Plenarprotokoll 13/70

Deutscher

Stenographischer Bericht

70. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 1: Antw PStSekr Walter Hirche BMU . . 6120D Fragestunde ZusFr Horst Kubatschka SPD 6121 A - Drucksache 13/3024 vom 17. No- ZusFr Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/ vember 1995 - DIE GRÜNEN 6121C Äußerungen des türkischen Verteidi- gungsministers gegenüber einer Delega- Stillegung des slowakischen Atomkraft- tion des Verteidigungsausschusses des werks Bohunice bei Fertigstellung des Deutschen Bundestages betr. Einsatz Atomkraftwerks Mochovce Deutscher Waffen MdlAnfr 16 MdlAnfr 1, 2 Wolfgang Behrendt SPD Steffen Tippach PDS Antw PStSekr Walter Hirche BMU . . 6121D Antw StMin Helmut Schäfer AA . 6117B, 6118A ZusFr Steffen Tippach PDS . . . 6117 C, 6118A ZusFr Wolfgang Behrendt SPD 6122A ZusFr Horst Kubatschka SPD 6122 B Beseitigung der durch das Anbauverbot für Hanf entstandenen Wettbewerbsnach- Fertigstellung des slowakischen Atom- teile kraftwerks Mochovce mit westlichem MdlAnfr 4 Sicherheitsstandard Heidi Wright SPD MdlAnfr 17, 18 Antw PStSekr Wolfgang Gröbl BML . . 6118D Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/DIE ZusFr Heidi Wright SPD 6119 A GRÜNEN

Klärung der Zuständigkeiten betr. Verle- Antw PStSekr Walter Hirche BMU . . 6122C, D gung der B 8 bei Erlenbach ZusFr Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/ MdlAnfr 9, 10 DIE GRÜNEN 6122 D Wolfgang Zöller CDU/CSU ZusFr Horst Kubatschka SPD 6124 A Antw PStSekr Manfred Carstens BMV . 6119D, 6120 C Einreisebestimmungen für Angehörige ZusFr Wolfgang Zöller CDU/CSU . 6119D, 6120C von Drittländern nach dem Schengener Abkommen Stillegung des slowakischen Atomkraft- werks Bohunice bei Fertigstellung des MdlAnfr 24 Atomkraftwerkes Mochovce Amke Dietert-Scheuer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN MdlAnfr 15 Horst Kubatschka SPD Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . . 6124 C II Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Staatsangehörigkeit des indonesischen Militärische Zusammenarbeit mit Nigeria Forschungsministers B. J. Habibie seit 1960; Umfang der an Nigeria verkauf- ten Waffen bzw. Dual-use-Güter MdlAnfr 25 Amke Dietert-Scheuer BÜNDNIS 90/DIE MdlAnfr 37 GRÜNEN SPD Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . . 6124 D Antw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 6130 C ZusFr Gernot Erler SPD 6130 D Kontrollierter Drogen-Transport des Bun- ZusFr Ernst Kastning SPD 6131 A deskriminalamtes in die Niederlande 1992 und später Wirksame Bekämpfung der illegalen Be- MdlAnfr 28, 29 schäftigung ausländischer Arbeitnehmer; Johannes Singer SPD Aufstockung des Personals der Arbeits- ämter für diese Aufgabe Antw PStSekr Eduard Lintner BMI . . 6125A, D MdlAnfr 38, 39 ZusFr Johannes Singer SPD 6125 B Hans Büttner (Ingolstadt) SPD ZusFr Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/ Antw PStSekr Horst Günther BMA . . . 6131B, C 6126B DIE GRÜNEN ZusFr Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . 6132A Haftpflichtversicherungsansprüche von ZusFr SPD 6133 A Impfopfern gegenüber der Staatlichen ZusFr Horst Kubatschka SPD 6133 B Versicherung der DDR in Abwicklung ZusFr Peter Dreßen SPD 6133 D MdlAnfr 30 ZusFr Ernst Kastning SPD 6134 B F.D.P. Antw PStSekr Hansgeorg Hauser BMF 6126 C Umfang der in den letzten Jahren bewil- ligten Berufsunfähigkeitsrenten (mit und ZusFr Ina Albowitz F.D.P. ...... 6127 A ohne juristische Auseinandersetzung); Höhe der Ausgaben der Berufsgenossen- Transfer von Geldguthaben der nigeriani- schaften für Gutachten, Anwalts- und schen Oberschicht ins europäische Aus- Gerichtskosten land, insbesondere nach Deutschland MdlAnfr 40, 41 MdlAnfr 34 Peter Dreßen SPD Gernot Erler SPD Antw PStSekr Horst Günther BMA . . 6134 D Antw PStSekr Hansgeorg Hauser BMF 6127 B ZusFr Peter Dreßen SPD 6135 C ZusFr Gernot Erler SPD 6127 D ZusFr Hans Büttner (Ingolstadt) SPD . 6135D ZusFr Horst Kubatschka SPD 6128 A Besoldung von Soldaten aus den neuen ZusFr Dr. R. Werner Schuster SPD . . 6128 B Bundesländern bei Auslandseinsätzen MdlAnfr 44, 45 Verpflichtung der Slowakischen Republik Ernst Kastning SPD zum Bezug von Nuklearbrennstoff aus Rußland für das Atomkraftwerk Mochovce Antw PStSekr'in Michaela Geiger BMVg 6136 B MdlAnfr 35 ZusFr Ernst Kastning SPD 6136 D Horst Kubatschka SPD Zusatztagesordnungspunkt 1: Antw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 6128C Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- ZusFr Horst Kubatschka SPD 6128 D desregierung zur Verschiebung der Islam-Konferenz durch den Bundes Rechtfertigung eines Hermes-Kredites für -außenminister Mochovce gegenüber Österreich Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD . . . . 6137 D MdlAnfr 36 Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . 6138D Wolfgang Behrendt SPD Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE Antw PStSekr Dr. Heinrich L. Kolb BMWi 6129B GRÜNEN 6139C ZusFr Wolfgang Behrendt SPD . . . . 6129 B Dr. F.D.P...... 6140C ZusFr Horst Kubatschka SPD 6129 D Dr. PDS 6141 B ZusFr Ursula Schönberger BÜNDNIS 90/ Dr. , Bundesminister AA . . 6142B DIE GRÜNEN 6129D SPD 6144 A ZusFr Otto Schily SPD 6130 A CDU/CSU 6145A Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 III

Rudolf Bindig SPD 6145 D Anlage 6 Dr. CDU/CSU . 6146 D Eindämmung der Überschwemmungsge- fahr an Flüssen wie Rhein und Mosel; Ein- Dr. Christoph Zöpel SPD 6147 C beziehung des Hochwasserschutzes in die Dr. CDU/CSU 6149 A Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur" Otto Schily SPD 6150 A MdlAnfr 19 - Drs 13/3024 - Hans Klein (München) CDU/CSU . . . 6151 A Dr. Elke Leonhard SPD SchrAntw PStSekr Walter Hirche BMU . 6155* A- Nächste Sitzung 6151 D Anlage 7 Anlage 1 Ansiedlung internationaler und suprana- Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6153* A tionaler Einrichtungen in Bonn; Bereitstel- lung der erforderlichen Mittel; Ausgleichs- maßnahme für Bonn bei einem Umzug des Anlage 2 Bundesrates nach Berlin Werbesprüche der Centralen Marketing- MdlAnfr 20, 21 - Drs 13/3024 - gesellschaft der deutschen Agrarwirt Hans Wallow SPD (CMA) -schaft SchrAntw PStSekr Joachim Günther MdlAnfr 3 - Drs 13/3024 - BMBau 6155* D Dr. Günther Maleuda PDS SchrAntw PStSekr Wolfgang Gröbl BML . 6153* B Anlage 8 Wohnungs- und Obdachlosigkeit durch Anlage 3 Anstieg von Räumungsklagen in den Auslaufen der Betreuung Schwerstbehin- neuen Bundesländern derter durch Zivildienstleistende ab 1. Juli MdlAnfr 22 - Drs 13/3024 - 1996 wegen fehlender Mittel; Bemühun- Rolf Kutzmutz PDS gen um personelle Kontinuität in der SchrAntw PStSekr Joachim Günther Jugendarbeit von Verbänden und Kom- BMBau 61568 C munen nach Auslaufen der Sonderpro- gramme für die neuen Bundesländer MdlAnfr 5, 6 - Drs 13/3024 - Anlage 9 Klaus Hagemann SPD Nebentätigkeit von Angehörigen des Bun SchrAntw PStSekr'in desgrenzschutzes, insbesondere der GSG 9 BMFSFJ 6153* C MdlAnfr 23 - Drs 13/3024 - Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN Anlage 4 SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI . 6156* D Erhaltung des natürlichen Lebensraums der Donau zwischen Straubing und Vils- hofen bei deren Ausbau für den Schiffs- Anlage 10 verkehr; Neuregelung in der Ausbildung Trainingslager der kriminellen Organisa- der Seeschiffahrt tion „Garde" in Rumänien und Verbin- MdlAnfr 7, 8 - Drs 13/3024 - dung zum ehemaligen Geheimdienst Konrad Kunick SPD „Securitate" und zu rumänischen Persön- lichkeiten; Intervention gegen den Krimi- SchrAntw PStSekr Manfred Carstens nalitätsexport BMV 6154* B MdlAnfr 26, 27 - Drs 13/3024 - SPD Anlage 5 SchrAntw PStSekr Eduard Lintner BMI . 6157* A Verhinderung von Benachteiligungen für das Münsterland, insbesondere für den Bau der B 70 bei Neuenkirchen (Kreis Anlage 11 Steinfurt) und der B 58 bei Lüdinghausen/ Vergrößerung der Diskrepanz zwischen Seppenrade, im Zuge der Kürzungen im Renten- und Pensionsbesteuerung seit Verkehrshaushalt 1996 1980 MdlAnfr 13, 14 - Drs 13/3024 - MdlAnfr 31, 32 - Drs 13/3024 - Dr. Angelica Schwall-Düren SPD Dr. Egon Jüttner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Manfred Carstens SchrAntw PStSekr Hansgeorg Hauser BMV 6154* D BMF 6157 * B IV Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Anlage 12 politischen Rats der UN (ECOSOC) zur 10prozentige Mieterhöhung nach dem Erstellung einer Studie über die Coca- Mietenüberleitungsgesetz bei Fehlen von Pflanze Zentralheizung oder Bad durch die Treu- MdlAnfr 46 - Drs 13/3024 - handliegenschaftsgesellschaft mbH (TLG) Manfred Such BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- MdlAnfr 33 - Drs 13/3024 - NEN Rolf Kutzmutz PDS SchrAntw PStSekr'in Dr. Sabine Berg- mann-Pohl BMG 6158* D SchrAntw PStSekr Hansgeorg Hauser - BMF 6158' B Anlage 15 Anlage 13 Forderung einer Bearbeitungsgebühr von 300 DM von Landwirten für die Genehmi- Anwendung der Empfehlungen „Wort- gung des Anbaus von Nutzhanf wahl in Gesetzen und Verordnungen, 1.2 Maskuline und feminine Personen- MdlAnfr 47 - Drs 13/3024 - bezeichnung" in Veröffentlichungen des Horst Sielaff SPD BMVg SchrAntw PStSekr'in Dr. Sabine Berg- MdlAnfr 42, 43 - Drs 13/3024 - mann-Pohl BMG 6159* B Verena Wohlleben SPD SchrAntw PStSekr'in Michaela Geiger Anlage 16 BMVg 6158* C Entscheidung über die Zulassung von Nutzhanf Anlage 14 MdlAnfr 48 - Drs 13/3024 - Einsetzung einer interdisziplinären Ar Heidi Wright SPD beitsgruppe bei der UN-Betäubungsmit SchrAntw PStSekr'in Dr. Sabine Berg- telkommission des wirtschafts- und sozial mann-Pohl BMG 6159' C Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6117

70. Sitzung

Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Beginn: 13.00 Uhr

Vizepräsidentin Dr. : Guten Tag, Steffen Tippach (PDS): Herr Staatsminister, was ist liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist daran „mißverständlich" - Zitat des Auswärtigen eröffnet. Amtes -, wenn der türkische Verteidigungsminister ausgeführt hat, daß diese Waffen im Kampf gegen Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Terrorismus eingesetzt werden müssen? Fragestunde Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen - Drucksache 13/3024 - Amt: Mißverständlich ist ganz offensichtlich die Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Aus- Interpretation des türkischen Verteidigungsministers wärtigen Amtes. Zur Beantwortung ist Herr Staatsmi- gewesen. Wir haben wiederholt, und zwar nicht erst nister Helmut Schäfer erschienen. nach Ihrem Besuch in Ankara - ich nehme an, Sie waren dabei -, diese Fragen angesprochen. Wir sind Ich rufe als erstes die Frage 1 des Abgeordneten wiederholt solchen Hinweisen, auch denen des deut- Steffen Tippach auf: schen Fernsehens, nachgegangen. Wir haben die Türkei immer wieder ausdrücklich gemahnt, sich an Wie reagiert die Bundesregierung auf die Äußerung des türki- schen Verteidigungsministers gegenüber einer Delegation des das, was vereinbart worden ist, zu halten. Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, man müsse Verständnis dafür haben, daß „zum Schutz gegen Terrori- Nach allen Anstrengungen, etwas nachzuweisen, sten" auch aus Deutschland gelieferte Panzer eingesetzt werden kann ich nur das wiederholen, was ich gerade gesagt müssen? habe: Es gibt dafür keinen Beweis. Wir haben der Türkei klargemacht, daß sie diese Waffen nicht ein- Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen setzen kann, und die Türkei hat - so ihr Verteidi- Amt: Herr Kollege, der türkische Verteidigungsmini- gungsminister - erklärt, daß sie sie nicht einsetzen ster hat in seiner Abschlußbemerkung bei dem von will und wird. Ihnen erwähnten Gespräch unmißverständlich klar- gestellt, daß es keinen Einsatz deutscher NVA- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine weitere Schützenpanzer im Südosten der Türkei gegeben Nachfrage? - Bitte. habe. Für die Bundesregierung ist ausschlaggebend, daß Steffen Tippach (PDS): Herr Staatsminister, wenn sich die Türkei in dem Vertrag über Materialhilfe Mitglieder dieses Parlaments, die an dieser Delega- dazu verpflichtet hat, die gelieferten Waffen, also tion beteiligt waren und damit auch an dem auch die NVA-Schützenpanzer, ausschließlich in Gespräch teilgenommen haben, diese Äußerung ent- Übereinstimmung mit Art. 5 des NATO-Vertrages, sprechend nachvollziehen, wären Sie dann zu einer nämlich nur zur Verteidigung gegen einen bewaffne- Änderung Ihrer Auffassung bereit? ten Angriff, einzusetzen. Die Türkei hat der Bundes- regierung wiederholt zugesichert, daß sie sich an diese Verpflichtung hält. Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich kann mich immer und immer wieder nur auf Die Bundesregierung ist sämtlichen Hinweisen auf den von Ihnen zitierten türkischen Verteidigungsmi- einen vermuteten vertragswidrigen Einsatz deut- nister berufen, auf den sich auch einige Mitglieder scher Waffen durch die Türkei nachgegangen. Es der Delegation berufen haben. Der Minister hat, haben sich dabei keine Hinweise für einen vertrags- nachdem er noch einmal ausdrücklich darauf ange- widrigen Einsatz ergeben. sprochen worden ist, erklärt, daß - ich zitiere jetzt wörtlich - „im Südosten der Türkei keine NVA- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Nachfrage? Schützenpanzer aus deutscher Lieferung eingesetzt - Bitte. worden seien" . 6118 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wir kommen Türkei immer wieder die klare Antwort gegeben, sie damit zu Frage 2 des Abgeordneten Tippach: wird das nicht tun. Ich kann mich nur auf diese Ant- Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der worten berufen und bedaure, Ihnen nicht darüber ebenfalls vom türkischen Verteidigungsminister gegenüber der hinausgehende Auskünfte geben zu können, weil sie Delegation des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bun- mir nicht vorliegen. destages gemachten unmißverständlichen Aussage, daß 1992 in Cizre mit einem deutschen Panzer (Typ BTR-60) aus ehemaligen NVA-Beständen eine Leiche aus dem Weg geräumt worden sei, Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine letzte Fra- um zu prüfen, ob darunter nicht eine Mine versteckt gewesen sei? gemöglichkeit haben Sie noch, bitte.

Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Steffen Tippach (PDS): Herr Staatsminister, ist Amt: Herr Kollege, Ihre zweite Frage ist eigentlich Ihnen der Bericht der US-Menschenrechtsorganisa- durch meine Ausführungen zu Frage 1 erledigt; denn tion „Human rights watch" bekannt, der am Montag Sie fragen erneut nach einem deutschen Panzer aus veröffentlicht wurde und der ausdrücklich nochmals ehemaligen NVA-Beständen, der im Jahre 1992 darauf hinweist, daß in der Türkei deutsche Waffen angeblich dort im Einsatz gewesen sein soll. gegen die Kurden eingesetzt werden? Haben Sie sich über diesen Bericht informiert, um daraus even- Ich kann nur wiederholen, daß nach unseren tuell neue Erkenntnisse zu ziehen? Erkenntnissen solche NVA-Panzer nicht entgegen dem mit der Türkei ausgehandelten Vertrag und der Zustimmung des Deutschen Bundestages eingesetzt Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen worden sind. Amt: Herr Kollege, Sie haben diesen Be richt in Ihrer Frage nicht angesprochen. Ich bitte um Verständnis, daß ich, wenn am Montag eine solche Mitteilung Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Möchten Sie noch einmal nachfragen? - Bitte. ergangen sein sollte, nicht alles inzwischen nachprü- fen konnte. Wir gehen der Sache nach. Wir sind anderen Hinweisen und Vorwürfen nachgegangen, Steffen Tippach (PDS): Herr Staatsminister, es ist die sich als grundlos erwiesen haben. Aber wir prü- doch ganz präzise gesagt worden: Es wurde an dem fen auch diesen Be richt gerne nach. und dem Tag in der und der Stadt in dem und dem Gebiet ein Schützenpanzer eingesetzt, um eine Per- son beiseite zu ziehen, um zu schauen, ob darunter Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Damit liegen eine Mine liegt. Das ist ja keine globale Aussage, keine weiteren Fragen zum Geschäftsbereich des sondern ein sowohl zeitlich als auch räumlich zu defi- Auswärtigen Amtes vor. Danke schön, Herr Staatsmi- nierender Sachverhalt. Habe ich Sie richtig verstan- nister. den, daß Sie sagen, auch diese Aussage zu diesem Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun- räumlich und zeitlich zu fixierenden Sachverhalt sei desministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und ebenso mißverständlich dargestellt worden und Forsten. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische offensichtlich von Teilnehmern der Delegation eben- Staatssekretär Wolfgang Gröbl da, aber nicht der falls falsch verstanden worden? Fragesteller. - Es wird mir vom Schriftführer gerade signalisiert, daß er noch in einer Ausschußsitzung sei Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen und um schriftliche Beantwortung bitte. Dann wird Amt: Ich weiß nicht, wer was bei diesem Gespräch die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Günther Maleuda falsch verstanden hat. Aber ganz offensichtlich hat schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage schon damals, als es bekannt wurde - es liegt ja abgedruckt. schon einige Zeit zurück -, die Deutsche Botschaft, die auch bei dem Gespräch anwesend war, betont Ich rufe nun die Frage 4 der Abgeordneten Heide- und unterstrichen, daß Herr Tanir, der damalige Ver- marie Wright auf: teidigungsminister, am Ende des Gesprächs mit der Welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, um deutschen Delegation abschließend ausdrücklich das offensichtliche Innovationsdefizit bei der Röstung und Wei- gesagt hat - ich zitiere noch einmal wörtlich -, daß im terverarbeitung von Hanf auszugleichen, und welche weiteren Südosten der Türkei keine NVA-Schützenpanzer aus Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Wettbewerbs- nachteile, die infolge des jahrelangen Anbauverbotes für die deutscher Lieferung eingesetzt worden seien. Ich deutschen Landwirte entstanden sind, aufzuholen? kann nur vermuten, daß es sich dabei um ein Mißver- ständnis gehandelt hat. Bitte. Wir wissen überdies, daß seit dieser Auseinander- setzung, die es damals schon gab, der Türkei inzwi- Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär beim Bundes- schen immer wieder klargemacht worden ist: Jedwe- minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: der Versuch, entgegen den mit der Türkei ausgehan- Frau Kollegin Wright, das Hanfanbauverbot in delten und von uns als Voraussetzung für die Liefe- Deutschland besteht seit 1982. 1981 wurde in rung von Waffen aus NVA-Beständen an einen Deutschland nur noch auf 27 Hektar Hanf angebaut. NATO-Partner gestellten Bedingungen diese Waffen Der Handel mit Hanf zur Gewinnung oder Verarbei- im Kampf gegen die Kurden einzusetzen, also in eine tung der Fasern für gewerbliche Zwecke ist übrigens innenpolitische Angelegenheit mit Panzern einzu- auch nach Erlaß des Anbauverbots in Deutschland greifen, ist zu unterlassen. Daraufhin wurde von der ausdrücklich weiter zugelassen worden. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6119

Parl. Staatssekretär Wolfgang Gröbl Schon seit 1992 führt die Bundesforschungsanstalt achtens ab und werden dann darüber diskutieren, für Landwirtschaft in Braunschweig-Völkenrode im möglicherweise auch im Ausschuß. Dann werden wir Auftrag des Bundesministers für Landwirtschaft und sehen, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen Forsten Anbauversuche mit verschiedenen Hanfsor- zu ziehen sind. ten durch. Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchun- gen war, daß die zur Verfügung stehenden französi- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Weitere Zusatz- schen Faserhanfsorten sehr geringe Gehalte an fragen liegen nicht vor. Wir beenden damit den Tetrahydrocannabinol, der rauschaktiven Substanz Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernäh- des Hanfs, haben. Dies trug wesentlich zur Entschei- rung, Landwirtschaft und Forsten. dung des Sachverständigenausschusses für Betäu- bungsmittel bei, der Bundesregierung zu empfehlen, Für die Fragen 5 und 6 zum Geschäftsbereich des unter bestimmten Bedingungen den Anbau von Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen Faserhanf zu ermöglichen. und Jugend ist um schriftliche Antwort gebeten wor- den. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirt- schaft und Forsten hat eine Studie in Auftrag gege- Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun- ben, in der der Sachstand des Anbaus, der Verarbei- desministeriums für Verkehr. Zur Beantwortung ist tung und der Verwertung von Hanf dargestellt wer- der Parlamentarische Staatssekretär Manfred Car- den soll. Darüber hinaus sollen die Chancen für stens erschienen. Guten Tag! einen künftigen Anbau in Deutschland aufgezeigt Bei den Fragen 7 und 8 ist ebenfalls um schriftliche werden. Ergebnisse dieser Studie erwarten wir für Beantwortung gebeten worden. Die Antworten wer- die zweite Hälfte des Jahres 1996. Erst danach kann den als Anlagen abgedruckt. geprüft werden, welche Verarbeitungs- und Verwer- tungslinien bei Hanf besondere Beachtung verdie- Wir kommen damit zur Frage 9 des Abgeordneten nen. Wolfgang Zöller: Was unternimmt die Bundesregierung, um den Kompetenz- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Möchten Sie streit zwischen Bund und Land bezüglich der Verlegung der B 8 eine Zusatzfrage stellen? - Bitte. bei Erlenbach dergestalt zu beenden, daß die Frage der Zustän- digkeit rechtsverbindlich geklärt und festgelegt wird?

Heidi Wright (SPD): Herr Staatssekretär, würden Bitte, Herr Staatssekretär. Sie trotzdem zugestehen, daß ein Innovationsdefizit besteht, oder würden Sie das grundsätzlich vernei- Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär beim Bun- nen? desminister für Verkehr: Danke schön. Unterschiedliche Auffassungen zwischen Bund Parl. Staatssekretär beim Bundes- Wolfgang Gröbl, und Land bestehen bezüglich der Einstufung der B 8. minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Solange die Einstufung als Bundesfernstraße besteht, Frau Kollegin, wir haben einen europäischen Bin- ist der Bund Baulastträger. Er kann die Verlegung nenmarkt. Jeder kann über unsere Grenzen schauen, der B 8 bei Erlenbach durch Bau und Finanzierung wie es die Franzosen machen, wie es die Spanier einer Ortsumgehung jedoch nicht veranlassen, nach- machen. Dort sind die hauptsächlichen Hanfanbau- dem die Ortsumgehung seit dem Vierten Gesetz zur gebiete. Es ist niemandem verwehrt, französischem Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes nicht oder spanischem Beispiel zu folgen. mehr im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ent- halten ist, so daß hierfür ein werkehrlicher Bedarf Heidi Wright (SPD): Ich habe eine weitere Zusatz- gesetzlich nicht mehr anerkannt und festgestellt ist. frage. Das Bundesministerium für Verkehr hat das Land wiederholt aufgefordert, die wegen ihrer nahen Par- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ja, bitte. allellage zur Bundesautobahn A 3 nicht mehr dem weiträumigen Verkehr dienende Bundesstraße B 8 Heidi Wright (SPD): Wenn das Ergebnis der Studie zwischen Aschaffenburg und Würzburg in eine Stra- im nächsten Jahr vorliegt, aber ab Frühjahr auch die ßenklasse nach Landesrecht abzustufen. Dem ist das deutschen Landwirte anbauen können, sind dann Land bisher nicht nachgekommen. auch schon Mittel in Aussicht gestellt, mit denen das Innovationsdefizit - ich gehe davon aus, daß ein sol- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Möchten Sie ches doch besteht - ausgeglichen wird? Gibt es eine Zusatzfrage stellen? - Bitte. Bereitstellungen von Mitteln direkt für die Weiterver- arbeitung von Hanf, oder fällt das alles unter den Bereich nachwachsende Rohstoffe und müßte aus Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Zum einen: Für mich diesem Etat herausgezogen werden? ist dann unverständlich, wenn an der Landkreis- grenze die B 8 Bundesstraße bleibt, obwohl sie dort genauso nah an der Autobahn ist. Wolfgang Gröbl, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Zum zweiten: Es kann doch nicht angehen, daß Frau Kollegin, unser Haushaltsgebaren ist ein biß- der Bund sagt „Ich bin für eine Straße nicht mehr chen sorgfältiger, als Sie es sich vorstellen. Wir war- zuständig, weil die Autobahn den Verkehr überneh- ten zuerst einmal die Aussagen eines solchen Gut- men soll, wenn sie sechsstreifig ausgebaut ist", wäh- 6120 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Wolfgang Zöller rend dieser Ausbau zur Sechsstreifigkeit in diesem Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär beim Bun- Jahrhundert garantiert nicht mehr vollzogen werden desminister für Verkehr: Das Bundesministerium für kann. Also wäre es doch sinnvoll, die Abstufung zur Verkehr kann im Rahmen der Bundesauftragsverwal- Staatsstraße erst dann vorzunehmen, wenn der Aus- tung für die Bundesfernstraßen dem Bayerischen bau der Bundesautobahn in besagtem Umfang vor- Staatsministerium des Innern nach A rt . 85 Abs. 3 des genommen wurde. Grundgesetzes Weisung erteilen, die B 8 in eine Stra- ßenklasse nach Landesrecht abzustufen. Die Ertei- lung der Weisung ist beabsichtigt. Ihr Vollzug ist Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär beim Bun- durch das Bayerische Staatsministerium des Innern desminister für Verkehr: Man kann einem Abgeord- als Oberste Landesbehörde sicherzustellen, und neten, der logische Zusammenhänge vorträgt, nicht zwar nach Art. 85 Abs. 3 Satz 3 des Grundgesetzes. widersprechen. Das tue ich auch nicht. Hierbei muß Nach Abstufung der B 8 liegt der Bau der Ortsumge- man aber wissen, daß nicht dies der Ke rn der Proble- hung Erlenbach in der Kompetenz des neuen Bau- matik ist, sondern die Frage, wer die Ortsumgehung lastträgers. von Erlenbach bezahlt. Wir haben den Bundesver- kehrswegeplan, wir haben auch den entsprechen- den Ausbau der Autobahn vorgesehen, und dabei ist Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zusatzfrage? - die Ortsumgehung von Erlenbach nicht mehr vorge- Bitte. sehen. Ich muß Ihnen sagen, daß dem Verkehrsaus- schuß und dem Deutschen Bundestag bei Beschluß- Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie sagten: „ist beab- fassung diese Zusammenhänge bekannt gewesen sichtigt". Kann ich bitte einen Zeitrahmen erfahren, sind. Wichtig ist nun, daß es zu Entscheidungen weil ich nämlich schon fünf Jahre warte? kommt, daß die parallel laufende B 8 abgestuft wird, damit klare Verhältnisse entstehen und dann das Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär beim Bun- Land die Aufgabe übernimmt, die es zu übernehmen desminister für Verkehr: Herr Kollege Zöller, dafür hat. habe ich volles Verständnis. Ich werde mich der Sache persönlich annehmen, um diese Entscheidung zügig umzusetzen. Bei mir heißt „zügig" nicht Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine weitere Zusatzfrage zu Frage 9. irgendwann, sondern sehr bald.

Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Danke schön. Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Jetzt sind wir bei dem Problem der Bürger. Die Bürger können das nicht mehr verstehen. Der Bund sagt: Wir sind nicht Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Damit sind die mehr zuständig. Das Land sagt jedoch: Wir sind noch Fragen beantwortet. nicht zuständig. Dieser Zustand dauert nun schon Wir kommen zu den Fragen 11 und 12 des Abge- über fünf Jahre an. Hier muß es doch endlich eine ordneten Walter Schöler. Er ist nicht anwesend. Es rechtliche Lösung geben, wer zuständig ist. Stelle ich wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorge- der Bundesregierung diese Frage, heißt es: Wir sind sehen. nicht zuständig. Stellen wir der Staatsregierung diese Frage, heißt es: Wir sind noch nicht zuständig. Für die Fragen 13 und 14 der Abgeordneten Deshalb auch meine Frage: Welche rechtssichere Dr. Angelica Schwall-Düren wird um schriftliche Handhabe kann endlich geschaffen werden, damit Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als diese Rechtsunsicherheit endlich beseitigt werden Anlagen abgedruckt. kann? Danke schön, Herr Staatssekretär. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun- Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär beim Bun- desministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reak- desminister für Verkehr: Herr Kollege Zöller, Sie torsicherheit. Hier ist der Parlamentarische Staatsse- haben völlig recht. Wie ich dieses Problem gemein- kretär Walter Hirche erschienen. Guten Tag! sam mit Ihnen regeln will, beantworte ich ja in der nächsten Frage. Wir kommen zur Frage 15 des Abgeordneten Horst Kubatschka: Wird die Bundesregierung in der Europäischen Union darauf Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Dann kommen hinweisen, daß sich die slowakische Regierung über ihre Selbst- wir zur nächsten Frage, der Frage 10 des Abgeordne- verpflichtung hinwegsetzt, wenn sie das Atomkraftwerk Mo- ten Zöller: chovce unter westlichen Sicherheitsstandards fertigstellen will und gleichzeitig das Atomkraftwerk Bohunice entgegen ur- sprünglichen Zusagen nicht vom Netz nimmt, und welche Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen der Bundesregie- Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Schließung von rung zur Verfügung, insbesondere nachdem der Bundesrech- Bohunice auch ohne die Fertigstellung des Atomkraftwerks nungshof mehrfach einen unbef riedigenden Fortgang der seit Mochovce zu verwirklichen? 1987 laufenden Abstufung autobahnparalleler Bundesfernstra- ßen festgestellt hat, den Vollzug der Abstufungsmaßnahmen durchzusetzen, und welche Konsequenzen hinsichtlich der Bau- Parl. Staatssekretär bei der Bundes- last ergeben sich bei einem Fehlen des rechtlichen Instrumenta- Walter Hirche, riums? ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit: Frau Präsidentin! Herr Kollege Kubatschka, Bitte. die Bundesregierung hat keine Bedenken gegen die Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6121

Parl. Staatssekretär Walter Hirche Fertigstellung der beiden Reaktorblöcke des Kern- Zusammenhang mit dem Kreditantrag als einver- kraftwerkes Mochovce, sofern diese ohne Abstriche nehmlich angesehen worden sind, erfüllt werden. an den bisher vorgesehenen Sicherheitserhöhungs- Nachdem der Kreditantrag ja zurückgezogen ist, ver- maßnahmen erfolgt. Der Bundesregierung liegen suchen wir auf den Kanälen, die noch offen bleiben, keine Informationen darüber vor, ob die im Zusam- weiterhin tätig zu sein, diplomatisch und auf Fach- menhang mit dem Kreditantrag bei der Europäischen ebene. Ich kann nur noch einmal darauf verweisen, Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und bei der daß der Wunsch einiger Kollegen aus diesem Hause, EIB zu sehende Aussage der slowakischen Regie- den sie an die Bundesregierung gerichtet haben - rung von 1994 weiterhin gilt, nach Inbetriebnahme wir sind dieser Anregung in der Form nicht gefolgt -, der beiden Blöcke des Kernkraftwerkes Mochovce nämlich daß wir auf die EBRD einwirken sollten, die- die Blöcke 1 und 2 des Kernkraftwerkes Bohunice zu sen Kreditantrag nicht zu genehmigen, natürlich erst schließen. Unabhängig davon, daß die slowakische recht in das Dilemma führt, daß wir, formal gesehen, Regierung den oben genannten Kreditantrag zurück- kaum einen Ansatzpunkt haben, auf die Realisierung gezogen hat, hält es die Bundesregierung für sehr von Sicherheitsvorschriften hinzuwirken. wichtig, daß die ursprüngliche Schließungszusage für Bohunice weiter gilt. Die Bundesregierung sieht Eine Zusatz- keine Möglichkeit, die Schließung der Blöcke 1 und Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: frage der Abgeordneten Schönberger. 2 des Kernkraftwerkes Bohunice ohne die Fertigstel- lung des Kernkraftwerkes Mochovce zu verwirkli- chen. Ursula Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Sie haben in der Antwort auf die erste Nach- frage des Kollegen Kubatschka gesagt: Es gibt keine Möchten Sie Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Alternativen dazu, Bohunice stillzulegen, ohne daß nachfragen? - Bitte. Mochovce in Betrieb geht. Ich möchte Sie daher fra- gen, welche Alternativangebote es denn gibt. Es Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, ich gibt ja auch die Möglichkeit, dort Gaskraftwerke, habe ja den EU-Komplex angesprochen. Welche moderne GuD-Kraftwerke anzubieten. Es kann ja Möglichkeit sehen Sie, über die Europäische Union nicht der Weisheit letzter Schluß sein, daß die Bun- möglichst schnell eine Schließung von Bohunice zu desregierung keine andere Möglichkeit sieht als die, erreichen? ein Atomkraftwerk durch ein anderes zu ersetzen. Es gibt durchaus andere Techniken, die umwelt- freundlicher und mit wesentlich weniger Risiko Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Walter Hirche, behaftet sind. Ich frage Sie, ob Sie nicht beispiels- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- weise ein anderes Angebot machen könnten. cherheit: Herr Kollege Kubatschka, Sie wissen, daß es umfangreiche Diskussionen zwischen der Arbeits- gruppe, die die G 7 eingesetzt hat, und der Europäi- Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- schen Union einerseits und den jeweils betroffenen ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Regierungen andererseits gibt. Es geht ja nicht nur cherheit: Frau Präsidentin! Frau Kollegin Schönber- um die Slowakei. Mit den Regierungen über die Pro- ger, die Entscheidung, welche Form von Primärener- bleme zu reden ist deswegen ein sehr schwieriges gie eingesetzt wird, um Energie zu erzeugen, trifft Unterfangen, weil die Staaten bei dieser Thematik jeder Staat souverän für sich. Im Rahmen der Diskus- vielfach die Frage nach Grenzen und Umfang von sionen, die geführt werden, wird über alle möglichen Souveränität und Mitsprache von außen stellen. Des- Varianten gesprochen. Aber da spielen Finanzvolu- wegen sind manche Teile der öffentlichen Diskus- mina und Konkurrenzangebote von anderer Seite sion, die auch wir führen, nicht geeignet, dort eine eine Rolle. Deswegen sind die Dinge nicht ganz so Diskussionsoffenheit zu erzeugen. einfach zu bewegen, wie es in Ihrer Frage als Wunsch zum Ausdruck kommt. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine weitere Zusatzfrage. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wir kommen damit zur Frage 16 des Abgeordneten Wolfgang Behrendt: Horst Kubatschka (SPD): Welche Schritte unter- nehmen Sie dann - das muß ja nicht in der Öffent- Ist der Bundesregierung bekannt, ob die von der Slowaki- lichkeit geschehen -, um wirklich einen westlichen schen Republik zugesagte Schließung des in Betrieb befindli- Standard in bezug auf die Sicherheit bei Bohunice chen slowakischen Atomkraftwerks Bohunice zeitgleich mit der Fertigstellung des Atomkraftwerks Mochovce vorgenommen und Mochovce zu erreichen? Oder ist er überhaupt wird, und bis zu welchem Zeitpunkt soll die Schließung des nicht erreichbar? Atomkraftwerks Bohunice abgeschlossen sein?

Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit: Uns liegen Informationen der Art nicht vor, cherheit: Frau Präsidentin! Herr Kollege Behrendt, daß das nicht erreichbar oder etwa nicht gewollt sei. der Bundesregierung liegen über die Absichten der Vielmehr gehen wir nach wie vor davon aus, daß die slowakischen Regierung keine neuen Informationen Sicherheitsstandards, so wie sie diskutiert worden vor. Die Bundesregierung hält es aber für sehr wich- sind und in bezug auf diesen technischen Punkt im tig, daß die im Zusammenhang mit der ursprünglich 6122 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Parl. Staatssekretär Walter Hirche geplanten EBRD-Finanzierung gegebene Schlie- die es sich hier handelt, eintreten können. Deswegen ßungszusage der slowakischen Regierung weiter gilt. haben wir auch in der Europäischen Union und der Die slowakische Regierung hat 1994 zugesagt, die G 7 diese Diskussion mit den mittel- und osteuropäi- Blöcke 1 und 2 des Kernkraftwerkes Bohunice nach schen Ländern aufgenommen, um auf erhöhte Aufnahme des kommerziellen Bet riebs der Blöcke 1 Sicherheit von Kernkraftwerken hinzuwirken. und 2 des Kernkraftwerks Mochovce stillzulegen. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es gibt keine Eine Zusatz- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: weiteren Zusatzfragen. Wir kommen damit zur- frage, bitte. Frage 17 der Abgeordneten Ursula Schönberger:

Wie reagiert die Bundesregierung auf den Rückzug des Pro Wolfgang Behrendt (SPD): Herr Staatssekretär, jektantrages durch die slowakische Regierung bei der Europäi- wenn ich Sie richtig verstanden habe, halten auch schen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung für das Atom- Sie ja die Schließung von Bohunice spätestens bei kraftwerk Mochovce im Hinblick auf eine mögliche Fertigstel- lung unter westlichen Sicherheitsstandards? der Fertigstellung von Mochovce für zwingend gebo- ten. Was wird die Bundesregierung tun, um zu gewährleisten, daß diese zugesagte Schließung dann Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- auch wirklich erfolgt? ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit: Frau Präsidentin, Frau Kollegin, ist es gestattet, die beiden Fragen zusammen zu beantwor- Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- ten? cherheit: Frau Präsidentin! Herr Kollege, wir versu- chen, dies mit den uns zur Verfügung stehenden Mit- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Ja, das ist teln der Überzeugung zu erreichen, auch unter Hin- gestattet. Dann rufe ich auch die Frage 18 der Kolle- weis auf die Diskussion, die im Vorfeld der Aufnah- gin Ursula Schönberger auf: meanträge zur Europäischen Union und im Zusam- menhang mit anderen Dingen geführt wird. Verfügt die Bundesregierung außer einer Erklärung der slo- wakischen Regierung über Garantien, daß das Atomkraftwerk Mochovce mit westlichen Sicherheitsstandards fertiggestellt Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zusatzfrage, wird? bitte. Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Wolfgang Behrendt (SPD): Herr Staatssekretär, ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- trifft es zu, daß die Firma Siemens einen Auftrag für cherheit: Frau Präsidentin! Frau Kollegin Schönber- das Gaskraftwerk Bratislava II erhalten hat, und ist ger, die Bundesregierung sieht derzeit keinen Anlaß, der Bundesregierung bekannt, ob diese Auftragsver- auf die Änderung der Finanzierung der Fertigstel- gabe an die Zusage zur Zusammenarbeit beim AKW lung des Kernkraftwerks Mochovce zu reagieren, Mochovce gebunden ist? solange die Fertigstellung ohne Abstriche an dem im internationalen Konsens vereinbarten Sicherheits- standard erfolgt. Die slowakische Regierung hält Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- nach unserer Kenntnis an dem international definier- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- ten Sicherheitsniveau fest. cherheit: Herr Kollege, diese Information habe ich im Augenblick nicht. Ich kann mich aber gerne infor- Die Fertigstellung des Kernkraftwerks Mochovce mieren. einschließlich der vorgesehenen sicherheitstechni- schen Verbesserungen ist eine Aufgabe, die aus- Ich kann mir allerdings - dies zum zweiten Teil schließlich in der Verantwortung der Regierung der Ihrer Frage - nicht vorstellen, daß zu dieser Grund- Slowakischen Republik liegt. Für die Bundesregie- satzentscheidung über eine einzelne Firma eine rung ist wesentlich, daß die beabsichtigten Verbesse- inhaltliche Verknüpfung getroffen worden ist. rungen, für die es naturgemäß keine Garantien gibt, auch tatsächlich durchgeführt werden. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine weitere Zusatzfrage, bitte. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Die erste Zusatzfrage, bitte. Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, stimmt die Bundesregierung mir zu: Durch einen möglichen GAU beim Betrieb der Kernkraftwerke Ursula Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Bohunice oder Mochovce kann es auch bei uns in der NEN): Gedenkt die Bundesregierung ihre eventuel- Bundesrepublik zu beträchtlichen Umwelt- und len Zusagen für einen Hermes-Kredit an die Bedin- Gesundheitsgefährdungen kommen? gung zu knüpfen, daß diese Sicherheitsstandards tat- sächlich eingehalten werden? Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- cherheit: Herr Kollege, durch den schrecklichen Vor- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- fall in Tschernobyl wissen wir, daß solche Folgen cherheit: Frau Kollegin, ich kann hier keine Aus- auch bei noch größeren Entfernungen als jenen, um künfte über Bedingungen im Zusammenhang mit Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6123

Parl. Staatssekretär Walter Hirche Hermes-Krediten geben, weil diese Entscheidung wie den in Greifswald handelt? Auf der einen Seite letztlich in einem anderen Ressort getroffen wird. ist die Investition für die Nachrüstung dieses Reak- tortyps durch Siemens oder andere Unternehmen mit Wir werden - soviel will ich sagen - alle Möglich- westlichen Leittechniken in der Bundesrepublik keiten der inhaltlichen Einflußnahme zur Gewährlei- nicht getätigt worden, auf der anderen Seite wird stung der Sicherheit nutzen, auch aus dem Interesse aber gesagt: In der Slowakei gelten auf rechtlicher heraus, daß die Bundesregierung im Zusammenhang Ebene nicht die gleichen Sicherheitsanforderungen mit dem Betreiben von Kernenergie Leben und wie in der Bundesrepublik Deutschland. Also versu- Sicherheit gewahrt sehen will. Wir glauben, dafür ist chen wir, da ein bißchen mehr Sicherheit einzubrin- es wichtig, daß in Ost- und Mitteleuropa Reaktoren gen - anstatt nach einer grundsätzlichen Alternative arbeiten, die keinen Anlaß für zusätzliche Diskussio- zu suchen. nen geben.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zusatzfrage, Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- bitte. ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit: Frau Kollegin, wir sind uns sicher darüber einig: Das Hauptanliegen müßte sein, daß Bohunice Ursula Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- abgeschaltet wird. NEN): Sie sagten gerade, es gehe darum, keine Inve- stitionen zu fördern, die neue Diskussionen auslösen. (Ursula Schönberger [BÜNDNIS 90/DIE Nun müßte Ihnen eigentlich bekannt sein, daß ein GRÜNEN]: Und Mochovce nicht in Betrieb Mitgliedstaat der Europäischen Union, nämlich genommen wird!) Österreich, auf allen Ebenen gegen diesen Bau von Mochovce protestiert. Die Frage an Sie ist: Wie ver- Da die slowakische Regierung in diesem Zusam- hält sich die Bundesregierung der Bundesrepublik menhang eine solche Möglichkeit nur dann sieht, Deutschland gegenüber Österreich, das ein eviden- wenn ausreichend Strom aus einem anderen Ke rn tes und existentielles Interesse daran hat, daß -kraftwerk zur Verfügung steht, sollte das im Dialog Mochovce nicht in Betrieb geht? mit der souveränen Entscheidung dieser Regierung geschehen; sie sollte auf diesem Weg unterstützt werden. Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- Im übrigen sind die Sicherheitsstandards für cherheit: Wir versuchen, Frau Kollegin, Frau Präsi- Mochovce international definiert. Ihr Soupçon, den dentin, in der Sache etwas zu erreichen. Es ist nicht Sie mit Ihrer Frage in diese Diskussion hineinbringen ohne weiteres logisch, daß derjenige, von dem wollen, ist im Zusammenhang mit Mochovce nicht bekannt ist, daß er grundsätzlich gegen etwas ist, bei angebracht. Die Bundesregierung teilt diese Inter- einem anderen, der dafür ist, mehr erreicht als pretation, die Sie hier vorgenommen haben, nicht. jemand, der versucht, mit ihm positiv und konstruk- tiv sicherere Bedingungen zu erarbeiten. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Sie hätten noch Insofern glaube ich: Es ist in der Tat ein Eigentor, eine Fragemöglichkeit. - Bitte. daß der Kreditantrag - auch wegen Diskussionen, die in verschiedenen Ländern geführt worden sind - bei der EBRD von der slowakischen Regierung Ursula Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zurückgezogen worden ist - was Sie hier im Bundes- NEN): Herr Staatssekretär, Sie sagen, daß sich die tag beantragt hatten -; denn das nimmt uns ein Stück Regierung der Slowakei nur dann in der Lage sieht, Einflußmöglichkeit auf die Definition von Sicher- Bohunice abzuschalten, wenn sie Strom aus einem heitsstandards. Nur wenn man in einem formalen anderen Kernkraftwerk bekommt. Könnte es - auch Prozeß ist, kann man etwas erreichen. Wenn man nach Meinung der Bundesregierung - nicht sein, daß sich ausklinkt, kann man das nicht. Aus diesem es vielleicht darum geht, Strom aus einem anderen Grunde haben wir, trotz unterschiedlicher Einschät- Kraftwerk zu bekommen und nicht unbedingt Strom zung der Grundsatzfrage, überhaupt kein Problem - aus einem anderen Kernkraftwerk, um Bohunice auch in Abstimmung mit der österreichischen Regie- abschalten zu können? rung; dazu haben Gespräche stattgefunden -, mit der slowakischen Regierung einen konstruktiven Dialog zu führen. Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit: Frau Kollegin, ich möchte noch einmal in Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Bitte. aller Zurückhaltung daran erinnern, daß es sich hier- bei um Entscheidungen der souveränen Slowaki- Ursula Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schen Republik handelt und nicht im Deutschen Bun- NEN): Herr Staatssekretär, dann muß ich in dem destag oder von der deutschen Bundesregierung ent- Zusammenhang eine Frage bezüglich Ihrer Ausfüh- schieden werden kann oder auch nur entschieden rungen hinsichtlich einer grundsätzlichen Kritik, werden sollte, was für andere richtig oder falsch ist. einer grundsätzlichen Ablehnung des Baus dieses Diese Art von Diskussionsbeitrag wird in der Slowa- Atomkraftwerks und Ihrer konstruktiven Zusammen- kei nicht zu der Offenheit führen, über diese und arbeit stellen: Ist Ihnen bekannt, daß es sich bei andere Fragen zu reden, sondern zu einer Verärge- Mochovce um einen Reaktortyp russischer Bauart rung über oberlehrerhaftes Verhalten. 6124 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Zusatz- Wir kommen zur Frage 24 der Abgeordneten frage des Kollegen Kubatschka. Amke Dietert-Scheuer: Welche Angaben kann die Bundesregierung machen über die Zahl nicht visapflichtiger Drittstaatsangehöriger, denen seit In- Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, Sie krafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommens sprechen von international definierten Sicherheits- (SDÜ) die Einreise nach Deutschland oder in andere Mitglied- standards. Wer hat diese Sicherheitsstandards defi- staaten - insbesondere mangels ausreichender Geldmittel - je- niert? Wo und wie wurden sie definiert? weils verweigert wurde, und in welcher Weise wollen die Bun- desregierung sowie die anderen Schengener Mitgliedstaaten die betroffenen Drittstaatsangehörigkeiten künftig vor Reisean- tritt zweckmäßiger über die Auslegung der Einreisebestimmun- Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- gen - wie z. B. das Erfordernis ausreichender Finanzausstat- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- tung - informieren? cherheit: Herr Kollege, im Zusammenhang mit dem Ich begrüße den Parlamentarischen Staatssekretär EBRD-Kreditantrag gibt es bestimmte Punkte, die Eduard Lintner und bitte ihn, die Frage zu beantwor- erfüllt, die vorgelegt werden müssen. Im Vorfeld die- ten. ses Antrags sind diese einzelnen Punkte aufgestellt und geprüft worden. Ich habe die entsprechenden Unterlagen jetzt nicht hier. Ich bin aber gern bereit, Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Ihnen das nachzuliefern. Ich bitte um Verständnis minister des Innern: Vom 1. April bis zum 31. Oktober dafür, daß ich mich mit dem Hinweis auf ein formales 1995 sind 36 063 Zurückweisungen gegenüber Dritt- und transparentes - also nachprüfbares - Verfahren ausländern, die nicht der Sichtvermerkspflicht unter- begnügen muß. liegen, ausgesprochen worden. Bei der statistischen Erfassung werden „fehlende finanzielle Mittel" als Grund der Zurückweisung nicht gesondert erfaßt. Die Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Herr Ku- Bndesregierung verfügt deshalb nicht über Angaben, batschka, bitte. in wie vielen Fällen wegen fehlender Mittel die Ein- reise nicht gestattet wurde. Der Bundesregierung ist ebenfalls nicht die Zahl der Zurückweisungen durch Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, ich die anderen Vertragsstaaten des Schengener Durch- danke Ihnen für die Bereitschaft, mir diese Bedin- führungsübereinkommens bekannt. gungen zu sagen. Entsprechen diese international definierten Sicherheitsstandards den Sicherheits- Daß Ausländer für die Einreise in einen anderen standards, die wir in Deutschland im Gesetz definiert Staat ausreichende Mittel zur Bestreitung des haben? Lebensunterhalts mit sich führen müssen, ist eine all- gemein bekannte, in Europa von allen Staaten gefor- derte Einreisevoraussetzung, die im übrigen in A rt. 5 Walter Hirche, Parl. Staatssekretär bei der Bundes- Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkom- ministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- mens übernommen worden ist. Die Höhe der erfor- cherheit: Herr Kollege, Sie wissen, daß es in Deutsch- derlichen Mittel hängt dabei von den Umständen des land einige Spezifika gibt, die hinsichtlich techni- einzelnen Falles ab, insbesondere von der Reise- scher Anforderungen anders gestaltet sind; aber in dauer und vom Reisezweck. der Substanz ist es so, daß auch nach Einschätzung Im übrigen liegen bei den deutschen Auslandsver- unserer Experten das, was do rt als Auflage definiert tretungen Informationsblätter über die Einreisevor- worden ist, bis heute in vollem Umfang unter Sicher- aussetzungen aus, in denen auch darauf hingewie- heitsgesichtspunkten verantwortbar ist. sen wird, daß der Reisende ausreichende Mittel mit sich führen muß. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Weitere Zusatz- fragen liegen nicht vor. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zusatzfrage?

Wir kommen zur Frage 19. Für diese Frage ist (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schriftliche Beantwortung beantragt worden. Die Amke Dietert-Scheuer NEN): Nein. Antwort wird als Anlage abgedruckt.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- Vizepräsidentin Dr. Anje Vollmer: Wir kommen zur nisteriums für Raumordnung, Bauwesen und Städte- Frage 25 der Abgeordneten Amke Dietert-Scheuer: bau. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, daß der indo- nesische Forschungsminister B. J. Habibie auch die deutsche Für die Fragen 20, 21 und 22 wurde schriftliche Staatsangehörigkeit besitzt, so daß er gemäß § 7 Abs. 2 des Straf- Beantwortung beantragt. Die Antworten werden als gesetzbuches grundsätzlich der deutschen Strafgewalt unterlä- Anlagen abgedruckt. ge, und teilt sie die Auffassung, daß einer Auskunft über die Staatsangehörigkeit des Ministers keine überwiegenden Daten- Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- schutzgründe entgegenstehen, da es sich bei ihm um eine Per- nisteriums des Innern. son des öffentlichen Lebens handelt?

Für die Frage 23 ist schriftliche Beantwortung Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bun- beantragt worden. Die Antwort wird als Anlage desminister des Innern: Aus den der Bundes- abgedruckt. regierung zugänglichen staatsangehörigkeitsrecht- Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6125

Parl. Staatssekretär Eduard Lintner lichen Erkenntnisquellen geht nicht hervor, ob Herr che Stellen als Absender an solchen Transporten B. J. Habibie auch die deutsche Staatsangehörigkeit beteiligen. Bisher dienten kontrollierte Lieferungen besitzt. Eine diesbezüglich abschließende Auskunft eigentlich nur dazu, das jeweilige Ende und den kann seitens der Bundesregierung nicht gegeben Anfang einer Rauschgiftverbindung festzustellen, werden, weil in der Bundesrepublik Deutschland um Hintermänner auf beiden Seiten und Lieferanten kein zentrales Staatsangehörigkeitsregister besteht. und Empfänger zu erwischen. Das macht auch Sinn und ist auch richtig. Aber daß sich staatliche Dienst- Auch aus Meldeunterlagen lassen sich keine mit- stellen als Initiatoren betätigen, war mir neu. Ich telbaren Erkenntnisse gewinnen, solange die zustän- halte das für höchst zweifelhaft. dige Meldebehörde nicht bekannt ist, da es auch für den Bereich des Meldewesens kein zentrales Regi- ster gibt. Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Die Darstellung, die Sie jetzt geben, kann ich nicht bestätigen. Ohne in Details Dazu gibt es Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: gehen zu wollen, handelt es sich beim Ablauf dieses keine Zusatzfrage. Transports um kein ungewöhnliches Ereignis. Das ist Die Fragen 26 und 27 werden schriftlich beantwor- so abgelaufen, wie es üblicherweise der Fall ist. Das tet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. heißt, die Möglichkeit dazu ist vom BKA nicht geschaffen, sondern aufgegriffen worden. Wir kommen zur Frage 28 des Abgeordneten Johannes Singer: Johannes Singer (SPD): Habe ich es richtig ver- Wie erklärt sich die Bundesregierung, daß im Jahre 1992 ein sogenannter kontrollierter Transpo rt vom Bundeskriminalamt in standen, daß Absender nicht eine staatliche Dienst- der von Sicherheitskreisen als ungewöhnlich hoch bezeichneten stelle war, sondern eine kriminelle Organisation oder Menge von 30 Tonnen Drogen in die Niederlande erfolgte (siehe Einzelperson? dpa-Agenturmeldung vom 8. November 1995)?

Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Absender im üblichen Sinne war minister des Innern: Herr Kollege Singer, das Bun- natürlich nicht das BKA, denn das wäre naturgemäß deskriminalamt führt, wie auch andere nationale und aufgefallen und hätte die Operation erst gar nicht ausländische Strafverfolgungsbehörden, im Rahmen möglich gemacht. Vielmehr ist über Mittelspersonen eigener Ermittlungsverfahren „kontrollierte Trans- an jemanden das Ansinnen gestellt worden, eine ent- porte" als wirksame und gängige kriminaltaktische sprechende Menge Rauschgift zu transportieren. Maßnahme im Kampf gegen den international orga- Dieses Ansinnen ist dann für diese Operation als Auf- nisierten Rauschgifthandel durch. Kontrollierte Lie- hänger genutzt worden. ferungen umfassen in der Regel Heroin-, Kokain- oder Cannabistransporte, wobei sich die Menge vom Kilo- bis in den Tonnenbereich bewegen kann. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wir kommen zu Frage 29: Die über dpa verbreitete Meldung wird insoweit bestätigt, als das BKA im Jahre 1992 in Zusammenar- Finden nach wie vor sogenannte kontrollierte Transporte vom Bundeskriminalamt in vergleichbar großer Menge statt, und beit mit den niederländischen Behörden einen prüft die Bundesregierung derzeit Alternativen? „kontrollierten Transport" in einer Größenordnung von 31 Tonnen Haschisch über die Bundesrepub lik Deutschland in die Niederlande durchgeführt hat. Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Der „kontrollierte Transport" fand in Abstimmung minister des Innern: Hier lautet die Antwort: Kontrol- mit den beteiligten nationalen und ausländischen lierte Transporte sind international anerkannte krimi- Behörden und unter vorheriger Genehmigung aller naltaktische Maßnahmen, bei deren Durchführung betroffener Justizbehörden statt. In Deutschland war die „Single Convention" - das ist das Einheits-Über- das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Traunstein einkommen der Vereinten Nationen von 1961 über anhängig. Suchtstoffe in der Fassung vom 8. August 1975 -, die „Convention on psychotropic substances" - Überein- In den Niederlanden wurden im Zuge des „kon- kommen der Vereinten Nationen von 1971 über psy- trollierten Transpo rts" zunächst 13 und später sechs chotrope Substanzen in der Fassung vom 21. Februar weitere Personen festgenommen und die Gesamt- 1971 - und auch das Übereinkommen der Verein- menge Rauschgift sichergestellt. ten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Substanzen vom Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Nachfragen? - 19. Dezember 1988, das in Art. 11 explizit Aussa- Bitte. gen zur „kontrollierten Lieferung" trifft, Anwen- dung finden. Johannes Singer (SPD): Herr Staatssekretär, die Insofern sieht die Bundesregierung keine Veran- Tatsache kontrollierter Lieferungen war mir durch- lassung, über Alternativen dazu in dem Sinne nach- aus bekannt, und an solchen Operationen habe ich zudenken, daß derartige Maßnahmen in Zukunft auch selber schon einmal teilgenommen. Neu war unterbleiben. Selbstverständlich gibt es eine Reihe mir, daß, jedenfalls nach Presseberichten, als Absen- von kriminaltaktischen Maßnahmen, die dem glei- der das Bundeskriminalamt auftaucht. Ich hätte chen Ziel dienen können. Welche davon in einer gerne Ihre Stellungnahme dazu, warum sich staatli- jeweils konkreten Situation Anwendung findet, muß 6126 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Parl. Staatssekretär Eduard Lintner von den jeweiligen Umständen abhängig gemacht len Rauschgifthandels relativ unbekannt. Sonst werden. Ein „kontrollierter Transpo rt " von 31 Tonnen kämen Sie erst gar nicht auf den Gedanken, daß sich Rauschgift hat im Rahmen dieser möglichen Maß- das Bundeskriminalamt Märkte durch eine entspre- nahmen sicherlich eher Ausnahmecharakter. chende Bereitschaft schaffen müsse. (Lachen bei der SPD - Ernst Kastning [SPD]: Das heißt, der nächste wird Weitere Zusatz- 60 Tonnen sein!) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: fragen liegen nicht vor. Danke schön, Herr Staatsse- kretär Lintner. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zusatzfrage des Kollegen Singer. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun- desministeriums der Finanzen. Die Fragen werden vom Parlamentarischen Staatssekretär Hansgeorg Johannes Singer (SPD): Herr Staatssekretär, kön- nen Sie ausschließen, daß es zur Praxis des Bundes- Hauser beantwortet. kriminalamtes gehört, Lieferungen in solcher Grö- Ich rufe die Frage 30 der Abgeordneten Ina Albo- ßenordnung anzuregen, zu unterstützen oder herbei- witz auf: zuführen? Ist der Bundesregierung bekannt, ob für die staatlichen Or- gane der ehemaligen DDR Haftpflichtversicherungsschutz be- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- stand, und könnten deshalb Impfopfer aus der ehemaligen DDR minister des Innern: Herr Kollege Singer, da müßten die Frage des eventuellen Bestehens von zivil- oder staatshaf- wir uns jetzt ausführlich über Ihre Definition von tungsrechtlichen Schadenersatzansprüchen in Prozessen gegen „anregen" und dergleichen unterhalten. Ich kann die Staatliche Versicherung der DDR in Abwicklung verbindlich ausschließen, daß hier ein ungewöhnlicher Vorgang klären? zugrunde lag. Der Ablauf des Vorgangs war einer, Bitte schön, Herr Staatssekretär. wie man ihn von einer solchen Operation normaler- weise kennt. Hansgeorg Hauser, Parl. Staatssekretär beim Bun- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Noch eine desminister der Finanzen: Frau Kollegin Albowitz, Nachfrage? - Bitte. Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Zur Frage des möglichen Bestehens zivil- oder staatshaftungsrecht- licher Johannes Singer (SPD): Herr Staatssekretär, hal- Schadenersatzansprüche wegen Impfschäden darf ich Sie auf die Antwort der Bundesregierung zu ten Sie es für eine wirksame Kriminalpolitik, Vor- gänge wie den Expo rt von Rauschgift in befreundete der Großen Anfrage des Abgeordneten Horst Länder, die eigentlich eine Straftat darstellen, zu Schmidbauer und anderer sowie der Fraktion der unterstützen, und teilen Sie nicht meine Auffassung, SPD zum Thema „Hepatitis-C-Infektionen durch daß durch die Schaffung von Kriminalität dieses ,Anti-D'-Impfprophylaxe in der früheren DDR" hin- Umfangs mehr Schaden angerichtet wird, als wir weisen, die als Bundestagsdrucksache 13/2732 vom Nutzen davon haben? 24. Oktober 1995 vorliegt. Hier hat die Bundesregie- rung in ihrer Antwort zu der Frage 34 grundsätzlich und ausführlich ihre Auffassung zur Frage des mögli- Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- chen Bestehens zivil- oder staatshaftungsrechtlicher minister des Innern: Herr Kollege Singer, den zwei- Schadenersatzansprüche wegen Impfschäden gegen ten Teil Ihrer Frage kann ich glatt mit Nein beantwor- staatliche Organe der ehemaligen DDR dargelegt. ten. Dieses Instrument wird oft genutzt - übrigens Ebenso hat die Bundesregierung in ihrer Antwort zu weltweit - und erweist sich insbesondere im Rausch- der Frage 35 zu möglichen Schadenregulierungsver- gifthandel als erfolgreich. Im übrigen ist die Sache pflichtungen der Staatlichen Versicherung der DDR rechtlich einwandfrei geregelt, so daß von Strafbar- in Abwicklung Stellung genommen. keit, von einem Sich-Strafbarmachen in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein kann. Soweit Sie im Interesse der Impfopfer nachfragen, ob diese das Bestehen zivil- oder staatshaftungs- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zusatzfrage der rechtlicher Schadenersatzansprüche in Prozessen Abgeordneten Schönberger. gegen die Staatliche Versicherung der DDR in Abwicklung verbindlich klären lassen könnten, möchte ich darauf hinweisen, daß jedermann vor den Ursula Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zuständigen Gerichten um Rechtsschutz nachsuchen NEN): Wenn ich mir das so anhöre, dann drängt sich und das Bestehen bzw. das Nichtbestehen von mir der Vergleich mit dem Plutonimum auf. Ich frage Ansprüchen gerichtlich klären lassen kann. Die Ent- mich, ob sich das BKA nicht allmählich überlegen scheidung darüber, ob ein gerichtliches Verfahren müßte, sozusagen solche Delikte nicht herbeizufüh- sinnvollerweise anzustrengen ist oder nicht, müssen ren und nicht neue Märkte zu schaffen. Das kann die Betroffenen jedoch selber - gegebenenfalls unter doch nicht im Sinne des BKA sein. Hinzuziehung zulässiger rechtskundiger Beratung - treffen. Dabei wird es sicherlich zweckmäßig sein, Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär beim Bundes- die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen 34 minister des Innern: Frau Kollegin, offensichtlich und 35 der bereits genannten Großen Anfrage zu sind Ihnen die Vorgänge im Bereich des internationa- berücksichtigen. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6127

