am Meer schwer zu sichern ist, sind das bescheidene Zahlen. Ob eine Risikoanalyse für 2012, die noch in diesem Jahr erstellt werden muss, allerdings der tatsächlichen Bedrohung in acht Jahren entsprechen wird, weiß derzeit niemand. Als heikel gilt auch die Beantwortung der scharfen Zusatzfragen aus Lausanne. Ob „Ihre Regierung“ bereit sei, neue Si- cherheitsgesetze zu erlassen, die den „be- sonderen Umständen Olympischer Spiele“ gerecht würden, wollte das IOC etwa für die Vorauswahl unter den Bewerbern wis- sen. Leipzigs ausweichende Antwort lässt leichte Irritation erkennen: Die derzeitige Gesetzessituation biete „alle Vorausset- zungen“, um sichere Spiele auszurichten. Wer nicht spurt, wird von der IOC-Ex- Golfprofi Siem (auf Fuerteventura)

pertengruppe abgestraft. Weil Bewerber / GETTY IMAGES FRANKLIN STUART Havanna die geforderte „einfache Füh- rungsstruktur“ für Sicherheitsmaßnahmen nicht nachweisen konnte, hieß es im Report vom August 2000: Der Antragsteller sorge für „Zweifel und Konfusion“ hinsichtlich der Rollen von Innenminister und Chef Copperfield aus Ratingen der Revolutionsarmee. Für die „höchste Autorität“ des Sicherheitsministers bekam Marcel Siem trägt Zopf, hasst Spießer und schlägt den Ball so weit dagegen Peking damals dickes Lob. Be- werber Leipzig will deshalb „alle Verant- wie wenige. Der hochbegabte Rheinländer ist das Gegenteil wortung“ für die Sicherheit an den Polizei- von – kann er dennoch sein Nachfolger werden? präsidenten des Freistaates übertragen. Passen müssen die Deutschen hingegen sich der Deutsche seinen ersten Sieg auf wohl bei der üblichen IOC-Frage, die in der Europäischen Tour. „Ich glaube nicht, der nächsten Runde droht: Wird es möglich dass Woods dort 30 unter gespielt hätte“, sein, auf die Streitkräfte zurückzugreifen? sagt Siem. Soldaten sind offenbar erwünscht. Schon Golf funktioniert nach anderen Geset- bei den Spielen 2000 in Sydney wurden zen als Speerwerfen oder Gewichtheben. Militärs eingesetzt. Nach einer entspre- Von den 156 Startern eines Profiturniers chenden US-Gesetzesänderung zur Ter- sind etwa 100 in der Lage zu gewinnen. rorbekämpfung konnten amerikanische Zumindest glauben sie es. Denn wer nicht Truppen die Winterspiele 2002 in Salt Lake von sich überzeugt ist, hat schon verloren. City bewachen – das würde auch 2012 für „Man geht auf die Wiese und spielt das New York gelten. Bei den aussichtsreichs- Spiel“, sagt Siem. ten Leipziger Mitbewerbern London und Es ist kein Duell mit Woods oder sonst Paris dürfen Soldaten ebenfalls zu Polizei- wem. Golf ist ein Kampf gegen den Platz, aufgaben herangezogen werden. den Wind und gegen sich selbst. Dagegen ist der Einsatz der Bundeswehr Siem scheint gut gerüstet für diesen

