Die vergessene Nationalisierung Eine synchrone und diachrone Analyse von Ritual, Mythos und Hegemoniekämpfen im jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 bis 1952

Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades eingereicht an der Geisteswissenschaftliczhen Fakultät der Universität Wien

von

Wladimir Fischer

Wien, den 30. Mai 1997 You’ll never have a quiet till you knock the patriotism out of the human race.

George Bernard Shaw

Jedna od elementarnih ljudskih potreba jeste laž.

ZlatkoTomičić 1952

FOLGENDEN PERSONEN, DIE AM ZUSTANDEKOMMEN MEINER DIPLOMARBEIT BETEILIGT WAREN, MÖCHTE ICH „DANKE“ SAGEN:

MEINEN ELTERN • TOMISLAV BEKIĆ • VLADIMIR BITI • CHRISTO CHOLIOLČEV • LJILJANA DALIPOV • DRAGANA DRAGOSAVAC • JAN FELLERER • GERO FISCHER • PETER GRZYBEK • GUNNAR HERING • JAGODA KAPPEL • RADOSLAV KATIČIĆ • FRANTIŠEK V A C L AV M A R E Š • B O R I V O J E M A R I N K O V I Ć • M I R J A N A MARINKOVIĆ • DEN MITARBEITERINNEN IN DER KOPIRNICA DER MATICA SRPSKA IN • MEINEN OMAS • MEINEM OPA • M A X D E M E T E R P E Y F U S S • M A R K U S R E I S E N L E I T N E R • BRANISLAVA STANKOV ♥ NICOLE ♥ JAMIL SALEM • BENJAMIN SPECHT • MIRJANA STEFANOVIĆ • BOJANA STOJANOVIĆ • KATJA STURM-SCHNABL • DEN STUDENTEN, DIE IM SOMMER IN DER NARODNA I SVEUČILIŠNA BIBLIOTEKA IN ARBEITEN • ROZA TASEVSKA • BRANISLAVA ZARADIĆ •

Inhalt

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INHALT 3

INHALT

INHALT ......

EINFÜHRUNG ......

ERSTER TEIL: SYNCHRONE ANALYSE ......

1 RITUAL......

1.1 RITUELLE HANDLUNGEN ......

1.2 RITUELLE SPRACHHANDLUNGEN: ANFANG UND ENDE ......

2 MYTHOS ......

2.1.1 TRIADE: ALTES JUGOSLAVIEN – NOB – AUFBAU ......

2.2 DIE JUGOGONIE: NOB ......

2.2.1 LITERATUR UND NOB......

2.2.2 "LITERATUR ENTSTAND IM NOB " ......

2.2.3 NOB IST VORAUSSETZUNG DER LITERATUR ......

2.3 DIE JUGOLOGIE:AHNEN/KONTINUITÄTEN ......

2.3.1 GENEALOGIE ......

2.3.2 MYTHOLOGISCH-HISTORISCHE TRADITION ......

2.3.3 "JOSIP BROZ TITO – HEROJ NA EPOHATA"......

3 DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM: DIE IMAGINIERTE GEMEINSCHAFT ......

3.1 CHAOS UND KOSMOS: ALT UND NEU ......

3.1.1 NEU ......

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3.2 KULTUR UND NICHTKULTUR: INNEN UND AUSSEN ...... 3.2.1 LITERATUR UND

GESELLSCHAFT......

3.2.2 INNEN ......

3.2.4 AUSSEN ...... 3.2.5 SOVJETUNION: VOM HIMMEL ZUR HIMMELSRICHTUNG ......

3.2.6 LIEBE ZUR SOVJETUNION......

3.3 NAŠI NARODI — NAŠ SOCIJALIZAM......

4 HEGEMONIE UND DISKURS......

4.1 AUFGABE: DARSTELLEN (REALISMUSZWANG)......

4.1.1 SOZIALISTISCHER REALISMUS? ......

4.1.2 "REALISMUS" ZWISCHEN TENDENZLOSIGKEIT UND SCHULMEISTERLICHKEIT.

4.3 FREIHEIT KANN SCHÄDLICH SEIN ......

4.3.1 GEGEN UNIFORMIERTE LITERATUR......

4.3.2 GEGEN SCHÄDLICHE FREIHEIT ......

4.3.3 "KRITIKA" ......

4.3.4 LITERATUR ALS WERKZEUG ......

4.4 UNZULÄNGLICHKEITEN UND SCHWÄCHEN ......

4.5 "MLAĐI PISCI, KANDIDATI I POČETNICI" ......

5 ZWISCHENRESÜMEE ......

ZWEITER TEIL: DIACHRONE ANALYSE ......

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INHALT 4

INHALT

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INHALT

1 DISKONTINUITÄTEN ......

1.1 SOZIALISTISCHER REALISMUS ......

1.2 INGENIEURE DER SEELE......

1.3 NEGATIVE ATTRIBUTE DES GEGNERS VOR UND NACH DEM BRUCH......

1.4 FORMALISMUS UND DEKADENZ......

1.5 LITERATUR UND NOB ......

1.6 VATERLAND UND MARXISMUS-LENINISMUS ......

1.7 ABWEICHLER ......

2 ÄNDERUNG DER VORBILDER......

3 DISKURSREGULIERUNG ......

3.1 FREIHEIT ......

3.2 DROHUNGEN UND ANGST ......

3.3 INSTRUMENTALISIERUNG ......

3.4 DISKUSSIONEN UND KONFRONTATIONEN......

4 NACHBARDISKURS "LITERATUR": EIN AUSBLICK......

4.1 AUFGABE ERFÜLLT? ......

4.2 KULTURPESSIMISMUS ......

ANHANG ......

ABKÜRZUNGEN ......

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INHALT

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INHALT

LITERATURLISTE ......

1 SEKUNDÄRLITERATUR ......

2 PRIMÄLITERATUR ......

REZIME...... 6

INHALT

Einführung

Liebe Leserin, lieber Leser, die Arbeit, die Sie in Händen halten, soll in erster Linie Material präsentieren und dieses Material mit Hilfe verschiedener Methoden ordnen und bewerten. Die verschiedenen Methoden, die zur Anwendung kommen werden, stehen naturgemäß in Verbindung mit verschiedenen Theorien. Da ist der Strukturalismus, da ist die Diskurstheorie, hier Jakobson, dort Foucault… Über all das gibt es interessante Arbeiten, die sich mit Fragen der Theoriebildung auseinandersetzen. Ich empfehle sie gerne weiter. Aber für meine Arbeit ist es am wichtigsten, das Material zu bewältigen und es so zu präsentieren, dass die Leserinnen und Leser von der Lektüre profitieren können. Deshalb steht der N u t z e n der Methoden im Vordergrund und nicht ihre Vereinbarkeit auf theoretischem Niveau. Aus demselben Grund beleuchte ich das Material von verschiedenen Seiten und nähere mich dem Thema auf unterschiedliche Arten an. Methode kommt von metá und hodós: ein Weg zu etwas. methodeía hingegen bedeutet List und Trug.

*

Was ist der Diskurs? Über diese Frage wurde viel nachgedacht und geschrieben — auch gestritten. Für meine Analyse genügen anfangs einige Einschränkungen des Diskursbegriffs. Zunächst unterscheide ich zwischen dem K o r p u s und dem D i s k u r s. Der Korpus ist eine Sammlung von Texten aus jugoslavischen Periodika der Jahre 1945 bis 1952. Die meisten Publikationen sind Literaturzeitschriften, aber auch einige Tageszeitungen. Unter den Literaturzeitschriften gibt es ein Organ des Jugoslavischen Schriftstellerverbandes und sechs Republiksverbandsorgane, sowie entsprechende Jugendzeitschriften. Die ausgewählten Texte sind Beiträge, die in ihrer Überschrift einen Konnex zwischen Literatur und Politik herstellen, also etwa "Partija i književnost". Der Diskurs hingegen ist mehr als nur geschriebene Texte. Der Diskurs enthält Ä u ß e r u n g e n im weitesten Sinne, also sowohl schriftliche wie mündliche, ja auch symbolische Handlungen. Da uns nur schriftliche Äußerungen überliefert sind, beschränken wir uns auf dieses Material des Diskurses.

Unser Diskurs trägt drei Attribute: von 1945–1952; jugoslavisch; literaturpolitisch; das heißt, es gibt außer unserem noch andere Diskurse — vor und nach unserem, in anderen geographischen und sozialen Räumen und über andere Themen. Das dritte Attribut –

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EINFÜHRUNG literaturpolitisch – ist aus zwei Begriffen zusammengesetzt: Literatur; Politik. Nennen wir Literatur und Politik zwei Diskurse, zwischen denen der literaturpolitische in irgendeiner Weise vermittelt. Welcher Art diese Vermittlung (im nichtphilosophischen Sinne) ist, kann an dieser Stelle nicht entschieden werden. Zwar können wir uns vorstellen, dass der literaturpolitische Diskurs vom politischen abhängig ist, und dass der politische Diskurs bestrebt ist, über den literaturpolitischen auf den literarischen Diskurs zuzugreifen — wie aber der literarische Diskurs zum literaturpolitischen und politischen wirklich steht, ist nicht klar. Das herauszufinden, müssten wir literarische Texte in den Korpus einbeziehen. In unserem Korpus gibt es aber weder literarische (künstlerische) Texte, noch literaturkritische. Für den Anfang genügt es, zu wissen, dass Literatur und Politik N a c h b a r d i s k u r s e zu unserem Diskurs sind.

In einem Diskurs geht es ganz allgemein sowohl um Ä u ß e r u n g e n als auch um die R e g e l n für die Äußerungen. In welchem Verhältnis Regeln und Äußerungen zueinander stehen, interessiert mich zunächst nicht. Über diese Frage wird an geeigneter Stelle nachzudenken sein. Für den Anfang genügt es zu wissen, dass es in unserem Diskurs Äußerungen gibt und dass man diese Äußerungen nach gleichartigen und nichtgleichartigen Äußerungen unterscheiden kann. Zum Beispiel finden wir mehrmals die Äußerung Einheit und Brüderlichkeit ist gut aber nur einmal die Äußerung Der Philosoph Buddha ist wichtig für die gegenwärtige Literatur. Die erste Äußerung würden wir zu den s t e r e o t y p e n Äußerungen zählen und die zweite zu den z u f ä l l i g e n. Wir wissen außerdem, dass es einen Unterschied macht, bei welcher Gelegenheit und von wem eine Äußerung gemacht wird, in welchen Rahmen der Text gehört, in dem die Äußerung vorkommt. Beispielsweise ist der Beitrag eines Jungliteraten auf den letzten Seiten der serbischen Jugendliteraturzeitschrift etwas anderes als die Ansprache des Vorsitzenden des jugoslavischen Schriftstellerverbandes auf dem jugoslavischen Schriftstellerkongress. Den ersten Text würden wir zur Kategorie der A l l t a g s t e x t e zählen, den zweiten zur Kategorie der r i t u e l l e n T e x t e.

Die Äußerungen des literaturpolitischen Diskurses sind zahllos — die Äußerungen in unserem Textkorpus sind sehr zahlreich. Wir benötigen zumindest einen Punkt, bei dem wir anfangen können. Dieser Punkt sind die rituellen Texte, denn sie sind nicht zufällig, das heißt sie führen uns (näher) zu den Regeln. Dadurch hoffe ich, in der Lage zu sein, die Zahl der relevanten Äußerungen auf bestimmte A u s s a g e n zu reduzieren, die den Charakter des jugoslavischen Literaturpolitischen Diskurses zwischen 1945 und 1952 beschreiben und mir und meinen LeserInnen zu einer Erkenntnis verhelfen. Rituelle Texte sind nach meiner Definition stereotype Äußerungen, die in Kombination mit stereotypen Handlungen ein

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EINFÜHRUNG R i t u a l bilden. Wir fassen sprachliche Äußerungen also mindestens in diesem Kontext als Handlung auf. Das wir der erste Schritt sein. Er qualifiziert mithilfe der Rituale die Aussagen, die für den zweiten Schritt (s. u.) in Frage kommen. Das Ritual, das mir am wichtigsten erscheint, sind die jugoslavischen Schriftstellerkongresse, die regelmäßig abgehalten werden — dreimal in unserem Zeitabschnitt.

Die Aussagen der rituellen Texte suche ich dann in einem zweiten Schritt im gesamten Korpus und mache sie zu Sätzen einer Erzählung und komponiere so den M y t h o s, der mit dem Ritual im literaturpolitischen Diskurs verbunden ist. Dieser Mythos ist ein U r s p r u n g s m y t h o s, das heißt eine Erzählung von der Entstehung der Gemeinschaft Jugoslavische Schriftsteller in Kombination mit einer Herleitung der Tradition, der Ahnen.1 Die Ursprungserzählung bezieht sich auf den Partisanenkrieg (NOB), dann folgen die literar- politischen Kontinuitäten. Besonderes Augenmerk werde ich hierbei auf die Rolle der Literatur legen. In diesem zweiten Schritt werde ich also von den Ritualen aus in den literaturpolitischen G e s a m t d i s k u r s eingetreten sein.

Den ersten Ansatzpunkt bildet also das Ritual. Ein weiterer Ansatzpunkt sind Äußerungen von Josip Broz T i t o. Auch sie betrachte ich als nicht zufällig. Äquivalente zu diesen Äußerungen suche ich im zweiten Schritt im Gesamtdiskurs und versuche, daraus ein System von Aussagen abzuleiten, das ich in Anklang an die strukturalistische Mythen- und Literaturanalyse nach den G e g e n s ä t z e n A l t und N e u sowie I n n e n und A u ß e n ordnen werde. Da der Konnex zum Mythos in diesem zweiten Abschnitt nicht mehr so evident ist wie im ersten, wird die Frage auftauchen, ob diese Gegensätze nicht besser allgemein als Konstanten einer N a r r a t i o n zu beschreiben sind. Gegen Ende dieses Abschnitts schlage ich dann einen Bogen zum ersten: Der Mythos braucht einen Helden. Die Narration fordert Akteure.

Der dritte Abschnitt beschreibt den literaturpolitischen Diskurs nicht auf dem Wege der Narrationen in ihm, sondern mit Hilfe der Regeln in ihm. In einem Diskurs werden die Äußerungen reguliert durch Ausschluss (Verbote), Demarkation und die Unterscheidung von wahr und falsch. Die Demarkation wurde schon im zweiten Abschnitt angesprochen und zwar als Alt-neu- und Innen-außen-Gegensatz. Wichtigster Punkt in diesem System der Diskursregeln wird zum Schluss die diskursive Definition von wahr und falsch sein. Das ist das Ende des ersten, des s y n c h r o n e n Teils.

1Das Wort Gemeinschaft verwende ich in dem Sinne von community bei Benedict Anderson (Anderson 1993).

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EINFÜHRUNG Teil zwei wird den Diskurs d i a c h r o n beschreiben. Die Synchronie sieht von der Änderung der Aussagen im Verlauf der Zeit ab. Der diachrone Teil betont die Änderung der Aussagen und versucht sie zu systematisieren. Auf diese Art und Weise betont der zweite Teil die D i s k o n t i n u i t ä t im Diskurs und berücksichtigt auch zeitgleiche Differenzen — Äußerungen, die wegen ihrer Zufälligkeit im Teil eins nicht berücksichtigt werden konnten. Da die diachrone Betrachtungsweise eine grundsätzlich andere ist als die synchrone, wird der zweite Teil auch zu ein wenig differierenden Ergebnissen kommen. Die Gesamtschau dieser verschiedenen und teilweise widersprüchlichen Ergebnisse erst, ist dann die vollständige Diskursbeschreibung und findet im serbokroatischen Resümee statt. In den ersten Kapiteln wird es um Aussagen gehen, die aus dem synchronen Teil bekannt sind und darum, wie sie sich ändern, welche Brüche es gibt. Die weiteren Kapitel werden sich mit der Zufälligkeit und der Streuung der Äußerungen/Aussagen im Verhältnis zu dem System der Diskursregeln befassen. Den Abschluss bildet im Hinblick auf das Material, das im Anhang dokumentiert ist, ein Ausblick auf den Nachbardiskurs, den Diskurs der Literatur: wie wird sie bewertet und wie ändern sich diese Bewertungen im literaturpolitischen Diskurs.

Abschließend noch einige Bemerkungen zur Auswahl des Korpus. Das thematische Kriterium habe ich zu Anfang des Kapitels erläutert: es geht um literaturpolitische Texte. Das soziale und geographische Kriterium braucht nicht näher erläutert zu werden. Obwohl die Einteilung der Literaturen und ihrer Diskurse nach nationalen Kriterien höchst fragwürdig ist, ebenso wie die Ausblendung der sozialen Stratifikation der Diskursteilnehmer, so sind diese Kriterien doch allgemein anerkannt. Wichtiges Argument für unseren Diskurs ist: er definiert sich selber so (als jugoslavisch und sozial neutral). An dieser Stelle sollte ich anmerken, dass Nichtjugoslaven, die sich im Korpus zu literaturpolitischen Fragen äußern als Diskursteilnehmer anzusehen sind. Die Rede von Ivan Ivanovič Anisimov, Vizepräsident des Komitees für Kunst und Kultur bei der sovjetischen Führung auf dem ersten jugoslavischen Schriftstellerkongress, gehört also ebenso in den Korpus wie der Beitrag von Jean-Richard Bloch, Romancier, Dramatiker, Essayist und während des zweiten Weltkrieges Emigrant in der Sovjetunion.

Die Auswahl von Anfang und Ende des Beobachtungszeitraums hängt mit meinem Erkenntnisinteresse zusammen. Der Anfang 1945 und das Ende 1952 unterstellen, dass diese Periode sich von anderen unterscheidet, dass vor 1945 etwas anders war als danach und nach 1952 etwas anders war als davor. Außerdem unterstellen sie, dass Veränderungen, die 1952 von 1953 unterscheiden relevanter seien, als solche, die etwa 1947 von 1948 trennen. Für das Jahr 1945 fallen einem sofort einige Rechtfertigungen ein. Vor 1945 war Krieg, danach nicht.

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EINFÜHRUNG Nach 1945 nannte sich der jugoslavische Staat sozialistisch — davor nicht. Vor 1945 war Tito nicht Präsident — danach schon. Solche "Ereignisse" oder "Tatsachen" rechtfertigen aber nicht das Jahr 1952. Der jugoslavisch-sovjetische Konflikt 1948 ist für die Historiographie eine viel bedeutendere Tatsache als der Schriftstellerkongress 1952. Und natürlich ist der das entscheidende Ereignis dieses Jahres, das mich dazu bewog, es als Endpunkt der Periode zu nehmen.

Der eigentliche Grund für meine Wahl ist aber, dass fast alle literaturgeschichtlichen Periodisierungen, sei es aus Jugoslavien, Serbien, Kroatien, Deutschland, Amerika, dem Neuen Kroatien, Slovenien oder Makedonien, erstens das Jahr 1952 als einen Wendepunkt betrachten, sei es als eigentlicher Beginn der zeitgenössischen, Gegenwarts- oder modernen Literatur, oder als Ende einer totalitaristischen Epoche. Begründet wird das mit der Rede Miroslav Krležas auf dem dritten jugoslavischen Schriftstellerkongress in . Es ist aber zweitens all diesen Periodisierungen gemeinsam, dass sie sich über die Zeit zwischen 1945 und 1952 ausschweigen. Die Enzyklopädie des Leksikografski zavod in Zagreb von 1964 definiert z. B. unter dem Stichwort Sozialistischer Realismus die Rolle der jugoslavischen Literatur überhaupt nicht. Auch Krleža selbst möchte sich in dem bekannten Interview-buch von Predrag Matvejevi? nicht über diese Zeit auslassen. Wenn die sieben Jahre nach dem Krieg Erwähnung finden, dann in entschuldigender oder bagatellisierender Weise. Erst in den letzten Jahren widmen sich Monographien diesem vergessenen Kapitel der jugoslavischen Literaturgeschichten.2

* *

Diese Fragestellung führt mich direkt zu einer kurzen Beschreibung der historiographischen Umgebung, in der sich uns der literaturpolitische Diskurs präsentiert. Neben dem Bürgerkrieg in Griechenland ist die jugoslavische Entwicklung eine der meistbeachteten in der südosteuropäischen Nachkriegsgeschichte. Beide hängen mit dem Auseinanderbrechen der Allierten Bündnisse des Zweiten Weltkrieges zusammen. Wichtig für das Verständnis der Verhaltensweisen und Ansichten der Individuen ist, dass in dieser Zeit Dinge geschahen, die unsere heutige Sicht derart entscheidend prägen, dass sich diese unsere Perspektive grundsätzlich von jener unterscheiden muss, die diese Ereignisse noch nicht kannte. Das Vorkriegskönigreich Jugoslavien war nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht und der italienischen Armee unter den Siegermächten aufgeteilt worden und es gab von verschiedenen Nachbarstaaten (durch unterschiedliche Administrationen)

2Vergl. dazu die Einleitung des Kapitels Zweiter Teil: Diachrone Analyse und weiter unten Seite 15. Matvejevi? 1987.

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EINFÜHRUNG kontrollierte Territorien: Deutschland, Italien, Ungarn, Bulgarien hießen die Besatzungsmächte. Serbien war für die deutsche Wehrmacht von strategischer Bedeutung. Die kontroversiellste Schöpfung dieser Politik war der "Unabhängige Staat Kroatien", dessen Führung vom faschistischen Italien "ausgesucht" wurde, und das bis 1943 sowohl eine italienische als auch eine deutsche Interessenssphäre war. Die ethnischen Konflikte, die für die Besatzer einerseits lästig waren, die sie andererseits für ihre Zwecke nutzten, wurden bis zu Massakern und zum Völkermord getrieben. Insbesondere versuchte die „Usta?a“- Regierung, durch die Ermordung zahlloser Menschen, die idée fixe eines ethnisch homogenen Territoriums zu verwirklichen. Der Krieg gegen die Partisanen, die wichtigste Widerstandsbewegung, bestand auf deutscher Seite auch in gezielten Tötungsaktionen des Heeres gegen die Zivilbevölkerung. Außerdem waren alle Gebiete, sobald sie sich unter deutscher Kontrolle befanden, in den systematischen Völkermord an den europäischen Juden einbezogen — die Shoah. Schon vor dem Überfall hatte die Aufteilung Südosteuropas im Sommer 1940 begonnen, allerdings in Interessenssphären der zu diesem Zeitpunkt noch verbündeten Sovjetunion und Nazi-Deutschlands. Die Okkupation und der Krieg widerfuhren einem wie alle südosteuropäischen Staaten dieser Zeit unter großen sozialen Problemen (Verarmung der Landbevölkerung, die damals 75% der 16 Millionen Einwohner Jugoslaviens ausmachte) und nationalen Spannungen, aber auch unter Konflikten zwischen Zentrale und lokaler Autorität leidenden, autoritär regierten Land. Vor dem Krieg war die Kommunistische Partei die einzige politische Partei gewesen, die in allen Teilen Jugoslaviens verankert war. Während der Okkupation führte sie einen Untergrundkrieg gegen die Besatzungsmächte und ihre Administrationen und gegen konkurrierende Organisationen, aber auch in Bündnissen mit ihnen. Materielle Unterstützung bekam sie nicht etwa von der Sovjetunion, sondern von deren Alliertem, von Großbritannien. Nach einem verlustreichen Krieg, an dessen Ende sich der militärische Sieger wie üblich auch als moralischer Sieger darstellen konnte, gelang es den kommunistisch geführten Partisanen, nicht nur das Territorium unter ihre Kontrolle zu bringen, sondern auch, eine zivile politische Ordnung zu errichten. Im Gegensatz etwa zu Bulgarien mussten sich die jugoslavischen Kommunisten nicht auf die Hilfe der Roten Armee stützen und konnten den Sieg als den ihren beanspruchen (allerdings war Bulgarien auch nicht besetzt gewesen). Die Politik, die zur Befreiung geführt hatte, konnten sie ebenfalls glaubhaft als die ihre bezeichnen. Diese Politik bestand in einem Bündnis mit anderen politischen und gesellschaftlichen Kräften, das unter dem Namen AVNOJ (Antifaschistischer Rat zur Nationalen Befreiung Jugoslaviens) bekannt ist und in dem Aufbau politischer Strukturen in jedem eroberten Gebiet bestand. Die provisorische Volksfrontregierung AVNOJ beschloss, nach der Befreiung Wahlen abzuhalten und so über das Schicksal der Monarchie zu befinden.

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EINFÜHRUNG Sinn einer Volksfront ist es aber, die außenpolitischen Interessen der sovjetischen Führung wahrzunehmen (was im Falle der Chinesischen Kommunistischen Partei 1927 zu ihrer Liquidierung durch die "bürgerliche" Kuomintang führte (Wang Fanxi 1980). Im Falle Jugoslaviens verlief die Entwicklung anders. Im Gegensatz zu den von der Roten Armee befreiten Gebieten, setzte die KP in Jugoslavien ihre Interessen in der Volksfront AVNOJ frühzeitig durch und leitete eine soziale Revolution ein. Doch zurück zum unmittelbaren Kriegsende. Die Volksfrontregierung wurde unter britischem Druck von der monarchistischen jugoslavischen Exilregierung in anerkannt. Dennoch brach die KPJ (Komunistička partija Jugoslavije) den Kontakt zur Sovjetunion nicht ab, sondern gestattete deren Truppen vielmehr den Durchmarsch und entsetzte gemeinsam mit der Roten Armee Belgrad. Die inneren Gegner wurden gewaltsam unterdrückt, tausende wurden, oft mitsamt ihren Familien getötet. Gründe für den Erfolg der KPJ und ihres Generalsekretärs Josip Broz, genannt Tito, sind einerseits in der vorangegangenen Diskreditierung der übrigen Staatsideen und Parteien durch Misserfolg, Grausamkeit und Ungerechtigkeit zu suchen und andererseits im schlagenden Argument des militärischen Erfolges der Partisanen, den sie als ihr Verdienst in Anspruch nahmen. Es darf aber andererseits keinesfalls übersehen werden, dass die Kommunisten attraktive Lösungen für die drückenden Probleme des Landes anzubieten hatten. Sie versprachen ein Ende der ethnischen Antagonismen und eine gerechte Ordnung für alle Völker in einer Föderation, sowie soziale Gerechtigkeit, die besonders die Landbevölkerung bitter entbehrte.3

In March 1945 three members of the government-in-exile joined Tito's government: Šubašić [Hrvatska Seljačka Stranka]; Milan Grol, the leader of the Serbian Democratic Party; and Juraj Šutej, who was a close associate of Šubašić and a member of the Croatian Peasant Party.

At this time a regency including a Serb, a Croat and a Slovene was established. In March, as could be expected, it named Tito as premier and charged him with the formation of a government. Tito took the posts of both premier and war minister; Šubašić became foreign minister. Of the twenty-eight cabinet posts, all but five were in Partisan hands. Nevertheless, the Allied governments recognized this regime. The provisions for the enlargements of AVNOJ in no way challenged or interfered with the Communist control. The last assembly had been elected in 1938 and dissolved in 1939; many of its members had died; others were now to be excluded for political reasons. Finally, thirty-nine previous delegates, together with sixty-nine members of non-Communist parties and thirteen prominent individuals, were added to AVNOJ. In August 1945 this body became the national provisional assembly. Preparations were then made for an election.4

Wie es in Europa nach dem zweiten Weltkrieg üblich war, wurden mit Geheimdienstmethoden politische Störelemente ausgeschaltet. Die bürgerlichen

3Vergl. Jelavich 1991, 238–243 und 262–273.

4Jelavich 1991, 295.

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EINFÜHRUNG Regierungsmitglieder legten bald ihre Ämter nieder oder sahen sich dazu gezwungen; die Wahlen fanden ohne deren Parteien statt. Dennoch nahmen nach wie vor sogenannte Bürgerliche individuell an der Regierung teil. Die Wahlen gerieten zu einer erfolgreichen Bestätigung der Regierung und eine Verfasungsgebende Versammlung rief 1945 die Föderative Volksrepublik Jugoslavien (FNRJ) aus. Jugoslavien hatte aufgrund seiner festen innen- und außenpolitischen Situation kaum äußere Einmischung zu fürchten. Seit Kriegsende kam es dann immer wieder zu Reibereien zwischen der Sovjetunion und Jugoslavien, die beide Mitglieder des 1947 gegründeten Informbüro (IB), auch Kominform genannt, waren (das IB sollte eine Ersatz für die 1943 von Stalin zerstörte Kommunistische Internationale sein; von IB leitet sich das Nomen ibeovac, Pl. ibeovci ab; ebenso das Attribut ibeovski). Schon gegen Ende des Krieges hatte sich die Führung der KPJ Eigenmächtigkeiten erlaubt, etwa indem sie in Makedonien gegenüber den bulgarischen Genossen vollendete Tatsachen schuf. Auch die Zusammenarbeit mit Großbritannien dokumentierte eine eigenwillige Linie. Auf der anderen Seite wurde Tito so gut wie nie auf hoher Ebene in Moskau empfangen. Das Ausbleiben von Waffenlieferungen aus der Sovjetunion während des Krieges konnte nicht nur auf die eigene bedrängte Lage Moskaus zurückgeführt werden — ganz im Gegensatz zum Auftrag an die KPJ, bedingungslos gegen die Besatzungsmächte vorzugehen. Es lassen sich noch viele andere Gründe und Punkte aufzählen (das Selbstbewusstsein der Sieger, die mangelnde Unterstützung der Sovjetunion für Jugoslavien auf internationalem Parkett, die Verhandlungen der Großmächte über eine Aufteilung Südosteuropas, die Konflikte um Triest und Kärnten, wirtschaftliche Konkurrenz, sovjetische nachrichtendienstliche Infiltration, jugoslavische Einmischung in den griechischen Bürgerkrieg, jugoslavische Föderationsangebote an Bulgarien…), klar ist, dass die jugoslavische Regierung ausreichend Spielraum sah, selbständig zu agieren und die Sovjetunion nicht bei jedem Schritt zu konsultieren. Das führte zum Konflikt. Als Stichtag gilt der 28. 6. 1948, der Tag, an dem eine Resolution des Informbüro den Ausschluss der jugoslavischen Führung erklärte und die jugoslavischen Führer Tito (der diktatorische Befugnisse hatte), Ranković (Sicherheit), Edvard Kardelj (Äußeres), Milovan Đilas (Propaganda) und Boris Kidrić (Wirtschaftsplanung) persönlich angriff. Weshalb die sovjetische Führung dafür ausgerechnet den symbolträchtigen Veitstag wählte, ist nicht bekannt. Um die Resolution herum und später kam es zu hässlichen Beschimpfungen zwischen den ehemaligen Verbündeten. Jugoslavien geriet außenpolitisch, militärisch und wirtschaftlich in Bedrängnis. 1949 begannen die USA, Jugoslavien finanziell zu unterstützen. Jugoslavien zog sich aus dem griechischen Bürgerkrieg zurück, 1953 unterzeichnete es Abkommen mit Griechenland und der Türkei, der Konflikt um Triest wurde von der UNO moderiert. Der "kalte Krieg" hatte begonnen und

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EINFÜHRUNG Jugoslavien stand außenpolitisch nicht mehr auf der sovjetischen Seite. Sofort nach der Resolution des Informbüro hatte die Führung um Tito begonnen, ihre Stellung nach Innen zu verteidigen und pro-sovjetische Sympathisanten zu entfernen. Einer davon war Radovan Zogović.5

* * *

Der Name Zogović ist die Überleitung zur Literaturpolitik. Er wurde 1948 aufgrund seiner moskaufreundlichen Haltung aus der Partei ausgeschlossen. Bis dahin hatte er am literaturpolitischen Diskurs nicht unwesentlich teilgehabt. Manche benannten sogar die Zeit von 1945 bis 1948 nach ihm. Von Sveta Lukić stammt eine brauchbare Periodisierung der jugoslavischen Gegenwartsliteratur. Sie beginnt entweder 1941 oder 1945, je nach Konvention. 1945 bis 1950 ist eine Phase der beginnenden Vereinigung. Dabei lässt sich in der ersten Phase eine Grenze um 1947 ausmachen, nach der das Literaturleben weniger ertragreich ist und starrer erscheint. 1950 bis 1955 ist die Periode der Polemiken im Kampf um den Sozialistischen Realismus. 1955 beginnt die Blüte, in der die Auseinandersetzung zwischen Realismus und Modernismus dominiert. In großen Zügen gemalt ergibt sich folgendes Bild: 1945 bis 1950 Vereinigung und Versuch der Schaffung eines "Volksrealismus" als Abart des "Sozialistischen Realismus". Danach "Befreiung" der Literatur und Dominanz eines "Sozialistischen Ästhetismus". Ersteres Konzept wird mit dem Namen Zogović assoziiert, letzteres mit Krleža. Die ersten beiden Jahre nach der Befreiung herrschte relative Lebendigkeit im jugoslavischen Literaturleben, vergleichbar der Normalisierung in der Sovjetunion. Wichtige Werke wurden gedruckt, wovon die meisten während der Besatzungszeit entstanden waren und auf das Konto der älteren Schriftstellergeneration gehen (Ivo Andrić, Isidora Sekulić, Veljko Petrović, Juž Kozak) sowie auf das der slovenischen Expressionisten Anton Vodnik und Jože Udovič und in Kroatien auf das der weniger betagten Petar Šegedin, Vladan Desnica und Ranko Marinković. Von den "poetischen Akzenten aus Kampf und Krieg" lässt Lukić gelten: Goran Kovačić, Zogović, Kulenović, Dedinac, Kocbek, Kranjec, Davičo. Bei den Lyrikern macht Lukić eine große Akzeptanz der "lyrischen Dichter traditioneller Ausrichtung" aus, als da wären: Desanka Maksimović, Gustav Krklec, Gvido Tartalja. Als vierte Gruppe wären die Angehörigen der Bewegung der Sozialen Literatur der Zwischenkriegszeit zu nennen: Jovan Popović, Čedomir Minderović, Tanasije Mladenović. Die fünfte Gruppe ist die jüngste, die sogenannten prugaši, Teilnehmer/innen an den Arbeitseinsätzen zum Wiederaufbau und Autor/inn/en in der legendären Literaturbroschüre Na pruzi; unter diesen Halbtalenten sieht Lukić die kroatische Lyrikerin Vesna Parun und Jure

5Vergl. Jelavich 1991, 295–297 und 321–329.

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EINFÜHRUNG Kaštelan herausragen. Radičević und Radomir Konstantinović (junge Generation der prugaši, in den 50'ern gegen den "Realismus") seien erst später zur Reife gelangt (und hätten sich vom "Schablonenhaften" losgesagt).

Name der Gruppe Alter bekannte Vertreter 1 Die Älteren, vor dem Krieg schon ca. 50 Ivo Andrić, Anton Vodnik, Petar Etablierten Šegedin 2 Originelle NOB-Literaten 35 – 40 Skender Kulenović, Oskar Davičo, Radovan Zogović 3 Traditionelle Lyriker ca. 50 Desanka Maksimović, Gustav Krk- lec 4 Soziale Literatur 40 – 50 Jovan Popović, Čedomir Mindero- vić 5 prugaši ca. 20 Vesna Parun, Jure Kaštelan

Nach einem Nachkriegsaufschwung spitzte sich die Situation zwischen 1947 und 1950 zu. Beredtes Zeugnis der Atmosphäre war das Schweigen nahezu aller bedeutenden Schriftsteller und das Unisono der Übriggebliebenen. Die Rolle des Sozialistischen Realismus charakterisiert Lukić so: er sei auch an Jugoslavien nicht ganz vorbeigegangen. Die Enzyklopädie des Leksikografski zavod, bei deren Erstellung Miroslav Krleža federführend war, spricht von verfälschtem Sozialistischem Realismus, wie er von Ždanov in der Sovjetunion verordnet worden sei (Socijalistički realizam 1964). Lukić:

To se čak oseća u tekstovima Radovana Zogovića, pesnika, kritičara i političara, koji je prvih godina posle oslobođenja bio jedan od najodgovornijih ljudi u oblasti književne politike i koga možemo smatrati kasnijim najzagriženijim književnim informbirovcem kod nas.6

Die Gegenströmung dazu war nach Lukić die von Krleža, formuliert in "Književnost danas" (1946). Sie wurde nicht angenommen, bis sich im Zusammenhang mit der Abkehr von Moskau und der Annäherung an die USA 1950 eine Wende abzeichnete. Bis 1950 herrschte also die Tendenz zur Vereinheitlichung vor, vor allem ab 1947 während des Konflikts mit Moskau. Ab 1950 wird das Literaturleben wieder bunter und die Produktion nimmt zu.

Andere Literaturhistoriker äußern sich weniger ausführlich zu dem Thema der direkten Nachkriegszeit. Miroslav Šicel verfolgt in seiner "Kroatischen Literaturgeschichte" Schriftstellergenerationen und Einzelpersonen und verschweigt dabei gänzlich, was mit ihnen zwischen 1945 und 1950 geschah (Tin Ujević überlassen der Historiker und alle seine

6Lukić 1968, 20–25. Mehr zu diesem Thema bei Banac 1988. Zur Bedeutung des Sozialistischen Realismus vergl. Peković 1986 und Flaker 1951.

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EINFÜHRUNG prominenten Kollegen ab 1938 wortlos dessen unerfreulichem Schicksal (Šicel 1982, 156-201)). In seinem Pregled novije hrvatske književnosti stellt er den Verlauf der Dinge ähnlich dar wie Lukić. Der Sieg der Revolution habe zu einer Veränderung der gesellschaftlichen Strukturen geführt. Verständlicherweise hätten sich die meisten Autoren mit den Kriegsereignissen befasst und ihre Freude über die neue Ordnung zum Ausdruck gebracht, indem sie allgemeine Interessen und gesellschaftliches Engagement über intimere Themen stellten. So "übernahmen sie bewusst oder unbewusst in ihrem Schaffen eine Version des sog. Sozialistischen Realismus". Obwohl einige Autoren ihren Vorkriegsstil beibehielten, sei die Nachkriegsliteratur schablonenhaft, parolenhaft gewesen und utilitaristisch behandelt worden. In diesem Zusammenhang seien einige untalentierte Autoren zeitweise an die Oberfläche gespült worden. Die "zweite Revolution" von 1948 ist für Šicel nicht etwa der Beginn der Befreiung der Literatur von Utilitarismus und Pragmatismus, sondern die Beschleunigung dieses Prozesses, der schon 1945 begonnen habe (zu den Gründen für diese Auffasung werden wir im Kapitel Mythos noch einiges zu sagen haben). Petar Šegedin habe 1950 den Anfang gemacht, schreibt Šicel und Miroslav Krleža habe 1952 mit seiner Kongressrede einen Kampf siegreich beendet, der in der Zwischenkriegszeit begonnen habe, bekannt als sukob na književnoj ljevici. Šicel betont die Kontinuität von Zwischenkriegsliteratur und Nachkriegszeit und behandelt die bewusste Phase als Ausnahmeerscheinung (Šicel 1979, 160–162). Für Gajo Peleš, der sich in den sechziger Jahren mit der Poetik des zeitgenössischen Romans befasst, zählen vor allem Werke und Namen und ganz besonders deren Inhalt. Die Namen sind ähnlich wie in Lukić’ und Šicels Darstellungen: Andrić, Šegedin, Kaleb, Lalić, Desnica, Kosmač. Auch zur Romanproduktion hat er ähnliches zu sagen — sie habe besonders ab 1955 zugenommen. (Peleš 1966, 9–12) Marin Franičević tut die unmittelbare Nachkriegszeit in einem Beitrag zur Periodisierung der kroatischen Literatur mit folgenden Worten ab:

[…] promjene što su nastale oko pedesete godine, kad se naša književnost oslobodila okvira koje joj je bila postavila stvarnost revolucije, a djelomično i utjecaj nekih ždanovskih shvaćanja.7

Die ganze Unverfrorenheit und Ewiggestrigkeit dieser Aussage wird sich erst in den folgenden Kapiteln herausstellen, besonders aber im diachronen Teil meiner Arbeit. Ivo Frangeš betont in seiner kroatischen Literaturgeschichte ebenfalls, dass der sozialistische Realismus weder in Jugoslavien noch in Kroatien verwurzelt gewesen sei und dass einigen untalentierten Autoren die Ideologie als Ersatz für die mangelnde Kunstfertigkeit gedient habe. Der sozialistische Realismus sei eine Forderung gewesen, die nicht erfüllt worden sei.

7Franičević 1965, 13f.

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EINFÜHRUNG Ähnlich stellt es auch Predrag Palavestra für Serbien dar (Palavestra 1972, 10–12). Die vorliegende Arbeit wird sich aber mit genau diesen "Forderungen" befassen, nämlich den Äußerungen literaturpolitischer Natur und es wird sich unter anderem zeigen, wie sich all die talentierten Künstler, von denen gerade so oft die Rede war in diesem Diskurs verhielten. Im ersten Teil werden wir uns mit den Charakteristika des Diskurses befassen, die vor und nach den Wendepunkten 1948 und 1950 gleich blieben. Sie betreffen in erster Linie die Selbstdefinition der schreibenden Zunft im Verhältnis zu anderen parallelen Diskursen. 18

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Erster Teil: Synchrone Analyse

Der literaturpolitische Diskurs in Jugoslavien wird dominiert von den regelmäßig abgehaltenen nationalen Schriftstellerkongressen. Nicht zufällig schwillt die Textmenge in den "Kongressjahren" 1946, 1949/50 und 1952 an. Die Texte, die ich aus dem letzten dieser Jahre gesammelt habe, füllen allein einen ganzen Ordner, während der Rest (1945–1951) in zwei passt. Die Dominanz der Kongresse springt sofort ins Auge — aber wie können wir sie erklären? Um die herausragende diskursive Funktion dieser Veranstaltungen besser zu verstehen, lohnt es sich, ihren rituellen Charakter genauer zu beleuchten. Dazu ist zunächst eine Bestimmung des Begriffs Ritual nötig.

1 Ritual

Auch das Ritual ist ein Begriff, über den es die unterschiedlichsten Auffassungen gibt, ja sogar die Ethnologen, die mit dem Begriff am vertrautesten sind, geben zu, dass er nicht so klar ist, wie er zunächst erscheint:

Most anthropologists are confident that they know ritual when they see it, but when pressed to define the term, few would agree on its most salient characteristics. How do ritual, rite, ceremony, public performance, festival or even carnival differ? Wherein and how should ritual be located in each or all of these categories? Is ritual, in the end, something that we all know when we see it, but find it impossible to articulate or to definitively define?8

Betrachten wir die Gemeinsamkeiten, die die Gelehrten erzielt haben. In der zitierten, aktuellen US-Enzyklopädie werden als verbreitete zeitgenössische Definition die Kriterien "formal, patterned and stereotyped performances" genannt. Ursprünglich hatte die Völkerkunde das Ritual mit Religion in Verbindung gebracht und versucht, es von Glauben und Tradition o. ä. zu trennen. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert assoziierte man Ritual mit sogenannten "primitiven" Gesellschaften und unterschied diese von der modernen westlichen,

8Evans 1996, 1120.

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RITUAL die von Vernunft und nichtrituellem Denken geprägt sei. Heutzutage neigt die Ethnologie dazu, das Ritual als wichtige Erscheinung in allen Gesellschaften zu untersuchen, also auch in modernen. Seit Émile Durkheim, für den das Ritual gesellschaftlich inszeniert, formalisiert, symbolisch dargestellt und konstruiert ist, gilt das wissenschaftliche Interesse dessen Funktion als S t a b i l i s a t o r und O r d n u n g s f a k t o r in Gemeinschaften. Durkheim führte die Unterscheidung der heiligen (getrennten und verbotenen) und der profanen Dinge ein und nannte ein Ritual Verhaltensregeln in Gegenwart solcher heiligen Objekte. Rituelle Handlungen sind Werkzeuge zur Herstellung der sozialen S o l i d a r i t ä t e i n e r G r u p p e. Durch die Zusammenkunft beim Ritual wird eine Gemeinschaft konstituiert und kann sich selber dabei erfahren. Bronisław Malinowski, der wie Durkheim zur funktionalistischen Richtung gezählt wird, stellte Mitte unseres Jahrhunderts endgültig die V e r b i n d u n g v o n R i t u a l u n d M y t h o s her, wobei der Mythos als Gesellschaftsvertrag fungiert. Die Funktionalisten hoben die Wichtigkeit des Rituals bei der Aufrechterhaltung sozialer Strukturen hervor. Wenn man – wie das bei dieser Art der Interpretation üblich ist – das Ritual als eine Art von Kommunikation sieht, sind Gesellschaft und Stabilität die Botschaft. Diese Betonung der systemerhaltenden Gesichtspunkte lässt wenig Raum für Innovation und historischen Wandel. Strukturalistische Ansätze wie der von Lévi-Strauss (1963) lenkten das Interesse auf das Verhältnis von Form und Bedeutung des Rituals, das im Zeichen seine theoretische Verknüpfung bekommt. Aus den sechziger Jahren datieren aber auch Ansätze, die das Ritual im Zusammenhang mit Geschichte und dem Begriff Prozess behandeln. Dadurch wurde es möglich, Ritual als etwas zu behandeln, das Erfahrungen neu ordnen oder sogar neue Erfahrungen schaffen kann. Turner (1969) beschrieb diese Prozesshaftigkeit anhand von Übergangsriten und zwar nicht nur am Beispiel der afrikanischen Ndembu, sondern auch der Hippie-Generation der Sechzigerjahre. Rituelle Transformation kann hier die Funktion haben, an Stelle der symbolischen Ordnung eine neue zu schaffen. Dieser Ansatz wird in meiner Argumentation noch zur Sprache kommen. Der nunmehr höhere Formalisierungsgrad des Ritual-Begriffs und seine endgültige Differenzierung von Religion verhalfen ihm in den Achtzigerjahren zur Beliebtheit in Diskussionen über die symbolische Herstellung von Gemeinschaften, denn nun kann ein Ritual theoretisch jedes Objekt sakralisieren. Titel wie The invention of tradition des Nationalismusforschers Eric J. Hobsbawm (1983) weisen auf die Richtung hin, die die Forschung in den letzten Jahren genommen hat. Bei der Erfindung neuer Traditionen spielt das Ritual deshalb eine wichtige Rolle, da es in der Lage ist, durch seine repetitive Form (z. B. Feiertage) Zeitlosigkeit und Stabilität zu erzeugen. Diese Darstellung impliziert, dass das Ritual geeignet ist, die Denkweise der Menschen zu beeinflussen, besonders die Denkweise

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RITUAL über das soziale Leben. Die entsprechende Eigenschaft ist es, die Zufälligkeit und Unordung des täglichen Lebens aufzuhalten, Informationen und Erfahrungen zu ordnen. Rituale erzeugen B e d e u t u n g. Obwohl ein Ritual z. B. nicht unterbrochen werden kann und in sich keinen Dissens duldet, produziert es Bedeutungen von einer gewissen Bandbreite. So wird das Ritual in den neueren Interpretationen zu einem Kampfplatz um H e g e m o n i e. Ritual kann ein Schlüsselelement bei der Etablierung einer Macht sein, (soziale) Ungleichheit institutionalsieren, und/oder derartige Hierarchieverhältnisse unter dem Mantel von Patriotismus oder Solidarität verbergen, aber sie auch bekämpfen (Kertzer 1988). So löste sich der Ritualbegriff von seiner Verbindung mit dem Heiligen und der Zusammenhang von Ritual, Heiligem und Macht trat in den Vordergrund.9

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Die zwei letztgenannten Eigenschaften des Rituals sind es, die diesen Begriff so nützlich für mein Vorhaben machen. Wenn Rituale zur Etablierung einer neuen Macht dienen können, müssen sie für die neuen Herren Jugoslaviens nach der Befreiung von eminenter Wichtigkeit sein. Wenn Rituale Bedeutung erzeugen und die zufälligen und chaotischen Äußerungen ordnen oder das Chaos eindämmen, können sie uns helfen, die Ordnung oder die um Hegemonie ringenden Ordnungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu beschreiben. Die Rituale sind es, die zwischen 1945 und 1952 die Diskurse unter Kontrolle halten sollten, also auch den literaturpolitischen. Diese Funktion der Rituale beschrieb Michel Foucault (1972) als "diskursinterne Kontrollpraktiken". Neben der Einschränkung durch die Autorvorstellung und die Einteilung des Diskurses in Disziplinen lasse sich in allen Gesellschaften ein Gefälle zwischen den Diskursen vermuten: "zwischen den Diskursen, die im Auf und Ab des Alltags geäußert werden und mit dem Akt ihres Ausgesprochenwerdens vergehen, und den Diskursen, die […] über ihr Ausgesprochenwerden hinaus gesagt sind, gesagt bleiben und noch zu sagen sind." Diese "ritualisierten Diskurssammlungen" bannen bei Foucault den Zufall des Diskurses, dienen zur D i s k u r s v e r k n a p p u n g.10 Diese Verknappungsfunktion der rituellen Diskurssammlungen ist als Begriff für die Beschreibung des Diskurses sehr praktisch. Anders als Foucault es fordert (der die Beschreibung des Diskurses in seiner gesamten Gegenständlichkeit anstrebt, also inklusive aller Brüche, Streuungen und Zufälligkeiten, als ein Meer isolierter Einzelereignisse) möchte ich zunächst die Regelmäßigkeiten im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952 herausfinden. Diese Regelmäßigkeiten ergeben sich aus den Äußerungen, die dazu dienen,

9Evans 1996, 1120–1122.

10Foucault 1972a, 18–20.

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RITUAL den Diskurs zu kontrollieren. Sie sind nicht zufällig, denn sie sollen Dauer haben und regulieren. Sie können uns Auskunft geben über die Ordnung des Diskurses, über die Regeln, an die man sich halten muss, will man an ihm teilnehmen; die Regelmäßigkeiten sagen außerdem etwas über die Kräfte aus, die den Diskurs beherrschen wollen. Die diskursverknappenden, kontrollierenden, ordnenden rituellen Diskurssammlungen werden auf rituellen Anlässen, bei Ritualen vorgetragen. Also betrachten wir im folgenden Kapitel solche Anlässe und suchen e r s t e n s nach den Diskurssammlungen, die dort vorgetragen werden, also nach den nicht zufälligen, nicht alltäglichen, dauernden, stereotypen "Diskursen", da sich am oberen Teil des Diskursgefälles befinden.

Z w e i t e n s untersuchen wir die jugoslavischen literaturpolitischen rituellen Veranstaltungen auf ihre Merkmale, wie sie von der ethnologischen Literatur beschrieben wurden, die im Folgenden noch einmal kurz resümiert werden sollen. 1. Rituale sind formalisiert und stereotyp; 2. sie stehen in einer besonderen Verbindung mit dem Mythos; 3. sie stellen Gruppensolidarität her; 4. sie steuern über kollektive Denkweisen das soziale Leben; 5. sie stabilisieren eine Gemeinschaft und erhalten eine Ordnung aufrecht; 6. sie können neue Ordnungen schaffen; 7. Rituale können neue Ordnungen durch Traditionsbildung stabilisieren; 8. sie ordnen die alltägliche Zufälligkeit durch Bedeutung; 9. sie sind Ort und Werkzeug gesellschaftlicher Machtkämpfe.

Bevor wir nun diese Merkmale bei den jugoslavischen Schriftstellerkongressen wiederzufinden versuchen, noch ein Wort zur Verwendung des Wortes Diskurs im vorangehenden Absatz. Bei Michel Foucault taucht es in verwirrender Häufigkeit auf. Der Begriff "Diskurssammlung" oder das "Gefälle zwischen den Diskursen" impliziert, dass es Diskurse sowohl nebeneinander, als auch innerhalb eines Diskurses gibt. Das hat damit zu tun, dass sich Foucault nicht für eine hierarchisch-logische Beschreibung interessiert, bei der zum Beispiel ein Diskurs eindeutig als transphrastische Einheit definiert wäre (d. h. als mindestens ein Satz) und bei der klargemacht würde, aus welchen untergeordneten Elementen er besteht. Das Wort "Diskurssammlung" zu verwenden impliziert also eine Foucault'sche Sicht des Diskurses, die wir aber aus praktischen Gründen nicht auf unser Thema anwenden können; andererseits ist es nützlich, da Textsammlungen auf den Korpus verweisen würde, den wir in der Einführung vom Diskurs unterschieden haben. Bleibt Äußerungssammlungen oder Sammlung von Sprachhandlungen. Dabei würde aber der Aspekt zu kurz kommen, dass die bleibenden Äußerungen ("Diskurse"), die da gesammelt werden, auch mit anderen Diskursen (etwa dem literaturpolitischen) in Verbindung stehen können. Bleiben wir also mit allen Vorbehalten bei dem Vorschlag Foucaults.