Parl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser Im übrigen bitte ich Sie, zu bedenken, daß die Der BIZ berichten außer europäischen Staaten Rechtsberatung Monopol der rechtsberatenden unter anderem Kanada, Japan, die USA und ver- Berufe und nicht der Bundesregierung ist. schiedene Off-shore-Finanzzentren, zum Beispiel die Niederländischen Antillen oder die Cayman Islands. Diese Zahlen lassen keine Schlüsse zu, in welchem Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zusatzfrage der Umfang die nigerianische Oberschicht über Bank- Abgeordneten Albowitz. guthaben in europäischen Ländern verfügt.

Ina Albowitz (F.D.P.): Frau Präsidentin, Sie gestat- Die Zahlungsbilanzstatistik der Deutschen Bun- ten, daß ich Herrn Staatssekretär zu seiner Premiere desbank vom Oktober 1995 weist mit Stand Juni in diesem Hause gratuliere. 1995 Verbindlichkeiten inländischer Kreditinstitute bei nigerianischen Gläubigern in Höhe von (Beifall im ganzen Hause) 191 Millionen DM aus, davon 186 Millionen DM Insoweit möchte ich ihn bei der Schwere der Proble- kurzfristig und 5 Millionen DM langfristig. Von den matik nicht überfordern. 186 Millionen DM kurzfristigen Verbindlichkeiten bestehen 100 Millionen DM gegenüber nigeriani- (Horst Kubatschka [SPD]: Ist er so mies?) schen Kreditinstituten. Zugleich bestehen Forderun- gen der deutschen Kreditinstitute an nigerianische - Um Gottes willen; da kenne ich andere. Schuldner in Höhe von 951 Millionen DM, davon Herr Staatssekretär, mir sind die Große Anfrage 75 Millionen DM kurzfristig und 876 Millionen DM von Herrn Kollegen Schmidbauer und der SPD-Frak- langfristig. tion sowie die Antwort der Bundesregierung selbst- Die Statistik differenziert nicht nach dem von verständlich bekannt. Deswegen möchte ich zu riterium der Oberschicht. Eines genau diesem Punkt nachfragen. Denn die Bundes- Ihnen genannten K zeigt die Statistik aber deutlich: Wenn die nigeriani- regierung hat in der Beantwortung der Großen sche Oberschicht in beachtlichem Umfang Geld auf Anfrage die Frage, ob die Impfopfer wegen des Dauer nach Europa geschafft haben sollte, dann hat Skandals in der ehemaligen DDR in die versiche- sie es jedenfalls nicht als Guthaben bei deutschen rungsrechtlichen Lösungen bei der Staatlichen Versi- cherung der DDR in Abwicklung eingebunden wer- Kreditinstituten angelegt. den können, nicht abschließend beantwortet. Ich bitte Sie, mir das schriftlich zu beantworten. Das Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zusatzfrage des sage ich hier sehr klar, weil ich denke, daß der Vor- Abgeordneten Erler. gang viel tiefer geht. Ich bitte also um Überprüfung in Ihrem Haus. Gernot Erler (SPD): Herr Staatssekretär, ich bin Ihnen für Ihre Ausführungen dankbar und stimme Hansgeorg Hauser, Parl. Staatssekretär beim Bun- Ihnen durchaus zu, daß andere Mitglieder des nige- desminister der Finanzen: Das sichere ich Ihnen rianischen Volkes als die der Oberschicht sicherlich gerne zu. keine Anlagen in westeuropäischen Staaten machen können. Ina Albowitz (F.D.P.): Danke. Aber ich möchte Sie fragen, ob Sie es für denkbar halten, daß man mit fiskalischen Maßnahmen, zum Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Keine weiteren Beispiel mit dem üblichen Mittel der Einfrierung von Zusatzfragen zu der Frage 30. Guthaben, Einfluß auf den Demokratisierungsprozeß und die Beendigung der Menschenrechtsverletzun- Die Fragen 31 und 32 sowie die Frage 33 werden gen in Nigeria ausüben kann. schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Hansgeorg Hauser, Parl. Staatssekretär beim Damit kommen wir zur Frage 34 des Abgeordne- Bundesminister der Finanzen: Es ist richtig, daß ten Gernot Erler: eines der Mittel dafür das Einfrieren von Guthaben Ist der Bundesregierung bekannt, wie umfangreich das Geld- sein könnte. Soweit ich unterrichtet bin, ist am ver- guthaben ist, das die nigerianische Oberschicht ins europäische gangenen Montag auf dem Außenministerrat der Ausland transferiert hat, und welcher Anteil davon befindet sich Europäischen Union darüber beraten worden. Do rt derzeit auf den Konten deutscher Banken? hat man sich auf ein Waffenembargo, auf Visabe- schränkungen und auf Sperrung der Entwicklungs- Hansgeorg Hauser, Parl. Staatssekretär beim hilfe geeinigt. Vom Einfrieren von Konten ist mir Bundesminister der Finanzen: Diese Frage kann ich nichts bekannt. wie folgt beantworten, Herr Kollege Erler: Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, BIZ, hat zu Möchten Sie Nigeria im August 1995 folgende Zahlen der Kre- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: noch einmal nachfragen? - Bitte. ditinstitute der berichtenden Länder, Stand: März 1995, veröffentlicht: 3,57 Milliarden US-Dollar For- derungen und 4,593 Milliarden US-Dollar Verbind- Gernot Erler (SPD): Herr Staatssekretär, würden lichkeiten insgesamt; davon gegenüber Nichtban- Sie es angesichts der schwerwiegenden Vorgänge in ken 3,33 Milliarden US-Dollar Forderungen und Nigeria und der Tatsache, daß eine kaum akzeptable 3,347 Milliarden US-Dollar Verbindlichkeiten. Diskrepanz zwischen dem Reichtum der Oberschicht 6128 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Gernot Erler auf der Basis der Devisenerlöse aus dem Ölgeschäft Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Weitere Zusatz- auf der einen Seite und der Armut der sonstigen fragen liegen nicht vor. Dann bedanken wir uns bei Bevölkerung auf der anderen Seite besteht, nicht für Ihnen, Herr Staatssekretär, für Ihre Jungfernantwor- sinnvoll halten, daß die Bundesregierung einen Vor- ten. stoß in Richtung Einfrieren der Guthaben macht? Wir kommen zum Bundesministerium für Wirt- schaft. Zur Beantwortung ist der Staatssekretär Hansgeorg Hauser, Parl. Staatssekretär beim Bun- Dr. Heinrich Kolb erschienen. Guten Tag! desminister der Finanzen: Ich nehme Ihre Anregung gerne auf und werde sie entsprechend weiterleiten. Wir kommen zur Frage 35 des Abgeordneten Es muß aber abgestimmt werden, ob das das richtige Kubatschka: Mittel für die Lösung der Probleme ist, die Sie ange- Wird die Bundesregierung gegenüber der Russischen Födera- sprochen haben. tion klarstellen, daß es inakzeptabel ist, wenn diese die Slowaki- sche Republik bei der Fertigstellung des Atomkraftwerks Mo- chovce mit Krediten im Ausmaß von 80 Mio. US-Dollar unter- Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Zusatzfrage des stützt und andererseits weiterhin westliche Wi rtschaftshilfe, Abgeordneten Kubatschka. auch von Deutschland, erhält, und wie beurteilt die Bundesre- gierung in diesem Zusammenhang die Verpflichtung der Slowa- kei, gleichzeitig Nuklearbrennstoff aus Rußland zu beziehen, was die Slowakei in ein direktes Abhängigkeitsverhältnis brin- Horst Kubatschka (SPD): Frau Präsidentin, ich gen würde? möchte erst einmal wissen, ob ich gegen die Regeln dieses Hauses verstoße: Bei uns Abgeordneten gilt, wenn ein Abgeordneter seine Junggesellenrede hält, Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- daß man ihn nicht mit Zwischenfragen bombardiert. desminister für Wirtschaft: Guten Tag, Frau Präsiden- Gilt das auch für Staatssekretäre? tin! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Kubatschka, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Deutsche Bundestag hat sich in der Vergangenheit Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Sie können hier schon mehrfach und intensiv - wie ich beobachten gar nicht zwischenfragen. Sie können hier nur fra- konnte, auch heute in dieser Fragestunde - mit den gen, und das dürfen Sie. verschiedenen Aspekten der Fertigstellung des slo- wakischen Kernkraftwerks Mochovce beschäftigt. Horst Kubatschka (SPD): Das darf ich; das ist klar. Die Bundesregierung sieht es nicht als ihre Aufgabe - Dann möchte ich fragen, Herr Staatssekretär: an, sich in Finanzierungsfragen zwischen der Slowa- Bestünde nicht eine Möglichkeit, über das Einfrieren kischen Republik und der Russischen Föderation ein- dieser Konten Druck auf die Oberschicht in Nigeria zumischen. Deshalb will die Bundesregierung auch auszuüben, damit die Menschenrechte dort beachtet keine Klarstellung in dieser Frage gegenüber der werden? Russischen Föderation vornehmen. Zu Ihrer Frage, bezogen auf die Kernbrennstoffver- Hansgeorg Hauser, Parl. Staatssekretär beim Bun- sorgung, möchte ich darauf hinweisen, daß Reakto- desminister der Finanzen: Herr Abgeordneter, ich ren russischer Bauart in der Regel mit Brennelemen- denke, das ist im Zusammenhang mit der vorherge- ten aus der Russischen Föderation versorgt werden. henden Frage zu sehen. Wenn das Mittel des Einfrie- Allerdings hat nach hiesigem Kenntnisstand die slo- rens von Konten als probates Mittel angesehen wird, wakische Regierung die Absicht bekundet, die Ver- dann kann dadurch möglicherweise entsprechend sorgung mit Brennelementen für slowakische Kern- Druck ausgeübt werden. Aber wir sollten, wie kraftwerke zu diversifizieren. Die Überlegungen gesagt, abwarten, bis diese Anregung geprüft wor- gehen dahin, daß slowakische Firmen zusammen mit den ist. westlichen Brennelementeherstellern eine Koopera- tion aufbauen. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine weitere Zusatzfrage, bitte. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Eine Zusatz- frage, bitte.

Dr. R. Werner Schuster (SPD): Herr Staatssekretär, gibt es in Ihrem Hause positive Erfahrungen mit der Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, kann Sperrung von Auslandskonten aus anderen Län- ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie der Russischen dern, oder ist das ein völlig neuer Weg? Föderation nicht klarmachen, daß sie gegen deut- sche Interessen verstößt, wenn sie dabei behilflich ist, das Kernkraftwerk Mochovce fertigzustellen? Ich Hansgeorg Hauser, Parl. Staatssekretär beim Bun- darf daran erinnern, was hier über Auswirkungen desminister der Finanzen: Herr Kollege Schuster, ich eines GAUS auch auf uns ausgeführt worden ist. bitte Sie um Verständnis: Ich bin seit einer Woche in diesem Haus. Ich muß mich erst darüber informieren, ob es in anderen Fällen eine Anwendung solcher Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Mittel gegeben hat. desminister für Wirtschaft: Herr Kollege Kubatschka, die Bundesregierung hat stets und immer betont, daß (Ernst Kastning [SPD]: Das haben die wir die Fertigstellung des Kernkraftwerks Mochovce Damen und Herren in Ihrem Hause schlecht unter Berücksichtigung westlicher Sicherheitsstan- vorbereitet!) dards wollen. Wir haben keinen Grund, davon auszu- Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6129

Parl. Staatssekretär Dr. Heinrich L. Kolb gehen, daß bei einer geänderten Finanzierung von dieser Antrag ist mir nicht bekannt. Ich wäre Ihnen diesen Sicherheitsstandards abgerückt werden soll. aber dankbar, wenn Sie ihn mir bei Gelegenheit Insofern, glaube ich, entbehrt Ihre Frage der Grund- geben könnten. lage. Wolfgang Behrendt (SPD): Dann möchte ich Sie Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Weitere Zusatz- fragen - das werden Sie dann aber wahrscheinlich frage. auch nicht beantworten können -, ob die österreichi- sche Bundesregierung mit dem Vorschlag an unsere Bundesregierung herangetreten ist, sich an dieser Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht einen gewissen Erklärungsbedarf in Ausstiegshilfe zu beteiligen, und wie die Bundesre- gierung gegebenenfalls darauf reagieren würde. Österreich, aber auch bei uns in Deutschland? Auf der einen Seite geben wir der Russischen Föderation Wirtschaftshilfe. Gleichzeitig gibt die Russische Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Föderation der Slowakischen Republik Wirtschafts- desminister für Wirtschaft: An dieser Ausstiegshilfe? hilfe, um Mochovce fertigzustellen. Unsere Umwelt- und Gesundheitsinteressen gehen dabei den Bach Wolfgang Behrendt (SPD): Das war ein Programm hinunter. zum Ausstieg aus der Kernkraft, indem man Unter- stützung im Hinblick auf alternative Energien und Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Kraft-Wärme-Koppelung liefert. desminister für Wirtschaft: Herr Kollege Kubatschka, ich glaube, es ist richtig, daß es solche Finanzströme Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- gibt, daß wir Entwicklungshilfe an verschiedene desminister für Wi rtschaft: Darüber ist mir nichts Staaten leisten. Die Bundesregierung hält es jedoch bekannt. für verfehlt, in bilaterale Fragen, in Fragen, die zwi- schen der Slowakei und der Russischen Föderation auszuhandeln sind, unter diesen Gesichtspunkten Wolfgang Behrendt (SPD): Ich wäre dankbar, einzugreifen. Die Hintergründe für die Gewährung wenn Sie dies nachträglich beantworteten. von Entwicklungshilfe sind völlig anders. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft: Das kann ich gerne Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Wir kommen zur Frage 36 des Abgeordneten Wolfgang Behrendt: recherchieren. Auf diese Zusatzfrage aber konnte man sich, glaube ich, guten Gewissens nicht vorbe- Ist der Bundesregierung bewußt, daß sie im Falle der Bewilli- reiten. Ich liefere Ihnen die Antwort aber gerne nach. gung eines Hermes-Lieferkredites für die Firma Siemens zur Fertigstellung des Atomkraftwerkes Mochovce gegen die Inter- essen Österreichs handelt, und wie würde sie eine solche Verga- Vizepräsident Hans Klein: Kollege Kubatschka, be gegenüber Österreich rechtfertigen? bitte.

Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim (SPD): Herr Staatssekretär, Sie rtschaft: Herr Kollege Beh- Horst Kubatschka Bundesminister für Wi haben gesagt: Ein Hermes-Antrag liegt nicht vor. rendt, eine Entscheidung über die Gewährung einer Heißt das im Klartext, daß die Bundesregierung auch zur Unterstützung Hermes-Ausfuhrgewährleistung einem zukünftigen Antrag auf Hermes-Kredite nicht deutscher Lieferungen und Leistungen im Zusam- zustimmen und damit vor allem Befürchtungen in menhang mit der Fertigstellung des Atomkraftwer- Österreich ausräumen würde, daß wir dieses kes Mochovce steht nicht an. Deswegen erübrigt sich Geschäft über Hermes-Kredite auf den Weg bringen eine Antwort auf die Frage, wie eine Entscheidung könnten? über die Vergabe einer Hermes-Deckung im Verhält- nis zu Österreich zu beurteilen ist. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- (Vorsitz : Vizepräsident Hans Klein) desminister für Wirtschaft: Herr Kollege Kubatschka, ich habe gesagt: Die Entscheidung steht nicht an. Vizepräsident Hans Klein: Erste Zusatzfrage, bitte. Wie eine Entscheidung des interministeriellen Aus- schusses bei einer zukünftigen Befassung aussehen würde, kann ich nicht sagen. Das hängt sicherlich Wolfgang Behrendt (SPD): Herr Staatssekretär, ist Ihnen der Allparteienantrag des österreichischen auch von den Einzelheiten der Projektkonzeption ab. Parlaments bekannt, in dem sämtliche Parteien Insofern sind hypothetische Aussagen auf die beschlossen haben, der Slowakei eine finanzielle Zukunft bezogen nicht möglich. Das muß man, wenn ein Antrag gestellt werden sollte, vor dem jeweiligen Ausstiegshilfe in der Größenordnung von immerhin 500 Millionen Schilling zu geben, die vor allem für Hintergrund entscheiden. alternative Energien und für Kraft-Wärme-Koppe- lung genutzt werden soll, und wie beurteilt die Bun- Vizepräsident Hans Klein: Frau Kollegin Schönber- desregierung diese Initiative? ger:

Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Ursula Schönberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- desminister für Wirtschaft: Herr Kollege Behrendt, NEN): Herr Staatssekretär, sollte ein Antrag auf Her- 6130 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 Ursula Schönberger mes-Bürgschaft vorliegen, was zu erwarten ist, weil Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Siemens, sollte es in diese Kooperation einsteigen, desminister für Wirtschaft: Herr Kollege Erler, die seinen Lieferkredit bereits mitbringen muß und dies Zusammenarbeit mit Nigeria ist in den letzten Jah- wahrscheinlich über Hermes-Bürgschaften ablaufen ren spürbar zurückgeführt worden. Ausschlagge- wird, wäre es dann denkbar, daß die Rückzahlung bend hierfür war im wesentlichen die politische Ent- eines solchen Hermes-Kredits über Stromlieferungen wicklung in Nige ria. aus der Slowakischen Republik stattfindet? Im Bereich der Rüstungsgüter hat sich die Bundes- regierung in den letzten Jahren auf die Erteilung von- Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Genehmigungen beschränkt, mit denen die Wartung desminister für Wirtschaft: Ein Hermes-Kredit ist in und Instandsetzung von Flugzeugen und Lieferun- diesem Zusammenhang, so glaube ich, ein falscher gen von Ersatzteilen ermöglicht wurden. Außerdem Ausdruck. Es wird eine Hermes-Bürgschaft für eine wurde entsprechenden Exporten für den Marinebe- Kreditverpflichtung gegeben. reich nicht zugestimmt. Neugeschäfte mit militäri- schen Abnehmern wurden nicht genehmigt. Was die Tilgung des zugrunde liegenden Kredits anbetrifft: Ich glaube, es ist unüblich, daß man bei Die Zusammenarbeit mit Nigeria war in früheren der Gewährung von Hermes-Bürgschaften eine sol- Jahrzehnten von der allgemeinen wirtschaftlichen che Bedingung mit auf den Weg gibt. Insofern kann Bedeutung Nigerias, der damals stabileren inneren ich dazu nichts sagen. Lage und der wichtigen politischen Rolle des Landes auf dem afrikanischen Kontinent geprägt. In den Jahren von 1974 bis 1983 wurde die Ausfuhr von Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Schily. Schiffen, Patrouillenboote und eine Fregatte, geneh- migt. Im Jahre 1978 wurde durch Entscheidung auf politischer Ebene dem Export von Alpha-Jet-Schul- Otto Schily (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben flugzeugen zugestimmt. gegenüber dem Kollegen Behrendt Ihre Unkenntnis eingeräumt. Landwaffensysteme, die auch in internen Ausein- andersetzungen verwandt werden können, wurden (Parl. Staatssekretär Dr. Hein rich L. Kolb: nicht geliefert. Genauere, detaillierte Angaben kön- Was den Antrag anbetrifft!) nen nicht mitgeteilt werden. Muß ich davon ausgehen, daß sich die Bundesregie- Dem Bundesausfuhramt stehen Genehmigungsun- rung bisher für die Haltung und die Entscheidungen terlagen für Rüstungs- und Dual-use-Güter nur ab der Regierungen der Nachbarländer, die sich auch 1985 zur Verfügung. Das hängt mit der zehnjährigen mit dem Atomkraftwerk Mochovce beschäftigen, Aufbewahrungspflicht zusammen. Der Gesamtwert nicht interessiert hat? der Genehmigungen für Rüstungsgüter betrug in dem Zeitraum ab 1. Januar 1985 rund 726 Millionen DM und für Dual-use-Waren rund 595 Millionen DM. Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Ich bitte aber, dabei zu berücksichtigen, daß die desminister für Wirtschaft: Herr Kollege Schily, Genehmigungswerte in der Regel weitaus höher lie- davon können und sollten Sie nicht ausgehen. Die gen als die Werte der dann tatsächlich erfolgten Aus- Bundesregierung befindet sich natürlich in ständi- fuhren. gem Kontakt mit ihren Nachbarstaaten, so auch mit der Republik Österreich. Vizepräsident Hans Klein: Eine Zusatzfrage, Herr Ich habe auf die Frage des Kollegen Behrendt, ob Kollege Erler. ich diesen Antrag kenne, geantwortet: Ich kenne ihn nicht. Ich gehe davon aus, daß dieser Antrag der Gernot Erler (SPD): Herr Staatssekretär, ist Ihnen Bundesregierung in den fachlich zuständigen Res- bekannt und können Sie dem Hohen Haus mitteilen, sorts vorliegt, ihr möglicherweise auch bekannt ist. in welchem Umfang - es sind ja erhebliche Summen, die Sie hier eben genannt haben - die nigerianische (Otto Schily [SPD]: Aber die Ressorts ver Regierung Deviseneinnahmen prozentual für Waf- ständigen sich doch untereinander!) fenkäufe benutzt hat?

Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen zu Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Frage 36 werden nicht gestellt. desminister für Wirtschaft: Ich glaube, das kann man sicherlich überschlagen. Aber ich kann es Ihnen hier Dann rufe ich die Frage 37, die der Kollege Gernot und heute nicht mitteilen. Ich muß Ihnen das dann Erler gestellt hat, auf: schriftlich beantworten.

Wie ist die deutsch-nigerianische militärische Zusammenar- beit von 1960 bis heute verlaufen, und in welchem Umfang Gernot Erler (SPD): Eine zweite Zusatzfrage: Herr (Waffensysteme und Wert der gelieferten Güter) sind aus der Staatssekretär, Sie haben eben darüber berichtet, Bundesrepublik Deutschland Waffen bzw. Dual-use-Güter an Nigeria verkauft worden? daß in den letzten Jahren die militärische Zusam- menarbeit und auch die Lieferung von Waffensyste- Ich bitte um Beantwortung, Herr Parlamentari- men aus der Bundesrepublik nach Nigeria zurückge- scher Staatssekretär. gangen sind. Können Sie sagen, ob sich als Ersatz Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6131

