© 2018 Schwäbisch Media Digital GmbH & Co. KG WIRTSCHAFT Samstag, 24. Dezember 2011

Leute ● Kuscheln kommt nicht aus der Mode Der scheidende EZB-Chefvolks- wirt Jürgen Stark Margarete Steiff legte vor 131 Jahren auf der Schwäbischen Alb den Grundstein für eine weltberühmte Marke (Foto: dapd) hat seinen Rücktritt Von Tanja Schuhbauer auch so dreinschauen. Ein Freund wiegend Frauen den Stoff, von dem hundert die Florweberei Schulte in wöhnen lässt. Die weiteste Reise mit der Entwick- ● fürs Leben, waschbar bei 30 Grad Kinder und Sammler träumen. Bis Duisburg, die Steiff 2009 übernom- zum Tempel der Schönheit legte bis- lung in der Wäh- GIENGEN AN DER BRENZ -Behut- Celsius, ohne dass er seine Augen heute laufen alle Geschäfte über men hat und nun Steiff-Schulte heißt. lang ein Bär aus Australien zurück. rungsunion be- sam sticht Anja Strehle eine Nadel verliert. Giengen: Hier wird jedes Steiff-Pro- Trotz der Artenvielfalt: „Der Bär Einen neuen Teddy zu kaufen gründet. „Ich mit schwarzem Garn in das Fell des Die Ideenschmiede, die Abteilung dukt geplant, getestet und mit Knopf ist immer noch unser meistverkauf- kann günstiger sein – muss aber wollte die Regierungen wachrüt- Teddys. Das Gesicht fehlt ihm noch. „Entwicklung und Musterbau“, be- im Ohr ausgeliefert – dem Marken- tes Produkt“, sagt Marketingleiterin nicht: „Unsere Bären kosten zwi- teln“, sagte Stark. „Diese haben bis Stich für Stich wächst seine Nase, die findet sich in einer der historischen, zeichen seit 1904. Melanie Heim. Jahr für Jahr verlassen schen 30 und 30 000 Euro“, sagt Mar- heute nicht verstanden, wie wichtig ihn unterscheiden wird von allen an- gläsernen und teilweise denkmalge- Margarete Steiff erfand 1880 das mehr als eine Million Bären ihren ketingleiterin Melanie Heim. Letzte- die seit Maastricht etablierten Prin- deren. „Ich garniere den Teddy“, sagt schützten Hallen auf dem Gelände erste weich gestopfte Spieltier, das Heimatort Giengen – vom Mini- rer ist ein 125-Karat-Teddy mit mas- zipien wie Haushaltsdisziplin und Anja Strehle. So heißt das hier in der der Firma Steiff in Giengen auf der „Elefäntle“ aus Wollfilz, das ur- Schlüsselanhänger bis zum 2,40 Me- siv goldener Nase, Brillant-Pupillen Koordinierung der Wirtschafts- Ideenschmiede, wo jedes Jahr bis zu Schwäbischen Alb. Hier führte einst sprünglich als Nadelkissen gedacht ter großen Braunbären. Die meisten sowie von Hand eingeknüpften politiken für die Währungsunion 350 Prototypen entwickelt werden. Margarete Steiff ihre 1880 gegründe- war. 17 Jahre später trat ihr Neffe Ri- der weichen Kollegen bleiben in Goldfäden im Mohair-Fell. Von ihm sind.“ Er habe mit seinem Rücktritt Jedes Tier hat seinen eigenen Aus- te Manufaktur und prägte das tradi- chard ins Unternehmen ein und ent- Deutschland, in der Schweiz und in wurden bislang 20 Stück verkauft. ein Zeichen setzen wollen. Stark, druck, weil noch immer jedes in tionelle Familienunternehmen mit wickelte 1902 einen Spielbären aus Österreich. Die steifen Klassik-Bären Diese wohlhabenden Kunden – oft der formal noch bis Ende dieses Handarbeit gefertigt wird. Das dem berühmten Satz: „Für Kinder ist zotteligem Mohairfell mit dem Na- gehen häufig nach Amerika, England aus Russland – bekommen ihren haa- Jahres Mitglied im EZB-Direktori- oberste Gebot lau- nur das Beste gut genug.