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Wie in der Einführung angekündigt, geht es im diesem Kapitel um die drei Schriftstellerkongresse, die die jugoslavische Schriftstellerorganisation SKJ (Savez književnika Jugoslavije) zwischen 1945 und 1952 veranstaltete. Diese Kongresse sind die Rituale, die am deutlichsten die Merkmale haben, die zur Diskurssteuerung dienen können. Sie fanden statt in den Jahren 1946 (Belgrad), 1949/50 (Zagreb) und 1952 (Ljubljana). Die Reden auf diesen Großereignissen wurden jeweils ausführlich in den Literaturzeitschriften dokumentiert und sie waren auch Thema in der Parteizeitung der KPJ, der Borba, ebenso wie in anderen wichtigen Tageszeitungen (Politika/Belgrad; Vjesnik/Zagreb11). Leider liegen mir keine Darstellungen der Sitzordnung vor, sonst hätte man von der räumlichen Aufteilung im Sitzungssaal eine Symbolik ableiten können. Was wir aber haben, ist die Reihenfolge der Redner und die Auswahl der Teilnehmer/innen und Funktionsträger (letztere sind alle männlichen Geschlechts). Die Funktionsträger sind nach ihrer Republikszugehörigkeit geordnet. Die Teilnehmenden müssen im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952 offenbar aus allen Republiken stammen, wobei die bevölkerungsreicheren oder wichtigeren durch mehr Delegierte vertreten werden. So sind z. B. 1946 auf dem ersten Kongress jeweils 40 Delegierte sowohl aus Serbien wie aus Kroatien anwesend und je sechs aus Makedonien und der Vojvodina (Montenegro 3, Bosnien und Hercegovina 9). Slovenien darf 25 Personen entsenden, von denen nur eine weiblich ist. Interessant ist die gleiche Stärke von Serbien und Kroatien. Auch für die Gremien des SKJ werden die Mitglieder nach Republiksherkunft ausgewählt. Der Präsident des Verbandes ist "neutral": Ivo Andrić ist weder Kroate noch Serbe, denn er stammt aus Bosnien, wurde in kroatischen Schulen erzogen, schrieb aber ekavisch. Die Vizepräsidenten, sechs an der Zahl, vertreten die Republiken. Diese Ordnung symbolisierte im Kleinen den Aufbau des neuen Staates. Sämtliche Organisationen und Organe des literarischen Lebens waren nach diesem Schema aufgebaut: Zeitschriften gab es je sieben mal — einmal für den Bund und je einmal für jede Republik. Das gilt sowohl für die Verbandsorgane, als auch für die Jugendzeitungen für "Anfänger" und Jungliteraten: Mladost (centralni omladinski časopis, Belgrad), Zora (Bosnien und Hercegovina), Izvor (Kroatien), Polet (Serbien), Idnina (Makedonien) und Mladinska revija (Slovenien).12 Für die Erwachsenen gab es Književne novine (vierzehntägig, bundesweit), Republika (Kroatien), Književnost, Novi Svet, Stvaranje (Montenegro), Pregled,

11Der Vjesnik erschien damals als Vjesnik Narodnog Fronta Hrvatske (NFH).

12Tošović 1949, 899.

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RITUAL Nov Den (Makedonien). In den letzten kamen neue Zeitschriften dazu und andere gingen ein. An der Republiksaufteilung änderte sich nichts.

Eröffnung des Schriftstellerkongresses und Begrüßung sind die Aufgaben eines Vertreters der Gastgeber-Republik. Es ladet also nicht der Jugoslavische Verband i n einer Republik ein, sondern eine Republik lädt die anderen z u sich. Das symbolisiert das neu eingeführte föderale Schema. Entsprechend dem Sechser-Prinzip rotiert der Veranstaltungsort unter den Republiken — erst Serbien (im Falle des ersten Kongresses spielt die Hauptstadtfunktion Belgrads eine Rolle), dann Kroatien und dann Slovenien. Das entspricht der im letzten Absatz angesprochenen Delegiertenzahl 40-40-25. Auf diesem Kongress am 17. November 1946 übernimmt der Vizepräsident der Vereinigung der Schriftsteller Serbiens (UKS), Jovan Popović die Eröffnung. Er hält eine Schweigeminute für die im Befreiungskampf gefallenen Schriftsteller ab. Damit wäre schon die zentrale Bedeutung des Rituals angesprochen: das erste, was der erste Redner auf dem ersten Kongress des ersten gemeinsamen jugoslavischen Schriftstellerverbandes tut, ist, eine symbolische Verbindung zwischen Schriftstellern und Befreiung herzustellen. Doch gehen wir zunächst weiter in der Abfolge der Zeremonien. Nach dem Totengedenken begrüßt der Vertreter der Gastgeber (immer noch Popović) die Gesandten der Volksregierung, der Massenorganisationen, der Armee, sowie mehrerer diplomatischer Vertreter und die anwesenden ausländischen Schriftsteller. Dann wird der provisorische Vorsitz gewählt, der sich aus elf Personen zusammensetzt. Daraufhin übernimmt ein Mitglied dieses Tagungsvorsitzes – Milan Bogdanović – die Leitung des Kongresses und schlägt einen Ehrenvorsitz vor. Das sind eine Reihe von "fortschrittlichen Schriftstellern, Kämpfern für Kultur und Fortschritt der Menschheit", von denen nur die gesperrt gedruckten sicher anwesend waren: Martin Andersen-Nexö, Mihail Šolochov, Todor Pavlov, Jean-Richard B l o c h, John Boynton Priestley, Luj Adamić, Vladimir Nazor, Ivan Ivanovič A n i s i m o v, Şevket Musaraja, Zofia N a ł k o w s k a, František Langer, Petr J u l e m n j i c k i, Georgij K a r a s l a v o v, Sándor G e r g e l y 13. Danach wird die Tagesordnung verlesen und ein General begrüßt die Schriftsteller im Namen der Armee, ein Gewerkschafter im Namen der Werktätigen und (als einzige Frau am Podium) eine Vertreterin der Narodna omladina im Namen der Jugend. Dann begrüßen ausländische Delegierte den Kongress im Namen ihrer Verbände (Frankreich, Albanien, Slovakei, Bulgarien, Ungarn, Mähren, Rumänien). Aus Frankreich ist übrigens der ehemalige Dadaist Tristan Tzara da. Nach den Begrüßungen werden Grußtelegramme an Tito und an Stalin verabschiedet. Dann folgt die Tagesordnung. Es sprechen Radovan Zogović über die Aufgaben der Literatur und Ivo Andrić über das

13Sándor Gergely war von 1945 bis 1951 Präsident des ungarischen Schriftstellerverbandes. Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 578

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RITUAL Statut. Es folgen Diskussion und Abstimmung über das Statut, Wahl des Vorstandes, Allfälliges, Abschlussrede des neugewählten Präsidenten (Andrić). Vor dieser Rede wird Vladimir Nazor zum Ehrenvorsitzenden des SKJ gewählt und Milan Bogdanović übergibt die Kongressleitung an den neugewählten Vorsitzenden, der den Kongress nach seiner Abschlussrede beendet. Obwohl, wie aus dieser Auflistung ersichtlich wird, ein großer Teil der Programmpunkte rein symbolische Handlungen sind, also überhaupt keinen praktischen Nutzen haben (Gedenken, Begrüßungen, Ehrenvorsitz, Ehrenvorsitzender, Telegramme, Grußworte) und die sowohl symbolischen als auch praktischen Handlungen einen relativ geringen Teil im Programm ausmachen (sie beschränken sich fast ganz auf den Tagesordnungsteil), sagt die Zeitschrift Republika 1950 dem ersten Kongress einen "Arbeitscharakter" nach14. Das hatte schon der mehrmals zitierte Bericht von Naša književnost 1946 festgestellt.15

Die anderen beiden Kongresse unterscheiden sich vom ersten nur unwesentlich. Diese Unterschiede werde ich im diachronen Teil aufgreifen. Auf dem zweiten Kongress, der vom 26. bis zum 29. Dezember 1949 im Glazbeni zavod in Zagreb stattfindet, sind mehr Delegierte aus Kroatien als aus Serbien anwesen. Die Vojvodina entsendet keine separate Delegation mehr. Der Eröffnungsredner ist wieder ein Gastgeber, diesmal aber nicht vom Schriftstellerverband. Es ist der Präsident der kroatischen Regierung, Vladimir Bakarić, der die Grüße des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei an den Kongress überbringt. Das Gedenken gilt nun den verstorbenen Kollegen und nicht den Gefallenen. Einen Ehrenvorsitz gibt es nicht (Nazor ist inzwischen gestorben). 1949/50 sprechen Vertreter des Kultur- und Kunstministeriums, der Jugoslavischen Akademie der Wissenschaften (JAZU), des Gewerkschaftsbundes, der Narodna omladina und des Verbandes der bildenden Künstler Grußworte — also keine Armeevertreter. Die Tagesordnung umfasst wieder ein Referat über die Aufgaben und (zeitgemäß) den Stand der Literatur (Minderović, Generalsakretär des SKJ). Das restliche Programm ist differenzierter. Diesmal gibt es auch Referate zu einzelnen Literatursparten (Minderheitenliteratur, Prosa, Drama, Jungliteraten, Kritik, Lyrik) mit ausführlichen Diskussionsbeiträgen. Es folgt der (Rechnungs-) Bericht der Aufsichtskommission. Danach werden ein neues Statut angenommen und eine neue Leitung gewählt. Ganz neu sind die zwei Resolutionen, die verabschiedet werden: zu den Aufgaben der Literatur und gegen die "verleumderische Kampagne der Informbüro-Länder". Es folgen die Telegramme, diesmal statt an Stalin an das ZK der KPJ und die Regierung Kroatiens. Andrić schließt den Kongress als neuer alter Vorsitzender. Danach gibt es Empfänge bei der

14Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 43.

15Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 482.

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RITUAL JAZU, dem kroatischen Parlament (sabor) und dem DKH (Društvo Književnika Hrvatske), sowie einen Besuch von Titos Geburtsort Kumrovec.16

Der dritte Kongress ist in mancher Hinsicht anders. Die Eröffnungsrede hält kein Gastgeber, sondern der Bundesvorsitzende Ivo Andrić, der zum letzten Mal in dieser Funktion auftritt. Dann erst folgt die Grußbotschaft des slovenischen Regierungsvertreters Miha Marinko, nach der Andrić mit einem Orden ausgezeichnet wird und seiner Dankbarkeit Ausdruck verleiht. Es folgen nach der Tagesordnung ein Bericht des Leitungssekretärs Tošović über Publikationstätigkeit und Auslandskontakte, ein Referat von Aleksandar Vučo über die L a g e des S c h r i f t s t e l l e r s (nicht die A u f g a b e n der L i t e r a t u r ), und den Stand der Literatur. Danach kommt die schon im Vorfeld angekündigte Marathonrede Krležas. Sie ruft Schweigen hervor, also einen Bruch des Rituals. Es gibt dann aber eine ausführliche Diskussion, Berichte aus den Kommissionen (Publikation, Organisation, materielle Belange der Literaten), eine Resolution des Kongresses und ein Telegramm an Tito. Schließlich wird ein Leitungsausschuss mit nunmehr 15 gewählten Mitgliedern und sechs Republiksgesandten bestimmt, die die Verbände intern festlegen. Neuer Vorsitzender wird Josip Vidmar.

So attraktiv auch die Unterschiede sind, sie sollen uns erst später im diachronen Teil interessieren. Konzentrieren wir uns auf die Regelmäßigkeiten, auf die ordnenden, stabilisierenden Merkmale. Was die Auswahl der Delegierten und der Redner anbelangt, oder mit Foucaults Worten die Verknappung der sprechenden Subjekte, haben wir schon festgestellt, dass ihre Einteilung nach Republiken die neue Staatsordnung symbolisiert und damit das neue Prinzip dieses Staates. Es wurde bratstvo i jedinstvo genannt. Dieses Prinzip ist auch im Leitungsgremium von 1952 präsent. Dasselbe Prinzip liegt der Symbolik der Veranstaltungsorte und der Eröffnungsredner zugrunde. Die Merkmale, die außer dieser "Sprecherauswahl" und "Ortssymbolik" das Ritual ausmachen, lassen sich nach dem Vergleich der drei Kongresse in einer kleinen Liste zusammenfassen:

16Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 43.

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RITUAL 1. Eröffnung und Schluss durch zwei unterschiedliche Personen (Schlussrede vom neuen Vorsitzenden)

2. Gedenken an die toten Kollegen

3. Auftreten von Personen, die nicht zum Verband gehören (Vertreter befreundeter Organisationen)

4. Instruierende Rede eines Schriftstellers

5. Telegramm an Tito und einen weiteren Adressaten

Merkmal Nummer eins erklärt, weshalb Ivo Andrić 1952 in Ljubljana vor dem slovenischen Verteter spricht: weil es Andrić’ Abschiedskongress ist. Normalerweise hielt Andrić die Schlussrede. Jetzt aber ist er nicht mehr Vorsitzender und hat keinen Anspruch mehr auf das letzte Wort. Deshalb kann er nur die Eröffnung durchführen und so die Verantwortung symbolisch weitergeben. Es gibt keine andere rituell vorgesehene Programmposition, auf der er noch Platz gehabt hätte und für eine Stelle, die nicht einer der gezeigten fünf entspricht, ist Ivo Andrić (symbolisch) zu bedeutsam. Zusätzlich bekommt er einen Orden. Der neue Vorsitzende Josip Vidmar verleiht ihm auf dem Dritten Kongress einen Orden für Verdienste um das Volk erster Klasse mit den Worten "außerhalb der Tagesordnung führe ich eine Aufgabe aus, die mir mir soeben übertragen wurde".17 Die Botschaft dieses ersten Teils des Rituals ist einerseits die stetige Erneuerung, die durch die Wahl eines neuen Vorsitzenden und dessen Schlusswort zum Ausdruck kommt — das bedeutet D a u e r. Klassisch ist, dass die Auszeichnung des scheidenden Vorsitzenden durch seinen designierten Nachfolger geschieht. Dadurch wird symbolisch ein Kreis geschlossen, der nicht nur Dauer bedeutet, sondern E w i g k e i t. Auf Seite 37 und im Kapitel Die Nachkommen in der Zukunft (Unterkapitel von Die Jugologie:Ahnen/Kontinuitäten) wird noch mehr zu dieser Kreissymbolik zu sagen sein. Andererseits bedeutet die Eröffnungsrede des Gastgebers die V e r b u n d e n h e i t der Mitglieder untereinander, bzw. der sechs Verbände zwischeneinander. Das Ritual der Schriftstellerkongresse bedeutet also, dass der neue Staat und seine Literatur ewig bestehen werden und dass die alte Gefahr des Auseinanderbrechens in ein nationalistisches Chaos gebannt ist.

Das dritte Merkmal nimmt jeweils sehr breiten Raum ein und verschiedene Formen an. Auf der Veranstaltung des Jugoslavischen Schriftstellerverbandes bringen sowohl nichtjugoslavische Schriftsteller als auch nichtschriftstellernde Jugoslaven ihre V e r b u n d e n h e i t zum Ausdruck. Die ausländischen Schriftsteller spielen auf dem ersten Kongress eine besonders große Rolle. Die Auswahl der Namen dieser fortschrittlichen

173 kongres književnika Jugoslavije 1952, 2.

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RITUAL AutorInnen bezeichnet die weltweite Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t der realistischen, respektive sozialistisch-realistischen Literatur. Die jugoslavische Literatur wird auf diese Weise diskursiv zu einem Teil von ihr gemacht. Die Grußbotschaften verschiedener Organisationen symbolisieren die E i n h e i t der Schriftsteller mit anderen Teilen der Gesellschaft, mit Armee, Werktätigen, Jugend, Staatsführung (Partei) und anderen Künstlern. Das Literaturleben ist ganz integriert in die Gesellschaft und hat keine Sonderposition. Es ist ein Teil der Gemeinschaft ebenso wie die Armee. Später werden wir sehen, dass nach diesem Prinzip explizit dieselben Aufgaben für die Literatur postuliert werden wie für die Armee: nämlich den neuen Volksstaat zu verteidigen.

All diese Zusammengehörigkeiten lassen sich integrieren durch das Symbol Tito, dem am Ende jeden Kongresses mit einem Telegramm gehuldigt wird (Merkmal 5). Auch 1950, beim Treffen der "Anfänger und Jungliteraten Kroatiens" wird zum Abschluss ein Telegramm verabschiedet. Hier nur einige bezeichnende Ausschnitte:

Dragi naš druže Tito […] pod Tvojim […] mudrim i hrabrim rukovodstvom […] izgraditi u Tvoju generaciju književnika […] Tebe izražavamo svoju vjeru […].18

Ob es nun das Treffen anlässlich der Resolution gegen Moskau istZum Abschluß des Treffens der kroat Schriftsteller anläßlich der Resolution: Grußtelegramm an das ZK der KPJ, Gen. Tito und Bakarić, Sekretär des ZK der KPH(rvatske).19 oder die Jahreshauptversammlung der Matica Hrvatska20, die Telegramme an Tito, ZK und Vladimir Bakarić als ZK-Vorsitzenden bzw. kroatischen Regierungschef gehören dazu. Miroslav Krleža bringt die Rolle von Tito auf den Punkt:

Tito, koga u ovome slučaju uzimam kao formulu za CK KP Jugoslavije za njen Polit-biro, za njeno partijsko članstvo, i za čitavu našu zemlju […].21

Nicht nur aus dem Inhalt dieser Äußerungen, sondern auch aus der Form dieses fünften Merkmals lässt sich schließen, dass Tito eine übergeordnete Symbolfunktion zugeordnet wird. Tito muss nicht anwesend sein — er muss angerufen werden. Die Vertreter der "Massenorganisation" bemühen sich durchaus persönlich auf den Kongress und wenn sie (wie einige Schriftstellervertreter auf dem zweiten Kongress) verhindert sind, schicken s i e ein Telegramm und nicht umgekehrt. Auf dem dritten Kongress wird sogar der Geburtsort des

18Pavletić 1950, 369.

19Rezolucije književnika Hrvatske u vezi s klevtačkim napadima Informbiroa na našu zemlju 1949, 944.

20Godišnja skupština Matice Hrvatske 1951, 212

21Krleža 1952a, 232.

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RITUAL "Marschalls Jugoslaviens" besucht; das ist eine rituelle Handlung, die besonders mit Titos Rolle als Begründer des neuen Staates und Garant von dessen Einheit interessant erscheint. Wir werden darauf im Kapitel 3.2.3 "Josip Broz Tito – Heroj na epohata" zurückkommen.

Eine etwas andere Bedeutung hat Merkmal 6, das instruktive Schriftstellerreferat, das jeweils die Tagesordnung eröffnet. Es hat einen betont inhaltlichen Charakter. Aber die symbolische Funktion ist erkennbar an dem festen Platz dieser Position: bevor die Schriftsteller das Wort haben (denn zuvor grüßten und eröffneten ja vor allem Nichtschriftsteller), muss einer von ihnen eine Belehrung über die Rolle zum Besten geben, die sie in der rund um diese Rede symbolisch konstruierten Gemeinschaft zu spielen haben. Auf die inhaltliche Seite dieses Merkmals werden wir gleichfalls weiter unten wieder zu sprechen kommen (7.1 Aufgabe: darstellen)

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Rufen wir uns noch einmal die neun Merkmale eines Rituals in Erinnerung, wie sie auf Seite 22 zusammengefasst wurden: wir haben die Handlungen auf den Kongressen nach stereotypen Merkmalen geordnet. Wir haben gezeigt, wie sie Gruppensolidarität herstellen und damit Einfluss auf die Denkweise der Menschen haben können. Wir haben die stabilisierende Funktion herausgearbeitet und darauf hingewiesen, dass es sich um die Stabilisierung oder Etablierung einer neuen Ordnung handelt. Außerdem haben wir gezeigt, wie Auswahl und Einteilung der Teilnehmer (Sprecher) und der Handlungen allgemein eine Ordnung erzeugen, die sich der Zufälligkeit des Alltags widersetzt. Es fehlt nun noch der Hegemonialstreit, in dem Rituale als Waffen oder als Schlachtfeld dienen. Dieser Aspekt ist sehr dynamisch und deshalb im diachronen Teil nachzulesen. Außerdem haben wir einerseits die Frage nach dem Zusammenhang von R i t u a l u n d M y t h o s ausgelassen und andererseits taucht ein Widerspruch auf: die bisherige Darstellung betonte die die Gemeinschaft stabilisierende Funktion der beschriebenen rituellen Handlungen, aber diese Gemeinschaft ist im Jugoslavien von 1945 bis 1952 eine neue symbolische Ordnung. Es leuchtet zwar ein, diesen Widerspruch aufzulösen, indem wir von einem das Neue stabilisierenden Ritual sprechen, aber es befriedigt nicht. Die beiden Fragen – M y t h o s u n d Ü b e r g a n g – hängen zusammen. Wie wird aus dem Alten das Neue?

1.2 Rituelle Sprachhandlungen: Anfang und Ende

Zu diesen Fragen können uns die rituellen Sprachhandlungen genauer Auskunft geben. Die Sprachhandlungen während unserer Rituale (den Kongressen) sind Reden. Wir sind wieder

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RITUAL auf der Suche nach nicht zufälligen Äußerungen, nach Regelmäßigkeiten — Stereotypen. S t e r e o t y p e n können Wörter, Begriffe sein, die uns wegen ihrer Gleichartigkeit und Frequenz auffallen, es können aber auch ganze S ä t z e sein. Und wir können aus stereotypen Wörtern Sätze bilden. Weil die Reden lang sind, und sich in einem so langen Text leicht Zufälle ereignen können, suchen wir nach noch formalisierteren Sprechakten, als es eine Rede ohnehin schon ist. Wir finden sie am Anfang und am Ende der Reden. Die ersten und die letzten Worte einer Rede stechen durch besondere Stereotypie ins Auge. In der Antrittsvorlesung, die Michel Foucault anlässlich seiner Berufung an das Collčge de France hielt, sprach er a m A n f a n g von seiner Angst, das Wort zu ergreifen und seinem Wunsch, "jedes Anfangens enthoben zu sein". Auf diesen Wunsch vieler Menschen gebe "die Institution eine ironische Antwort, indem sie die Anfänge feierlich gestaltet, indem sie sie mit ehrfürchtigem Schweigen umgibt und zu weithin sichtbaren Zeichen ritualisiert".22 Das ist ein wesentlicher Grund, weshalb der Anfang eines rituellen Sprechakts inhaltlich besonders sinnentleert und rituell besonders bedeutsam ist. Typisch ist zum Beispiel dieser Schluss einer Rede von Ivo Andrić (1948): "u bratstvu i jedinstvu, u slobodi socialističkog stvaranja i izgradnje, u procvatu Hrvatske, u svakom pa i književnom napretku nove Jugoslavije."23 Beginnen wir, unsere Stereotype zu sammeln.

Zunächst Wörter. Ein wichtiges Wort ist das Volk, wie bei Andrić 1946: "naš narod i naša narodna država"24. Auffällig ist auch die Frequenz von Kampf wie 1946 bei Tito: "U toj borbi i u radu za borbu naših naroda, ja vam želim nejveći uspjeh."25 Als Führer des Volkes im Kampf, als Führer der Partei, des Aufbaus etc. muss Marschall Tito oder Genosse Tito erwähnt werden.26 Das Motiv der Befreiung taucht in verschiedenen Synonymen auf: z. B. als Sieg oder Sieg des Volkes27. Eine andere Möglichkeit, von der Befreiung (nicht) zu sprechen ist die Schweigeminute für die im Volksbefreiungskrieg gefallenen Schriftstellerkollegen.28 Dieser Volksbefreiungskrieg, der NOB oder NOR abgekürzt werden kann, ist unentbehrlich in

22Foucault 1972a, 9f.

23Andrić 1948, 20.

24Andrić 1946, 506, 510.

25Tito 1946, 1.

26Završeno zasedanje prvog kongresa književnika Jugoslavije 1946, 5.

27Andrić 1946, 506, 510. Kul/A: Sieg des Volkes im NOR.

28Završeno zasedanje prvog kongresa književnika Jugoslavije 1946, 5.

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RITUAL jeder Rede.29 Die Einleitungen, in denen erklärt wird, wieviel Zeit seit der Befreiung verstrichen ist, sind sehr beliebt, beispielsweise bei Andrić 1949: "pet godina otkad je […] naša nova narodna država, tri godina poslije […] AVNOJA i proglašenja Federativne Narodne Republike Jugoslavije"30 oder bei Šegedin 1949/50: "von der Befreiung bis heute"31. Bakarić erwähnt den ersten Kongress ein Jahr nach dem Krieg anstelle der Befreiung.32 Die Befreiung kann aber auch durch weitere Subjekte vertreten werden, wie bei Mišić, der 1950 die Zeit misst, die seit der Veröffentlichung der ersten, 1945 gedruckten Jugendgedichte verstrichen sei.33 Andere Motive werden auf dieselbe Art erwähnt und erhalten dadurch den Charakter einer symbolischen W i e d e r h o l u n g d e r B e f r e i u n g. Krleža betont 1952, vor vier Jahren habe sich "unser Land der stalinistischen Vergewaltigung entschlagen".34 Er spricht über die Ablösung von Moskau wie über die Befreiung von der Besatzung — ein Phänomen, das uns im diachronen Teil wieder begegnen wird.

Auf die Befreiung folgt der A u f b a u, und zwar der Aufbau "unserer Zukunft"35, des "Sozialismus"36, der auch "gegen Überfälle verteidigt" werden muss37. Bei diesem Aufbau geht es darum, "neue Zustände" zu schaffen und in ihnen "den neuen Menschen".38 Am häufigsten sind aber ganze Batterien solcher Wörter:

ujedinjenje svih jugoslavenskih krajeva, nezavisnost domovine;39 narodni, demokratski, jugoslovenski revolucionarni karakter umetnosti;40 idejnost, partijnost, narod, Tito, Partija,

29Popović 1946, 1 NOB heißt Narodna Oslobodilačka Borba und NOR steht für Narodni Oslobodilački Rat.

30Odgovor jugoslavenskih književnika sovjetskim književnicima F. Glatkovu, N. Tihonovu i drugima 1949, 183 und 187

31Šegedin 1950, 3.

32Bakarić 1950, 43.

33Mišić 1950, 78.

34Krleža 1952a, 205.

35Krleža 1947. 780.

36Andrić 1949b, 8; Rezolucije književnika Hrvatske u vezi s klevtačkim napadima Informbiroa na našu zemlju 1950, 2.

37Boškov 1950, 85.

38Kulenović 1946, 41, 52.

39Zogović 1946.

40Finci 1948.

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RITUAL čvrst mir, demokratija, čovečanska kultura;41 bratstvo, patriotizam, Tito, radnička klasa;42 u novoj Jugoslaviji; u društvu koje izgrađuje socijalizam; borba; naši narodi; rukovodstvo; slobodan život radnih ljudi; veliki društveni preobražaj43.

Nach einem genauen Studium dieser Stereotypen-Anhäufungen, stellt sich heraus, dass es eine feste Triade gibt, die im Ritual obligatorisch ist: altes Jugoslavien – Befreiung – Aufbau. Im folgenden Kapitel werden wir diese Triade genauer beschreiben. Überspitzt formuliert müsste es möglich gewesen sein, eine Rede beliebigen Inhalts zum Besten zu geben, wenn man vorher und nachher folgendes Bekenntnis ablegte: Das Volk, das definiert ist durch seine Geschichte und Kultur führte unter der Führung Titos und der Partei den Kampf, der zur Befreiung führte, die der Beginn des Aufbaus war. Das ist das Syntagma, das wir aus den stereotypen Wörtern zusammenstellen können. Auch dieser Satz selbst ist ein Stereotyp, der aber erst nach längerem Hinsehen sichtbar wird.

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41Popović 1948, 1.

42Horvat 1948,234.

43Andrić 1949a, 871 und 875. 32

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Bei der Beschreibung der rituellen Handlungen gab es ein Merkmal, einen Programmpunkt, der noch nicht behandelt wurde: Punkt zwei — Totengedenken. Dieser Punkt weist besonders deutlich darauf hin, dass es sich um ein Ritual handelt. Beim ersten Kongress gedachte man der im NOB gefallenen Schriftsteller. Dieses Gedenken stellt eine feste Verbindung zwischen dem Geschehen im Krieg und der Literatur her; der Tod der Kollegen hat eine Bedeutung, nämlich die Befreiung. Diese Befreiung ist, wie wir gerade gesehen haben der Angelpunkt einer Triade von Begriffen, die ich im weiteren Verlauf dieses Kapitels zu einem Satz ausbauen werde, wie ich es gerade am Ende des letzten Kapitels getan habe. Aus diesem Satz wird eine Geschichte entstehen und diese Geschichte nenne ich M y t h o s.

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Ziehen wir wieder die Enzyklopädie zu Rate. Drei Charakteristika treffen grob gesehen auf alles zu, was Gelehrte als Mythos bezeichneten und bezeichnen. Ein Mythos ist, erstens, eine Geschichte. Zweitens befasst sich diese Geschichte mit Personen und Dingen, die in der Gesellschaft, in der sie erzählt wird, mit Respekt und Hochachtung behandelt werden, etwas Heiligem (erinnern wir uns an Durkheim und die Definition des Rituals auf S. 20). Die Ereignisse, die in der Geschichte geschildert werden, finden in einer anderen Zeit statt, die sich von der gegenwärtigen Zeit qualitativ unterscheidet. Im 19. Jahrhundert suchten die Gelehrten nach den Ursprüngen und der Entwicklung des Mythos und glaubten, in Volksmärchen die Nachkommen altertümlicher indoeuropäischer Mythen gefunden zu haben (Jacob Grimm) und in Naturmetaphern die Vorläufer von Göttern (Max Müller) oder im Animismus den Kern der ersten Religionen (Edward B. Tylor). Der US-Ethnologe Franz Boas versuchte, die Gesellschaftsordnungen versunkener Kulturen mit Hilfe der Mythen zu rekonstruieren, die er als ihre Widerspiegelungen sah. Ende des Jahrhunderts revolutionierte W. Robertson Smith die Mythos-Forschung mit seiner ritual theory of myth. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern sah er statt in "Vorstellungen" in Ritualen den Ursprung von Mythen und bereitete damit Émile Durkheims Religionstheorie vor. James Frazer hielt im Sinne der ritual theory of myth das regelmäßige rituelle Töten des Gott-Königs für den Ursprung von Mythen späterer Völker, während Jane Harrison auf Initiationsriten von Männern setzte. Von ihr stammt die Formulierung, die die Entstehung der Mythen "als Libretto" erklärt, das die Handlungen in einem bestimmten Ritual habe erklären sollen. Die empirische Erforschung

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MYTHOS von Mythen durch Sammeln und Klassifizieren nach Motiven bildet einen anderen, wichtigen Zweig der Forschungsrichtung Mythologie. Ein solches Motiv kann z. B. sein Kulturheld besiegt Ungeheuer. Seit Sigmund Freud können Mythen so wie Träume als Erfüllung unbewusster Wünsche interpretiert werden, die bei den klassischen Psychoanalytikern meist (im abstrakten Sinn) sexueller Natur sind. Joseph Campbell fasste das 1949 so zusammen: der einzige Schutz für das Neugeborene ist die Mutter, die so zu seiner ersten Liebe, aber auch zum ersten Hassobjekt wird, da sie nicht immer anwesend ist und Verbote durchsetzen muss. Symbol dieser Doppeleinheit sei z. B. die Madonna mit dem Kinde. Den ursprünglich auf die "schlechte" Mutter (die negativen Seiten der Mutter) gerichteten Hass bekomme der Vater ab, der die Mutter-Kind-Einheit zwangsläufig stören müsse. Diese Verteilung infantiler Triebe auf die Objekte Vater und Mutter bilde die Grundlage für den Ödipus-Komplex, den Ursprung des gleichnamigen Mythos. Aber auch der Zusammenhang zwischen den Unterschieden in der Sozialstruktur (in verschiedenen Gesellschaften) und den Unterschieden im Inhalt von Mythen (aus verschiedenen Gesellschaften) wurde zum Gegenstand psychoanalytischer Mythenforschung. Der im ersten Kapitel erwähnte Funktionalismus hat auch zum Mythosbegriff etwas beizutragen. Für den gebürtigen Polen Bronisław Malinowski, der während des zweiten Weltkrieges seine Forschungen in der Gegend von Guinea betrieb, hat der Mythos in erster Linie die Funktion, bestehende Ansprüche auf Macht und Positionen zu legitimieren. Mythen trügen so zu sozialer Stabilität bei. Der Funktionalismus dominierte während der 30er und 40er Jahre die Ethnologie. In den 50ern und 60ern entwickelte Claude Lévi-Strauss seine strukturalistische Methode, ausgehend von zwei Prämissen: erstens, dass Mythen dem menschlichen Geist Strukturen zur Verfügung stellten, die es möglich machten, abstrakt zu denken. Diese Strukturen beschreibt er in Anlehnung an das phonologische Modell durch Merkmale, die die Elemente der Struktur unterscheiden (im Mythos z. B. roh und gekocht oder Sonne und Mond). Diese Struktur, die einem Mythos zugrunde liege, stehe zweitens in einer gesetzmäßigen Beziehung zur Struktur anderer Mythen. In dieser strukturalistischen Theorie entstehen Mythen nicht durch soziale, sondern durch mentale Prozesse.44

Die Struktur eines Mythos ist für die strukturale/semiotische Forschung das Korrelationsverhältnis von Oppositionen empirischer Kategorien wie nass und trocken. Der Mythos gibt einer natürlichen Sache oder einem ebensolchen Lebewesen einen Wert, eine Funktion oder symbolische B e d e u t u n g. Aus der konkreten Erfahrung werden Modelle der Wirklichkeit (Welt, Umwelt) gemacht. Sie dienen dem vormodernen abstrakten Denken: der Wissenschaft des Konkreten. Aus direkt erfahrbaren Realitäten werden Strukturmodelle

44Carroll 1996, 827–830; Campbell 1995, 15f.

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MYTHOS geschaffen, die über die physische und soziale Welt sprechen (s. o.). Das Verhältnis zwischen einer symbolischen Struktur und ihrem Referenten ist für die semiotischen/strukturalistischen Ansatz also eher ein logisches als ein funktionales oder historisches. Die empirischen Kategorien, die der Mythos verwendet, stehen für etwas anderes, sie bezeichnen etwas, das sie selbst nicht sind. Der Mythos verwendet sie als Bezeichnende.45

Lévi-Strauss' strukturale Typologie des Mythos war äußerst kritisch gegenüber dem ritualistischen Ansatz. Durch die Anwendung Durkheim'scher soziologischer Methoden in Kombination mit strukturaler Linguistik à la Trubeckoj und Jakobson, konnte er in den Mythen binäre Oppositionen ermitteln und zwischen verschiedenen Mythen Transformationsverhältnisse zeigen. Lévi-Strauss konzentrierte sich dabei auf den p a r a d i g m a t i s c h e n Aspekt der generativen Grammatik der Mythologie, das heißt auf die auf vertikaler Ebene austauschbaren Elementen. Uns interessiert aber zunächst mehr der s y n t a g m a t i s c h e Aspekt des Mythos, die auf horizontaler Achse kombinierbaren Elemente. Deshalb nun eine kurze Darstellung des sovjetischen Ansatzes in der Mythenforschung, ebenfalls aus einer Enzyklopädie. Auch hier kann Mytho l o g i e als universelles Zeichensystem definiert werden. Es drückt sich in einer Anzahl von Fabeln (Handlungen) aus. Mit der semiotischen Methode können Verbindungen zwischen verschiedenen Mythologien und Varianten hergestellt werden. Das Zeichensystem Mythologie hat eine Grammatik, die in der semiotischen Analyse beschrieben werden soll, d. h. ihre Botschaft soll decodiert, die "Sätze", aus der die Botschaft besteht, sollen sichtbar gemacht werden. Das E n t s c h l ü s s e l n der Botschaft eines Mythos kann sich in verschiedenen Ebenen ausdrücken — Codes. Die Logik des Mythos ist binär und arbeitet mit ebensolchen semantischen Oppositionen aus dem räumlichen oder sensorischen Bereich (oben/unten, links/rechts, nah/fern, innen/außen, hell/dunkel usw.), die im Raum-Zeit-Kontinuum objektiviert werden (Himmel/Erde, Erde/Meer, Süd/Nord, Ost/West, Sonne/Mond, usw.), in einer sozialen Gemeinschaft (wir/die anderen, männlich/weiblich usw.) und in der grundlegenden mythischen Opposition des Heiligen und des Profanen. Mythen bilden ein M o d e l l der Realität. Da sie sich der natürlichen Sprache bedienen, sind sie ein sekundäres modellbildendes System. Der Kern dieses modellbildenden Systems ist ein Weltmodell, eine Kosmologie. Weltentstehungsmythen (Kosmogonien) enthalten die mythologische Information schlechthin (zum Beispiel den Mythos vom Weltenbaum). Der Mythos soll die Kosmo- oder Soziogenese erklären. Deshalb handelt er auch nicht von individuellen Schicksalen, sondern vom K u l t u r h e l d e n, der eine Gemeinschaft formt. Der Kulturheld verwandelt das Chaos in den Kosmos, eine geordnete Welt. Dabei spielt im Mythos

45English/Buchler 1994, 587–590.

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MYTHOS historische, lineare Zeit keine Rolle. Die Handlung geschieht in der Urzeit und die Bewohner dieser Zeit sind die Urahnen des Soziums (der Kultur). Das Denken, das diese Mythen hervorbringt, ist typisch für Menschen, die sich eins mit ihrer Umwelt fühlen; ihre Sprache identifiziert die Zeichen mit den Objekten, die sie bezeichnen. Die sovjetischen Gelehrten nennen das m y t h o p o e t i s c h e s Denken.46

* *

So weit die Zusammenfassung aus dem Enzyklopädischen Wörterbuch der Semiotik. Weiter unten werde ich mich auf einige der sovjetischen Autoren selber beziehen. Wie nicht schwer zu erraten war, ist für die vorliegende Arbeit besonders die Erklärung der Soziogenese, wie sie im Mythos betrieben wird von Interesse. Wenn ein generativer Zusammenhang (in welche Richtung auch immer) das Ritual mit dem Mythos verbindet, und das Ritual die Erschaffung und Erhaltung eines neuen Soziums, einer neuen Gemeinschaft zu fördern vermag, so ist an der Mythostheorie in erster Linie die Beschreibung der Entstehung der Kultur oder des Soziums von Interesse: die Kosmogonie oder in diesem Fall die J u g o g o n i e. Über den Ursprungsmythos konsultiere ich nun gleich die sovjetische semiotische Schule, bekannter unter dem Namen Moskau-Tartuer Schule. V. N. Toporov definiert Realität in der mythopoetischen Weltanschauung als das, was geheiligt ist. Das Alltägliche ist nicht real, es gehört nicht zum Kosmos:

Nur in der geheiligten Welt sind die Organisationsregeln bekannt, die sich auf die Struktur von Raum und Zeit beziehen. Außerhalb dieser Welt herrscht das Chaos, das Reich der Zufälligkeiten. Es ist charakteristisch für die mythopoetische Auffassung, daß Zeit und Raum für nicht homogen gehalten werden. Von höchstem Wert (mit einem Maximium an Heiligkeit versehen) ist der Punkt in Raum und Zeit, an dem sich der Schöpfungsakt vollzogen hat, d. h. das Zentrum der Welt, der Ort durch den die axis mundi verläuft, die die Erde und den Menschen auf dem kürzesten Wege mit dem Himmel und dem Schöpfer verbindet, und 'der Anfang', die Zeit der Schöpfung. Was im Schöpfungsakt ins Dasein gerufen wurde, kann und muß im Ritual wiederholt werden, denn nur diese Wiederholung garantiert die Sicherheit und das Wohlergehen des Kollektivs. […] Um den Schöpfungsakt im Ritual wiederholen zu können, muß das 'Zentrum der Welt' und der Augenblick gefunden werden, an dem die profane Zeit-Dauer zerreißt, die Zeit stehenbleibt und das entsteht, was 'am Anfang' war. […] Der Feiertag bildet durch seine Struktur eine Grenzsituation nach, in der aus dem Chaos der Kosmos entsteht; er beginnt mit den Handlungen, die dem widersprechen, was im jeweiligen Kollektiv als Norm gilt, mit der Negation des bestehenden Status, und endet mit der Wiederherstellung eines organisierten Ganzen, dadurch, daß die Elemente von Kosmos und Chaos durch ein System von Oppositionen getrennt werden.47

Sagen wir, ein Schriftstellerkongress ist ein profaner Feiertag und die Reden sind Sprachhandlungen, rituelle Handlungen, in denen die Grenzsituation von Chaos und Kosmos

46English 1994, 590–592.

47Toporov, kosmologisch, 593.

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MYTHOS nachgebildet wird — wie müsste die kosmogonische Erzählung aussehen? Laut Toporov setzt das gewöhnliche Schema zwei Teile voraus:

Der erste ist dem gewidmet, was 'vor dem Anfang', (d. h. vor dem Schöpfungsakt) war, der Beschreibung des Chaos; er wird in der Regel durch eine Serie negativer Urteile ausgedrückt von der Art 'Und da war weder existierendes, noch Nicht-Existierendes; weder Himmel noch Erde; weder Tag noch Nacht; weder Leben noch Tod…' […] Der zweite Teil des Schemas besteht dagegen aus einer Serie positiver Urteile über die fortschreitende Erschaffung der Elemente des Weltgebäudes von der Art 'Und Gott sprach; es werde Licht; und es ward Licht. […].48

Dieser zweite Teil ist oft in Etappen gegliedert, so wie die sieben Tage der Genesis. Die für unsere Zwecke relevanten Punkte, die Toporov als Besonderheiten der kosmogonischen Erzählung auflistet sind erstens, dass der Text entsprechend den Schöpfungsereignissen, die auf den Anfang der Ordnung hinweisen gegliedert ist; zweitens wird die fortschreitende Organisation des Raumes beschrieben, drittens der Zeugungsvorgang eingeführt. Es findet viertens ein Abstieg vom Göttlichen zum Historischen/Menschlichen statt und fünftens ist das letzte Glied der kosmologischen Reihe mit dem ersten der historischen kongruent. Sechstens werden die Verhaltensregeln im Kollektiv beschrieben. An der Nahtstelle zwischen kosmologischer und historischer Reihe (die man mit dem Auftauchen den Mitgliedern des Soziums ähnlicher menschlicher Wesen ansetzten kann) tritt gewöhnlich der Kulturheros auf:

[…] der Kulturheros, der den Aufbau des Kosmos (gewöhnlich bereits in irdisch begrenztem Maßstab) vollendet und die entsprechende kulturhistorische Tradition dadurch eröffnet, daß er für die Mitglieder des Kollektivs die Normen des sozialen Verhaltens erläßt. Vgl. Beispiele wie Prometheus bei den Griechen, Tane bei den Maori, Doch bei den Keten […].49

Die kosmologischen Texte umfassen laut Toporov drei Schemata: "1) kosmologische Schemata im eigentlichen Sinne, 2) Schemata, die das Verwandtschaftssystem und das der Heiratsbeziehungen beschreiben 3) Schemata der mythologisch-historischen Tradition." Nennen wir sie der Einfachheit halber k o s m o l o g i s c h e s S c h e m a, g e n e a l o g i s c h e s S c h e m a und m y t h o l o g i s c h - h i s t o r i s c h e T r a d i t i o n. Genealogisches Schema und mythologisch-historische Tradition sind zusammen die historische Überlieferung, sie bilden zusammen den Zeitraum des Kollektivs von den Ahnen in der Vergangenheit bis zu den Nachkommen in der Zukunft. Wir haben also eine Erzählung, wie die Ordnung entstand, dann eine Auflistung der Ahnen der bestehenden Gemeinschaft und schließlich eine Sammlung von Überlieferungen, die die Gemeinschaft betreffen. Aufgabe des folgendes Kapitels wird es sein, diese Elemente in den rituellen Texten im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952 zu finden. Die

48Op. cit. 595.

49Op. cit. Anmerkung 35. Doch ist der Name eines Helden in der Mythologie des Volkes der Keten.

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MYTHOS Verbindung von Mythos und Ritual, die dieser Vorstellung zugrunde liegt, ist klar; behalten wir sie so lange bei, wie wir dieses Modell ausprobieren: Das Ritual ist sozusagen die Aufführung eines mythopoetischen (sakralen) Textes. Der Text ist in diesem Zusammenhang nicht der Wortlaut, der das Ritual begleitet, sondern die kosmogonische Erzählung auf der Ebene des Zeichensystems. Andersherum gesagt ist der Mythos die Textgrundlage des Rituals (vergl. die Libretto-Metapher von Seite 33, die zur Erklärung der Entstehung des Mythos diente). Das Ritual, zu dem der kosmologische Text gehört, dient dazu, in der für den mythopoetischen Menschen kritischen Phase des Jahres, am Ende des alten und am Anfang des neuen Jahres, den Schöpfungsakt symbolisch zu wiederholen und so den Fortbestand des Kosmos zu sichern.

Fig. 1: die Elemente des mythopoeti-schen (sakralen) Textes

[Bild]

Es ist den Leserinnen und Lesern bestimmt nicht entgangen, dass all diese Definitionen sich auf eine Zeit beziehen, die längst vorbei ist. Die mythopoetische Zeit ist die Zeit vor der Entstehung des historischen, linearen, logisch-diskursiven Denkens. Toporov ortet diesen Übergang erstmals im ersten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung. Obwohl er auf verschiedene Parallelen zwischen der modernen Historie und der kosmogonischen Erzählung hinweist, beharrt er darauf, dass die gleichzeitige Existenz von Kosmologie und Geschichte ausgeschlossen sei.50 Nun ist es aber spätestens seit Roland Barthes' Mythen des Alltags (1957), in denen sich der Autor mit Billy Graham, Strip-tease und dem neuen Citroën als Mythen beschäftigt, möglich, Mythen in der modernen Welt semiotisch zu beschreiben. In jüngerer Zeit legten die deutschen Wissenschaftler Rolf Parr und Wulf Wülfing Arbeiten zur Mythenbildung im 19. Jahrhundert anhand stereotypisierter Biographien (Wülfing 1990 in Koch 1990) vor, z. B. anhand der Biographie Bismarcks (Parr 1989). Es soll nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, zu entscheiden, wie diese Theorien zusammenpassen (oder nicht) und welche Theorie über das mythopoetische Denken im Verhältnis zum modernen die bessere sei. Der Hinweis auf eine Diskussion bei Lévi-Strauss, Lotman/Uspenskij und Clifford Geertz soll hier genügen51. Der Grund, weshalb ich mich der sovjetischen Texte bediene, liegt darin, dass sie eine genaue und fundierte Beschreibung eines kosmologischen Mythos geben. Analog zum säkularen Ritual, wie es David Kertzer in "Ritual Politics and Power" (1988) beschreibt, schlage ich einen s ä k u l a r e n M y t h o s als Arbeitsbegriff vor.

50Op. cit. 599–612.

51Lévi-Strauss 11-36. Lotman/Uspenskij 1973. Geertz 1996.

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Wir wollen also wissen: welches ist der Ursprungsmythos im jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs? Wir suchen nach einem kosmogonischen Schema, das das Chaos, die Zeit vor dem Anfang (dem Schöpfungsakt) anhand negativer Serien und die Zeit danach mit positiven Urteilen beschreibt. Dabei soll der Raum fortschreitend organisiert werden und die Handelnden sollen in der Urzeit (kosmologischen Zeit) leben. Wir suchen nach einem genealogischen Schema, in dem der Generierungs- oder Zeugungsvorgang eingeführt wird und das sich vom Göttlichen zum Menschlichen/Historischen bewegt. Wir suchen nach der mythologisch-historischen Tradition. Die beiden letzten Schemata haben je eine kosmologische und eine historische Reihe, an deren Nahtstelle ein Kulturheld auszumachen sein sollte.

3.1.1 Triade: altes Jugoslavien – NOB – Aufbau

Kehren wir wieder zu den Stereotypen zurück, die wir am Anfang und am Ende der rituellen Handlung Rede gefunden und zu Triaden zusammengefasst haben. Übrigens verwendet auch Vjačeslav Vsevolodovič Ivanov Initial- oder Finalpositionen für seine Argumentation (die Hervorhebungen stammen von mir):

Einige römische Rituale, die mit dem Feuer zusammenhängen, haben wahrscheinlich einen gesamtindoeuröpäischen Ursprung. Wie Dumézil […] festgestellt hat, entspricht die römische Sitte, jedes Opfer oder Gebet mit der N e n n u n g Vestas zu b e e n d e n, der Stellung, die Agnis im 'Rgveda' entweder z u B e g i n n o d e r a m E n d e der rituellen Götteraufzählungen einnimmt […].52

Zurück zur Triade. Sie taucht in verschiedenen Varianten auf (1 – Zusammenbruch oder Katastrophe; 2 – Krieg oder Revolution; 3 – Aufbau, Freiheit, Sozialismus oder neuer Staat53). Radovan Zogović verbindet 1946 zum Beispiel 1. slom stare Jugoslavije, 2. četverogodišnja Narodno-oslobodilačka borba, 3. bitke za obnovu i dalji razvitak industrije, poljoprivrede, saobraćaja, za demokratizaciju i razvitak kulture.54 Andrić reiht im selben Jahr folgende Begriffe aneinander:

Tek kada je došlo do [1] katastrofe 1941 g. i kad je posle toga ponikla iz dubina naroda [2] Narodno-oslobodilačka borba, i kad je ta borba, kao plod svoje [2] pobede, dala [3] našu

52Ivanov, römisch, 560.

53Siehe z. B. Odluke plenuma uprave Saveza književnika jugoslavije 1949, 73.

54Zogović 1946, 858.

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MYTHOS današnju novu narodnu državu Federativnu Narodnu Republiku Jugoslaviju i u njoj [3] obnovoj kulturnog života i ravnopravnost, bratstvo i jedinstvo naših naroda […]55

Interessant ist in diesem Text Andrić' das Bild der Pflanze N O B, die wie ein Baum aus dem Volk emporwächst und deren Frucht der Aufbau ist, im Zusammenhang mit dem Mythos vom Weltenbaum (vergl. Seite 35) und bezüglich des Akteurs des literaturpolitischen Diskurses, von dem weiter unten die Rede sein wird (Kapitel 5.3 Naši narodi — naš socijalizam, Seite 93). Wenn die Literatur zum gleichbereichtigten Teil der Triade erhoben wird, fällt "der Zusammenbruch" weg, oder die Triade wird erweitert:

erweitert: [1] anarhično polukolonijalno stanje; [2] vodstvo partije i druga Tita; [3] put socijalističke izgradnje; nov život; [4] područje k n j i ž e v n o s t i.56

ersetzt: [1] revolucionarni faitaccompli; [2] FNRJ; socijalistička izgradnja i naša prva petoljetka; [3] naša socijalistička k n j i ž e v n o s t.57

Natürlich wäre es möglich, die Subjekte anders anzuordnen. Nur interessiert uns hier eher der Zusammenhang zur L i t e r a t u r. Die Triade ist unser erster Anhaltspunkt für die kosmogonische Erzählung: der anarchische, chaotische Zustand verwandelt sich durch den Volksbefreiungskampf NOB in das neue Leben, den sozialistischen Aufbau oder die sozialistische Literatur, kurz in einen Kosmos.58

3.1 Die Jugogonie: NOB

Im letzten Kapitel haben wir, ausgestattet mit einer Mythostheorie die Triade ermittelt, die dem jugogonischen Mythos zugrunde liegt (Chaos – NOB – Aufbau). Nun geht es uns aber speziell um die Erzählung über die Entstehung der jugoslavischen L i t e r a t u r. Wir konnten oben sehen, dass der grundlegende Satz als letztes Glied, als zweiten Teil der kosmologischen Erzählung, verschiedene Subjekte haben kann. Konzentrieren wir uns auf die Literatur und ihre Geburt.

55Andrić 1946, 506.

56Šegedin 1950, 4.

57Krleža 1950, 17.