im Landesinneren vom Grundgesetz streng / GETTY IMAGES LITTLE WARREN Kampf. Er kann den Ball weiter schlagen als limitiert. Unlängst forderte die Unionsfrak- Turniersieger Siem (in Johannesburg) die meisten Konkurrenten, gut 280 Meter tion im Bundestag den Aufbau von Heimat- Dosiert aggressiv im Schnitt. Seinem unaufgeregten, kom- schutzverbänden zur Bewachung wichtiger pakten Schwung sieht man die Länge Objekte. Die Bundesregierung lehnt, vom er junge, schlaksige Mann hat am nicht an. Auch beim Einlochen notieren die jüngst verabschiedeten Luftsicherheitsgesetz Tag eine lausige Runde gespielt. Statistiker eine imposante Zielsicherheit. zur Bekämpfung terroristischer Angriffe ab- DJetzt sitzt er im Restaurant des Wäre Siem Skispringer, Fußballer oder gesehen, solche Erweiterungen ab. Golfhotels Penina an der Algarve, hat eine eine Tennishoffnung – seine Erfolge in die- Ein Nachteil für Leipzig? Schon kam aus Flusskrebsterrine verputzt, am Nebentisch sem Frühjahr hätten einen prächtigen Hype der Planungsgruppe die Anregung, den schäkern vier französische Kollegen mit ausgelöst. Neben dem Triumph in Johan- rechtlichen Rahmen bei Eintritt in die ihren Frauen, und sein Zorn verflüchtigt nesburg wurde er Fünfter in Dubai und nächste Bewerbungsphase neu zu prüfen. sich mit jeder Marlboro ein bisschen mehr. Sechster in Mailand, seit Januar hat er an Doch die Olympia GmbH sieht für eine „Ich weiß, dass ich jedes Turnier gewinnen Preisgeld 218000 Euro verdient. Er ist die Gesetzesänderung – wie sie Griechenland kann. Ich kann schlagen. Ich Nummer 26 der European Tour und die für die Spiele eigens durchgepaukt hat – kann schlagen. Ich muss nur über Nummer 3 in Deutschland. Nur Bernhard keinen Bedarf. Chef Zühlsdorff kann alle vier Runden gut sein.“ Langer und Alex Cejka, die überwiegend sich „nicht vorstellen, dass 2012 hier Pan- Marcel Siem, 23, sind Selbstzweifel in Amerika spielen, rangieren vor ihm. zer auffahren“. Und in die Bewerbungs- fremd. Im Psycho-Sport Golf kann das sehr Doch deutsche Golfprofis leben – wenn schrift will er „nicht hineinschreiben, was hilfreich sein. sie nicht wie diese Woche in St. Leon-Rot wir nicht für richtig halten. Man sollte In Johannesburg, Ende Januar, hat er bei den „Deutsche Bank – SAP Open“ ab- nicht nur opportunistische Antworten vier starke Runden zusammenbekommen. schlagen – in einer Art publizistischem geben“. Jörg Kramer, Hans-Jürgen Schlamp Mit 22 Schlägen unter Platzstandard holte Zonenrandgebiet. Dabei gibt es in Siems

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Laufbahn eine Menge Facetten, die auch tragen müsse. Und der seine eigene Theo- nagementagenturen, die ihre Dienste an- „Bild“ und RTL gefallen könnten. rie entwickelt hat, warum es unter den 500 bieten. Eine sechsstellige Summe könne er So wie Michael Schumacher auf der Kart- weltbesten Profis nur vier Deutsche gibt. verdienen, wenn er sich binde. Sollte er bahn aufwuchs, ist Marcel Siem auf dem Erstens, sagt Siem, komme die klassi- dieses Jahr ein weiteres Turnier gewinnen, Golfplatz groß geworden. Seine Eltern führ- sche Golfklientel nach wie vor aus den seien sieben Stellen vor dem Komma drin. ten die Club-Gastronomie, erst in Much bei begüterten Kreisen. Und als Sohn reicher Wenig später, auf Fuerteventura, offe- Köln, später in München. Als Sechsjähriger Eltern sei es nun mal schwerer, „diesen un- rierte ein Psychologe, der mit dem Profi- hat er am Tag zwei Runden gespielt, mit 15 bedingten Ehrgeiz“ zu entwickeln. Zwei- zirkus mitreist, mentale Hilfestellung. Er flog er vom Gymnasium, weil er samstags tens sei das Golfen noch lange nicht als riet Siem, auf dem Platz seine Emotionen lieber zu Turnieren fuhr als im Unterricht zu ernsthafter Beruf akzeptiert. zu unterdrücken. Die folgende Runde war sitzen („Dabei hatten wir da nur Erdkunde Zuletzt wollte er in einer Düsseldorfer ein Desaster. und Sport“), mit 16 flog er vorübergehend In-Disco eine Clubkarte erwerben. Da Es ist nicht leicht, die Richtung zu halten. aus der Jugend-Nationalmannschaft, mit zahlt man 1000 Euro, ist nicht auf die Gna- In Bangkok übte Siem auf dem Putting- 17 hat er mal besoffen Platzrekord gespielt, de der Türsteher angewiesen, fläzt sich in Grün. Bis Nick Faldo, ein verblasster Gott was danach in der örtlichen Zeitung nach- reservierten Sitzgruppen und kann den Be- des Golfs, erschien und seine Bälle grußlos zulesen war. Mit 20 war er Europas bester trag mit Freunden im Laufe eines Jahres auf den kurz geschorenen Rasen plumpsen Amateur (Handicap +6). verzehren. Der Geschäftsführer hielt ihn ließ. „I need that hole“, herrschte der Er wechselte zu den Profis, und der Ruf für einen Hochstapler. Siem zog das Geld Engländer den Aufsteiger an. des „Luftikus“ („Golfmagazin“) blieb an ihm kleben. Während der Vorzeigegolfer Bernhard Langer dafür bekannt ist, auch nach Einbruch der Dunkelheit noch Bun- kerschläge zu üben, gilt Siem als trai- ningsscheu. Sein schmächtiger Oberkörper entspricht nicht dem Ideal der jungen, gestählten Golfer-Generation, auch sein Zigarettenkonsum passt nicht in die Zeit. Durchgesetzt hat sich der Hochbegabte aus Ratingen trotzdem. Wohl weil er so früh anfing, kann sich Siem auf sein Gefühl verlassen – mehr als viele seiner Konkurrenten. „Er macht Din- ge, die andere nie erlernen werden“, urteilt sein Trainer Günter Kessler, „er ist ein Zau- berer, ein Copperfield.“ Für jede Spielsitua- tion, sagt der Jungprofi, habe er „mindes- tens zwei Lösungen im Repertoire“. Dumm nur, dass er sich fast immer für die riskantere Variante entscheidet. Profis haben gewöhnlich kein Problem, ein Par- 4-Loch in vier Schlägen zu bewältigen. Doch diese Art von Beamtengolf ist nicht