Gernot Erler dafür die nigerianische Regierung über p rivate inter- wenn ich die Fragen 38 und 39 gemeinsam beant- nationale Waffenhändler auch mit deutschen Waffen worte? ausgerüstet hat? (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Dann habe ich vier Zusatzfragen!) Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister für Wirtschaft: Herr Kollege Erler, das Vizepräsident Hans Klein: Einverstanden. Dann kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann versuchen, rufe ich auch noch die Frage 39 des Kollegen Hans auch dieses zu recherchieren, und es dann in die Büttner auf: - Antwort mit einschließen. Aber ich wage mal die Voraussage, daß es schwierig sein wird, Informatio- Hält es die Bundesregierung für ausreichend, daß in zahlrei- chen Arbeitsämtern lediglich ein bis zwei Planstellen vorhanden nen zu diesem Komplex zu beschaffen. sind, die mit der Kontrolle von illegaler Beschäftigung bzw. der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer betraut sind? Vizepräsident Hans Klein: Bitte, Herr Kollege Kast- ning. Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Arbeit und Sozialordnung: Gut, vielen Dank. Ernst Kastning (SPD): Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob zur Finanzierung der Lieferungen Herr Kollege Büttner, selbstverständlich hängt die nach Nigeria öffentliche Mittel der Bundesrepublik wirksame Bekämpfung illegaler Beschäftigung ent- Deutschland geflossen sind und, wenn ja, wieviel? scheidend von den Kontrollkapazitäten und Kon- trollmöglichkeiten ab. Diese sind durch eine Reihe von Maßnahmen erheblich verbessert worden. Als Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär beim Bun- Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Sozialord- desminister für Wirtschaft: Herr Kollege, ich würde nung sind Sie hierüber laufend unterrichtet worden. hier das gleiche Verfahren vorschlagen. Es ist bei der Ich kann aber gerne, wenn Sie dies wünschen, die Breite der hier gestellten Fragen einfach nicht mög- wichtigsten Maßnahmen hier noch einmal nennen. lich, im voraus alle Informationen parat zu haben. Wenn Sie dies wünschen, bitte ich, das gleich zu Seien Sie bitte damit einverstanden, daß auch dieses sagen; ich würde sonst erst die Frage 39 beantwor- recherchiert und Ihnen schriftlich mitgeteilt wird. ten. (Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Ja!) (Ernst Kastning [SPD]: Ich bitte um schriftli che Mitteilung!) — Vielen Dank. Zur zweiten Frage bemerke ich folgendes: Die Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen Bekämpfung illegaler Beschäftigung einschließlich werden nicht gestellt. Dann darf ich mich bei Ihnen, illegaler Ausländerbeschäftigung, die Erteilung von Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Kolb, für Arbeitserlaubnissen und die Betreuung legaler aus- die Beantwortung herzlich bedanken. ländischer Arbeitnehmer sind in der Bundesanstalt für Arbeit, wie ich meine, aus guten Gründen Bevor ich den Geschäftsbereich des Bundesmini- getrennt. Denn ausländische Arbeitnehmer mit einer steriums für Arbeit und Sozialordnung aufrufe, will Arbeitserlaubnis verhalten sich nicht rechtswidrig. ich nur sagen, daß wir angesichts von nur noch sechs Die meisten Inhaber einer Arbeitserlaubnis haben zu beantwortenden Fragen die Sitzung möglicher- heute einen Rechtsanspruch, weil sie seit langem mit weise unterbrechen werden, um pünktlich um ihren Familien in Deutschland wohnen. Die Bearbei- 15 Uhr, wie es die meisten Kollegen eingeplant tung von Anträgen auf Arbeitserlaubnisse und deren haben, mit der Aktuellen Stunde beginnen zu kön- Erteilung führen deswegen auch nicht die Bearbei- nen. tungsstellen zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- oder die für die Bekämpfung von Leistungsmiß- riums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beant- brauch und illegaler Ausländerbeschäftigung zustän- wortung der Fragen steht uns der Parlamentarische digen Bediensteten der Bundesanstalt für Arbeit Staatssekretär Horst Günther zur Verfügung. durch. Die Zahl der in den einzelnen Arbeitsämtern für Ich rufe die Frage 38 auf, gestellt von unserem Kol- die Erteilung von Arbeitserlaubnissen und die legen Hans Büttner: Betreuung legaler ausländischer Arbeitnehmer ein- Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine wirksame gesetzten Bediensteten hängt von der Größe des Bekämpfung von illegaler Beschäftigung ausländischer Arbeit- Arbeitsamtsbezirks und der Zahl der im Arbeitsamts- nehmer entscheidend von den Kontrollmöglichkeiten und Kon- bezirk legal beschäftigten Ausländer ab. Das von der trollkapazitäten, insbesondere der mit der Erteilung von Arbeits- erlaubnissen befaßten Dienststellen, abhängig ist? Bundesanstalt für Arbeit für diesen Zweck einge- setzte Personal ist unseres Erachtens ausreichend. Ich bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, um Beantwortung. Bei der Bekämpfung illegaler Ausländerbeschäfti- gung treten zu dem in den einzelnen Arbeitsämtern eingesetzten Personal die 541 Dienstkräfte der Bear- Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- beitungsstellen zur Bekämpfung illegaler Beschäfti- minister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege gung in den Stützpunktarbeitsämtern und 1 000 Büttner, Herr Präsident, sind Sie einverstanden, Bedienstete des Zolls hinzu. 6132 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Büttner, chende Fragen habe ich geantwortet, daß wir bei Sie haben jetzt vier Zusatzfragen. Die erste. Nachprüfungen festgestellt haben, daß sich das Arbeitsamt korrekt verhalten hat, wenn auch zunächst einmal bestimmte Kontrollen unterblieben Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Herr Staatssekre- tär, halten Sie es angesichts der Konstruktion, die Sie sind. hier vorgetragen haben, für ausreichend, daß sich bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen für ausländi- Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Dann zur dritten sche Arbeitnehmer und auch im Rahmen der Werk- Zusatzfrage - Sie haben sie zum Teil beantwortet -: verträge die Kontrollen auf die Prüfung der vorgeleg- Ist die Bundesregierung bereit, das Kontrollpersonal ten Arbeitsverträge beschränken und nicht konkret bei der Arbeitsverwaltung umgehend so aufzustok- geprüft wird, ob sie in der Praxis eingehalten wer- ken und dafür auch die nötigen Finanzmittel bereit- den? Solche Fälle zeigen sich in Ingolstadt wie auch zustellen, daß wirksame Kontrollen nicht nur der an anderen Orten immer wieder. Halten Sie es da Verträge, sondern auch der Tatsache, daß diese Ver- nicht für notwendig, daß man beide Fragen stärker träge eingehalten werden und die Leistungen aus verknüpft? diesen Verträgen den Arbeitnehmern zugute kom- men, im Zusammenhang mit der legalen und der ille- Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- galen Beschäftigung von ausländischen Arbeitneh- minister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege mern durchgeführt werden können? Büttner, zunächst einmal möchte ich feststellen, daß die Arbeitsverwaltung in sich bei der Stellenvertei- Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- lung autonom ist. Wenn Arbeitsamtsdirektoren oder minister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege Landesarbeitsamtspräsidenten der Auffassung sind, Büttner, wir haben zum 1. Juli 1995 ein Pilotprojekt daß die Stellen nicht ausreichen, um das zu tun, was in Berlin mit 75 neuen Kräften zusätzlich zu den bis Sie verlangen, nämlich die Prüfung nachzuholen dahin nur 25 Bediensteten begonnen. Wir werden in bzw. verstärkt zu prüfen, sollten sie das innerhalb der diesem Bereich einschließlich Teilen von Branden- Arbeitsverwaltung klären. Mir ist nicht bekannt, daß burg ab dem 1. Januar 1996 weitere 75 Kräfte einset- es hier große Anträge gäbe. Dennoch haben wir, wie zen. Die Ergebnisse dieses Versuchs werden darüber Sie wissen - ich könnte das im einzelnen, wie ange- entscheiden, ob wir dies flächendeckend im Bundes- boten, noch einmal darstellen; auch kann ich Ihnen gebiet, insbesondere in den Schwerpunkten, weiter das noch einmal schriftlich geben -, die Kontrollmög- installieren. lichkeiten erheblich verschärft, was nicht aus- schließt, daß hin und wieder Pannen passieren oder Im übrigen stehen wir ständig mit der Bundesan- das eine oder andere nicht geprüft wird, weil man stalt für Arbeit darüber in Gesprächen, möglicher- nicht jeden Tag in jedem Arbeitsamtsbezirk Prüfun- weise auch durch Personalumschichtungen die Kon- gen durchführen kann. Das können Sie auch nicht, trollmöglichkeiten zu verbessern. Aber Sie wissen wenn Sie das Personal für diesen Bereich zum Bei- auch, daß jede Aufstockung von Personal in diesem spiel verdoppelten. Unseres Erachtens läuft das im Bereich natürlich entsprechende Haushaltsmittel großen und ganzen richtig. erfordert. Dennoch haben wir diese Versuche in Ber- lin gestartet, um einmal festzustellen, was dabei her- Was die Werkverträge angeht, wissen Sie, daß wir auskommt und ob sich diese Kräfte nicht vielleicht dafür fünf besondere Arbeitsämter haben, die diese, ohnehin selber bezahlen. jeweils auf Ländergruppen konzentriert, bearbeiten. Auch dort gibt es unseres Erachtens keine besonde- ren Klagen. Wenn sie Ihnen vorliegen, bitte ich, sie Vizepräsident Hans Klein: Die vierte Frage, Herr mir zuzuleiten. Kollege Büttner.

Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage, Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Wie begründet Herr Kollege Büttner. die Bundesregierung in diesem Zusammenhang ihr Vorhaben, im Rahmen des von ihr im Bundestag ein- Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Halten Sie es in gebrachten Entwurfes zu einem Entsendegesetz auf diesem Zusammenhang für Handeln im Sinne dieses Kontrollen durch die für die Erteilung von Arbeitser- Gesetzes, wenn ein Landesarbeitsamt trotz intensiver laubnissen zuständigen Arbeitsverwaltungen und Auslegung der Anwerbestoppausnahme-Verord- die Hauptzollämter zu verzichten? nung nachträglich Arbeitserlaubnisse für ausländi- sche Arbeitnehmer erteilt, die nur für den Zeitraum Parl. Staatssekretär beim Bundes- der Beschäftigung in Deutschland für einen ausländi- Horst Günther, minister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege schen Unternehmer als Subunternehmer tätig sind, Büttner, Sie wissen ganz genau, daß es sich hier um obwohl im Bereich des zuständigen Arbeitsamtes eine Koalitionsvereinbarung handelt, um einen Kom- genügend Arbeitslose zur Verfügung stünden? promiß in dieser Sache. Wir haben Kontrollmöglich- keiten durch die Länder vorgesehen, und wir prüfen Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- auch noch, ob diese Kontrollmöglichkeit auf die minister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege Arbeitsverwaltung erweitert werden kann, wenn Büttner, ich glaube, daß wir diesen Fall vor ein, zwei auch dieser Gesetzentwurf im Augenblick diese Wochen schon besprochen haben. Auf entspre- Bestimmung nicht vorsieht. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6133

Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Schily. Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege Kubatschka, das kann man in der Tat nur durch mehr Otto Schily (SPD): Herr Staatssekretär, in welchem Umfang und in welcher Weise findet zwischen Ihrem Kontrollen machen. Daher machen wir diese Versu- Ministerium und dem Bundesinnenministerium eine che vermehrt neben den in den letzten Jahren bereits Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der illegalen gesetzlich und auch durch Personalaufstockung vor- Beschäftigung statt? genommenen Prüfungen, die laufend in den entspre- chenden Betrieben vorgenommen werden. Es wird ständig in der Presse über die Erfolge - leider muß Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- ich sagen: Erfolge - in diesem Bereich berichtet. minister für Arbeit und Sozialordnung: Mit dem Innenministerium findet direkt keine derartige Zusammenarbeit statt, wohl aber mit dem Finanzmi- Vizepräsident Hans Klein: Zweite Zusatzfrage, nister, der uns 1 000 Planstellen aus dem Zollbereich Herr Kollege Kubatschka. zur Verfügung gestellt hat, die zusätzlich zu den Kräften der Arbeitsverwaltung die Prüfungen vor- Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, erst nehmen. kürzlich habe ich ein Gespräch mit meinem regiona- len Arbeitsamtsdirektor geführt. Sehen Sie nicht, daß Vizepräsident Hans Klein: Herr Schily. er in eine Zwangslage kommt? Auf der einen Seite gibt es immer mehr Arbeitslose, die vermittelt wer- den sollen, auf der anderen Seite soll er vermehrt Otto Schily (SPD): Herr Staatssekretär, ich bin eini- Kontrollen mit seinem Personal durchführen. Er hat germaßen überrascht von Ihrer Antwort angesichts aber nicht mehr Personal. Es wird eher davon gespro- der Tatsache, daß die illegale Beschäftigung auslän- chen, daß Personal abgebaut wird. Da ergibt die discher Arbeitnehmer sicherlich auch mit Straftatbe- autonome Verwaltung, von der gesprochen wird, ständen im Zusammenhang steht. Hier muß ich nicht viel Sinn, weil nicht die Möglichkeiten sagen, die Tatsache, daß Sie einräumen es gäbe eine bestehen, daß das Personal diese Kontrollen wirksam solche Zusammenarbeit überhaupt nicht, läßt bei mir durchführt. Zweifel an der Koordination der Arbeit der Bundesre- gierung aufkommen. Deshalb frage ich: Ist zwischen Ihrem Ministerium und dem Bundesinnenministe- Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- rium erörtert worden, ob man die Erfolgsquote bei minister für Arbeit und Sozialordnung: Kollege der Bekämpfung solcher Tatbestände verbessern Kubatschka, mir ist nicht bekannt, daß aus den könnte, indem man eine überregionale Prüfinstanz Arbeitsvermittlungsstellen Personal zur Bekämpfung schafft, etwa in der Form einer „task force", die über- illegaler Beschäftigung abgezogen worden ist. Es raschend und vor Ort ohne große Warnmöglichkeiten steht nach wie vor für die Vermittlung zur Verfü- tätig wird? gung. Sollte das in einzelnen Fällen geschehen sein, liegt das natürlich in der Kompetenz der Arbeits- ämter, die da die bessere Übersicht haben. Aber Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- ansonsten kann man natürlich mit dem Personal ver- minister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege schiedener Abteilungen - das ist geschehen - in den Schily, die Zusammenarbeit mit dem Bundesinnen- einzelnen Arbeitsamtsbezirken oder den Bezirken minister ist nicht notwendig, weil wir dies laufend von Landesarbeitsämtern zentrale Stellen schaffen, mit den Länderbehörden machen, zum Beispiel so daß die Kontrollmöglichkeiten durchaus zusam- durch Polizeieinsatz bei entsprechenden Baustellen- mengefaßt sind. Ich sage: Eine Verbesserung ist kontrollen oder Kontrollen anderer Betriebe. Selbst- immer möglich, solange es illegale Beschäftigung in verständlich wird das vorher nicht angekündigt, son- einer so großen Zahl gibt. Deshalb sind wir auf die- dern es geht immer ohne Vorankündigung. Ich sel- sem Wege und werden ihn auch weiter beschreiten. ber habe an solchen Überprüfungen teilgenommen. Es wird dann die Baustelle abgeriegelt und in ent- sprechender Weise sind auch Polizeikräfte beteiligt, Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Dreßen. wie auch andere Ordnungskräfte dort sind, die die Straftatbestände dort selbstverständlich an die ent- Peter Dreßen (SPD): Herr Staatssekretär, sind Sie sprechenden Staatsanwaltschaften weiterleiten. Das mit mir der Meinung, daß die von dem Kollegen Bütt- sind aber alles Länderbehörden. ner aufgeworfenen Fragen Sie zwingen, dieses Gebiet etwas näher zu betrachten, weil ja auch Pres- Vizepräsident Hans Klein: Jetzt Herr Kollege seorgane, die der SPD-Fraktion nicht so nahe stehen, Kubatschka. wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" und andere, permanent feststellen, daß über 100 000 ille- gal Beschäftigte am Bau und anderswo arbeiten? Horst Kubatschka (SPD): Herr Staatssekretär, neben dem Modellversuch, von dem Sie gesprochen haben, der in Berlin und in Teilen von Brandenburg Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- durchgeführt wird, frage ich Sie: Welche Möglichkei- minister für Arbeit und Sozialordnung: Ich habe ja ten sieht die Bundesregierung noch, die illegale gesagt, daß wir dabei sind, das ständig zu ver- Beschäftigung besser zu kontrollieren und in den bessern. Die Kontrollmöglichkeiten werden auch Griff zu bekommen? genutzt. Es ist doch nicht so, daß nichts geschieht. 6134 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Parl. Staatssekretär Horst Günther Die Arbeitsämter legen ja auch beachtliche Ergeb- Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- nisse bei dieser Bekämpfung vor. Dennoch verstär- minister für Arbeit und Sozialordnung: Ich werde ken wir das Personal, um mehr Prüfungen durchfüh- Ihnen keine geschätzten Zahlen nennen, weil man ren zu können. Mehr ist aber im Augenblick nicht das überhaupt nicht kann. Es werden etwa von der drin. Baugewerkschaft Zahlen in der Höhe zwischen 100 000 und 500 000 genannt. Diese Zahlen kann Natürlich ist das alles unbefriedigend, aber Sie man nicht verifizieren. Wenn man über die richtigen müssen auch wissen, daß zur Beschäftigung illegaler Zahlen verfügen würde, hätte man die Leute bereits Kräfte zwei gehören, einmal die Unternehmer, die sie in entsprechender Weise zur Rechenschaft ziehen einstellen, und dann diejenigen, die mit ihnen arbei- können. Also, Zahlenangaben darüber sind reine ten. Wir erhoffen uns aus den Betrieben, insbeson- Spekulation. Die Zahl ist aber groß genug, um wei- dere von den Betriebsräten, mehr Hinweise über ille- tere Fortschritte bei der Aufklärung anzustreben. gale Beschäftigung.

Wenn man sich mit diesem Feld beschäftigt - ich Vizepräsident Hans Klein: Zweite, Herr Kollege denke, wir haben das im zuständigen Ausschuß Kastning. mehrfach getan -, dann kommt man zu den Einzel- heiten und kann feststellen, daß hier nicht alle mit- ziehen und daß die Arbeitsverwaltung zusammen Ernst Kastning (SPD): Herr Staatssekretär, wenn mit den übrigen Kontrollbehörden oft alleine arbei- es zutrifft, daß die Bundesregierung schon einmal vor tet. Insofern kann ich nur dazu aufrufen, daß alle mit- einiger Zeit eine Zahl von, ich glaube, 140 000 helfen, dort, wo sie wirksame Mittel haben, die ille- Arbeitsverhältnissen genannt hat - egal, ob sie gale Beschäftigung zu bekämpfen. stimmt oder nicht -, möchte ich Sie fragen: Wie hoch wäre denn dann die Erfolgsquote, gemessen an die- ser Zahl? Vizepräsident Hans Klein: Die zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Dreßen. Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Arbeit und Sozialordnung: Ich kann Peter Dreßen (SPD): Herr Staatssekretär, Sie wis- Ihnen sagen, daß auf den Baustellen, wo die Prüfun- sen ja genau, daß illegale Beschäftigung in Bet rieben gen durchgeführt werden, im Augenblick 25 Prozent stattfindet, wo es keine Bet riebsräte gibt. Vielmehr illegal Beschäftigte angetroffen werden, Personen, findet die illegale Beschäftigung meistens in Sub- die entweder keine Arbeitserlaubnis haben, illegal unternehmen und bei Kleinunternehmen statt. Wenn beschäftigt sind oder keine Aufenthaltserlaubnis ich mir, Herr Staatssekretär, den südbadischen Raum und/oder Arbeitserlaubnis besitzen, also solche, die anschaue, dann sehe ich, daß es unter vieren oder in irgendeiner Form betroffen sind. Die Quote liegt fünfen ein Arbeitsamt gibt, das dieser illegalen bei den Prüfungen bei 25 Prozent der dort angetroffe- Beschäftigung nun wirklich mit drei, vier Mann nen Beschäftigten. nachgeht. Das halte ich natürlich angesichts der Größe der Region und angesichts der diversen Bau- Ich rufe die Frage 40 stellen einfach nicht für machbar, daß sie das effektiv Vizepräsident Hans Klein: des Kollegen Dreßen auf: kontrollieren können. Es liegt, wie der Kollege Bütt- ner feststellt, tatsächlich an zu wenig Personal auf In welcher Höhe haben die Berufsgenossenschaften in den diesem Gebiet. Ich frage Sie nochmals: Sieht die letzten Jahren für Gutachten, Anwalts- bzw. Gerichtskosten usw. im Zusammenhang mit juristischen Auseinandersetzungen Bundesregierung hier nicht dringenden Handlungs- bei der Bewilligung von Berufsunfähigkeitsrenten Finanzmittel bedarf? aufgewendet? Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Arbeit und Sozialordnung: Ich habe ja gesagt, daß wir in Bereichen, so jetzt im Pilotversuch Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- in Berlin, das Personal in erheblichem Maße aufge- minister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege stockt haben. Wir müssen die Ergebnisse erst einmal Dreßen, darf ich die Fragen 40 und 41 zusammen abwarten, um dann auch mit der Arbeitsverwaltung beantworten? - Vielen Dank. Herr Präsident, Sie sind - das haben wir ja bereits eingeleitet; das habe ich auch einverstanden? auch alles schon gesagt - weitere Maßnahmen zu beschließen. Vizepräsident Hans Klein: Ja. Dann rufe ich auch die Frage 41 des Kollegen Dreßen auf: Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Kastning. Wie viele Berufsunfähigkeitsrenten sind in den letzten Jahren ohne eine juristische Auseinandersetzung bewilligt worden, und welchen Anteil machen diese an allen Bewilligungen (also Ernst Kastning (SPD): Da es sich offensichtlich um unter Einschluß solcher, bei denen ein juristischer Konflikt vor- eine unbefriedigende Situation handelt, frage ich, lag) aus? um so richtig unbefriedigt über diese unbefriedi- gende Situation sein zu können, Herr Staatssekretär: Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- Wie hoch schätzen Sie denn die Zahl der illegalen minister für Arbeit und Sozialordnung: Kollege Dre- Arbeitsverhältnisse? Wie hoch wäre dann etwa die ßen, wegen der von Ihnen bereits im Oktober dieses Erfolgsquote bei der Aufdeckung von Verstößen? Jahres nachgefragten Zahlenangaben hat das Bun- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6135

Parl. Staatssekretär Horst Günther desministerium für Arbeit und Sozialordnung die Peter Dreßen (SPD): Herr Staatssekretär, man sagt drei Spitzenverbände der gesetzlichen Unfallver- ja immer, man soll nur der Statistik glauben, die man sicherung um Auskunft gebeten. selbst fälscht. Die Statistik, die Sie hier angeführt haben, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich weiß Für die gewerblichen Bereiche hat der Hauptver- aus der Praxis, daß fast niemand Chancen hat, ohne band der gewerblichen Berufsgenossenschaften am gerichtliche Auseinandersetzungen eine Berufsge- 17. November 1995 mitgeteilt, daß zur Höhe der Gut- nossenschaftsrente zu bekommen. Deshalb möchte achter-, Anwalts- und Gerichtskosten keine detail- ich Sie bitten - und Sie fragen, ob Sie dies tun -, daß lierten Statistiken bei den Unfallversicherungs- Sie in der Zukunft darauf Ihr Augenmerk richten. trägern vorhanden sind. Auf Grund des bei einigen Berufsgenossenschaften vorhandenen Datenmate- Denn was hier passiert, ist ein Unding. Sie wissen, rials lassen sich allenfalls Abschätzungen der Grö- daß sich die Berufsgenossenschaften schon eigener ßenordnungen der erbetenen Zahlen ableiten. Gutachter bedienen. Daraus ergibt sich für die Betroffenen eine unmögliche Situation. Die Zahlen, So werden in den Rechnungsergebnissen die die Sie genannt haben, können nach meinem Ermes- durch Sozialgerichtsverfahren entstehenden beson- sen überhaupt nicht zutreffen. Ich schätze, daß 40 bis deren Kosten aufgelistet. Hierzu zählen insbeson- 50 Prozent aller, die eine Berufsgenossenschaftsrente dere Gerichtsgebühren, Kosten für Anwälte, Sach- bekommen, durch ein gerichtliches Verfahren müs- verständige und für die Beweiserbringung. Für die sen. Diese Quote halte ich schlichtweg für zu hoch. gesamte gewerbliche Unfallversicherung beliefen sich diese Aufwendungen im Jahre 1994 auf rund 2,8 Millionen DM. Dieser Betrag entspricht Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Dreßen, 0,017 Prozent der Gesamtaufwendungen. Da die wir sind heute zwar gut in der Zeit. Trotzdem war Sozialgerichtsverfahren jedoch nicht nur Streitig- dies ein umfangreicher Debattenbeitrag, keiten wegen Rentenzahlungen betreffen, sondern (Ernst Kastning [SPD]: Aber interessant, ebenso Fragen der Mitgliedschaft, der Zuständigkeit, Herr Präsident!) des Gefahrtarifs, des Beitragsrechts, des Regresses und des gesamten Spektrums des Leistungsrechts, und ich hatte Mühe, eine Frage herauszuhören. muß davon ausgegangen werden, daß die Aufwen- dungen, eingeschränkt auf den Zusammenhang mit Peter Dreßen (SPD): Ich fragte, ob der Herr Staats- der Bewilligung von Renten, nur einen Bruchteil sekretär meine Auffassung teilt und die Regierung in davon ausmachen. der Zukunft ihr Augenmerk auf das Angesprochene legen will. Ihre zweite Frage beantworte ich wie folgt: Die bei den Berufsgenossenschaften vorliegenden Informa- tionen über Sozialgerichtsverfahren sind in der Regel Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- aufgegliedert nach dem Ausgang des Verfahrens, minister für Arbeit und Sozialordnung: Herr Kollege das heißt danach, ob der Versicherte ganz oder teil- Dreßen, wir werden angesichts der Antwort vom weise obsiegt hat. Aufgliederungen nach dem 17. November - sie ist ja erst fünf Tage alt - und der Gegenstand des Sozialgerichtsverfahrens - ob es sich noch eingehenden selbstverständlich eine Überprü- also um ein Rentenbegehren, ein anderes Leistungs- fung vornehmen. Wir sehen uns ja öfter und können begehren oder um Mitgliedschafts-, Beitragsfragen uns laufend darüber unterhalten. Einverstanden? oder sonstiges gehandelt hat - liegen nicht vor. Auf (Peter Dreßen [SPD]: Vielen Dank!) Grund hochgerechneter Angaben einzelner Ver- sicherungsträger kann davon ausgegangen werden, - Bitte. daß in etwa 1 bis 1,5 Prozent der Fälle, in denen erst- mals eine Rentenzahlung durch die Unfallversiche- Vizepräsident Hans Klein: Bitte, Herr Kollege Bütt- rung erfolgte, ein Sozialgerichtsverfahren vorausge- ner. gangen ist. Dies entspräche bei den rund 50 000 neuen Rentenfällen des Jahres 1994 im gewerblichen Bereich einer Zahl von maximal 500 bis 750 Fällen, in Hans Büttner (Ingolstadt) (SPD): Herr Staatssekre- denen es insoweit zu einer Anrufung der Sozialge- tär, sieht die Bundesregierung auf Grund dieser - wie richte gekommen ist. Sie selbst zugegeben haben - mangelnden Ant- worten der Berufsgenossenschaften auf Ihre Frage Antworten der Spitzenverbände der landwirt- nicht die Notwendigkeit, im Rahmen ihrer Fachauf- schaftlichen Berufsgenossenschaften und der Unfall- sicht die Berufsgenossenschaften dazu zu verpflich- versicherungsträger der öffentlichen Hand liegen ten, künftig konkretes statistisches Material zu erhe- dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialord- ben, aus dem abgelesen werden kann, wieviel Mittel nung bislang nicht vor. Ich gehe jedoch davon aus, für Gutachten im Zusammenhang mit der Bewilli- daß auch in diesen Bereichen Statistiken, die eine gung von Renten und vor allem im Zusammenhang detaillierte Auskunft ermöglichen, nicht geführt wer- mit Sozialgerichtsverfahren aufgewandt werden? den. Aber sobald die Antworten, die ja in irgendeiner Dadurch könnte wirklich stichhaltiges Mate rial vor- Form eingehen werden, vorliegen, werde ich Sie gelegt und für uns Politiker die nötige Basis für ver- selbstverständlich unterrichten, Kollege Dreßen. nünftige Entscheidungen geschaffen werden.

Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Dreßen, Horst Günther, Parl. Staatssekretär beim Bundes- erste von vier möglichen Zusatzfragen. minister für Arbeit und Sozialordnung: Kollege Bütt- 6136 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 Parl. Staatssekretär Horst Günther ner, ich habe nicht gesagt, daß es mangelnde Ant- punkt dieser Versetzung und damit auch bei ihrer worten der Berufsgenossenschaften gibt, sondern Entsendung in das Gebiet des ehemaligen Jugosla- daß eine Antwort inzwischen vorliegt und die ande- wiens 100 Prozent der West-Bezüge erhalten. Ver- ren vermutlich in wenigen Tagen vorliegen werden. gleichbar ist bei bisherigen Auslandseinsätzen ver- Selbstverständlich gilt für Ihre Frage das gleiche, fahren worden. Auch zukünftig wird dies erforderlich was ich dem Kollegen Dreßen gesagt habe, der sein. darum gebeten hat, daß wir die Angelegenheit genauer verfolgen. Zwischen der Erklärung des Sprechers des Bun- desministeriums der Verteidigung vom 14. November Angesichts der Zahlen, die wir bekommen haben 1995 zur Frage der Dienstbezüge von Soldaten aus bzw. bekommen werden, werden wir diese Fälle prü- den neuen Bundesländern bei einem eventuellen fen und auch mit den Berufsgenossenschaften spre- Einsatz im früheren Jugoslawien und der dazu von chen, wenn wir feststellen sollten, daß diese Anga- mir gegenüber dem „Deutschlandradio-Berlin" ben vielleicht nicht ausreichend sind. gemachten Aussage besteht kein Widerspruch. Auslöser für die Pressemitteilung des Ministeriums Es gibt keine weiteren Vizepräsident Hans Klein: vom 14. November war ein Artikel der „Frankfurter Zusatzfragen. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Allgemeinen Zeitung" vom selben Tag. Darin wurde ich bedanke mich für die Beantwortung. behauptet, Zeit- und Berufssoldaten, die ihre Ernen- Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe- nungsurkunde in den neuen Bundesländern erhalten riums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der hätten, bekämen auch bei einem Einsatz im früheren Fragen steht uns die Parlamentarische Staatssekretä- Jugoslawien nur 84 Prozent der Dienstbezüge ihrer rin Michaela Geiger zur Verfügung. Kameraden aus den alten Bundesländern. Die Fragen 42 und 43, die die Kollegin Verena In der Pressemitteilung des Bundesministeriums Wohlleben gestellt hat, sollen schriftlich beantwortet der Verteidigung heißt es, wie bei allen bisherigen werden. Die Antworten werden als Anlagen abge- Auslandseinsätzen werde bei einem Einsatz im frü- druckt. heren Jugoslawien sichergestellt, daß für Soldaten aus den neuen und aus den alten Bundesländern Ich rufe die Frage 44, gestellt von unserem Kolle- gleiche finanzielle Bedingungen gelten. Dem ent- gen Ernst Kastning, auf: spricht meine Aussage; das belegt eine Agenturmel- Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß im Falle eines dung des „Allgemeinen Deutschen Nachrichtendien- Auslandseinsatzes der Bundeswehr Soldaten aus den neuen stes", „ddp/ADN" vom 15. November. Dort heißt es: Bundesländern künftig keine geringeren Bezüge erhalten als Soldaten aus den alten Bundesländern? Nach Aussage der Parlamentarischen Staatsse- Frau Parlamentarische Staatssekretärin, ich bitte kretärin im Bundesverteidigungsministerium, um Beantwortung. Michaela Geiger, arbeitet das Ministe rium gegenwärtig an Regelungen, die die Gleichstel- lung von Soldaten aus Ost und West im Falle Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun- eines Auslandseinsatzes beispielsweise im ehe- desminister der Verteidigung: Herr Präsident, wenn maligen Jugoslawien zum Ziel haben. Sie und der Kollege Kastning einverstanden sind, möchte ich die Frage 45 gleich mit beantworten. Einen Widerspruch vermag ich dabei nicht zu erkennen. Vizepräsident Hans Klein: Dann rufe ich auch die Frage 45 des Kollegen Ernst Kastning auf: Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege Kastning, Wie erklärt die Bundesregierung den Widerspruch zwischen Sie dürfen vier Zusatzfragen stellen. einer am 14. November 1995 vom Sprecher des Bundesministeri- ums der Verteidigung, Hans-Dieter Wichter, abgegebenen Er- klärung „eine Meldung, wonach Berufs- und Zeitsoldaten aus Ernst Kastning (SPD): Frau Staatssekretärin, kön- den neuen Bundesländern auch bei einem Einsatz im früheren nen Sie nachvollziehen - selbst wenn Sie meinen, es Jugoslawien 84 Prozent der ,Westbezüge' erhalten sollen, ist un- zutreffend" und der in einem Interview mit dem Deutschlandra- sei kein Widerspruch zwischen Ihrer Aussage und dio-Berlin am 15. November 1995 von der Parlamentarischen der des Pressesprechers der Hardthöhe zu erken- Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung, Mi- nen -, daß zumindest durch abweichende Äußerun- chaela Geiger, getroffenen Aussage, wonach „wir versuchen, gen Ihrerseits und des Herrn Pressesprechers Verwir- eine Regelung zu finden, daß dies nicht vorkommt", von der die Parlamentarische Staatssekretärin auf Nachfrage „noch nicht rung entstanden ist, die Anlaß zur Sorge gab bzw. sagen" konnte, wie diese aussehen werde? gibt, daß möglicherweise keine vernünftige, nämlich einheitliche Lösung gefunden wird? Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun- desminister der Verteidigung: Herr Kollege Kastning, Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun- im Zuge der organisatorischen Vorbereitung auf den desminister der Verteidigung: Herr Kastning, dem möglichen Einsatz im ehemaligen Jugoslawien wer- vollen Wortlaut des Interviews können Sie entneh- den alle für den Einsatz vorgesehenen Soldaten in men, daß ich gesagt habe, eine Gleichstellung müsse einen neu aufzustellenden Truppenverband der selbstverständlich erfolgen. Ich habe mich nur nicht Peace Implementation Force versetzt. Aufstellungs- auf die Art, wie wir das regeln werden, festgelegt. ort ist Koblenz. Dies hat zur Folge, daß auch die Sol- Das war vermutlich der Grund, warum Sie sich ver- daten aus den neuen Bundesländern ab dem Zeit- wirrt fühlten. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6137

Vizepräsident Hans Klein: Eine zweite Zusatz- setzung? In welchem Zeitraum nach Beendigung des frage. Auslandseinsatzes endet die einheitliche Bezahlung?