58 Vergl. Goljev??ek 1982, 32–62.

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MYTHOS 3.1.1 Literatur und NOB

[…] naš narod se pokazao kolosalno - u svakom pogledu. On se sjajno pokazao u ratu. Ali on se nije borio samo zato što je, kako se govorilo, ratnički narod. Ne. Mi smo ratovali da bismo stvorili nešto bolje, mi smo u borbi imali velike ciljeve, koje sada u miru brzo ostvarujemo. A da bismo to bolje ostvarili […] moramo dati našem narodu znanje, […] unaprediti ga.59

Dass etwas höheres als nur die Erringung der Macht das Kampfziel im NOB gewesen sei, stellt Tito in diesem Zitat den Schriftstellern anheim, die in einer Audienz anlässlich des ersten Schriftstellerkongresses 1946 bei ihm weilen durften. Die Verbindung von Literatur und Befreiung, wie sie hier sichtbar wird, indem Tito Kultur als eigentliches Kriegsziel darstellt, dient vom funktionalen Standpunkt gesehen, zur Verbindung der Identität der n e u e n Autorität mit der p r ä e x i s t e n t e n Literatur. Im literaturpolitischen Diskurs definiert die Autorität als ihren eigenen Ursprung und als Geburt der Literatur den Volksbefreiungskampf. Die staatliche Autorität versucht also im literaturpolitischen Diskurs, ihren Diskurs mit dem literarischen zu verbinden und behauptet deshalb, die Literatur sei wegen des NOB entstanden, obwohl sie natürlich älter ist. Dies kann auf zwei Arten verbalisiert werden: e r s t e n s durch die Behauptung, ohne die Befreiung könne die jugoslavische Literatur gar nicht existieren; z w e i t e n s durch die Behauptung, die jugoslavische Literatur sei eigentlich erst im Befreiungskampf entstanden. Beides heißt: der NOB ist der Ursprung der Literatur (und der Kultur). Die neue Autorität entstand im NOB. Neue Autorität und Literatur sind verbunden. Neue Autorität ist Kultur. Nicht-neue-Autorität ist Unkultur oder: Neue Autorität ist Kosmos. Davor war Chaos. Diese Darstellung können wir auch vom nicht-funktionalen Standpunkt vertreten. Man kann diese Verbindungstechniken (Autorität und Kultur) in verschiedenen einfachen Sätzen ausgedrückt finden und wir werden sie weiter unten durch Zitate belegen. Behauptung 2) wird ausgedrückt mit den Sätzen: das Volk lernte durch den Befreiungskrieg (Literatur) lesen; der Schriftsteller stellte sich im Befreiungskampf auf die Seite des Volkes; der Schriftsteller ist im NOB erst zum Schriftsteller geworden.

Die erste Variante des Satzes vom NOB als Ursprung der Literatur lautet wie gesagt NOB ist Voraussetzung der Literatur. Die Unterscheidung zwischen den beiden Varianten ist deshalb sinnvoll, weil es zwei Arten von Literatur oder Literaten gibt, die in den Ursprung integriert werden sollen: die sich den Partisanen anschlossen und andere. Der erste Satz bezieht sich auf die Literatur, die nicht als Kriegsliteratur entstanden ist, also entweder vor dem Krieg oder danach oder aber währenddessen, aber nicht unter den Partisanen. Das trifft etwa auf Andrić und Krleža zu; Nazor hingegen hatte bewusst seine schriftstellerischen

59Tito 1946, 1.

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MYTHOS Aktivitäten mit den Partisaneneinheiten verbunden. Deshalb ist dazu noch einiges im Kapitel Die Jugologie:Ahnen/Kontinuitäten und Kapitel 5.1 Chaos und Kosmos: Alt und Neu zu sagen. Im Falle von Schriftstellern wie Andrić behilft man sich mit einer anderen Verbindung zur Partisanen-Volksbefreiung, indem man sagt, der NOB gebe als Ursprung neuer Verhältnisse der Literatur erst ihren Sinn. Diese Sinngebungsstrategie kommt bei Popović zum Ausdruck, wenn er die "schweren Kriegsjahre" als "Inspiration für den literarischen Ausdruck" bezeichnet oder den "Volksstaat" die objektive Vorraussetzung für die Entwicklung der jungen Talente nennt60.

Andererseits wird der Krieg auch als schädlich eingestuft, weil er schlechte Bedingungen für die neue Literatengeneration geboten habe. Andrić erwähnt diese Seite des Krieges aber wohlweislich nicht in den symbolisch relevanten Anfangs- oder Endteilen seiner Rede (siehe oben) und außerdem heißt der Krieg in diesem Fall auch "Krieg" und nicht "nationaler Befreiungskrieg". Andernfalls würde sich Andrić außerhalb der Grenzen des Diskurses begeben. Um in diesem Rahmen zu bleiben, fügt der Präsident des SKJ vorsichtshalber hinzu, ohne Krieg und Aufbau hätten die Literaten heute keine so großen Möglichkeiten wie mit ihnen.61

3.1.2 "Literatur entstand im NOB "

U toku rata se razvila u čitavom našem narodu […] ogromna ljubav za knjige.62

U ratu je svaki od nas mogao vidjeti s koliko je volje i ljubavi naš borac, pod najtežim uslovima neprestane borbe, učio i čitao.63

In diesen beiden Zitaten (eines stammt vom großen Marschall) geht es um die zweite Behauptung, die zweite Einbindungsstrategie: die Geburt der Literatur im NOB. Dafür gibt es zahlreiche Belege. Radovan Zogović etwa verneigt sich in seiner instruktiven Rede (Programmpunkt vier eines Kongresses) vor den Schriftstellern ("književnici-antifašisti"), die ihr Leben für "die Freiheit von Heimat und Kultur" ließen und wiederholt so die Ritualhandlung Totengedenken vom Anfang des Kongresses64. Kulenović schreibt, die kulturellen Aufgaben seien schon während des Krieges wahrgenommen worden — er

60Popović 1946, 1–5.

61Andrić 1946, 508f. Siehe auch Popović 1946, 5.

62Vošnjak 1945, 63.

63Tito 1946, 1.

64Zogović 1946, 865.

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MYTHOS verwendet dabei dieselben Worte wie Tito: "pod najtežim uslovima".65 Diese beiden Beispiele illustrieren wiederum zwei von drei Möglichkeiten, die Geburt der Literatur im NOB darzustellen: 1. Schriftsteller fielen im Kampf. 2. im Krieg gab es kulturelle Aktivitäten. Die zweite Darstellung gipfelt in der Anekdote, so mancher Kulturarbeiter im Felde habe Bücher statt Brot in seinen Tornister gepackt.66 Die dritte Möglichkeit ist: im Krieg wurden neue soziale Schichten in die Kultur eingebunden. Die Alphabetisierung, die der Partisanenbewegung zugeschrieben wird und die Einbindung von neuen sozialen Gruppen – meist kurz "Volk" genannt – in ihr Bildungs- und Propagandasystem, dient zum Nachweis, die Partisanenbewegung habe der Literatur neue und entscheidende Leserschichten zugeführt. So schreibt etwa Kulenović weiter, noch nie zuvor hätten so viele Bücher so durstige Leser gefunden wie im Krieg.67

Diese Behauptungen können auch mit dem Slogan Demokratisierung der Gesellschaft verbunden werden. Es wird etwa behauptet, auch die Literatur sei durch den Partisanenkampf demokratisiert worden; das sei der "demokratische Inhalt der Kulturarbeit". Dieses Motiv taucht meist in Texten auf, in denen vom Erwachen junger Talente in den Partisaneneinheiten die Rede ist oder davon, dass die "breite Masse" der Jungen hier zum ersten Mal mit Kultur in Kontakt kam und ernstgenommen wurde.68 Der NOB wird in dieser Behauptung zur Geburtsstätte aller Sparten der Kultur, nicht nur der Literatur der gebildeten Erwachsenen69. Dass alle "neuen Formen des Kulturlebens der jugoslavischen Völker" im Befreiungskrieg entstanden seien, weist deutlich auf den Mythos hin, in dem die Kultur oder der Kosmos geboren wird70. Die entsprechenden Sätze stehen natürlich nicht isoliert im Text. Es wird durchaus begründet, weshalb Literatur (und nicht etwa TNT oder Hälse Abschneiden) so eine wichtige Rolle im Krieg gespielt habe. Ein Erklärungsmuster für diese Behauptungen sind die Berichte, wie die "Kultur half, die Härten des Krieges zu ertragen".71

65Kulenović 1946, 43.

66Vošnjak 1945, 63.

67Kulenović 1946, 43.

68Vošnjak 1945, 61f.

69Jugendkultur siehe Tošović 1949, 883, Pflichterfüllung Zogović 1946, 863,und Tito 1946, 1.Siehe auch Vujović 1950, 44,

70Đilas 1948b, 1.

71Vošnjak 1945, 64f.

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MYTHOS Von dieser jugogonischen Erzählung abweichende Darstellungen des Krieges sind unerwünscht, besonders wenn sie sich dem Verdacht aussetzen, sie stellten die Partisanen wie Banditen dar, so wie 1948 die Novelle 'Djevojačke oči za Pavelića' nach der Meinung von Boris Ziherl.72 Zwar wird schon 1945 konzediert, dass nicht alle Produkte der Partisanenkultur von hohem künstlerischen Wert waren (eher im Gegenteil)73, aber in r i t u e l l e n Texten wird bis zum Schluss des Betrachtungszeitraums die Behauptung 2)) verwendet, so auf dem Laibacher Kongress in der Grussbotschaft von Miha Marinko, dem Vorsitzenden der slovenischen Republiksregierung:

Med narodno osvobolidno borbo je bilo u[s]tvarjenih mnogo del ki bodo nedvomno ostala trajna in svetla umetniška pričevanja o tej veliki dobi. Ta dela so ustvarili tisti kulturni delavci, ki so neposredno sodelovali v junaški borbi naših narodov za osvobojenje […].74

Auf dem ersten Kongress 1946 wurde der Satz auch von einem "Fachmann", Generalmajor Otmar Kreačić, bestätigt:

[…] su [armejini] borci i rukovodioci duboko zainteresovani vašim radom […] znači da se naša armija sa poštovanjem odnosi prema istinskoj umjetnosti naših naroda […]. U našoj oslobodilačkoj borbi nije bio rijedak sjučaj da se partizan-borac ili komandir latio pera da opiše svu veličinu borbe koju je vodio on i njegova jedinica…75

3.1.3 NOB ist Voraussetzung der Literatur

Die Behauptung 1), ohne den NOB könne die jugoslavische Literatur gar nicht existieren, bezieht sich meistens auf die Freiheit, die den Literaten nach dem Krieg gegeben worden sei, besonders mit Hinweis auf die Zensurpraktiken der Zwischenkriegszeit. Dabei wird besonders stark auf außerdiskursive Sachverhalte Bezug genommen. Das ist logisch, denn in der Argumentation 1 ist die Verbindung zwischen Literatur und Befreiung nur indirekt über das Subjekt der Ursprungserzählung herstellbar: das Wiedergeborenwerden des slovenischen M e n s c h e n im Befreiungskriege ist ein gutes Beispiel dafür.76 Variiert wird das Motiv in den Stereotypen, man habe aus Nichts etwas Großartiges geschaffen77 und sich als einziges

72Ziherl 1948,5.

73Vošnjak 1945, 64; Alečković 1945, 79.

743 kongres književnika Jugoslavije 1952, 2.

75Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 478.

76Ziherl 1948,5. Dieser Artikel erschien erstmals auf Slovenisch in Novi svet.

77Kulenović 1946, 52.

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Balkanvolk selbst befreit78, der "Wald", also die Partisanen hätten die Kultur mit der Waffe in der Hand gestärkt79 und nur deshalb sei sie das Gut aller geworden und nicht nur weniger Parasiten80. In der Metapher des Waldes wird der mythische Charakter dieser Strategien besonders augenfällig. Wenn Ervin Šinko in der Diskussion über Krležas Referat daran erinnert, die Freiheit sei nicht 1948 nach der Moskauer Resolution ausgebrochen, sondern 1941 "im ersten Dorf, das die Partisanen befreiten" und diese zweite Revolution sei nur die logische Folge der ersten,81 geht es darum, die Ersetzung des Gründungsmythos NOB durch einen anderen zu verhindern. Dazu aber mehr im diachronen Teil.

Ein weiterer Beleg für die Bedeutung des Mythos ist, dass Kritikern Jugoslaviens, zum Beispiel den Verfassern der Informbüro-Resolution in erster Linie R e s p e k t l o s i g k e i t gegenüber den sakralen Grundlagen der Gemeinschaft vorgeworfen wird.:

Tko to ne vidi, t. j. tko ne vidi ili ne će da vidi i prizna našu Narodnu revoluciju i sve, što je ona stvorila ustvari – htio to ili ne htio – poriče i oslobodilačku borbu naroda Jugoslavije i 29. novembar.82

Der 29. November ist übrigens auch als Symbol in das jugoslavische Staatswappen eingegangen. Im Gegensatz zur Symbolik der sechs Republiken (die in Form von Fackeln im Wappen auftaucht und bezüglich der Schriftstellerkongresse eingehend beschrieben wurde), ist das wichtige Ritual des Befreiungstages nicht im Korpus enthalten gewesen. Weiter. Der Vorwurf, ein Sakrileg begangen zu haben kann auch allen S c h r i f t s t e l l e r n gemacht werden, die als subjektivistisch kritisiert werden. Sie betonen angeblich den Kampf, der Vater des neuen Staates sei, zu wenig, sie anerkennen die Sakralität der Geburtserzählung nicht.83 Das ist ein schwerwiegender Vorwurf, denn in Gegenwart des Sakralen ist, wie wir gesehen haben, Ehrfurcht geboten.

Die Bedeutung des NOB wird natürlich besonders von den Anhängern der Partisanenliteratur betont, denn "nur der Freiheitskampf konnte kollektive und individuelle Helden hervorbringen, die in dieser Sammlung [von Partisanenliteratur] schreiben und

78Krleža 1950, 15.

79Kulenović 1946, 43.

80Kulenović 1946, 41.

81Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 13.

82Odgovor jugoslavenskih književnika sovjetskim književnicima F. Glatkovu, N. Tihonovu i drugima 1949, 183.

83Popović 1946, 1.

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MYTHOS beschrieben werden".84 Deshalb erfreut sich in literaturpolitischen Texten der Krieg auch als Beschreibungsobjekt besonderer Beliebtheit: "Postoji kod današnje naše mlade generacije, pravi zanos da se odrazi […] veličina našeg oslobodilačkog rata i narodne revolucije, napor i lepota naše današnje socijalističke izgradnje."85

*

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Fig. 2: Schematische Darstellung der Transformationen

In den letzten kleinen Kapiteln haben wir mehrere Sätze unterschieden, die auf einen Satz zurückgeführt werden können. Dieser eine Satz wiederum existiert in zwei Varianten, je nach dem Gegenstand, um den es geht. Die tiefste Ebene habe wir soeben beschrieben mit Im Krieg entstand aus dem Chaos der Kosmos oder …wurde Kultur von Unkultur getrennt. Der nächsthöhere Satz Der Krieg ist der Ursprung der Literatur kann übersetzt werden in Im Krieg gab es literarisch-kulturelle Aktivitäten und das wiederum in Der Kämpfer griff zur Feder. Soll über Nicht-Partisanen gesprochen werden, so kommt auf oberer Ebene ein Satz heraus wie Der Krieg inspiriert die Literatur. Alle diese Sätze bilden die kosmogonische Erzählung. Der Text ist, wie auf Seite 37 gefordert, nach den Schöpfungsereignissen gegliedert, das heißt, die Ereignisse haben einen festen Platz in der Chronologie. Die Graphik Fig. 22 fasst die Transformationsverhältnisse der kosmogonischen Erzählungen, wie sie im letzten Kapitel dargestellt wurde, noch einmal anschaulich zusammen.

3.2 Die Jugologie:Ahnen/Kontinuitäten

Nach der kosmologischen Erzählung soll nun das von Toporov (S. 37f.) geforderte genealogische Schema folgen. Das ist der Stammbaum der Gemeinschaft. Er reicht von den Generationen, die in der Urzeit leben, bis zur gegenwärtigen Gemeinschaft. Solche Genealogien kennen wir aus der kroatischen Frühen Neuzeit (dass zum Beispiel ein Frankopan von einem Frangipan abstammen kann), ebenso wie aus der österreichischen (ein Habsburger behauptet seine Abstammung von einem Julier). Dieser Teil der Genealogie gehört zur mythischen/kosmologischen Reihe. Die historische Reihe ist nach der Definition Toporovs durch die Beteiligung menschlicher Wesen bestimmt, "die den Trägern der entsprechenden Tradition ähnlich sind," und durch "Ereignisse[n], die das aktuelle

84Alečković 1945, 78.

85Za nova pregnuća 1949, 865.

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Gedächtnis des Kollektivs […] erfassen kann."86 Es gibt also eine ä h n l i c h e r e o d e r n ä h e r e Reihe. In beiden Reihen werden nach Toporov die Verwandtschafts- und Heiratsbeziehungen beschrieben. Sie lassen sich leicht in Kontinuitätslinien übersetzen: die Grundaussage ist, dass die gegenwärtige Gemeinschaft durch die Vorboten oder Ahnherren in der Vergangenheit irgendwie generiert wurde.

Krleža schlägt 1949/50 in seinem vorbereiteten Diskussionsbeitrag einen Bogen vom Karolingischen Frieden bis "heute", indem er den ewigen Existenzkampf des jugoslavischen Volkes einführt, das ebenso wie die Literatur in den Schlachten von Jahrhundert entstanden sei und spricht von der Geburt der Literatur heute: "[…] književnost danas rađa se isto tako pod vješalima i topovima, u vrtlogu ratova i revolucija već više od trideset godina."87 Von einem jahrhundertelangen Kampf spricht auch Risto Tošović, Sekretär des SKJ 1952 in Ljubljana:

Ovo osećanje životne povezanosti književnika sa težnjama i sudbinom cele naše zajednice, koja se, po ceni mnogih teškoća i žrtava, probija kroz vekovnu kulturnu i ekonomsku zaostalost prema lepšoj budućnosti […].88

Entscheidend wird bei der folgenden eingehenden Betrachtung der Genealogien, die konstruiert werden, welche Kontinuitäten ausgewählt werden. Diese Auswahl ist im literaturpolitischen Diskurs hart umkämpft und nicht zuletzt die Änderung der ausgewählten Kontinuitäten markiert die Grenzen dieses Diskurses und wird deshalb im diachronen Teil beschrieben. Die Kontinuitäten definieren die Grenzen der Kultur in der Zeit und im Raum.

3.2.1 Genealogie

Die Genealogie ist der zweite Teil des kosmologischen Textes insgesamt. In der Genealogie unterscheiden wir der Übersicht halber literarische und nichtliterarische Kontinuitäten. Dieses Kapitel beginnt mit literarischen Kontinuitätslinien. Solch eine Kontinuität, auf die die Genese der Literatur zurückgeführt wird, könnte der Sozialistische Realismus sein, wie das folgende Zitat nahelegt. Ob sich diese Vermutung bestätigen lässt, werden wir nun untersuchen:

86Toporov 1973, 598.

87Krleža 1950, 14f.

883 kongres književnika Jugoslavije 1952, 2.

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MYTHOS […] tako književnost socijalističkog realizma nastavlja najbolje književne tradicije. Mi […] spasavamo kulturnu baštinu prošlosti, […] reakcioneri, mračnjaci, uništavaju kulturnu baštinu […].89

Sozialistischer Realismus

Bevor wir uns aber der Frage zuwenden, ob Sozialistischer Realismus als literarische Kontinuitätsbildung im genealogischen Schema des Mythos im literaturpolitischen Diskurs bezeichnet werden kann, einige Bemerkungen zum Korpus. Im Kapitel 3.1.1 Triade: altes Jugoslavien – NOB – Aufbau[Der Inhalt, auf den verwiesen wird, fehlt.] wurde der kosmologische Mythos (kosmologisches Schema) mittels der Triaden in den Anfangs- und Endpassagen ritueller Texte (Kongressreden) ermittelt. Bei der Bearbeitung des zweiten Teils des Mythos, dem genealogischen Schema weite ich nun die verwendeten Texte aus, und zwar auf die volle Länge der Redetexte (das zwischen Anfang und Ende Gesagte) und auf wichtige Artikel in Literaturzeitschriften, die nicht undbedingt Reden sein müssen. Erstens ist diese Vorgehensweise nötig geworden, da die Einleitungspassagen für die Ermittlung komplexerer Zusammenhänge zu stereotyp und vor allem zu kurz sind und zweitens ist es möglich: es ist uns gelungen, uns über die stereotypen Initial- und Finalstellen dem Grundschema der Ursprungserzählung zu nähern. Dadurch haben wir nun einen Anhaltspunkt, wonach wir suchen können, nämlich nach weiteren Belegen für diesen Mythos in weniger stereotypen Texten. Das Interesse wird sich in diesem Abschnitt also auf dieselben Stereotypen richten, aber in weniger rituell formalisierten, aber dennoch nicht alltäglichen Texten. Ausgehend von den stark formalisierten Texten werden wir auch Anhaltspunkte für die Schemata (kosmologisch, genealogisch und Überlieferung) des Mythos suchen. Eine größere Streuung der Aussagen und eine Häufung der Brüche müssen wir in Kauf nehmen. Mehr zu dieser Problematik, wird am Ende des Kapitels 3 Mythos und am Anfang von Die imaginierte Gemeinschaft zu sagen sein.

Das Einleitungszitat von Marin Franičević ist der einzige Beleg von einem literaturpolitischen Ritual, in dem Sozialistischer Realismus überhaupt positiv erwähnt wird. Weitere rituell relevante Belege finden wir nur in Texten, die gleichzeitig zum Literaturpolitischen Diskurs und zu Nachbardiskursen gehören: Radovan Zogović, der jugoslavische Ždanov (im Kleinformat allerdings), bescheinigt auf dem fünften Kongress der KPJ der jugoslavischen Literatur die größte Reinheit unter allen Kunstsparten. Die hervorragendsten realistischen Schriftsteller, sagt er, gingen zur Position des Sozialistischen Realismus über und die jungen Talente gingen schon von ihr aus. Wenig später wurde Zogović wegen seiner Parteinahme für die Sovjetunion aus der Partei ausgeschlossen. Dieser 89Franičević 1948, 7.

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MYTHOS Beleg gehört also eher in den diachronen Teil. Franičević hielt die eingangs zitierte Rede zwar zu einem rituellen Anlass, aber auf einem niederen, dem Treffen der Jungschriftsteller Kroatiens. Niedrig ist dieses Ritual deshalb, weil die Äußerungen in seinem Verlauf mehr Zufälligkeiten ausgesetzt sind, als auf einem Schriftstellerkongress.

Ali kao što je kapitalizam u svom razvoju stvorio svoga vlastitog grobara — klasu proletarijata, tako su u okviru buržoaske kulture nikli prvi začeci nove kulture i nove umjetnosti, koja se naslanja na najbolje tradicije kritičkog realizma. To je književnost, to je umjetnost socijalističkog realizma, koji je po prvi put definirao genije Josipa Visarionovića Staljina, a koji se javlja prije velike Oktobarske revolucije u djelima Maksima Gorkoga. […] tako književnost socijalističkog realizma nastavlja najbolje književne tradicije.90

Der Begriff des Sozialistischen Realismus ist also kein Teil des Mythos, denn er taucht nicht in den sakralen Texten auf. Es ist auch schwer, zu behaupten, die sozialistisch-realistische Literatur als solche gehöre zur Kontinuitätskonstruierung. Namen wie Nikolaj Semënovič T i c h o n o v, Venjamin Aleksandrovič K a v e r i n, Vera Michajlovna I n b e r, Pavel Grigor'evič A n t o k o l ' s k i j und Todor P a v l o v 91 finden wir als positive Vorbilder erstaunlich selten und nicht in Ritualen. Nach dem Bruch mit Moskau sind sie nicht mehr opportun — im Gegenteil. Gor'kij hingegen dient als einziger fast immer und überall als Kontinuität. Er taucht sowohl in Alltags-, als auch in höheren rituellen Texten auf92. Mit ihm möchte man Verbindungen haben. So weit wie der griechische Dichter Pétros Pikrós, der Gor'kijs Namen kurzerhand ins Griechische übersetzte und als Pseudonym annahm, gehen die Jugoslaven zwar nicht, aber der Name Gor'kijs besitzt so viel Anziehungskraft, dass man ihn dem Feind sogar wegzunehmen versucht. Marin Franičević, der 1947 Nikolaj Semënovič T i c h o n o v noch als Vorbild präsentiert hatte, erklärt 1949, Tichonov sowie Fëdor Vasilevič G l a d k o v und Boris Nikolaevič P o l e v o j (Pseudonym für Kampov) verhielten sich antiproletarisch und verrieten die Größe der russischen Literatur durch ihre nichtleninistische Lügenkampagne. Das habe nichts zu tun mit der Wissenschaft Lenins und des frühen Stalin und sei daher ein Standpunkt, der das Leben Gor'kijs negiere.93 Ervin Šinko macht Gor'kij in seinem Aufsatz "Kulturna baština i socijalistički realizam" zum großen Mann des Sozialistischen Realismus, leitet aber mit einem Zitat von Belinskij ein.94 Der Sozialistische Realismus hat also keinerlei Stellenwert im genealogischen Schema der

90Franičević 1948, 7.

91Franičević 1947,437, 448.

92Franičević 1947, 435; Horvat 1948, 224; Bogdanović 1949; Šinko 1948, 36.

93Franičević 1949b, 843. Die Namen gehören allesamt, mit Ausnahme Pavlovs, sovjetischen Schriftstellern. Siehe Tihonov, Serafimovič, Polevoj, Kaverin, Inber, Gladkov, Antokol'skij 1953.

94Šinko 1948.

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MYTHOS rituellen Texte des offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurses von 1945 – 1952, obwohl er Tradition der Sovjetunion ist, die bis 1948 Vorbildcharakter für Jugoslavien hat. Stattdessen ist Gor'kij eine wichtige Kontinuität, obwohl er zur (ab 1948) feindlichen sovjetischen Literatur gehört. Dieser Name allein erlaubt es aber nicht, von literarischer Kontinuitätsbildung aufgrund des Sozialitischen Realismus zu sprechen.

Realistisch

Der Realismus, besonders der "kritische Realismus" als Vorläufer der eigenen Gegenwartsliteratur ist ein weiterer möglicher Ahnherr, nachdem der Sozialistische Realismus weggefallen ist. Wenn vom Realismus des 19. Jahrhunderts die Rede ist, diskutieren viele Autoren (die meist Anhänger des Sozialistischen Realismus sind) die Frage, wie die kritischen Realisten es in der Zeit vor dem Sieg der Revolution fertigbrachten, wertvolle (d. h. "realitätsverbundene") Literatur zu produzieren, zumal wenn sie persönlich reaktionäre politische Ansichten hatten.

Die Antwort auf den ersten Teil der Frage kann sein, sie als "progressive und revolutionäre Geister" su bezeichnen, weil sie das Leben der Massen zeigten, aber andererseits als "ehrenvolle Ausnahmen", wie etwa Eli Finci schreibt.95 Franičević fällt zum zweiten Teil der Frage – Beispiel Balzac und Gogol' – nur ein: es hat sich seit damals viel verändert.96 Diese Antwort (ein ritueller Sprechakt auf der unteren Ebene) hat er offensichtlich aus Ervin Šinkos Aufsatz über den Sozialistischen Realismus abgeschaut und etwas verkürzt. Šinko argumentiert, dass es einen Schriftsteller heutzutage, da ein sozialistischer Staat existiere, disqualifiziere, sich persönlich nicht zu diesem Staat zu bekennen. Die ein solches Bekenntnis nicht ablegten, seien auch keine guten Literaten. Der Realismus des 19. Jahrhunderts sei aber noch nicht in dieser Verlegenheit gewesen und besonders der russische sei deshalb der Vorläufer der sozialistischen Literatur:

Humanizam, nutarnji patos, povezanost s narodom, povezanost sa zadacima čovječanstva, svijesna borbenost i shvaćanje o stvaralačkoj društvenoj ulozi ljepote spaja velike ruske realiste s umjetnošću socijalističkog realizma.97

95Finci 1949, 3.

96Franičević 1948, 8.

97Šinko 1948, 127.

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Stendhal, Balzac, Flaubert98 aber auch Maupassant und Zola,99 werden in diesem Zusammenhang immer wieder diskutiert. Die beiden letzteren, also die Naturalisten, werden meistens als mechanistisch kritisiert, gelten aber immerhin noch als diskussionswürdig, d. h. wenn nicht inhaltlich, dann gelten sie im Diskurs als ästhetisch vertretbar. Diese Diskussion spielt sich aber in den Zeitschriften ab. Bei rituellen Anlässen wäre eine Diskussion per definitionem nicht möglich. Halten wir fest, dass realistisch ein Attribut ist, das auf jeden Fall bei der Auswahl der Kontinuitätslinien im Vordergrund steht. Dazu kommen aber noch einige andere. Wenn wir alle Attribute gesammelt haben, werden auch die ersten Namen von "Verwandten" oder Ahnen zur Sprache kommen.

Einheimisch und kämpferisch

Naša književnost rodila se u tragičnim olujama i ona plovi s našom civilizacijom između čitave serije brodoloma i katastrofa vjekovima.100

Dieser Satz von Krleža aus seiner (rituell höchst relevanten) Rede von 1952 enthält zwei weitere wichtige Kriterien der Kontinuität, auf die sich die rituellen Handlungen beziehen: es sollte sich um eigene Literatur handeln und sie sollte mit den Kämpfen des eigenen Volkes oder der eigenen Völker in Verbindung stehen, das heißt e i n h e i m i s c h und k ä m p f e r i s c h sein. Es treffen nicht alle Kriterien immer auf alle "Vorfahren" zu, wie sich in den kommenden Absätzen zeigen wird. Aber alle Kriterien, die diskutiert werden sollen, sind – im Gegensatz zum Sozialistischen Realismus – relevant. Natürlich überschneiden sich diese Legitimationslinien. Der als nationaler Vorläufer wichtige Autor kann auch als Realist oder Sozialrevolutionär rechtfertigende Funktion haben. Šenoa zum Beispiel wird in alle drei Schemata hineingepresst, obwohl er eigentlich nur in das des kroatischen Schriftstellers wirklich hineinpasst (abgesehen davon, dass er Tscheche war). Ein Faktor, der bei nichteinheimischen Namen zum Tragen kommt, ist die Strategie, internationale, literaturhistorische oder kunsthistorische Namen auszuwählen, um die Position des Autors zu signalisieren (heute besser bekannt als name dropping).

Besonders wichtig ist die Kontinuität der einheimischen Literatur, die wie erwähnt dazu führt, dass August Šenoa zum Vorläufer gemacht wird, weil ihm die Bedeutung der Volksverbundenheit klar gewesen sei, ja er wird sogar als sozialer Literat interpretiert: "(kojemu je 'socijalni momenat najvažniji')". Die Herkunft der nun folgenden Belege ist

98Franičević 1949b, 846.

99Dubravčić 1950, 349-352.

100Krleža 1952a, 206.

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MYTHOS gemischt. Es sind rituelle und nichtrituelle Sprachhandlungen. Die rituellen werden für die Argumentation hervorgehoben werden — für Franičević zeichnet sich seit Kranjčević die Entwicklung einer fortschrittlichen Literatur ab, während die Moderne mit dem Niedergang der bürgerlichen Klasse im Zusammenhang stehe. Die eine nähere sich dem Volk an, die andere entferne sich von ihm. Damit stelle sie sich letztendlich in den Dienst des Faschismus und verrate das Volk. Die "bessere" Hälfte der modernen Autoren, die das nicht wissentlich täten, gelangten "mehr oder weniger unabsichtlich" auf die Positionen der absichtlichen volksfeindlich-faschistischen Modernysten. Die wahre Literatur entwickle sich "aus dem Flügel des Volkes".101 Diesen Flügel verkörpere eine Linie von Zmaj und Đura, Kranjčević und Nazor über Krleža und Cesarec zu Zogović, sagt Franičević in seiner Ansprache auf dem Treffen der kroatischen Jungschriftsteller.102 Svetozar Marković gilt als Vater des Sozialismus und Realismus und wird entsprechend zitiert.103 In Popović’ Artikel anlässlich des fünften KP- Kongresses steht der Name Marković' fast am Beginn der Linie Marx, Engels, Belinskij, Černy?evskij, August Cesarec.104 Letzterer ist natürlich auch eine Zwischenkriegskontinuität. Halten wir fest, dass eine Kombination der Eigenschaften einheimisch und kämpferisch einen Autoren sicher zum Träger der Kontinuität macht.

Einheimisch

Aber was geschieht mit den Autoren, die sich durch keine direkte revolutionäre Kontinuitätslinie rechtfertigen können? Einige von ihnen werden ebenso gerne als Vorläufer der Gegenwart zitiert, legitimieren aber die neue Autorität anders: die neue Ordnung nimmt die Literaturgeschichte für sich in Anspruch und rechtfertigt sich dadurch (einheimische Kontinuität). Im anderen Fall (kämpferische Kontinuität) behauptet die neue Autorität ihre Präexistenz als revolutionäre Idee. Im Grunde sind beide Prozesse gleichzeitig Inkorporierung von Geschichte in Gegenwart wie umgekehrt. In seiner Rede vor der Jahreshauptversammlungdes DKH, die dem Programmpunkt Nr. 4 im Ritenschema von Seite 27 entspricht (instruktives Referat eines Schriftstellers), macht der Generalsekretär Joža Horvat scheinbar einen Unterschied zwischen unserer gesunden und unserer ungesunden Literatur, das heißt, dass nicht alles Einheimische immer kontinuitätsstiftend ist:

101Franičević 1947, 439f.

102Franičević 1948, 16.

103Krleža 1947, 749.

104Popović 1948, 1.

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MYTHOS Mlade pisce treba odgajati na zdravim tradicijama naše književne historije.105

Wem kann aber die Zugehörigkeit zur gesunden einheimischen Literaturtradition verweigert werden? Explizit ausgeschlossen wird in den relevanten Texten vor der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eigentlich niemand. Die Unterscheidung zwischen gesund und nicht gesund betrifft eine spätere Periode: es geht in erster Linie um die Moderne in unserem Jahrhundert und die Dekadenz Ende des 19. Jh. Damit sind wir an der Nahtstelle zwischen kosmologischer und historischer Reihe im genealogischen Schema angelangt, denn nach der Definition aus der Einleitung zum Kapitel 3 Mythos sind Menschen, die denen in der der gegenwärtigen Gemeinschaft ähnlich sind, ein Indikator für die historische Reihe (man könnte auch von einem Übergang von göttlichen zu weltlichen Vorfahren sprechen — entsprechend dem Absteigen vom Sakralen zum Alltäglichen). Die Schriftsteller der Moderne und der Zwischenkriegszeit sind den gegenwärtigen insofern ähnlich oder näher, als sie offenbar kritisiert werden können, während die Autoren der Zeit davor tabu sind.

Solche Figuren, die tabu oder sakral oder göttlich sind, erfreuen sich vor allem dann besonderer Beliebtheit, wenn sie sich schon im 19. Jh. als nationale Symbolfiguren etabliert haben. Um dem Zusammenhalt der Gemeinschaft, die ja aus mehreren Nationen (oder narodnosti) besteht, zu dienen, sollen derartige Figuren den jeweiligen Brudervölkern nähergebracht werden, wie z. B. der notorische Njegoš durch eine Übersetzung seines Gorski vijenac in die von Blaže Koneski neu geschaffene makedonische Standardsprache.106

Diese mehr nationale als sozialrevolutionäre Legtimationslinie des Einheimischen kann auch zur Verlängerung der einheimischen und kämpferischen Traditionslinie in die völkische Vergangenheit dienen, wie bei der Reihe Gundulić, Križanić, Njegoš, Prešeren, Svetozar Marković, Kranjčević. Die genannten Personen wurden als Vorträumer einer slavischen Zusammenarbeit und Einheit, aber auch einer fortschrittlichen wirtschaftlichen und kulturellen Praxis ausgewählt.107 Die Anknüpfungspunkte am Ende der historischen Reihe sind vielfältig. Anlässlich eines Rituals der unteren Ebene versucht Franičević zum Beispiel, den einheimischen Star-Schriftsteller in die Riege der Sozialistischen Realisten mit dem VILOR (Vladimir Il'ič Lenin Organizator Revolucie) am Schluss zu integrieren. Die entsprechende Namensaufzählung sieht dann folgendermaßen aus: Aleksandr Serafimov

105Horvat 1948, 230.

106Franičević 1949a, 13.

107Zogović 1946, 861.

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MYTHOS Serafimovič (Pseudonym für Popov), Majakovskij, Gor'kij, Tolstoj, Čechov, A n d r i ć, L e n i n.108

Bei der Aneinanderreihung Dositej, Njegoš, Jakšić, Zmaj, Marković hingegen, wird letzterer eher in eine aufklärerische Tradition gestellt.109 Der Generalsekretär Risto Tošović berichtet 1952 dem Schriftstellerkongress von Literaturabenden über bedeutende Künstler: in Serbien über Laza Lazarević, Radodoje Domanović "itd", in Kroatien über Vraz, Njegoš, Kovačić, Marulić, Matavulj.110 Man beruft sich auf dem zweiten Schriftstellerkongress aber auch ganz ohne Zwischenstufe im 19. Jh. auf die frühneuzeitlichen Autoren Marin Držić und Marin Lucić.111 Wir können also davon ausgehen, dass die traditionelle Literaturgeschichte bis zu den Autoren des ausgehenden 19. Jahrhunderts übernommen wird, inclusive ihrer nationalliterarischen Hauptprotagonisten (Lazarević, Njegoš, Držić …). Besonders bezüglich einheimischer Autoren kommt es zu oft ahistorischen Umdeutungen: Živko Jeličić bezeichnete Marin Držić als den Dichter der Armut des 16. Jahrhunderts und das zu einem rituellen Anlass, nämlich der Vierhundertjahrfeier der Erstaufführung der ersten Komödie des Dichters.112 Bora Stanković kommt als Maler des patriarchalen Lebens und der menschlichen Tragödie der Knechtschaft zu Ehren.113 Es wird aber auch eine Reihe nicht einheimischer Autoren immer wieder auch in rituellem Zusammenhang anfgeführt. Wie können sich die fremden zu den eigenen Kontinuitäten dazugesellen? Meistens geht es darum, die jugoslavische Literatur in den weltgeschichtlichen Kontext einzubetten, die jugoslavische Zivilisation als Erbin verschiedener wichtiger zivilisatorischer Traditionen zu legitimieren (die in rituellem Rahmen stehenden Namen sind fett gedruckt), wobei die Auswahl einerseits konservativ und andererseits russophil erscheint:

Gogol';114 Homer, Engels, Plato, Hegel, Lenin; Giotto, Bocaccio, Faust, Dante; Tristan und Isolde, Romeo und Julia; Marx, Shakespeare, Dante, Giotto, Bocaccio, Cervantes, Gil Blas,

108Franičević 1948, 17f.

109Boškov 1950, 86.

1103 kongres književnika Jugoslavije 1952, 2.

111Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 50.

112Živko Jeličić: Pjesnik sirotinje 16. veka. In: Izvor Bd. 6 Jg. 1 (1948). S. 305.

113Gligorić 1950a, 3.

114Andrić 1948, 218.

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MYTHOS Dostoevskij, Moličre, Rabelais, Belinskij, Puškin, Dobroljubov, Stalin, Gor'kij;115 Dante, Gor'kij, Njegoš;116 Shakespeare, Tolstoj, Heine;117 Dostoekvskij;118 Kant;119 Heraklit;120

Die Nachkommen in der Zukunft

Die (im modernen Sinn) zeitlose Struktur des Mythos wird erzeugt, indem kreisartige Zusammenhänge hergestellt werden. Einer dieser Zusammenhänge ist die Darstellung der genealogischen Kontinuität in der Vergangenheit und in der Zukunft (siehe Seite 37). Toporov nennt als Beispiel die Natchez, von dem berichtet wird, wie es auf der Flucht die Generationenverhältnisse räumlich darstellt: "den Zug eröffneten die Krieger, die die Gebeine ihrer Ahnen trugen, und die Frauen mit den Neugeborenen auf den Armen schlossen ihn ab"121. Eine ähnliche Struktur hat die weiter oben bereits zitierte Darstellung Zogović' (auf dem KP-Kongress, S. 48), die älteren realistischen Autoren lernten die Methode des Sozialistischen Realismus und die jungen Talente wüchsen mit ihm auf. Andere Äußerungen in die gleiche Richtung, wie jene, die älteren Schriftsteller müssten den jüngeren helfen, sind Legion.

Ivo Andrić will auf dem ersten Kongress die alte und die junge Generation verbinden122, Generalsekretär Minderović betont auf einem Treffen der SKJ-Führung 1947 in Belgrad die Wichtigkeit der Erziehung der jungen Schriftsteller123, Franičević ermahnt auf der Jugendzeitschriftenkonferenz 1948 die Jungautoren, nicht übermütig gegenüber den Alten zu werden und nicht zu glauben, sie seien aufgrund ihres geringeren Alters auch revolutionärer124. In Alltagstexten ist vom Heroismus der Jungen im Krieg, auch auf dem Kultur- und

115Šinko 1948, 95-136.

116Andrić 1946, 507-509.

117Popović 1946, 3.

118Ćirilov 1952.

119Gluščević 1951, 361.

120Gluščević 1951, 363.

121Toporov 1973, 599. Die Natchez war einst der größte Stamm von native americans und lebten am unteren Mississipi. Das Volk wurde 1730 von den Franzosen vernichtet.

122Andrić streut hier einen Turzismus –esnaf– ein. Andrić 1946, 509.

123Minderović 1947, 646.

124Franičević 1948, 21.

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Bildungssektor die Rede125, man beschwert sich, die Jungen würden alleinegelassen und seien gezwungen, selber über ihre Probleme zu schreiben.126 Als die neue Zeitschrift Krugovi erscheint, wird positiv vermerkt, nicht nur Junge, sondern auch alte (Ujević, Franičević, Stanislav Šimić) schrieben in ihr.127 Die kreisartige Verbindung der alten mit der jungen Generation zur Darstellung der zeitlosigkeit des Kollektivs hat einen festen Platz im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952 und ist ein wichtiger Teil der Genealogie im kosmologischen Modell.

3.2.2 Mythologisch-historische Tradition

Die mythologisch-historische Tradition ist der dritte und letzte Teil des kosmogonischen Textes (Ursprungsmythos). Er bildet gemeinsam mit dem im vorangegangenen Kapitel beschriebenen genealogischen Schema den Zeitraum, in dem sich das Kollektiv, von dessen Mythologie die Rede ist selber erfährt, das heißt, den Zeitraum von den Ahnen bis zur Zukunft. Die mythologisch-historische Tradition besteht ebenso wie das genealogische Schema aus einer kosmologischen Reihe und einer historischen, wobei die letztere von Subjekten bevölkert ist, die den Mitgliedern der Gemeinschaft ähnlicher sind als die anderen, z. B. solche, die noch mit lebenden Zeitgenossen bekannt waren (das dürfte in der Regel bis zur Urgroßvater- und Urgroßmuttergeneration reichen). Die Bewohner der mythologischen Reihe (der Urzeit) können in der traditionellen Mythosbeschreibung Halbgötter o. ä. sein. An der Nahtstelle von mythologischer und historischer Reihe ist das Auftreten des Kulturhelden zu erwarten.

Auch in der Überlieferung muss es eine Auswahl geben; in diesem Falle handelt es sich aber nicht um die Auswahl von Namen, sondern von Ereignissen. Die im Gedächtnis der Gemeinschaft vorkommenden positiven Ereignisse, die in Verbindung mit den Ahnen des (bereits vorgestellten) genealogischen Schemas stehen, werden durch das Attribut "revolutionär" (oder andere Selbstbezeichnungen der neuen Autorität) mit dem Neuen Jugoslavien verbunden und dann mit der Literatur über den im letzten Kapitel beschriebenen Weg (implizit) gekoppelt. Die frühneuzeitlichen Bauernaufstände, der erste serbische Aufstand, aber auch spätere Kriege bieten sich bei der Legitimierung der "Vergangenheit

125Vošnjak 1945, 61.

126Mišić 1950, 78.

127Mišić 1952a.

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MYTHOS unserer Völker" gegenüber der Gegenwart und umgekehrt an.128 Gerne wird dieses Bild vom "jahrhundertelangen Kampf unseres Volkes für nationale Befreiung und soziales Recht" als Vorläufer der Partisanenjahre dargestellt, in denen dieser Kampf seinen Höhepunkt "auch an Heldentum" erreicht habe. Das Erreichte zu schätzen, dazu müsse man sich immer wieder die Mühen ins Gedächtnis rufen, die der Kampf gefordert habe.129 Festzuhalten bleibt, dass die Tradition als eine Traditon der Kämpfe des Volkes gegen seine Unterdrücker memoriert wird. Die Unterdrücker des Volkes sind meistens fremder Herkunft, aber auch einheimische, nicht dem Volk zugehörige Schichten.

Wie bereits gesagt, gibt es unterschiedliche Standpunkte zu der Frage, wie der Stellenwert der Zwischenkriegszeit im Verhältnis zum Befreiungskampf zu veranschlagen sei. Das liegt wohl daran, dass die Zwischenkriegszeit nach der obigen Definition zur historischen Reihe gehört. Ebenso wie über die Schriftsteller der Epoche der Moderne gibt es über den Status der Zwischenkriegszeit geteilte Ansichten. Bei den Meinungsverschiedenheiten geht es darum, ob die Zwischenkriegszeit und in ihr in erster Linie die Geschichte der kommunistischen Partei Jugoslaviens in die kosmologische Erzählung aufzunehmen sei, oder ob es sich dabei nur um einen Vorläfer handle. Wir haben aber die kosmologische Erzählung von der historischen Tradition theoretisch abgetrennt und betrachten sie nun isoliert von der Frage des Ursprungsmythos. Auch in der historischen Reihe der Tradition herrscht das Motiv des Kampfes gegen Unterdrückung vor. Einige Beispiele, die hier genannt werden könnten, habe ich mir für das Kapitel 5 Das symbolische Kontinuum: die imaginierte Gemeinschaft aufgehoben, wo ich sie unter einem anderen, aber verwandten Aspekt zu behandeln werde.

Zogović periodisiert auf dem KP-Kongress die Literatur der Zwischenkriegszeit, indem er betont, 1933 sei eine neue Generation von Parteischriftstellern aufgetreten, während diese vorher eher Dilettanten gewesen seien ("Literarisierung"). 1937 habe mit der Führungsübernahme Titos im ZK das leninistische Prinzip in der Kultur gesiegt. So sei die Partei zum Lehrer und Schiedsrichter der linken Literaten geworden.130 Die Zwischenkriegsliteratur ist laut dieser Tradition in ein profaschistisches und ein antifaschistisches Lager gespalten. Entscheidend sind dabei diejenigen, die "in der Mitte standen". Besonders die Älteren, die mit den "kämpferisch-romantischen Traditionen" und "Kämpfen" vor dem ersten Weltkrieg verbunden seien, hätten sich dem antifaschistischen Lager immer stärker angenähert, je lauter der Ruf der Partei geworden sei, sagt Radovan

128Zogović 1946, 870.

129Franičević 1947, 429-451.

130Zogović 1948, 3.

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MYTHOS Zogović in seiner instruktiven Ansprache auf dem ersten jugoslavischen Schriftstellerkongress 1946 in Belgrad.131 Einerseits wird diese Parteipolitik als Integration der "kämpferischen" Traditionen in die literarische Volksfront dargestellt, andererseits als Annäherung der Literatur an das Proletariat. Nachdem aber die Partei das Proletariat anführt und zur Sammlung im antifaschistischen Lager aufruft, muss diese Behauptung nicht als soziale Qualifikation interpretiert werden.132 Allerdings ist diese historische Überlieferung der Zwischenkriegszeit ein so heikler Punkt, dass er wegen seiner Umstrittenheit im diachronen Teil wieder zur Sprache kommen wird. Die Äußerungen über ihn, die rituellen Stellenwert haben, stammen aus einer bestimmten Zeit und von einer bestimmten Gruppe (den sogenannten sozialen Literaten). Der einzige Konsens, den man bezüglich der Zwischenkriegszeit erkennen kann, ist, dass Tito als Einer nicht nur der jugoslavischen Völker, sondern auch der Literaten angesehen wird. Insofern ist ein wichtiger Teil der zitierten Standpunkte repräsentativ. Nicht verwendbar für die Beschreibung des Mythos sind alle Äußerungen, die bestimmte anwesende Schriftsteller ausschließen. Denn diese äußern sich in derselben Zeit zu diesen neuralgischen Punkten nicht. In diesem Punkt versagt die Mythenforschung als Beschreibungsmodell. Festzuhalten bleibt, dass Tito als symbolische Integrationsfigur von allen als Akteur der Zwischenkriegszeit akzeptiert wird. Damit sind wir beim letzten Punkt dieses Abschnitts, der Frage des Kulturhelden.

3.2.3 "Josip Broz Tito – Heroj na epohata"

Die Überschrift dieses Kapitels "JocÇě ŔpoĆ TÇÍo — Xepoj ła eěoxaÍa" war der Name eines Friseurgeschäftes im Bahnhof von im Jahre 1990. Im Zusammenhang mit den Themen der beiden letzten Kapitel, war immer wieder die Rede davon, dass an der Schnittstelle einer mythologischen und einer historischen Reihe der Kulturheld auftauchen müsste. Das hat er getan. In der Überlieferung, dem dritten Teil des mythologischen Textes, ist die Zwischenkriegszeit diejenige mit den meisten Ähnlichkeiten zur Gegenwart, denn über sie gibt es auch die größten Meinungsverschiedenheiten, in ihr agieren noch lebende Personen (immerhin hilft uns das dabei, die bewusste Nahtstelle zu finden). In dieser Zeit taucht ein Akteur auf, der unter dem Namen Kommunistische Partei, ZK, aber vor allem als TITO bekannt ist. Krleža verwendete TITO in Ljubljana als "Formel" für das ZK der KPJ, "für ihr Polit-Büro, ihre Parteimitglieder, für unser ganzes Land". Was für Eigenschaften sollte Tito in der Mythologie haben, um Kulturheld zu sein?

131Zogović 1946, 863.

132Popović 1948, 1.

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MYTHOS Nach einem Artikel Meletinskijs in der sovjetischen Enzyklopädie Mify narodov mira ist Held oder Heros (geroj) eine universale Personenkategorie, die Teil jeder Mythologie ist. Das Phänomen wird von manchen auf den Hexenmeister, so wie er von James Frazer ("The Golden Bough" 1890) definiert wurde zurückgeführt und als Hypostase des archaischen Gottes aufgenommen. Das widerspricht allerdings der archaischen Vorstellung, dass der Kulturheld ein Urahne sei, Teilnehmer an der Erschaffung des Universums, Erfinder des Herdfeuers, derjenige, der die sozialen und religiösen Institutionen einführte. Das heißt, der Heros ist K u l t u r h e l d und Schöpfer, D e m i u r g. Im Gegensatz zu den Göttern oder Geistern, die den Kosmos und Teile der Kultur durch magische Kräfte schaffen können, finden die Heroen diese Objekte der Kultur vor; allerdings an entfernten Orten oder in fremden Welten. Sie müssen gegen verschiedene Widrigkeiten kämpfen und die Kulturobjekte herbeischaffen, eventuell auch stehlen. In seiner Eigenschaft als Demiurg stellt der Heros die Objekte her (ein Schmied z. B.). In entwickelteren Mythen kämpfen die Helden gegen das C h a o s und für den K o s m o s. In der Historisierung der Mythen (Epen) bekommt der Heros quasi historische (persönliche) Züge. Die Dämonen können als ungläubige ausländische Eindringlinge auftauchen. Im Falle von Märchen agieren Prinzen, Ritter oder der Gottessohn. Die Aufgabe des Helden ist es, die Menschheit vor den Göttern zu vertreten und zwischen den mythischen Ebenen (Welt der Götter/Welt der Menschen) zu vermitteln (M e d i a t o r f u n k t i o n ). Manche Helden handeln auf Initiative der Götter, manche gegen sie (Prometheus). Die Hilfe der Götter erlangen die Heroen durch eine Prüfung, die in ihrer Struktur einem männlichen Initiationsritus ähnelt, das heißt sie werden zeitweilig aus dem Sozium herausgelöst. Die Herauslösung kann durch einen Aufenthalt in der Fremde geschehen (vergleiche hierzu Turner 1969), oder in der Unterwelt, im Himmel, wo die Heroen Kontakt mit den Geistern aufnehmen und dann den Kampf mit den Dämonen. Oft kommt der Heros auf wundersame Weise zur Welt.133

Der Mythos des Heroen T i t o ist in verschiedenen Lebensbeschreibungen zu finden, wie etwa in Radovan Zogović' "Biografija o drugu Titu", in "Jozip Broz Tito — Prilozi za biografiju" von Vladimir Dedijer (1953), "Tito — strateg revolucije i tvorac narodne armije" von Ivan Gošnjak, der legendären Bildbiographie "Tito. Život i rad" (Stanojević, Marković: 1962) und in "Životnom Stazom Josipa Broza" von Vilko Vinterhalter (1969). Obwohl alle diese Biographien bis auf die von Zogović erst nach 1952 erschienen und die Biographie als solche in unserem Korpus nicht auftaucht, also wohl in einen Nachbardiskurs gehört, ist die Erzählung in unserem Korpus p r ä s e n t. Anhand einiger stereotyper Stellen können wir das feststellen. Zur Illustration der Eigenschaften des Kulturhelden ist es nötig, auf die rezente

133Meletinskij 1980.

