartierungen führen die Kinder und Jugendlichen selbst Exkursionen mit Besuchern z.B. der Blumenberger Mühle durch. Auch bei Schul- projekten beweisen sie ihr umfangreiches Naturwissen und methodisches Können.

Umweltbildungsseminar für Studenten der Universität Münster, von den Junior-Rangerinnen geleitet. Lernspiele im Freien - es findet ein ständiger Wechsel zwischen Bewegung, Beobachtung, Suchen, Anfassen, Erzählen, Nachfragen, Spielen und Reflexion statt, alle Sinne werden einbezogen. 61 E T A T I Z Die Gesellschaft will Bildung, dann muss sie das auch fördern. Das gilt auch für die Umweltbildung.

In Brandenburg sind folgende Stärken zu verzeichnen: offene Landschaft, ein idealer Waldanteil, Vorkommen von Heiden und Mooren, viele natürliche Gewässer, ein sanftes Relief mit milden Höhenunterschieden, viele alte Bäume, Alleen, beobachtbare Tiere, Stille, Weite, Einsamkeit.

Vielleicht liegen wir auch falsch, wenn wir alle Ausländer rausschlagen? W ir sind ja selber eine multikulturelle Gesellschaft.

Zurzeit wird die Waldschule nur defensiv betrieben, wirtschaftliche Belange haben Vorrang.

Die meisten interessiert das dann doch nicht so sehr.

62 Von allein kommen ZITATE nur Birke und Robinie. Der Wald wird nur bunt, wenn man ein bisschen was dazwischen steckt.

Die derzeitige Waldnutzung erfolgt an der Nachhaltigkeitsgrenze. Für Viele wird die heile Welt eingeschlagen.

Wenn man das Wildproblem nicht in den Griff bekommt, kann man das Räsonnieren über Naturverjüngung sein lassen. Nur ein totes Reh ist ein gutes Reh.

Der Kampf zwischen denjenigen, die die Natur erhalten wollen, und denen, die die Landschaft nutzen, ist immer noch stark.

Das ist kein typisches Brandenburgisches Problem. Fehlende Bildung durchzieht alle Altersgruppen - deshalb spielt Waldumbau in der Umweltbildung und Waldbildung keine Rolle.

63 G N U D L I B T L E W M U

Klassenfahrt einer Berliner Grundschulklasse ins Wald-Solar- Heim. Voller Fragen umringen die Kinder den Förster. Flussfloh- krebs und Eintagsfliegenlaven zeigen den Schülern an, dass das Gewässer „in Ordnung“ ist. Alle beteiligen sich und „wenn so der Biologieunterricht wäre, würde ihnen das Spaß machen“.

Wandertag einer Förderschule für Behinderte ins Eberswalder Wald-Solar-Heim. Baumbestimmung mit verbundenen Augen. Wie fassen sich Nadeln oder Blätter an, wie heißt der Baum, wie wird er genutzt? Der Wald als Lebensraum wird spielerisch er- fahren, z.B. beim Malen mit Pflanzen und Erde.

64 JAGD

Weg in der Oberförsterei Grimnitz, Mai 2006. Während links schon der vitale Unterstand vom erfolgreichen Waldumbau der letzten Jahre Zeugnis ablegt, ist die Fläche rechts gegen Wildver- biss gezäunt worden und kann nun mit Laubhölzern unterbaut werden. Eingebracht werden Winterlinde, Hainbuche, Rotbuche, Traubeneiche, Roteiche, Spitzahorn und Bergahorn, aber auch Douglasie und Lärche. Das Einzäunen gegen den Wildverbiss ist gängige Praxis im Landeswald, wird aber von den privaten Waldbesitzern nicht als sinnvolle Investition anerkannt. „Die be- rechnen für die investierten Mittel Zins und Zinseszins, so dass die Aufforstung am Ende defizitär erscheint.“

Ohne Zäunung sehen in manchen Regionen Brandenburgs die Forsten karg aus: Die Verjüngung ist fast vollständig verbissen. Unbedingt, so schildern Förster, müsse man kleine Gatter bauen, gerieten diese zu groß, würde das Wild geradezu animiert, die Zäune zu überspringen. Besonders fällt manchen Förstern auf die Nerven, wie selektiv das Wild beim Verbiss und selbst beim Fegen vorgeht. „Das Rotwild sucht, findet und knickt jede von mir gepflanzte Eberesche.“

Verzweiflung wischt auch einmal Vorschriften beiseite: Ein mit Buttersäure getränktes Tellertuch, um das Schalenwild fern- zuhalten. Der Verbiss ist an manchen Stellen enorm. „Es ist zum Kotzen“, klagt der verantwortliche Förster.