“ Die Ge- men Bär 55PB (55cm stehend, P = und Japan. rigen Knuddelfreund bei einem fei- um und EZB-Rat ist, hatte am Don- tet: Der Bär muss schichte dieser Frau wurde 2005 mit Plüsch, B = beweglich). Als er seinen nen Essen im Geburtshaus von Mar- nerstag seinen letzten Arbeitstag in lieb sein und Heike Makatsch in diesen Hallen Bären 1903 erstmals auf der Leipziger Eine Maniküre für den Teddy-Bär garete Steiff in Giengen in einer ex- der Notenbank. Anfang September verfilmt. Noch immer Messe vorgestellt hatte, fand er nur Rund um den Globus haben Steiff- klusiven Zeremonie überreicht. hatte er seinen Rückzug angekün- schneiden, nähen, einen einzigen begeisterten amerika- Tiere treue Freunde. Der vor 20 Jah- Doch auch regional sind die Ge- digt. Die Wiederaufnahme der füllen, sticken und nischen Einkäufer, der auf Anhieb ren gegründete Steiff-Club zählt schmäcker verschieden: Während umstrittenen Anleihenkäufe durch malen hier über- aber 3000 Bären bestellte. Vier Jahre 45 000 Mitglieder. Liebhaber wie Norddeutsche gerne Plüschrobben die EZB war nach Starks Angaben später verkaufte Steiff fast eine Milli- diese schicken ihre guten Stücke knuddeln, drückt man sich im Alpen- nur der Anlass für den Rücktritt. on davon. Der Bär von der Alb er- auch mal per Luftpost zurück in die vorland lieber einen flauschigen „Sie müssen meinen Rückzug im oberte Amerika , bekam von US-Prä- Heimat. Denn zwischen Firmenge- Steinbock ans Herz. Zusammenhang mit den vergange- sident seinen lände und Steiff-Museum hat das Un- Von der Krise habe Steiff nichts nen Jahren sehen, in denen die Namen „Teddy“ und wohnte bald in ternehmen die „Teddybärklinik und gespürt, vom Einzug der Technik in Währungsunion auf ein schiefes Kinderzimmern rund um den Glo- Spa“ gebaut, wo sich Bär für 50 Euro den Kinderzimmern auch nicht. Gleis geraten ist“, sagt er. Die An- bus. die Stunde von Maniküre (Ersatz- „Wir springen nicht auf jeden Zug leihenkäufe verleiteten die Politik krallen vier Pfoten) über die Com- auf. Wir stehen für bleibende Wer- dazu, sich zurückzulehnen und die Früher schlank, heute mollig plete-Body-Wellness (Fell waschen, te“, sagt Marketingleiterin Melanie Finanzpolitik nicht in Ordnung zu Seit dem „Elefäntle“ entwickelt die Füllung erneuern, Konturen nach- Heim. Offenbar hat sich seit dem bringen. Stark sieht bei der Lösung Firma Steiff Tiere aller denkbaren malen, Lavendelduft-Pflege) bis zur „Elefäntle“ gar nicht so viel verän- der Krise die Staaten in der Pflicht. Größen und Arten. Textildesignerin Total Face-Care (Augentausch, Au- dert. „Kuscheln ist ein Grundbedürf- „Spanien und andere Länder zei- Margit Richter entwirft sie seit 30 gen polieren, Nase garnieren) ver- nis. Es kommt nicht aus der Mode.“ gen, dass die Zinsen schnell fallen Jahren: „Ich weiß nicht, wie viele das können, wenn man sich an- waren. Zigtausende. Wir haben auch strengt.“ (dpa) vor Insekten nicht Halt gemacht.“ Bei der Ideenfindung spielen vor Trotz der allem Filmtrends eine große weitver- Rolle. Richter macht breiteten dann ein Angst vor „Mood- Inflation und Board“: einem Ende des Sie Euro ist das schnei- zurückliegende det Bil- Jahr nach der von Ansicht des Verbraucherschüt- dem ge- zers Hermann-Josef Tenhagen fragten Tier aus und (Foto: dpa) für Anleger nicht klebt sie neben mögli- schlecht gewesen. „Die Ver- chen Stoffmustern auf braucher haben viel Auf- einen großen Karton. So regung erlebt mit dem Euro sieht sie, was charakteris- und den Finanzmärkten“, sagt tisch ist für das Tier. Frühe- der Chefredakteur der Zeit- re Steiff-Entwickler gingen schrift „Finanztest“. Eine über- dafür in den Zoo und zeich- stürzte Flucht in Gold oder neten Tierskizzen in den Immobilien sei gefährlich. Viel- Block. Schon immer mussten , der kreative Lieblingsneffe von Margarete, trat 1897 ins mehr müsse sich eine vernünftige Steiff-Tiere naturgetreu aussehen. Unternehmen ein. Er hatte die Kunstgewerbeschule in Stuttgart besucht Planung der Vermögensanlage an Aber zwischen dem „Elefäntle“ und in England studiert. 