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MYTHOS biographische Literatur zurückzugreifen — Titos Vita. Die Geburt des Heros Tito ist nur insofern wundersam, als er nicht am 25. Mai, dem offiziellen Feiertag ("Einige Wochen vor dem 25. Mai laufen die Stafetten der Jugendbewegung Tausende von Kilometern durch die verschiedenen Städte und Orte Jugoslawiens, und bei der Schlussfeier überbringen sie Josip Broz die Glückwünsche der Jugend des ganzen Landes" — ein Ritual, das alle Eigenschaften hat, die im Kapitel 1 Ritual beschrieben wurden, aber nicht zu den literaturpolitischen zu zählen ist) geboren wurde, sondern angeblich am 7. Mai.134 Bereits in früher Jugend zeigte er die Anlagen, die ihn später auszeichneten — er prügelte sich mit den älteren Burschen, war aber dem Lernen gegenüber aufgeschlossen etc. etc. Titos Jugend war hart, sagen alle; er teilte das Los des Volkes, wird ausdrücklich betont — das heißt, der Heros ist ein Mensch, ein M i t g l i e d der Gemeinschaft:

Er teilte das Brot der Armen, der Handwerker in der 'Fremde', fuhr auf Leiterwagen über die schlammigen Straßen Kroatiens, er wurde vom Regen auf den unübersehbaren Gleisen der Sibirischen Eisenbahn durchnäßt.135

Tito muss als Heros Prüfungen durchmachen und dazu in die Fremde ziehen. Als Arbeiter in Slovenien weigert er sich, als Streikbrecher eingesetzt zu werden, im ersten Weltkrieg wird er verletzt, er tritt in Russland in die Partei ein und nimmt an der Oktoberrevolution teil:

Danas […] nesumnijivo je jasno, da je Staljin […] stvorio sve preduslove za svoju dalekovidnu strategiju, koja je Rusiju i čitavo čovječanstvo dovela do pobjede nad fašizmom. Danas je […] lenjinska revolucija stvorila Tita i da je drug Tito, […] doveo i naš narod s ostalim jugoslavenskim narodima do pobjede u ratu protiv fašizma i do izgradnje socijalizma u našoj zemlji.136

Die Entstehung Titos aus der Leninistischen Revolution, von der Krleža in seinem programmatischen Artikel Književnost danas 1945 spricht, ist Ergebnis der erfolgreich bestandenen Prüfungen. Im NOB, den er als "Planer des jugoslawischen Volksaufstandes" leitet, muss er unvorstellbare Strapazen erdulden und schließlich gelingt es ihm, das Chaos zu überwinden und den Kosmos zu schaffen. Zu Chaos und Kosmos war schon in den vorangegangenen Kapiteln zu lesen und im nächsten werden diese beiden Begriffe das Hauptthema sein. Titos Rolle als Erdulder, Überwinder und Schöpfer in diesem Kampf wird in den Darstellungen deutlich, in denen der Heros gegen Dämonen kämpft wie "die Fälle katholischer Priester, die die Horden der Ustaschas zum Abschlachten serbischer Dörfer anführten, die Verwandlung allzu eifriger katholischer Priester in wahre Blutsauger und

134Vinterhalter 1969, 35.

135Vinterhalter 1969, 29.

136Krleža 1947, 776-779.

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MYTHOS Totschläger", gegen "deklarierte Faschisten, Kollaborateure, Quislinge, Dunkelmänner und Reaktionäre aller Arten und Schattierungen" oder gegen Draža Mihajlović' Četnici, die "wie eine Hyäne auf ihre Stunde [warteten], mit der offenkundigen Absicht und dem Hauptziel, die alte Ordnung [also das Chaos–A. d. V.] und das unpopuläre Regime zu erhalten." In diesem Kampf hat Tito sein Hauptquartier in einer Höhle (die Bilder davon sind berühmt), seine Partisanen sammelt er im "Wald" (der bei Skender Kulenović sogar wörtlich seinen Weg in den literaturpolitischen Diskurs fand), also außerhalb der zivilisierten Welt, eine weitere Initiation; In den "hundert Tagen von Foča" zieht sich der Marschall-Heros wieder wie in einem Initiationsritual zurück, zieht Bilanz und entwickelt die Perspektiven der Befreiung (Winter 41/42). Hier arbeitete er den "Kern" der künftigen Ordnung aus, die "Vorschriften von Foča" — der Kulturheld stellt die Gesetze der neugeborenen Gemeinschaft auf. Das In-den- Wald-Gehen und das In-die-Höhle-Gehen ist aber auch eine Grenzüberschreitung, die für den mythologischen Helden so typisch ist.137 Während der Kämpfe wird Tito verwundet, er muss weitere Prüfungen und Strapazen erdulden. Den Fragebogen für die Delegierten des 5. KPJ- Kongresses, eine Art Helden-Enqučte, füllt der Marschall höchstpersönlich folgendermaßen aus:

137Vinterhalter 1969, 183–206.

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MYTHOS 1) Ime i prezime delegata i partiski staž:

Josip Broz — TITO

Staž u partiji 28 godina

2) Da li ste učestvovali na ranijim kongresima i konferencijama KPJ i kojima?

Učestvovao na 6 (12) konferencija i kongresa.

3) Da li ste učestvovali u oslobodilačkim ratovima (Oktobarska revolucija, Mađarska komuna, Španija, Otadžbinski rat, NOB) i t. d.

Učestvovao u Oktobarskoj Revoluciji, Španskoj i u Narodno-oslobodilačkom ratu

4) Da li ste bili ranjavani i koliko puta u oslobodilačkim ratovima?

Bio sam ranjen jedanputa

5) Koliko ste puta bili u zatvoru, koliko ste godina robije izdržali?

U zatvoru sam bio 5 puta

Robija 6 godina

6) Da li ste bili članovi kojih inostranih partija, kojih i koliko vremena?

— ο —

7) Koja odlikovanja imate, naša i strana?

Imam 21 odlikovanje

Jugoslovenska i strana138

Die Schöpfung besteht aus einer Grenzüberschreitung und aus dem Erlassen einer neuen Ordnung oder einer Ordnung überhaupt. Wichtig ist aber, dass während des Schöpfungsprozesses das alte Jugoslavien zerstückelt und wieder zusammengesetzt wird. Vinterhalter verwendet sogar wortwörtlich "Zerstückeln" wenn er von der Politik der (italienischen, deutschen und bulgarischen) Okkupanten spricht139. Die Achsenmächte teilen den alten Staat in sechs Teile, Tito nimmt den zerteilten Staat und formt daraus sechs

138Biland?i? 1969, 148b.

139Vinterhalter: 1969, 181.

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MYTHOS Republiken, die sich in eine einzige Ordnung fügen. Das Zerstückeln eines Opfertieres gehört zum Ritual so wie das Zerteilen eines Urmenschen oder eines anderen Organismus (Schlange, Ei) zum kosmogonischen Mythos.140 Aus dem Fundus der Charakteristika eines Heros haben wir bei der Marschall-Tito-Legende also das Demiurgentum wiedergefunden, die Prüfung, den Kampf gegen das Chaos und die Grenzüberschreitung und außerdem mehrere Initiationsrituale, die zur Einsetzung des neuen Oberhauptes dienen. TITO ist weniger ein Heros, der Kulturobjekte aus einer fremden Welt entwenden muss, als einer, der die Kulturobjekte herstellt. Der Kulturheld Tito schafft dem Volk die Kultur:

[…] sa slobodom i hljebom narod je osvojio i kulturu […]141

Deshalb wird der neue Staat nicht nur von Ervin Šinko in der Diskussion über Krležas Referat 1952 "Titova Jugoslavija" genannt.142 Was in der Vergangenheit geschah, geschah deshalb, "weil unsere Partei mit Gen. Tito an der Spitze dafür sorgte" bestätigen die Schriftsteller in ihrer Antwort auf die IB-Resolution.143

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140Grzybek 1994, 68–70.

141Kulenović 1946, 41.

142Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 13.

143Odgovor jugoslavenskih književnika sovjetskim književnicima F. Glatkovu, N. Tihonovu i drugima 1949, 184. 63

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5 Das symbolische Kontinuum: die imaginierte Gemeinschaft

(Zwischen Mythos und Diskurs)

Das Kapitel, das ich jetzt beginne, hat einen doppelten Charakter. E i n e r s e i t s geht es darum, den im Kapitel 3 Mythos beschriebenen Code des Mythos zu entschlüsseln und dabei das System der empirischen Kategorien zu untersuchen, die das System des Mythos konstituieren — den paradigmatischen Aspekt. Im letzten Kapitel hatten wir uns auf den syntagmatischen Aspekt konzentriert. Wir hatten weiter ausgeführt, dass die Elemente von Chaos und Kosmos im Mythos durch ein System von O p p o s i t i o n e n getrennt werden. Es wird also – allgemein gesagt – um die Suche nach Regelmäßigkeiten in den Äußerungen im Korpus gehen, diesmal geordnet nach bestimmten Oppositionen. In der Einführung zu dieser Arbeit sprachen wir a n d e r e r s e i t s von S t e u r u n g s m e c h a n i s m e n, die den Diskurs, die Zufälligkeiten, Diskontinuitäten und Brüche der tatsächlich gemachten Äußerungen regulieren sollen. In diesem von Michel Foucault entwickelten Konzept der Ordnung des Diskurses gibt es verschiedene Ausschließungssysteme. Die Rituale, die wir oben beschrieben haben und die Mythen wären diskursinterne Kontrollmechanismen, die das Gesagte verknappen und die Sprecherzahl einschränken:

Das Ritual definiert die Qualifikation, welche die sprechenden Individuern besitzen müssen […]; es definiert die Gesten, die Verhaltensweisen, die Umstände und alle Zeichen, welche den Diskurs begleiten müssen; es fixiert schließlich die vorausgesetzte oder erzwingene Wirksamkeit der Worte, ihre Wirkung auf ihre Adressaten und die Grenzen ihrer zwingenden Kräfte. Die religiösen, gerichtlichen, therapeutischen Diskurse, und zum Teil auch die politischen, sind von dem Einsatz eines Rituals kaum zu trennen […].

Ritual und Mythos (mit ihrer Funktion, durch Sterotypie die Zahl der Aussagen zu verringern) richten sich gegen die Ereignishaftigkeit und die Zufälligkeit des Diskurses. Beide sind interne Kontrollmittel. Das sichtbarste Mittel der diskursexternen Kontrolle ist das Verbot. Daneben gibt es aber noch die G r e n z z i e h u n g. Für Foucault ist die entscheidende Grenzziehung im modernen Diskurs diejenige zwischen Wahnsinn und Vernunft. Um Prozesse der Grenzziehung dreht sich auch die strukturale Mythenbeschreibung. Im Grunde geht es hier um die Grenzziehung zwischen Kultur und Unkultur, die im mythopoetischen

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM 65

DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM (archaischen) Denken durch empirische Kategorien denotiert wird. Beide Theorien, die von Foucault und die strukturalistische, sprechen also von ähnlichen Prozessen. Sie stehen sich aber diametral gegenüber in der Auffassung dessen, was ein Diskurs sei. Für Foucault ist das "nicht bloß das, was die Kämpfe oder die Systeme der Beherrschung in Sprache übersetzt: er ist dasjenige, worum und womit man kämpft; er ist die Macht, deren man sich zu bemächtigen sucht." Foucault eliminiert in seinem System das begründende Subjekt (z. B. der Geschichte), er behauptet, der Diskurs sei ein Ensemble diskontinuierlicher Ereignisse und lasse sich nicht zum Vermittler zwischen Denken und Sprechen reduzieren. Der Diskurs sei kein "Denken, das mit Zeichen bekleidet und von den Wörtern sichtbar gemacht" wird.144 In der Archäologie des Wissens schreibt Foucault die antistrukturalistischste Definition fest:

[…] eine Sprache [bildet] stets ein System für mögliche Aussagen: es ist eine endliche Menge von Regeln, die eine unendliche Anzahl von Performanzen gestattet. Das Feld der diskursiven Ereignisse hingegen ist die stets endliche und zur Zeit begrenzte Menge von allein den linguistischen Sequenzen, die formuliert worden sind; [die entscheidende Frage:] wie kommt es, daß eine bestimmte Aussage erschienen ist und keine andere an ihrer Stelle?145

Es geht ihm also nicht um eine Ordnung des Sagbaren. Algirdas Greimas vertritt als Strukturalist und Semiotiker die Auffassung, die Foucault im ersten Satz des Zitats angreift. Für ihn gibt es verschiedene Ebenen: das niveau discursif enthält die énonciations, die Äußerungen. Das darunter liegende niveau narratif korrespondiert mit dem Begriff des énoncé. Das Verhältnis der beiden Ebenen ist anders gesagt das von Bezeichnendem (Diskurs) und Bezeichnetem. Diese Unterscheidung stellt die Einführung einer weiteren Ebene über der natürlichen Sprache dar, wie ich sie im Kapitel 3 Mythos vorgestellt habe. So wie für den Mythos die Objektsprache zum Zeichenträger wird, wird der Diskurs zum Zeichenträger für die narrative Struktur, oder wie Greimas es nennt die semio-narrative Struktur. Zwischen Diskurs und Narrativer Struktur besteht ein Transformationsverhältnis. Darunter gibt es noch eine Elemantarstruktur der Bedeutung, eine Tiefengrammatik; es sind also insgesamt drei Transformationsebenen. Der Diskurs ist die Performanz diskursiver Kompetenz und diese setzt eine narrative Struktur voraus. Die "semio-narrativen Tiefenstrukturen" sind das "Depot der grundlegenden bezeichnenden Formen", eine Erweiterung der Saussure'schen Sprache. Sie steuern die diskursiven Strukturen. Für Greimas befasst sich die Diskurstheorie mit der Gesamtheit der semiotischen Handlungen, die sich auf der syntagmatischen Ebene der Sprache befinden.146 Foucault greift dieses Konzept linguistischer Regularität an (ebenso wie

144Foucault Ordnung 11–31.

145Foucault Archäologie 42.

146Greimas 1971.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM andere Konzepte der Kontinuität, etwa das Subjekt, die Wirklichkeit, den Autor, das Werk, die Disziplin) und betont die historische Einmaligkeit der Ereignisse, auch der diskursiven. Er behauptet also die historische Existenzmodalität der Greimas'schen "Performanzen".147

*

Was bedeutet das für unser Vorhaben? Nach Greimas wäre es möglich, den ermittelten Mythos als narrative Struktur einer anderen Ebene als der diskursiven aufzufassen, unter dem Mythos als semio-narrativer Struktur weitere Tiefenstrukturen zu suchen und so schließlich zur Tiefengrammatik des offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurses von 1945 bis 1952 zu gelangen. Nach Foucault können wir den Mythos als eine Diskursregulierungspraxis ansehen und die Oppositionen in ihm als die Grenzziehungen, die als Ausschlussmechanismus im Diskurs funktionieren. Wir haben bisher den Mythos einerseits als "heruntertransformierbar" auf kleinere syntaktische Einheiten (Sätze) betrachtet. Sobald wir begonnen haben, unser Material aus dem gesamten Korpus zu beziehen und nicht nur von rituell markierten Textstellen, wurde die Repräsentativität der Aussagen immer fragwürdiger. Als Lösung schlugen wir vor, eine Abstufung der rituellen Relevanz der verwendeten Zitate vorzunehmen und außerdem die Beschreibung in eine synchrone und eine diachrone Hälfte zu teilen. Die Synchronie betont die Regelmäßigkeiten und Regulierungsmechanismen des Diskurses, die Diachronie befasst sich mit den Brüchen und Diskontinuitäten. Im Moment befinden wir uns aber an einem Punkt, der sich von den stark ritualisierten Texten des Korpus entfernt und in die Weiten des Diskurses hineindiffundiert. Deshalb müssen wir an dieser Stelle festhalten, dass, solange wir uns mit eingrenzbaren Äußerungen (mit dem Ritual und dem Mythos) befassen, die Vortsellung der Transformation von Bedeutungen nutzbringend ist. Sobald sich diese Eingrenzung auflöst, müssen wir mit dem Diskursbegriff Foucaults rechnen und uns auf den Terminus der Diskursregulierungsmechanismen einlassen. Die grundlegenden Auseinandersetzungen zwischen den theoretischen Modellen müssen aber auf einem anderen Schlachtfeld ausgetragen werden.

* * *

Im nun folgenden Kapitel werden wir also Abgrenzungen beschreiben. Im ersten Teil geht es um den Unterscheidung von Kultur und Unkultur, bzw. Chaos und Kosmos durch die Opposition Alt÷Neu. Im zweiten Teil geht es um die Opposition Innen÷Außen mit derselben, aber nicht nur dieser Funktion. Dieses Kapitel ist einerseits das Ende der Beschreibung des

147Kolkenbrock-Netz 1992.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM Mythos, andererseits der zweite Schritt zur Beschreibung des gesamten Diskurses, da größere Bereiche des Korpus berücksichtigt werden. Nennen wir den Gegenstand dieses Übergangskapitels "kulturellen Text" oder allgemeiner "narratives Programm". Am Ende des Kapitels wird die Frage nach dem Hauptakteur oder Helden dieses Gegenstandes stehen.

5.1 Chaos und Kosmos: Alt und Neu

Eine Abgrenzung, mit deren Hilfe das Chaos vom Kosmos getrennt wird, ist die Opposition Alt÷Neu. Beim Alten geht es meistens um das "Alte Jugoslavien". Damit ist sowohl der SHS-Staat, als auch Jugoslavien bis zum Überfall der Achsenmächte gemeint. Immer wieder wird auf die schrecklichen Zensurbedingungen im Alten Jugoslavien hingewiesen (z. B. auf dem fünften KP-Kongress148) und auf die schlechte materielle Lage der Künstler, sowie auf die politische Verfolgung:

Sjetite se progona i zatvora, zabrana i cenzura, sjetite se raznih materijalnih poteškoća […].149

Von Tito persönlich stammt das Zitat, in welchem dem Alten Jugoslavien die Unkultur zugeordnet wird, da Literatur nicht möglich gewesen sei:

Ja znam da književnici u staroj Jugoslaviji nisu imali uslove za rad i da naša literatura nije mogla da se razvija onako kako je bilo potrebno.150

Das Regime im Alten Jugoslavien war nach Bogdanović im Gegensatz zum Neuen ein "nenarodni režim".151 Das folgt auch vice versa aus der allgemeinen Bezeichnung des neuen Staates als "Narodna Država" und der offiziellen Bezeichnung "Narodna Republika". Außerdem gab es vor 1945 kein zentrales Organ der jugoslavischen Literatur. Die "Literaturen der Völker" konnten sich nicht im Sinne von Bratstvo i Jedinstvo entwicklen, das heißt nicht gemeinsam sondern getrennt.152

In der Zwischenkriegszeit – so Marin Franičević – seien die jungen Schriftsteller nur zu einer Chance gekommen, wenn sie sich den "profaschistischen" oder "klerofaschistischen" Kräften verkauften. Dort wurden sie mit "formalistischer, dekadenter, missgebildeter Literatur

148Đilas 1948a, 2.

149Franičević 1948, 13.

150Tito 1946, 1.

151Bogdanović 1946, 5.

152 Andrić 1946, 506.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM vergiftet". Dennoch konnten einige Jungautoren damals Hilfe bekommen, wenn sie sich der Arbeiterklasse und ihrer Avantgarde annäherten. Diverse "fortschrittliche Zeitschriften" sammelten "ehrliche" junge Schriftsteller um sich.153 Alle diese Beschreibungen trennen das Alte vom Neuen.

5.1.1 Neu

Öfter als über das Alte, spricht und schreibt man über das Neue: "Mi danas formiramo građane nove Jugoslavije […]"154 sagt Tito 1946 zu den Schriftstellern, die ihn besuchen und von der neuen jugoslavischen Hymne, zu der es ein Preisausschreiben gibt, wünscht er sich, wenn man sie höre, solle man in ihr etwas n e u e s finden155. Die Lage der Literatur im neuen Staat wird praktisch bei jeder rituellen Gelegenheit mit dem Alten kontrastiert. Die Lage der Schriftsteller habe sich "wesentlich verbessert"156 jetzt erst finde sie ihren "wahren, positiven Bezug zum Leben", lerne erst jetzt das Leben kennen157. Von einer ungeahnten "kulturellen Blüte" ist die Rede158 oder vom Privileg der Zeitgenossen, an der Umwälzung der Verhältnisse teilhaben zu dürfen.159 Gerne wird auch darauf hingewiesen, wie viele junge Menschen sich nach dem Krieg der Literatur zugewandt hätten.160

Diese Neuerungen und Verbesserungen werden bei passender Gelegenheit (Parteikongress, Schriftstellerkongress) mit "Fakten" belegt, d. h. mit Statistiken. Man weist auf die Vergrößerung des Kulturbudgets hin161 oder auf die Steigerung der literarischen Produktion gegenüber 1938162. Dass es hier ganz und gar nicht um Fakten geht, kann man daran erkennen, dass zu anderen Gelegenheiten die zu niedrige Produktivität der Nachkriegsliteratur konstatiert wird, oder beides in einem Atemzug (vergl. Seite 123 und 180).

153Franičević 1948, 4f.

154Tito 1946, 1.

155Tito 1946, 1.

156Vučo 1952b, 4.

157Popović 1948?.

158Đilas 1948b, 1.

159Boškov 1950, 85.

160Tošović 1949, 883.

161 Zogović 1946, 873.

162Vučo 1952b, 4.

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Literatur und Gesellschaft

Aber die Literaten werden nicht nur auf die neuen Freiheiten aufmerksam gemacht, sondern auch auf die neuen Pflichten, bzw. Aufgaben (zadatke). Auch sie definieren das Neue, indem sie ein neues Verhältnis von Literatur und Gesellschaft fordern. Jetzt wo die nationale und soziale Frage gelöst seien und die Reaktion entwurzelt sei, müsse die Literatur mit dem Volk Schritt halten, dem Volk dienen.163 Diese Logik schlägt sich auch in dem Statement nieder, der Schriftstellerkongress stehe nun auf dem Programm, da alle anderen gesellschaftlichen Kräfte ihren Beitrag zum gesellschaftlichen Aufbau bereits geleistet hätten oder darin, dass immer wenn es um die Verhältnisse in der Literatur geht, über politische Ereignisse berichtet wird.164 Dennoch bestätigt Tito den Literaten höchstpersönlich ihren Sonderstatus:

Vaš stvaralački rad […] ne može se tretirati kao rad drugih profesija.165

Das Eindringen des Chaos in den Kosmos, also der Versuch, den Schöpfungsvorgang zu widerrufen, dem mit rituellen Handlungen entgegengewirkt werden soll, kann als Eindringen des Alten in das Neue bezeichnet werden. Eine Form des Alten im Neuen ist die "Rückständigkeit", die das Leben schwer aber helden(!)haft macht:

Ako smo nekoliko stoljeća pritisnuti svim mogućim i nemogućim političkim, vojnim i društvenim nepogodama koračali za nekim onda naprednim narodima, danas mi idemo ispred sviju, odmah iza velikog Sovjetskog Saveza. Naši narodi su u nekoliko godina preskočili vjekove, i to ne treba zaboraviti ni onda kad se govori o književnosti. Jer u tome je najveći potencijal naše književnosti, u tome je veličina, ali i težina našeg zadatka. Teško je, ali veliko i slavno biti istinski književnik u Titovoj Jugoslaviji.166

1948 beklagt Đilas als Kulturminister, von einer kulturellen Gleicheit der jugoslavischen Völker könne keine Rede sein. Deshalb müssten die "nationalen Kader" einer "Hebung" unterzogen werden, damit ganz Jugoslavien den armen Völkern helfen könne.167 Von dieser Hebung der Kader und gleichzeitig ideologischer Reinigung sprechen auch Zogović und Ranković168 und die Anti-Informbüro-Resolution der jugoslavischen Schriftsteller.

163Bogdanović 1946, 5.

164Štambuk 1947, 148.

165Tito 1946, 1.

166 Franičević 1948, 11.

167Đilas 1948b, 1.

168Zogović 1948, 3.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM […] svi radnici na književnom poslu treba da neprestano uče, da rade na svom teoretskom uzdizanju, da proučavaju marksizam-lenjinizam.169

Bratstvo i jedinstvo

Dieses Bild von einem ethnischen Kulturgefälle, das durch Parteischulung und Zusammenarbeit ausgeglichen werden soll, widerspricht offenbar nicht der Forderung nach Brüderlichkeit und Einheit, zwei Kategorien, die besonders wichtig für die Definition des Neuen sind. Brüderlichkeit und Einheit kann also eine versteckte Akkulturierungsforderung enthalten; akkulturiert, also auf die Höhe der fortgeschrittensten Teile der Kultur erhoben werden sollen die Reste der Rückständigkeit. Diese Reste sind wahrscheinlich in bestimmten Regionen zu suchen, die nicht namentlich genannt werden, die aber jeder kennt. Diese unbrüderliche Implikation des Schlagwortes bratstvo i jedinstvo sollten wir also im Folgenden im Hinterkopf behalten.

Vaš kongres ima istorijsku važnost, kao prvi kongres književnika Jugoslavije. […] On pokazuje […] da ste vi, književnici iz svih narodnih republika, iz cijele naše zemlje, jedinstveni.170

Was Tito den Schriftstellern mit diesem Zitat in einer Audienz sagt, ist also nicht nur, dass nunmehr alle derselben Kultur angehören, sondern auch, dass diese Kultur Höhenunterschiede kennt. Die Nicht-Einheitlichkeit und Nicht-Brüderlichkeit vor dem Krieg wird als weiterer Grund für die Unmöglichkeit einer echten jugoslavischen Literatur vor dem NOB präsentiert.171 Wenn der Schöpfer der makedonischen Schriftsprache – Blaže Koneski – bestätigt, dass die makedonische Literatur erst durch den NOB richtig zur Entfaltung kam, gewinnt die Grenzziehung gegen das Alte an Lebendigkeit, denn es handelt sich tatsächlich um eine ganz neue O r t h o g r a p h i e u n d K o d i f i z i e r u n g. Diese Eigenschaft der makedonischen Literatur macht sie zu einem Lieblingskind des neuen Staates und seines literaturpolitischen Diskurses. Die makedonische Literatur erscheint wirklich als Kind des NOB, denn ihre Schriftsprache gab es vorher (zumindest in dieser Form) nicht.172

Htio sam da vam ukažem na još jednom stvar, veoma važno u literaturi. To je — isticanje bratstva i jedinstva naših naroda. Gdje god je to pogodno, treba ga podvući to nikada neće biti suvišno. To ima vrlo veliku važnost i to je apsolutno potrebno u svakom pogledu. […]

169Rezolucija o smernicama i zadacima Saveza književnika Jugoslavije 1950, 1.

170Tito 1946, 1.

171Bogdanović 1946, 5.

172Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 48; Konstaninović 1950a, 1.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM Treba se truditi da literatura pojedinih republika pripada svim nacionalnostima, da bi se ljudi i na taj način još više međusobno zbratimili i zbližili.173

Als sichtbares Symbol der Einheit werden die Kongresse rotierend in den Republikshauptstädten abgehalten und es wird auch eigens darauf hingewiesen — ebenso wie darauf, dass kein Verband Probleme habe, die die Gesamtheit nichts angingen.174 Dem Gastgeber"volk" wird dann eingangs des Kongresses gedankt.175 Eine Spezialform dieser Aufrufe zur Brüderlichkeit sind die Apelle, "noch mehr" zwischen den Republikssprachen hinundherzuübersetzen,176 oder ein entsprechendes Lob.177

Einer der Unterschiede zwischen Alt und Neu ist, dass nun die Literatur möglich ist, weil sie frei oder im makedonischen Fall neuentstanden ist. 1951 meint Milovan Đilas auf der Jahresversammlung der Matica Hrvatska, die Partei habe, indem sie "das Eis der Dogmatik und der bürokratischen 'sovjetischen' Ideologie gebrochen" habe, die Kritik und die Kunst überhaupt befreit.178 Hier kehrt das Motiv der zweiten Befreiung wieder. Nach der „ersten“ Befreiung gilt neben der nationalen Einigung gilt auch das Überwinden ideologischer Gräben unter der Ägide der Partei als neue und positive Qualität der FNRJ. Das wird aber eher verschlüsselt, z. B. wenn Bogdanović sich über die Einheit aller jugoslavischen Schriftsteller freut, die nicht dem Volk abgeschworen hätten und aktive Verteidiger des Fortschritts geworden seien und dass auf dem Kongress alle Literaten eine Sprache (mit einer Zunge) gesprochen hätten, nämlich mit der Sprache der Liebe zur gemeinsamen Heimat und zum sozialistischen Aufbau.179

Die Kategorie des Neuen muss auf jeden Fall unterschieden werden von der des modernen. Letztere spielt im rituellen Zusammenhang so gut wie keine Rolle. Das Wort modern taucht regelmäßig nur als Bezeichnung der "formalistisch-dekadenten-bourgeoisen" Literatur der Zwischenkriegszeit, und das in der Derivation modernistisch. Modern scheint also doch ein zu positiver Begriff zu sein, um ihn ganz den "Modernisten" zu überlassen, andererseits ist er im Gegensatz zu fortschrittlich keine identitätsstiftende Kategorie. Erst

173Tito 1946, 1.

174Danas počinje treći kongres književnika 1952.

1753 kongres književnika Jugoslavije 1952, 1.

176Odluke plenuma uprave Saveza književnika jugoslavije 1949, 73.

1773 kongres književnika Jugoslavije 1952, 3.

178Đilas 1951a, 32.

179Bogdanović 1946, 5.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM 1952 fühlt sich Selaković bemüßigt, dieses Wort vor unreifen Anfängern in Schutz zu nehmen, die "in letzter Zeit dauernd von der Modernisierung unserer Literatur" redeten und darüber "dozierten", worüber man schreiben solle: "'o fenomenima seksusa', 'o tratinčicama', 'o blijedim, sanjarskim djevojkama' i 'o kaosu u nama'." Selaković konstatiert:

Bez sumnje, ovdje modernosti nema traga i modernost od toga treba — braniti!180

Schließlich ruft er ein Đilas-Zitat zu Hilfe:

'Novo je samo ono što odražava novo kretanje (na pr. društva), što znači nov korak u otkrivanju objektivnih istina.'181

Nun haben wir eine Sammlung von Oppositionen, die das Neue vom Alten unterscheiden:

einheitlich uneinheitlich

frei unfrei

positiv negativ

oben unten

nach vorne gerichtet rückwärtsgerichtet

rein unrein

völkisch nicht völkisch

Wenn wir nun diese Oppositionen betrachten, stellen wir fest, dass die empirischen Kategorien alle räumlicher Natur sind: oben und vorn. Dieses räumliche Modell, das Beziehungen im Weltbild der Kultur modellieren soll, spricht von einer Bewegung, die nach vorne und nach oben verläuft. Die topographischen Kategorien können auch stellvertretend für die nichttopographischen verwendet werden: vorne und oben sind Freiheit, Einheit, Gutes, Reinheit und Volkstum zu erwarten. In Formulierungen wie "das Alte dringt in das Neue e i n " oder "Alt÷Neu g r e n z e n Kosmos von Chaos ab" wird deutlich, dass auch temporale Kategorien in topographischen ausdrückbar sind. Wir können diese topographischen Kategorien als ein Modell des Selbstbildes, verwenden, das von der Schriftstellergemeinschaft und des Soziums konstruiert wird. Die temporal-räumliche Metapher hat eine ganz bestimmte Ausrichtung. Die vorliegende Modellierung ist linear und

180Selaković 1952.

181Selaković 1952.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM vertikal dimensioniert; die horizontale Dimension ist nicht merkmalhaft, sie ist irrelevant. Dieses Modell ist in der strukturalen/semiotischen Literaturwissenschaft wohlbekannt:

Der künstlerische Raum kann punktförmig, linear, flächig oder räumlich sein. Die zweite und dritte Erscheinungsform können sowohl eine horizontale als auch vertikale Dimension besitzen. Der lineare Raum kann den Begriff der Dimension einbeziehen oder ausschließen. Beim Vorhandensein dieses Merkmals (als Bild eines dimensionierten linearen Raumes, der durch die Relevanz des Merkmals Länge und Irrelevanz des Merkmals Breite gekennzeichnet wird, erscheint in der Kunst oft der Weg) wird der lineare Raum zur geeigneten künstlerischen Sprache für die Modellierung temporaler Kategorien ("Lebensweg", "Weg" als Mittel der Entfaltung eines Charakters in der Zeit).182

Dieser Weg wird in unserem Diskurs später übrigens wörtlich zum "jugoslavischen Weg" oder "dritten Weg" werden. Das Weltbild, das sich die Gemeinschaft durch den Mythos macht, die Definition des Eigenen, der Geschichte, der Sozialstruktur etc., abstrakte Beziehungen, so wie soziale und ethische, kurz gesagt die imagined community werden mit empirischen Kategorien modelliert. Die abstrakten Beziehungen werden in einem Zeit-Raum-Kontinuum abgebildet. So viel wussten wir schon im Kapitel 3Mythos. In der topographischen Metasprache Lotmanscher Art ist auch die Zeit zum Raum geworden. Im nächsten Kapitel verschwindet die Zeit in ihrer linearen Raummodellierung und die Linearität tritt hinter die flächige Strukturierung zurück.

5.2 Kultur und Nichtkultur: Innen und Außen

In einem Artikel zur typologischen Kulturbeschreibung entwickelte der sovjetische Literaturwissenschaftler Jurij M. Lotman das oben schon zitierte räumliche Beschreibungssystem. Zum Thema des nun beginnenden Abschnitts passen Lotmans Aussagen über das Eigene und das Fremde in verschiedenen Kulturen:

Die "eigene" Kultur wird als die einzige betrachtet. Ihr steht die 'Nichtkultur' der anderen Kollektive gegenüber. Das Verhältnis des Griechen zum Barbaren ist ebenso wie alle anderen Arten, ein 'auserwähltes' einem profanen Kollektiv gegenüberzustellen, von dieser Art. Dabei wird die 'eigene' Kultur der fremden durch das Merkmal 'Organisiertheit' ↔ 'Nichtorganisiertheit' entgegengestellt. Aus der Perspektive der Kultur, die die Norm bildet und deren Sprache zur Metasprache der gegebenen Kulturtypologie wird, erscheinen die ihr entgegengesetzten Systeme nicht als andere Organisationstypen, sondern als nicht- organisiert. […] Das vom Menschen Geschaffene wird [in der Nestorchronik] in dieser Antithese als das Unordentliche, der Ordnung der höchsten Organisation Entgegengesetzte gedacht.

Die Poljanen* leben nach dem Gesetz ↔ 'Die Vjatiči <...>, die Kriviči die übrigen Heiden leben nicht nach dem Gesetz Gottes, sondern schaffen sich ihr eigenes Gesetz.'

182Lotman, 1968, 202.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM Die Sitte, das Befolgen der Verhaltensnormen der Väter, ist eine andere Organisationsform. Ihr steht als ungeordnet das Verhalten der Tiere gegenüber.

Die Poljanen haben Sitten ↔ 'Die Drevljanen* leben wie die Tiere'.183

Die räumliche Metasprache, die Lotman entwickelt, erlaubt es, das Weltbild abstrakt zu beschreiben, vorausgesetzt, es ist möglich, eine Invariante der in der Kultur produzierten Texte zu ermitteln (siehe oben, Diskussion des Diskursbegriffs). In der topologischen Metasprache werden durch die Beschreibung von "statischen Untertexten" Bewertungen nachvollzogen: die axiologische Hierarchie der Kultur. Die s t a t i s c h e n Untertexte beschreiben den Aufbau der Welt im jeweiligen Weltbild (wohlgemerkt ist der T e x t statisch, das Weltbild kann auch dynamisch sein). Bewertungen sind in dieser Sprache dann "Oberes-Unteres", "Links - Rechts" usw. Die d y n a m i s c h e n Untertexte zerfallen in Situationen. Bewegliche Elemente stehen unbeweglichen gegenüber: die unbeweglichen Elemente ("die kosmogonische, geographische, soziale usw. Struktur der Welt") bilden die Umgebung des Helden, des beweglichen Elements. Die Struktur des statischen Untertextes (die Axiologie, die Weltstruktur) ist explizit oder implizit im dynamischen Untertext enthalten. Mit anderen Worten sind die dynamischen Untertexte die temporale Weltordnung (woher kommen, wir wohin gehen wir) und die statischen sind die topologische Weltordnung (wo stehen wir und wo die andern). Was kann das für unsere Texte bedeuten? Es stellt sich die etwa Frage, wer das bewegliche Element in unserem topologischen Modell ist. Da wir nun nicht mehr die kosmogonische Erzählung darstellen wollen, muss der Held aber nicht unbedingt das gleiche sein wie der Kulturheros. Für ihn galt eine Definiton nach seiner Funktion. Für den Helden des dynamischen Untertextes des kulturellen Textes ist die Beweglichkeit das primäre Merkmal. Für den Kulturhelden ist die Schöpferfunktion und die Stellung am Übergang von der mythologischen zur historischen Reihe der kosmologischen Erzählung entscheidend. Dieses Thema wird Gegenstand des Kapitels 5.3 Naši narodi — naš socijalizam sein. Uns geht es nun um die Umgebung des Helden. Wir haben sie teilweise bereits kennengelernt, nämlich in Form der Struktur des dynamischen Texts, die wir im vorangegangenen Kapitel skizzierten. Die statischen Texte nennt Lotman auch Kulturmodelle. Sie enthalten eine Grenze. Der kulturelle Raum wird an dieser Grenze unterbrochen. In einem zweidimensionalen (flächigen) Raum ergibt die Abgrenzung die Bereiche Innen und Außen (IN und AU). Die einfachste Variante einer solchen Grenzziehung ist die Opposition wir – sie. Lotman zeichnet das so:

183Lotman, 1969: 1969.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM 5.2.1 Literatur und Gesellschaft

Die Aufgabe der folgenden Zeilen soll es sein, die Merkmale zu untersuchen, die dem inneren Bereich der "Kultur" angehören und solchen, die dem äußeren Bereich zugeordnet werden. Es folgen nun also mehrere Beziehungen, die räumlich-flächig modelliert werden können und die vor allem Räume abgrenzen. Sie bilden den symbolischen Raum, der die imaginierte Gemeinschaft ist.

Abgrenzung

[…] veoma je važno povezivanje sa svim naprednim piscima drugih zemalja, jer se danas vodi borba između dobra i zla […]184

Auch das schrieb Tito den Schriftstellern 1946 ins Stammbuch. Das Gute und das Böse sind Kategorien, die, wenn sie häufiger auftauchen würden, wohl auch zu den oben aufgelisteten Oppositionen zählen würden. So wie andere abstrakte Kategorien können wir sie in die räumliche Beziehung Innen und Außen übersetzen. Die Beziehungen, die die räumliche Opposition modelliert, haben aber meistens mit dem Verhältnis von Kunst und Gesellschaft zu tun, oder mit dem von Kultur und Literatur einerseits und Gesellschaft andererseits; sie sind weniger abstrakt als das Tito-Zitat. Es sind soziale Beziehungen, die hergestellt werden. Die Art des Verhältnisses des Kunstschaffenden und seines Werks zur Gesellschaft dient in den meisten Fällen als Kriterium, ob jemand oder etwas von den jeweiligen Diskursteilnehmern als außerhalb oder innerhalb des Eigenen angesiedelt wird. Wenn wir die Beziehungen zu Reihen anordnen, ist eines der Oppositionspaare üblicherweise politisch definiert (Faschisten = nenarodni; Volk oder Kommunisten = narodni) und das andere als künstlerisch (Larpourlartisten = nenarodni; fortschrittliche Autoren = narodni). Die Korrelation wäre in diesem Falle +-narodni.

[Bild]

Fig. 3: Die Innen-Außen-Korrelation nach Lotman

Auf dieses Modell kann man Radovan Zogović zurückführen, wenn er "Antun Bonifacić, Sima Pandurović, Ljubo Wiesner, Đuro Vilović, Olinko Delorko i dr.", also den "L'art-pour- l'artisten" vorwirft, sie hätten die "okkupatorischen, nationalsozialistischen, Ustascha- und

184Tito 1946, 1

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Nedić-Četnik-Tendenzen" antizipiert.185 Die beschriebene Korrelation verbalisiert Marin Franičević in der Aussage, man könne entweder mit dem Volk oder gegen es arbeiten. Ein dritter Weg sei unmöglich.186 Das heißt, es sind bei der Beschreibung der Außen÷Innen- Korrelation eine Reihe L wie Literatur und eine P wie Politik zu erwarten. Đilas umschreibt das so, dass im Kampf für die Befreiung der Massen die Kultur vom Kampfplatz nicht zu trennen sei.187

Diese Verbindung von Literatur und Gesellschaft oder Politik geschieht oft durch die Aufforderung an die Literaten, an diesem oder jenem "Kampf" teilzunehmen188 oder indem Schriftsteller und Ästhetik mit Begriffen wie Konterrevolution,189 Dekadenz,190 Kleinbürgertum191 uvam. zusammengespannt werden. Dabei ist die Reihe L abhängig von P:

Naša socijalistička književnost ima da brani južnoslovenski socijalistički status quo, jer time brani naš socijalistički, a prema tome logično i naš narodni i kulturni opstanak.192

[…] kako se jedan politički 100% ostvaren plan ostvari i na kulturnom sektoru? […] mi moramo da […] posvetimo ogromnu pažnju ispitivanju fakata oko nastajanja naše reakcionarne svijesti, jer je […] još uvijek među nama živa. […] Ta reakcionarna svijest javlja se kao predrasuda klase […] kao ideolog, mislilac, tehničko lice […] u jednu riječ: kao maskirana društvena pojava […], a da bismo ih povladali mi je moramo poznavati.

Die heutige bürgerliche Intelligenz, die sich noch immer weder mit dem Sieg der russischen Revolution abfinden wolle noch mit dem Aufbau des Sozialismus in Jugoslavien, die Intelligenz, die ihr Geld mit dem ideologischen und finanziellen Handel mit dem Ausland verdient habe, sei ein Reflex der Unterdrückungszeit, meint etwa Krleža. Er fordert dazu auf, Phänomene, die mit diesen Kräften des Außen in Verbindung stehen, zu liquidieren. "Ti kalupi su bili anahronizam već prije trideset godina, a danas, u koliko se javljaju, na žalost vrlo često

185Zogović 1946, 864

186Franičević 1948, 6.

187Đilas 1948a, 2.

188Andrić 1948, 219; Umesto književnih novina — novi časopis. 1952.

189Franičević 1949b, 845.

190Đilas 1951a, 41.

191Gamulin 1951a, 243.

192Krleža 1952a, 238.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM 'ex cathedra', treba ih likvidirati kritički superiorno, sistematski po planu i zaista konačno." Definiert werden diese Phänomene des Außen aber auch durch politische Merkmale.193

In eine ähnliche Richtung geht Franičević mit der Feststellung, in einer Klassengesellschaft könne Literatur nicht über den Klassen stehen194 und eine verfallende Klasse bedinge verfallende Literatur.195 Wie die Kollegen folgert er daraus; dass eine solche Literatur nicht existieren dürfe. Keiner der Diskursteilnehmer klärt den Widerspruch auf, warum, wenn dekadente Literatur objektiv unmöglich ist, sie überhaupt bekämpft werden muss. Eine schöne Illustration der Abgrenzungsfunktion dieser Ästhetikdebatte ist Kišić’ Äußerung von 1950, gerichtet gegen die "Informbüro-Länder", es gelte wegen der "negativen Tendenzen in manchen sozialistischen Ländern […] eine ganz klare Grenze zwischen dem wahrhaft Schönen und dem lügenhaften Schönen zu ziehen".196 Gegenübergestellt werden im Zuge der Abgrenzung also vor allem außerliterarische Kriterien, beispielsweise Schriftsteller, die die Heimat verrieten und solche, die in Partisaneneinheiten dabei waren, aber auch solche, die in den "besetzten Gebieten dem Kampf dienten":

Književni život očišćen je od ljudi, koji su izdali i književnost i domovinu. Književnici, koji su došli iz vojnih jedinica i sa oslobođenih teritorija, i književnici, koji su u okupiranim krajevima, na ovaj ili onaj način, služili oslobodilačkoj borbi, provodili pasivnu rezistenciju, i čuvali čast naroda i svog književnog imena, sjedinili su snage i počeli manje ili više jedinstvenu djelatnost […].197

Junge Literaten, ja sogar Literaten-Partisanen, die "interessante Anfänger" sein könnten, disqualifizieren sich, weil sie die Mittelschule unter der Okkupation oder in Serbien General Nedić' "vaspitne zavode" besuchten. Das schlägt sich für Zogović' Begriffe auch ästhetisch nieder:

Što se osjeća po istrzanosti, mutnoj bizarnosti i potištenosti, dekadentnom primitivizmu i ostacima ekspresionizma u njihovim stihovima — po formalizmu kojega ima čak i u radovima nekih od najmlađih pisaca-partizana.198

193Krleža 1947, 776-779.

194Franičević 1948, 8.

195Franičević 1948, 6.

196Kisić 1950, 1.

197Zogović 1946, 867.

198Zogović 1946, 867f.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM Die durchgängige Bedeutung der zwei Reihen Politik und Literatur von 1945 bis 1952 belegt die Tatsache, dass Eli Finci eben 1952 die Lachliteratur mit der Begründung verteidigt, sie sei ein Teil des Kampfes zwischen Lüge und Wahrheit.199 Die Merkmalreihen, die literarisch und auf der anderen Seite politisch bedingt werden, sind aber nicht die einzigen Merkmale, mit deren Hilfe der Innenbereich der eigenen Gesellschaft gestaltet und abgegrenzt wird. Er wird meist naša narodna država oder Jugoslavija genannt. Nicht selten genügt bereits das Attribut naš, um ihn zu bezeichnen. Bei solchen Gelegenheiten ist meist auch von der E i n h e i t dieses Jugoslavien die Rede. Die jugoslavische Literatur wird dargestellt als das Ergebnis der Verbrüderung der "Volksliteraturen", entsprechend der Korrelation P÷L eine Funktion der Verbrüderung der "Völker". Es wird großer Wert darauf gelegt, dass diese Volksliteraturen nicht ein ebensolches Innen haben wie die "jugoslavische Literatur". Hätten sie einen Innenbereich, gäbe es im Gesamt-Innen ein kleines Außen; beispielsweise wäre dann die serbische Literatur für die kroatische ein Außen. Damit dem nicht so sei, wird die Einheit diskursiv konstruiert. Ein beliebtes Motiv ist dabei der erste jugoslavische Schriftstellerkongress, der als die Erfüllung der Literaturgeschichten der "Volksliteraturen" dargestellt wird, indem er (ermöglicht durch den NOB) die jugoslavischen Literaten zum ersten Mal vereinige:

Da su se svi književnici Jugoslavije uspjeli okupiti po prvi put u jedan jedinstveni Savez, jedna je od velikih tekovina naše borbe.200

Andererseits – um bei dem Beispiel von Franičević zu bleiben – wird auch Kritik daran geübt, dass die Einheitlichkeit noch nicht genügend verwirklicht sei; beispielsweise kümmere man sich zu wenig um die Bruderrepubliken. Die Betonung liegt dabei aber immer auf dem "noch", da man grundsätzlich auf dem richtigen Weg sei.201

Überreste und Übergriffe

So wie die Einheit täglich verbessert werden kann, müssen auch die neue Staatsordnung und ihre neue jugoslavische Literatur täglich verteidigt werden. Gegner sind, da es aufgrund der Geburt des Neuen keinen mächtigen Gegner im Innern geben kann und weil dieser im Außen bleiben soll, die Überreste des Alten (sogenannte "ostaci") und/oder das Eindringen des Außen ins Innen, also Grenzverletzungen (sogenannter "prodor")

199Finci 1952c, 3.

200Franičević 1949a, 15.

201Franičević 1949a, 16; Franičević 1949a, 14.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM Tamne točke u novoj Jugoslaviji to su ostaci reakcionarne, izdajničke buržoazije, odlomci stare, polukolonijalne eksploatatorske države […]202

Dieses Eindringen oder Übriggeblieben-Sein wird meistens mit Kleinbürgerlichkeit, als Überrest oder Einfallspforte des Bourgeoisen in Verbindung gebracht. Später erfüllt in ähnlichen Darstellungen der Vulgärmarxismus diese Funktionen bezüglich des Bürokratismus. Risto Tošović beklagt 1948, der Stil der Jungen leide darunter, dass dem Kampf gegen die kleinbürgerlichen Einflüsse in allen Verbandsteilen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde, obwohl dem besonders seit 1948 mehr Rechnung getragen werde.203 1949 erklärt die Sitzung der Jugendliteratur-Zeitschriften, die Redaktionen müssten gegen den bourgeoisen Einfluss und die bourgeoisen Überreste im Leben der Jugend kämpfen.204

Diese Vorstellung hält sich während des ganzen Beobachtungszeitraumes. 1951 schreibt Grga Gamulin, es sei zwar möglich, dass kleinbürgerliche Schriftsteller von ihren kleinbürgerlichen Standpunkten auf kulturelle sozialistische Positionen wechselten, es gebe aber immer noch unheilbar mit bourgeoiser Psychologie verseuchte Schriftsteller.205 Ein leise ironisierender Umgang mit solchen Bildern gehört entschieden an den Rand des Diskurses, so wenn Radomir Konstantinović (junge Generation der prugaši, in den 50'ern gegen den "Realismus") Velibor Gligorić vorwirft, er verfeme einen seiner Artikel als "buđenje tamnih nekih sila, buržoaskih u osnovi, što ih ja povampirujem".206 Es handelt sich hier aber um einen ausgesprochenen Alltagstext.

Alle Zitate, mit Ausnahme Gamulins stammen aus rituellen Texten. Die eingerückten Belege sind Äußerungen auf Kongressen. Die Belegjahre sind 1946 bis 1950. Die ostaci und prodori werden also zu jeder Zeit und von allen verwendet, um abzugrenzen: allgemein gegen ausländische Feinde, aber auch gegen Kollegen, die mit diesen Feinden in Verbindung gebracht werden. Die offene gegenseitige Bezichtigung ist ein spätes Phänomen und randständig. So werden Literatur und Kunst erst 1952 als Bereiche dargestellt, die für ein Eindringen oder Überleben des Alten besonders anfällig seien und eine potentielle Gefahr für den Sozialismus darstellten, und das in Alltagstexten:

202Zogović 1946, 862.

203Tošović 1949, 886.

204Zaključci savetovanja redakcija omladinskih časopisa 1949, 1.

205Gamulin 1951a, 245.

206Konstaninović 1950b, 448.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM Mi, naprotiv, vidimo da se danas često i 'literarne' i 'umetničke' forme koriste za napad na marksizam i, to s raznih strana. […] javno i otvoreno […].207

Die Angst aber, dass sich durch den Kampf gegen den Bürokratismus das bourgeoise Gedankengut wieder einschleichen könnte, ist so allgemein, dass sie 1949/50 in die Resolution des 2. Kongresses Eingang findet:

U danima kada naša književnost i umetnost odbacuju moskovsku informbiroovsku reviziju osnova marksističko-lenjinističke estetike, potrebna je osobita b u d n o s t d a s e p o d v i d o m o v e b o r b e n e d o g o d e i n f i l t r a c i j e t r u l e b u r ž o a s k e b e z i d e j n o s t i u našu umetnost i književnost. […] Pisci, književni kritičari i svi drugi književni radnici treba da svojim delima pruže nepomirljiv otpor svakom pokušaju prodora buržoaskih ideja, i buržoaske dekadencije.208

5.2.2 Innen

Die Abgrenzung vom Außen ist nun klar geworden. Wie aber sehen die positiven Merkmale des Innen aus? Wer zum Innen gehört, ist auf alle Fälle "menschlich, human, humanistisch"; zum Innen gehört die "Menschheit". 1951 erkärt die Matica Hrvatska:

Mi smo svijesni da nikada u historiji bilo kojega naroda nije bilo tako odsudnoga časa da se bije bitka za istinu kao danas, i to za onu životvornu istinu, po kojoj počinje prava historija društvenoga čovjeka, za istinu naučnu, društvenu i na kraju onu u njoj esencijalnu istinu, ljudsku.209

Den "menschlichen Inhalt" könnten Maler erst heute darstellen, meint Gamulinljudski sadržaj den künnten die heutigen Maler im Gegensatz zu den bürgerlichen der Vergangenheit würdig der Gegenwart abbilden.210 und auch für Krleža gibt es eine "normale, menschliche Wahrheit"211. Das Eigenegje je normalna, ljudska istina? Diese Definition des Innenbereichs kontrastiert in auffälliger Weise mit der elitären Art, wie das Innen auch definiert wird, wenn als Helden die književnici-antifašisti verehrt werden, die ihr Leben für die "Freiheit von Heimat und Kultur" ließen.212 Diese Gefallenen sind aber Symbole und keine Definitionen und die verehrten Personen qualifizieren sich neben ihrem gewaltsamen Tod manchmal auch nur durch "Humanität", aber immerhin werden unter den Lebenden die "fortschrittlichen"

207Bogdanović, Kulenović, Drenovec 1952. Vergl. Rezolucija plenuma Udruženja književnika Srbije; Gavrilović 1952; Boškov 1950, 88.