Verbissener Jungtrieb einer Buche, der vom Förster durch einen gezielten Schnitt noch einmal gerettet werden konnte. Verjün- gung ist ohne Zäunung und hohen Jagddruck in vielen Wäldern Brandenburgs kaum möglich. Allerdings richtet das Wild sehr unregelmäßigen Schaden an. Die Förster können sich nicht immer erklären, warum bestimmte Gebiete sehr stark, andere dagegen überhaupt nicht frequentiert werden. Entsprechend der Betroffenheit gehen auch die Meinungen weit auseinander: Wo die einen vor lauter Wild keine Bäume mehr wachsen sehen, empfinden die anderen nur Hysterie. 65 D G A J

Grumsiner Forst, Juni 2006. Angelegte Weisergatter von 10 mal 10 Meter Zaunlänge und entsprechende Nullflächen ohne Zäunung hätten gezeigt, dass im Gatter Buche, Hainbuche, Eiche, Erle, Esche, Birke etc. und außerhalb nur die Rotbuche hochkommt. Der Rest würde verbissen, der Wald habe zwar eine naturnahe Artenzusammensetzung, nicht jedoch eine naturnahe Altersstruktur. „Waldumbau wäre hier Jagdwirtschaft.“

Grumsiner Forst, Juni 2006. Den Wald gänzlich „in Ruhe lassen“, das ginge nicht, so sind sich auch die Vertreter des Kultur- landschaft Uckermark e.V. einig, die den Wald besitzen. Eine „natürliche Entwicklung per se ist nicht möglich“. Am Grum- siner Forst, der in Teilen aus der holzwirtschaftlichen Nutzung genommen worden ist, wird das Problem deutlich: Er ist einge- bettet in eine Kulturlandschaft, umgeben von Äckern. Der sich selbst überlassene Wald, mit seinen Dickungen böte dem Wild ein Rückzugsgebiet und so gebe es ein Problem mit der benach- barten Landwirtschaft, da das Schwarzwild alles auf den Äckern auffresse. Ohne Jagd ginge es nicht.

Der Waldbesitz des NABU-Regionalverbandes Angermünde e.V. ist zu klein und liegt zu zerstreut, als dass man auf die Bejagung direkten Einfluss nehmen könnte. Die Jagd sei aber unverzicht- bar, da es keine ausreichend großen Wälder gäbe, in denen auch die Prädatoren sich selbst überlassen bleiben könnten.

Ein Jagdansitz auf einem Strohdepot der Schorfheider Agrar GmbH. Die Groß Schönebecker Landwirte jagen nicht selbst, um so mehr haben die örtlichen Pächter damit zu tun, den Wild- druck auf den Feldern aufzuhalten. „Wenn ein Jäger auf einem einzigen Schlag in einer Saison 100 Sauen schießt, kann etwas nicht stimmen. Der hat dann irgendwann von seiner Frau ein Ultimatum bekommen, er könne ja einen Koffer mit auf den Hochsitz nehmen.“ 66 JAGD

Jagd im Stadtforst Lychen, 1. Dezember 2006. Im Gegensatz zu aristokratischen Jagden ist die hiesige Stadtforstjagd ein kom- munales Ereignis. Die Mitarbeiter der Stadt laufen als Treiber mit. Zugleich wird strategisch genau geplant, wann an welchen Stellen das Wild in Unruhe gebracht wird und welche Ansitze zu besetzten sind. 2006 organisierte man die Jagd gemeinsam mit der Oberförsterei Alt Placht.

Ein erfolgreicher Tag: Jagd im Stadtforst Lychen, 1. Dezember 2006. In den Wäldern um Lychen ist der Jagddruck in den letzten Jahren massiv erhöht worden. „Die Jagd ist ein Nebenprodukt der Forstwirtschaft. Der Wildbestand muss herunter, damit der Wald wächst.“ Das Schwarzwild macht mehr den Landwirten in der Umgebung zu Schaffen, im Wald leistet es sogar manchen wichtigen Dienst, indem es den Boden für den Samenanflug freilegt. Das Schalenwild ist dagegen vielen im Wald eine Plage, vor allem die kleinen und unscheinbaren Rehe, die die jungen Bäume als Konzentratselektierer weitaus präziser schädigen als Damhirsche.