Ernst Kastning (SPD): Nicht nur ich war verwirrt, Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun- sondern offensichtlich auch andere Personen; denn desminister der Verteidigung: Die erste Frage würde die Initiative zu dieser Frage kam nicht nur von mir. ich Ihnen gern schriftlich beantworten. Der Anspruch auf volle West-Besoldung bleibt auch dann erhalten, Darf ich Sie weiterhin fragen: Wenn in der Vergan- wenn die Soldaten aus den neuen Bundesländern im genheit Soldaten der Bundeswehr aus Ost und West Anschluß an ihre Auslandsverwendungen wieder in bei gemeinsamen Auslandseinsätzen, zum Beispiel die neuen Bundesländer zurückkehren. in der Zeit vor den Bosnien-Einsätzen, einheitlich mit allen Zulagen bezahlt worden sind, wie kommen Sie (Ernst Kastning [SPD]: Auf unbefristete dann in Ihrem Radiointerview zu der Aussage, daß Zeit?) Sie versuchen werden, eine Regelung zu finden, die gewährleistet, daß es keine unterschiedliche Bezah- - Ja. lung gibt? Vizepräsident Hans Klein: Weitere Zusatzfragen Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun- liegen nicht vor. Frau Parlamentarische Staatssekre- desminister der Verteidigung: Ich meinte damit den tärin, ich danke Ihnen herzlich für die Beantwortung Stationierungsort Koblenz, der anschließend festge- der Fragen. legt wurde. Weil ich keine falschen Aussagen Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi- machen wollte, habe ich mich vorsichtig ausge- nisteriums für Gesundheit. Die Fragen 46, 47 und 48 drückt. werden schriftlich beantwortet. Die Antworten wer- (Ernst Kastning [SPD]: Vielleicht besser gar den als Anlagen abgedruckt. nicht!) Damit ist der Fragebedarf in der heutigen Frage- stunde erschöpft. Wir sind am Ende der Fragestunde. Vizepräsident Hans Klein: Eine dritte Zusatzfrage. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr, bis zum Beginn der Aktuellen Stunde. Ernst Kastning (SPD): Frau Staatssekretärin, waren in der Vergangenheit, um eine gleiche Bezah- (Unterbrechung der Sitzung von 14.38 bis lung zu erreichen, und/oder werden für die Zukunft, 15.00 Uhr) um eine gleiche Bezahlung zu erreichen, Verände- rungen von Rechtsbestimmungen erforderlich, und, Vizepräsident Dr. : Die unterbro- wenn ja, wann werden diese erfolgen? chene Sitzung wird wieder eröffnet. Ich darf einen Satz der Erläuterung hinzufügen, Herr Präsident. Ich möchte, daß öffentlich klargestellt Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: wird: einheitlich oder nicht. Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Michaela Geiger, Parl. Staatssekretärin beim Bun- desminister der Verteidigung: Sie wissen, daß wir Haltung der Bundesregierung zur Verschie- natürlich bei allen entsprechenden Regelungen an bung der Islam-Konferenz durch den Bundes- den Einigungsvertrag gebunden sind. Eine besol- außenminister dungsrechtliche Regelung steht uns kurzfristig, Herr Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Kastning, leider nicht zur Verfügung. Ein Abgeordnete . entsprechendes Gesetzgebungsverfahren würde sehr viel Zeit erfordern; zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich insoweit, als sich die Besoldung der Karsten D. Voigt (Frankfurt) (SPD): Meine sehr ver- Zeit- und Berufssoldaten grundsätzlich nach den ehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und besoldungsrechtlichen Vorschriften richtet, die für Kollegen! Die Absage der Islam-Konferenz ist ein alle anderen Angehörigen des öffentlichen Dienstes Schlag ins Gesicht des Parlaments. Diese Entschei- als Besoldungsempfänger auch gelten. dung der Bundesregierung umgeht die Beschlußlage des Bundestages. Sie verkehrt die Absicht des Bun- destages ins Gegenteil: Der Bundestag wollte nach Vizepräsident Hans Klein: Die vierte Zusatzfrage. der Stellungnahme Rafsanjanis zur Ermordung Rabins ein Signal an die politische Führung des Irans Ernst Kastning (SPD): Das hatte ich zwar nicht geben. Er wollte nicht den Dialog mit der islami- gefragt, aber dann stelle ich noch eine vierte Zusatz- schen Welt absagen oder verzögern. Wir wollten viel- frage. mehr den Dialog mit der islamischen Welt intensivie- ren. - Es ist ein schwerer politischer Fehler, die Tür- In Ergänzung zu Ihrer Antwort auf meine beiden kei, Jordanien, Ägypten, Marokko und andere Staa- Fragen hätte ich gern gewußt, von wann bis wann ten der islamischen Welt mit der politischen Führung genau eine einheitliche Bezahlung sichergestellt ist. des Irans gleichzusetzen. Heißt Versetzung nach Koblenz mit Eingang des Ver- setzungsbescheides oder mit dem Vollzug der Ver- (Beifall bei der SPD) 6138 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Karsten D. Voigt (Frankfurt) Darüber hinaus ist die Absage an Welajati nicht gehofft, daß er es täte; er hat es aber nicht getan -, gleichbedeutend mit der Absage an den Dialog mit den führenden Politiker aus diesem Lande zu einer Schiiten; denn es gibt unter den verschiedenen schii- solchen Konferenz einlädt und ihn hier sprechen läßt. tischen Strömungen, übrigens auch unter denen des Denn letzten Endes würde es ja bedeuten, daß man Irans, unterschiedliche Auffassungen - auch zu dem, es, wenn man irgendein europäisches Staatsober- was gegenwärtig in der politischen Führung des haupt ermorden ließe, mit irgendeiner religiösen Irans passiert. Begründung letzten Endes legitimieren oder ver- harmlosen könnte. Natürlich ist ein kritischer Dialog mit dem Iran erforderlich. Ich selber war in Teheran; ich habe auch (Roland Kohn [F.D.P.]: Mieser geht es nicht hier in Bonn mit Welajati gesprochen. Das aber ist mehr, unglaublich!) eben der Unterschied: Als Welajati bei einem Gespräch deutschen Teilnehmern seine Prinzipien Es geht hier im Kern nicht um den Dialog mit dem als allgemeinverbindlich aufzwingen wollte, habe ich Islam, den wir intensivieren und sogar verstärken dieses Gespräch verlassen. wollen. Es geht vielmehr darum, daß man diesen Dia- log auf der Grundlage internationaler Menschen- (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie rechte, von Norm und Rechtsstaatlichkeit führt des Abg. Joseph Fischer [Frankfu rt] (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das heißt: Im Gespräch mit Leuten anderer Überzeu- und daß man in diesem Dialog um der Kritik willen gung, sei sie religiös bedingt, sei sie politisch be- deutlich macht, daß Politiker nicht oppo rtunistisch dingt, muß man klarmachen, auch im praktischen sind, wenn sie einen kritischen Dialog wollen, son- Verhalten, was die eigenen Prinzipien sind. Anson- dern daß sie ernsthaft an einem Dialog mit dem Islam sten hat ein Dialog überhaupt keinen Sinn. interessiert sind und daß sie nicht die iranische Füh- Ich möchte darüber hinaus sagen, daß Staaten wie rung mit dem Islam insgesamt verwechseln. die Türkei, die laizistisch sind, in denen aber die Vielen Dank. Mehrheit der Bevölkerung dem Islam angehört, es schlicht und ergreifend als Provokation empfinden (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ müssen, wenn, weil der iranische Außenminister an DIE GRÜNEN) der Konferenz nicht teilnehmen soll, sie selber mit ausgeladen werden. Damit wird die gesamte islami- Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile dem sche Welt mit denjenigen, die in Teheran solche Kollegen Dr. Wolfgang Schäuble das Wort. Äußerungen von sich geben, auf einen Nenner gebracht. Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Herr Präsi- Ich will gar nicht verhehlen, daß es schlimme dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Äußerungen nicht nur aus Teheran gibt. Es gab sol- Kritik an der Bundesregierung, Herr Kollege Voigt, che Äußerungen auch in anderen Staaten, übrigens habe ich nun wirklich nicht verstanden. auch in Israel. Hier wurde unter Berufung auf reli- giöse Komponenten Verständnis für die Tötung ande- (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist rer Menschen gezeigt. Das kann nicht hingenommen Ihr Problem!) werden. - Ich will es ja gerade erläutern. Es ist aber ein Mißverständnis seitens des Iran, zu Wir sind uns doch offensichtlich darüber einig, daß glauben, daß wir aus einem Schuldgefühl gegenüber die Politik des kritischen Dialogs der Europäischen Israel heraus jetzt, weil es Rabin betroffen hat, gefor- Union und der Bundesregierung gegenüber dem dert haben, daß die Einladung Welajatis zurückge- Iran richtig ist. nommen wird. Dabei geht es nicht um ein Schuld- gefühl, sondern hier handelt es sich um eine tief- (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) empfundene Sympathie für den Staat Israel und Ich habe das auch bei meinen Gesprächen in seine Bevölkerung und um das Prinzip, daß nämlich Washington in der vergangenen Woche gesagt. Aber eine Ermordung überhaupt, aber erst recht die von dazu haben Sie gar nicht das Gegenteil gesagt; inso- Regierungschefs und Staatsoberhäuptern in der fern sind wir uns einig. internationalen Politik inakzeptabel ist und daß sich Regierungssprecher und Regierungsoberhäupter, die Wir sind uns genauso darin einig, daß die Initiative sich solchen Ermordungen, und sei es auch für den des Bundesaußenministers, den Dialog mit der isla- „Hausgebrauch", in irgendeiner Weise gegenüber mischen Welt zum Nutzen beider Seiten und der verständnisvoll verhalten oder sie sogar noch legiti- Menschheit insgesamt voranzubringen und zu inten- mieren, außerhalb der Norm der internationalen sivieren, richtig, begrüßenswe rt und unterstützens- Staatenwelt stellen. wert ist. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Deshalb Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, daß man braucht er doch nicht verschoben zu wer- in dieser Phase, solange sich der Iran davon nicht den!) distanziert - das hat er bis zur gegenwärtigen Minute nicht; Sie, Herr Bundesaußenminister, haben ja noch - Langsam. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6139

Dr. Wolfgang Schäuble Wir sind uns offensichtlich auch darin einig, daß es außenminister, deswegen muß diese Konferenz zu richtig gewesen ist, daß Herr Welajati in der vergan- einem geeigneten Zeitpunkt stattfinden. Sie haben genen Woche nach den abstoßenden Äußerungen jede Unterstützung dafür. Aber der Zeitpunkt in der des iranischen Staatspräsidenten Rafsanjani nicht in vergangenen Woche wäre der falsche gewesen. Des- Bonn gewesen und empfangen worden ist. wegen war es richtig, wie die Bundesregierung ent- schieden hat. (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Hätten Sie mal mit Ja (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) gestimmt!) Auch darüber sind wir uns einig. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Helmut Lippelt. (Zuruf von der SPD)

- Entschuldigung, wir waren über den Weg, wie man Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): das erreicht, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schäuble, es ist richtig: Es geht im Kern darum, was (Freimut Duve [SPD]: Der Weg durch die der kritische Dialog dieser Bundesregierung ist. Dar- Nein-Tür oder durch die Ja-Tür?) über müssen wir streiten. möglicherweise unterschiedlicher Meinung, aber Der Herr Außenminister hat in seiner letzten Rede nicht in der Sache. Denn darüber, daß in der Situa- gesagt, er habe dem iranischen Außenminister auf tion, wie sie nach der Ermordung des israelischen die unakzeptablen Äußerungen einen scharfen B rief Premierministers Rabin entstanden war, und nach geschrieben. Leider ist es dem Hohen Haus nicht den unerträglichen Äußerungen aus Teheran die Zeit möglich, diesen Brief zu sehen. Es wäre vielleicht für eine positive Wirkung einer solchen Konferenz in sinnvoll gewesen, so etwas einmal sehen zu können, der Woche danach nicht gut gewesen wäre, sollten wenn wir jetzt in die Frage „Was ist kritischer Dia- wir uns ebenfalls einig sein. Deswegen hoffe ich, wir log?" einsteigen. sind uns auch darin einig, daß es eine richtige Ent- scheidung der Bundesregierung gewesen ist, diese (Bundesminister Dr. Klaus Kinkel: Ich gebe Konferenz nicht abzusagen, sondern zu verschieben. nicht alle Regierungsbriefe nach draußen!) Sie muß in der Zukunft stattfinden. - Richtig, Herr Außenminister. Das weiß ich; das (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) habe ich Ihnen doch zugegeben. Deshalb ist es doch das Problem, daß wir den kritischen Dialog nur an Sie ist richtig und notwendig; aber der Zeitpunkt war den Taten messen können. ungeeignet. Jetzt haben Sie einige Ergebnisse des kritischen Jetzt, lieber Herr Voigt, frage ich Sie in aller Ruhe - Dialogs aufgezählt. Sie haben gesagt: Bitte, der Iran wir können ja wirklich über alles streiten; aber dar- hat das Chemiewaffenübereinkommen unterschrie- über zu streiten, finde ich, gibt es heute wirklich kei- ben, er hat den NPT-Vertrag unterschrieben. Viel- nen Grund -: Glauben Sie im Ernst, daß mit einer leicht war das alles im wohlverstandenen Interesse Ausladung von Herrn Welajati die Konferenz drei des Irans und nicht gerade das Ergebnis eines kriti- Tage danach mit all den Außenministern, die Sie auf- schen Dialogs. Denn gleichzeitig hat der Iran, ein so gezählt haben, die Chance eines Erfolgs gehabt energiereiches und ein so sonnenreiches Land, mit hätte? Das einzige Thema dieser Konferenz wäre die Rußland die Lieferung von Atomkraftwerken ausge- Ausladung von Herrn Welajati und die Äußerung handelt. Sie wissen, was unsere amerikanischen von Herrn Rafsanjani gewesen. Dem Anliegen, durch Freunde darüber denken, was für Hintergedanken einen konstruktiven Dialog mit der islamischen Welt sie dabei vermuten. So einfach ist das nicht. Fortschritte zu erzielen, wäre ein fürchterlicher Scha- den zugefügt worden. Wir sollten da ganz ruhig blei- Deshalb ist und bleibt seit acht Jahren die Frage, ben. wann die Fatwa gegen Salman Rushdie aufgehoben wird, der Prüfstein dafür, was ein kritischer Dialog Ich fasse zusammen: Herr Bundesaußenminister, erreicht. Sie sagen: Es gibt da Fortschritte. Wenn ich Ihre und unsere gemeinsame Politik des kritischen den Zeitraum von acht Jahren bedenke, dann muß Dialogs auch mit dem Iran bedeutet, offen anzuspre- ich sagen, daß diese Fortschritte offensichtlich in Mil- chen, was nicht in Ordnung ist, und sich in schwieri- limetern zu messen sind. Ich weiß nicht, ob Salman gen Situationen einzusetzen. Rushdie die Aufhebung der Fatwa noch erlebt. Herr Kollege Genscher, bei der Entführung von (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Cordes und Schmidt im Libanon haben Ihre Kontakte SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der nach Teheran mitgeholfen, das Problem zu lösen. Ich PDS) bedanke mich heute noch dafür. Die Frage ist: Herr Außenminister, warum sind Sie (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) eigentlich - da gehe ich in die Diskussion mit Herrn Wir müssen auch in der Zukunft zur Lösung Schäuble - dem Votum dieses Hauses nicht gefolgt? schwieriger Angelegenheiten fähig bleiben und Ihnen war hervorragend der Rücken gestärkt wor- zugleich versuchen, die Dinge zum Besseren zu ent- den. Ich verstehe Ihr Verhalten überhaupt nicht. In wickeln - das ist kritischer Dialog -, und den Dialog diesem Moment war doch die Ausladung des Reprä- mit der islamischen Welt vorantreiben. Herr Bundes- sentanten eines Landes, das den Träger eines ganz 6140 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Dr. Helmut Lippelt essentiellen Friedensprozesses so beschimpft und so Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.): Meine sehr ver- verleumdet, auch in der islamischen Welt allgemein ehrten Damen und Herren! Der Bundesaußenmi- verständlich. nister hat infolge der Diskussion vom vorletzten Frei- tag das einzig Richtige getan. Er hat entschieden, Die Außenminister kommen jetzt erst in vier oder daß diese Konferenz verschoben wird, und er hat fünf Monaten. Dann erst wird das zu einer Frage der dabei die Zustimmung der Koalition und der Bundes- Solidarität. Deshalb wird der Dialog, den Sie wollen, regierung bekommen. Was wäre denn geschehen, nicht zustande kommen. Wollen Sie dann den Reprä- wenn der Außenminister des Iran ausgeladen wor- sentanten eines Regimes einladen, dessen Botschaf- den wäre? In welche Situation hätten Sie denn die ter in seinem offiziösen Mitteilungsblatt „Iran- Außenminister der anderen islamischen Länder Report " auch jetzt noch dieselben Verleumdungen gebracht? Hätte denn diese Konferenz überhaupt wiederholt, indem er Zeitungen aus dem Iran und noch die Chance gehabt, Ergebnisse zu erzielen? anonyme Äußerungen zusammenschneidet, um Wissen Sie denn eigentlich nicht, daß der Iran das genau dies immer weiter zu wiederholen? zentrale Land der Schiiten ist, einer wichtigen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gruppe und Konfession innerhalb des Islam? Wollen und bei der SPD) Sie durch eine Teilung des Islam zusätzliche Span- nungen erzeugen? Deshalb ist die Frage, wie Sie mit diesem sehr drin- genden Dialog wieder in Gang kommen, natürlich (Freimut Duve [SPD]: Was heißt denn dieser eine Frage nicht nur des politischen Wollens, son- Begriff „Teilung des Islam"?) dern auch des politischen Geschicks. Wenn wir über All dieses zeigt doch, daß es richtig war, diese Konfe- die Frage streiten, wie kritischer Dialog zu messen renz zu verschieben, um damit zusätzlichen Scha- ist, so fällt mir immer wieder ein: Zu messen ist er an den, der jetzt ohnehin schon entstanden ist, abzu- der Frage, wie weit in solchen Verhältnissen der Dia- wehren. log nicht nur mit den Regierungen, sondern auch mit der Opposition läuft. Es ist der Bundesregierung (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- doch bekannt, daß die wichtigste Oppositionsgruppe ten der CDU/CSU) im Iran, die „Befreiungsbewegung" des jetzt leider Es ging Herrn Fischer bei seinem Antrag nicht um verstorbenen Mehdi Bazargan, im Mai dieses Jahres einen Beitrag zur Außenpolitik. Er hat doch nur ver- einen offenen Brief geschrieben hat und freie Wah- sucht, einen Tagesabstimmungserfolg zu erzielen, len zum Parlament gefordert hat. Im Juli haben sich indem er eine emotionale Situation mißbraucht hat, 86 Oppositionelle angeschlossen und sich mit einem um hier Effekte zu erzielen. weiteren Aufruf zu Wort gemeldet, in dem es heißt: (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Es müssen Bedingungen für freie Meinungsäuße- Widerspruch bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ rungen geschaffen werden und dafür, daß die DIE GRÜNEN und der PDS - Dr. Dagmar öffentlichen Medien genutzt werden können, so Enkelmann [PDS]: Unerhört! Eine Beleidi- daß die Menschen im Rahmen des Gesetzes - gung des Parlaments! - Joseph Fischer statt in blinden Aktionen und Aufständen - die [Frankfurt ] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Regierung frei und ohne Angst vor Bedrohung Was sagen Sie zu den Kollegen von Ihnen, kritisieren können. die dem zugestimmt haben? Was ist mit Vor kurzem wurden die Aktivitäten dieser Pa rtei ver- Herrn Lambsdorff? Was ist mit Frau Süss- boten. muth?) Wo hat sich der Außenminister jemals im Rahmen - Hören Sie bitte einmal zu. Außenpolitik darf nicht des von ihm so genannten kritischen Dialogs für die zur Funktion von parteipolitischer Taktik der Innen- regimekritischen Oppositionellen im Iran einge- politik werden. setzt? Zu welchen relevanten oppositionellen Kreisen (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) hat die Bundesregierung überhaupt Kontakt aufge- nommen? Außenpolitik muß langfristig angelegt sein. Das Problem, das für uns im Bundestag deutlich Ich will auf ein Weiteres hinweisen, Herr Fischer: wird, ist: Wir haben hervorragende Wirtschaftsbezie- Ihr Gewissen hat recht spät geschlagen, genauso wie hungen. Wir haben Pläne eines großen Dialogs, für das Ihrer Kollegen. Rafsanjani hat diese Äußerungen den, wie ich denke, die Chancen leider vertan wor- am 5. November gemacht. Am 10. November haben den sind. Wir haben auf der anderen Seite die Fatwa wir darüber diskutiert. Wir haben die Pressemittei- gegen Salman Rushdie, die immer noch in Kraft ist. lungen genau studieren lassen. Es hat eine einzige kritische Aussage zu diesem Vorgehen und zu diesen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aussagen gegeben. Das war die kritische Aussage sowie bei Abgeordneten der SPD und der des Bundesaußenministers Klaus Kinkel. PDS) (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile dem Von den Grünen und von der SPD hat man kein Wort Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms das Wort. dazu gehört. Ich habe hier die Liste derjenigen Abge- ordneten, die sich angemeldet hatten, um an der (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Konferenz mitzuwirken. Dazu gehört die Vizepräsi- DIE GRÜNEN]: Hochrangige Debatte!) dentin dieses Hauses, Frau Antje Vollmer. Dazu Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6141

Dr. Hermann Otto Solms gehören Herr Duve, Herr Schily und andere. Ich miß- sondern auch in bezug auf die Innenpolitik. Damit billige das nicht. Ich finde es gut, daß Sie daran teil- kämen wir dann beachtlich weiter. nehmen wollten. Sie haben sich aber bis zu diesem (Heiterkeit und Beifall bei der PDS sowie Zeitpunkt, als Herr Fischer diesen Antrag gestellt bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- hat, überhaupt nicht von diesem Besuch distanziert. NISSES 90/DIE GRÜNEN) Ihr Gewissen scheint sich ja sehr spät geregt zu haben. Aber der Gegenstand dieser Aktuellen Stunde ist eigentlich etwas anderes als das, worüber hier Herr (Beifall bei der F.D.P. - Joseph Fischer Schäuble und Herr Solms gesprochen haben. Es geht [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: nämlich um den Fall einer klaren Parlamentsmißach- Ein jammervoller Liberalismus!) tung. Es muß doch einmal klargestellt werden: Das Kas- (Beifall der Abg. Dr. perltheater, das Herr Fischer im Laufe der Zeit immer [PDS]) 'stärker aufführt, wertet dieses Haus ab. Herr Kinkel, auch Sie müssen lernen, sich mit Nie- (Beifall bei der F.D.P.) derlagen abzufinden. Der Bundestag hat mit Mehr- heit beschlossen, daß der iranische Außenminister Wenn wir über außenpolitische Probleme, über das von der Konferenz ausgeladen werden soll, und die- schwierige Verhältnis dieser zwei Kulturkreise, des sen Beschluß haben Sie einfach mißachtet. Sie haben Islam und der christlichen Welt, reden, dann können statt dessen die Konferenz abgesagt, um die Erfül- wir das nicht in der Form betreiben, wie wir das am lung des Beschlusses zu umgehen. Das nenne ich vorletzten Freitag gemacht haben. Der Ernst der Parlamentsmißachtung. Lage ist viel zu groß. Darauf hat ja auch der Bundes- präsident hingewiesen, als er bei seiner Laudatio zur (Beifall bei der PDS, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buch- handels gerade diesen Dialog angemahnt hat, der Man kann mir vieles vorwerfen, nur eines nicht, überfällig ist. daß ich nicht gewöhnt bin, Niederlagen zu erleiden und damit zu leben. Wenn Sie nur in einem Falle Ich kann für die Fraktion der Freien Demokraten eine Niederlage erleiden, hätten Sie als Demokrat abschließend nur sagen: Klaus Kinkel hat unsere beweisen müssen, daß auch Sie damit leben können. volle Unterstützung und Zustimmung Sie hätten sich ja gegenüber der iranischen Regie- rung noch hinter der Entscheidung des Parlaments (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der verstecken können; das wäre für Sie ja ganz einfach PDS) gewesen. Im übrigen glaube ich nicht, was Sie als Szenario bei der wichtigen Aufgabe, verbreiten, nämlich daß alle anderen Länder abge- (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ sagt hätten. Es wäre im Gegenteil spannend gewe- DIE GRÜNEN]: Genauso hören Sie sich an!) sen, wenn Sie die Konferenz durchgeführt und gesagt hätten: Wer allerdings zuläßt, daß seine diesen Dialog für Deutschland und für Europa zu Regierung oder sein Präsident so etwas äußert, wird inszenieren und zu führen, und wir hoffen, daß es von uns ausgeladen. Dann hätten die anderen vor möglichst bald zu einem neuen Termin kommt, damit der Frage gestanden, ob sie das akzeptieren oder mit allen islamischen Staaten - ich betone: mit allen nicht. Das hätte auch eine Klärung in der sogenann- islamischen Staaten; alles andere wäre ein großer ten islamischen Welt herbeiführen können. Fehler - dieser Dialog aufgenommen werden kann. Nun gibt es natürlich viele, die auch den Ansatz der Konferenz kritisieren, die sagen: Es müßte Vielen Dank. eigentlich ein Dialog von unten stattfinden, über Kir- (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU) chen, über gesellschaftliche Organisationen, über Oppositionskräfte; die Regierungsebene ist eigent- lich vielleicht die letzte, gar nicht die entscheidende. Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das Auch mit dieser Kritik könnte ich gut leben; ich halte Wort dem Abgeordneten Dr. Gregor Gysi. sie in Grundzügen für berechtigt. (Joseph Fischer [Frankfu rt] [BÜNDNIS 90/ Erinnern wir uns daran, was Herr Geißler, der stell- DIE GRÜNEN], zur CDU/CSU und zur vertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, F.D.P. gewandt: Jetzt müßt ihr euch die jetzt im „Spiegel" geäußert hat, daß do rt überall Ohren zuhalten!) Apartheid zum Nachteil der Frauen stattfindet. Wir sind ja keine Gegner des Dialogs. Auch ich hatte schon ein Gespräch mit dem iranischen Botschafter Dr. Gregor Gysi (PDS): Herr Präsident! Meine und habe ihn zum Beispiel darauf hingewiesen, daß Damen und Herren! Zunächst freue ich mich sehr es für uns natürlich völlig unerträglich und absolut darüber, daß sowohl der Fraktionsvorsitzende der indiskutabel ist - um nur ein Beispiel zu nennen -, CDU/CSU als auch der Fraktionsvorsitzende der wenn eine Lehrerin im Iran, die nicht mit ihrem F.D.P. hier immer wieder den kritischen Dialog gefor- Mann, sondern mit einem Bekannten Auto gefahren dert haben. Ich hoffe, das gilt nicht nur nach außen, ist, deshalb vor den Schülerinnen und Schülern auf 6142 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Dr. Gregor Gysi dem Schulhof ausgepeitscht wurde. Ich habe ihn meine Initiative und mein Einsatz für eine Verstär- gefragt, wie er das irgendwie mit einem Beg riff von kung des Dialogs mit der islamischen Welt. Kultur - von Menschenrechten kann man da ja sowieso nicht reden - in Verbindung bringen will. Er Zu der für den 15./16. November geplant gewese- hat mir dann als Antwort gesagt, daß das in Saudi nen Konferenz „Europa und die islamische Welt" Arabien viel schlimmer ist, da dürfte sie nicht einmal hatten rund 250 Experten aus aller Welt zugesagt, Auto fahren. Er hat hinzugefügt: Über Saudi-Arabien sieben von mir eingeladene Außenminister aus den regt sich keiner auf. Daß diese Antwort für mich islamischen Ländern, meine italienische Kollegin, ein äußerst unbef riedigend war, werden Sie nachvollzie- EU-Kommissar, 14 Abgeordnete des Deutschen Bun-- hen können. Das heißt übrigens nicht, daß ich die destages, darunter die Präsidentin des Deutschen Zustände in Saudi-Arabien gut finde. Vielmehr Bundestages und die Vizepräsidentin des Deutschen macht mir das deutlich, daß vielleicht international Bundestages Vollmer. Der Herr Bundespräsident wesentlich mehr gegen diese Apartheid gegenüber hatte sich erfreulicherweise bereit erklärt, die teil- Frauen unternommen werden muß, als das gegen- nehmenden Außenminister zu empfangen. wärtig der Fall ist. ( [SPD]: Die haben Sie mit der (Beifall bei der PDS, der SPD und dem Absage alle vor den Kopf gestoßen!) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Warten Sie es ab. Mich ärgert wirklich, wenn Sie Menschenrechte hin- Dann kam es zu der Ermordung Ministerpräsident ter ökonomische und politische Interessen zurück- Rabins und dem ganz schlimmen Kommentar von stellen und das auch ganz deutlich formulieren. Präsident Rafsanjani. Ich traf daraufhin die Entschei- dung, in einem B rief an meinen iranischen Kollegen Sie haben einmal gesagt, der Iran sei strategisch und einem Gespräch mit dem iranischen Botschafter wichtig, habe eine ungeheure Waffendichte und viel unmißverständlich klarzumachen, daß diese Äuße- Öl. rungen empörend und durch nichts zu rechtfertigen (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Wollen Sie das sind, insbesondere auch nicht durch die aufgewühlte bestreiten?) Reaktion in der islamischen Welt auf die Ermordung des Islamführers Schakaki in Malta. - Das will ich alles gar nicht bestreiten. Das gilt auch für Saudi-Arabien. Ich habe das in einer Pressekonferenz ebenfalls deutlich und klar gesagt. Außerdem hatte ich vor, Sie müssen sich entscheiden: Entweder Sie führen über diese ernste Frage mit dem iranischen Außen- außenpolitische Beziehungen rein nach ökonomi- minister auf der Konferenz selbst von Angesicht zu schen Gesichtspunkten - dann tun Sie aber nicht so, Angesicht zu sprechen, so wie ich das in den letzten als ständen dahinter moralische Werte! -, oder Sie Jahren in vielfältigster Weise und bei vielen Gele- stellen wirklich Menschenrechte in den Vorder- genheiten getan habe. Diese Entscheidung habe ich grund. im Licht der Gesamtverantwortung getroffen, die ich als Außenminister zu tragen habe. Die Mehrheit des (Dr. [CDU/CSU]: Unver Deutschen Bundestages hat am 10. November ent- schämtheit! - Hans Klein [München] [CDU/ schieden, ich hätte anders reagieren sollen. CSU]: Schwarzweiß ist die Welt!) (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) Dann muß mit dieser doppelzüngigen Art, Außen- politik zu betreiben, endlich aufgehört werden. Dann Ich respektiere das und habe Verständnis für die muß man sich wirklich zu einem kritischen Dialog Gefühle, die die Abgeordneten bewegt haben. bekennen. Wenn man sich dazu bekennt - ich bin nicht gegen den kritischen Dialog mit dem Iran -, (Zustimmung des Abg. [CDU/ dann muß man in Konfliktsituationen auch einmal CSU]) bereit sein, nein zu sagen und eine Ausladung auszu- Aber ich frage mich schon: Warum hat eigentlich sprechen, damit solche Länder merken, daß wir den vorher niemand reagiert? Die Äußerungen von Herrn Regierenden nicht alles durchgehen lassen. Das ist Rafsanjani fielen - Herr Solms hat es bereits gesagt - dann auch im Interesse der Völker dieser Länder. am 5. November. Warum hat keiner der Abgeordne- ten, die ihr Kommen zugesagt hatten, daraufhin Danke. abgesagt? Wo blieb die öffentliche Kritik der Oppo- (Beifall bei der PDS und dem BÜNDNIS 90/ sition an dieser Rafsanjani-Äußerung? DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- SPD) ten der CDU/CSU) Es waren sieben Tage Zeit. Es gibt nicht eine einzige Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile dem Äußerung - nicht eine einzige Äußerung! - eines Bundesminister Dr. Klaus Kinkel das Wort. Oppositionspolitikers zu der Äußerung von Rafsan- jani in diesen acht Tagen. Prüfen Sie es nach! Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister des Auswärtigen: (Zuruf von der F.D.P.: Traurig!) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts darf es nicht zu Sie hätten wahrhaftig Zeit gehabt, sich vorher zu einem Konflikt der Kulturen kommen. Deshalb empören. Keiner von Ihnen hat die Ausladung von Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6143