208Rezolucija o smernicama i zadacima Saveza književnika Jugoslavije 1950, 2.

209Godišnja skupština Matice Hrvatske 1951, 204.

210Gamulin 1951a, 250.

211Krleža 1952a, 234.

212Zogović 1946, 865.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM Schriftsteller in solche eingeteilt, die früher und solche, die später auf die richtige Position wechselten, die Position des aktiven Widerstandes: laut Zogović waren das v. a. die "progressiven" Schriftsteller, dann die meisten übrigen "antifaschistischen" Schriftsteller, einige "ältere kämpferisch-romantische und realistische". Gekämpft hätten sie in Partisaneneinheiten oder im feindlichen Hinterland. Bei den Partisanen seien sie fast ohne Ausnahme "borci, politički radnici u vojsci i narodu, ili vojni i politički rukovodioci" gewesen.213 Die Fortschrittlichkeit und der Antifaschismus etc. sind weitere Innenkriterien, die man relativ leicht beanspruchen kann, da sie auch nicht sehr spezifisch sind. Allerdings macht die Vorraussetzung, aktiver Kämpfer gewesen zu sein, den Personenkreis doch reichlich exklusiv. Tatsächlich wurden aber auch andere Schriftsteller einbezogen, die auf unterschiedliche Weise keines der engen Kriterien erfüllten (Krleža, Andrić, Samokovlija) wird als menschlich, organisiert definiert (Kultur), das fremde als unmenschlich, m. a. W. unorganisiert (Unkultur).

Das aktive Kämpfertum ist hingegen ein Kriterium, das nur für eine Elite verbindlich war; im Gegensatz zu den kleinen gemeinsamen Nennern fortschrittlich, kämpferisch, und vor allem menschlich. Die Definition des Inneren durch explizit marxistische Attribute ist nicht so durchgängig wie man vielleicht annehmen würde. Stalinistische Symbolfiguren sind zwar immer Bestandteil des Diskurses, auch z. B. das "leninistische Prinzip der Parteilichkeit"214, aber der Marxismus-Leninismus ist ein Schlagwort, das erst mit dem Bruch mit der Sovjetunion auftaucht — dafür aber umso massiver. In der Anti-Informbüro-Resolution ist von dem "schweren Kampf für die Reinheit der marxistischen Wissenschaft und eine bessere Zukunft aller Völker der Welt" die Rede215, an der es auch Verräter geben kann, die auch in anderen Texten gebrandmarkt werden216. Charakteristisch ist, dass gleich spät und in steter Verbindung mit dem Marxismus-Leninismus-Schlagwort der Begriff Ästhetik auftaucht.217 Der Marxismus-Leninismus ist aber eine Abgrenzung, die nur in der zweiten Hälfte des Diskurszeitraums funktioniert, und wird deshalb in Teil zwei genauer behandelt.

213Zogović 1946, 864.

214Zogović 1948, 3.

215Rezolucije književnika Hrvatske u vezi s klevtačkim napadima Informbiroa na našu zemlju 1949, 944.

216Pejović 1949, 285.

217Konstaninović 1950a, 1f.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM 5.2.3 Außen

Schneller lassen sich außerhalb des Eigenen liegende Phänomene benennen, da es um sie weniger Konkurrenz gibt (niemand will außen sein). Charakteritisch für unseren Diskurs ist, dass die Nennung der Gegner oft in langen Reihen erfolgt, im folgenden Beipiel sogar unter dem Motto svijetlo i tamno:

reaktionäre, verräterische Bourgeoisie, monarchofaschistischer Terror in Griechenland, englische Okkupation, italienisch-deutsche Okkupation, Auferstehung des italienischen und deutschen Faschismus unter dem Schutz der angloamerikanischen Reaktion, Frankos inquisitorische faschistische Tyrannei im edlen und märtyrerischen Spanien, Wall Street, Dollardiplomatie218

Oft erfolgt die Feinddefinition auch einfach durch die Negation der positiven Vokabeln:

Antihumanismus, Antirealismus, Irrationalismus, Pessimismus, Nationalismus, Lügenhaftes Neuerertum.219

So wie der NOB Geburtsort des Neuen ist, so ist er Scheidepunkt für die Zugehörigkeit von Künstlern und Kunstströmungen zum Eigenen. Da der aktive Widerstand Dazugehörigkeit bewirkt, kann für Zogović umgekehrt der passive Widerstand schon verdächtig sein. Er schreibt, die "gemäßigten Larpurlartisten" hätten sich im Krieg zurückgezogen, die passive Resistenz hätten untypischerweise aber auch einige "kämpferisch-romantische und realistische und einige Literaten-Antifaschisten" bevorzugt, obwohl es eigentlich Merkmal der dekadenten Modernisten sei.220 Dieses Sich-Zurückziehen ist aber nicht nur in der Auseinandersetzung von Fortschritt und Faschismus verfehlt, sondern auch bezüglich "des Lebens" allgemein (zum Begriff des "Lebens" siehe nächstes Kapitel):

Ni objasniti se ne može, a kamoli opravdati, danas, u našim prilikama, pisac, koji voljno i svesno […] stoji po strani od živog života[…] koji od književnost hoće da napravi pusto polje i vežbalište za svoje lične parade […]. Nikad takvi pisci nisu ostajali u književnosti, danas oni ne mogu ni postojati, i to ne po nekim propisima i nečijim zabranama, nego prosto po logici stvarnosti […]. […] njihova pojava nema osnova i opravdanja jer se takvi negativni fenomeni javljaju na kraju društvenih procesa […] a nikad na početku […].221

218Zogović 1946, 863.

219Zogović 1948, 3.

220Zogović 1946, 864.

221Andrić 1948, 218f.

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Herren und Diener

Wer sich aber nicht nur zurückgezogen, sondern direkt an feindlichen Bewegungen beteiligt habe, so wie Šantić, der gegen Kroaten und Muslime "imperialistisch gewesen" sei, dessen Werke könnten auch nicht positiv beurteilt werden. Eli Finci schreibt, man dürfe die politische Haltung eines Autors, wenn sie im Kunstwerk durchscheine nicht als "gesellschaftliches Dekor" abtun, sonst mache man sich desselben Vergehens schuldig, wie der Kritisierte.222 Es wird zwar eingeräumt, dass die Schuld nicht nur bei den Literaten gelegen habe, sondern auch bei den Regierenden. Die ustaša-Machthaber hätten sich etwa bemüht, Vladimir Nazors Texte für ihre Zwecke zu verwenden. Viele Schriftsteller hätten sich durch Stipendien ködern lassen, einige "einfach, um in Zagreb einige Zeit von der Bildfläche zu verschwinden"223. Diese gemäßigte Meinung kann Antun Barac aber nur unmittelbar nach dem Krieg äußern.

Was gewisse Diskursteilnehmer, die ansonsten nicht oder später nicht mehr zu den Heteronomisten gehören (immerhin stammt das nächste Zitat aus einer Rede von Đilas), vom Verhältnis der Literatur zur Gesellschaft halten, kommt ans Licht, wenn die Instrumentaliserung von Literatur durch den Gegner beschrieben wird. Die Literatur ist in solchen Darstellungen eine Funktion der Gesellschaft und nicht umgekehrt. Die feindliche Literatur ist eine Dienerin der feindlichen Herren und hängt direkt mit ihr zusammen. So ist die Dekadenzliteratur ein Phänomen der Dekadenz der Bourgeoisie:

Sadržinska osnova svake dekadencije jeste raspad […] vladajuće klase i vladajuće ideologije.224

Dass Zogović es für sinnlos hält, die moderne bourgeoise Literatur als autonomen Faktor zu behandeln, ist weniger erstaunlich: der Formalismus sei im Grunde nur eine Maßnahme des absterbenden Bürgertums gewesen, den unbequem gewordenen Realismus abzuschaffen und entspreche der Geschichtslosigkeit und Obsoletheit der Klasse, die ihn hervorgebracht habe.225 In diesem Zitaten ist die Literatur ein Instrument des Gegners, so wie an anderer Stelle die sozialistische Literatur als Waffe des Proletariats dargestellt wird.

222Finci 1949, 3.

223Barac 1945, 62f.

224Đilas 1951a, 40.

225Zogović 1947, 5.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM 1949 werden auch den sovjetischen "abtrünnigen" Führern ihre Diener, ihre Trabanten nachgesagt.226 Das Motiv des Verräters, der nur unterwürfiger Diener einer fremden Macht ist, bewährt sich über die ganzen acht Jahre, sei es bezüglich jugoslavischer Zwischenkriegs- Literaten227 oder im Hinblick auf die bulgarische Führung während des Streits um die makedonische Schriftsprache.228 Eine der Funktionen des Herr-und-Diener-Motivs ist, den Gegner als feige und bedeutungslos darzustellen. 229

Transformation und Kontamination

Die Bewohner des Innen müssen beständig gegen den richtigen Gegner kämpfen. Dieser Gegner kann aber immer wieder eine andere Form annehmen; er tritt mal als "Dekadenz und Formalismus" und dann als "vulgärmaterialistische Verfälschungen des Marxismus in der Kunst" in Erscheinung.230 Sowohl die inneren Feinde, die in fremde (äußere) Dienste treten, als auch ihre Herren, können relativ schnell verschiedene Gesichter des Bösen annehmen, vom Bourgeois zum Faschisten zum Trotzkisten zum Stalinisten werden231:

U službu okupatoru stupila je i bijedna šačica trockista i trockizera, koji u literarnom životu prije rata nijesu ništa značili, a sada su postali ideolozi 'nacional-socijalizma'[…]232

Es ist aufschlussreich, wann wer zum Außen gehört und dass das Motiv von Diener und Herr, das so fatal an die wahre Selbstdefinition des Verhältnisses von jugoslavischer Literatur und jugoslavischer Staatsmacht erinnert, aber auch das Motiv der Wandelbarkeit des Dieners so betont werden — beispielweise wenn Krleža über die sovjetischen Schriftsteller schreibt: "jedni silaze sa scene kao kriminalci, a drugi glume konvertite i pišu ode generalisimusu, kao gospođa Ahmatova […]"233 Die T r a n s f o r m a t i o n können wir beobachten, wenn wir lesen, in Belgrad sei als "legitime Tochter der dekadenten Vorkriegsrichtungen" eine

226Rezolucije književnika Hrvatske u vezi s klevtačkim napadima Informbiroa na našu zemlju 1949, 943.

227Zogović 1946, 864.

228Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 48Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 47.

2293 kongres književnika Jugoslavije 1952, 2.

230Đilas 1948a, 2; Popović 1948, 1.

231Vergl. Krleža 1952a, 235

232Zogović 1946, 864.

233Krleža 1952a, 230.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM "widersinnige sogenannte abstrakte Poesie" aufgetaucht und in Ljubljana habe sich leise aber beharrlich eine Variante der existentalistischen Ideologie den Weg gebahnt.234

1949 beschwert sich die Zeitung Stvaranje über das Auftreten eines Mitgliedes des ZK der Partei der Arbeit Albaniens (PAA), Sejfulla Malëshova, auf dem albanischen Schriftstellerkongress in Tirana. Malëshova habe Gjergj Fishta verteidigt, obwohl man sich bis vor der Resolution des Informbüro einig gewesen sei, dass Fishta ein reaktionärer Autor sei, ein Zogu-Anhänger und ehemaliges Mitglied der "faschistischen Akademie der Wissenschaften in Rom", der seinem Albanertum abgeschworen habe. Derselbe Mallëshova sei 1946 aus Politbüro und ZK der PAA wegen Liberalismus und Opportunismus hinausgeworfen worden und tauche jetzt pünktlich anderthalb Jahre nach der IB-Resolution wieder auf.235 In diesem Stvaranje-Text geht es darum, dass die verschiedenen Vertreter des Außen Bündnisse gegen das Innen eingehen und einander so kontaminieren. Das Motiv ist mit dem Transformationsmotiv (in beiden Motiven wird die Grenzziehung zum Außen durch die Betonung der Gemeinsamkeiten der Gegner vertieft), aber es funktioniert anders. Während bei der Transformation ein Akteur verschiedene Attribute in zeitlicher Folge annimmt, ablegt und wieder andere annimmt, gehen bei der Kontamination Attribute des einen Akteurs auf den anderen über, sobald beide in Kontakt treten.

Die beständige Transformation und Kontamination der äußeren Akteure macht es für die Akteure des Innen nicht ratsam, mit einem der Außenakteure in Kontakt zu treten, denn wegen der Transformierbarkeit des Außen ist es nicht möglich, einen Außenakteur mit der Hilfe des anderen zu besiegen; der Eine könnte plötzlich zum Anderen werden. Zweitens würde der Innenakteur durch Transformation oder Kontamination selbst zum Teil des Außen werden. Dennoch glaubt Risto Tošović in seinem Bericht an den dritten Kongress offenbar, dass man sich nicht mit den Krankheiten des Außen infiziert habe (und das trotz mehrfachen Partnerwechels), wenn er auf dem 3. Schriftstellerkongress sagt, bis zum zweiten Kongress habe man sich an den der Sovjetunion nahen Ländern orientiert, während die Kontakte mit fortschrittlichen Schriftstellern und den "javni radnici" der westlichen Länder "bedeutungslos oder gleich Null" waren.236 Der Kontakt mit "fortschrittlichen Schriftstellern" aus dem westlichen Ausland war übrigens auch vor 1948 nichts anrüchiges, wenn auch streng begrenzt. Auf den Kongressen war üblicherweise ein Vertreter pro Land anwesend (siehe Seite 24). Aber mit anderen Vertretern explizit westlicher Länder in Kontakt treten zu wollen,

234Osnovno danas 1952.

235 V. D. 1949, 409.

2363 kongres književnika Jugoslavije 1952, 3.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM das sagt und schreibt nie jemand. Eine Streitfrage ist zu Ende des Beobachtungszeitraumes, ob die schiere Lektüre dekadenter Literatur schon zur Kontamination führe. Radomir Konstantinović bemängelt, dass man sich von den schlechten sovjetischen Vorbildern habe leiten lassen. Das habe die jugoslavische Literaturszene von allen literarischen Entwicklungen im Westen isoliert. Diese Literatur müsse man aber kennen, denn sonst werde die Abgrenzung vom "Formalismus" immer nur eine Phrase bleiben.237

Die Abgrenzungen sind sehr vielgestaltig: "Općeljudski vrijednosti, istina, pravda, poštenje, pozicija marksizma i lenjinizma" stehen im Gegensatz zu "nekomunistički, neljudski, šovinizam".238 Ganze Zeitungs-Doppelseiten sind gefüllt mit Argumentationen wie die, die Nebeneinanderstellung von Gor'kij und einheimischen "Formalisten" in einem Lesebuch führe zum "Versuch einer Aussöhnung zwischen einer gesunden und realistischen Literatur mit einer dekadenten und antirealistischen, einer ideenhaften mit einer formalistischen, einer obskurantistischen mit einer revolutionären, einer dekadent- anarchistischen mit einer sozialistisch-realistischen" und zu einer Unterschätzung der Bedeutung des Klassenkampfes.239 Trotz dieser Buntheit können wir die Abgrenzungen, die Merkmale des Innen und die des Außen noch einmal kurz sammeln und im Überblick betrachten. Das Eigene im Inneren ist bestimmt durch Menschlichkeit, Einheit, Fortschritt, das Gute, Helligkeit, Volkstum, Schönheit, Wahrheit und Sozialismus. Es muss abgegrenzt, geschützt und verteidigt werden gegen das Reaktionäre, die Dekadenz, das Bougeoise, Bürgerliche, die Lüge, den Faschismus und besonders gegen die getarnten Eindringlinge in den Innenbereich: das Kleinbürgerliche und das Vulgärmarxistische (später). Der Außenraum weist eine besondere Struktur auf. Er ist zwar chaotisch, aber man kann über ihn sagen, dass sich in ihm die Außenmerkmale gegenseitig kontaminieren (infizieren) und dass das Verhältnisse der Anghörigen des Außen das von Herren und Dienern ist — unterdrückerisch und ausbeuterisch.

237Konstaninović 1950a, 4.

238Rezolucije književnika Hrvatske u vezi s klevtačkim napadima Informbiroa na našu zemlju 1949, 943f.

239Zogović 1947, 4.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM märtyrerisch ⎫ ⎬ erobernd/okkupierend kämpferisch ⎭ ⎧ bourgeois sozialistisch ⎨bürokratisch ⎩kleinbürgerlich ⎧ angloamerikanisch jugoslavisch ⎨italienisch ⎩deutsch ⎧ monarchofaschistisch [demokratisch] ⎨ ⎩tyrannisch menschlich/human unmenschlich edel profan fortschrittlich reaktionär einheitlich [uneinheitlich] gut böse hell finster narodni nenarodni wahr lügenhaft

Zu einfachen Oppositionen zusammengefasst präsentiert sich die Abgrenzung zwischen Innen und Außen folgendermaßen:

sozialistisch ⇔ nichtsozialistisch

menschlich ⇔ unmenschlich

nicht unten ⇔ unten

fortschrittlich ⇔ reaktionär

gerecht ⇔ ungerecht

hell ⇔ finster

edel ⇔ profan

einheitlich ⇔ [uneinheitlich]

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM gut ⇔ böse

narodni ⇔ nenarodni

wahr ⇔ lügenhaft

verteidigend ⇔ angreifend

Übersetzt in eine graphische Darstellung würden die Oppositionszeichen (⇔) eine Linie bilden, welche die linke Innenmerkmalreiche umschließen und vom äußeren Kreis, der rechten Reihe, trennen würde. Es ergibt sich die an ein Spiegelei erinnernde Graphik von Lotman (Seite 75).

5.2.4 Sovjetunion: vom Himmel zur Himmelsrichtung

Die räumlichen Kategorien Innen und Außen entsprechen nicht etwa den realen (geographischen) Gegebenheiten, denn sie dienen dazu, abstrakte Kategorien abzugrenzen, den Diskurs zu ordnen. Ist das edle Spanien innen, während die Franco-Tyrannei außen ist, oder gehören sie zu einem positiven und einem negativen Außen? Der wichtigste Fall eines positiven Außen ist im Gegensatz zu Spanien (während des Bürgerkrieges) die Sovjetunion. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass mit Spanien auch der Kampf jugoslavischer "Republikaner" dort gemeint ist, was auch für die Oktoberrevolution und den sogenannten Großen Vaterländischen Krieg gilt, wie der von Tito ausgefüllte Fragebogen auf Seite 62 belegt. Die Sovjetunion ist zwar außen, aber sie ist zunächst nicht feindlich. Als Modell für eine solche Situation kann Lotmans Variante eines Systems dienen, in dem die Korrelation menschlich:nichtmenschlich zwar Innen von Außen trennt, aber oben:unten den Außenraum zusätzlich organisiert. Oben ist gut, unten ist schlecht; oben ist übermenschlich, unten ist untermenschlich. Einem solchen Modell entspricht übrigens auch das Konzept von Himmel und Hölle. In unserem Diskurs ist zunächst die Sovjetunion oben und außen, während das kapitalistische Ausland unten außen ist.

Später wird aus dem oben:unten ein ost:west oder links:rechts. Links ist kapitalistisch, rechts ist sozialimperialistisch oder umgekehrt. Das erklärt dann auch die opponentenlose Kategorie marxistisch-leninistisch: sie spielt erst dann eine Rolle als sich das jugoslavische Innen vom oberen (sovjetischen) Außen abgrenzen muss und die Abgrenzungsoppositionen des Innen sowohl vom oberen als auch vom unteren Außen auf einer Ebene organisiert; durch Marxismus-Leninismus ist es möglich, sich von der Sovjetunion ebenso abzugrenzen wie von den Kapitalistischen Ländern. Beide sind nun auf derselben Ebene; statt der horizontalen wird

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM eine vertikale Unterscheidung eingeführt: ost und west. Aus dem Himmel Sovjetunion wird die Himmelsrichtung Osten (vergleiche Fig. 4 und Fig. 5).

[Bild]

Fig. 4: Zwei Modellierungen der Außenwelt nach Lotman

Ein wichtiger Faktor für die Sonderposition der Sovjetunion (auch im vertikalen Modell) ist, dass der Sovjetunion der weltweite Sieg über den Faschismus zugesprochen wird. Dabei ist Jugoslavien meist der Vollstrecker derselben historischen Linie im Kleinen, das heißt, dass es den Faschismus auf dem jugoslavischen Schlachtfeld schlug. Ambivalent sind allerdings schon 1947 bei Krleža die Rollen von Stalin und Lenin. Es wird ein Unterschied zwischen Lenin und Stalin gemacht:

Danas […] nesumnijivo je jasno, da je Staljin […] stvorio sve preduslove za svoju dalekovidnu strategiju, koja je Rusiju i čitavo čovječanstvo dovela do pobjede nad fašizmom. Danas je […] lenjinska revolucija stvorila Tita i da je drug Tito, […] doveo i naš narod s ostalim jugoslavenskim narodima do pobjede u ratu protiv fašizma i do izgradnje socijalizma u našoj zemlji.240

Die Rolle der Sovjetunion und besonders Stalins war also auch vor dem Bruch nicht immer ganz eindeutig. Dennoch hat die Sovjetunion vor dem Bruch immer eine Vorbildfunktion, mit anderen (topologischen) Worten, sie ist oben. Auch im Bereich der Literatur. Der französische Gastredner Jean Richard Bloch vergleicht beispielsweise den 1. Jugoslavischen Schriftstellerkongress mit dem in Moskau 1934.241 Auf derselben Ebene mit der Sovjetunion erscheint Jugoslavien zwar, wenn Andrić 1946 meint, man kenne die Statute der Schriftstellerorganisationen der Bruderländer Sovjetunion, Tschechoslovakei, Bulgarien etc., doch habe jedes Land seine eigenen gesellschaftlichen Besonderheiten und deshalb müsse man das Statut auf die literarischen und allgemeingesellschaftlichen Umstände eines jeden Landes zuschneiden.242 Aber ebenfalls im Jahr 1946 kann der Sovjetische Gast Ivan Ivanovič Anisimov, Vizepräsident des Komitees für Kunst und Kultur bei der sovjetischen Führung auf dem Schriftstellerkongress unwidersprochen immer wieder das Bild bemühen: wir habens geschafft und ihr werdet es schaffen.243 Anisimov glaubt, Jugoslavien nähere sich der

240Krleža 1947, 776-779.

241Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 481.

242Andrić 1946, 507.

243Završeno zasedanje prvog kongresa književnika Jugoslavije 1946, 5.

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Sovjetunion an, die also logischerweise weiter vorne oben ist.244 Diese Darstellungen entsprechen dem in Fig. 4 dargestellten Weltbild, in dem die Sovjetunion zum oberen Außen gehört. Nach dem jugoslavisch-sovjetischen Bruch wird genau diese obere Position als Grund genommen, die Sovjetunion auf der horizontalen Ebene mit dem kapitalistischen Ausland gleichzusetzen; dem ehemaligen Himmel wird nun ebenso wie den Imperialisten Ungerechtigkeit vorgeworfen und so wird er zur Himmelsrichtung. So wirft Pejović 1949 den "Verrätern" vor, in Jugoslavien habe man sehr viele Filme aus ihren Ländern gezeigt und zwar sogar nach der "verräterischen Kampagne", umgekehrt sei das aber nie in dem Maße geschehen.245

5.2.5 Liebe zur Sovjetunion

Das positive Verhältnis zur Idee der Sovjetunion bleibt während der ganzen sieben Jahre erhalten. Etwas anderes sind die Literatur der Sovjetunion oder ihre Führer. Vergleichen wir noch einmal die Situation vor und nach der IB-Resolution. 1946 spricht Kulenović von den segensreichen Strahlen der sovjetischen Kultur246 und Luka Soldić nennt 1945 die Sovjetunion "das Land der arbeitenden Menschen", in dem es "weder Not noch Übel" gebe.247 Beide Darstellungen korrespondieren auffällig mit der Metapher des Himmels in der Lotman'schen Schematik in Fig. 4. Vom Himmel fallen die Strahlen und im paradiesischen Himmel gibt es keine Not. 1945 redet Krleža noch über die russischen Kanonen, die "die finstere Komödie der Tyrannen" beendeten.248 Nach dem Bruch wird gerne die Liebe zur Sovjetunion betont. Diese Metapher legt einen Treu- oder gar Ehebruch Moskaus nahe. Wie in Krležas Kongressrede 1949/50 (siehe Seite 81) argumentiert Radomir Konstantinović 1950 mit der ehemaligen Vorreiterrolle der Sovjets, wenn er von seiner "Liebe zum ersten sozialistischen Land der Welt" spricht.249 Was man aber nicht mehr habe, sei die "ljubav prema boljševičkoj partiji i drugu Staljinu" sagen die Schriftsteller 1949 in ihrer Deklaration. Dieses Motiv der Enttäuschung verstärkt den Vorwurf des Verrats, da er die eigene Seite umso unschuldiger aussehen lässt, weil sie bedingungslos liebte und nun bitter enttäuscht wurde. Dadurch lässt sich eine umso stärkere eigene Reaktion motivieren. Besonderen Grund, "beleidigt" zu sein

244Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 480.

245Pejović 1949, 286.

246Kulenović 1946, 44.

247Soldić 1945, 92.

248Krleža 1945a, 141.

249Konstaninović 1950a, 43.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM durfte die jugoslavische Partei für sich in Anspruch nehmen, denn die Liebe zur UdSSR war nur so groß "weil unsere Partei mit Gen. Tito an der Spitze dafür sorgte".250

Fig. 5: die vertikale Modellierung des Außen

[Bild]

Diese blinde Liebe, die nach 1948 sehr gerne bemüht wird, dient auch zur Rechtfertigung einer Änderung in der Literaturpolitik. Nach dem Bruch mit Moskau macht allen voran Milovan Đilas eine ideologische Rochade und stellt bürokratisches System und bourgeoise Demokratie als Gegensatz zu sozialistischer Demokratie dar (Zwei-Welten-Theorie).251 Radomir Konstantinović meint 1950, die Diskussion auf dem zweiten Kongress habe gezeigt, dass die Haltung zum Literaturgeschehen in der UdSSR bisher zu wenig kritisch gewesen sei.252 Er beklagt auch, man habe von der Sovjetunion deren Auffassungen übernommen, aber die große "idejnost" der Sovjets habe nur in einer Schwarzweißmalerei der Realität bestanden: es sei in Jugoslavien zwar nicht alles nach sovjetischem Rezept gegangen; einige Kritiker hätten Selbständigkeit des Denkens und ein Gefühl für Realismus gezeigt, doch schließlich habe man einen allgemein negativen Standpunkt anhand einiger aggressiv antirealistischer sovjetischer Konzepte eingenommen. Die heutige Kritik sei in einer schweren Lage. Sie kranke an "Dogmatismus, Rezepturen und Neigung zur Vulgarisierung und unrichtigen Verallgemeinerungen".253

Die Teilnehmer, die sich derart über die sovjetische Literatur echauffieren, beharren aber auf der Forderung nach idejnost und Realismus und stellen sich sogar als deren Gralshüter hin. Die UdSSR habe diese Prinzipien anfangs hochgehalten, dann aber verraten. Damit erscheint Jugoslavien als der legitime neue Bannerträger dieser Prinzipien. Das heißt, dass einige Attribute, die im alten Modell in den oberen äußeren Bereich fielen, nun in den Innenraum übernommen werden. Die Abgrenzung gegen die östlichen Äußerungen muss nun nämlich stärker betont werden. Das führt zu einer Inflation des Begriffs marxistisch- leninistisch, denn er ist eine exklusives Abgrenzungsmerkmal zum Osten und nicht zum Westen. Die wichtigsten neuen Oppostionen mit dem östlichen Außen sehen dann folgendermaßen aus:

250Odgovor jugoslavenskih književnika sovjetskim književnicima F. Glatkovu, N. Tihonovu i drugima 1949, 184f.

251Đilas 7051, 5.

252Konstaninović 1950a, 4.

253Konstaninović 1950a, 4.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM nicht-ost ⇔ ost

treu ⇔ verräterisch

realistisch ⇔ antirealistisch

nicht aggressiv ⇔ aggressiv

undogmatisch ⇔ dogmatisch

marxistisch-leninistisch ⇔ nicht marxistisch-leninistisch

Ost-West ist im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945-1952 eine der Oppositionen, die den Raum der imaginierten Gemeinschaft modellieren, aber erst nach dem Bruch mit der Sovjetunion. Zwar begrüßt Krleža 1945 den Kanonendonner, der von der Wolga her die Freiheit kündet (Seite [Der Inhalt, auf den verwiesen wird, fehlt.]), doch definiert er erst später den Leninismus als westlich254. Das gibt zu denken. Gehört westlich nicht zu den Abgrenzungen gegen das kapitalistische Außen? Kein Diskursteilnehmer definiert das Eigene als nicht-westlich. Auch nicht Đilas. Wenn Horvat gegen die bourgeoise Dekadenz wettert, so spricht er von der "sogenannten westlichen" Kultur. Er nennt also die Un-Kultur nicht-westlich:

[…] laž i provokacije u štampi, kriminal i pornografija u filmu, larpurlartizam i gnjili subjektivizam u književnosti, egzistencijalizam u filiozofiji, nadrealizam i formalizam u slikarstvu - sve u svemu otrov, koji […] priprema [čovjeka] na podlost, ropstvo i zločin.255

Krleža geht mit der Grenzziehung 1952 so weit, dass er nicht nur sagt, der Leninismus sei eine westeuropäische Doktrin, sondern auch, dass die Jugoslaven (naš narod) als westeuropäisches Volk ihn verwirklicht hätten. Dabei wendet er sich zwar gegen die Ersetzung sozialer Oppositionen durch eine kulturelle Ost-West-Opposition, aber erstens war von einer sozialen Opposition (zumindest in rituellen Texten) nie die Rede gewesen (s. u. im Kapitel 5.3 Naši narodi — naš socijalizam) und zweitens ist die Verbindung von westlich und Leninismus trotzdem eine topologische Opposition. Krleža hält den Russen zugute, dass sie lange die Hüter des Marxismus gewesen seien. Leider habe Russland im Laufe der Zeit gegenüber dem Westen politisches Übergewicht bekommen, weil dort der Kampf erst später habe gewonnen werden können als im Osten: "to je samo po sebi tragično"256. So wird die Antiždanovljevština zu einem Begriff und die Ždanovljevština zum Feindbild im Osten, wobei darauf geachtet wird, dass niemand das Kind Ždanov mit dem Bade "Marxismus-Leninismus"

254Krleža 1945a, 141.

255Horvat 1948, 225.

256Krleža 1952a, 234.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM ausschütte, da man sich andernfalls nicht mehr vom westlichen Außen unterscheiden würde.257 Die Abgrenzung gegen die Sovjetunion stützt sich auf das Merkmal nicht-östlich. Die Grenzziehung gegenüber den kapitalistischen Ländern bedient sich aber mitnichten des Merkmals nicht-westlich. Jugoslavien (IN) hat mit den imperialistischen Ländern das Merkmal nicht-östlich gemein. Das birgt die Gefahr in sich, dass der Innenraum aufgrund ungenügender Grenzziehung zusammenbrechen könnte. Deshalb gibt es immer wieder Resolutionen dazu, dass man die westlichen Einflüsse trotz dieses möglichen Lochs in der Grenze nicht hereinlassen dürfe. Das "Loch" ist Anlass heftiger Diskussionen, die weiter unten thematisiert werden.

5.3 Naši narodi — naš socijalizam

Nationalismus ist im gesamten Zeitraum ein negativ konnotierter Begriff. Auch nationalistische Phänomene wie Ungleichbehandlung werden abgelehnt, z. B. wenn der makedonische Poet und Sprachstandardisierer Blaže Koneski den Bulgaren vorwirft, die Sprachen in höhere und niedere Ränge einteilen zu wollen.258 Eine Relativierung des Nationalismus wie es Antun Barac in einem Nachruf auf Ivan Goran Kovačić 1945 tut ist eher randständig.259 Dennoch ist der Held des "dynamischen Untertextes", der Akteur des Weges, der wie im vorletzten Kapitel dargelegt vom Alten zum Neuen führt, niemand anders als d a s Vo l k.

Auch im Außenraum befinden sich Völker. "Das" Volk (narod) kann auch "unsere Völker" (naši narodi) heißen. Diese Völker werden je nach ihren Attributen eingeteilt (ein Vorgang, der dem Gegner vorgeworfen wurde. s. o.). Für Zogović gibt es z. B. friedliebende Völker, demokratische Völker, ein großes russisches Volk, slavische Völker versus großserbische Tyrannei, Okkupatoren, deutsche und italienische faschistische Eroberer und deren ungarische und bulgarische Diener (!).260 Besonders der Akteur "friedliebende Völker", der die Existenz von nicht-friedliebenden Völkern impliziert, begegnet uns häufig.261 Die nationale Korrelation in diesem besonders deutlichen Beispiel konstituiert sich aus der Gegenüberstellung Volk V1 + Attribut a1 gegen Volk V2 + Attribut -a1 (A1a1~A2-a1):

257Đilas 1948b, 1; Pejović 1949, 287; Đilas 1951a, 37.

258Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 48.

259Barac 1945, 56-62.

260Zogović 1946.

261Minderović 1947, 642.

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friedliebende Völker andere Völker friedliebend (a1) + -

Das komplexere Verhältnis der Akteure großserbische Tyrannei und slavische Völker lässt sich am besten mit einer Tabelle darstellen:

slavische Völker (A1) großserb. Tyrannei (A2) Volk (a1) + - slavisch (a2) + + tyrannisch (a3) - + chauvinistisch (a4) - + serbisch (a5) - +

In dieser Tabelle wird deutlich, dass es ein direktes Verhältnis zwischen den Merkmalen Volk a1 und tyrannisch und chauvinistisch a3/a4 gibt. Es werden hier nicht wie oben Völker mitsamt ihren Attributen einander gegenübergestellt. Das ist deshalb so, weil es sich um einen Teil des Innenbereichs handelt, nämlich die Serben. Sie müssen außer national noch anders differenziert werden, um nicht aufgrund der als serbisch attributierten Tyrannei als ganzes Volk aus dem Innen exkludiert zu sein. Da sich hier die Oppositionen +- chauvinistisch/ tyrannisch mit +- serbisch decken, muss die Opposition +- Volk eingeführt werden. Daher "großserbisch" statt "serbisch" und "Tyrannei" statt "Volk".

Die literarischen Kontinuitäten, die wir im Kapitel 3 Mythos kennenlernten, tragen eine nationale Merkmalreihe. Z. B. wird die Matica Hrvatska als Helferin bei des Volkes Kampf dargestellt, die Kultur für sich zu erobern.262 Krleža betont, dass das nationale Selbstverständnis durch Literatur geschaffen werde: "očima književnosti narod sebe gleda kroz vjekove"263 Derselbe Autor beschreibt die eigene Kultur als Element der nationalen Eigenständigkeit. Ihretwegen habe sich das Land als einziges selbst befreien können und könne schon deshalb keine plagiathafte Kunst haben.264 Krleža ist einerseits Vorreiter einer Kontinuitätsstiftung aufgrund sozialrevolutionärer Traditionen der südslavischen265 Völker, wie wir sie auch oben schon kennengelernt haben:

Suvremena naša socijalistička anticipacija danas samo je pendant čitavom nizu naših, južnoslovenskih sredovječnih anticipacija u prošlosti: staroslovjenske, glagoljaške i autokefalne borbe za ravnopravnost narodnosti i jezika u crkvenoj hijerarhiji grčkolatinskog

262Godišnja skupština Matice Hrvatske 1951, 203.

263Krleža 1945a, 159.

264Krleža 1952a, 241.

265Interessanterweise spricht er aber nicht von jugoslavischen Völkern.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM caezaropapizma i imperijalizma. Anticipacija bogumilske lajičke revolucije […] pred Lutherom, anticipacija predgiottovskog protorenesansnog zapadnoevropskog slikarstva, anticipacija čitave serije stilova od kupole sa trompama do bosanskih sarkofaga i do slavenske renesansne književne pojave u Evropi.266

Ähnlich äußern sich Marijan Matković: spricht ählich Krl von Klassengeschichte, Invasionen, Okkupationen, Kriegen267 und Marin Franičević:

A specialno su naše narode psovali i klevetali, napadali i uništavali ognjem i nožem razni osvajači kroz sve protekle vjekove.268

Diese "naša vjekovna tradicija proleterskih naroda"269 ist aber andererseits insofern eine national strukturierte Korrelation, als auf der einen Seite der Oppositionsreihen immer "naš narod" steht. Andererseits werden hier nationale Akteure mit sozialen Attributen belegt ("proletarische Völker"). Diese Überschneidung von Nationalem und Sozialem in der Selbstdarstellung ist typisch für den offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945–1952. Die soziale Ungleichheit der Völker und die Unterdrücktheit der "naši narodi" sollen für ihre Zurückgebliebenheit verantwortlich sein270. Das ist eine nationale Argumentation in sozialen Bildern. Ähnlich spricht Krleža:

Veličina Vizantije i Carigrada, Aachena i Mletaka, Laterana i Beča i Budima bila je uslovljena našim porazima, i zato naš slučaj nije, nažalost, identičan sa zapadnoevropskim varijantama pobjede oružje i duha, jer mi spadamo u kategoriju onih civilzacija, koje se nisu mogle razviti zato, jer su im tuđinske snage osporavale pravo na moralni i materijalni opstanak.271

Der nationale Charakter dieser sozial verbrämten Argumentationen wird deutlich, wenn wir uns etwas auf die Oppositionen konzentrieren, die die Texte konstituieren. Eine Korrelation, in der das Volk oder die Massen als Glied fungieren ist das Verhältnis zwischen Volk und Schriftstellern. Sie gehören nicht zu ihm; die Schriftsteller müssen sich dem Volk annähern. Weitere Textbeispiele, in denen nach nationalen Merkmalen unterschieden wird, gibt es ausreichend. Franičević attestiert 1948 der serbischen Literatur größere "ideelle Reinheit" als der kroatischen272 und wenn Krleža nach den Ideologen der Finsternis im 20. Jahrhundert

266Krleža 1950. 15.

267Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 50.

268Franičević 1950, 69.

269Krleža 1950, 17.

270Minderović auf dem zweiten Schriftstellerkongress. Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 45.

271Krleža 1952a, 242.

272Franičević 1948, 19.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM sucht, findet er sie meist in Deutschland. National als Unterscheidungskategorie wird auch direkter verbalisiert. Popović spricht vom Stolz des jugoslavischen Patriotismus273 und Đilas schafft das in der Skupština der FNRJ sogar fünf mal in einem Satz. Er tut das, wie er sagt, um sich vom Nationalismus abzugrenzen ("Mi nijesmo i mi ne smijemo biti nacionalisti"). Đilas glaubt, fortschrittliche Tendenzen könne man nur "kroz nacionalne oblike" ausdrücken.274 Matković findet, dass sich Jugoslavien durch den Sieg der Revolution an der Spitze des menschlichen Fortschritts befinde.275 Auf dem ersten Schriftstellerkongress sind die Delegationen streng nach Nation/alität/en unterteilt.276 Ein schönes und rituell bedeutsames Beispiel liefert Vladimir Nazor 1947 auf der Jahreshauptversammlung des DKH, und zwar in seiner Rede als Vorsitzender des Verbandes und des Parlaments:

I ta je skupština nešto novo: nije, i ne smije biti, što bijahu - i u nedavnoj prošlosti - skupštine i sjednice 'Društva hrvatskih književnika", Nastao je i savladao je nov duh. Prava književnička svijest budi se u nama tek sada; […] Nestale su, nadam se, bez povratka - godine, kad smo, odalečivši se od Slavenstva i od Hrvatstva, oponašali i formom i sadržajem tuđince, presađujući u naše tlo egzotične biljke, koje su kod nas ponajviše kukavno vegetirale, 'Smrt Smailage Čengića' i 'Gorski vijenac' ostadoše i nadalje dva najbolja književna djela, koja izražavaju našu čistu narodnu individualnost. Čuvajući svoju umjetničku individualnost, valja dignuti mnoštvo na što višu razinu, a ne dirajući u korijene, kojim je ono od iskona vezano o rodno mu tlo. […] ne znam je li to prirođeno svim narodima na svijetu, ili je to osobina naših ljudi, iz kojih su nikle naše čuvene narodne pjesme i pripovijetke;277

Wer zum Volk gehört oder sich ihm anschließt, ist, wie wir bereits gesehen haben im Innenraum. Den Anschluss ans Volk kann man finden, indem man zur "Volksfront" gehört. Diese Front ist nach Franičević die "demokratische Front des Fortschritts" und kämpft gegen "jene andere Front, die Front der Finsternis".278 Der Kampf aller fortschrittlichen und wohlmeinenden Menschen auf der Welt gilt laut Sekretär Tošović der Erhaltung des Friedens.279 Diese Wiederholung der Innen-Außen-Strukturierung durch "Volk, Menschheit und Fortschritt" wie auf Seite 80 sollen nun konfrontiert werden mit den auf den ersten Blick sozial strukturierten Texten im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945-1952. Wie gesagt kommt es zu einer charakteristischen Vermischung der sozialen und

273Popović 1948, 1.

274Đilas 1948b, 1.

275Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 51

276Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 477

277Nazor 1947, 145f.

278 Franičević 1948, 12.

2793 kongres književnika Jugoslavije 1952, 2.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM übrigen Reihen. Als Illustration dafür folgt ein Ausschnitt aus der rituell schwergewichtigen instruktiven Rede von Radovan Zogović auf dem ersten Kongress der jugoslavischen Schriftsteller 1946 in Belgrad:

[Rat] je otkrio neuništivu, neiscrpnu snagu seljaštva; svu organizatorsku sposobnost, sav patriotizam i svu hladnokrvnost i beskompromisnost radničke klase, svijesnu i potresnu požrtvovnost napredne narodne inteligenicije, stoicizam i junaštvo žene, herojski entuzijazam i samoprijegor omladine.280

Einige der Akteure in diesem Beispiel unterscheiden sich von den anderen durch soziale Merkmale (Bauernschaft~Arbeiterklasse~Intelligenz). Jugend und Frauen passen aber nicht in dieses Schema, sonst müssten sie ja "Arbeiterinnen und Bäurinnen" oder "narodna omladina" oder ähnlich heißen. Da sie aber im Text vorkommen, muss es sich um ein anderes Schema handeln. Ein System, in das alle fünf Akteure gleichberechtigt hineinpassen, ist ein System von Allegorien, in dem n i c h t die Hälfte des Proletariats logischerweise weiblich ist und deshalb auch kein Widerspruch entsteht, wenn es einen getrennten Akteur Frauen neben Arbeiterklasse gibt. Die Merkmale der Akteure sind symbolische Merkmale. Das System ist also nicht:

*) Bauern Arbeiter Intelligenz Frauen Jugend agrarisch + - - +- +- proletarisch - + - +- +- gebildet - - + +- +- feminin +- +- +- + +- jung +- +- +- +- +

Wenn dieses System stimmen würde, müssten wir uns mit dem Symbol +- behelfen. +- ist aber keine eindeutigen Korrelation. Das zeigt, dass dies nicht die Struktur des Modells für das betreffende Zitat sein kann. Es müsste eine Tabelle nur mit + oder - sein:

Bauern Arbeiter Intelligenz Frauen Jugend agrarisch + - - - - proletarisch - + - - - gebildet - - + - - feminin - - - + - jung - - - - + kämpferisch + + + + +

280Zogović 1946, 861.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM Diese Struktur ist aber absurd, denn einerseits erklären sich alle Akteure nur durch sich selbst (Frauen durch Femininität, Bauern durch Bäuerlichkeit etc.) und andererseits werden alle vereint durch eine Reihe, die Reihe kämpferisch. Dieser Reihe könnten wir auch noch "volkszugehörig" o. ä. hinzufügen und Innenraumeigenschaften so viel wir wollen (fortschrittlich, menschlich etc.). Das ist zwar absurd, aber die einzige Möglichkeit, wie diese Akteure gleichberechtigt (auf einer Ebene) aufgrund "einfacher Korrelationen" funktionieren können. Dieses Nebeneinanderstellen allegorischer pseudosozialer Akteure, die sich nur durch ihre symbolische Proletarizität etc. konstituieren, soll hier "sozialromantisch" heißen. Die permanente Vermischung sozialer und anderer, vor allem nationaler Merkmalreihen führt zu ihrer Aufhebung durch die Korrelation +-X, das heißt Volk, Menschheit, Wir, Fortschritt etc. Die Akteure im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952 sind also keineswegs sozial strukturiert und der Held ist nicht die Arbeiterklasse oder Arbeiter und Bauern, sondern vielmehr das Volk. Das wird sichtbar anhand von Akteuren wie "jedinstvo svih rodoljubivih i stvaralačkih snaga, nazvano Narodni front"281 oder durch Texte mit den Akteueren "zemlja, narod, trudbenici, domovina, lik trudbenika i rodoljuba, borac i pregaralac, naša zemlja" (und das in einem einzigen Absatz).282 Što svestranije što bolje könnte man als Motto für diesen Diskurs nehmen, ein Zitat von Čedomir Minderović, der wenige Zeilen später auch den Idealakteur dieses Diskurses einführt: "Najširi slojevi naših naroda […] dokazuju da je njihov današnji stvaralaški heroizam dostojan heroizma iz nadljudskih borbi za oslobođenje od fašističkih okupatora i njihovih plaćenika."283 Dieser sozialromantisch nivellierende Universalismus tritt uns auch in Ervin Šinkos Diskussionsbeitrag zu Krležas Laibacher Referat entgegen, in dem der magyarophone Romancier aufruft, man solle "hingebungsvoller Patriot dieses Landes in der Literatur" sein, und gleichzeitig Patriot der "Weltgemeinschaft, die es zu verwirklichen gelte"284 oder wenn Marin Franičević čitav narod gegen malobrojni ostaci reakcije in den Ring steigen lässt.285 Zum abschließenden Beleg für die Bedeutung des sozialromantischen Hauptakteurs, der einem unablässig begegnet286 soll ein Zitat von Joža Horvat genügen:

281Zogović 1946, 861.

282Horvat 1948, 221.

283Minderović 1947, 641.

284Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 13.

285Franičević 1948, 5.

286Andrić 1948, 218; Minderović 1947, 641ff; Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 47.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM […] front antidemokratskih i porobljivačkih snaga na čelu s anglo-američkim imperialistima, čije nezasitne težnje prelaze granice država i kontinenata, prijeteći požarom novoga svjetskog rata. Njima nasuprot, svakim danom raste i jača front demokratskih, antiimperijalističkih snaga, koje na čelu sa Sovjetskim savezom i zemljama nove demokracije Istočne Evrope287, mobiliziraju sve slobodoljubive snage u svjetu, u borbu za demokraciju, za čvrst, trajan i pravedan mir.288

Wenn der Akteur "narod" auftaucht, muss das aber nicht immer heißen, dass gleich die soziale Opposition aufgehoben wird. Schließlich haben wir ja festgestellt, dass gerade die Vermischung und Gleichzeitigkeit der Kategorien national und sozial das Charakteristische am offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945-1952 ausmachen. Wenn bei Krleža die Akteure "Lenjin, seljaci, radnici, narod, gospodi, mase, iseljenici, narod, naša krema bankara, generala i biskupa, stranci i inostranci, književnici, inteligencija, akademski filistar, cilindraški sabor 1917. g." vorkommen, so sind sie alle nach sozialen Merkmalen gruppierbar. In diesem Fall ist das "Volk" nämlich der Widerpart zu den "Herren" und unterscheidet sich von ihnen durch das Merkmal +- herrschend. Allerdings beschränkt sich eine derartige Textstruktur auf wenige Autoren wie eben Krleža289 und dass Termini wie klasno društvo – in diesem Fall bei Franičević – auftauchen, ist die Ausnahme290. Ervin Šinko ist einer der Diskursteilnehmer, in dessen Texten die Akteure ganz sozial und nicht national definiert sind ("pod vodstvom revolucionarnog proletarijata […] klasnog društva"). Das Volk taucht so gut wie nie auf, stattdessen das Proletariat, die Geschichte, die Kunst, die Wirklichkeit. Das hindert ihn aber auch nicht daran, wie oben (S. 80) diese sozialen Akteure in die Menschheit aufzulösen.291 Ervin Šinkos Text ist ein Alltagstext. Bei Horvat und Andrić beschränkt sich das Vorkommen von "Proletariat" eher auf die rituellen Stellen ihrer Texte.292 Das schmälert die Bedeutung dieser Vokabel natürlich insofern nicht, als sie rituell von Bedeutung ist. Aber an der Struktur der Texte ändert das nichts. Miroslav Krleža unternimmt gerne Ausflüge zum Diskursrand und wie üblich geschieht das in einem der Rahmenjahre. 1945 fragt er, ob "wir unsere nächsten geschlachtet" haben, oder ob der "Abfall der Gesellschaft" der Täter war. Krleža vergleicht das "imperialistische 20. Jahrhundert" mit dem Cinquecento, weil beide Jahrhunderte voller Greuel waren. Diese Jahrhunderte stellt er aber als Groteske dar, als Karneval und Tollhaus, als lebenfressendes Leben, als ein Schlachten der

287Wohlgemerkt sind hier die übrigen Länder osteuropäisch, nicht das eigene. Siehe oben S. 92.

288Franičević 1948. Ebenso Franičević 1947, 429-431; Đilas 1951a, 6-11; Finci 1948, 1.

289Krleža 1947, 735-759.

290Franičević 1947, 432.

291Šinko 1948, 132.

292Horvat 1948, 234; Andrić 1949b, 6.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM einen durch die anderen. Das alles ist absolut diskursuntypisch, denn ein negativer Bezug zur Vergangenheit sollte normalerweise dazu dienen, darauf hinzuweisen, dass das negative Alte überwunden wurde. Wenn Krleža von einem karnevalesken Jahrhundert spricht, dann stellt das die Leistung der Sieger über das Grauen, über die Groteske in Zweifel. Die Erwähnung der Namen von – in der damaligen Terminologie – dekadenten und voluntaristischen Philosophen und Theorien ist ohnehin tabu, und nur am zeitlichen Diskursrand möglich:

Svi su se bogovi istoka i zapada rodili iz moralne problematike (Schopenhauer), a naša današnja književnost, u čijoj historiji nema naročito velikih ni samoniklih ideja, rađa se iz socijalističke problematike, koja je u svojoj biti moralistička.

Krleža setzt dem ganzen die Krone auf, indem er behauptet, die Unfassbarkeit des Grauens führe zur Unbeschreibbarkeit des Erlebten. Relativiert wird diese Ausssage aber dadurch, dass Krleža in derselben Rede sagt, durch das Ausdrücken der Ereignisse könne man zur Wahrhaftigkeit der Eindrücke kommen. Auch das ist problematisch, denn es sollte eigentlich umgekehrt sein, aber dazu mehr im Kapitel 7.1 Aufgabe: darstellen. Ein weiteres abweichlerisches Motiv in Krležas Nachkriegstext ist die Definition von Nation. Der Autor von "Banket u Blitvi" zitiert Renans Wort vom täglichen Plebiszit und weicht auch damit vom Schema ab.293 Antun Barac tut das im selben Jahr auf andere Weise. Er beschreibt ein "Gespräch" (sein Gesprächspartner sagt nur einen Satz) mit Ivan Goran Kovačić. Dabei stellt er den Kommunismus als eine Art Kinderkrankheit Gorans dar, als sympathischen jugendlichen Radikalismus, der dem Idealismus des Dichters und seinem Streben nach Recht, Freiheit und dem Glück aller Menschen entspringe.294

*

Zum Abschluss des Kapitels 5 Das symbolische Kontinuum: die imaginierte Gemeinschaft können wir zusammenfassen, dass die Betrachtung der Abgrenzungen, die im Korpus zu finden sind, mit semiotischen mythen- und literaturanalytischen Methoden es erlaubt, ein Weltbild zu modellieren, das uns bei der Erkenntnis des Diskurses 1945 bis 1952 sehr viel hilft. Das Modell, das ich entworfen habe beruht auf einer topologischen Sprache. Es ist flächig wenn es um die Abgrenzung innerhalb Jugoslaviens geht, m. a. W. wenn es um die Geschichte geht: früher gab es keine Freiheit, heute schon usw. Der Held auf dem Weg vom Alten ins Neue ist d a s Vo l k. Durch diesen Helden bekommt die Abgrenzung sowohl vom Alten als auch vom Außen eine stark n a t i o n a l e Färbung. Außen und Innen sind in einem dreidimensionalen Modell darzustellen. Das Oben-unten-Modell der unmittelbaren

293Alle Zitate einschließlich das eingerückte stammen aus: Krleža 1945a, 139–155.