Jagd im Stadtforst Lychen, 1. Dezember 2006. Am Ende der Jagd, zum „Kesseltreiben“ gibt es für alle Teilnehmer Gulasch- suppe. Nach wie vor gehört die Jagd zu den beliebtesten Formen im Wald, Gemeinschaft und Natur zugleich zu erleben.

Hochsitze dienen nicht allein der Jagd. In so mancher Kanzel deuten die eingeritzten oder aufs Holz geschriebenen Worte Geschichten an, die von anderem erzählen als erhöhtem Jagd- druck. 67 E T A T I Z Es gibt nicht zuviel Wild, es gibt zu viele Touristen, die das Wild aufscheuchen. In Brandenburg wird hysterisch gejagt.

Mit dieser gammligen Jagd machen sie viel kaputt. Was nicht im Zaun ist, wird kurz gemacht.

Es stehen zu viele Schießbuden im Wald. Es sieht aus, als ob dahinter ein Internierungslager wäre.

Dass die Jagd ein Wirtschaftsfaktor sein soll, ist ein verkehrter Ansatz, sie ist ein Nebenprodukt der Forstwirtschaft. Der Wildbestand muss herunter, damit der Wald wächst.

Das Wild ist ein furchtbares Problem. Das Rotwild springt in die intakten Gatter, die ich gebaut habe und ruiniert dort alles – es ist zum Kotzen!

68 Ein Zahnarzt aus Berlin ZITATE will, wenn er in seine Pacht kommt, auch schnell etwas schießen können. Der hält sich eigentlich einen Wildpark.

Ein Problem sind die Jäger, die mit 50 km/h durch den Wald rasen. Auch schauen die Jäger zuweilen düster, wenn die Wandergruppen unterwegs sind, da sie ihr Wild verscheucht sehen.

Bei dem in Brandenburg herrschenden Wilddruck ist das Leitbild nicht umsetzbar. Ich kann in meinen Flächen gegenwärtig überhaupt nicht mehr verjüngen.

Das Töten gelingt mir nicht so gut, ich betrachte lieber von der Kanzel die Schönheit der Tiere.

In dieser niederschlagsarmen Gegend wollte ich mir keinen Wald kaufen. Es dauert einfach zu lange, bis die Bäume hiebreif sind. Zum Jagen komme ich aber gern her.

69 N E N O I T A L L A T S N I T F A H C S T R I W T S R O F

Pinus Silvestris – der märkische Brotbaum Z T I S E B D L A W

Waldbesitz – Quelle oder Senke? Z T U H C S R U T A N

Wird es ein Märchenwald, der dort entsteht? Der Wald der Zukunft – wie hätten sie ihn gern? Bitte entwerfen sie ihren Zukunftswald! 70 INSTALLATIONEN HEIMAT UND TOURISMUS

Frau Leppins Weg in den Wald. UMWELTBILDUNG

Umwelt……………bildung. HOLZWIRTSCHAFT

Holz – Rohstoff oder regionales Warenlager? Verhältnis von in der Region eingeschlagenem und in der veredeltem Holz.

71 N E S E H T Freiheitsgrade in die Zukunft 10 Thesen über nachhaltige Waldwirtschaft

1. Das Leitbild einer nachhaltigen Waldwirtschaft ist entwicklungsoffen. Nachfolgende Generationen müs- sen es korrigieren und an veränderte Rahmenbedin- gungen anpassen können. Optionen forstlicher Land- nutzung sind so zu gestalten, dass sie ein Maximum an Freiheitsgraden für künftige Nutzerentscheidungen bieten.

2. Die Waldentwicklungsplanung darf nicht allein auf einem wahrscheinlichen Szenario gründen. Vielmehr müssen die Wälder so entwickelt werden, dass sie als Ökosysteme etwa auf eine Veränderung von Klimabe- dingungen reagieren können; sie müssen klimaplas- tisch sein. Deshalb sind Standorte mit einer potenziell hohen Baumartenvielfalt von besonders großem Inter- esse: sie sind im Falle drastischer Veränderungen „breit aufgestellt“.

3. Die angestrebten Waldtypen sind das idealtypische Optimum zwischen Angepasstheit an die derzeitigen und der Anpassungsfähigkeit an sich möglicherweise verändernde Standort- und Klimabedingungen.