1902 entwarf er den „Bär 55 PB“, den weltweit den persönlichen Bedürfnissen und von damals und einem Plüschtier ersten Plüschbären mit beweglichen Armen und Beinen. FOTO: STEIFF Zielen ausrichten. (dapd) Bald wird er 110 Jahre alt: der Teddy-Bär von Steiff. FOTO: STEIFF von heute liegen Welten. „Früher wa- ren Steiff-Tiere schlank und streng. Im Laufe der Zeit sind sie runder und Die Serie kuscheliger geworden, die Augen ANZEIGE größer. Die Ansprüche der Kinder Mit dem Porträt über Steiff haben sich verändert“, sagt die De- startet unsere Serie über Firmen signerin. Sie geht auch nicht in den mit langer Tradition. In loser Zoo, ihr hilft das „Mood-Board“, um Folge stellen wir uralte Unter- den Prototypen zu bauen. „Manch- nehmen aus der Region vor: mal brauche ich fünf bis sechs Pro- Familienbetriebe und Welt- totypen, bis Material und Größen- marktführer, Kaufleute, Hand- verhältnisse wirklich passen.“ Von werker und Industriekonzerne. der Idee bis zur Auslieferung dauert Allen Firmen ist gemein, dass es bis zu einem dreiviertel Jahr. Den sie seit 100 Jahren und mehr Stoff dazu – meist waschbares Syn- die Wirtschaft auf der Schwäbi- thetik für die Spielzeugtiere oder schen Alb, in Oberschwaben und Mohair und Alpaka für die Klassik- am Bodensee prägen. (sz) Teddys – liefert seit rund einem Jahr-

Eine außergewöhnliche Frau – Margarete Steiff erkämpft sich ihren Platz Margarete Steiff wurde am 24. Juli Margarete Steiff selbst blieb kinder- 1847 in Giengen an der Brenz als los. Sie starb am 9. Mai 1909 im drittes von vier Kindern geboren Alter von 61 Jahren an den Folgen und legte dort den Grundstein für einer Lungenentzündung. Ihre Nef- die spätere Margarete Steiff GmbH. fen übernahmen die Unternehmens- Sie war zeitlebens körperlich behin- führung. dert und an den Rollstuhl gefesselt. Heute befindet sich das Unterneh- Aber die lebensfrohe Frau erkämpfte men noch immer in Familienbesitz sich ihren Platz: Sie ließ sich trotz (dritte Generation) und beschäftigt Schmerzen in der rechten Hand zur weltweit 2000 Menschen, 236 Schneiderin ausbilden und gründete davon in Giengen. Zu Umsatz und ein Filzwarenkonfektionsgeschäft. Produktionsstandorten macht das Im Journal „Modenwelt“ vom Unternehmen keine Angaben. Neben 8. Dezember 1879 sieht sie das Teddybären und Kinderspielzeug Schnittmuster für einen kleinen stellt Steiff seit zehn Jahren in Elefanten. Nach dieser Vorlage näht Kooperation mit der Firma Kanz mit sie das „Elefäntle“ als Nadelkissen, Sitz in Pliezhausen (Landkreis Reut- das ihr jüngerer Bruder Fritz auf lingen) auch Kinderbekleidung her. dem Heidenheimer Markt verkaufte. Aus dem Margarete-Steiff-Museum, Mit Erfolg: Schon bald war das das in den 80er-Jahren in Giengen Nadelkissen als Spielzeug beliebt eröffnet wurde, entstand 2005 das und ihr erster Verkaufsschlager. heutige Steiff-Erlebnismuseum Margarete Steiff erkrankte als Schon sechs Jahre später verkaufte „Die Welt von Steiff“ – eine Traum- Kleinkind an Kinderlähmung. Doch sie über 5000 Elefanten und ent- welt auf 2400 Quadratmetern für sie erkämpfte sich ihren Platz und warf auch andere Stofftiere. die ganze Familie. (tas) wurde Unternehmerin. FOTO: STEIFF

Schwäbisch Media Digital GmbH & Co. KG - Persönliches Exemplar von Tanja Schuhbauer (Abo-Nr. 110915) Dieses Exemplar ist urheberrechtlich geschützt und ausschließlich zur persönlichen Nutzung bestimmt.