Bundesminister Dr. Klaus Kinkel Herrn Welajati gefordert, insbesondere nicht Herr Verheugen, etwas sagen. In Israel und im ganzen Fischer, auch nicht Herr Verheugen. Nahen Osten kennen die Verantwortlichen meine persönlichen Beziehungen und meine Gefühle zum (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne jüdischen Volk. Ich brauche niemanden, insbeson- ten der CDU/CSU) dere nicht Sie, als Nachhilfelehrer in Sachen Israel Ich möchte noch einmal festgehalten wissen, daß (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne- ich, wenn ich es richtig sehe, der einzige war, der ten der CDU/CSU - Widerspruch bei der sich nach außen hin klar und deutlich geäußert hat. SPD) - (Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE und, Herr Lippelt, auch nicht bezogen auf den Iran. GRÜNEN]: Wir haben uns geärgert über Wer war denn in dem berühmt-berüchtigten Evin- Ihren schwachen Dialog mit dem iranischen Gefängnis, als es um zum Tode Verurteilte ging? Wer Botschafter!) hat sich im Iran persönlich für diejenigen eingesetzt, - Ich komme darauf zurück, Herr Lippelt. Sie die gedemütigt und entrechtet waren? Sie nicht. schreien bloß, aber bewegen nichts. Aber ich habe es getan, und darauf bin ich stolz. (Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - GRÜNEN]: Ja, ja!) Zuruf von der SPD) Nach der Entschließung des Deutschen Bundesta- - Nein, Sie nicht! ges vom 10. November habe ich entschieden, die Herr Fischer, Ihnen halte ich entgegen: War es Konferenz zu verschieben. Das war keine Mißach- nicht der frühere Sprecher der Grünen, Herr Strö- tung der Entscheidung des Parlaments, sondern die bele, der im Golfkrieg erklärte, die Raketenang riffe einzig mögliche und logische Konsequenz des Bun- des Irak seien „die logische, fast zwingende Konse- destagsbeschlusses. Nur so konnte - das sage ich in quenz der Politik Israels"? War das so, oder war das meiner Verantwortung als Außenminister und aus nicht so? Kenntnis der Zusammenhänge - massiver außenpoli- tischer Schaden vermieden werden. (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt müssen Sie auch zitie- Aus der Zusammenkunft wäre eine rein emotions- ren, was ich damals dazu gesagt habe!) geladene Iran-Debatte geworden. Die Ausladung des iranischen Außenministers hätte die anderen - Ja, ja. Haben die Grünen, Herr Fischer, nicht vier Kollegen der islamischen Welt zwangsläufig in eine Jahre gebraucht, um ihr Verhältnis zu Israel in Ord- schwierige Lage gebracht - ich habe es doch gehört - nung zu bringen? War ihr kürzlicher Besuch in Israel und unsere Initiatorenrolle für diesen so wichtigen nicht ein dringend notwendiger Kanossagang, über Dialog erheblich beschädigt; ich würde sogar sagen: den wir vorher noch gesprochen hatten? Ich an Ihrer Sie hätte sie zerstört. Stelle wäre ruhig. Die Konferenz wird nachgeholt, sobald die (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU - Gesamtumstände die dafür notwendige sachliche Zurufe des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] und ruhige Diskussion zulassen. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Christen und Muslime, die beiden größten Religi- - Hören Sie zu! Sie schreien immer nur. Schreien onsgemeinschaften der Welt, müssen in dieser immer allein hilft nicht immer. „Außenpolitische Geisterfah- enger verflochtenen Welt lernen, f riedlich und tole- rer" sind Sie genannt worden; das ist auch so. rant miteinander umzugehen. Es geht nicht um ent- fernte Weltgegenden, liebe Kolleginnen und Kolle- Die bewegende Trauerfeier für Yitzhak Rabin, gen, sondern um Bosnien und um die Stabilität des unsere tiefe Bestürzung über die Ermordung des Mittelmeerraums. Es geht um die Bewältigung der Friedensnobelpreisträgers und guten Freundes hat globalen Herausforderungen wie Armut, Bevölke- uns, die wir in Jerusalem dabei waren, wohl eines rungsexplosion oder Umweltzerstörung. Es geht gelehrt: Dem Terrorismus muß entschlossen entge- auch um den inneren Zustand der europäischen gengetreten werden. Wer Frieden will, der muß auch Gesellschaften. Brücken bauen. Ich habe versucht, diese Brücken über den kritischen Dialog zu bauen. Wir müssen uns In Deutschland leben 2,3 Millionen Muslime, die mit dem Fundamentalismus rational und politisch meisten davon sind Türken - ich komme gerade von auseinandersetzen. Er entwächst schließlich aus wirt- der Sechserkonferenz der europäischen Außenmini- schaftlichen und sozialen Krisen. ster mit dem neuen türkischen Außenminister -, in Frankreich 5 Millionen Menschen nordafrikanischer Wandel durch Dialog war das Fundament unserer Ostpolitik, die Erfolgsformel des OSZE-Prozesses, die Herkunft. Wir müssen das liberale, weltoffene Gesicht Europas bewahren. Dabei wird es sehr dar- Erfahrung in Südafrika. Dies muß auch unser Weg- auf ankommen, wie harmonisch wir das Zusammen- weiser gegenüber dem Fundamentalismus sein. Wir leben mit unseren Mitbürgern in Zukunft gestalten. versuchen, zu überzeugen, Vertrauen herzustellen und dadurch auf die Haltung des Iran einzuwirken. (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordne Ohne Erfolg war das nicht; das habe ich in der letz- ten der CDU/CSU) ten Debatte hierzu dargestellt. Meine Damen und Herren, ich möchte vor allem Meine Damen und Herren, bei der Trauerfeier für Ihnen beiden, lieber Herr Fischer und lieber Herr Ministerpräsident Rabin sagte der jordanische König 6144 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Bundesminister Dr. Klaus Kinkel Hussein: „Wir glauben, daß Gott uns beauftragt hat, Der König von Jordanien geht zur Trauerfeier, der in Frieden zu leben. " Alle drei Religionsgemein- Präsident von Ägypten geht zur Trauerfeier, Arafat schaften, der Islam, das Judentum und das Christen geht zur Witwe, und dann sagt dieser Staat, der tum, haben den Frieden zum höchsten Gut erklärt. einen Teil der Hamas finanziert: Wir wollen den Das vereinte Deutschland muß heute - so wie auch Unfrieden dort fortführen. Dieser Staat äußerte sich seine Partner - mithelfen, damit dieses Ziel in Bos- in dieser Weise zur Ermordung Rabins. Nein, der ira- nien, im Nahen Osten und in anderen Krisenregio- nische Außenminister konnte nicht an der Konferenz nen der Welt verwirklicht wird. teilnehmen, aber die Konferenz mußte stattfinden. - Ich möchte durch meine Initiative und die Islam- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- konferenz dazu beitragen, Brücken zu bauen. Das ist ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN aktive Friedenspolitik, wie sie uns das Grundgesetz und der PDS) vorgibt. Diesem Ziel bleibe ich verpflichtet, dafür Der iranische Außenminister konnte nicht teilneh- werde ich weiter kämpfen. men, aber es ist falsch, jetzt zu behaupten, man wisse (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und genau, wie die Konferenz abgelaufen wäre. der F.D.P. - Joseph Fischer [Frankfu rt] Zum kritischen Dialog: Wir haben auch mit Süd- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt muß afrika diesen kritischen Dialog geführt, er ist oft ein Ihnen nur noch der Gerhardt die Hand Vorhang gewesen, ein sehr unk ritischer Vorhang für geben! - Bundesminister Dr. Klaus Kinkel: allerlei. Wir wollen nicht, daß der kritische Dialog Sie sind der Heilige!) zum Vorhang für das Verhalten eines dieser Staaten wird, die unter dem Vorhang des kritischen Dialogs Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile dem ihre Politik, ihre staatlichen Aktionen im Ausland zu Abgeordneten Freimut Duve das Wort. betreiben, einfach fortführen. Das Mykonos-Urteil wird ja wohl bald kommen. Ich bin ziemlich sicher, daß dann auch ein deutscher (SPD): Herr Minister, es ist schade, Freimut Duve Richter feststellen wird, daß hier ein Mitglied unserer daß wir nicht über das Eigentliche sprechen. Staatenfamilie, ein Mitglied, mit dem wir sehr viel zu (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des tun haben, immer noch nicht gelernt hat, daß man BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der sich außerhalb seiner Grenzen anständig verhält und PDS) nicht Terroristen unterstützt. Darüber kann es auch keinen religionsorientierten kritischen Dialog geben; Das Eigentliche hat Herr Schäuble ganz deutlich das ist glasklar. Uns geht es darum, das einmal ganz gesagt. Es gibt eine wirkliche Distanz zwischen dem, deutlich zu sagen. was Herr Schäuble gesagt hat, und dem, was der Mi- nister sagt. Aber natürlich, Herr Schäuble hat klar Zur Definition des kritischen Dialogs mit der Welt gesagt: Die Konferenz konnte gar nicht stattfinden. des Islam: Ist das wirklich das richtige Konzept? Kön- nen wir als Staat die Welt des Islam so nehmen, Aber dann hätte die Absage der Konferenz vorher, wenn sie sich selbst überhaupt nicht als die Welt des bevor wir hier beschlossen hatten, erfolgen müssen. Islam darstellt? Sie hätte von Ihnen kommen müssen. Sie haben vor- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des hin ganz klar gesagt: Diese Konferenz konnte nach BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der Ermordung Rabins nicht stattfinden. Wir werden das im Protokoll nachlesen. Sie haben das gesagt. Müssen wir das Konzept von Herrn Huntington und anderen Leuten, die sagen, es gehe jetzt, nach dem (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Ost-West-Konflikt, um den großen Konflikt der Reli- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Joseph gionen, einfach übernehmen? Handelt es sich nicht Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- um reale Regionen, um reale Interessen, um Macht- NEN]: So ist es! - Zuruf von der CDU/CSU) konstellationen, um Waffenkäufe, um Einflußnah- - Nein, das hat er erst nach unserer Initiative getan. men ganz unterschiedlicher Art? Ich denke nur an Nach unserer Initiative hat er zwar so reagiert, wie er die Einflußnahme des Sudan auf Algerien. nach Ihrer Behauptung hätte reagieren müssen, aber Wenn wir das zu einer kompakten Entität erklären er hat nicht so reagiert, wie der Bundestag das von und sagen „der Islam" und dann nicht präzis sind, ob der Bundesregierung verlangt hat. wir mit dem Staat oder einem Professor reden, der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne häufig schon im Exil ist, oder mit einem Schriftsteller, ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sondern einfach nur sagen, wir machen den staat- und der PDS) lichen, bundesrepublikanischen Dialog mit „dem Islam", organisieren wir dann nicht möglicherweise Er hat nicht den Respekt vor dem Vorhaben der eine Selffulfilling prophecy? Konferenz, vor dem Vorhaben des kritischen Dialogs (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des - dazu werde ich gleich noch etwas sagen -, BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) gewahrt. Er hat versäumt, deutlich zu machen, daß wir nicht einfach sagen: die islamische Welt, sondern Sind wir außenpolitisch wirklich auf der Höhe der daß wir einem Staat in seiner Staatlichkeit sagen: So Probleme? Ich stelle diese Frage. Diese Frage hätte geht es in diesem Friedensprozeß nicht. ich auch bei der Konferenz gestellt. Ich fand es sehr Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6145

Freimut Duve gut, daß Sie diese Konferenz organisiert haben. Ich Methoden einen Buddha vom Sockel stoßen. Das ist hatte mich gefreut, und Frau Professor Süssmuth doch gar nicht drin. hatte sich bestimmt auch gefreut, an der Konferenz teilnehmen zu können. Niemand hat hier gefordert, (Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE daß diese Konferenz nicht stattfinden sollte, GRÜNEN]: Das wollen wir einmal sehen!) Meine Damen und Herren, es ist eine Entschei- (Beifall bei der SPD) dung des Bundestages getroffen worden. Es ging, Herr Duve, um die Frage: Was ist das Wesentliche? im übrigen, Herr Schäuble, auch Sie an diesem Die Entscheidung des Bundestages ist da, und die- besagten Freitag nicht und der Außenminister auch nicht. Hinterher wird so getan, als wäre das die Logik Bundesregierung hat ihre Konsequenzen daraus gezogen. Sie hat in eigener Verantwortung abwägen gewesen. Nein, Sie haben versucht, eine notwendige politische „Konfrontation" mit der Regierung des müssen: Was wird nach einer solchen Entscheidung wenn ich for- Iran zu vermeiden. Sie haben dadurch Dutzende von des Bundestages aus dieser Konferenz, Staaten, viele Außenminister, Hunderte von Wissen- mal den Beschluß des Bundestages erfülle? Dann ist die Konferenz als Ganzes nicht nur problematisiert, schaftlern düpiert. Das war ein falsches Verhalten, Herr Außenminister. sie ist schlechterdings in Frage gestellt. Das hat Kol- lege Schäuble und das hat auch der Außenminister (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gesagt. Das muß die Regierung abwägen. Sie hat im DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Kern dem Petitum des Bundestages Rechnung getra- PDS) gen. Daran kommt niemand vorbei, und das sollten auch wir so sehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Nun spricht und bei der F.D.P.) der Abgeordnete Heinrich Lummer. Nun wollen wir nicht rückwärts blicken. Ich denke, (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ wir wollen vorwärts blicken. Beide Seiten des Hauses DIE GRÜNEN]: APO!) haben bei dieser Entscheidung, denke ich, Gutes im Schilde geführt. Das, was wir wirklich wollen, ist doch nicht mehr oder nicht weniger, als daß die Kon- Heinrich Lummer (CDU/CSU): Herr Präsident! ferenz stattfindet. So sollten wir uns jetzt in dem Wil- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die len einig sein - das sagen wir dem Außenminister Außenpolitik demokratischer Staaten wird, denke auch, indem wir diese Bitte äußern -, diese Konfe- ich, immer wieder vor der Frage stehen: Wie hältst renz möglichst bald durchzuführen, um den Dialog du es mit jenen Ländern, die die Menschenrechte mit der islamischen Welt, die so vielfältig und unter- mißachten und auch sonst keine Zierde der Völker- schiedlich ist wie alle anderen Teile der Welt auch, zu familie sind? Manchmal hat man das Bedürfnis, laut führen. zu schreien, wenn Verletzungen der Menschen- rechte auftreten, manchmal weiß man auf Grund der Das, denke ich, ist die Einigkeit, die wir hier Erfahrung: Es ist besser, stille Diplomatie zu betrei- haben. Ansonsten sollten wir uns nicht über den ben, weil sie erfolgreicher sein kann. Eine probate, Schnee von gestern streiten. für alle Fälle gültige Antwort auf diese Frage gibt es Danke. im Grunde nicht. Insofern ist es immer wieder eine Frage der politischen Bewertung und Entscheidung (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) im Einzelfall.

(Dr. Albert Probst [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Rudolf Bindig. Wenn man hier den kritischen Dialog in Anspruch nimmt, dann gibt es gute Gründe, auch den Iran in Rudolf Bindig (SPD): Herr Solms, wenn Sie sich den kritischen Dialog mit und über die islamische hierherstellen und das ernstgemeinte Verhalten einer Welt einzubeziehen. In der konkreten Situation gab ganzen Reihe von Abgeordneten dieses Hauses ein- es begründete und verständliche Gefühle, diesen schließlich 50 Abgeordneter der Koalitionsfraktionen Herrn nicht nach Bonn zu wünschen. Für mich ist es und auch einiger Leute aus der F.D.P. und der Bun- fast eine Selbstverständlichkeit, daß man bei einer destagspräsidentin als „Kaspertheater" bezeichnen, solchen Fragestellung nie alle unter einen Hut dann müssen Sie einmal überlegen, ob Sie nicht Ihre bekommt. Ich bin nicht geneigt, eine Niederlage der Haltung korrigieren müßten. Regierung in der Abstimmung zu sehen, wenn einige Abgeordnete von ihrem Recht des A rt . 38 des Grund- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE gesetzes Gebrauch machen. Was hat das mit Nieder- GRÜNEN und der PDS - Dr. Hermann Otto lage zu tun? Solms [F.D.P.]: Zuhören! Fischer, habe ich gesagt!) (Beifall bei der CDU/CSU) Ohne Zweifel ist der Iran in dem Bereich. Men- Ich habe den Eindruck, es war das Ziel der Opposi schenrechte eines der Hauptproblemländer. Es gibt tion, eine Niederlage der Regierung zu produzieren. Probleme im Verhalten des Irans nach innen, und es Aber glauben Sie bitte nicht, daß Sie mit solchen gibt Probleme im Verhalten des Irans nach außen. 6146 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Rudolf Bindig Die UN-Menschenrechtskommission hat sich wie- hat? Ist dieser Überfall bei uns hinreichend kritisiert derholt besorgt geäußert über die große Zahl der worden? Exekutionen, über Folter und grausame, unmenschli- che und erniedrigende Formen der Behandlung oder (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Bestrafung, über die Mißachtung internationaler Da ist zum anderen die Frage: Sind wir bereit, die Rechtsstandards im Gerichtswesen, über mangelnde Menschenrechtsverletzungen der Terrorgruppen und Garantien eines fairen Gerichtsverfahrens, über die der Oppositionsgruppen zu erwähnen und in den Diskriminierung religiöser Minderheiten, insbeson- Dialog einzubeziehen? dere der Bahai, sowie über mangelnden Schutz christlicher Minderheiten gegen Einschüchterungen Ich bin zwar für den Dialog, aber auch in diesem und Mordanschläge. Es ist eine große Zahl von Dialog gibt es manchmal Punkte, wo man an eine Todesurteilen dokumentiert, die ohne faire Verfahren Schwelle kommt und sagen muß: Jetzt muß ein deut- zustande gekommen sind. licher Akzent gesetzt werden. Dieser deutliche Akzent war einfach nötig, nachdem Herr Rafsanjani Nach außen haben wir uns mit der Tatsache aus- die Äußerungen über Rabin gemacht hat. Es war einanderzusetzen, daß mehr als 65 iranische Dissi- nötig, zu sagen, daß wir uns das jetzt nicht gefallen denten seit 1979 im Ausland ermordet worden sind. lassen, und einen deutlichen Akzent zu setzen. Ich Der Iran unterstützt die Gegner des Friedensprozes- verstehe auch gar nicht die Ängstlichkeit der Bun- ses, der zwischen der PLO und Israel in Gang desregierung in ihrer Reaktion darauf. gekommen ist. Es gibt immer wieder Hinweise dar- auf, daß er den Terrorismus nach außen trägt: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Hamas-Bewegung und Hisbollah-Bewegung. DIE GRÜNEN) Ich glaube, das muß man, selbst wenn man für den Denn der Iran läßt den UN-Menschenrechtsson- Dialog eintritt, wissen. Man muß immer im Hinter- derbeauftragten Galindo Pohl, der die Weltgemein- kopf haben, auf welch schwieriger Grundlage ein schaft aufgerufen hat, in den Iran zu gehen, nicht ins solcher Dialog geführt werden muß. Land einreisen. Auch das ist ein Affront gegen die Weltgemeinschaft. Wichtig ist mir, noch einmal zu sagen, daß sich der Iran in seinem Verhalten nicht auf den Islam berufen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) kann. Der Islam ist keine Religion des Mordes, der Anschläge, des Terrorismus und der Geiselnahme. Warum kann man nicht einmal sagen: Hier seid ihr Menschenrechtsverletzungen kann man nicht aus an Grenzen gestoßen? Hier ist trotz allen Dialoges der islamischen Tradition herleiten. Viele islamische etwas, wo wir deutlich sagen: Wir müssen jetzt dar- Rechtsgelehrte haben dies herausgearbeitet. auf reagieren. Trotzdem können wir eine Bestands- aufnahme des kritischen Dialoges machen und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ schauen, wo und in welcher Form wir diesen Dialog DIE GRÜNEN) fortsetzen, und zwar nicht nur mit dem Iran, sondern Trotzdem sehen wir natürlich, daß der Iran kein selbstverständlich mit der ganzen islamischen Welt, Block ist, daß die Führung differenzie rt zu betrachten mit der wir den Dialog wollen. Eine solche differen- ist, daß es in diesem Land zu einer Ausdifferenzie- zierte Herangehensweise wäre nötig. Da haben Sie rung kommt und dort ein Machtkampf im Gange ist. sich einfach unangemessen verhalten, Herr Kinkel. Das sieht man auch daran, daß der kritische Men- Das muß kritisiert werden. schenrechtsdialog mit Deutschland in den Medien (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ von bestimmten Gruppierungen im Iran teilweise DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der heftig kritisiert und angegriffen wird. Wir sehen, daß PDS) es Bemühungen gibt, den Dialog wirklich ernsthaft zu führen. Ich muß sagen, ich bewundere teilweise, mit welch hohem Risiko und mit welch großem Mut Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das einige iranische Politiker im Vergleich zu ihrem Land Wort dem Abgeordneten Dr. Andreas Schockenhoff. diesen Dialog mit uns führen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Herr Präsi- DIE GRÜNEN) dent! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns alle einig, Herr Duve: Der Es kommt zu Ausdifferenzierungen: Eine Abtei- Zusammenstoß der Zivilisationen, der „clash of civi- lung im iranischen Außenministerium und ein Aus- lizations", wie ihn Huntington beschreibt, muß ver- schuß der Justiz für Menschenrechte sind geschaffen hindert werden. Dazu sind zwei Dinge nötig: worden. Auch das Parlament hat einen Menschen- rechtsausschuß gebildet. Wir wissen nicht genau, Erstens müssen wir die islamischen Länder unter- was Schein und was Sein ist, was Ernst ist. Aber wir stützen, damit sie die sozialen und wi rtschaftlichen müssen natürlich versuchen, das Ernsthafte aufzu- Schwierigkeiten in ihren Ländern überwinden. nehmen und weiterzuentwickeln. Damit wird den Islamisten der wichtigste Nährboden entzogen. Mir erscheint es wichtig, daß wir in diesem Dialog einige Punkte aber auch in bezug auf uns selbstkri- Zweitens müssen wir auch mit denen reden, die tisch aufarbeiten. Da ist zum einen: Was haben wir sich zu diesem Islamismus bekennen und ihn weiter eigentlich gesagt, als der Irak den Iran überfallen verbreiten wollen. Dazu gehört ohne Zweifel die isla- Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6147