294Barac 1945, 60.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM Nachkriegszeit, in dem die Sovjetunion mit dem mythischen Himmel verknüpft werden kann, wird ersetzt duch ein Ost-west- oder Rechts-links-Modell, in dem es "Löcher" in der Abgrenzung zum Westen gibt, die durch dauernde Diskussionen und Resolutionen "gestopft" werden müssen. Die Akteure des Außen und des Innen sind national determiniert, aber auch sozial. Die gleichzeitige nationale und soziale Abgrenzung rechtfertigt die Bezeichnung sozialromantisch für den Hautakteur der Texte, das Volk. Die räumliche Metasprache wurde in diesem Kapitel eingesetzt, um das Weltbild als System zu beschreiben. So weit, die Topologie als Typologie einzusetzen, um dieses Weltbild mit anderen zu vergleichen, wollen wir aber nicht gehen — zumindest nicht, solange wir nicht andere Beschreibungsmethoden ausprobiert haben.

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DAS SYMBOLISCHE KONTINUUM

7 Hegemonie und Diskurs

An dieser Stelle verlassen wir Mythos und Ritual und tauchen in den Diskurs ein. Die Strukturen der Mythen und des Rituals sollen nicht vergessen sein – sonst hätte ich mir nicht so viel Mühe mit ihrer Beschreibung gemacht –, aber die Methoden, die wir bei dieser Beschreibung zur Anwendung brachten, können wir nun einstweilen beiseite lassen. In diesem letzten großen Kapitel des ersten Teils befassen wir uns mit Ausschließungssystemen, die nicht mehr unbedingt einer Erzählung, einer narrativen Struktur gleichen. Diese "Erzählungen", die im Diskurs präsent sind, hatten wir bereits als Steuerungsmechanismus eingeführt und über stereotype Texte mit dem Ritual und schließlich mit dem Mythos verbunden. Rekapitulieren wir das.

*

In der Diskurstheorie von Foucault nehmen die narrativen Strukturen bestimmte Plätze ein. Wie schon angedeutet, teilt Foucault die Prozeduren, mit denen der Diskurs "zugleich kontrolliert, selektiert, organisiert und kanalisiert" wird, in 1.) diskursexterne Kontrolle und 2.) diskursinterne Kontrolle ein. Erstere betreffe den Diskurs in seinem Zusammenspiel mit "Macht und Begehren", letztere habe die Aufgabe, das "Unberechenbar Ereignishafte" des Diskurses zu "bannen". Die diskursinternen Prozeduren lassen sich in drei Gruppen (1. a. – 1. c.) unterscheiden: "Drei große Ausschließungssysteme treffen den Diskurs: das verbotene Wort; die Ausgrenzung des Wahnsinns; der Wille zur Wahrheit." Der Wille zur Wahrheit ist eine Grenzziehung, an der die Diskurse seit Jahrhunderten arbeiten. Der Wahrheitsdiskurs, der im Grunde mit Wissenschaft zu identifizieren ist, stützt sich auf Institutionen wie die Pädagogik und die gelehrten Gesellschaften. Er tendiert dazu, auf die anderen Diskurse Druck auszuüben:

Ich denke daran, wie sich die abendländische Literatur seit Jahrhunderten ans Natürliche und Wissenschaftliche, ans Wahrhaftige und sogar an die Wissenschaft – also an den wahren Diskurs – anlehnen muß.

Auf [den Willen zur Wahrheit] bewegen sich die beiden anderen [Ausschließungssysteme] seit Jahrhunderten zu; […] und doch spricht man von ihm am wenigsten […]. Der Grund dafür ist vielleicht dieser: Wenn der wahre Diskurs seit den Griechen nicht mehrt derjenige ist, der dem Begehren antwortet oder der die Macht ausübt, was ist dann im Willen zur Wahrheit, im Willen, den wahren Diskurs zu sagen, am Werk — wenn nicht das Begehren und die Macht?295

295Foucault Ordnung, 16f.

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HEGEMONIE UND DISKURS Die diskursexternen Prozeduren (2.) sind im Wesentlichen der "Kommentar" (= 2. a. — die Erzählungen, die "über ihre Äußerung gesagt bleiben", etwa Mythen, die den Zufall des Diskurses bannen), 2. b.) die Diskursverknappung durch Zuordnung bestimmter Diskurse zu bestimmten "Autoren" und 2. c.) die Enteilung des Diskurses in Disziplinen, wobei Wahrheit nur innerhalb bestimmter Disziplinen existieren kann. Die letzte Prodzedur ist 3.) die Verknappung der sprechenden Subjekte, wobei etwa durch ritualisierte Sprechformen festgelegt wird, wer am Diskurs teilnehmen darf und wer nicht.296

Das ist eine Theorie. Wir werden einige der Ideen darin übernehmen, einige haben wir bereits übernommen (die Erzählungen, die unter 2. a. im Kommentar vorkommen; das Ritual als Teil des Verbots 1. a. und der Diskursverknappung 3. sowie die Grenzziehung unter 1. b.). Am wichtigsten ist dabei der Druck, den der Wahrheitsdiskurs auf andere ausübt. Die Methode, die Foucault uns ja nicht zur Verfügung stellt, ist in erster Linie wieder die Suche nach S t e r e o t y p e n. Darin liegt die Verbindung zu den beiden ersten Kapiteln. Ob stereotype Texte nun als Grundstruktur des Diskurses angesehen werden oder als Versuch, ihn zu bezwingen, ist bei der Untersuchung nebensächlich. Es geht darum, die stereotypen Texte zunächst als narratives Programm zu beschreiben und dann, ihre Steuerungsfunktion zu untersuchen.

7.1 Aufgabe: darstellen (Realismuszwang)

In den Nachschlage- und Standardwerken wird die Zeit von 1945 bis 1952 mit dem Begriff "Sozialistischer Realismus" in Verbindung gebracht. Vojislav Mataga befasste sich in den letzten Jahren in Zagreb speziell mit der Literaturkritik unserers Beobachtungszeitraums und resümiert in seiner Magisterarbeit 1987:

Pokazalo se da je hrvatska književna kritika koja je nastajala u struji socijalističkog realizma preuzela pripadajuće kategorije ne samo nominalno nego i stvarno, a to znaći u punoj njihovoj artikulaciji. […] Preuzimajući teoriju socijalističkog realizma socijalističkorealistički usmjerena hrvatska književna kritika preuzima, dakako, i one njene elemente koji su joj (kao teoriji) imanentni. S takve teorijske podloge književnost (i umjetnost općenito) se ukazuje kao odraz (refleks) zbilje.297

Obwohl sich Matagas Arbeit mit der Literaturkritik (in Kroatien) befasst, kollidieren seine Ergebnisse mit dem im Kapitel 3 Mythos formulierten Schluss, dass Sozialistischer Realismus gar nicht zu den literarischen Kontinuitäten auf hoher ritueller Ebene zählt. In

296Foucault Ordnung, 9–33.

297Mataga 1987, 140.

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HEGEMONIE UND DISKURS seiner Dissertation von 1991, die übrigens inhaltlich wesentlich weniger ergiebig ist als die Diplomarbeit, spricht Mataga dann auch vorsichtiger vom Einfluss der "allgemeinen Theorie des Proletariats" auf die Literaturkritik und vermeidet das Wort Sozialistischer Realismus im kroatischen Kontext.298 Ratko Peković spricht in seinem 1986 erschienenen Panorama literarischer Polemiken davon, dass nach dem zweiten Weltkrieg die Partei als Hegemon der Revolution die Charkover Linie mit einigen Modifikationen verfolgte, aber auch er vermeidet das bewusste Wort und spricht von "teorija i iskustvo stvaralačke prakse književnosti prve zemlje socijalizma."299 Es fragt sich also, ob es sinnvoll ist, diese Zeit und speziell den offiziellen literaturpolitischen Diskurs sozialistisch-realistisch zu nennen. Besonders fragwürdig erscheint es, die Ästhetik, die in dieser Zeit verfochten wird, mit dem besagten Etikett zu versehen. Zwar sind die utilitaristischen Ansprüche des Staates an die Literatur, die in der Zeit des Sozialistischen Realismus in der Sovjetunion vertreten wurden, auch in Jugoslavien anzutreffen, und einzelne Vertreter (einerseits Šinko und Gamulin, andererseits Zogović) hängen auch unterschiedlichen sozialistisch-realistischen Strömungen an, doch in ästhetischer Hinsicht kann man eher die allgemeine Forderung nach einem "wahren Realismus" als durchgängig und zeit- und diskurstypisch bezeichnen, denn die Soz-realisten äußern sich selten in ihrem Sinne in den rituell relevanten Texten. Diese Realismusforderung zeichnet sich durch eine besondere Betonung des Kriteriums narodnost und des neueingeführten istinitost aus. Peković umschreibt die Situation treffend mit književnost u službi naroda. Sveta Lukić unterscheidet in seiner Beschreibung des zeitgenössischen jugoslavischen Literaturlebens 1968 zwei Phasen:

1945–1950 – faza unifikacije i pokušaja stvaranja narodnog realizma kao umjerene varijante socijalističkog realizma;

od 1950 – faza oslobađanja i dominacije socijalističkog estetizma.

Auch Lukić ist vorsichtig mit dem bewussten Begriff, wenn es um die Literaturproduktion geht, aber auf literaturpolitischer Ebene sieht er ihn als einflussreicher an:

[…] u Sovjetskom Savezu, prvoj zemlji socijalizma, već je uveliko vladao socijalistički realizam kao zbir svemoćnih formula o umetnosti i monolitna umetnička praksa. Njegov uticaj ni Jugoslaviju nije potpuno mimoišao, mada je istorijska činjenica da se taj pravac nije u nas ozbiljno razgoreo ni pre 1948. godine.

Socialistički realizam se na našem tlu jače manifestovao u likovnim umetnostima nego u literaturi. Ali izvesnih njegovih naboja je bilo; […] U oblasti kritike toj fazi odgovara apstraktna podela na realizam i nerealizam […] realizam je zaglašen za samu suštinu

298Mataga 1991, 76f.

299Peković 1986, 10.

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HEGEMONIE UND DISKURS umetnosti. […] Osnovni ton je dogmatski, mada se socijalistički realizam u potpunosti ne rascvetava.

Aufgrund dieser Überlegungen und eingedenk der Tatsache, dass der Sozialistische Realismus der dreißiger Jahre zur Zeit des offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurses von 1945 – 1952 bereits Vergangenheit war, erscheint es sinnvoll, politischen, und ästhetischen Inhalt zu trennen, und ersteren den jugoslavischen Ždanovismus zu nennen, letzteren einfach "Realismus" (in Anführungszeichen) oder nach Lukić narodni realizam. Sehen wir uns aber zunächst einmal an, wie die sozialistisch-realistischen Kriterien in Jugoslavien aufgenommen werden, den es gilt zu prüfen, ob nicht vielleicht im Gegensatz zu dem Wort Sozialistischer Realismus die Kategorien, die den Begriff in den dreißiger Jahren bildeten und später füllten, in Jugoslavien verankert sind.

7.1.1 Sozialistischer Realismus?

Als zentrale Kategorien des Sozialistischen Realismus gelten seit dem Kongress von Charkiv (Charkov) tipičnost’, idejnost’, partijnost’ und später auch narodnost’ (im folgenden in der in Jugoslavien üblichen Schreibweise, wobei laut Mataga 1989 noch odgojnost hinzukommt).300 Es soll hier nicht der Inhalt dieser Kategorien untersucht werden, sondern welche Rolle sie im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952 spielen. Sind die Begriffe theoretisch verankert? Haben sie eine rituelle Bedeutung? Werden sie von allen Seiten gleich positiv aufgenommen?

Die partijnost wird in Jugoslavien als Begriff z. B. ganz unterschiedlich interpretiert. Krleža tritt auf dem Zweiten Schriftstellerkongress für die leninistische partijnost ein, weil sie eine echte Arbeitersache sei und weil sie das proletarische literarische Schaffen "formuliere".301 Popović meint, partijnost im Leninschen Sinne bedeute eine Bereicherung und Stärkung des literarischen Schaffens, weil sie es ermögliche, die Realität wahrhaftig zu behandeln.302 Latković erklärt, es handle sich nur dann um ein Kunstwerk, wenn das Leben von einem bestimmten Standpunkt aus gesehen werde. Jeder Künstler nehme, ob er wolle oder nicht, mit seinem Werk am Klassenkampf mehr oder weniger teil. Deshalb könne partijnost der künstlerischen Qualität nur zuträglich sein. Das erscheint so weit klar und stimmt auch mit der proletarischen Sache Krležas und der Wahrhaftigkeit Popović’ überein.

300 Günther 1997; Ermolaev/Heinrich 1972.

301Krleža 1950, 1.

302Popović 1948, 1.

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HEGEMONIE UND DISKURS Im Folgenden sagt Latković aber, idejnost sei nicht tendencioznost, sondern wesentlichster Teil der partijnost303 und dann, Lenin habe gesagt, partijnost sei nicht nur fortschrittliche idejnost, sondern auch istinitost.304 Der Begriff kann offenbar beliebig gegen einen anderen ausgetauscht werden und wird dadurch zum Schlagwort. Schon 1951, bei Milovan Đilas erscheint dieses Schlagwort etwas anrüchig, denn der jugoslavische Kulturminister sagt, idejnost sei das, was in der Sovjetunion partijnost genannt werde.305

Was ist dann aber idejnost, die nach Đilas in der UdSSR partijnost genannt wird und die Teil oder Variante Synonym von partijnost ist, wenn keine Tautologie? Antun Barac scheint es auch nicht klar zu sein, denn er lobt Goran Kovačić dafür, dass er "neke idejne efekte" erzielt habe.306 Eli Finci glaubt, idejnost liege nicht in den politischen Tendenzen eines Werkes, sondern in der Gesamtkonzeption als Bild der Wirklichkeit.307 Das nennen andere aber istinitost. Im Gegensatz dazu sagt Minderović sogar auf demselben Kongress, der Kampf für idejnost bedeute, die Reste der fremden, feindlichen Auffassungen zu vernichten (ništavati).308 Im selben Jahr – 1950 – wird über den Vorwurf der mechanischen Entlehnung der idejnost von den Sovjets309 und von "grober Auffassung der idejnost"310 diskutiert. Die beiden einzigen rituell hervorstechenden Nennungen von idejnost sind die eben zitierten von Finci und Minderović auf dem zweiten Schriftstellerkongress 1950. Der Begriff ist also ein Schlagwort und keine ästhetische Kategorie. Er wird vor allem in Alltagstexten verwendet und zwar von Vertretern unterschiedlicher Richtungen (sowohl Krleža als auch Minderović und Finci).

Ernsthafter gehen die Teilnehmer am offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945-1952 mit dem "positiven Helden" um. Krleža fordert 1945:

303Latković 5o, 248-252.

304Latković 5o, 254.

305Đilas 1951b.

306Barac 1945, 69.

307Finci auf dem zweiten Kongress in: Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 54.

308Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 45.

309Gamulin 1950, 300-301; ebenso bei Gligorić 1950b, 3.

310Boškov 1950, 873.

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HEGEMONIE UND DISKURS Književnost treba da nam progovori o našim pozitivnim ljudima, kojih, nažalost, do danas u našim književnim ostvarenjima nema mnogo.311

Franičević denkt beim Helden "an den Menschen, der Träger des Fortschritts ist, den heutigen und morgigen Menschen".312 Dončević kritisiert auf dem zweiten Kongress der jugoslavischen Schriftsteller an der sovjetischen Literatur seit der Oktoberrevolution, sie versuche sich an typischen positiven Figuren, bleibe aber mit den moralischen und ethischen Eigenschaften ihrer Helden im Anfangsstadium. Die Gestalten in der heutigen sovjetischen Literatur aber seien so sehr "geschönt und idealisiert, dass sie kalt und abstoßend" wirkten, "dehumanisiert und ohne die kleinen alltäglichen Gefühle". In der jugoslavischen Prosa sei die Frage der Schaffung der positiven Figur noch offen.313 Auch der positive Held ist keine rituelle Angelegenheit, dafür treten die Konturen des Begriffs klarer hervor. Die Frage des positiven Helden führt naturgemäß zur tipičnost eines literarischen Werkes, über die sich die jugoslavischen Diskursanten viele Gedanken machen, besonders Ervin Šinko:

Funkcija je junaka […] da izaziva sveukupnu društvenu stvarnost, t. j. ljude raznih položaja, raznih karaktera, preko kojih dolazi do izražaja slika društva, društveni totalitet.314

Boris Ziherl kritisiert Zupan dafür, dass er keine typischen Figuren auftreten lasse ("die Angehörigen der heute überflüssigen Klasse"), sie nicht ins typische "Vorkriegssujet" stelle und zu allem Überfluss verlege Zupan die Handlung ins Ausland und zeige so, dass ihm der Nachkriegsstaat und der Aufbau in Jugoslavien fremd seien: "Ein slovenischer realistischer Autor wäre anders vorgegangen".315 1952 wirft Oskar Davičo sogar Oto Bihalji-Merin vor, eine "dekadente Kulisse" für seinen Artikel "Razgovori na Bledskom jezeru" verwendet zu haben und findet: "[…] radilišta, fabrike, zadruge, škole, sportska igrališta, pa zašto ne? – i armija – pretstavljali autentičnije okvire za uopštavanja."316 Franičević wiederum will aus dem unüberschaubaren Konkreten das bitno i tipično izvuči und zwar das historijski i nacionalno [tipično].317 Das sagt er bei einem niederen Ritual. In dieser Logik kommt es 1945 in der Jugendliteraturzeitschrift Mladost zur Kritik an einer Recitacije-Sammlung der "17. Stoßdivision". Man habe einfach gedruckt, was von irgendwelchen Partisanen gesungen 311Krleža 1945a, 159.

312Franičević 1947, 433.

313Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 53.

314Šinko 1948, 116.

315Ziherl 1948, 5.

316Davičo 1952.

317Franičević 1948, 11.

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HEGEMONIE UND DISKURS wurde, kritisiert der Autor.318 Es geht bei tipičnost nicht um Authentizität und da hilft auch die sakrosankte Teilnahme am NOB nichts; schon gar nicht wenn man Lieder wie das folgende singt oder publiziert:

Ja sam stvorena da milujem, Da sjeme života u sebe upijem

Kakve su to utrobe koje su vas začele? Kakve su to dojke koje su vas dojile? Kakve su to majke koje su vas pregojile?

Dieser Text bedeute "negiranje društvene sposobnosti žene koju je naročito u našem ratu pokazala partizanka; to miriše na eugeniku, taj nenaučni, reakcionarni skup teza iz nauke o nasleđivanju i o porijeklu čovjeka."319 Darüber, was tipičnost sei, herrscht also relative Einigkeit. Der Begriff hält sich in den alltäglichen Diskursen während des gesamten Zeitraums. Die Gor'kij'sche Verbindung von Realismus und Romantismus finden wir hingegen nur bei Zogović (der Gor'kij auch gleich zitiert), das aber in seiner instruktiven Ansprache über die Aufgaben der Literatur auf dem ersten Schriftstellerkongress.320 Ansonsten begegnet uns das Wort romantisch nur im Ausdruck "kämpferisch-romantische Autoren", die aufgrund ihrer Anständigkeit zur Front der Antifaschisten stießen und bei jungen Autoren, die dafür kritisiert werden, dass sie übers Ziel hinausschießen.

Ein Begriff, der auf Ritualen sehrwohl auftaucht, allerdings nur bis 1950 ist das leicht für alle als utilitaristisch identifizierbare odgojnost:

[…] da pisci u umjetničko-literarnoj formi ovjekoveče veliku istorijsku epohu kroz koju smo prošli i kroz koju sada još prolazimo, nego i o tome da pisci svojim djelima treba da rade na formiranju karaktera novih ljudi.321

Der erzieherische Effekt, den Literatur haben soll, wird besonders betont, sowohl bei Krleža in einer sozialdarwinistischen Volte ("preobraženje današnjeg iznakaženog i izobličenog bijednika u biće d o s t o j n o da bude slobodnim čovjekom": Hervorhebung von mir – A. d.

318Seferović 1945, 94.

319Seferović 1945, 94.

320Zogović 1946, 873.

321Tito 1946, 1.

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V.)322 als auch bei Zogović ("odgojni zadatak umjetnosti"323) und Gligorić ("udeo literature u formiranju svesti čoveka"324).

Wir können festhalten, dass die wichtigsten Kategorien für "Sozialistischen Realismus" im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945-1952 eine Rolle spielen, wobei partijnost und idejnost schlagwortartig verwendet werden, während odgojnost, tipičnost und die Forderung nach dem positiven Helden auch inhaltlich begründet werden. Einige Begriffe beschränken sich auf einen gewissen Zeitraum, andere auf bestimmte Sprecher. Odgojnost hat eine gewisse rituelle Bedeutung, die aber auch mit dem zusammenhängen kann, was im Kapitel 3 Mythos über die Bekämpfung der Rückständigkeit gesagt wurde. Die Beliebtheit gerade dieses Begriffes weist darauf hin, dass im literaturpolitischen Diskurs die Namen der sozialistisch-realistischen Kategorien eher als poltische Symbole verwendet werden, denn als ästhetische Kategorien, mit Ausnahme einiger weniger Alltagstexte, deren Autoren Anhänger der Lukács-Richtung waren. Gerade die symbolische Bedeutung der "Kategorien" aber, kontrastiert grell mit der Unterbelichtung dieser Worte in rituellen Kontexten. Wenn idejnost eher symbolisch gebraucht wird und auf Kongressen eine untergeordnete Rolle spielt, dann kann die geringe Bedeutung dieser Kategorien eine Benennung der Epoche mit sozialitisch-realistisch in keinem Falle rechtfertigen. Wir können uns also getrost Sveta Lukić in seiner Einschätzung (s. o.) anschließen. Eine andere Frage ist, ob implizit Kategorien im Diskurs vorhanden sind, die sozialistisch-realistisch genannt werden könnten. Wir haben uns ja in den letzten Zeilen mit der symbolischen Selbstdeklaration durch die Nennung der Kategorien befasst. Besonders die tipičnost kommt für diese Frage in Betracht. Sozrealistisch kann aber nur das gesamte Ensemble von Kategorien sein, mit Abstrichen etwa bei masovost. Tipičnost ist eine Kategorie, die implizit oder explizit auch beispielsweise für den Realismus im 19. Jahhundert gilt, ja es ist eine Kategorie, die in unserer Darstellung viel mehr im Zusammenhang mit dem Druck des sogenannten W a h r h e i t s d i s k u r s e s auf den Literaturpolitischen gesehen werden sollte als mit ästhetischen Programmen. Davon wird das nächste Kapitel handeln.

Ein weiteres Kriterium der Selbstdefinition des Sozialistischen Realismus ist die Anknüpfung an den Realismus des 19. Jahrhunderts durch die Kritik des bürgerlichen Realismus. Dabei können wir zwei Fragenkreise unterscheiden: die Diskussion über den Unterschied zwischen der bürgerlichen Literatur des 19. Jahrhunderts und der

322Krleža 148–150.

323Zogović 1946, 184.

324Gligorić auf dem zweiten Kongress. Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 49.

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HEGEMONIE UND DISKURS zeitgenössischen einerseits und die Aufforderungen, an den realistischen Traditionen anzuknüpfen andererseits. Dabei spielt der zweite Fragenkreis eine weitaus geringere Rolle, auch wenn Zogović 1946 forsch die Erneuerung und Entwicklung der Tradition der eigenen (jugoslavischen) kämpferischen und realistischen Literatur des 19. Jh. fordert.325 Zwar sind, wie oben gezeigt wurde, die Versuche, literarische Kontinuitäten zur Vergangenheit herzustellen zahlreich, doch spielt dabei die realistische Literatur keine besondere Rolle, sondern die kämpferische und jugoslavische Literatur ("Literaturen unserer Völker". Siehe Seite 53).

Im selben Kapitel hatten wir bereits die Erklärungen zur veränderten Rolle der bürgerlichen Literatur referiert. Lukács-Anhänger Ervin Šinko, einer der wenigen, der sich intensiver mit diesen Fragen auseinandersetzt fragt, warum "heute" die bürgerlichen Schriftsteller die Wirklichkeit falsifizieren, das aber nicht für das vergangene Jahrhundert gilt, z. B. für Fielding oder Balzac. Er antwortet sinngemäß: Weil es damals die sozialistische Perspektive noch nicht gab!326 Derselbe Autor macht sich auch Gedanken über den Widerspruch von Gefühl und Verstand, Mensch und Leben, Absicht und Wirklichkeit, Schein und Sein in der bürgerlichen Kunst. Die Leistung der bürgerlichen Kunst liege in der Darstellung der "Problematik der Menschheit, der Klassengesellschaft". Die Lösung bleibe aber historische Mission des Proletariats, der sozialistischen Gesellschaft und deren Kunst.

Socijalistički realizam stvarno ima da riješi, štoviše da prevlada i preraste te probleme; ali socijalistički realizam ima da to izvrši na temeljku postignuća građanske umjetnosti. U socijalističkom realizmu mora biti, s Hegelovom terminologijom, 'aufgehoben' građanska umjetnost, to znaći 'i ukinuta i sačuvana', jer građanska umjetnost, kao i uopće umjetnost klasnog društva, ne znači samo i jedino baštinu nerješenih problema.327

Eine Benennung der "Epoche" oder nur des offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 bis 1952 mit Sozialistischer Realismus würde abgesehen von den bereits genannten Gründen, die dagegen sprechen, nicht dem Umstand Rechnung tragen, dass die Debatte in Jugoslavien auf einem ganz anderen theoretischen Niveau geführt wurde als in der Sovjetunion der dreißiger Jahre oder auch anderer Volksdemokratien nach der Befreiung wie z. B. Polen.

325Zogović 1946, 871.

326Šinko 1948, 131.

327Šinko 1948, 114.

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HEGEMONIE UND DISKURS Wie bereits erwähnt setzen sich nur wenige Autoren überhaupt theoretisch mit literarischen Fragen auseinander, so wie Ervin Šinko328. Ein Zeugnis von niedrigem theoretischem Niveau und gleichzeitig von der damaligen Realismusauffassung geben die Buchtitel und Autorennamen ab, die realistisch oder sozialistisch-realistisch etikettiert wurden. Radovan Zogović hält "Nečista krv" von Bora Stanković für ein realistisches Poem, weil es eine "tragische Anklage einer Klassengesellschaft" sei, "in der Geld und brutale Interessen herrschen".329 Kulenović wirft Krleža, Andrić, R. Marinković "und andere realistische Schriftsteller von uns" in einen Topf.330 Marko Marković nennt 1948 Isak Samokovlija einen Autor, "der von Anfang an dem zeitgenössischen sozialistischen Realismus nahe war" und Antun Barac lobt an Goran Kovačić, seine "Dani gnjeva" seien "izrazito politički, socijalni i umjetnički […] nešto trajnije i ljudsko".331 Statt an den Begriff Sozialistischer Realismus, der eher eine Selbstdeklaration ist (und das auch nicht während der ganzen Periode), erscheint es sinnvoller, sich an eine Definition von Marin Franičević zu halten: man solle von Gor'kij lernen. Er hatte den richtigen Kurs zwischen 'Tendenzlosigkeit'" und "aufdringlich forcierter Schulmeisterlichkeit"332.

7.1.2 "Realismus" zwischen Tendenzlosigkeit und Schulmeisterlichkeit

Nachdem wir die Untauglichkeit des Terminus Sozialistischer Realismus festgestellt haben, gehen wir nun näher darauf ein, was denn im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952 als Kriterium für gute Literatur gilt. Wir wissen bereits, dass der Realismus bis zu Ende des Beobachtungszeitraumes als verbindlich galt. Aber was heißt das?

Wirklichkeit

In diesem Kapitel soll rekonstruiert werden, wie die Wirklichkeit auszusehen hatte, die ein Schriftsteller, der gut schreiben wollte, beschrieb. Das Beschreiben der Wirklichkeit und das Schreiben der Wahrheit ist – frei nach Stalins Schreibt die Wahrheit – die Formel, auf die sich der Realismus-"Begriff", wie er im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von

328Šinko 1948, 112-114.

329Zogović 1947, 4.

330Kulenović 1952.

331Marković 1948, 497–499. Barac 1945, 59-60.

332"nametljive forsirane didaktičnosti" Franičević 1949b, 844.

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HEGEMONIE UND DISKURS 1945 – 1952 vertreten wurde bringen lässt. Durchdachtere Positionen, ästhetische Theorien des Realismus finden wir nicht in rituellen Texten, sondern nur in Alltagstexten und auch sie sind in der Minderzahl. Entscheidend bei der Forderung, die Wahrheit zu schreiben, ist, wer sagen kann, was die Wahrheit sei und was Lüge — das ist eine Frage der Macht. Aber ganz abgesehen davon ist schon allein die Forderung, die Wahrheit zu schreiben, eine im höchsten Grade repressive diskursive Handlung. Das gilt erstens für den Diskurs allgemein und zweitens im erhöhten Maße, wenn es um Literatur oder Kunst geht. Wenn man verlangt, die Wahrheit zu sagen, stellt man einen Anspruch darauf, sie erkennen zu können und Verfälschungen ahnden zu dürfen. Geschieht das im juridischen Diskurs, wird niemand den Machtaspekt dabei bestreiten. Geschieht das im literarischen Diskurs, ist die Handlung aber genauso repressiv wie in einem Gerichtsprozess. Fordert aber ein Angehöriger eines nichtliterarischen Diskurses, ein Politiker etwa, von den Künstlern, die Wahrheit zu schreiben, so handelt es sich um die Ausübung von diskursivem Druck auf den literarischen Diskurs. Der literaturpolitische Diskurs hat genau diese Funktion: Druck auf die Literatur auszuüben (es geht natürlich auch umgekehrt). Das wichtigste Mittel ist dabei der Begriff der Wirklichkeit oder des Realismus. Letzterer hat in diesem Zusammenhang sowohl die Funktion, eine ästhetische Theorie zu bezeichnen als auch den repressiven Anspruch der Politik auf die Literatur. Aus diesem Grund kommt es auch am Ende des Betrachtungszeitraums und danach zu den heftigsten Auseinandersetzung eben um den Begriff des Realismus und seinen Anspruch auf Alleinherrschaft im diskursivern Feld. Wie wir aber sehen werden, wirkt der Begriff der Wahrheit noch weiter. Auch wer sich nicht dem Realismus verpflichtet, versucht sich doch gegenüber dem Wahrheitsbegriff zu rechtfertigen.

Nähern wir uns dem Thema mit ein paar Äußerungen über den adäquaten Stil bei der Darstellung der Wirklichkeit an. Josip Barković warnt die Jungen z. B. auf dem zweiten Schriftstellerkongress vor "intellektualistischen und bizarren Bildern", aber auch vor Banalität und Dekorativität; andererseits vor Primitivismus.333 Das "Barock-Dekorative" wird verdächtigt, den mangelhaften Inhalt zu überdecken.334 Weitere negative Schlagwörter sind Parnasse, apolitisch, reaktionär und formalistisch335. Franičević ist Spezialist für solche Breitseiten:

Nepovezanost s borbom narodnih masa, nepoznavanje osnovnih teoretskih postavki, na kojima se ta borba razrastala, […] bezidejnost, pomirljivost i nebudnost, prema nama stranim shvatanjima, iz kojih izlazi nedostatak ideološke borbe, nedostatak principijelnosti

333Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 52.

334Jedan pogled na poeziju mladih 1949, 1.

335Franičević 1947, 435.

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HEGEMONIE UND DISKURS kritike kod tolikih modernističkih, dekadentnih opterećenja iz prošlosti, koja su sustavni dio reakcionarnih shvatanja sloja ljudi, koji je kod nas svrgnut s vlasti - direktni su uzrok ovakvom stanju.336

Wie sieht im Gegensatz dazu die richtige Kunst aus? Was wird nun unter realistisch verstanden? Die meisten Diskursteilnehmer sind sich darin einig, dass das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen sei oder das Charakteristische vom Zufälligen und Bizarren337, also mit anderen Worten das Typische vom Untypischen.338 Das Grundgesetz der "sozialistischen literarischen Kunst" sei: "slikati život onakav kakav jeste, bez uljepšavanja, bez izopačavanja"339. Dabei solle man aber nicht in den Fehler des Naturalismus verfallen. Naturalismus wiederum wird definiert als "Abfotografieren des Alltags, Biologismus, Verfälschung der Realität"340 Diese naturalistische Literatur, die auf das "'Abbilden der Objekte'", der "bildlichen Materialisierung des Gegenstandes" aus sei, wird auch als kleinbürgerlich bezeichnet.341 Andererseits soll das Material der Texte nicht ausgedacht sein, sondern Tatsachen.342 Es wird bald klar, dass auch bei der Definition des Realismus, also der ästhetischen Methode, der man sich verpflichtet fühlt, Stereotypen das Argumentative des Diskurses beiseite schieben und den Begriff zu einem Bekenntnis machen. Wichtigste Definition von Realismus ist Wahrheit, wobei die Wahrheit nicht in einem Sammelsurium von Einzelteilen liege, sondern im Typischen, also einer Auswahl aus diesen Tatsachen.

Charakteristisch für den offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 bis 1952 ist, dass im Zweifelsfalle der Inhalt wichtiger ist als die Form des literarischen Werkes. Statements wie das von Glušević, obwohl Beethoven über reaktionäre Themen viel reaktionäre Musik gemacht habe, habe keines dieser seiner Werke keinen künstlerischen Wert, sind die Ausnahme.343 Am üblichsten ist die Aussage, man dürfe künstlerischen Wert nicht von Inhalt trennen344 oder dass es keine künstlerisch gute und politisch schlechte Kunst gebe

336Franičević 1947, 431.

337Popović 1946, 7.

338Zogović 1946, 869.

339V. D. 1949, 410.

340Franičević 1948, 10.

341Gamulin 1951a, 244.

342Franičević 1947, 436.

343Gluščević 1951, 36.

344Finci 1949, 3.

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(Bloch auf dem ersten Schriftstellerkongress)345. Wer einen Primat des einen über das andere fordere, sei ideologisch schwach, idealistisch oder dogmatisch, bringt es Đilas auf den Punkt.346

Wahrheit erreicht man in dieser Logik durch die Darstellung der Wirklichkeit. Wie durchgängig diese Auffassung im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs im gesamten Betrachtungszeitraum ist, zeigt die Verurteilung des Sozialistischen Realismus aufgrund ebenjenes Prinzips, das zuvor zu seiner Untermauerung benutzt worden war. Ein Studentenblatt berichtet 1952, bei einer Diskussion an der Philosophischen Fakultät in Belgrad sei geäußert worden, der sozialistische Realismus könne keine bedeutenden Kunstwerke hervorbringen, denn sein Prinzip sei "nicht das Abbilden der Wirklichtkeit, sondern ihre Verschönerung" (ulepšavanje).347 In die gleiche Richtung war Grga Gamulin schon 1951 gegangen:

Teorija socijalističkog realizma, koja je u tom smislu revidirana, prestaje da bude i socijalistička i realistička. Lišena svoje dijalektičnosti, ona postaje teorija plitke i retorične umjetnosti, koja gubi kvalitet umjetnosti upravo radi toga, što odustaje od spoznaje istine. Takva teorija ne samo da nije u stanju da podupre rast i razvoj realističke umjetnosti, nego ona čini još apsurdnijim svaki pokušaj, da se, polazeći retrospektivno od njenih postavaka, riješe tako složeni problemi historije umjetnosti i izgradi naučna estetika, koja bi pomogla u objašnjenju umjetničkih fenomena prošlosti i sadašnjosti.

Aufgrund der einfachen Formel, dass Kunst Ausdruck der gesellschaftlichen Realität ist (eine Verkürzung des Basis-Überbau-Modells)348, können die, die diese Realität erkannt haben, auch den ideologische Gehalt des Kunstwerks zum Ausdruck der Wirklichkeit machen.349 Dass trotz aller Beteuerungen der Diskurs über Literatur nach dem politischen Diskurs strukturiert ist (siehe Kapitel 3 Mythos), erkennt man auch an den Aufgaben, die der Literatur zugewiesen werden und daran, dass sie überhaupt "Aufgaben" haben soll. Eine der wichtigsten derartigen Aufgaben soll die "Beschreibung der gegenwärtigen Epoche" sein.350

345Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 481; Završeno zasedanje prvog kongresa književnika Jugoslavije 1946, 5.

346Đilas 1951b.

347 Č. K.: Diskusija o teoriji književnosti 522.

348Vujović 1950, 43.

349Finci 1950, 3.

350Zogović 1946, 869.

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Tito sagt es deutlich: "našu herojsku epohu"351. Die Resolution des Zweiten Schriftstellerkongresses "über die Aufgaben der Literatur" verlangt:

Naši pisci treba da pristupe stvaranju dela dostojnih vremena u kome žive — epohe u kojoj naši narodi pod rukovodstvom Komunističke partije i druga Tita grade socijalističko društvo.352

Auch Petar Šegedin, der auf diesem Kongress für die Freiheit der Kritik spricht, ventiliert den "Kampf für Realismus […] Sozialistischen Realismus […] für einen Ausdruck der Realität unseres neuen Lebens."353 Jože Horvat verlangt von der Literatur:

"da umjetnički široko i živo odrazi našu suvremenu historiju […] naše društvo , suvremenog čovjeka." "da ocjeni […] događaje i činjenice […] borbe, […] obnove i izgradnje zemlje, obnove jednog i rasulo drugog čovjeka […]."354

Alle Belege zu diesem Punkt sind von höchster ritueller Bedeutung und stammen von den beiden ersten Kongressen. Von den Schriftstellern wird gefordert, sie müssten sich ihrer Epoche würdig erweisen. "Unsere Zeit" oder "unsere Epoche" können wir als das Neue ansehen, das aus Kapitel 5 Das symbolische Kontinuum: die imaginierte Gemeinschaft bekannt ist. Auf diese Modellierung bezieht sich die Aufforderung, sich am "neuen Leben" zu orientieren. Die echte neue Zeit stellt sich ebenso wie die Wirklichkeit als Metapher für die neue politische Ordnung heraus. Die heroische Epoche beschreiben heißt nichts anderes, als den Tito-Staat zu verherrlichen, die Wirklichkeit abzubilden bedeutet (neben den literaturtheoretischen Implikationen) nichts anderes, als sich an dem im Diskurs dominanten Weltbild zu orientieren. Den Künstlern wird offen anheimgestellt, sich an die Regeln des Diskurses zu halten und keinen anderen Mythos zu erzählen, als den Ursprungsmythos, den Titomythos, keine anderen Abgrenzungen zu machen als die im letzten Kapitel beschriebenen. Der Druck des Wahrheitsbegriffes ist kein solcher im Foucault'schen Sinne. Zwar wird die Literatur an der außerliterarischen Kategorie gemessen, die Wahrheit zu schreiben (also auch am Verbot, zu lügen), aber das Vorbild ist weniger in der Wissenschaft zu suchen (dem wahren Diskurs) als im politischen Nachbardiskurs.

Literatur soll expressis verbis auch als Geschichtsschreibung funktionieren:

351Tito 1946, 1.

352Rezolucija o smernicama i zadacima Saveza književnika Jugoslavije 1950, 1.

353Šegedin 1950, 4.

354Horvat 1948, 220.

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HEGEMONIE UND DISKURS Kroz književnost mi treba da dobijemo i sliku jednog doba […]. Takav rad pretstavlja dokumentarnu obradu istorije.355

Etwas origineller definiert das Vlado Dubravčić. Er lehnt es ab, von der Beschreibung nur einer Epoche zu sprechen. Ein Realist sei so etwas wie ein Liftboy, der sich an einem Tag 144 mal sowohl im Parterre als auch an der Spitze des Empire State Building befinde.356 Die fortschrittliche Literatur soll sich zur Realität deskriptiv verhalten. Ist die Realität negativ, soll sie sie ändern.357 Dass sich Kunst zur Realität, deren Sinn sie ausdrücken wolle interpretativ verhalte ist eine randständige Meinung. Allerdings hinkt die Kunst der Realität wegen deren Komplexität hinterher oder wie es Franičević ausdrückt, den Volksmassen.358

Gesellschaft

"Die Grenze der Wahrheit ist die Grenze der Kunst" beschreibt Oskar Davičo 1950 auf dem Schriftstellerkongress359 den Rahmen der Definition von 'Realismus'. Dieser Rahmen wird eigentlich nur von zwei Größen definiert. Eine davon ist die W a h r h e i t. Die Wahrheit existiert nur in der g e s e l l s c h a f t l i c h e n Wirklichkeit. Wie aber kommt der Schriftsteller zu dieser gesellschaftlichen Wirklichkeit? Dafür gibt es zwei oder drei Modelle. Das eine nimmt an, dass der Schriftsteller als Teil der Gesellschaft nur sein eigenes Leben oder Erleben wiederzugeben brauche, um realistisch zu sein. Im anderen Modell gehören die Literaten nicht unbedingt zur Gesellschaft; deshalb müssen sie typische Motive erst suchen. Eine Zwischenposition besagt, dass die Skribenten ihr Leben zu einem Teil der Realität machen sollen. Zu dieser Position bekennt sich Horvat, indem er schreibt, die Teilnahme an der pruga-Aktion bereichere den Schriftsteller.360

Vertreter des zweiten Modells raten zum Beispiel, "unseren Menschen [zu] begleiten, ihn [zu] malen, seine kleinen Freuden [zu] beschreiben".361 Wer so etwas sagt, zählt die Literaten nicht zu "unseren" Menschen. Eine krassere Möglichkeit, die Schriftsteller mit der Wirklichkeit zu verbinden ist, sie mit sogenannten typischen Situationen zu konfrontieren. So

355Tito 1946, 1.

356Dubravčić 1950, 348f.

357Finci 1948, 1.

358Franičević 1949a, 9.

359Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 48.

360Horvat 1948, 227.

361Boškov 1950, 87.

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HEGEMONIE UND DISKURS fordern die Beschlüsse der Redaktionen der Jugendzeitschriften 1949, man solle jugendlichen Literaten regelmäßig den Aufenthalt in Fabriken und Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (SRZ362) ermöglichen.363 Zur Baustelle der Omladinska pruga Čamac-, ein "wichtiges Objekt des Aufbaus unseres Landes und unseres neuen Menschen" schickte der Verband SKJ einige seiner Schriftsteller, weil es ein interessantes literarisches Motiv sei. Minderović beklagt 1947, dass noch nichts dazu geschrieben wurde364 und Franičević äußert 1949 den Verdacht, dass die literarischen Beschreibungen ebendieses Schienverlegungsprojektes so hochgejubelt würden, weil die Schriftstellerkollegen weiter nichts zu bieten hätten. Er findet, es dürfe nicht bei einem einzigen derartigen Einsatz bleiben:

Međutim baš zbog toga ukalupljivanja ima se utisak, da se o njoj pisalo mnogo, pogotovo zato, jer o tvornicama, radnim zadrugama, agrarnoj reformi, kolonizaciji, novim mašinama, cestama, lukama ne možemo naći gotovo ni slova.365

Im selben Jahr 1949 aber wird auch die Gegenposition vertreten, nämlich dass es einseitig sei, nur über Großprojekte zu schreiben. Man solle das Leben im eigenen Alltag beschreiben.366 Auch Ervin Šinko ist Anhänger dieser Richtung:

[…] ako je ono što pišeš i u doživljaju i u izražavanju tvoje, dat ćeš dokumenat živog čovjeka iz svoga vremena.367

Barac lobt 1945 Goran Kovačić, weil er über das geschrieben habe, was er wirklich erlebt habe und dass die Oberfläche von Dani gnjeva politisch sei, die Quelle aber private Kindheitserinnerungen. Auch Gorans Liebskummer sei als persönliche Grundlage statthaft.368 Die Liebe taucht in diesem Zusammenhang mit der Diskussion über Individuum, Gesellschaft und Kunst häufig als Argument der Anhänger dieser Position auf, besonders bei Texten, die sich an junge Literaten richten. 1949 erklären die Jugendzeitschriften, auch die Liebe gehöre

362"u seljačkim radnim zadrugama".

363Zaključci savetovanja redakcija omladinskih časopisa 1949, 1.

364Minderović 1947, 646; vergl. Franičević 1947, 429.

365Franičević 1949a, 12.

366Za nova pregnuća 1949, 867.

367Šinko 1950, 3.

368Barac 1945, 58–67.

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HEGEMONIE UND DISKURS zum Leben und da sie nun von Klassenzwängen befreit sei, habe sie neue Qualitäten.369 Anlässlich des Treffens der kroatischen Jungautoren meint Šinko, ein Redner habe von "'sozialistischer, objektiver Liebeslyrik'" gesprochen. Es gebe aber nur subjektive Liebe.370 Das ist kein individualistischer Standpunkt, denn derselbe Ervin Šinko schrieb 1948, auch die Liebesthematik bleibe von der Änderung der Produktionsweisen nicht unberührt.371

Allen drei Modellen vom Verhältnis des Künstlers zur Realität ist gemeinsam, dass savremenost als realitätsnahes Kriterium gilt. Das wird deutlich wenn etwa Marin Franičević der bürgerlichen Literatur vorwirft, sie führe den Leser von der zeitgenössischen Wirklichkeit weg372 oder wenn Milovan Đilas kategorisch behauptet, es gebe kein "wahres" Kunstwerk, das nicht zeitgemäß wäre.373 Auch die Konzepte, die die Wiederspiegelung der Gesellschaft als Kriterium für gute oder echte Literatur ansehen, verzichten nicht darauf, die Literatur über den Hinweis auf die Neue Zeit, auf die Diskursregeln hinzuweisen.

Wer einem bestimmten Modell des Verhältnisses von Künstler und Gesellschaft anhängt, vertritt das entsprechende Prinzip auch wenn es um das Verhältnis von Gesellschaft und Kunst allgemein geht. Ervin Šinko weist zum Beispiel unter Berufung auf Marx und Engels und garniert mit einem Motto von Belinskij auf die Untrennbarkeit von Kunst und Gesellschaft hin. Kunst sei der Versuch, die Realität zu begreifen, sie strebe immer zur Realität (ihrer Erfassung) und damit zum Realismus. Am Beispiel der Homerischen Epen, in denen sich z. B. in der Figur des Thersites die Klassenantagonismen wiederspiegelten, beweist er die Abhängigkeit des künstlerischen Schaffens vom Entwicklungsstand der Produktivkräfte.374 Wenn jede Kunst von den gesellschaftlichen Umständen abhängig sei, sei auch jede Kunst eigentlich realistisch, eben weil sie auf die eine oder andere Art (unbewusst) ein Reflex der Gesellschaft sei.375 Für Šinko ist Realität in jeder Kunst anwesend, nicht nur in der realistischen.376 Diese Definitionen erlauben es ihm, den Begriff Sozialistischer Realismus

369Za nova pregnuća 1949, 867

370Šinko 1950, 3.

371Šinko 1948, 103.

372Franičević 1948, 7.

373Đilas 1951a, 47.

374Šinko 1948, 95-99.

375Šinko 1948, 98.

376Šinko 1948, 121.

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HEGEMONIE UND DISKURS schärfer zu definieren und konsequenterweise unterscheidet er auch zwischen verschiedenen Realismusarten. So sei die griechische Mythologie zum Beispiel "phantastischer Realismus".377 Auch die griechische Tragödie idealisiere bewusst die Realität, um das Bewusstsein der herrschenden Klasse abzubilden.378 Hinter alledem steht für Ervin Šinko eine elementare menschliche Qualität:

Umjetnik pretvara materiju u ljudsku materiju […] da govori ono što umjetnik misli i osjeća, da bude izraz umjetnikove društvene svijesti.379

Auch wenn sich kein anderer Diskursteilnehmer so niveauvoll und ausführlich mit der Problematik befasst, ist Šinko nicht allein. Eli Finci etwa findet, es sei zwar richtig, dass man über "das Leben der Arbeitermassen" schreiben müsse, das aber rückwirkend von den Klassikern, ja selbst den kritischen Realisten zu verlangen, sei ultralinks.380 Beide Autoren geben sich dadurch als den Gedanken von Lukács aufgeschlossen zu erkennen.

Diese Richtung hat bekanntlich Gegner. Sie sind nicht an dezidierten Gegenpositionen zu den angesprochenen Punkten erkennbar, sondern eher dadurch, dass sie ganz andere Dinge betonen. Letztendlich ist die Šinko-Position eine Auffassung, die dem spezifisch Literarischen eine Eigengesetzlichkeit zugesteht, denn die Literatur hängt bei ihm zwar mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit eng zusammen, doch entscheiden keine außerliterarischen Kriterien über die Qualität, außer es geht darum, ob sie noch zeitgemäß ist. Der notorische Franičević hingegen spricht von Aufgaben der fortschrittlichen Literatur: "da umjetnički odrazi događaje", "i da utječe na razvoj", "da dade tip novog čovjeka", "da utječe na njegovo oblikovanje, na njegov odgoj", "jer književnik je 'inženjer duša', 'učitelj života'", "književnost je dio općenarodnog života"; und: Literatur müsse, um mit der Realität Schritt zu halten, im Zentrum der allgemeinen Volkskämpfe sein, an der Liquidierung der Überreste alter reaktionärer Auffassungen teinehmen und die neuen Auffassungen abbilden.381 Auch Krleža verlangt von der Literatur, die Gesellschaft zu verändern:

Te vučje naše prilike […] pretvoriti u stanje čovjeka dostojno, to zvjersko stanje među ljudima pripitomiti do uzajamne (evađeoske, ako hoćete) snošljivosti, to izobličenje ljudske

377Šinko 1948, 96-99.

378Šinko 1948, 101.

379Šinko 1948, 102.

380Finci 1949, 3.

381Franičević 1947, 430.

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HEGEMONIE UND DISKURS svijesti uzdići na visinu misaonog dostojanstva, to je zadatak književnosti u ovome trenutku.382

Die Darstellung von Wirklichkeit hängt auch damit zusammen, welche Wirklichkeit realistisch beschrieben werden soll. Dafür wird der Begriff des Typischen eingesetzt. Handelt es sich um eine vergangene Wirklichkeit, sollte die Realität des Klassenkampfes dargestellt werden; handelt es sich um die Gegenwart, heißen die Stichwörter Optimismus und Aufbau. Im Gegensatz zur bürgerlichen Kunst, die nach Šinko auch in ihren optimistischsten Perioden immer etwas Angstvolles hatte ("Falstaff, Prospero, Hieronymus Bosch")383 sieht sich die neue Literatur in der glücklichen Lage, Optimismus ausstrahlen zu können.384 Die Dinge, die um den jugoslavischen Nachkriegsmenschen passieren, sind so großartig, dass eine Beschreibung der Realität das Kunstwerk nur erfreulich bereichern kann, so wie das schon Gor'kij feststellte.385

Volk — Held und Leser gleichzeitig

Wir haben nun zwei Kategorien kennengelernt, die als Maßstab für Literatur gelten: Wirklichkeit und Gesellschaft. Dabei gilt es zu betonen, dass die beiden Begriffe nicht wirklich voneinander zu trennen sind, denn Wirklichkeit kann nur als gesellschaftliche Wirklichkeit verstanden werden. Beide sind Bedingungen dafür, die Wahrheit zu schreiben. Radovan Zogović etwa setzt die Frage der Wahrhaftigkeit des literarischen Bildes mit der Frage des Realismus gleich.386 Die Wahrheit ist, wie wir gesehen haben, eine gesellschaftliche Angelegenheit. Aber was ist die Gesellschaft, zu der Künstler und Kunst in einem Verhältnis stehen sollen? Woraus besteht diese Gesellschaft? Eine Antwort auf diese Frage können wir erwarten wenn wir nachprüfen, w e r in der realistischen Literatur f ü r w e n beschrieben werden soll:

382Krleža 1945a, 147.

383Šinko 1948, 117.

384Franičević 1949a, 9.

385Šinko 1948, 134.

386Zogović 1946, 869.