die Sache des Heißsporns Siem. Er will es HOW / GETTY IMAGES HARRY mit drei Schlägen schaffen, ein Birdie er- Weltranglisten-Erster Woods (in Ponte Vedra Beach, Florida): „Ich kann ihn schlagen“ zielen. Diese Gier bezahlt er zuweilen da- mit, dass sich die Bälle in den Wald, in Tei- bar aus dem Portemonnaie, erklärte, er sei Es ist eine seltsame Welt, in die der che oder ins Schilf verabschieden. Golfprofi und könne es sich folglich leisten. Rheinländer eingetaucht ist. Sicher, in der Um sein aggressives Spiel zu dosieren, Doch das fand der Disco-Manager noch Hotellobby oder am Flugsteig wird er seit heuerte der Temperamentsbolzen im vori- schlimmer als einen Hochstapler. „Golfer Johannesburg einbezogen in den Small gen August einen erfahrenen Caddie an: wollen wir hier schon gar nicht.“ Talk der Etablierten: „Ich starre ihnen Max Zechmann, 46, ein Salzburger Ge- Dass jemand – wie in Irland oder England nicht mehr hinterher, ich gehöre dazu.“ mütsmensch, versucht nun, seinen Chef üblich – Golf zum sozialen Aufstieg nutzt, Aber einen wie Woods anzusprechen, das von allzu verwegenen Schlägen abzuhal- sorgt hier zu Lande für Irritationen. Oft hat fiele ihm dann doch nicht ein. „Soll ich ihn ten. „Max hilft mir, strategischer zu spie- sich Siem gegen das Vorurteil wehren müs- anstupsen und sagen, ich bin der Marcel len“, sagt Siem, „ohne ihn hätte ich in sen, ein Schnösel aus reichem Hause zu aus Ratingen?“ Johannesburg nicht gewonnen.“ sein. „Ich habe kein Abitur, ich kann nicht In Dubai hat Ernie Els, der andere Gi- Doch was ist dieser eine Sieg wert? Je- studieren, ich werde keinen hoch qualifi- gant, ihm gratuliert. Siem trainierte auf der des Jahr, wenden die Skeptiker ein, gibt es zierten Job bekommen, aber wenn ich mich Driving Range, da spürte er plötzlich eine bei den fast 50 Veranstaltungen der Euro- reinhänge, habe ich womöglich ein besseres Hand auf der Schulter. Er dachte schon an pean Tour etwa acht „First-Time-Winner“. Leben als mancher Uni-Absolvent.“ einen unverschämten Autogrammjäger – Kann ausgerechnet Marcel Siem, der seine Die Kosten der ersten beiden Profijahre bis er sich umdrehte und Els in voller Län- blonden Korkenzieherlocken mit einem hat ihm ein Privatmann finanziert, bis 2006 ge vor sich sah. „Well done“, lobte der Süd- Zopf bändigt, der ersehnte Thronfolger muss er etwa ein Drittel seiner Einkünfte afrikaner und plauderte munter drauflos. Langers werden? Ein Unangepasster, der an den Investor abtreten. Seit Januar wirbt Dass er ihn im Fernsehen beobachtet öffentlich beklagt, dass auf deutschen die Postbank auf Siems Mütze, die jährlich habe, dass er von seinen starken Nerven Golfbahnen noch „zu viele Spießer“ unter- rund 75000 Euro Spesen sind damit schon beeindruckt sei. „All so was.“ Siem macht wegs seien; der den Leuten zeigen will, dass mal abgedeckt. eine kurze Pause, als überlegte er, ob er das Golf „keine langweilige, elitäre Sache“ sei, Neulich an der Algarve fand Siem zwei nur geträumt hat. Dann grinst er und sagt: zu der man Karohosen und kurze Haare Briefe in seinem Zimmer. Beide von Ma- „Voll cool.“ Alfred Weinzierl

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