Dienst Auf Dem Planeten
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Rosenstock-Huessy Diensti n ^ m m auf dem Planeter Kurzweil und Langeweile im Dritten Jahrtausend Seit Jahrzehnten beschäftigt Eugen Rosen- stock-Huessy ein Gedanke, der ihm als der wichtigste seiner eigenen Zukunft und der Zukunft der Menschheit gilt: Die Schäftung und Gestaltung eines Dienstes, in dem junge Menschen für den Frieden wirken. Anstelle des Krieges soll auf Erden eine neue Sprache gesprochen werden, eine Sprache, die nicht ein bloßes Nein zum Krieg, sondern ein Ja zum Dienst am Frieden zum Inhalt hat. Die Menschheit ist heute in Grenzen zwi schen Völkern und Weltanschauungen ein geschlossen, die unter der Drohung der Bombe immer fester zu werden scheinen. Aber sind sie wirklich unüberwindlich? Der Autor verneint diese Frage. Er mahnt, Grenzübergänge zu schaffen, und verweist darauf, daß die Grenzen schon durch die zivilisatorischen Errungenschaften zu zer bröckeln beginnen, durch Fern-Sprechen, Fern-Sehen, Fern-Schreiben usw. Weniger als 80 Minuten braucht ein Astronaut, um die Erde zu umkreisen. Diese Erde, die zum Planeten geworden ist, gibt heute keinem Volk mehr die Selbstsicherheit, in der Mitte der Welt zu leben und seine Grenzziehungen zu verabsolutieren. Jeder wohnt an der Peripherie: Diese Einsicht sollte das Ge spräch über die Zäune hinweg fördern. Das Miteinander-Sprechen wird freilich erst dann verstanden werden, wenn dem ande ren bei der Bewältigung seiner Probleme auch praktisch geholfen und dieser Dienst für den Frieden mit demselben Ernst ge leistet wird, mit dem bisher die Kriege geführt worden sind. Beseitigung der Gren zen durch Gespräch und Arbeit: dieser Gedanke trägt Einrichtungen wie das „Frie denskorps“ der USA, den „Deutschen Ent wicklungsdienst“ , die „Aktion Sühnezeichen“ u. a. Der Name des Autors ist eng verbunden mit der Geschichte der Freiwilligen Arbeits dienste. Die Idee des Arbeitsdienstes ist häufig in Krisenzeiten mißbraucht worden. Heute sollte das Gespenst einer Massierung I T ♦ EUGEN ROSENSTOCK-HUESSY Dienst auf dem Planeten Kurzweil und Langeweile im Dritten Jahrtausend MIT DOKUMENTEN W. KOHLHAMMER VERLAG * STUTTGART BERLIN KÖLN MAINZ Alle Rechte Vorbehalten. <e) 1 9 6 5 . W. Kohl hammer GmbH. Stuttgart Berlin Köln Mainz. Druck: Verlag und Druckerei Manz A G , Dillingen-Donau. Umschlag: Anton Zell. Printed in Germany. 82009. Der wahre Friede ist weder das Ende noch das Gegenteil allen Krieges. Teilhard de Chardin, Werke IV, 205 f ♦ INH ALT Vorrede: Was mich bestimmt.......................................... 9 1. Der Ton, der fe h lt...................................................... 13 2. Eine Welt ohne K r ie g ? .............................................. 16 3 . Planet - Welt - Erde ................................................... 31 4 . Zertretene K e im e ..................................................... 44 5 . Gar nicht langsam g e n u g ........................................... 55 6. Der Haushalt des P lan eten ....................................... 66 7 . Der Friede der P ira te n .............................................. 73 8. David Scott P a lm e r...................................... 91 9 . Piraten-Volapük.......................................................... 95 Dokumente I bis X ...............................................................113 7 ♦ VORREDE: WAS MICH BESTIMMT Diese Schrift hat einen Haken: Sie sucht ihre Leser zu bestimmen. Sie bietet einen bestimmten Weg an, der durch die von uns Menschen bewohnten Räume führt. Dies Angebot verstößt gegen die Verfahren der akademischen Welt. Deren Fächer lassen nämlich Dich selber unbestimmt und projizieren statt dessen objektiv das Wissen um die Welt und ihre Teile auf Deine innere oder äußere Netzhaut. Davon ist auf den folgenden Seiten höchstens nebenbei die Rede. Vielmehr setze ich voraus, daß der Leser bei dieser Gelegenheit seiner eigenen Jahrtausende alten Bestimmung innewerden will: »Das Wahre ist schon längst gefunden, hat edle Geisterschar verbunden, das alte Wahre, faß es an!« Das ist nicht objektiv. Dazu kann niemand genötigt werden. Dem Leser Bleibt aber die Ausflucht in Geographie, Entwicklungsgeschichte, Kulturpolitik, Philosophie, Statistik immer offen. Er kann mit Hilfe dieser Wissenschaften von außen auf die Welt zu blicken wähnen. An einem besonders wahnsinnigen Beispiel kann der Leser sich das klarmachen. Autoren-Namen tun dabei nichts zur Sache; so verschweige ich den Verfasser. Eine »Weltkulturserie« in einer Sozial wissen schaftsreihe hat einen Band »One World Divided« 1 9 6 4 kostspielig gedruckt. Da werden uns die Weltkulturgegenden vorgeführt. Es gebe deren 11 (elf in Buchstaben) 1. Europa, 2. Sowjetunion, 3 . England/Amerika, 4 . Südamerika, 5 . Nordafrika mit Westasien, 6. Südasien, 7 . Südostasien, 