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HEGEMONIE UND DISKURS Ivo Andrić: "Radni, stvaralački ljudi treba da budu stalan predmet naše pažnje."387

Velibor Gligorić : "lik borca i heroja rada"388

Jože Horvat: "kakav je naš čitalac: […] radnik, trudbenik na izgradnji ove naše zemlje."389

Vlatko Pavletić: "cilj svima treba isti da bude: istina o čovjeku za čovjeka. Još više — umjetnost za sve ljude."390

Die Literatur soll dem Volk "in klaren und einfachen Worten" vor Augen führen, was es alles geleistet hat,391 und "künstlerisch die Dynamik, Schönheit und Heldenhaftigkeit des Kampfes für den Sozialismus" zeigen392. Verräterisch ist das Adverb "künstlerisch" oder "mit künstlerischen Mitteln", das in diesem Kontext mit Regelmäßigkeit zur Anwendung kommt. Es zeigt, dass der Literatur eine Rolle zugewiesen wird, die von andern Medien genauso erfüllt wird. Kunst ist in diesem Sinne auf die Methode reduziert und hat denselben Inhalt wie z. B. Propaganda.

Zurück zur gesellschaftlichen Realität: Beim Leitungstreffen des SKJ im Jahre 1949 ist sie ein zentrales Thema. Ein tieferes Verständnis von ihr bedeute, sich in das Leben der Volksmasssen einzuschalten, ist in den Beschlüssen zu lesen.393 Um den adäquaten sprachlichen Ausdruck für diese Aufgabe zu finden, empfiehlt Ivo Andrić, sich an die Realität zu halten, und die Realität sei, wie sich das Volk ausdrücke.394 Auch Nikola Milošević, der den Sozialistischen Realismus verwirft, bekräftigt die Forderung nach dem Volkscharakter der Literatur: "[…] uostalom istinska umetnost bila je uvek narodna […]"395

Andrić geht sogar einmal so weit, den Leser über den Autor zu stellen, als er behauptet, die Bauern auf einem Bauernkongress hätten mehr Sinn für die Realität gehabt, als so mancher

387Andrić 1949b, 8.

388Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 49.

389Horvat 1948, 224.

390Pavletić 1950, 358f. und 366.

391Zogović 1946, 869.

392Odgovor jugoslavenskih književnika sovjetskim književnicima F. Glatkovu, N. Tihonovu i drugima 1949, 184.

393Odluke plenuma uprave Saveza književnika jugoslavije 1949, 73.

394Andrić 1948, 219.

395Milošević 1955b.

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Schriftsteller.396 Die Definitionen des fiktiven Lesers im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 bis 1952 decken sich mit dem Helden der mythischen Erzählungen, die im letzten Kapitel beschrieben wurden (siehe Seite [Der Inhalt, auf den verwiesen wird, fehlt.]), und mit dem Helden der Literatur, die gefordert wird. Das Volk soll gleichzeitig Leser und Held der Literatur sein, es soll sich in der Literatur wie in einem Spiegel wiedererkennen, es soll von seinen Leistungen auf dem Weg vom Alten ins Neue (Leben) erfahren. Die Literatur soll den jugogonischen Mythos erzählen und nichts andereres. Einerseits ist der Leser ein Arbeiter oder Bauer, andererseits ein Kriegsheld, insgesamt aber das Volk oder die Menschheit. Ervin Šinko bringt diese Mythologisierung der Literatur besonders deutlich zum Ausdruck. Er verwendet in seinem theoretischen Artikel über den Sozialistischen Realismus klare jugogonische mythologische Abgrenzungen, wie die Unterscheidung zwischen menschlicher und nichtmenschlicher Welt, in der nicht-menschliche Kräfte (Dämonen) wirken:

Jednom rječju, socijalistički je realizam takva umjetnost, u kojoj se oblikuje čovjek, […] i solidarnost s konkretnom borbom, koja se vodi protiv neljudskih sila, a za univerzalno ostvarenje ljudskoga.397

Franičević spricht einem nicht mit dem Volksstamm verwachsenen Autoren die Persönlichkeit ab und Vladimir Nazor verdonnert die Schriftsteller dazu, den kürzesten Weg zum Herzen der Volksmassen zu suchen und die Wurzeln im Heimatboden nicht zu verlieren:

[…] izraz koji ne izrasta iz narodnog stabla ne može bit ni ličan. On je nužno bezličan, jer je umjetan, iskonstruiran i apstraktan. […]398

Čuvajući svoju umjetničku individualnost, valja dignuti mnoštvo na što višu razinu, a ne dirajući u korijene, kojim je ono od iskona vezano o rodno mu tlo.399

Nicht nur, dass die Metaphern in diesen beiden Zitaten nationalromantische Ahnen nicht verleugnen können, sondern auch dass sie zeigen, wie der Diskurs auf den Mythos zurückgreift, sobald es um den Kernpunkt der Wahrheit der Literatur, das Volk geht, macht diese Zeilen zum Beleg für die mythologiserende repressive Funktion der Begriffe Wahrheit, Gesellschaft, Wirklichkeit und Volk.

396Andrić 1949b, 5.

397Šinko 1948, 128.

398Franičević 1948, 14f.

399Nazor 1947, 145f.

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Diskursive Repression

Der Druck auf den literarischen Diskurs über den literaturpolitischen funktioniert also aufgrund der schieren Nennung dreier Begriffe und durch die Verbindung mit dem jugogonischen Mythos des Weges vom Alten zum Neuen. So genügte es dem der Macht damals sehr nahe stehen den Kulturminister Milovan Đilas, wenn Literaten "Träger von etwas Neuem" sind:

[…] a dobri pisci kao na primjer Ivo Andrić, koji bukvalno nijesu marksisti, pa ni materijalisti, ali koji po svom metodu jesu i moraju biti s nama, jer su […] nosioci nečeg novog.400

Die außerdiskursive, autoritär bestimmte Definition von richtiger Literatur schlägt sich aber auch immer wieder in Ultimaten an die Autoren nieder:

Kolika je umjetnička i idejna vrijednost ovih djela, do koje su mjere naši pisci u svojim ostvarenjima istinski odrazili našu stvarnost, otkrili i razvili u svojim djelima one likove i snage, koje su nosioci društvenog zbivanja – drugim riječima – koliko su uspjeli usvojiti metodu najnaprednijeg pravca u umjetnosti, metodu socijalističkog realizma?401

Wie dieses Beispiel zeigt, wird auch ganz offen diskursiver Druck mit rhetorischen Mitteln ausgeübt. Marin Franičević tritt 1947 mit der Schelte an die Schriftstellerkollegen heran, die Literatur habe ihre Aufgaben seit dem Kriegsende nicht vollständig erfüllt. Auf allen anderen Sektoren der Gesellschaft sei der Aufbau ein totaler Erfolg, nur in der Literatur nicht. Die Realität sei in der Literatur nicht so kolossal abgebildet worden, wie sie in Wirklichkeit sei. Die Literatur sei noch voll von "allen möglichen unvölkischen, dekadenten und reaktionären Ansichten, voller prinzipienloser und formalistischer Abweichungen, voller fremder Tendenzen, die sich mit dem lügenhaften Gewand der 'Tendenzlosigkeit' oder sogar Progressivität" bemäntelten.402 Franičević geht so weit, zu drohen, da die Literatur mit all diesen Verzerrungen ein negativer Faktor sei, könne das Volk dieser Literaturentwicklung nicht gleichgültig zusehen. Es fragt sich, wer hier das Volk ist und ob nicht eher die Staatssicherheit oder die Volkspolizei gemeint ist.403

Die repressive Funktion diskursiver Handlung ist die eine Seite des Diskurses. Wie aber steht es mit dem Widerstand dagegen? Im großen und ganzen passen sich in der Zeit von

400Đilas 1951a, 15.

401Horvat 1948, 223.

402Franičević 1947, 430.

403Franičević 1947, 431.

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HEGEMONIE UND DISKURS 1945 bis 1952 alle an den "Wahrheitsdiskurs" (im Sinne der letzten Kapitel) an. Miroslav Krleža etwa kehrt 1952 zu seinen subversiven Formulierungen über die fantastische Realität, die er Ende 1945 wählte, nicht zurück:

Pisati ne znači opisivati niti prepisivati. Pisati ne znači opisivati stvarnost života, jer kada bi pisanje u književnom smislu bilo obično, jednostavno opisivanje fakata, onda bi svaki pisar bio pjesnik.404

Das ist kein Angriff auf den oben beschriebenen Realismusbegriff, sondern eine Paraphrase auf den ebenfalls oben beschriebenen Naturalismusvorwurf. Einzig, dass Krleža zugibt, dass die Suggestivkraft eines Textes eine wichtige Rolle spielt, ist eine deviante Formulierung. Dass der Dichter eine Masse Eindrücke reduzieren müsse, um einen künstlerischen Ausdruck schaffen zu können, deckt sich mit üblichen Aussagen über das Typische.405 Auch dass man um Balzacs Kapazität heute erreichen zu können nicht wie Balzac schreiben dürfe ist eine konforme Aussage. Krleža ordnet sich ohne wie 1945 zu murren dem Druck des Realismusbegriffs unter. Ähnlich Vlatko Pavletić. Er begibt sich nur dadurch ein wenig in Richtung Diskursrand, dass er "einen anderen Rhyhmus" fordert, "kürzere, trockenere Sätze, kompliziertere, konfusere Gedanken". Damit widerspricht er dem Prinzip der Zugänglichkeit für das Volk. Er rechtfertigt das aber mit konformen Argumenten: "Zato, u ime realizma današnjice, moramo prevazići realizam prošlosti."406 Josip Vidmar aber macht sich in der Diskussion über Krležas Referat des Relativismus schuldig. Er behauptet, seit es eine Gesellschaft gebe, verlange sie von der Kunst Utilitarismus, und ebenso lange gebe es die Gegenreaktion des Larpurlartismus. Das deviante an dieser Äußerung ist, dass er überhaupt von Utilitarismus spricht, denn das ist ein Begriff, der den sogenannten Larpurlartisten zugeschrieben wird.407 Oto Bihalji fragt, an welche Realität man denn überhaupt denke, wenn man behaupte, die zeitgenössischen Künstler hätten sich von ihr entfernt. Vielleicht sei sogar der Ausdruck "umetnik našeg vremena" so veraltet wie Begriffe der klassischen Physik. Außerdem glaubt er nicht, dass es falsch sei, Lotreamont, Baudelaire, Rimbaud zu entdecken. Diese Namen zu erwähnen, ist eine eine Abweichung wenn wir den gesamten Diskurs von 1945 bis 1952 betrachten.408 Allerdings häufen sich diese Abweichung gegen Ende der

404Krleža 1952a, 207.

405Krleža 1952a, 207.

406Pavletić 1952, 3.

407Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 15.

408Bihalji-Merin 1952, 485f.

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HEGEMONIE UND DISKURS Periode. Milošević rüttelt zwar nicht an der Wahrheitsforderung, aber an der nach Zugänglichkeit:

Pisati pristupačno za svakog čoveka, to znači služiti se samo onim umetničkim sredstvima koja su dostupna kulturnom nivou svakog čoveka […] to znači svesti umetnost samo na jednostavne i primitivne forme. To ustvari znači negirati umetnost.409

Als Beleg führt Nikola Milošević an, der Film Fahrraddiebe von Vittorio de Sica sei vielen viel weniger zugänglich als ein "billiges Possenspiel Marke 'Bal na vodi'" (ein Theaterstück, das damals heftig diskutiert wurde).410 Widerstand gegen die diskursive Repression gibt es also nur am zeitlichen Rand. Hier kommt es zu Auseinandersetzungen, die im diachronen Teil Gegenstand der Beschreibung sein werden.

7.2 Freiheit kann schädlich sein

Ein weiteres Feld von diskursiver Auseinandersetzung, ein "Diskurs", um dessen Besitz in Foucaults Worten gerungen wird, ist die F r e i h e i t . Wenn von Freiheit die Rede ist, geht es auch um eine Selbsteinschätzung: sind wir frei? Die Antwort fällt in der Regel positiv aus. Unterschiede gibt es nur in der Einschätzung der Jahre vor dem Bruch mit der Sovjetunion. Freiheit wird aber immer auch mit G e f a h r in Verbindung gebracht, insbesondere im Zusammenhang mit dem Übergang von dem sovjetfreundlichen horizontalen Weltbild der Anfangsjahre zum vertikalen Ost-West-Schema danach. Diskussion und Kritik sind Mittel, um diese Gefahr abzuwenden. Auch die Literatur wird explizit als Mittel zum Zweck gesehen. Unterschiede gibt es dabei nur graduelle. Nur am zeitlichen Rand kommt es wie üblich zu Abweichungen.

7.2.1 Gegen uniformierte Literatur

[…] protiv ukalupljivanja, odnosno uniformisanja literature […]. Književnik treba da ima punu slobodu razvijanja. Ali, - vi ćete se sigurno u tome složiti sa mnom, - ja sam protiv toga da se pod izgovorom odbrane slobode književnog stvaranja piše i ono što je štetno.411

Die Freiheit des Schriftstellers wird von allerhöchster Stelle postuliert und gleichzeitig eingeschränkt. Die Autorität gewährt der Literatur ihre Freiheit, verlangt von ihr, dass sie nicht uniform sei und auch nicht dem Staat, dem Volk, der Gesellschaft schade. Durch die Verwendung des Begriffs Freiheit, kann Kontrolle über den literaturpolitischen und den

409Milošević 1955b.

410Milošević 1955b.

411Tito 1946, 1.

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HEGEMONIE UND DISKURS literarischen Diskurs ausgeübt werden. In der besonderen hierarchischen Ordnung und aufgrund der mythischen Kraft des Sprechers, hat Josip Broz außerordentliche Definitionskraft. Miroslav Krleža ist mit dieser Definitionsmacht diskursiv verbunden, indem er einen panegyrischen Geburtstagsartikel auf der ersten Seite einer rituell bedeutenden Zeitschrift just in dem Jahr veröffentlicht, in dem er auf dem Schriftstellerkongress mit einer Rede massiv in den Diskurs eingreift: 1952. Einerseits gesteht er es dem Individuum zu, sich zu entscheiden, ob es sich am Kampf beteiligt oder nicht und legt die Freiheit damit weiter aus (Diskursrand im Verhältnis zu Tito 1946), aber andererseits fordert er von der Literatur als Gesamtheit eine propagandistisiche Funktion, auch wenn er das in seiner typischen Manier geschickt verdreht:

da li se ona [umjetnost] ima apstinirati u lirskom indiferentizmu, ili aktivistički ući u borbu [— to je] vezano sa temperamentom pojedinih stvaralaca.412

Naša socijalistička književnost treba kao umjetnička propaganda pred inostranstvom […] da […] dokazuje, kako smo se mi oduvijek, otkad nas ima, borili za slobodu umjetničkog stvaranja, za simultanitet stilova, za načelo slobodnog izricanja mišljenja, po crti svog neovisnog moralnog i političkog uvjerenja.413

Die Literatur soll Propaganda machen, indem sie frei ist. Wie genau das zu verstehen ist, bleibt dem Zuhörer überlassen. Entscheidend für die Rezeption dieser Passage ist, was man unter dem "wir" versteht und wie man die Anspielungen auf die Auseinandersetzungen der dreißiger Jahre entschlüsselt.414 Vido Latković argumentiert in diesem Zusammenhang gegen die Informbüroländer und zitiert Lenin: "'bezuslovno je potrebno obezbijediti veću slobodu ličnoj inicijativi, individualnim sklonostima, slobodi misli i fantaziji, formi i sadržini'".415 Bei dieser Forderung bleibt die Gewährung der Freiheit Sache einer nicht näher genannten Macht, die in der Diskussion über Krležas Referat dann beim Namen genannt wird: Weil die wichtigsten Voraussetzungen "objektiv" im kulturellen Programm der P a r t e i vorhanden gewesen seien, sei der Ždanovismus Zogović’ nicht voll zum Zug gekommen, meint Mitrev.416 Die Partei g e w ä h r t der Literatur ihre Freiheit.

Gerade in puncto Ždanovzeit gibt es aber unterschiedliche Meinungen. Die e r s t e G r u p p e ist die, die glaubt, dass die Literatur in Jugoslavien seit der Befreiung frei sei.

412Krleža 1952a, 208.

413Krleža 1952a, 239.

414Siehe: Sukob na književnoj ljevici.

415Latković 5o, 254

416Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 15.

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HEGEMONIE UND DISKURS Milovan Đilas betont, die Partei habe den Menschen nie vorgeschrieben, was sie zu tun hätten und wie.417 1950 antwortet Velibor Gligorić vorwurfsvoll auf Petar Šegedins Referat über die Kritik, Möglichkeiten zur freien Diskussion habe es schon vor dem Kongress gegeben.418 Ganz charakteristisch ist Boris Ziherls Gegenfrage auf die Forderung, man müsse die Dekadenzliteratur des Westens kennen: wer das denn bisher verboten habe?419 Als Beweis für die Gestaltungsfreiheit führt Marin Franičević an, dass der Sozialistische Realismus entgegen gewissen pseudodemokratischen Parolen nicht uniform und einheitlich sei und gibt als Beispiele für stilistisch unterschiedliche Werke Zogović' "Prkosne strofe", Kovačić' "Jama", Kulenović' "Majka Knežpoljka" und Čopić' "Ratnikovo proleće" an, die alle in keinster Weise dekadent seien.420 Ganz wie sein Herr – Tito – verdammt er Schablonenhaftigkeit:

Kao što nije jedno te isto pitanje da li ćemo do socijalističkog realizma doći dekretima i receptima ili vlastitom borbom. Jer socijalistički realizam nema i ne može imati veze sa šablonama, s formulama, s jednadžbama: realizam+romantizam = socijalistički realizam i t. d.421

Das ist natürlich eine Anspielung auf die Sovjetunion und impliziert, dass man in Jugoslavien nicht so verfahre wie dort. Wenn auch die Meinungen über die Vergangenheit (vor dem jeweiligen Jetzt und nach der Befreiung) geteilt sind, ist man sich einig, dass erstens die Literatur gegenwärtig frei sei. Ervin Šinko antwortet in der Diskussion über Krležas Referat:

[…] takva sloboda – ja to tvrdim ne retorički nego iz najdubljeg uverenja – ne postoji danas nigde na svetu osim u zemlji koja se zove Titova Jugoslavija.422

Zweitens herrscht ab einem bestimmten Zeitpunkt Übereinstimmung darüber, dass die Literaten in der UdSSR keine Freiheit hätten. Oskar Davičo kritisiert die Unterdrückung der Wahrheit unter den Schriftstellerkollegen in der Sovjetunion: "[…] goni ih na javna i ponižavajuća priznanja 'grešaka' i 'formalističkih zabluda'[…]"423 Gerne ironisiert man nun die inženjeri ljudskih duša und stellt dieses Bild als Ausdruck der Knebelung der Literatur dar.

417Đilas 1951a, 15.

418Gligorić 1950b, 3.

419Barković 1950, 444.

420Franičević 1948, 9.

421Franičević 1950, 70.

422Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 13.

423Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 48.

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Pejaković nennt sie gleich drei mal auf einer Seite.424 Diese Äußerungen über die fehlende Freiheit und Unterdrückung der Literaten in der Sovjetunion funktiert aber auch als Widerstand gegen die Repression in Jugoslavien. Indem die Selbstkritikveranstaltungen als Informbüro-Angelegenheit bezeichnet werden, also als Elemente des Außen, kann man offenbar diskursiv einer solchen Entwicklung im Inneren entgegenwirken.

E i n e z w e i t e G r u p p e, die mit den letzten Vorwürfen an das ehemalige Bruderland konform geht, vertritt zaghaft die Meinung, dass die Freiheit nach dem Sieg des Volkes (1945) noch ungenügend gewesen sei. Petar Šegedin verkündet 1949/50 in seinem Kongressreferat, dass partijnost von "unseren Kritikern" allzuoft als politische praktičnost missverstanden worden sei: "bilo je potrebno boriti se, ali […] su neki u tom pogledu i previše gledali samo neprijatelje."425 Den Gedanken eines unterschiedlichen Freiheitspostulats in Kampf- und Nichtkampfsituation verwerfend, gibt Josip Škavić 1952 zu bedenken, den Menschen als Grundgedanken des Sozialismus aufzufassen, bedeute auf dem Felde der Literatur, in Siegeszeiten [also jetzt – A. d. V.] aber auch in Kampfzeiten die Freiheit des künstlerischen Schaffens ernstzunehmen.426 Eine scharfe Kritik an der Nachkriegszeit, die dann auch von Ždanovismus sprechen kann und Radovan Zogović mit dieser Linie gleichsetzt (er wurde 1948 als ibeovac aus der Partei ausgeschlossen), ist offenbar erst am zeitlichen Diskursrand 1952 möglich. Diese Möglichkeit nutzten dann aber auch Leute wie Mitrev in der Diskussion über Krležas Referat (siehe oben Seite 126). Einerseits wirft er Zogović und Ždanov in einen Topf, andererseits versucht er die jugogonische Bedeutung dieser Zeit, die damals etabliert worden war zu retten: der erste Kongress sei gar nicht der Kongress von Radovan Zogović gewesen, sondern der hellste Augenblick im Leben der jugoslavischen Schriftsteller, denn zum ersten mal sei eine professionelle jugoslavische Schriftsteller- Organisation gebildet worden.427 Nach der Alt~Neu-Korrelation aus dem Kapitel 5.1 Chaos und Kosmos: Alt und Neu ist das ein Versuch, den Ždanovismus in die Vergangenheit zu verbannen und die Gründung des Schriftstellerverbandes in der (hellen!) Gegenwart zu belassen. Beides hatte sich aber zur selben Zeit abgespielt. Sobald Krleža sich traut, wortreich auf den Stalinismus einzuschlagen ("medicinsko-egzorcistička papazjanija")428 stimmen die anderen ein. Einzig Krsto Hegedušić attackiert in einem Referat auf der

424Pejović 1949, 290.

425Šegedin 1950, 7.

426Škavić 1952.

427Mitrev in der Diskussion über Krležas Referat. Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 13.

428Krleža 1952a, 238.

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HEGEMONIE UND DISKURS Jahreshauptversammlung der ULUH [Udruženje Likovnih Umjetnika Hrvatske] schon am 8. Februar 1950 die [sinngemäß] "Inquisitionszeit der Ždanov-Zogović-Linie"429:

Neuspjeh kritičke linije430 Ždanov-Zogović, koja se u našem likovnom životu uglavnom pokazala besplodnom, skolastičnom i apstraktnom, tako rekavši formalističkom u svom dubljem smislu, ne znači, da se naša radnička klasa odreći lenjinističkog principa partijnosti u umjetnosti, komunističke idejnosti i t. d. Mi se i dalje treba da borimo za realističku, socijalističku umjetnost u humanističkom smislu.431

Wie die bisherigen Belege zeigten, bedeutet das explizite Eintreten für die künstlerische Freiheit kein Verneinen der sozialistisch-realistischen Prinzipien. Manchmal bringt es zwar eine Ablehnung des Begriffs mit sich oder wie eben bei Hegedušić ein Verdrehen der Attribute ("realistische, sozialistische Kunst im humanistischen Sinne"); Vido Latković formuliert aber beispielsweise, partijnost sei nicht Dogmatismus, sondern bedeute, dass der Künstler, der dem Marxismus-Leninismus verplichtet sei, "lebt".432

Die Kritik an den Verhältnissen in der Sovjetunion birgt auch die Möglichkeit, als Kritik der Verhältnisse in Jugoslavien vor der Resolution des Informbüro gelesen zu werden, vorausgesetzt der Adressat nimmt an, dass Jugoslavien damals unter sovjetischem Einfluss gestanden habe. Auf diese Art kann man von einer versteckten, aber harten Kritik sprechen. Diese Art der Kritik ist (wenn sie denn verstanden wurde) nach 1948 und vor der Kongressrede 1952 die Regel. Hegedušić ist die Ausnahme. Die Kritik am Dogmatismus wird auch verbunden mit einer Ausgrenzung, indem dogmatisch als dem Alten zugehörig definiert wird:

tu se ne radi ni o kakvom socijalističkom moralu, već o obićnoj popovštini.433

Die dogmatische Kritik sei "voll konservativer Moralvorstellungen", versteinert, fetischisiert in ihren Auffassungen von idejnost, tipičnost, Heroismus, Moral. Diese (positiven) Prinzipien würden so in Dogmen verwandelt, verlören jeden menschlichen und "Lebens-Sinn". Sie verwandelten sich in ihr Gegenteil und rechtfertigten jede primitivistische, reaktionäre, antihumane und antikünstlerische Tendenz in der Literatur. So wie Mitrev oben Zogović ausgrenzt, so wird hier die Sovjetunion durch die Alt~Neu-Korrelation ausgegrenzt. Die

429Hegedušić 1950, 110-117.

430Mit kritischer Linie ist die Linie in der Literatur- und Kunstkritik gemeint und keine politische Linie, deren Eigenschaft es ist, kritisch zu sein.

431Hegedušić 1950, 110.

432Latković 5o, 254.

433Zoran Mišić zu Äußerungen diverser Kritiker über schriftstellerische Reife. Mišić 1950, 84.

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HEGEMONIE UND DISKURS Unterschiede in der Darstellung der Freiheit der Neuen Gesellschaft hängen also eng mit der Umwandlung des horizontalen in ein vertikales Modell des Außen im jugogonischen Mythos zusammen. Jeder Versuch, im Zuge dieser Umwandlung die Definition von Wahrheit und Freiheit zu ändern, wird von den Anhängern des horizontalen Modells heftig bekämpft. Aber auch die Anhänger des vertikalen Modells verwenden Freiheit als diskursives Regulativ.

Vergleichen wir nun, welche Kategorien als negativ und welche als positiv gelten, sowohl in Bezug auf literarische Texte als auch auf Literaturkritik. Die Produktion literarischer Texte soll, wie wir gezeigt haben, frei, die Texte sollten aber nicht uniform sein. Ab 1948 stellt sich noch der Begriff der marxistischen Ästhetik gegen die Uniformität. Was die Literaturtheorie und die Kritik anbelangt, so herrscht der Vorwurf des Schematismus vor. Uniformität im literarischen Text war ja im gesamten Zeitraum ein Negativkriterium. Schematismus taucht erst nach dem Bruch (Übergang vom horizontalen zum Vertikalen Schema) massiv auf. Zoran Glušević etwa wirft Timofeev vor, er sei oberflächlich und in den sovjetischen Lehrwerken geschehe nur eine Schematisierung der altbekannten Grundsätze der marxistischen Ästhetik.434 Der Widerpart von Uniformität ist Freiheit. Diese wird immer verfochten. Zu Schematismus aber passen Dogmatismus, Vulgärmarxismus, deren Gegenteil der Marxismus-Leninismus ist. Auf literarischem Gebiet ist das marxistische Ästhetik. Graphisch umgesetzt sehen diese Verhältnisse folgendermaßen aus:

1945 1948 1952

+ Freiheit - Uniformität +marxistische Ästhetik -Uniformität

?literarische Texte ?Literaturkritik

+ Marxismus-Leninismus - Vulgärmarxismus - Schematismus

Kritik an der Leistung der Schriftsteller ist im gesamten Beobachtungszeitraum üblich. Das kann eine autoritäre Ermahnung eines Literaturfunktionärs an die Autoren allgemein sein, eine Kritik an einem Text eines Anfängers oder einer Anfängerin oder, was seltener ist und eher am zeitlichen Rand vorkommt, Kritik an einem Kollegen. Kritik am Schematismus von Schriftstellern ist folglich auch möglich, im Gegensatz zu Kritik an den "Verhältnissen" (s. o.). So verwundert es nicht, wenn 1950 Živojin Boškov für die "Befreiung der Schriftsteller

434Gluščević 1951, 361.

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HEGEMONIE UND DISKURS vom Schablonendenken bei der Beschreibung des Menschen" eintritt435, oder wenn Josip Barković die Literaten davor warnt, in Schematismus zu verfallen, denn dagegen kämpfe "man z. Z. am meisten".436 Zoran Mišić sagt sogar, marxistische Kritik berge die Gefahr, dass irgendein oberflächlicher, unerfahrener Kritiker, der gerade mal die Grundbegriffe des Marxismus kenne, glaube, in Timofeevs Lehrbuch einen Zauberstab gefunden zu haben. Durch die dauernde Wiederholung von Standardsätzen zu allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten machten sie sie zu banalen Gemeinplätzen (z. B. "otkrivanje onog što je bitno, određujuće i odlučujuće, tipično'").437 Dadurch dass Zoran Mišić bei dieser Tirade gegen "dogmatische und schablonenhafte Anwendung marxistischer Grundsätze" marxistisch in einem Atemzug mit Gefahr nennt, bewegt er sich allerdings ein wenig in Richtung Diskursrand.438 Eine Technik der Kritik im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 bis 1952 ist, von "Mängeln" bei den Schriftstellern zu sprechen, sie aber nicht rundweg abzulehnen (s. u. Kapitel 7.3Unzulänglichkeiten und Schwächen, Seite 137). Diese Strategie verwendet zum Beispiel Zoran Mišić in seiner Kritik der Kritiken von Nasko Agonov über ein Buch von Galogaža (in der Jugendzeitschrift Izvor). Sie seien im Grunde marxistisch, hätten aber Mängel. Man solle nicht jede Anfängerdummheit als Formalismus verdammen, denn das sei "mysteriös, magisch".439

Nicht nur 1950 wird der Schematismus kritisiert, auch in der in der Kritik an der untypischen und frauenfeindlichen NOB-Liedersammlung von 1945 (siehe oben Seite [Der Inhalt, auf den verwiesen wird, fehlt.]) ist das ein Kriterium: "To nije poezija, isto tako to nije umjetnička proza. To su aksiome, ili bolje reći parole od kojih […] nastaje zbirka […]."440 Krleža hatte schon in seinem programmatischen Text gewarnt:

Kao svjedok ovog ukletog vremena pred budućim pokoljenjima književnost danas treba da bude svijesna svojih izražajnih sredstava bdijuće postojano nad tim, da joj se izražajno sredstvo ne izrodi uz frazu. Fraza pretvara […] ljudske misli u kalupe, u sheme, u klišeje, u dogme; […]441

435Boškov 1950, 87.

436Barković 1950, 444.

437 Mišić 1950, 79.

438Mišić 1950, 82.

439Mišić 1950, 78 und 84.

440Seferović 1945, 96.

441Krleža 1945a, 148.

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HEGEMONIE UND DISKURS Wie auch im Falle des Begriffes Freiheit handelt es sich bei Schematismus um ein Symbol, das von allen Parteien in den Diskurs eingebracht und bestenfalls mit einem gegnerischen Attribut versehen wird.

7.2.2 Gegen schädliche Freiheit

Im Gegensatz zu marxistisch wird das Wort Freiheit oft im Zusammenhang mit Gefahr genannt, wie es schon Tito in seiner Ansprache an die Schriftsteller vorgegeben hatte. Petar Šegedin verwendet diese Taktik in seiner Rede über die Freiheit der Kritik: "u slobodu […] leži veličina, ali i opasnost!"442 Interessant ist, dass diese Einschränkung des Freiheitsbegriffs meist direkt auf das Freiheitspostulat folgt. Noch einmal aus das Tito-Zitat, etwas erweitert:

[…] protiv ukalupljivanja, odnosno uniformisanja literature […]. Književnik treba da ima punu slobodu razvijanja. Ali, – vi ćete se sigurno u tome složiti sa mnom, – ja sam protiv toga da se pod izgovorom odbrane slobode književnog stvaranja piše i ono što je štetno. […] Ona [die 'volle' Pressefreiheit im Westen — A. d. V.] se sastoji u tome što se svakome dozvoljava da piše i najveće laži i klevete, pod izgovorom da je to sloboda i da je to moralno. S našeg stanovišta […] takva je sloboda štetna.443

Worin aber liegt die Gefahr oder Schädlichkeit von Freiheit? Typisch für den Freiheitsbegriff ist die Vorstellung, dass unter dem Deckmantel der Freiheit feindliche Übergriffe geschehen könnten. Wie Tito sagte, gibt es ja eine gefährliche westliche Freiheit, die nominell gleich ist und deshalb unterschieden und abgelehnt werden muss. Die Freiheit ist in diesem Bild eine Tarnung oder ein Vorwand. Krleža zum Beispiel schreibt, für die die literarische Rechte der Zwischenkriegszeit habe Freiheit des künstlerischen Schaffens das Verbot, sich mit Politik zu beschäftigen bedeutetet.444 Ähnlich stellt es Jovan Popović dar:

Sloboda buržuaskog književnika […] je maskirana […] zavisnost od novčane kese […].445

Boris Ziherl nennt 1952 in der Diskussion über Krležas Referat die Freiheit des künstlerischen Schaffens "nekakva imaginarna".446 Im Zusammenhang mit dem "kleinbürgerlichen" Schriftsteller Zupan spricht Boris Ziherl vom Phänomen der "iskorištavanje okvira naprednog pokreta za literarno propovedanje individualizma i

442Šegedin 1950, 12.

443Tito 1946, 1.

444Krleža 1945a, 154.

445Popović 1948, 1.

446Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 13.

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HEGEMONIE UND DISKURS antihumanizma".447 Die Zurückweisung von drei Kandidaten (darunter Milan Bogdanović) durch die Serbische Akademie (SANU), obwohl sie von der Zagreber Jugoslavischen Akademie (JAZU) angenommen worden waren, sei eine politische Diskriminierung "unter dem Deckmantel des Demokratismus und der Toleranz und in Wahrheit gegen Demokratismus und Toleranz gerichtet" meint das Plenum des Udruženje književnika Srbije (UKS) in einer Resolution.448 Geradezu hinterlistig formuliert diesen Vorwurf nämlicher Milan Bogdanović in der Diskussion über Krležas Referat: wenn jemand auf dem Kogress so "anachronistische Ausdrücke und Äußerungen" benützen könne wie der Genosse Šimić, müsse das ja wohl Freiheit bedeuten. Bogdanović will damit zum Ausdruck bringen, dass Šimić die Freiheit ausnütze und sie ihm genommen werden sollte.449

Motiviert werden solche Aussagen auch 1952 mit Erklärungen wie, man spüre noch immer den ideologischen Druck des Auslandes und es gebe im Lande noch immer die sozialismusfeindlichen Klassenreste. Dazu komme der Einfluss nichtsozialistischer, dekadenter Kunstrichtungen. Der Ideenkampf zwischen progressiv-sozialistischen und "reaktionär-antisozialistischen, anationalen, morbiden und dekadenten Tendenzen" dauere an. Ein kleiner aber "aufdringlicher" Teil der Intelligenz verhalte sich hier noch immer "unkritisch".450

7.2.3 "Kritika"

Der letzte Satz weist auf eine besondere Auffassung von Kritik hin. Auch Kritik gibt es in einer positiven und einer negativen Version. Letztere ist meist die "destruktive Kritik". Derselbe Text wie im letzten Zitat tritt für einen freien ideellen Kampf, für sozialistische Demokratie ein, als das Recht aller, sich gegen "Unkulturheit", Untalentiertheit, sinnlose abstrakte Poesie und die abstrakte Kunst überhaupt zu wehren. Destruktive Kritik sei abzulehnen.451 Die Kritik, zu der aufgefordert wird, ist folglich explizit nur dann konstruktiv, wenn sie sich gegen die dem Außen oder dem Alten etc. zugehörigen Phänomene richtet. In der skupština der FNRJ nennt der Kulturminister Milovan Đilas die "fehlende Kritik" eine "unserer" Hauptschwächen:

447Ziherl 1948,5.

448Rezolucija plenuma Udruženja književnika Srbije.

449Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 16.

450Osnovno danas 1952.

451Osnovno danas 1952.

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HEGEMONIE UND DISKURS Ta kritika mora u prvom redu biti uperena protiv reakcionarnih shvatanja, protiv svega onoga što umire, ali smeta razvitak novog.452

Petar Šegedin findet in seiner Ansprache zum Thema (die der Literatursoziologe Sveta Lukić den kroatischen Wendepunkt zur polemischen Phase des jugoslavischen Literaturlebens nennt453), dass sich die Kritik bisher frei habe entwickeln können und man sich im Großen und Ganzen von anarchistischer subjektivistischer persönlicher Kritik entfernt habe. Nun entwickle sich eine marxistisch-leninistische Kritik. Diese habe in der Durchführung noch Mängel, nämlich dass vor allem Künstler selber Kritiker seien.454 Kritik ist also nicht etwas eigenständiges, sondern genauso wie Literatur der Definition durch die Autorität unterworfen. Kritik nimmt man nicht an, sondern man schreibt vor wie sie auszusehen hat. Sie darf zum Beisopiel nicht persönlich sein. Auch in Auseinandersetzungen zweier Personen wird das Persönlichsein moniert: Konstantinović wirft Gligorić vor, er habe seinen Artikel angegriffen, weil er persönlich betroffen sei.455

Der Begriff Selbstkritik kommt im Gegensatz zu anderen literaturpolitischen Diskursen der Zeit, deren Teilnehmer sich auf den Sozialistischen Realismus beriefen wie etwa in Polen so gut wie gar nicht vor. Dimitar Mitrev gebraucht das Wort in der Diskussion über Krležas Referat.456 Sonst taucht es noch zwei mal auf; bezeichnenderweise im Zusammenhang mit den "Anfängern und Kandidaten" (Seiten [Der Inhalt, auf den verwiesen wird, fehlt.] und 141).

ĚocÍoeĘe ěołeÉoÂaň ęoęełÍÇ ła łe÷oÁoĘła ÉpÇÍÇńÉa aÉÍÇÁłocÍ Ç łe ŕÇ ŕapaĘ ěpÇńÇłÇ ÇĘÇ oěpaÁ÷ała Ća Íoa (ła ěpÇęep, ÉoÂa ÉpÇÍÇÉaÍa ŕÇĘa aÉÍÇÁÇĆÇpała ła ÷pyÂo Ç÷eoĘoňÉo ŕoÇňÍe).457

7.2.4 Literatur als Werkzeug

Die Instrumentalisierung von Literatur und Literaturkritik im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 bis 1952 wurde bisher durch die Analyse impliziter Aussagen ermittelt. Es gibt aber, wie im Kapitel Diskursive Repression bereits angedeutet

452Đilas 1948b, 1.

453Lukić 1968, 27.

454Šegedin 1950, 3-5.

455Konstaninović 1950b, 448.

456Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 15.

457Mitrev 1952, 22.

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HEGEMONIE UND DISKURS wurde, auch ganz offene Statements, die sich dazu bekennen, dass die Literatur die Fortsetzung des NOB sein müsse. Krleža 1945:

[…] nam je potrebna samo svijest pak da svladamo i književno sve ono, što su svladale narodne mase snagom svoje životinje volje […]458

Đilas postuliert, ein wahrer Kulturarbeiter habe eine Verpflichtung gegenüber der Partei und dem Volk.459 Viele Mitarbeiter und Redakteure verstünden den freien Kampf der Meinungen nicht, sagt der Minister460 und weiter:

Kritika (svaka) nastaje samo tamo gdje ona ima da odigra i određenu društvenu […] ulogu u borbi protiv reakcionarnih klasa […]. Ona je u tom slučaju više okrenuta ka problemu odnosa između samog djela i društva […]. Tamo pak, gdje je društvo relativno mirno […] kritika se pretežno okreće ka samom djelu.461

Dušan Matić lässt die ideologische Anforderungen allerdings nur für die Kritik gelten. Er betont, dass es eine marxistische Ästhetik genauswenig gebe wie eine marxistische Physik. Kritik aber könne durch den Marxismus bereichert werden.462 "[…] umjetnost je nužno ili oružje progresa ili oružje reakcije […]" sagt Franičević ganz explizit im Jahre 1947. Das Argument für die Instrumentalisierung ist bei ihm, dass man sicher sein könne, dass der Feind die Literatur auch instrumentalisiere. Um dem zuvorzukommen, müsse man das gleiche im positiven Sinne tun.463 Man könnte die Frage von Heteronomie und Autonomie so zusammenfassen wie Franičević: die allgemeinen Aufgaben bedingen die Aufgaben der Schriftsteller und diese werden ihnen von "unseren Völkern" gestellt.464 Da diese Instrumentalisierung nicht unbedingt ein Eingreifen in die ästhetischen Funktion der Literatur bedeuten muss, spricht Krleža 1945 von einem W e g w e i s e r :

[…] mi ne možemo danas na temelju nekih političko-ekonomskih podataka i okvira krojiti obrise našeg književnog stvaranja u budućnosti. […] možemo da ocrtamo smjernice465

458Krleža 1945a, 158.

459Đilas 1951a, 15.

460Đilas 1951a, 8

461Đilas 1951a, 31

462Matić 1951, 1.

463Franičević 1947, 341.

464Franičević 1948, 4.

465Krleža 1945a, 155.

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HEGEMONIE UND DISKURS Aber die die Dynamik der Ereignisse werde "logischerweise" auch "unsere" Literatur mittragen. Die Resolution auf "Krležas" Kongress übernimmt diese Formulierung (übrigens ekavisiert): in diesem großen historischen Augenblick müsse der Schriftsteller ein wichtiger Faktor sein und deshalb zum wahren sozialistischen Schriftsteller werden. Dafür habe ihm der 3. Kongress die wichtigsten smernice vorgegeben.466 Nazor als Ehrenvorsitzender des Kroatischen Parlaments und des Jugoslavischen Schriftstellerverbandes SKJ möchte 1947, dass die Literatur geregelt, aber frei sei:

Jest, put, kojim sada naša Hrvatska književnost mora da ide, valja da, uglavnom, da bude određen, ali, nikako tako uzak, da na njemu svaki naš književnik ne bude mogao ispoljiti svoju vlastitu individualnost; neograničeni su načini i mogućnosti, u kojima pravi književnik može udesiti svoj rad.467

Die neuen Bedingungen seien besser für die Schriftsteller, weil sie eine engere Annäherung an die breiten Massen ermöglichten und eine festere Verbindung mit dem Heimatland. Was Minderović mit "Tat" meint, wenn er verlangt, die Literatur müsse durch die Tat zeigen, dass sie sozialistisch sei, dass sie die großen Prinzipien des Marxismus-Leninismus verteidigt, ist nicht ganz klar.468 Seine Forderung könnte weitergehend sein als die obigen und den Schriftsteller zum politischen Handeln auffordern oder aber sich lediglich auf die schriftstellerische Tätigkeit beziehen.

Aber gegen diese Auffassungen von Freiheit, Kritik und Heteronomie gibt es auch widerständige Äußerungen. Oto Bihalji-Merin stellt sich hingegen in der Diskussion über Krležas Referat ganz nahe an den Diskursrand, indem er die Kontinuität der Arbeiterbewegung in Frage stellt (Hervorhebung von mir — A. d. V.):

U tom smislu govorim o toleranciji, jer smatram da je jedan od najstrašnijih n e d o s t a t a k a u r a z v i t k u r a d n i č k o g p o k r e t a u svetu upravo to što je na jednom delu zemlje rukovodstvo Partije prikazalo svaku ideju, svaku misao unesenu u internacionalnu debatu koja se odvajala od njenih pogleda kao zločinačku neprijatelsku.469

Außerdem d i f f e r e n z i e r t er das Volk, den Kernpunkt der Einheit, den Helden der Jugogonie, den Leser und Helden der realistischen Literatur:

466Rezolucija 3 kongresa 1952, 18.

467Nazor 1947, 146.

468Minderović auf dem zweiten Kongress. Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 47.

469Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 1.

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HEGEMONIE UND DISKURS Postoje različiti jezici u jeziku jednog naroda.470

Barac stellt in seinem Nachruf auf Goran Kovačić dessen Talent über seine politischen Standpunkte. Er sei mit demselben Eifer Linker gewesen wie er auch unter die "Agitatoren" der Bauernpartei fiel.471 Eli Finci fragt Dušan Matić rhetorisch, ob Ästhetik eine Wissenschaft sein solle und könne wie etwa Mathematik und Physik. Dann schreibt er, die Kunst habe eigene Gesetzmäßigkeiten und diese seien anders als die des Lebens.472 Am Ende unserer Periode zeigen also einige Autoren, dass sie die Bedeutung des Wahrheitsdiskurses als Druckmittel erkannt haben und widersetzen sich dem. Barac' Äußerungen von 1945 wirken eher so, als habe er noch nicht mitbekommen, wieviel die Stunde geschlagen hat.

*

Der Druck auf den literarischen Diskurs und auf die Teilnehmer des literaturpolitischen wird also nicht nur implizit durch die Besetzung von Begriffen, m. a. W. nicht nur durch die symbolische Verwendung von Begriffen ausgeübt, sondern er wird auch mit der natürlichen Sprache auf der Objektebene ganz offen und ehrlich bezeichnet — und zwar als die Funktion der Literatur als Werkzeug im politischen und gesellschaftlichen Kampf. Diese Diskurstaktik ist eher bei Nichtschriftstellern (in Kongressresolutionen) zu finden oder bei den Anhängern der Zogović-Linie bis 1950. Gegner dieser Auffassung versuchen durch die Postulierung der Autonomie der Literatur, sich gegen diesen Druck zu stemmen. Allerdings haben sie es schwer, durch das Gestrüpp des Freiheitsbegriffs, der also nicht nur als Angriffs- sondern auch als Defensivmittel wirkt, durchzudringen.

7.3 Unzulänglichkeiten und Schwächen

Wie bereits erwähnt ist eine der Kontrollstrategien im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952, eine Einerseits-andererseits-Taktik: einerseits muss die Gegenwart aufgrund des Ursprungsmythos gelobt werden. Andererseits werden die Schriftsteller (oder Kritiker) aufgefordert, ihre Aufgaben zu erfüllen. Um beide Sätze unter einen Hut bringen zu können, um also Phänomene der Gegenwart im Innenraum kritisieren zu können, ohne mit dem sakralen Text in Konflikt zu kommen, sind die Begriffe nedostaci und

470Bihalji-Merin 1952, 482.

471Barac 1945, 59.

472Finci 1951, 1.

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HEGEMONIE UND DISKURS slabosti nötig. Die dauernden Apelle zur V e r b e s s e r u n g decken sich mit dem, was über den autoritären Inhalt der zadaci gesagt wurde.

Die angeblichen Mängel bestehen meist darin, dass zu wenig oder zu realitätsfern geschrieben worden sei. Daraus ergeben sich die Forderungen, schneller zu schreiben, mehr zu schreiben und sich der Realität anzunähern. Eine besondere Rolle spielt beim Sprechen über Mängel das Bild von den alten und jungen Schriftstellern. Entscheidend bei dieser Diskurstechnik ist, dass der Schreibende oder Sprechende sich aussuchen kann, ob er negative Punkte erwähnen will oder nicht. Durch die permanente Erwähnung solcher Schwachpunkte im Zusammenhang mit der literarischen Produktion wird eine implizite Forderung formuliert, die explizit auch heißen kann: schreibt mehr! Dieser Forderung liegt die Vorstellung zugrunde, dass es nützlich sei, wenn der Literatur von außen etwas vorgeschrieben wird, bzw. dass die Literatur als solche keinen eigenen Innenbereich habe, also das Konzept der Heteronomie. So gesehen gewinnt der scheinbar harmlose Satz Marin Frani?ević' zum Ersten Mai in einem Interview in der Jugoslavischen Parteizeitung Borba auf den zweiten Blick eine andere Bedeutung: "Ima i u našoj današnjoj književnosti n e g a t i v n i h p o j a v a." (Hervorhebung von mir)473 Derselbe Mechanismus läuft ab wenn Zoran Mišić versichert, er habe das Erscheinen der neuen Zeitschrift Krugovi trotz U n z u l ä n g l i c h k e i t e n begrüßt474. Velibor Gligorić wirft Eli Finci vor, er habe die Spielregeln verletzt, denn er wolle aus v e r e i n z e l t e n F e h l e r n ein ganzes System von Fehlern konstruieren, er wolle Einzelerscheinungen (pojedinačne pojave) verallgemeinern. Das beschert Finci den Vorwurf, er wolle die Schwächen nicht kritisch betrachten, sondern "präpotent" alles zerstören.475 Da Kritik ja, wie wir im letzten Kapitel festgestellt haben, bedeutet, Literatur nur im Rahmen der jugogonischen Erzählung auszulegen, richtet sich die Sorge Gligorić auf die Aufrechterhalten des jugogonischen Mythos.

Im Gegensatz zu Bekrittelungen sind Erfolgsmeldungen ohne Einschränkung höchst selten und tauchen nur in der Rahmenzeit auf:

Ovaj napredak je svakako posledica sazrevanja i intenzivnijeg rada niza kako naših najistaknutijih i najaktivnijih književnika tako i onih mladih […].476

473Franičević 1952.

474Mišić 1952a.

475Gligorić 1950b, 3.

476Sekretär Tošović auf dem dritten Kongress. 3 kongres književnika Jugoslavije 1952, 2.

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HEGEMONIE UND DISKURS Üblicherweise werden Lob und Tadel in einem Satz genannt. Petar Šegedin verwendet diese Taktik in seiner Rede über die Kritik, wenn er sagt, die Bedingungen der Kritik seien seit der Befreiung im Großen und Ganzen positiv, aber es gebe auch "Unzulänglichkeiten, Schwierigkeiten und negative Manifestationen".477 Diese Taktik findet überall Anwendung, nicht nur gegenüber den Literaten, sondern auch bezüglich der Arbeit von Zeitschriften: "Taj zadatak […] nije dovoljno ispunjavan."478 Auch die ungenügende Reaktion auf die "Schmutzkampagne des Informbüro" ist eine "Schwäche".479 Die Kritik an anderen Autoren beschränkt sich meist darauf, die Schwächen und Unzulänglichkeiten festzustellen. Begründungen, wie zum Beispiel, es sei in einigen literaturkritischen Artikeln leider immer noch eine ungeschulte und ermüdende Phraseologie im Gebrauch, sind rar.480

"Tito je upitao šta je uzrok nedovoljno plodnom književnom radu kod nas."481 vermeldet die Borba 1946 auf der ersten Seite. Dem Landesvater ist es offenbar erlaubt, "besorgt" in den literaturpolitischen Diskurs mit einer regulierenden Aussage einzugreifen. Neben dem Vorwurf der mangelhaften Fruchtbarkeit gibt es die Kritik an der Realitätsferne. Diese beiden Vorwürfe machen den Löwenanteil an den "Schwächen und Unzulänglichkeiten" aus:

naša literatura zaostaje za našom savremenom stvarnošću

Ona [naša književnost] duguje umjetničku sliku agrarne reforme i prodiranja kulture u sela, umjetnički lik novog jugoslovenskog patriote, oplemenjenog sviješću da je on, radni čovjek, na kraju izvojevao domovinu.482

Der Vorwurf der Diskrepanz zwischen dem "gigantischen Aufbau und der Kunstwerke über ihn" ist eines der beliebtesten, um die R e a l i t ä t s f e r n e zu brandmarken.483 Er kommt aber auch direkter adressiert vor, z. B. bei Vučetić, der moniert, das Interesse der Schriftsteller an ihrem gesellschaftlichen Leben sei noch immer unbefriedigend.484 Ziherl nützt in der Diskussion über Krležas Referat auf dem dritten Kongress sogar das Schweigen nach dem Referat, um zu behaupten, es sei typisch für die Ferne der Schriftsteller von den

477Šegedin 1950, 3.

478Gligorić 1949, 8.

479Tošović 1949, 902.

480Mišić 1950, 80.

481Tito 1946, 1.

482Zogović 1946, 867.

483Za nova pregnuća 1949, 866.

484Vučo 1952b, 5.

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HEGEMONIE UND DISKURS gesellschaftlichen Realitäten und stellt dem wie schon Andrić (s. o. Seite 121) einen Kongress, auf dem der Redner unlängst gewesen sei als Positivbeispiel gegenüber: "kongres naših radničkih kulturno-prosvetnih organizacija 'Slobode'".485 Nur wenige Diskursteilnehmer versuchen, so ernsthaft nach den Ursachen der beanstandeten Mängel zu suchen wie France Bevk (Präsident des Slovenischen Schriftstellerverbandes DKS) vor dem 1952'er Kongress in Ljubljana: leider seien nur 10% der Mitglieder Vollschriftsteller. Zu viele hätten noch andere Dinge zu arbeiten und darunter leide die Produktivität.486

Eine der wenigen Aufforderungen Titos, die nicht von den Diskursteilnehmern übernommen wird ist der Rat, beim Schreiben die Geschwindigkeit vor die Qualität zu stellen:

Zbog toga, – ako vaša djela ne bi bila obrađena umjetnički onako kako bi to trebalo, – niko neće zamjeriti. Zbog toga treba stvarati, treba raditi, ne treba čekati.487

Die Aufforderungen während hochkarätiger Rituale gehen dahin, man solle die literarische Produktion und Produktivität steigern488 und die Arbeit verstärken.489 Die Kulturrevolution zu intensivieren, meint Popović in seinem Artikel zum 5. Parteikongress, bedeute die Rolle der Literatur in der Umgestaltung unseres Lebens zu stärken.490 Die Jugendzeitschrift Mladost nötigt den Jungliteraten 1949 ab, sich fester mit der Realität zu verbinden.491 Auf der "Beratung der jungen Schriftsteller" 1949 sagt Zoran Misić, sowohl die alten als auch die jungen Kritiker hätten ihre Unzulänglichkeiten. Vatroslav Mimica: "moraju se mladi pisci principijelnom kritikom potsticati."492 So wie Mimica ziehen es die meisten Diskursteilnehmer vor, nur die Jungen auf Schwächen aufmerksam zu machen493. Andrić begründet das damit, die "heutige" Autorengeneration habe ihre Vorzüge und ihre Unzulänglichkeiten, weil sie unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen seien und deshalb nicht so viel Wissen hätten

485Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 13.