Dr. Andreas Schockenhoff mische Republik Iran. Es hat keinen Zweck, nur über wüßten Sie, wie wichtig der Dialog gerade auch mit die Akteure zu reden, wir müssen mit ihnen reden. denen ist, die grundsätzlich andere Meinungen ver- treten. Wir brauchen den interreligiösen Dialog, wir brau- chen Begegnungen und Austauschmaßnahmen, wir Diese Regierung biedert sich nicht an, weder bei brauchen die Zusammenarbeit zwischen Wirtschafts- Islamisten noch bei sonst irgendwem. Diese Regie- verbänden und Gewerkschaften aus Europa und rung führt zusammen mit ihren Pa rtnern der Europäi- Ländern der arabischen Welt. Wir brauchen vor schen Union mit der islamischen Republik Iran einen allem aber auch den Dialog mit den politisch Verant- nicht immer einfachen kritischen Dialog. Sie führt- wortlichen. diesen Dialog im Interesse unserer eigenen Bevölke- rung, aber auch im Interesse der Menschen in der Darum wäre es ein Fehler, auf die Beteiligung des arabischen Welt. In ihrem und in unserem Interesse Iran an der Islam-Konferenz zu verzichten. Das müssen wir den Dialog fortsetzen. Dazu gehört auch wäre, wie wenn man versuchen wollte, die künftige die jetzt verschobene Islam-Konferenz. Strategie der NATO ohne die USA zu beschließen. Sicherheit und Stabilität in der Region können (Freimut Duve [SPD]: Na, na! Man muß als nicht ohne oder gar gegen den Islam geschaffen wer- Politiker mit dem Vergleich ein bißchen vor den. Wir brauchen den Dialog mit der islamischen sichtiger sein!) Welt und keinen Dialog über die islamische Welt. Wenn irgendeine Regierung, Herr Duve, wirkli- Dazu sollte die Regierung die Islam-Konferenz zum chen Einfluß auf die Islamisten hat, dann ist es die geeigneten Zeitpunkt nutzen. iranische. Wir müssen mit denen reden, die Einfluß Vielen Dank. haben, wenn wir etwas verändern wollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) (Freimut Duve [SPD]: Na, na! Lassen Sie diesen Vergleich nicht den jordanischen König hören!) Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Christoph Zöpel. Wir haben alle - das ist hier jedesmal gesagt wor- den - die Äußerungen aus dem Iran zum Mord am israelischen Ministerpräsidenten verurteilt. Die Dr. Christoph Zöpel (SPD): Herr Präsident! Die Mehrheit der Koalitionsabgeordneten wollte im Vor- Auseinandersetzungen und Handlungen der Regie- feld der Islam-Konferenz deshalb eine eindeutige rung um die Islam-Konferenz können wohl kaum Erklärung der iranischen Regierung, in der sie die jemanden glücklich machen, der - wie ich - meint, Äußerungen zurücknimmt. daß die Auseinandersetzung und der Dialog mit Staaten, die überwiegend von Muslimen bewohnt Ausgrenzung, Herr Bindig, Isolierung ist doch sind, für diese verengte Welt existenznotwendig nicht die geeignete Reaktion. Vielmehr wollten wir sind. einen Rückweg bauen, damit die iranische Regie- (Beifall bei der SPD) rung aus dieser Sackgasse, in die sie sich begeben hat, zurückfindet. Diese Auseinandersetzung und der Dialog mit Staa- ten der islamischen Welt und mit Muslimen - Staat Wir wissen auch: Ohne den kritischen Dialog wird und Zivilgesellschaft muß man auch in diesen Län- sich nichts ändern. Wir müssen den Iranern klar dern trennen - sollten aus meiner Sicht mit jedem sagen, wo wir nicht bereit sind ihr Verhalten hinzu- stattfinden: im Prinzip mit jedem Staat und im Prinzip nehmen. Dies tut der Bundeskanzler, das hat auch auch in jedem Staat mit allen politischen Gruppie- der Außenminister getan. Damit man dies aber wir- rungen. Es gibt eine Grenze; das ist die aktive Betei- kungsvoll tun kann, muß man im Gespräch bleiben. ligung oder die Rechtfertigung internationalen Teno- Darum war es auch richtig, die Islam-Konferenz zu rismus. verschieben. (Beifall bei der SPD) Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Ich wundere mich, Sonst muß man reden können. daß ausgerechnet die SPD diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Von Ihnen haben wir doch in der Ver- Aber wenn Staaten miteinander reden und wenn gangenheit den Begriff „Wandel durch Annähe- der Dialog zwischen Staaten in den Staaten wahrge- rung " gehört. nommen und damit ein Problem der Innenpolitik wird - was legitim ist -, dann sollte man Signale sorg- (Beifall des Abg. Freimut Duve [SPD] - fältig beachten. Zurufe von der SPD) Was ist hier passiert, Herr Bundesaußenminister? Volker Rühe hat vor einigen Jahren in diesem Hause Eine beabsichtigte Maßnahme der Bundesregierung einmal gesagt, das sei manchmal zum „Wandel hat nicht die Mehrheit in diesem Hause gefunden, durch Anbiederung"verkommen. Er hat damit nichts aber nicht dadurch, daß ausschließlich Abgeordnete anderes gemeint als die Art und Weise, wie sozialde- der Opposition dagegen waren, mokratische Regierungen in der Vergangenheit mit menschenrechtsverletzenden kommunistischen Dik- (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: tatoren umgegangen sind. Die, die noch da waren!) Aber wenn Sie Ihr eigenes Verhalten aus den 70er sondern auch Abgeordnete der Koalition. - Herr Kol- und 80er Jahren zum Maßstab machen würden, dann lege Schockenhoff, Ihr Zwischenruf an dieser Stelle 6148 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 Dr. Christoph Zöpel ist verständlich. Aber er zeigt, wie Sie ein Problem Es gibt keinen geeigneten Vergleich zwischen verdrängen wollen. dem, was der Iran macht, und dem, was im Deut- schen Bundestag ist. Trotzdem sage ich: Es ist kein (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ falsches internationales Signal, wenn die Regierung DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der im Iran und andere Regierungen wissen: Äußerun- PDS) gen des Staatspräsidenten dieses Landes können ein Denn die Regierung hätte nicht verlieren können, demokratisch gewähltes Parlament quer durch die wenn es nur Abgeordnete der Opposition gewesen Fraktionen zu einer Entscheidung bringen, die wären. besagt: Das nehmen wir nicht hin. - (Dr. Albert Probst [CDU/CSU]: Es ist ein Irr (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tum, zu meinen, daß es ein Problem seil - DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sie PDS) sind zu wenige! Das ist Ihr Problem!) Ich glaube, es ist gut, daß die Regierung des Iran das - Herr Kollege, es ist das ganz normale Problem der nun weiß, gleichgültig, wie man die Entscheidung Opposition, daß sie normalerweise keine Abstim- beurteilt, wenn man sie rational und lange abwägt mung gewinnt. Das ist schön für Sie, und das ist das und alle Einzelheiten der Meinungen in diesen Län- Schicksal der Opposition. Hier hingegen war das dern kennt. Ich finde, allein die Tatsache, daß sich Politikum, daß die Regierung keine Mehrheit hatte, ein demokratisches Parlament in Deutschland, in weil auch Abgeordnete der Koalition nicht mit ihr Europa über eine Äußerung des iranischen Staats- gestimmt haben. präsidenten so erregt, daß es quer durch die Parteien diese Entscheidung getroffen hat, ist ein gutes und (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wahrscheinlich nützliches Signal für die Auseinan- DIE GRÜNEN) dersetzung zwischen Europa und dem Islam. Das sollte man nicht durch Zwischenrufe, die einen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ selber einlullen, wegwischen, sondern ernst nehmen. DIE GRÜNEN) Aus dieser Tatsache, Herr Bundesaußenminister, Hätte man deshalb - das ist mein dritter Punkt - hätte die Bundesregierung, wenn sie klug beraten absagen müssen? Auch da kann man unterschiedli- gewesen wäre, die Konsequenz gezogen, mit allen cher Meinung sein, Herr Bundesaußenminister. Parteien darüber zu sprechen, was zu tun sei. Denn sie hat keine Mehrheit gehabt, weil in allen Parteien ( [CDU/CSU]: Das ist ja schon ihre Politik nicht voll getragen wurde. einmal etwas!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne Ich sage das ganz bewußt. Ich habe mich gefragt: ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was macht man? Ich habe schon darauf hingewiesen: Nach dieser Entscheidung hätte ein Gespräch mit Diesen Punkt sehe ich deutlich. - Das war das Innen- allen Parteien vielleicht Sinn gemacht und hätte politische. allen Parteien die Chance bieten können, ihre Erfah- Zum außenpolitischen Signal. Man kann unter- rungen und ihre Kontakte zu Repräsentanten islami- schiedlicher Meinung sein, ob der Außenminister scher Staaten zu nutzen. hätte ausgeladen werden sollen oder nicht. Ich sage Es gibt durchaus Staaten, die ihre Vertreter ganz bewußt: Man kann darüber unterschiedlicher geschickt hätten. Das hätte eine Chance geboten - Meinung sein. vielleicht auch mit dem Effekt, daß wir etwas gelernt (Dr. Albert Probst [CDU/CSU]: Sehr gut!) hätten -, die Äußerungen von Rafsanjani eventuell sogar zu relativieren. Ich füge hinzu: Repräsentanten Nur glaube ich, die Tatsache, daß eine Mehrheit des islamischer Staaten, die mit dem Iran wenig gute Deutschen Bundestages mit Abgeordneten auch aus Beziehungen haben, beurteilen das anders als wir. den Regierungsfraktionen dieses politische Signal Hierin aber hätte eine Möglichkeit bestanden. gesendet hat, ist für den internationalen Dialog mit dem Iran nicht schlecht, sondern gut und wird dort Ich fasse zusammen: Ich glaube, eine Regierung, vielleicht sogar eher verstanden, als mancher glaubt. die im Parlament eine Niederlage erfährt, weil auch Vertreter der sie tragenden Parteien gegen sie stim- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ men, sollte, bevor Konsequenzen gezogen werden, DIE GRÜNEN) mit allen Parteien sprechen und ihnen die Möglich- keit geben, ihre Kontakte zu Ländern des Islam zu nut- Die Regierung des Iran scheut in zig Fällen nicht zen, bevor eine Entscheidung fällt. Möglicherweise davor zurück, die angebliche Erregung ihrer Bevöl- hätten wir alle zusammen eine Entscheidung mitge- kerung dazu zu benutzen, Stürme auf westliche Bot- tragen, die die Konferenz hätte stattfinden lassen und schaften zu organisieren. Sie wissen das von den die dem Iran eine international wichtige Nachricht Berichten der deutschen Botschafter dort. Das Instru- über sein Verhalten hätte zukommen lassen. ment, die Tatsache zu nutzen, daß sich irgend jemand außerhalb der Regierung aufregt, um Politik Herzlichen Dank. zu machen, ist im Iran gang und gäbe. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Freimut Duve [SPD]: Und die Aufregung DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der zu organisieren!) PDS) Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6149

Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile dem Erstens. Es wäre sehr verhängnisvoll, wenn wir eine Abgeordneten Dr. Albe rt Probst das Wort. politische Kultur weiter voranschreiten ließen, (Freimut Duve [SPD]: Dann sollten wir nicht Dr. Albert Probst (CDU/CSU): Herr Präsident! von „Knochen" reden!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal an das Thema unserer heutigen Aktuel- in der es an der Tagesordnung ist, daß man öffentlich len Stunde erinnern: Haltung der Bundesregierung Freude über den Mord an einem anderen Menschen zur Verschiebung der Islam-Konferenz. Bisweilen verkündigt. Es ist bereits widerlich, wenn eine haben wir hier Auseinandersetzungen, als ob es um klammheimliche Freude, wie in unserem Land, dabei den inneren Zustand des Iran und seine Bewe rtung aufkommt. Es ist aber unerträglich, wenn es zwi- ginge. Wir sind uns, so hoffe ich, weitgehend einig, schen Regierungsverantwortlichen, staatlichen Re- daß das nicht unser Thema, sondern ein Schein- präsentanten zur Selbstverständlichkeit wird. Das ist thema ist. verabscheuungswürdig, gleichgültig, wer das tut. (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr richtig!) (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) Zweitens. Die Diskussion mit islamischen Grup- Natürlich verstehe ich die Sozialdemokraten sehr pierungen - Herr Duve, ich greife ausdrücklich auf, gut und weiß, warum sie dieses Thema noch einmal was Sie gesagt haben: es gibt nicht den Islam - ist aufgreifen. Ich war im Deutschen Bundestag 13 Jahre außerordentlich wichtig. Der Straßburger Europarat lang in der Opposition; das liegt weit zurück. hat sich mit dieser Frage eingehend und immer wie- (Rudolf Bindig [SPD]: Es wird Zeit, daß Sie der befaßt. Es ist begrüßenswert, Herr Bundesaußen- wieder reinkommen!) minister, daß auch Sie eine solche Initiative ergriffen haben, wohlwissend, daß Sie damit nicht das ganze In diesen 13 Jahren habe ich ein- oder zweimal Spektrum des Islam abdecken können, wohl aber, erlebt, daß wir eine Mehrheit gegen die Regierung daß Sie einen wesentlichen Beitrag leisten. zustande gebracht haben. Sich mit dem Islam auseinanderzusetzen hat natür- Sie haben letztens die einmalige Gelegenheit lich viele Facetten. Sie sind heute zum Teil genannt gehabt, eine Mehrheit zustande zu bringen. Das ist worden. Ich möchte nicht näher darauf eingehen. natürlich gerade angesichts des Zustands, in dem Sie Bloß, was hätte denn der Bundesaußenminister ange- sich befunden haben, ein gewaltiges Erlebnis. sichts der politischen Diskussion in Deutschland anderes tun sollen, als diese Konferenz abzusagen? (Michael Glos [CDU/CSU]: Aber es hat dem Nachdem dieses Thema hier erst einmal diskutiert Herrn Scharping trotzdem nicht geholfen!) worden ist, hätte der Außenminister diese Konferenz Jetzt haben Sie aber ein zusätzliches Problem. wahrscheinlich sogar abgesagt, wenn Sie Ihren Antrag gar nicht eingebracht hätten. Das war das, (Freimut Duve [SPD]: Jetzt geht's aber los! was der Herr Schäuble gemeint hat. Dann mal los!) (Freimut Duve [SPD]: Nein, nein!) Dieser Sieg, den Sie errungen haben, war nicht von Somit besteht hier überhaupt keine Differenz. Ihnen veranlaßt, Herr Duve; denn der Antrag kam nicht aus Ihrer Fraktion. (Widerspruch bei der SPD - Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ (Freimut Duve [SPD]: Ach nee! Das haben DIE GRÜNEN]) Sie herausbekommen?) - Herr Fischer, Sie interessiert doch die Sache über- - Natürlich. Jetzt haben Sie aber einen Erfolg haupt nicht; Sie wollen doch nur den Zirkus darum. gehabt, und damit auch Sie dabei sind, haben Sie die heutige Veranstaltung veranlaßt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. - Freimut Duve [SPD]: Das ist Das andere ist ja gar nicht Ihr Problem. ja eine geniale Argumentation! - Rudolf Bindig [SPD]: Reden Sie mal zum Thema!) (Zustimmung bei der CDU/CSU) Herr Kinkel, Sie haben goldrichtig reagiert. Wissen Sie, was Sie gemacht haben? Sie haben den dürrsten politischen Knochen, den es überhaupt Meine Damen und Herren, wenn Sie glauben, daß gibt, noch einmal abgefisselt. Das ist die Wirklich- Sie an dieser Stelle einen Keil in die Regierungskoali- keit. tion treiben können, (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU (Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- und der F.D.P. - Rudolf Bindig [SPD]: Und NIS 90/DIE GRÜNEN - Joseph Fischer es kam ein Gerippe heraus!) [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bitte Sie! Eine abwegige Vorstellung!) Jetzt möchte ich zur Sache zurückkommen. dann irren Sie sich völlig. (Rudolf Bindig [SPD]: Ist der Kinkel der dürrste Knochen?) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.) 6150 Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Dr. Albert Probst Herr Kinkel, Sie haben richtig gehandelt, und Sie daß Sie in bezug auf dieses Vorhaben die Unterstüt- haben nicht, wie hier gesagt worden ist, dem Parla- zung aller Teile dieses Hauses gefunden haben. ment ins Gesicht geschlagen; es sind ja noch kräfti- gere Ausdrücke gefallen. Nein, Sie haben das (Beifall bei der SPD) gesagt, was Sie auch in Ihrem Diensteid gesagt Aber um so mehr verwundert es, daß Sie ein so haben: Sie werden Schaden von unserem Volk wen- wichtiges Vorhaben auf Grund eines Beschlusses des den. Bundestages, der ganz anders gemeint war, dann (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) aufgeben. Um so schlimmer ist die Aufgabe eines sol- chen Vorhabens. Es wäre ein Schaden gewesen, wenn man diese Kon- ferenz jetzt durchgeführt hätte. Darum danke ich (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Wider- Ihnen ausdrücklich und herzlich. spruch bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. - Herr Außenminister, ich gehöre zu denen, die Ihre Lachen bei der SPD - Rudolf Bindig [SPD]: persönliche Integrität besonders hoch zu schätzen Das war ja wohl nichts! - Joseph Fischer wissen; das will ich hier durchaus deutlich sagen. [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um so schwerer fällt es mir, zu sagen, daß Sie in die- Das mit dem Zirkus war nicht schlecht, den ser Situation keine gute Figur gemacht haben. Ich Sie hier veranstalten!) hatte den Eindruck, Sie waren völlig konsterniert von dieser Entscheidung. Was müssen wir denn von einem Außenminister halten, der dann sagt, er sei Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Nun erteile ich überrascht gewesen und habe sich deshalb anders dem Abgeordneten Otto Schily das Wo rt. entschieden, von einem Außenminister, der deshalb diese überstürzte Absage zustande gebracht hat?

Otto Schily (SPD): Herr Präsident! Meine Damen (Ulrich Irmer [F.D.P.]: Das war keine und Herren Kollegen! Ich verstehe jetzt eigentlich Absage!) gar nicht mehr, wie sich die Diskussionslage aus- nimmt. Was müssen wir von einem Außenminister halten, der bei einer Lage, auf die er nicht gefaßt ist, die Fas- (Dr. Albert Probst [CDU/CSU]: Das glaube sung verliert? Dabei kann doch keine gute Außenpo- ich Ihnen!) litik herauskommen, Herr Außenminister.

Der Kollege Schäuble sagte eingangs: Eigentlich war (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- die Absage der Islam-Konferenz aus der Situation ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN nach dem Attentat auf Yitzhak Rabin heraus eine und der PDS - Zuruf von der CDU/CSU: Selbstverständlichkeit. - Der letzte Beitrag klingt Euch passiert doch auch etwas Unvorher- ähnlich. sehbares, oder nicht?)

Herr Außenminister, ich würde Sie gerne fragen: Ich denke, Sie haben die Konsequenzen gar nicht Haben Sie denn mit der Präsidentin des Deutschen gut bedacht. Sie hätten tatsächlich auf die Idee kom- Bundestages, die ja ebenfalls für den Beschluß men sollen, auf die Sie der Kollege Christoph Zöpel gestimmt hat, einmal darüber gesprochen, ob sie mit hier heute hingewiesen hat, nämlich sich in einer sol- dieser Entscheidung gemeint hat, daß die Islam-Kon- chen Situation einmal mit allen Teilen dieses Hauses ferenz abgesagt werden sollte? Es wäre doch viel- zu verständigen, damit nicht ein Schaden ange richtet leicht für Sie und auch für das Koalitionsklima ganz wird, der jetzt ange richtet worden ist. Denn die gut gewesen, Absage dieser Islam-Konferenz

(Zuruf von der CDU/CSU: Machen Sie sich (Zuruf von der CDU/CSU: Sie ist nicht da keine Sorgen!) abgesagt!) wenn Sie gerade mit den Kolleginnen und Kollegen ist ein Schaden, der sich nicht so leicht reparieren aus der Koalition, die zum Teil von Herrn Glos abge- läßt. halten werden sollten, ihr Abgeordnetenmandat frei (Zuruf von der CDU/CSU: Wir schaffen das wahrzunehmen, schon!) (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Es könnte ein Zeichen sein, daß die Außenpolitik der GRÜNEN und der PDS - Freimut Duve Bundesregierung eine unstete und unsichere wird. [SPD]: Physischer Einsatz von Herrn Glos!) Davor sollten wir uns alle gemeinsam bewahren. einmal im Sinne dessen gesprochen hätten, was Vielen Dank. mein Freund Christoph Zöpel hier heute gesagt hat. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE Herr Außenminister, ich muß ja sagen, ich fand es GRÜNEN und der PDS) sehr lobens- und unterstützenswert, daß Sie diese Islam-Konferenz versucht haben. Ich habe - das ist hier richtig dargestellt worden - durchaus bewußt Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Ich erteile nun meine Teilnahme daran angekündigt. Ich glaube, dem lieben Kollegen Hans Klein das Wort. Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6151

Hans Klein (München) (CDU/CSU): Herr Präsi- auch niemand getan -, daß wir in diesem Haus etwa dent! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! In die Motivation von Rafsanjani für seine Reaktion auf der gegebenen Situation an jenem Freitag hat der die Ermordung von Schakaki, dem Dschihad-Füh- Bundesaußenminister klug entschieden. rer, im Detail untersuchen. Darauf bezog er sich schließlich mit seiner Äußerung. (Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!) (Rudolf Bindig [SPD]: Der eine war ein Ter Wenn wir ehrlich sind und dieses Thema nicht ein- rorist!) fach zum politischen Streit benutzen, dann müssen - wir zugeben: Vor dem Hintergrund der vom Parla- - Ja, natürlich. ment gewünschten Ausladung war es das Richtige, die Konferenz zu verschieben; denn sonst wäre die Es ist auch nicht unseres Amtes, hier etwa die jüdi- Konferenz in der Tat eine Konferenz über den Iran schen Stimmen aus New York zu zitieren, die ihrer- und über die Ausladung von Welajati geworden. Bei seits Freude über die Ermordung von Ministerpräsi- aller Anerkenntnis Ihrer differenzie rten Darstellung dent Rabin artikulieren, der Situation, Herr Kollege Duve und Herr Kollege (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Auch Bindig, gibt es auch in diesem Bereich so etwas wie das ist inakzeptabel!) eine gruppendynamische Solidaritätsbekundung bei solchen Anlässen. die Geld für den Mörder sammeln. Dies alles ist für uns nicht akzeptabel. Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen daran, wie die arabische Welt auf die Bombardierung (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Libyens reagiert hat. Vorher gab es unter den sowie bei Abgeordneten der SPD - Rudolf Arabern wenig Sympathien für Libyen; aber sie Bindig [SPD]: Für niemanden!) haben sich damals für eine ganze Weile an die Seite Wohl aber müssen wir, meine verehrten Kolleginnen Libyens stellen müssen. und Kollegen - und ich finde, halten zu Gnaden, der (Otto Schily [SPD]: Wollen Sie diesen Vor Begriff „kritischer Dialog" ist so etwas wie ein Fassa- gang mit der Bombardierung Libyens ver denwort -, gleichen?) (Zustimmung des Abg. Freimut Duve [SPD]) Wenn wir miteinander ehrlich sind, dann müssen den Dialog mit allen führen. Wenn wir über den wir sehen: Islam reden, müssen wir vor allem mit denen reden, (Otto Schily [SPD]: Was ist das für ein merk von denen die gefährlichsten Entwicklungen ausge- würdiger Vergleich?) hen. Wir Deutschen sind in dieser Frage, in Sachen Israel, Lassen Sie mich zum Schluß einen Satz aus einer in einer Situation wie kein anderer auf der Welt. Sure des Koran, der Imran-Sure, zitieren. Dort heißt es: (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Wieso?) Oh, Ihr Besitzer des Buches, kommt herbei zu - Karsten, es ist so. Das kann niemand bestreiten. In einem Wort , das uns und Euch gemeinsam ist, dem Augenblick, wo ein israelischer Ministerpräsi- daß wir niemandem dienen außer Gott. dent ermordet wird, sind die Reaktionen der Deut- schen zwangsläufig anders als die Reaktionen aller Gemeint sind mit den Besitzern des Buches, aufgeru- anderen auf der Welt. fen von den Mohammedanern, die Ch risten und die Juden. (Karsten D. Voigt [Frankfurt] [SPD]: Es geht um jedes Staatsoberhaupt!) (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P sowie bei Abgeordneten der SPD) - Es ist trotzdem so.

Unsere besondere Verantwortung gegenüber dem Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch: Die Aktuelle Staat Israel verstehen auch die Araber und auch die Stunde ist beendet. Iranis, wenn man ihnen das darlegt. Sie würden uns im Gegenteil nicht besonders achten, wenn wir uns Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tages- anders verhielten. Dies darf uns allerdings nicht ordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deut- davon abhalten, die aktuelle Politik, wie sie sich in schen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den jenem Raum vollzieht, vernünftig einzuschätzen, 23. November 1995, 9 Uhr ein. objektiv einzuschätzen. Aber unsere Reaktionen, Die Sitzung ist geschlossen. auch die verbalen, werden immer anders sein als die anderer. Wir können es gar nicht wünschen - das hat (Schluß der Sitzung 16.16 Uhr)

Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6153*

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Anlage 1 Die Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) ist eine Einrichtung der Wi rt Liste der entschuldigten Abgeordneten -schaft, mit der der Absatzförderungsfonds der deut- schen Land- und Ernährungswirtschaft (Absatz- entschuldigt bis fonds) seine gesetzliche Aufgabe der Absatzförde- Abgeordnete(r) einschließlich rung erfüllt. Die Werbemaßnahmen werden von der CMA - und damit von einer eigenen Einrichtung der Beck (Bremen), BÜNDNIS 22. 11. 95 betroffenen Wi rtschaft - eigenständig erarbeitet und Marieluise 90/DIE durchgeführt. Eine Genehmigung einzelner Werbe- GRÜNEN maßnahmen durch den Absatzfonds, die dem Cha- Berger, Hans SPD 22. 11. 95 rakter der CMA als Einrichtung der betroffenen Wi rt -schaft widerspräche, erfolgt nicht. Catenhusen, SPD 22. 11. 95 Wolf-Michael Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirt- Dr. Glotz, Peter SPD 22. 11. 95 schaft und Forsten, das die Aufsicht über den Absatz- Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 22. 11. 95 fonds ausübt, hat aus diesem Grunde auch keinen Einfluß auf die Gestaltung von Werbemaßnahmen. Hornung, Siegfried CDU/CSU 22. 11. 95 * Irber, Brunhilde SPD 22. 11. 95 Kanther, Manfred CDU/CSU 22. 11. 95 Klemmer, Siegrun SPD 22. 11. 95 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 22. 11. 95 Anlage 3 Marx, Dorle SPD 22. 11. 95 Antwort Neumann (Berlin), Ku rt SPD 22. 11. 95 Ostertag, Adi SPD 22. 11. 95 der Parl. Staatssekretärin Gertrud Dempwolf auf die Dr. Pfaff, Martin SPD 22. 11. 95 Fragen des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 13/3024 Fragen 5 und 6): Purps, Rudolf SPD 22. 11. 95 Rehbock-Zureich, Karin SPD 22. 11. 95 Welche Auswirkungen hat es nach Einschätzung der Bundes- regierung für schwerstbehinderte Menschen, daß Zivildienstlei- Rexrodt, Günter F.D.P. 22. 11. 95 stende ab 1. Januar 1996 die individuelle Schwerstbehinderten- betreuung nicht mehr übernehmen können, da durch Erlaß des Schulte (Hameln), SPD 22. 11. 95 ** zuständigen Bundesministeriums keine Mittel mehr zur Verfü- Brigitte gung stehen, und wie beurteilt die Bundesregierung die Be- Schultz (Everswinkel), SPD 22. 11. 95 schwerden der Betroffenen und ihrer Verbände, daß durch diese Reinhard Entscheidung die Qualität der individuellen Betreuung schlech- ter wird, weil die Pflegekassen zwar die Pflegeleistungen, nicht Thierse, Wolfgang SPD 22. 11. 95 aber die weitere Betreuung der Menschen finanzieren?

Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 22. 11. 95 Wie will die Bundesregierung nach dem Auslaufen der Son- Vosen, Josef SPD 22. 11. 95 derprogramme für die neuen Bundesländer mit dazu beitragen, daß in der Jugendarbeit von Verbänden und Kommunen mehr Wallow, Hans SPD 22. 11. 95 personelle Kontinuität und Stetigkeit einkehren kann, da durch Dr. Wolf, Winfried PDS 22. 11. 95 die jetzigen Regelungen der Förderung nach dem Arbeitsförde- rungsgesetz eine große Fluktuation der pädagogischen Fach- kräfte festzustellen ist, was für den Aufbau persönlicher Kon- takte, die für eine erfolgreiche Jugendbetreuung von größter Be- * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Ver- deutung sind, schädlich ist? sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Ver- Zu Frage 5: sammlung Der Einsatz von Zivildienstleistenden in der indivi- duellen Schwerstbehindertenbetreuung wird von der Bundesregierung nicht eingeschränkt. In diesem Tätigkeitsbereich sind rund 10 000 Zivildienstplätze Anlage 2 eingerichtet, von denen zur Zeit 5 800 belegt sind. Für die Zivildienstleistenden werden nach wie vor Antwort alle Geldbezüge gezahlt, freie Heilfürsorge gewährt und die Sozialversicherung sichergestellt. Der des Parl. Staatssekretärs Wolfgang Gröbl auf die schrittweise Wegfall der Aufwandszuschüsse ab Frage des Abgeordneten Dr. Günther Maleuda 1. Januar 1996 betrifft nicht die Zivildienstleistenden, (PDS) (Drucksache 13/3026 Frage 3): sondern die Beschäftigungsstellen des Zivildienstes, Wie reagiert die Bundesregierung auf die von der Centralen die Plätze in der individuellen Schwerstbehinderten- Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) betreuung anbieten. Durch den Wegfall der Auf- mit solchen Werbesprüchen wie „Ich mag es scharf", „Ich mag wandszuschüsse in Höhe von 11,- DM täglich müs- es am liebsten mit jungen Gemüsen" durchgeführte Werbekam- sen die Beschäftigungsstellen jetzt wieder den Auf- pagne, und welchen Einfluß nimmt sie darauf, daß mit nachweis- barer Qualität, der regionalen Herkunft und gesunder Ernäh- wand für das Essen und die Arbeitskleidung der rung geworben wird? Zivildienstleistenden in vollem Umfang übernehmen, 6154* Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 wie es das Zivildienstgesetz als Regelfall vorsieht. Die der staugestützten Flußregelung zugrundelie- Erfahrungen aus früheren Jahren mit der schrittwei- gende Abflußaufteilung bei Osterhofen zwischen der sen Rücknahme der Aufwandszuschüsse in anderen schiffahrtsfreien, renaturierbaren Donaustrecke und Tätigkeitsbereichen des Zivildienstes lassen erwar- dem Schleusenkanal richtet sich nach schiffahrts- ten, daß die Beschäftigungsstellen sich auf diese und hochwasserabflußtechnischen, flußmorphologi- Maßnahmen einstellen werden, ohne Zivildienst- schen sowie ökologischen Erfordernissen. Bei Nied- plätze aufzugeben. Den Beschäftigungsstellen wird rigwasser soll nach derzeitigem Planungsstand der jetzt im Gegensatz zu den anderen Tätigkeitsberei- Abfluß auf die schiffahrtsfrei bleibende Donau und chen durch die Pflegeversicherung eine zusätzliche den Seitenkanal im Verhältnis 2 :1 aufgeteilt werden. Finanzierungsmöglichkeit für den pflegerischen Teil Bei hohem Hochwasserabfluß soll der Abfluß in der der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung schiffahrtsfreien Donau nur um etwa ein Zehntel eröffnet, der betragsmäßig erheblich über den Auf- gegenüber den heutigen Abflußverhältnissen ver- wandszuschuß von 11,- DM pro Tag hinausgeht. Die mindert werden. Betreuung von Schwerstbehinderten durch Zivil- dienstleistende, die pflegerische und nichtpflegeri- Zu Frage 8: sche Hilfen umfaßt, ist daher in ihrer Gesamtheit nicht gefährdet. Zivildienstleistende stehen für diese Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, im Aufgaben nach wie vor zur Verfügung. Wege der zügigen Umsetzung der im Juli 1995 von der Internationalen SeeschiffahrtsOrganisation in Zu Frage 6: London beschlossenen grundlegenden Neuordnung des Übereinkommens über die Ausbildung, die Ertei- Aufgrund der Verfassungslage legt das Kinder- lung von Befähigungszeugnissen und den Wach- und Jugendhilfegesetz (§ 83 SGB VIII) fest, daß der dienst von Seeleuten (das Grundlage für die Bund nur Maßnahmen fördern darf, die von bundes- bestehende Schiffsoffizier-Ausbildungsverordnung weiter Bedeutung sind und die ihrer Art nach nicht ist), die international vereinbarten Patent- und von einem Bundesland allein wirksam gefördert wer- Befugnisstrukturen weitestgehend zu übernehmen. den können. Die Zuständigkeit und die Verantwor- Auf Fachebene laufen bereits vorbereitende Gesprä- tung für die von Ihnen aufgeworfene Frage liegen che mit den Küstenländern und Verbänden. daher allein bei den Kommunen und den Ländern. Lediglich auf der Grundlage des Einigungsvertra- ges hatte der Bund zeitlich begrenzt die Möglichkeit, über Sonderprogramme den Aufbau der Kinder- und Anlage 5 Jugendhilfe in den neuen Bundesländern zu fördern. Diese ist nach dem seit dem 1. Januar 1995 wirksa- Antwort men Länderfinanzausgleich, der die Länder finan- ziell besser ausgestattet hat, nicht mehr gegeben. des Parl. Staatssekretärs Manfred Carstens auf die Die Fortsetzung der Förderung der Jugendarbeit Fragen der Abgeordneten Dr. Angelica Schwall- muß daher jetzt von den zuständigen Stellen gelei- Düren (SPD) (Drucksache 13/3026 Fragen 13 und stet werden. 14): Kann die Bundesregierung Zeitungsmeldungen bestätigen, daß im Rahmen der Sparmaßnahmen zur Deckung des Haus- haltslochs 1996 die Mittel für den Bundesfernstraßenbau erheb- lich gekürzt werden sollen, und wenn ja, in welchem Umfang? Anlage 4 Auf welche Weise will die Bundesregierung einer Benachteili- gung des Münsterlandes auf dem Gebiet des Straßenbaus be- gegnen - angesichts der vorgesehenen Etatkürzungen und des Antwort möglichen Baustopps für die B 70 Neuenkirchen und die B 58 Lüdinghausen/Seppenrade? des Parl. Staatssekretärs Manfred Carstens auf die Fragen des Abgeordneten Konrad Kunick (SPD) Zu Frage 13: (Drucksache 13/3024 Fragen 7 und 8):