4. Das Leitbild einer nachhaltigen Waldwirtschaft strebt eine Synthese von Ökonomie und Ökologie an. Ziel ist es, naturnahe Wälder zu entwickeln, die wirtschaftlich genutzt werden. Naturnähe bedeutet, dass sich die Wälder zu einem großen Teil selbst organisieren, Naturverjüngung, Selbstregulation und Selbststabilisierung durch natürliche Konkurrenz- prozesse und der Einsatz des evolutiven Potentials eines jahrhundertealten Genpools gehören zu ihren Funktionsmechanismen. Nutzung heißt, dass diese Wälder hervorragende Rohstoffe für die Holzwirtschaft liefern, aber auch ökologische und Infrastrukturleis- tungen am Markt in Wert gesetzt werden.

5. Die Natur kann vieles leisten – nur kann sie keine Qualitätssicherung für den Holzmarkt vornehmen. Dieses eine zusätzliche Selektionskriterium kann der Mensch der Natur hinzufügen, ohne sie in ihren grundlegenden Funktionen dabei zu beeinträchtigen. Damit wird ein Prinzip der Bionik in der Landnut- zung etabliert – eine Nutzung der Natur unter genauer Beachtung und Reproduktion ihrer Organisations- prinzipien. Das heißt: Ein Pflug schadet dem Wald; eine sachgemäß eingesetzte Säge schadet ihm nicht.

6. Das Ziel einer hohen Naturnähe ist mit einer Erhö- hung der Wettbewerbsfähigkeit der Waldwirtschaft vereinbar: eine deutliche Senkung der Produktions- risiken, der Absatzrisiken durch Angebotsvielfalt an Holzarten und Holzqualitäten, reduzierte Bewirtschaf- tungsaufwendungen und die In-Wert-Setzung von Nicht-Produktionsfunktionen können Nachteile aus längeren Produktionszeiträumen und struktureller Heterogenität ausgleichen.

7. Die angestrebten Waldstrukturen weisen verbesserte Lebensraumqualitäten für naturnahe Artenspektren auf und sind ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der glo- balen Biodiversität.

8. Die auf der Basis einer nachhaltigen Waldwirtschaft entstehenden Wälder sind attraktiv und bieten einer multifunktionalen Nutzung durch den Menschen im Bereich Tourismus, Umweltbildung und Naturerlebnis verbesserte Möglichkeiten.

9. Das Leitbild der Waldlandschaft ist ein räumlich und funktionell ausgewogenes Mosaik von naturnahen und ökoplastischen Laubmischwäldern mit naturferneren Nadelbaumforsten innerhalb eines optimierten Öko- systemverbundes von Wäldern, Flurwäldern, Offen- ländern, Niederungen und Gewässern. Im Span- nungsfeld zwischen Plantagenwald und Totalreservat verkörpern die in diesem Mosaik entwickelten öko- plastischen Waldtypen einen Weg, verschiedene land- schaftliche Funktionen im konkreten Raum zusam- menzuführen, statt sie voneinander zu segregieren. Die angestrebten Waldtypen sind ausdrücklich „land- schaftsoffen“, d.h. sie stellen mannigfaltige Beziehungen zur Landschaft her, statt sich von ihr abzugrenzen.

10. Die Landschaftsoffenheit der angestrebten Wald- typen erstreckt sich auch auf ihre Bedeutung für den sozialen Raum: sie ist als Projekt angelegt, das aus- drücklich auf Partizipation aller landschaftsbezogenen Akteure und auf öffentliches Interesse setzt. 72 Herausgeber Dr. Kenneth Anders und Lars Fischer Büro für Landschaftskommunikation Neutornow 54 16259 Bad Freienwalde www.landschaft-im-wandel.de

Redaktion Büro für Landschaftskommunikation

Texte und Bilder Kenneth Anders, Lars Fischer, Claudia Fischer und Almut Undisz

Gestaltung und Layout Claudia Fischer www.cloudfisch.de

Druck Stephanus-Werkstätten gGmbH Bad Freienwalde

Redaktionsschluss Oktober 2007

Auflage 100 Exemplare

Danksagung Wir möchten allen Gesprächspartnern und Autoren für ihre Mitarbeit und für die Zeit danken, die sie uns geschenkt haben. Im Rahmen des BMBF-Verbundprojektes Nachhaltige Entwicklung von Waldlandschaften im Nordostdeutschen Tiefland (NEWAL-NET)

Förderkennzeichen BMBF 0330562 1