8. Ostasien, 9 . Afrika, 10. Australien mit Neuseeland, 11. der Stille Ozean. Nun wird auch mancher schon gefunden haben, daß die größte Verwirrung immer bei den Worten »Kul tur« und »Welt« einsetzt. Wer ohne diese Worte auskommt, erspart sich manche Selbsttäuschung. Unser Stern, die Erde, liegt in einem riesigen All, und sie beherbergt Zweige des Men schengeschlechts. Und die Zweige unseres Geschlechts z. B. in Sydney, Austra lien, und in Edinburgh, Schottland, haben viel mehr miteinander gemein als die Leute in Adrianopel mit den Leuten in Konstantinopel. Die Lutheraner in Schweden und die Lutheraner in Calgary, Alberta, Kanada, haben mehr mit einander gemein als die Mohammedaner im Nordsudan mit den Kopfjägern im Südsudan. In Victoria, Vancouver Island, Britisch Columbia, leben noch Scha ren alter Damen nach der Art einer Königin-Witwe wie zur Zeit der Königin Viktoria in England. Die Geographie, die Kultur, die Statistik, |ind also Aus fluchten, weil sie uns nicht sagen, an welchem Zeitpunkt der Schöpfungs geschichte die verschiedenen Bewohner unseres Globus und die verschiedenen Leser einer Schrift zu handeln, zu leben und zu sterben glauben. Die Geographen helfen uns freilich, soweit sie die Erde beschreiben. Und dies Beschreiben ist verdienstlich für alle Objekte auf der Erde. Aber hinsichtlich unserer eigenen 9 Bestimmung verwirren uns ihre elf Bezirke; denn kein Glaube läßt sich so in Raumkästen beschreiben. Ob ich im Busch ohne Himmelslichtlenkung schweife - die Zigeunersprache kennt kein Wort für Himmel —, ob ich unter dem Gebot der Gestirne am Himmel auf Erden wandele, ob ich von einer Welt da draußen, wie Milton’s Adam und Eva mich weiter und weiter locken lasse, oder ob ich das Gesetz unseres Planeten im ganzen zu erfüllen trachte, das sind vier Reli gionen, die ganz verschiedene Opfer von ihren Gläubigen verlangen. Die Reli gionen verleihen eine verschiedene Denkungsart. Und mit Geographie haben diese Denkungsarten nichts zu tun. Jede Religion wird einzig und allein durch die Art ihrer Opfer bezeichnet. Da gibt es Menschenopfer aller Art, Tieropfer, Geldopfer, Zeitopfer, Verstan desopfer. Und die einzige Religion, die der gesamten Menschheit angemessen sein kann, fordert ein Stück Aufopferung von uns selber. Diese ist also die ein zige verbindliche Religion, die Zukunft hat. Die der Menschenopfer k la H itler aber muß verschwinden. Dazwischen gibt es unschädliche Religionen, die Wachs kerzen oder Fleischgenuß opfern. Die Geographen und die Kulturhistoriker und die Entwicklungshelfer haben in ihrem Vokabular das Wort >Opfer< aus radiert. Daher wissen sie alles von allen Dingen, und sie wissen das alles sehr genau. Aber von der Richtung, die wir Menschen einschlagen müssen, wissen sie nichts. Und wenn sie von uns zu reden anfangen, dann sagen sie selber beschei den, sie wollten objektiv bleiben. Denn Wissenschaft sei objektiv, d. h. un wissend in allem Wichtigen. Die Folge ist, daß sie nichts von uns wissen können und über unsere Zukunft Unsinn reden müssen, denn wir sind nie Objekte. Was sie von uns als Gegen ständen wissen, sind unsere Hüte und Schuhsohlen, unser Geld und unsere Waren und unsere Examensdiplome. Von unseren Taten und Leiden hingegen werden sie täglich völlig überrascht. Vielleicht der rührendste dieser Objekti- visten ist Julian Huxley von der U N ESCO gewesen; in ihm hat sich das objek tive 19. Jahrhundert höchst ehrenwert zu Ende gelebt. Gegen diese »Mentalität« hat William James schon 1910 sein »Moral Equivalent of War« geschrieben. Gegen die Darwinisten, die Geographen, die Kulturstatistiker, die Weltgeschicht- ler sträubten sich in William James die Geister aus Wald und Busch, aus Erde und Himmel, aus Planet und Luftwegen. Meine Leser mögen daher nicht erwar ten, daß objektive Gelehrtheit im folgenden auf sie niederprasselt. Wir alle schreiben Bücher, schreiben, weil wir auf dem Wege aus unserem bloß eigenen Leben über unser leibliches Vergehen in ein gemeinsames Leben die Wahrheit weiter sagen und weiter tragen müssen; darum werde ich durch bestimmte Setzungen bestimmt. Ich setze voraus, daß meine Stimme falsche Religionen bekämpfen und die Seelen meiner Leser aus ihnen lösen und neu bestimmen solle. Es gibt durchaus nicht nur ein Mitbestimmungsrecht der Nationen oder das der Urwähler. Es gibt lange vorher eine Mitbestimmungspflicht menschlicher Rede. Sie fließt mir aus der Bestimmung des Menschengeschlechts zu. Diese Be stimmung unseres Geschlechts wird nicht durch Wissenschaft bestirhmt. Die Wis- 10 sensdiaften sind vielmehr dieser Bestimmung unserer Zukunft untergeordnet. Uber unseren Geburtstagen schwebt diese Zukunft. Die Wissenschaften hingegen schmücken unser Alter. Ohne die Bestimmung gäbe es nur Weiber und Männer, Gelbe und Schwarze, Ostelbier und Rheinländer in ewiger Trennung. Aber