Wie will die Bundesregierung den Lebensraum der heute Bei der Aufstellung des Haushalts 1996 mußte noch unverbauten Donau zwischen Straubing und Vilshofen er- auch der Bundesfernstraßenbereich einen Beitrag zu halten, zu dem auch der Durchfluß der bisherigen Wassermen- den Konsolidierungsbemühungen der Bundesregie- gen gehört, wenn für den Schiffsverkehr ein Seitenkanal gebaut rung leisten. Dennoch ist es gelungen, nicht zuletzt wird? wegen der Beschäftigungswirkungen, die vom Stra- Welchen Stand haben die Überlegungen der Bundesregie- ßenbau ausgehen, die Reduzierung der Investitions- rung zur Neuregelung der Ausbildung in der Seeschiffahrt er- ansätze möglichst gering zu halten. reicht? Der Entwurf des Bundesfernstraßenhaushalts 1996 Zu Frage 7: (Kapitel 12 10) sah gegenüber der bisherigen Finanz- planung eine Reduzierung von 500 Millionen DM auf Die Donau zwischen Straubing und Vilshofen ist 9,9 Milliarden DM vor. Im Ergebnis intensiver Bemü- bereits seit längerem durch zivilisatorische Maßnah- hungen der Koalitionsfraktionen und nicht zuletzt men wie z. B. die Niedrigwasserregelung erheblich durch den Einsatz des Bundesverkehrsministers ist beeinflußt, so daß von einer „unverbauten Donau" es gelungen, die Investitionsansätze um 250 Mil- heute nicht mehr gesprochen werden kann. lionen DM aufzustocken. Durch Umschichtungen Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6155* und Einsparungen an anderer Stelle stehen dadurch tionsräumen und anderer Hochwasserpräventivmaß- für die Maßnahmen des Bedarfsplans sogar rund nahmen zu, soweit dies zur Unterstützung der Land- 300 Millionen DM zusätzlich zur Verfügung. Darüber und Forstwirtschaft und der Entwicklung des länd- hinaus besteht die Möglichkeit, Mehreinnahmen lichen Raums erforderlich ist. Hierfür standen allein aus der Straßenbenutzungsgebühr für Lkw bis zu 1994 rund 148 Millionen DM Bundes- und Landes- 100 Millionen DM für den Bundesfernstraßenausbau mittel zur Verfügung. Mit diesen Maßnahmen wurde zu verwenden, so daß die Finanzierung der Bedarfs- im Rahmen der für die Gemeinschaftsaufgabe gel- planprojekte insgesamt um 400 Millionen DM ver- tenden verfassungsrechtlichen Grenzen ein bedeut- bessert werden kann. samer und wirksamer Beitrag zum Hochwasser- schutz geleistet. Zu Frage 14: Es ist der Prioritätensetzung der Länder überlas- Durch die Aufstockung der Investitionsansätze im sen, wieviel Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe sie Bundesfernstraßenhaushalt 1996 (siehe Antwort auf im Bereich der wasserwirtschaftlichen Maßnahmen die Frage Nr. 13) konnte ein Baustopp bei der Orts- einzusetzen gedenken. Der Finanzierungsanteil des umgehung Neuenkirchen im Zuge der B 70 vermie- Bundes beträgt 60 Prozent. Die für Hochwasser- den werden. Bei der B 58 Lüdinghausen/Seppenrade schutzmaßnahmen zusätzlich eingesetzten Mittel haben die Bauarbeiten noch nicht begonnen, weil müßten allerdings bei gleichbleibendem bzw. absin- das Planfeststellungsverfahren noch nicht abge- kendem Plafond der Gemeinschaftsaufgabe an ande- schlossen ist und kein Baurecht vorliegt. Über eine rer Stelle eingespart werden. Finanzierung wird nach Vorlage des Baurechtes in Abstimmung mit der Straßenbauverwaltung des Lan- Die Durchführung und Finanzierung überregiona- des Nordrhein-Westfalen entschieden. ler Maßnahmen des Hochwasserschutzes ist im Rah- men dieser Gemeinschaftsaufgabe nicht zulässig, da sich diese Maßnahmen insbesondere auch auf den Schutz urbaner Siedlungsräume erstrecken. Arti- kel 91 a GG sieht die Mitwirkung des Bundes an Auf- Anlage 6 gaben der Länder nur insoweit vor, als es sich um Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur Antwort und des Küstenschutzes handelt. Ein Sonderpro- gramm „Hochwasserschutz" durch Aufstockung der des Parl. Staatssekretärs Walter Hirche auf die Frage Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe würde der Abgeordneten Dr. Elke Leonhard (SPD) (Druck- daher eine Ergänzung des Grundgesetzartikels 91 a sache 13/3024 Frage 19): voraussetzen.

Wie bewertet die Bundesregierung Kritik an den gesetzgebe- rischen Maßnahmen zur Eindämmung der Überschwemmungs- gefahr an den großen Flüssen wie Rhein und Mosel, von denen insbesondere die Beschlüsse zum Wasserhaushaltsgesetz von Umweltschutzverbänden als unzureichend abgelehnt worden sind, und wie reagiert sie auf die Forderung der Landesregie- Anlage 7 rung von Rheinland-Pfalz nach Einbeziehung des Hochwasser- schutzes in die Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern, Antwort zumal sich der Bund im Sinne des Artikels 91 a Abs. 1 Nr. 3 des Grundgesetzes auch zur finanziellen Beteiligung am Küsten- schutz bereit erklärt hat? des Parl. Staatssekretärs Joachim Günther auf die Fragen des Abgeordneten Hans Wallow (SPD) (Drucksache 13/3024 Fragen 20 und 21): Der Bundesregierung ist keine Kritik von Umwelt- schutzverbänden an gesetzgeberischen Maßnahmen Mit welchem Erfolg hat die Bundesregierung bislang ihre aus zur Eindämmung der Überschwemmungsgefahr, ins- dem Berlin/Bonn-Gesetz hervorgehende Verpflichtung erfüllt, besondere zur Stellungnahme der Bundesregierung internationale und supranationale Einrichtungen in Bonn anzu- vom 25. April 1995 zum Gesetzentwurf des Bundes- siedeln, und wie begründet sie ihre Haltung, wonach der Bund im Zuge der Ausgleichsleistungen für die Region Bonn keine rates vom 10. März 1995 zur Änderung des Wasser- Mittel für die Ansiedlung internationaler und supranationaler haushaltsgesetzes (Drucksache 13/1207) bekannt. Einrichtungen zur Verfügung stellt? Vielmehr hat die Stellungnahme der Bundesregie- rung in bezug auf Überschwemmungsgebiete und In Anbetracht der öffentlichen Forderung von Bundeskanzler Dr. nach einem Umzug des Bundesrates nach Ber- die Erhaltung natürlicher oder naturnaher Gewässer lin, frage ich die Bundesregierung, ob diese eine Verpflichtung sowie die Renaturierung von Gewässern breite anerkennt, im Gegenzug zu einer solchen durch den Bundes- Zustimmung gefunden, insbesondere anläßlich der kanzler geforderten Entscheidung, ein weiteres Bundesministe- öffentlichen Anhörung des Bundestagsausschusses rium in Bonn zu belassen oder andere gleichwertige Einrichtun- gen nach Bonn zu verlagern? für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit am 25. September 1995 zur Novellierung des Wasser- haushaltsgesetzes. Zu Frage 20: Die Grundsätze für die Förderung wasserwirt- Nach § 6 Abs. 2 Berlin/Bonn-Gesetz soll der Aus- schaftlicher und kulturbautechnischer Maßnahmen gleich für die Region Bonn u. a. in dem Bereich im Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Ver- „Bonn als Standort für Entwicklungspolitik, natio- besserung der Agrarstruktur und des Küstenschut- nale, internationale und supranationale Einrichtun- zes" lassen die Förderung der Anlage von Reten- gen" realisiert werden. 6156e Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995

Bezogen auf internationale und supranationale Anlage 8 Einrichtungen kann die Bundesregierung keine Ansiedlungsentscheidungen treffen. Sie kann ledig- Antwort lich dann ein attraktives Angebot abgeben und für dessen Annahme werben, wenn entweder eine des Parl. Staatssekretärs Joachim Günther auf die bereits bestehende Organisation beabsichtigt, ihren Frage des Abgeordneten Rolf Kutzmutz (PDS) Sitz zu verändern oder eine neu entstehende Einrich- (Drucksache 13/3024 Frage 22): tung nach einem Standort sucht. Wie beurteilt die Bundesregierung die dramatische Entwick- lung bei Räumungsklagen aus Mietwohnungen in den sechs öst- Die Bundesregierung hat die nach Inkrafttreten lichen Bundesländern (z. B. eine Steigerung um 112 Prozent in des Berlin/Bonn-Gesetzes sich bietenden Gelegen- der Stadt Leipzig) und das daraus resultierende Ausmaß an Wohnungs- und Obdachlosigkeit? heiten genutzt, für den Standort Bonn zu werben. Dies ist beim Freiwilligenprogramm der Vereinten Der Bundesregierung liegen keine amtlichen Nationen (UNV) und dem Sekretariat der Klima- Angaben der Länder über die Entwicklung der Räu- rahmenkonvention gelungen, im Falle von UNDP mungsklagen vor. und WTO dagegen haben diese Organisationen keinen Beschluß zur Umsiedlung nach Bonn Soweit die Zahl der Räumungsklagen in den gefaßt. neuen Ländern zunimmt, kann dies vor allem darauf zurückzuführen sein, daß die Wohnungsunterneh- Nach § 6 Abs. 5 Berlin/Bonn-Gesetz bleibt die men Mietschulden - entgegen der Praxis in der frü- nähere Ausgestaltung des § 6 vertraglichen Verein- heren DDR, nach der Mietschulden ohne Konse- barungen vorbehalten. Dies ist durch die Vereinba- quenzen blieben - verstärkt anmahnen, auch einkla- rung über die Ausgleichsmaßnahmen für die Region gen und bei entsprechend hohem Zahlungsrück- Bonn vom 29. Juni 1994 erfolgt. Nach Art. 2 Abs. 1 in stand Räumungsklagen erheben. Dies führt jedoch Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 dieser Ausgleichsver- nicht zwangsläufig dazu, daß die betroffenen Haus- einbarung stellt der Bund u. a. für diesen mit der halte obdachlos werden. Frage angesprochenen Bereich abschließende Gesamtleistungen in Höhe von 2,81 Milliarden DM Ob und in wievielen Fällen die Räumungsklagen zur Verfügung. Die Aufteilung dieser Bundesmittel zu Räumungstiteln führen und ob diese auch voll- auf die im Gesetz genannten einzelnen Bereiche streckt werden, hängt von verschiedenen Faktoren, erfolgt zwischen den Vertragsparteien. Für die wie Ansiedlung internationaler Einrichtungen werden - rechtzeitige Zahlung der Mietrückstände durch Mittel aus dem Ausgleichsvertrag im Einzelfall ein- Mieter oder Sozialamt gesetzt (z. B. UNV). - Hilfestellung durch Kommunen - Bezogen auf die Bewerbung privatrechtlich orga- Gewährung einer Räumungsfrist nisierter Einrichtungen (Nichtregierungsorganisa- - Vollstreckungsschutz bei Härtefällen tionen) hat sich die Bundesregierung auf Antrag ab. der Stadt Bonn im Fall der Bewerbung um den Sitz des Instituts für europäisch-lateinamerikani- Auf der Grundlage des geltenden Rechts bestehen sche Studien (IRELA) bereiterklärt, im Rahmen des somit vielfältige Möglichkeiten, dem Entstehen von Ausgleichsvertrages eine Liegenschaft des Bundes Obdachlosigkeit entgegenzuwirken. der Stadt kostenlos als Unterkunft zur Verfügung Der von der Bundesregierung auf den Weg zu stellen. gebrachte Gesetzentwurf zur Reform des Sozialhilfe- rechts sieht angesichts des wachsenden Problems Zu Frage 21: der Obdachlosigkeit einen Ausbau der Hilfen im Rahmen der Neufassung des § 15a BSHG vor. Der Bundesrat hat in seiner 633. Sitzung am 5. Juli 1991 zum Sitz von Parlament und Regierung u. a. festgelegt, daß der Bundesrat seinen Sitz in Bonn habe. Er hat ferner entschieden, daß er sich eine Anlage 9 Überprüfung dieser Entscheidung im Lichte der noch zu gewinnenden Erfahrungen sowie der tatsächli- Antwort chen Entwicklung der föderativen Struktur in späte- ren Jahren vorbehalte. des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Frage des Abgeordneten Manfred Such (BÜNDNIS 90/ Die Bundesregierung hat mit ihren Beschlüssen DIE GRÜNEN) (Drucksache 13/3024 Frage 23): zur Aufteilung der Funktionen zwischen der Bun- Welche Angaben kann die Bundesregierung angesichts der deshauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn Meldung der „Wirtschaftswoche" (Nr. 44/95 vom 25. Oktober (Kombinationsmodell), den Behördenverlagerungen 1995, S. 125), wonach Angehörige der Grenzschutzgruppe 9 nach Bonn sowie dem Ausgleichsvertrag die in (GSG 9) die betriebsinterne Personenschutzgruppe der Firma AEG trainieren, über den grundsätzlichen Wahrheitsgehalt die- ihren Verantwortungsbereich fallenden Ausgleichs- ser Information, über die Zahl der dort und anderswo ähnlich tä- maßnahmen zur Sicherung der Zukunft der Region tigen Grenzschutz-Mitarbeiter, über die jeweilige Zeitdauer ih- Bonn abschließend festgelegt. Diese Entscheidun- rer Nebenbeschäftigung und der dafür notwendigen Genehmi- gen sind unabhängig von einer eventuellen neuen gungen sowie über die beteiligten Unternehmen machen, und - wenn Grenzschutz-Mitarbeiter tatsächlich dera rt tätig sind - Sitzentscheidung des Verfassungsorgans Bundesrat wann wird die Bundesregierung dazu etwa erteilte Nebentätig- erfolgt. keitsgenehmigungen widerrufen? Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6157*

Es ist unzutreffend, daß Angehörige der Grenz- Wie reagiert die Bundesregierung auf den Vorwurf, daß sie ei- schutzgruppe 9 die betriebsinterne Personenschutz ner verfassungskonformen Pensionsbesteuerung entgegenge- wirkt habe (siehe Äußerung des Ehrenvorsitzenden des Bundes gruppe der Firma AEG trainieren oder in ähnlicher der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen (BRH) in Weise für Privatfirmen tätig werden. Es ist der Bun- der Deutschen Steuerzeitung Nr. 8/1995 vom 15. April 1995)? desregierung bekannt, daß bis 1990 zwei aus dem BGS ausgeschiedene ehemalige Beamte der GSG 9 Zu Frage 31: im Personenschutz der Firma AEG angestellt waren. Ob und inwieweit auch heute noch ausgeschiedene Ein Vergleich der Alterseinkünfte von Ruhestands- Beamte der GSG 9 derartige Tätigkeiten ausüben, ist beamten mit Rentnern ist aufgrund systembedingter- der Bundesregierung nicht bekannt. grundlegender Unterschiede sehr problematisch. Beamte sind - wie Richter und Berufssoldaten - kraft Im Bereich des Bundesgrenzschutzes werden Gesetzes nicht in die gesetzliche Rentenversicherung Nebentätigkeiten im Sicherheitsbereich aufgrund einbezogen. Sie gehören statt dessen einem selbstän- der möglichen Beeinträchtigung dienstlicher Interes- digen Rechtssystem, der Beamtenversorgung, an. sen nicht genehmigt. Hierbei handelt es sich um ein verfassungsrechtlich garantiertes, eigenständiges Sicherungssystem, bei dem der Dienstherr selbst aufgrund des auf Lebens- zeit angelegten Dienst- und Treueverhältnisses die Versorgung trägt. Die Beamtenversorgung wird aus Anlage 10 demselben Rechtsverhältnis gewährt wie die Besol- dung der aktiven Beamten. Die Versorgung der Antwort Beamten unterscheidet sich grundlegend von ande- des Parl. Staatssekretärs Eduard Lintner auf die Fra- ren Sicherungssystemen, die auf anderen Struktur- gen des Abgeordneten Rolf Schwanitz (SPD) prinzipien beruhen. Ein aussagekräftiger Vergleich (Drucksache 13/3024 Fragen 26 und 27): müßte daher alle relevanten Aspekte umfassen und dürfte sich nicht wie in Ihrer Frage allein auf die Wie reagiert die Bundesregierung auf Hinweise auf Trainings- steuerliche Behandlung der Alterseinkünfte be- lager der kriminellen Organisation „Garde" in Rumänien, und was weiß sie über Verbindungen dieser „Tresorknackerbanden" schränken. zu Angehörigen des ehemaligen Geheimdienstes „Securitate" und zu höchstgestellten Persönlichkeiten des rumänischen Staa- Durch das Jahressteuergesetz 1996 werden wegen tes? der Steuerfreistellung des Existenzminimums durch einen erhöhten Grundfreibetrag Renten aus der Was tut die Bundesregierung, um Rumänien dazu zu veranlas- sen, den „Kriminalitätsexport" zu unterbinden, bei dem krimi- gesetzlichen Rentenversicherung ab 1996 in größe- nelle Banden in Rumänien systematisch ausgebildet und mit fal- rem Umfang als bisher nicht zur Einkommensteuer schen Papieren versorgt werden, um sie für brutale Einbruchsse- herangezogen. Allerdings in Fällen, in denen nur rien nach Deutschland einzuschleusen? eine Rente bezogen wird, bleibt dies in aller Regel ohne steuerliche Auswirkung. Wegen der Verände- Zu Frage 26: rungen ist, wie mein Vorgänger im Amt, unser frühe- Hinweise auf eine Organisation „Garde", Verbin- rer Kollege Prof. Dr. in seiner Ant- dungen der „Tresorknackerbanden" zu Angehörigen wort auf Ihre diesbezügliche schriftliche Frage des ehemaligen Geheimdienstes Securitate und zu Nr. 187 für Monat Juli 1995 ausgeführt hat, mittelfri- Repräsentanten des rumänischen Staates stammen stig an weitere Anpassungen gedacht. Die Antwort aus der Aussage eines Tatverdächtigen. Ob diese ist übrigens in Drucksache 13/2140 unter Frage Nr. 33 Hinweise zutreffen, wird derzeit ermittelt. abgedruckt.

Zu Frage 27: Zu Frage 32: Fragen der schnellen und wirkungsvollen gemein- Die Bundesregierung weist den Vorwurf, sie habe samen Bekämpfung rumänischer Banden in Deutsch- einer verfassungskonformen Pensionsbesteuerung land sind Gegenstand der Fachgespräche, die von entgegengewirkt, zurück. einer Delegation des Bundeskriminalamtes und des Bayerischen Kriminalamtes in der Zeit vom 22. bis In seinem Beschluß vom 26. März 1980 hat das 24. November in Bukarest geführt werden. Bundesverfassungsgericht - bei grundsätzlicher Anerkennung der Berechtigung von Unterschieden - festgestellt, daß sich in der Besteuerung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der Zusatzversorgung und von Versorgungsbezügen Anlage 11 Unstimmigkeiten entwickelt haben, die eine Korrek- tur notwendig machen und dem Gesetzgeber des- halb aufgegeben, eine Neuregelung der Besteue- Antwort rung der im Alter bezogenen Einkünfte in Angriff zu des Parl. Staatssekretärs Hansgeorg Hauser auf die nehmen. Auf diesen Auftrag ist seither mit einer Fragen des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/ Reihe von Maßnahmen Bedacht genommen worden. CSU) (Drucksache 13/3024 Fragen 31 und 32): Ich erwähne hierzu nur beispielhaft die Einführung Trifft es zu, daß sich die Diskrepanz zwischen Renten- und der Nettoanpassung der Renten aus der gesetzlichen Pensionsbesteuerung seit 1980 verdreifacht und sich durch das Rentenversicherung, die Einführung des Kranken- Jahressteuergesetz 1996 weiter vergrößert hat? versicherungsbeitrags der Rentner, die Anhebung 6158* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 des Versorgungs-Freibetrags auf bis zu 6 000 DM Anlage 13 und die mehrmalige Anhebung der Ertragsanteils- sätze für die Rentenbesteuerung. Im übrigen wirkt Antwort sich der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 2 000 DM bei Empfängern von Versorgungsbezügen weitge- der Parl. Staatssekretärin Michaela Geiger auf die hend wie ein zusätzlicher Freibetrag aus. Fragen der Abgeordneten Verena Wohlleben (SPD) (Drucksache 13/3024 Fragen 42 und 43): Dem Bundesverfassungsgericht geht es entgegen Ist dem Bundesminister der Verteidigung die Allgemeine mancher Annahme nicht darum, die völlige steuer- „Empfehlung zur Formulierung von Rechtsvorschriften" und- liche Gleichbehandlung von Renten und Versor- insbesondere die „ Wortwahl in Gesetzen und Verordnungen, 1.2. Maskuline und feminine Personenbezeichnung", veröffent- gungsbezügen herbeizuführen. Seiner Rechtspre- licht im Bundesanzeiger vom 9. Oktober 1991, bekannt? chung läßt sich nicht entnehmen, daß Empfänger von Versorgungsbezügen gegenüber Rentnern steuerlich Kommen diese Empfehlungen im Bundesministerium der Ver- teidigung zur Anwendung, und beabsichtigt der Bundesmini- benachteiligt würden. Die Einkommensbesteuerung ster der Verteidigung, diese Empfehlungen auch in Veröffentli- von Versorgungsbezügen ist nicht beanstandet wor- chungen seines Hauses außerhalb von Gesetzen und Rechtsvor- den. Deshalb kann aus den Entscheidungen auch schriften zu berücksichtigen, um zu vermeiden, daß z. B. wie in nicht der logische Schluß gezogen werden, dem „Bundeswehr aktuell" vom 7. November 1995 die Soldatin Tina Möhring als „Sanitäter" und „Gefreiter" bezeichnet wird, und Gesetzgeber sei aufgegeben worden, die in der Soldatinnen der Bundeswehr zukünftig generell in der weibli- Besteuerung von Renten und Versorgungsbezügen chen Form ihres Dienstgrades und ihrer Truppengattung ange- aufgetretenen Unstimmigkeiten durch eine Milde- sprochen werden? rung der Pensionsbesteuerung zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausgeführt, Zu Frage 42: eine Neuregelung habe nicht nur eine sachlich unge- rechtfertigte steuerliche Benachteiligung der ande- Die Antwort ist ja. ren Bezieher von Alterseinkünften, sondern auch der noch Erwerbstätigen, d. h. der aktiv im Arbeitsprozeß Zu Frage 43: Stehenden, zu vermeiden. Die genannten Empfehlungen kommen im Ge- schäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidi- gung teilweise zur Anwendung. So sprechen wir bei- spielsweise nicht mehr vom Vertrauensmann der Sol- daten, sondern von der Vertrauensperson. Anlage 12 Der Bundesminister der Verteidigung beabsichtigt nicht, die genannten Empfehlungen dahin gehend Antwort zu berücksichtigen, daß die Soldatinnen der Bundes- des Parl. Staatssekretärs Hansgeorg Hauser auf die wehr zukünftig generell in der weiblichen Form ihres Frage des Abgeordneten Rolf Kutzmutz (PDS) Dienstgrades und ihrer Tätigkeitsbezeichnung ange- (Drucksache 13/3024 Frage 33): sprochen werden. Bei den betroffenen Soldatinnen im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß ausge- herrscht die überwiegende Meinung, daß diese rechnet die bundeseigene Treuhand Liegenschaftsgesellschaft weiblichen Formen verzichtbar sind. Die Anrede mit mbH (TLG) bei Mieterhöhungen nach dem Mietenüberleitungs- „Frau und Dienstgrad" wird als ausreichend empfun- gesetz nur dort zu einer geringeren Mieterhöhung von 10 Prozent anstatt 15 Prozent bereit ist, wo sowohl Zentralhei- den. Eine verdoppelte weibliche Bezeichnung mit zung als auch Bad fehlen (siehe dpa-Meldung im Neuen „Frau und einer feminisierten Form des Dienstgra- Deutschland vom 26. Oktober 1995)? des" wird sogar abgelehnt. Sollte sich bei den Soldatinnen ein Bewußtseins Die Treuhand Liegenschaftsgesellschaft mbH wandel vollziehen, wird das Bundesministerium der (TLG) hat die Frage, ob Mieten bei Wohnungen mit Verteidigung dem Rechnung tragen. Gegen den aus- Bad oder Zentralheizung um 10 oder 15 v. H. zu erhö- drücklichen Wunsch der betroffenen Frauen sollte in hen sind, sorgfältig geprüft. Schon angesichts poten- diesem Zusammenhang nicht entschieden werden. tieller Schadensersatzforderungen von Restitutions- berechtigten ist die TLG gehalten, Mieterhöhungs- spielräume auszuschöpfen. In Übereinstimmung mit der Auffassung des Gesamtverbandes der Woh- nungswirtschaft sowie einschlägiger Rechtskommen- Anlage 14 tare hat sie daher allen Mietern, die über eine Woh- nung mit Bad oder Zentralheizung verfügen, Miet- Antwort erhöhungen über 15 v. H. angekündigt. der Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl Diese Entscheidung mußte kurzfristig gefällt wer- auf die Frage des Abgeordneten Manfred Such den, da nach Inkrafttreten des Gesetzes am 6. Juni (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 13/3024 1995 nur eine Frist von weniger als einem Monat ver- Frage 46): blieb, um eine bereits zum 1. August 1995 wirksame Mieterhöhungserklärung dem Mieter zuzustellen; Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus dem Umstand ziehen, daß es die VN-Betäubungsmittelkommission die Bundesregierung hält diese Entscheidung der des wirtschafts- und sozialpolitischen Rats der VN (ECOSOC) TLG für sachgerecht. auf ihrer 38. Sitzung vom 14. bis 23. März 1995 in Wien in der mit Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode - 70. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 22. November 1995 6159 *

den Stimmen der deutschen Delegierten verabschiedeten Reso- Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß der lution E/CN.7/L.1/Add. 5 für notwendig erachtet hat, eine multi- Anbau von Nutzhanf zur Ernte 1996 ohne großen dimensionale Untersuchung über die Coca-Pflanze als solche - etwa hinsichtlich ihrer tradierten Verwendung, gesundheitli- Verwaltungsaufwand erfolgen kann. Die anbauwilli- chen Unbedenklichkeit und ihrer Vermarktungsbedingungen - gen Landwirte sollen nicht durch eine komplizierte durchzuführen, und wann wird die Bundesregierung insbeson- und mit Kosten verbundene Regelung abgehalten dere die Einsetzung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe bei werden. der besagten VN-Kommission zur Durchführung einer solchen Studie beantragen? Herr Bundesminister Seehofer hat im Einverneh- men mit Herrn Bundesminister Borche rt einen Ent- Die Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen wurf zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes hat auf ihrer 38. Sitzung vom 14. bis 23. März 1995 in vorgelegt, nach dem der Anbau von Nutzhanf in Wien keine derartige Resolution verabschiedet. Viel- Deutschland in Zukunft bei Beachtung bestimmter mehr hatte das Suchtstoffkontrollamt der Vereinten Voraussetzungen genehmigungsfrei ist. An die Stelle Nationen (INCB) in seinem Jahresbericht für 1994 vor- einer Genehmigung soll eine Anzeigeregelung tre- geschlagen, eine wissenschaftliche Untersuchung ten, die für die Landwirte kostenfrei ist. über das Kauen von Coca-Blättern und den Genuß von Coca-Tee durchzuführen, um bestimmte Konflikte zwischen dem Einheitsübereinkommen von 1961 über Suchtstoffe und einzelstaatlichen Gesetzen, die den legalen Gebrauch von Coca-Blättern zulassen, auszu- räumen. Diesen Vorschlag haben - dem in der Frage Anlage 16 genannten Sitzungsbericht E/CN.7/L.1, Teil Add. 5 zufolge - zwei Repräsentanten von rund 100 anwesen- Antwort den Staaten in der Suchtstoffkommission ausdrück- lich begrüßt; einer von ihnen hat vorgeschlagen, die der Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl Untersuchung auf alle kulturellen und anthropologi- auf die Frage der Abgeordneten Heidemarie Wright schen Aspekte des legalen Gebrauchs der Coca- (SPD) (Drucksache 13/3024 Frage 48): Pflanze auszudehnen. Nach Auffassung der Bundes- regierung sollten die Ergebnisse der vom Suchtstoff- Wann wird die Bundesregierung eine konkrete Entscheidung über die Zulassung von Nutzhanf bekanntgeben angesichts der kontrollamt vorgesehenen Untersuchung abgewartet Tatsache, daß im März ausgesät werden und der Landwirt Hand- und sodann in der Suchtstoffkommission entschieden lungssicherheit haben muß? werden, ob und ggf. welche Änderungen des Einheits- übereinkommens im Hinblick auf den legalen Anbau Die Bundesminister Seehofer und Borche rt haben der Coca-Pflanze erforderlich sind. die Öffentlichkeit bereits durch Pressemitteilungen ihrer Ressorts darüber informiert, daß sie den land- wirtschaftlichen Anbau von Nutzhanf ab 1996 ermöglichen wollen. Die dazu erforderlichen Ände- rungen des Betäubungsmittelgesetzes bzw. der Anlage 15 Flachsbeihilfenverordnung sind Anfang des Monats an die übrigen Bundesressorts sowie an Länder und Antwort Wirtschaftsverbände zur Stellungnahme übersandt der Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl worden. auf die Frage des Abgeordneten Horst Sielaff (SPD) Voraussichtlich am 13. Dezember 1995 wird sich (Drucksache 13/3024 Frage 47): das Bundeskabinett mit diesem Thema befassen. Die Hält die Bundesregierung an ihrem Plan fest, für die Genehmi- Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, daß die gung des Anbaus von Nutzhanf eine Bearbeitungsgebühr von parlamentarischen Beratungen zügig durchgeführt 300 DM von den anbauwilligen Landwirten zu verlangen, und werden. Ferner wird auch ein Merkblatt erstellt wer- stehen derartige Pläne in Einklang mit den vielfachen Beteue- rungen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft den, aus dem die Interessenten alle Details der und Forsten, sich für den Hanfanbau einzusetzen? neuen Regelungen entnehmen können.