486Danas počinje treći kongres književnika 1952.

487Tito 1946, 1.

488Zogović 1946, 871.

489Rezolucija o smernicama i zadacima Saveza književnika Jugoslavije 1950, 1.

490Popović 1948, 1.

491Za nova pregnuća 1949, 866.

492Savtovanje mladih pisaca Jugoslavije 1949, 3.

493Vergl. Tošović 1949, 888.

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HEGEMONIE UND DISKURS erlangen können. Deshalb müssten die Älteren helfen.494 In der Hierarchie höher Stehende können diese Vorwürfe für die gesamte Literatur und das Literaturleben machen. Der Verbandspräsident Andrić meint zwei Jahre nach der obigen Auslassung, man könne nicht behaupten, dass man mit der Arbeit im SKJ und in der Gesellschaft zufrieden sei, aber es habe auch Fortschritte gegeben. Deshalb fordert er "oživljavanju i aktiviziranju starijih drugova, koji još nisu našli svoj put."495 Die Alten sollen auf den richtigen Weg einschwenken und die das schon getan haben, müssen den unbeholfenen Jungen auf die Sprünge helfen.

7.4 "mlađi pisci, kandidati i početnici"

Dass die Forderung nach Selbstkritik so gut wie nie erhoben wird, wurde bereits erwähnt (s. o. Seite 134). Die wenigen Male, die sie verlangt wird, richtet sich die Forderung an junge Literaten.496 Die Jungen haben seit der Befreiung gute Resultate erzielt, aber es gibt auch Schwächen, meint Bora Drenovec.497 Nicht nur in dieser Hinsicht werden die Diskursteilnehmer ihrer Egalitätsrhetorik nicht gerecht. Die einzige lebende Person, die gleichzeitig Mitglied des Verbandes ist und auf das Schärfste kritisiert wird, ist sowohl jung als auch eine Frau – Vesna Parun. Der Scharfrichter ist ein alter Mann – Marin Franičević. Frauen haben im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952 keine Stimme. Nicht ein einziger literaturpolitischer Beitrag stammt aus der Feder einer Frau. Zwar gibt es literarische Texte von Frauen, aber nur Desanka Maksimović wird dafür gelobt. Frauen und Jugend dienen nur dazu, gesellschaftliche Totalität zu symbolisieren (Seite [Der Inhalt, auf den verwiesen wird, fehlt.]). In entscheidenden Positionen sitzen Frauen und Jugendliche nicht.

Wenn über die "jüngeren Schriftsteller, Anfänger und Kandidaten" gesprochen wird, geht es meist um ihr Verhältnis zu den Älteren. Oft wird in einem Atemzug behauptet, zwischen Alt und Jung bestehe kein Unterschied, um dann einen Unterschied zu machen; so macht es auch Franičević, anlässlich einer polarisierten Debatte über den Almanach "Na pruzi": die Jungen seien weder revolutionärer noch radikaler als die Alten, auch wenn sie das glaubten.498 Kritisiert werden die Jungen, nicht die Älteren. Sie werden davor gewarnt,

494Andrić 1946, 508.

495Andrić 1948, 217.

496Popović 1946, 2.

497Drenovec 1949/50, 149.

498Franičević 1948, 21.

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HEGEMONIE UND DISKURS pseudorevolutionär zu sein und alles in der Vergangenheit Geschriebene zu verdammen. Sich für den Anfang der Literatur zu halten sei anarchoindividualistisch und dem Wesen der sozialistisch-realistischen Phase fremd.499 Die Jungen sollten mehr aufs Handwerkliche achten.500 Eine ähnliche Kritik an den Alten, z. B. sie seien veraltet, so wie den Jungen Unachtsamkeit vorgeworfen wird, gibt es nicht. Wenn den Alten etwas vorgeworfen wird, dann dass sie sich dem Sozialistischen Realismus o. ä. nicht anpassten. Franičević erinnert die Jungen an ihre Pflichten gegenüber dem Volk. Bei der Na-pruzi-Diskussion kritisierten sie die Alten, weil sie sich von ihnen unrichtig beschrieben fühlten; genauso gehe es dem Volk. Das Volk werde gerade von den Jungen unrealistisch beschrieben.501 Zu guter Letzt schreibt Marin Franičević den Jungliteraten ins Stammbuch, zuviel Selbstbewusstsein müsse auch nicht sein — nur "nach vorne gerichtetes" Selbstvertrauen sei angebracht (was die Ausrichtung nach vorne bedeuten soll, wissen wir seit Kapitel 5 Das symbolische Kontinuum: die imaginierte Gemeinschaft.502

Übersteigertes Selbsbewusstsein, Vielschreiberei, Schwärmerei, stilistische Schwäche — das sind die Dinge, die den Jungen vorgeworfen werden. Die jungen Dichter würden oft kleinbürgerlich romantisch in ihrer Lyrik, weil sie vom Aufbau nur begeistert seien und die Gefühle der arbeitenden Menschen durch sich selbst [wie im Prisma] brächen und ausdrückten, heißt es auf dem zweiten Schriftstellerkongress.503 Bei so viel Unzulänglichkeit ist es klar, dass sich jemand um die Grünschnäbel kümmern muss. Für die Erziehung der Jungen müssen die Jugendorganisationen, Zeitschriften, Zeitungen und die Kritik sorgen, meint Bora Drenovec. Ihre Werke dürften nicht unkritisch herausgegeben werden.504 Die älteren Schriftsteller sollen den jüngeren Generationen behilflich sein, sagt die Kongressresolution von 1949/50.505 Gemeinsames Lesen mit den Älteren, konstruktive Analyse und Kritik ihrer "Versuche" soll nach Minderović der Erziehung dienen.506 Bei alledem sollten sich die Jungen glücklich schätzen, denn die Arbeit mit jungen Schriftstellern

499Franičević 1948, 14f.

500Franičević 1948, 16.

501Franičević 1948, 12.

502Franičević 1948, 19.

503Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 51.

504Drenovec 1949/50, 150.

505Rezolucija o smernicama i zadacima Saveza književnika Jugoslavije 1950, 2.

506Minderović 1947, 646

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HEGEMONIE UND DISKURS sei nur im "Land des Sozialismus" möglich.507 Der Vorteil der Jungen aber ist, dass sie eine von der Dekadenz unberührte Schriftstellergeneration werden könnten, meint der DKH- Sekretär Joža Horvat in seinem Referat vor der Jahreshauptversammlung: "Mlade pisce treba odgajati na zdravim tradicijama naše književne historije."508 Tatsache ist, dass es nicht nur vom Dachverband, sondern auch für jede Republik Jugendliteratenorgane gibt und darüberhinaus regelmäßige Beratungen der Redaktionen mit den Leitern der Verbände. Die Forcierung der Nachwuchspflege könnte ursächlich mit der Beschwerde über die quantitativ unzulängliche Literaturproduktion zusammenhängen. Obwohl sie sich laut Franičević nicht für den Anfang der Literatur halten soll, muss die Jugend über den Ursprungsmythos integriert werden (und gleichzeitig als Symbol des Neuen dienen):

Vrijeme je da se u Hrvatskoj pokrene književni časopis početnika i mladih pisaca. […] Ovu težnju [da umjetskim sredstvima odrazi ovo prelomno doba u historiji naših naroda — A. d. V.] najjače osjeća mladost s najvećim poletom, samoprijegorom i sviješću izgrađuje socijalizam i kroz njega lik našeg novog socijalističkog člana zajednice. Njezini stvaralački porivi […] rastu kao bujica. Ali bujica koja je potekla još s tla Narodno-oslobodilačke borbe ne smije se stihijski razvijati, jer kao takva ona ne bi mogla pravilno umjetnički odražavati naše herojske napore borbe i izgradnje kroz prizmu socijalističkog realizma.509

Ultima Ratio auch in dieser Frage ist für Franičević das Volk, das auch der Entwicklung der jungen Schriftsteller nicht gleichgültig gegenüberstehen könne.510 Obwohl sich im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952 viele Aussagen auf das Neue beziehen und eine Geburtsmetapher auf das Gemeinwesen angewendet wird, und obwohl die Bedeutung der Jugend u. a. durch eigene Organisationen und dauernde Erwähnung immer wieder hervorgehoben wird, ja obwohl die Entstehung des neuen Gemeinwesens auf eine Revolution zurückgeführt wird, dient das Sprechen über die Jugend in erster Linie der Kontrolle letzterer. Zwar bekommen die prugaši, die Jungliteraten, die mit dem Almanach über die Arbeitseinsätze zur Schienenverlegung in Verbindung stehen einige Aufmerksamkeit, aber im literaturpolitischen Diskurs werden ihnen meistens die Flügel gestutzt.

507Franičević 1948, 4

508Horvat 1948, 230.

509Vorwort zur ersten Nummer von Izvor. Izvor 1-2, 1.

510Franičević 1947, 431.

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9 Zwischenresümee

Wir sind nun am Ende des synchronen Teils der Diskursbeschreibung angelangt. Der synchrone Teil betrachtet den Diskurs unter weitgehender Ausblendung der Kategorie Zeit. Die Äußerungen im Diskurs werden theoretisch so behandelt, als hätten sie sich gleichzeitig zugetragen. Unterschieden werden sie durch ihren Inhalt, ihre Frequenz und die Bedingungen ihrer Äußerung. Auf diese Art und Weise ist es uns gelungen, gleichartige Äußerungen zu thematischen Bereichen zusammenzufassen und ihre Stellung im Diskurs zu lokalisieren.

Obwohl sich die Theorien vom Diskurs und andere Theorien, die sich mit Texten befassen, mitunter diametral widersprechen, ist es uns gelungen, auf der methodischen Ebene mehrere Herangehensweisen auszuprobieren und so ein Bild vorzuschlagen, das veranschaulicht, was es bedeutete, am offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952 teilzunehmen: welche Gemeinplätze geglaubt wurden, welche Identifikationen die imaginierte Schriftstellergemeinschaft zusammenhielten, was gesagt werden durfte und was nicht. Verbindendes methodisches Glied zwischen dem Ritualbegriff, der Mythenanalyse, der topologischen Modellierung kultureller und literarischer Systeme und der nichtstrukturalistischen Diskursanalyse war der Begriff des Stereotyps. Ein Stereotyp ist ein leicht reproduzierbarer Text, der über sprachliche Vermittlung die Wahrnehmung zu ökonomisieren hilft. Ein Stereotyp kann uns in Form eines Wortes, eines Satzes, einer Geschichte begegnen (ein Lexem kann auf ein Syntagma, ein Syntagma auf eine narrative Struktur verweisen). Über stereotype Texte ist es uns möglich, die Ordnung zu rekonstruieren, die den Wahrnehmungen durch ein oder mehr Individuen gegeben wurde. So lässt sich, wenn man will, eine Kultur beschreiben, aber auch ein Diskurs. Auf Stereotypen basiert das Funktionieren von Ritualen ebenso wie das von Mythen. Beide sind Äußerungen, die im Diskurs vorkommen. Beide haben orientierende, sozialintegrative und utilitaristische Funktionen. Wir entscheiden nun die Frage, ob diese Stereotypen in allgemeinerer Formulierung die Tiefenstruktur des Diskurses bilden, insoweit, als wir die regulierende Funktion der Stereotypen im Diskurs betrachten und sie nicht als seine Grammatik auffassen. Das heißt, dass wir den Strukturbegriff auf die Bereiche Ritual, Mythos und Narration beschränken und dass wir die Transformierbarkeit des Diskurses auf einige wenige Syntagmen bezweifeln. Wir fassen vielmehr die Syntagmen, zu denen uns die stereotypen Äußerungen führten, als privilegierte Bestandteile des Diskurses auf. Dabei bedienen wir uns der Terminologien der Beschreibungsweisen, die sich für die jeweiligen Bereiche etabliert

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ZWISCHENRESÜMEE haben. Dass die Stereotypen (narrativen Strukturen) im Diskurs regulierende Funktion haben, bedingt auch, dass es abweichende Äußerungen geben kann, die nicht erfolgreich reguliert wurden, die weder zu einem allgemeinen Schema einer anderen Ebene transformierbar sind, noch vernachlässigt werden können. Diese Art von Äußerungen wird besonders in den letzten Kapiteln des ersten Teils beschrieben.

Die Betrachtung der Stereotypen kann uns darüber Aufschluss geben, w a s in einem Diskurs gesagt wird und w i e der Diskurs reguliert wird. Das Repertoire von stereotypen, reproduzierbaren Texten, das wir in den Kapiteln 1 Ritual bis 5 D a s s y m b o l i s c h e Kontinuum: die imaginierte Gemeinschaft zusammengestellt haben, wird im Kapitel [Der Inhalt, auf den verwiesen wird, fehlt.] als Steuerungsmechanismus behandelt und es wird die Frage gestellt, ob die Regulierung gänzlich erfolgreich war, oder ob es Gegenstrategien gab.

Das Repertoire der stereotypen Texte ermittelten wir zunächst über die Rituale im literaturpolitischen Diskurs. Hier tauchen schon alle Stereotypen und deren Funktionen auf, die später wichtig werden: Die Rituale symbolisieren mittels stereotyper Texte eine Gemeinschaft, die definiert wird als zusammengesetzt aus verschiedenen Nationalitäten, die einer Nation angehören. Die Literaten sind eine Untereinheit dieser Einheit Volk neben Einheiten wie Werktätige, Armee, Jugend. An der Spitze dieser Einheit steht Tito. Ihm wird gehuldigt. Die Gemeinschaft entstand im Befreiungskrieg und mit ihr die wahre Literatur. Vorher war Chaos — nun ist Ordnung. Der Wille zur Aufrechterhaltung der Ordnung wird symbolisiert durch die Regelmäßigkeit der Rituale.

Durch die Untersuchung eines größeren Bereichs des Korpus, nämlich rituell relevanter Texte (Kongressreden), ist es uns gelungen, das Repertoire stereotyper Texte zu erweitern und es als säkularen Mythos zu beschreiben. In diesem jugogonischen Mythos von der Entstehung der Gemeinschaft sind alle grundlegenden Informationen enthalten:

• wie sie entstand — durch den Kampf des Volkes gegen die Okkupatoren;

• wer die Ahnen sind — kämpferische und einheimische Literatur;

• wer der Kulturheros ist — Tito;

• wie er die Grundlagen der Gemeinschaft legte — in den 100 Tagen von Foča in den Vorschriften von Foča.

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ZWISCHENRESÜMEE Durch eine der typlogischen Kulturbeschreibung und der Literaturanalyse entlehnte topologische Terminologie war es dann möglich, den Raum zu beschreiben, den diese mythologischen Erzählungen herstellen und den wir als das Zeit-Raum-Kontinuum der imaginierten Gemeinschaft "jugoslavische Schriftsteller" bezeichneten. Dieses symbolische Kontinuum ist gleichzeitig das identitätsstiftende Weltmodell im Diskurs, von dem wir im letzten Absatz die Rede war, aber auch ein diskursregulierender Ausschließungsmechanismus. Die Korrelationen vorne ∼ hinten und oben ∼ unten grenzen das Heute, die Ordnung vom Gestern, dem Chaos ab. Die Korrelation innen ∼ außen grenzt das Eigene vom Fremden ab. Dabei wird der symbolische Außenraum im Verlauf der Zeit umorganisiert von einer horizontalen Modellierung in eine vertikale: am Anfang gab es eine gute und eine böse Außenwelt, ab dem Bruch mit der Sowjetunion gibt es eine östliche und eine westliche Außenwelt.

Diskursregulierend wirken die in diesem Repertoire gesammelten Stereotypen, indem sie im Zusammenhang mit bestimmten Begriffen abgerufen werden. Diese Begriffe sind Wirklichkeit, Gesellschaft und Volk. Der literarische Diskurs wird unter Druck gesetzt allein durch die Erwähnung dieser Begriffe im literaturpolitischen Diskurs. Zusammengefasst heißt dieses Programm nationaler Realismus, Volksrealismus oder "Literatur im Dienste des Volkes". Der Widerstand gegen diese Regulierungsprozeduren ist minimal und äußert sich hauptsächlich am zeitlichen Rand. Erst gegen Ende des Beobachtungszeitraums gelingt es einigen Autoren, im Zusammenhang mit der Änderung der Modellierung der Außenwelt, nicht nur auf Alltagstexte (Alltagsdiskurse), sondern auch auf rituelle Texte (rituelle Diskurse) Zugriff zu erhalten. Das erklärt die Bedeutung, die Krležas Kongressrede von 1952 in der Literaturgeschichte zugeschrieben wird. Einige Implikationen des Wahrheitsdiskurses für den literarischen Diskurs werden in Frage gestellt, einige Ahnen im Mythos ausgetauscht. Weitere regulierende Begriffe sind Freiheit sowie Unzulänglichkeiten und Schwächen. Vom Diskursgeschehen ausgeschlossen sind Frauen und Jugendliche.

Das führt uns zu einer kurzen Einordnug der Ergebnisse in einen allgemeineren Rahmen. Beginnen wir wieder mit den Ritualen. Die Art der Rituale im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952 entspricht in den meisten Fällen dem Muster der Jahrestagsrituale. Sie sind hierarchiestabilisierend und sollen die neue Gemeinschaft festigen. Dabei können sie keinesfalls zu den von Victor Turner beschriebenen Ritualen von Bewegungen gezählt werden, die er mit liminalitas und communitas bezeichnet. Solche Bewegungen zeichnen sich wie etwa die millenarischen durch Attribute aus wie Homogenität, Armut, Gleichheit, Anonymität, Eigentumslosigkeit, Reduzierung von

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ZWISCHENRESÜMEE Geschlechterdifferenzierung, Bannung von Rangunterschieden, Einfachheit der Rede etc. (Turner 1969, 110f.) Der jugogonische Mythos zählt solche Bewegungen zu seinen Ahnen (die Bogomilen etwa oder auch die Täufer in Krain), aber seine Rituale sind hierarchisch (Kertzer 1988, 26). Ebenso verhält es sich mit dem Mythos selbst. Lotman unterscheidet zwischen anfangs- und endbetonten Texten. Dabei können Anfang und Ende jeweils gut oder schlecht sein. Der mythologische Text einer millenarischen Bewegung wäre dann z. B. endbetont mit einem schlechten Ende. Utopischer Kommunismus betont den positiven Anfang und wissenschaftlicher Kommunismus (Marxismus) ein positives Ende. Unsere Texte sind eindeutig negativ-anfangsbetont — der Mythos erzählt von der Entstehung der Gemeinschaft aus der Unterdrückung und dem Kampf gegen sie. Dabei ist dieser Anfang sowohl im NOB als auch in der Ethnogenese, der Geburt des Helden des Mythos zu suchen. Damit wären wir bei der dritten Charakterisierung: unser Diskurs unterscheidet sich von anderen, indem der Held des Mythos im Diskurs in erster Linie national definiert ist, aber auch sozial. Held ist das unterdrückte Volk. Kulturheld ist eine Art Robin Hood — Tito. Darin unterscheidet sich unser Diskurs von solchen, deren Mythologie Helden hat wie "das Proletariat" oder die Christenheit.

Die Tatsache, dass regulierende Prozeduren in ihm funktionieren, hat unser Diskurs mit jedem anderen gemeinsam. Aber die gegen diese Regulierungen gerichteten Widerstandsstrategien sind aus den schriftlichen Zeugnissen nicht rekonstruierbar. Wir können ihn als dogmatisch, starr, autoritär sowie als die Frauen und die Jugendlichen ausgrenzend bezeichnen.

Die Eigentümlichkeit des diachronen Teils ist, sichtbar zu machen, was auf der zeitlosen Ebene nicht beschreibbar war: die Verschiebung der Häufigkeit von Äußerungen, die Verschiebungen im Inhalt und in den Umständen des Sprechens, kurz die Brüche, Verwerfungen und Zufälligkeiten, aber auch das etappenweise synchrone Funktionieren und die Änderung von dominierenden (zeichenhaften) Stereotypen. Besonderes Augenmerk werden wir darauf legen, welche Strömungen sich im Diskurs bilden, welche Diskursteilnehmer sich welcher Strömung anschließen und wie sie einander behandeln. Die diachrone Darstellung wird also zu etwas anderen Ergebnissen kommen, als die synchrone es tat. 148

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Zweiter Teil: Diachrone Analyse

Zur Einführung wiederhole ich noch einmal etwas ausführlicher die Darstellung von Sveta Lukić, dessen Beschreibung des Literaturlebens ich schon auf den ersten Seiten dieser Arbeit zitierte. Laut Lukić gab es unmittelbar nach dem Krieg einen Aufschwung der Literatur, der vor allem in der Veröffentlichung wichtiger Werke bestand, die von bereits vor dem Krieg etablierten Autoren während der vier Jahre des "NOB" geschrieben worden waren. 1947 verstärkt sich der ideologische Druck auf die Literaten, die Literaturproduktion erlahmt und die Dogmatiker haben das Wort bis Ende 1949. Diese Phase nennt Lukić "Phase der Vereinheitlichung" und des "narodni realizam" (das letzte Kapitel bestätigt die Nützlichkeit dieses Terminus). Wichtigste Figur bei der Dogmatisierung der "Atmosphäre" ist für ihn der ibeovac Radovan Zogović. Den Widerspruch, dass Zogović ab 1948 aufgrund seines Parteiausschlusses nicht mehr wirken kann, aber die "schlimmste" Phase von 1947 bis Anfang 1950 währt, erklärt Lukić nicht. Die Protagonisten des Utilitarismus und Dogmatismus müssen zwischen 1948 und Ende 1949 andere sein (aufgrund unserer Erfahrungen im ersten Teil kommt z. B. Marin Franičević für diese zweifelhafte Ehre in Frage). Zu diesem Zeitpunkt beginnt sich die bislang unterdrückte literaturpolitische Linie der "kritischen Behandlung der Gegenwart", die Lukić mit Krleža identifiziert, wieder zu Wort zu melden. Den Beginn der "neuen Ära" setzt er in Serbien mit dem 1949 im UKS vorgetragenen und 1951 in Mladost veröffentlichten "Poezija i otpori" von Oskar Davičo an und mit dem Roman "Daleko je sunce" von jenem Dobrica Ćosić, der in jüngster Zeit zu trauriger Berühmtheit gelangte. In Kroatien übernimmt diese Rolle Petar Šegedins Kongressreferat von Ende 1949. Gegen die Dienstbarmachung der Literatur versuchten sich nun einige Schriftsteller zur Wehr zu setzen, indem sie ihre Autonomie durch Ablehnung jeglicher "Aufgaben" von Kunst verteidigten. Das wurde der "Kampf zwischen Realisten und Modernisten" genannt und später wurden dann beide Begriffe mit Anführungszeichen oder einem "sogenannt" versehen. Ab 1950 beginnen sich die Literatur und das Literaturleben zu entfalten und die ersten echten modernen Kunstwerke entstehen (wir erinnern uns, dass konservativere Literaturhistoriker, die die Mehrheit bilden, die Kontinuität von Zwischen- und Nachkriegsliteratur postulieren — Seite 17). Oskar Davičo leitet die Avantgarde ein mit Pesma, neue Prosa kommt von Ranko Marinković, Vladan Desnica, Edvard Kocbek, Dobrica Ćosić, Antonije Isaković, Klassiker variieren ihren Stil: Ivo Andrić, Mihailo Lalić, Mirko Božić, Vjekoslav Kaleb, Ciril Kosmač. Was die Lyrik betrifft, nennt Sveta Lukić die Belgrader "'Moderne'" mit Dušan Matić, Vasko Popa, Miodrag Pavlović und außwerdem Ciril Zlobec, Zvonimir Golob, Mak

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DIACHRONER TEIL Dizdar, Matej Matevski, Gane Todorovski. Die Auswahl erscheint etwas willkürlich. Hatte Lukić schon in dem in der Einführung zitierten Kapitel Miroslav Krležas Nachkriegspublikationen vergessen, ist nicht einzusehen, weshalb er bei den neuen Lyrikern nicht Slavko Mihalić erwähnt. Im Zusammenhang mit der albanischen Literatur (der sogenannten šiptarska nacionalnost) führt er Namen an wie Esad Mekuli und Enver Đerćeku. In der Literaturkritik gibt es eine wichtige Auseinandersetzung zwischen Zoran Mišić und Milan Bogdanović und in Belgrad zwischen Mladost und Književne novine. 1952 stoßen noch die Svedočanstva dazu. Aus all diesen polemischen Schlagabtäuschen stammen übrigens Zitate, die in den vorangegangenen Kapiteln und besonders jetzt im diachronen Teil von Bedeutung sind. Das neue Zeitschriftenprojekt Nova misao, das zur Rettung des Marxismus aufruft, scheitert nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem "Fall Đilas" (1954). In Zagreb sammeln sich die Anhänger der Liberalisierung um die Zeitschrift Krugovi. Krugovaši heißt dann auch eine ganze Dichtergeneration (Barković, Pavletić, Milićević, Slaviček, Golob u. a.). In Ljubljana wird die Auseinandersetzung offener geführt und dreht sich um die ebenfalls neue Zeitschrift Beseda (Janko Kos, Kermauner, P. Kozak, Smole, Zajc). In Sarajevo stehen auf Seiten der Modernen Leovac, Tahmiščić, Krnjević. In Skopje heißen die "Realisten" Solev und Stardelov, und die "Modernisten" Spasov und âypÉÇłoÁ. Sovremenost und Razgledi sind die wichtigen Organe der Diskussion.511

Die Ereignisse, Polemiken und Diskussionsteilnehmer werden ausführlich dargestellt bei Peković (1986) für ganz Jugoslavien und Mataga (1987 und 1991) für Kroatien.

1 Diskontinuitäten

An mehreren Stellen der synchronen Beschreibung wurde schon deutlich, dass einige Phänomene am besten in ihrer zeitlichen Dimension beschreibbar sind: das bedeutet, die Veränderungen zu betonen, den Prozesscharakter hervorzuheben. Indem eine synchrone mit einer diachronen Darstellung in einer Arbeit vereint wird, kommt es zwangsläufig zu unterschiedlichen Ergebnissen in den beiden Teilen. Das ist durchaus beabsichtigt. Eine

511Da "Ă" in jedem lateinischen Schriftsatz fehlt, musste bei diesem Namen auf die Originalschreibweise zurückgegriffen werden. Lukić 1968, 24–29.

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DIACHRONER TEIL Sichtweise allein trägt der Realität des Diskurses zu wenig Rechnung. Die auffälligsten diachronen Veränderungen finden natürlich im Zusammenhang mit dem Streit mit der sovjetischen Führung statt. Aber auch in den Perioden davor oder danach ändern sich die Aussagen, die gemacht werden, die Schriftstellernamen, die erwähnt werden, Diskurstechniken und Akteure.

1.1 Sozialistischer Realismus

Der Begriff "Sozialistischer Realismus" bezeichnet noch 1948 für Joža Horvat die "fortschrittlichste Kunstrichtung"512. 1952 sagt Miroslav Krleža: „ova toliko glasna i u poslijedne vrijeme tako kompromitovane parole 'socijalističkog realizma'.“513 Nikola Milošević nennt diese Theorie im Titel seines Artikel von 1952 "unhaltbar". Dieselbe Studentenzeitung, die seinen Artikel abdruckt, berichtet von einer Diskussion über Timofeevs Teorija književnosti: es seien die kontroversen Standpunkte von P. Lalić (Autor des Vorworts) und Grga Gamulin (Artikel in Književne Novine) kontrovers diskutiert worden. Der Saal sei bis auf den letzten Platz voll gewesen. Es sei die Meinung vertreten worden, die sozialistisch- realistische Verbindung von Realismus und Romantik habe keine bedeutenden Kunstwerke hervorgebracht und könne das auch nicht.514

Die Probleme mit der Häufigkeit und rituellen Bedeutung des Terminus haben wir bereits abgewägt (beide sind niedrig — Kapitel 3.2.1 Genealogie und 7.1 Aufgabe: darstellen). Nun interessiert uns die zeitliche und personelle Streuung der Aussagen. Charakteristisch erscheint, dass die belegten Nennungen des Begriffes in den unmittelbaren Nachkriegsjahren nur auf den Literaturfunktionär Radovan Zogović zurückgehen. In der zeitlichen Umgebeng des Konflikts mit dem Informbüro finden wir breitere Belege: Sowohl der Romancier Ervin Šinko, als auch der Sekretär des DKH, Joža Horvat und natürlich Marin Franičević verwenden nachweislich den Begriff in ausgesprochen positivem Sinne. 1950 ist aber schon das letzte Belegjahr dafür. So wie Franičević tritt Šegedin in seiner Kongressrede zwar für den Sozialistischen Realismus ein, aber auch für eine undogmatische Kritik. Doch schon in diesem Jahr spricht Krsto Hegedušić vorsichtigerweise von einer "realistischen, sozialistischen Kunst".515 Ab 1951 gibt es nur noch die am Anfang zitierten negativen

512Horvat 1948, 223.

513Krleža 1952a, 212.

514Č. K.: Diskusija o teoriji književnosti 522.

515Zogović 1946, Zogović 1947.

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DIACHRONER TEIL Äußerungen und die stammen von Personen, die den Begriff vorher gar nicht in den Mund genommen hatten. Unmittelbar nach der Befreiung also nimmt die Parole noch niemand auf, außer der später geschmähte Funktionär Zogović, ab 1948 stimmen andere ein, ab 1951 verlegen sich die ehemaligen Befürworter auf alternative Argumentationen (s. u.) und die anderen haben das Wort. Fast alle Befürworter waren Funktionäre, die spätberufenen Gegner sind sämtlich keine.

1.2 Ingenieure der Seele

Das angebliche Stalinzitat von den Schriftstellern, die Ingenieure der menschlichen Seele sein sollen, wird in Jugoslavien im literaturpolitischen Diskurs eigentlich erst nach dem Bruch mit Moskau aufgegriffen — dann aber ironisch und verhöhnend. Eine der wenigen positiven Nennungen stammt vom sovjetischen Gastredner Ivan Ivanovič Anisimov, Vizepräsident des Komitees für Kunst und Kultur bei der sovjetischen Führung auf dem ersten jugoslavischen Schriftstellerkongress 1946.516 Auch Jovan Popović verwendet inženjeri ljudskih duša im Jahr 1948 noch positiv. Er spricht in diesem Artikel vom 29. Juni anlässlich des dritten Parteitages der KPJ, der etwa einen Monat später stattfinden sollte noch von der bolschevistischen Partei, die die sovjetische Literatur auf den Weg des Sozialistischen Realismus geführt habe.517 Auf diesem Kongress wird der Redner Radovan Zogović den Kampf gegen die bourgeoisen und dekadenten Einflüsse noch als die Haupfront des Kulturkampfes aufmachen.518 1949/50 setzt Čedomir Minderović die "Ingenieure" in Anführungsstriche519 und in der Folge werden ironische Anspielungen darauf zum Stereotyp in der kulturpolitischen Anti-Moskau-Rhetorik. Die Konnotationen des "Ingenieurs" werden auf die Verwendung von Literatur als Werkzeug gelenkt, also auf die Instrumentalisierung der sovjetischen Literatur durch die verräterische Führung. Dass die jugoslavischen Funktionäre selbst die Literatur noch 1947 als "Waffe" bezeichnet hatten, ist da kein Hindernis.520 Derselbe Miroslav Krleža übrigens, der 1945 noch die Literatur das nachholen lassen wollte, was das Volk erreicht habe, und die Partei

516Završeno zasedanje prvog kongresa književnika Jugoslavije 1946, 5.

517Popović 1948, 1.

518Zogović 1948.

519Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 47.

520Franičević 1947.

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DIACHRONER TEIL aufforderte, der Literatur den Weg zu weisen, mokiert sich 1952 über društvenoinženjerske direktive.521

1.3 Negative Attribute des Gegners vor und nach dem Bruch

Josip Vidmar ("naš poznat književni kritičar i esejist Josip Vidmar, pretsednik Prezidijuma skupštine NR Slovenije" – Ivo Andrić) kündigt in einem Interview vor dem dritten Kongress Miroslav Krležas Rede an:

Referat Miroslava Krleže 'O slobodi kulture i umetničkog stvaranja' dotiče temu, koje u poslednje vreme naši časopisi tretiraju s mnogo pažnje i koja pretstavlja sadržaj mnogih literarnih diskusija i sporova. Po mom mišljenju centralno pitanje ove problematike je u tome kako će literartura da sudeluje u najvažnim zadacima naše sadašnjosti, kako će da sudeluje pri izgradnji socijalizma […].522

Hatte Bogdanović noch 1949 beteuert, dass die Kritik an der sovjetischen Literatur nicht ikonoklastisch sei, sondern eigentlich in den Fußstapfen der "großen sovjetischen literarischen Vorbilder"523, geht Krleža zur exzessiven Verhöhnung des "Pontifex Maximus kao SSSER Servus Servorum Sanctissimae Ecclesiae Romanae" über und nennt seine Feinde nur noch "'inženjeri ljudskih duša'".524 Beide Autoren bedienen sich übrigens religiöser Metaphern. Bogdanović will nicht mit dem schlechten Ruf entweder antipapistischer bilderstürmender Protestanten oder mit byzantinischen Ikonoklasten in Verbindung gebracht werden. Wahrscheinlicher ist die letztere Variante, denn das byzantinische Vorbild evoziert mehr Assoziationen mit Repression, während die protestantischen Bilderstürmer als (unangenehme) Rebellen gelten. Allerdings bleibt der Unterschied zu Krležas Metapher, die weit eindeutigere antipapistische Konnotationen hat, deutlich. 1952 geht Krleža weiter und beschimpft die "heilige Synode im Kreml" und das "papistički protokolarni znak Ždanova", legt schließlich den Gegnern den frommen Ausruf "apage satanas Tito" in den Mund und heißt sie Exorzisten.525 Schon 1951 hatte Dušan Matić in dasselbe metaphorische Horn gestoßen und die dogmatischen Kritiker mit Ignatius von Loyola verglichen.526 Im selben Jahr bringt es Janko Kos – allerdings für Jugoslavien – auf den Punkt:

521Krleža 1952a, 232.

522Danas počinje treći kongres književnika 1952.

523Bogdanović 1949, 1.

524Krleža 1950, 16-17.

525Krleža 1952a, 232–238.

526Matić 1951, 1.

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DIACHRONER TEIL Profesionalist se strašno boji svoje notranje svobode ter komaj čaka Velikega inkvizitorja, da bi mu jo položil pred noge […].527

So sieht also die Abgrenzung gegenüber der Sovjetunion seit 1949 aus. Auch hier gibt die Distribution der negativen Äußerungen auf bestimmte Personen zu denken. Die Literaturfunktionäre, die nach dem Krieg den Sozialistischen Realismus propagiert hatten gehören nicht zu den lauten und sprühenden Gegnern des Stalinismus. Promotor der neuen Rhetorik ist der Kulturminister Milovan Đilas. Dass zur Selbstdefinition der Gemeinschaft Oppositionen wie alt ~ neu, fortschrittlich ~ nichtfortschrittlich und narodni ~ nenarodni dienen, da alle Gegner vor und nach dem Bruch auf die Negativseite dieser Korrelationen gestellt werden, haben wir bereits im Kapitel 5 Das symbolische Kontinuum: die imaginierte Gemeinschaft gezeigt. Ebenso haben wir aber gezeigt, dass vor dem Bruch und nachher die Abgrenzung gegen den Kapitalismus und seine Pseudofreiheit eine wichtige Selbstdefinitionslinie war, die auch zur Rhetorik für die Instrumentalisierung der Literatur genutzt wurde. Nachher grenzt man sich nicht nur gegen Moskau ab, sondern gleichzeitig gegen Dogmatimus und Revisionismus im Innern. Zunächst wird noch vehement darauf hingewiesen, man dürfe im Zuge des Kampfes gegen Moskau den Kapitalisten nicht eine ungedeckte Flanke für kulturelle Infiltrationen bieten. Dann aber mehren sich die Stimmen, die den kulturellen Einfluss der kapitalistischen Länder nicht als schädlich ansehen und auf einer nichtkulturellen Ebene nicht den Antikapitalismus in den Vordergrund stellen, sondern den Antidogmatismus. Diese Personen hatten zur Instrumentalisierung der Literatur vorher geschwiegen. Beide Seiten betonen immer wieder, sie stellten keine der beiden Möglichkeiten in den Vordergrund, um dann der anderen Seite die Eliminierung eines der Prinzipien zum Vorwurf zu machen. Wir können die Gruppen der Einfachheit halber als Antikapitalisten und Antidogmatiker bezeichnen.

Uns interessiert nun der Übergang zu dieser neuen Situation nach der Resolution 1948. Bakarić sagt auf dem Zweiten Jugoslavischen Schriftstellerkongress 1949/50, die drei Jahre seit dem letzten Kongress seien gezeichnet gewesen von gewissermaßen paradoxen, unvorhersehbaren Problemen, nämlich der Notwendigkeit, die Unabhängigkeit nicht nur gegen die Imperialisten, sondern auch gegen einen sozialistischen Staat verteidigen zu müssen.528 In der Wahl des Wortes paradox kommt zum Ausdruck, dass dem Sprecher die Drehung der Achse des Weltbildes von horizontal auf vertikal deutlich bewusst ist. Die Resolution dieses Kongresses verkündet:

527Kos 1951, 16.

528Bakarić 1950, 1.

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DIACHRONER TEIL U danima kada naša književnost i umetnost odbacuju moskovsku informbiroovsku reviziju osnova marksističko-lenjinističke estetike, potrebna je osobita b u d n o s t d a s e p o d v i d o m o v e b o r b e n e d o g o d e i n f i l t r a c i j e t r u l e b u r ž o a s k e b e z i d e j n o s t i u našu umetnost i književnost.

[…] svi radnici na književnom poslu treba da neprestano uče, da rade na svom teoretskom uzdizanju, da proučavaju marksizam-lenjinizam.529

Miško Kranjec ergreift auf diesem zweiten Kongress das Wort und erklärt ganz offen, dass er das Informbüro für nützlich halte, denn es führe vor Augen, wie Menschen, die vor dem Krieg hätten vernünftig denken können, dazu unter den neuen Umständen aber nicht mehr in der Lage seien. Er legt also die Funktion der Wende in der Feinddefinition für das Lager der Antidogmatisten aus. Außerdem meint er ganz ehrlich:

A mi smo međutim tjerali našeg pisca od ždanovštine do fadjejevštine i odvraćali ga više manje od pozitivnih postiguća naše prošlosti.530

Einen ähnlichen Hintergrund könnte Radomir Konstantinović' Formulierung haben, heute seien die Voraussetzungen für die Schaffung einer richtigen Literatur gegeben. Es kommt darauf an, ob mit heute das Jahr 1950 gemeint ist oder der neue Staat.531 Josip Barković verwendet im selben Jahr auch die Geistesstörungssmetapher und meint ganz neutral, es sehe so aus als gäbe es in der Sovjetunion keinen einzigen normalen und gesunden Menschen mehr.532 Die Erklärung der Matica Hrvatska 1951 wirft der Sovjetunion nicht Wahnsinn, sondern Revisionismus vor und stellt damit eine politische Abgrenzung her533, während sich Krleža eher auf den Qualitätsunterschied kapriziert. Er spielt mit dem Revisionismusvorwurf und unterstellt der Ždanov-Ästhetik sowohl Ideen- als auch Einfallslosigkeit, wobei erstere bezidejnost heißt, was aber in Verbindung mit neinvenciozna nicht die sozialistisch- realistische Semantik haben kann und nennt die sozialdemokratischen Theorien, auf die sich Ždanov stütze, vulgär.534 Auch Krleža sieht 1952 eine teilweise Wiederkehr rechter "Kontaminationen" und finsteren Ballasts, der das Land schon einmal in den "Katastrophenbrand geführt" habe. Diese Tendenzen sprächen immer lauter von 'zwei Welten', praktizierten 'rassische oder politische Diskriminierung', und hätten etwas "Neutralistisches". Er bietet einen dritten Weg der besonderen Art an, der sich nicht vom

529Rezolucija o smernicama i zadacima Saveza književnika Jugoslavije 1950, 1–2.

530Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 54.

531Konstaninović 1950a, 4.

532Barković 1950, 444.

533Godišnja skupština Matice Hrvatske 1951, 203.

534Krleža 1952a, 226.

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DIACHRONER TEIL Klassenkampf verabschieden soll, aber auch nicht stalinistisch sei. Einerseits erklärt Krleža, "unsere" Literatur sei seit mehreren Jahrunderten mit der westeuropäischen "mehr oder weniger organisch" verbunden, unterscheidet also zwischen kulturellen und politischen Abgrenzungen, andererseits warnt er im Umgang mit dem Westen vor der Wiederkehr des Faschismus. Als Ausweg dient er ähnlich Đilas eine Rückkehr zu ideologischen Wurzeln, also Ideenpurismus an:535

[…] jedan dio naše književne inteligencije, koji aktivno surađuje u socijalističkoj superstrukturi, smatra historijsko-materijalističku metodu čistom idealističkom prevarom.536

Die oben dargestellten Differenzen sollten übrigens nicht darüber hinwegtäuschen, dass die wichtigste Diskurstechnik nach wie vor der k o n s t r u i e r t e K o n s e n s ist. Es geben in den letzten Jahren nur andere Leute den Ton an. Auch Krleža beteuert immer wieder wie oben, gegen die bourgeoisen Infiltrationen zu sein. Der Kompromissdiskurs ist der typische. Die Zeitschrift Krugovi gibt 1952 Signale der Integrationsbereitschaft ab. Die krugovi führen aber insofern einen neuen Stil ein, in dem sie sich dialogbereit und offen zeigen. Sie erklären, eine engere Zusammenarbeit zwischen Autor und Publikum anzustreben und deshalb eine Diskusssion über die Probleme des Lebens und der Kunst anregen zu wollen, die in letzter Zeit brennend geworden seien. Daher starten sie eine Umfrage, wovon einige der Fragen interessant sind, unter anderem weil sie die später verbindliche Darstellung der Nachkriegsliteratur vorwegnehmen:

[…] 3. Što najviše tražite u književnom djelu: zanimljiv sadržaj, zaplete, ili pak analizu duševnih stanja i katarze, koje vam pomažu na liniji vlastitog razvoja svoje ličnosti?[…] 7. Na koje probleme u svakodnevnom životu nailazita kojima bi po vašem mišljenju književnici trebali posvetiti naročitu pažnju? 8. Jeste li bili na radnim akcijama? O tome je u našoj književnosti bilo nekoliko neuspjelih djela. […] 9. Kako vi gledate na problem seksualnog života omladine? […] 10. Da li smatrate da crkva, religija i popovi mogu jače utjecati na našu današnju omladinu […].537

1.4 Formalismus und Dekadenz

Eines der Dialogsignale dieser neuen Zagreber Literaturzeitschrift, deren Name in diesem Jahrzehnt mit der dominanten kroatischen Stilrichtung identifiziert werden sollte war, Tin Ujević ebenso wie seinen Peiniger Marin Franičević zu drucken. Der Vorwurf gegen Tin Ujević war ein allgemeiner Vorwurf, den wir in der synchronen Darstellung kennengelernt haben, der Vorwurf des Formalismus und der Zurückgezogenheit vom Leben, bzw. der 535Krleža 1952a, 206.

536Krleža 1952a, 211.

537Diskusija i anketa "Krugova" 523.

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DIACHRONER TEIL Dekadenz. Das Verhältnis zur Moderne, die mit diesen Begriffen gleichgesetzt wurde, ändert sich während des Beobachtungszeitraums erheblich. Es gibt ab 1950 eine Flut von Titeln zur Debatte über die Moderne. 1947 noch verurteilt Marin Franičević die gesamte Moderne in seinem Parun-Verriss: formalistički artizam, usko vezan uz čitavu Modernu.538 Ein Problem bei dieser Verdammung ist, dass der Autor den Löwenanteil der kroatischen Literatur des Zwanzigsten Jahrhunderts auf den Kehrichthaufen der Geschichte werfen muss, denn – wie er selbst konzediert – dann gilt der Dekadenzvorwurf eigentlich auch für Vidrić, Begović, Domjanić. Das genial einfache Gegenargument heißt Antun Gustav Matoš, der durch seine Begabung diese Dekadenz überflügelt habe, obwohl er sie erst eingeführt gehabt habe. Ganz im Gegensatz zu J. Polić-Kamov und dessen Schule, aus der auch Ujević, Krklec, Cesarić kommen. Besonders auf Ujević hatte es der Autor 1947 abgesehen:

[…] nije slučajno jedan društveni sloj proglasio Ujevića vrlo velikim pjesnikom […] uz njegovu ideološku i praktičnu bezidejnost i formalizam dovela je Ujevića prirodno na ustašku 'kulturnu' fasadu.

Die Akzeptanz Ujević' sei symptomatisch für die Auffassung der Werke der sogenannten linken Schriftsteller der Zwischenkriegszeit. Das ist ein eminent harter Vorwurf, denn damit stellt Franičević nicht nur den "Subasphaltides" Ujević in das Lager des Faschismus, sondern auch die gesamte Moderne einschließlich des linken Lagers der Zwischenkriegszeit, zu dem auch Krleža gehörte.539 Es stellt sich die Frage, ob Krsto Hegedušić, der sich zwei Jahre vor Krležas Laibacher Ansprache rhetorisch sehr weit vorwagt, seine Aussagen nicht auf genau solche Methoden wie die Franičević’ gemünzt hat:

Poput sredovječnih inkvizitora – kako je nedavno rekao drug Šinko – koji traže đavlje madeže po tjelesima vjštica starih i mladih, istjerivalo se formalističkog đavla tako zdušno i temeljito, da smo pronalazili dekadentstvo, naturalizam i formalizam i ondje, gdje ga nije bilo.540

So mutig ist diese Aussage natürlich auch wieder nicht, denn erstens werden – diskurstypisch – die Namen der Betroffenen nicht genannt, geschweigedenn der Kritiker wendete sich an den Kritisierten. Zweitens rückversichert sich der Vertreter der Naiven Malerei, indem er von s o g e n a n n t e r formalistischer, dekadenter, naturalistischer Kunst spricht und also diese Begriffe auch nicht rehabilitiert, sondern auf sicherer Distanz zu ihnen bleibt. Marin Franičević aber, der sich 1947 so viel getraut hatte erklärt 1952, in einem Interview nach

538Franičević 1947, 439.

539Franičević 1947, 441. Vergl. Lasić 1970.

540Hegedušić 1950, 111.

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DIACHRONER TEIL aktuellen Lyrikern gefragt: "Pa vi znate da danas objavljuju Krklec, Cesarić i Tadijanović, pa i Ujević."541 So als wäre nichts gewesen.

Wie in den einleitenden Zitaten angekündigt, kommt es im Jahr 1952 zu offenen Konfrontationen, auch zum Thema Moderne. Eli Finci etwa kritisiert die Meinung von Milan Bogdanović, der früher in seiner Polemik mit Crnjanski vehement für die Übersetzung der Weltliteratur eingetreten sei, der aber heute meine, alle westliche Literatur, an erster Stelle die dramatische, sei "dekadent, formalistisch, antimenschlich, morbid, deformiert, leer, antirealistisch, krank", dass man also von der westlichen Literatur nichts übernehmen sollte.542 Er macht sich durch die heterogene Aufzählung über die antiformalistischen Äußerungen regelrecht lustig. Zoran Mišić geht so weit, die Namen der "Formalisten" zu rehabilitieren, wie es im Jahr 1952 regelrecht Mode wurde (nach dem Vorbild von Krležas Rede):

To je ona ista konzervativna, oprezna i umjerenačka, dobromisleća i dobrostojeća, sladunjava i sentimentalna građanska lirika koja je, sasvim prirodno, našla utoku u konzervativizmu ždanovskog tipa, da bi još prirodnije, preko noći istekla iz njega i nastavila, kako veli Marks, svoje filistarske malograđanske šetnje i razmišljanja okolo unaokolo života. Ona je još pre dvadeset-trideset godina konstatovala, zajedno sa Bogdanom Popovićem, da su Sezan, Matis, simbolizam i ostali izmi besmislenosti, besmislovanja i besmislice, pa i danas tako misli, danas kada niko živ u svetu, čak ni stari Lanson, ne bi tako što napisao.

[…] govoriću o besmislu, dekadenciji, i drugim nelepim rečima koje bude ružne uspomene; […]543

Einen echten Umschwung bedeutet es, auch die inkriminierten Stilrichtungen positiv zu bewerten, so wie es Zoran Mišić in seiner zarten Verteidigung der "izmi" angedeutet hatte:

[…] čini nam se da nadrealistima pripada neprijeporna zasluga što su […] stupili u dodir s otkrićima nove freudovske psihologije, a donekle i metapsihike […].544

1.5 Literatur und NOB

Der NOB hat wie wir im Kapitel 1 Ritual gesehen haben auch Konkurrenz von anderen Ursprungsmythen, nicht nur vom Dritten Weg, also dem Bruch mit den "Informbüroländern". Manche Teilnehmer am literaturpolitischen Diskurs wollen den Ursprung des neuen Staates in der Kommunistischen Partei in der Zwischenkriegszeit festmachen und damit auch den Ursprung der neuen Literatur in der damaligen Parteiliteratur.

541Franičević 1952.

542Finci 1952.

543Mišić 1952c, 122 und 113.

544S. E.: Automatizam i nadrealizam 1952, 186.

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DIACHRONER TEIL Aber auch deren Gegner betrachten die Zwischenkriegszeit und ihre Kämpfe mit den Parteiliteraten als Geburtsort der Gegenwartsliteratur. Das Symbold der Zwischenkriegsliteratur, ob es sich nun um die soziale Literatur handelt oder um die moderne, droht auf den NOB-Mythos zu prallen.

Mi se zato ne možemo složiti da se tek kroz narodnoosčobodilačku borbu naše pjesništvo postavilo na zdrave osnove. […] Još ranije, u borbi za kulturu protiv reakcije, okupljale su se zdrave književne snage i postavljale se teoretske osnove. Drugo, mi se ne možemo složiti ni s tim da su to učinili Nazor, Ćopić i samo Zogović (jedini koji je skoro nekako slučajno spomenut, koga su skoro slučajno pogodili) […].545

Die Literatur der Zwischenkriegszeit, die ein Autor die Zeit nennt, "in der Korčagin in unser Leben trat", unterscheidet sich von anderen dadurch, dass die meisten Nachkriegsdiskursteilnehmer auch an ihr Teil hatten, dass ihre Autoren alle noch leben.546 Aus diesem Grund hatten wir sie im Kapitel 1 Ritual als zweiten Teil der mythologisch- historischen Überlieferung bezeichnet. Das heißt, dass sich die Teilnehmer an der Gemeinschaft und ihren Diskursen noch gut an sie erinnern können. Naturgemäß weichen die Erinnerungen gerade über diese Zeit stark voneinander ab.

Đilas hebt die Rolle der Partei vor dem Krieg hervor, ohne die die anderen Autoren nicht zur Revolution übergelaufen wären.547 Auf den Errungenschaften der fortschrittlichen Zeitschriften aufbauen will Franičević548. Er schreibt 1948, vor dem NOB seien die ersten "Furchen" gepflügt worden, während des NOB sei es zu neuen "Läuterungen" gekommen und jetzt sei es an der jungen Generation, weiterzumachen. Franičević argumentiert, auch antifaschistische Schriftststeller und Kämpfer hätten nicht alle die korrekte Kunstauffassung und differenziert so zwischen politischem und künstlerischem Handeln, denn immerhin lässt er die Legitimation dieser Leute als Antifaschisten gelten. Konkret kritisiert er, dass damals auch "relativ progressive Autoren" Verse wie "'love me hobotnice pod šeširom iz serije'" für fortschrittlich gehalten hätten und schließt damit die Avantgarde, auch wenn sie links war, aus dem Ursprung aus.549 Eindeutig außerhalb stehen für Zogović sogenannte Formalisten, deren "Steckbrief" variabel ist, z. B. : "Vladimir Vidrić, Dragutin Domjanić, Milan Begović, Tin Ujević". Was die Literaturentstehung angeht, wendet sich Radovan Zogović 1947 gegen eine

545Seferović 1945, 95.

546Soldić 1945, 92.

547Đilas 1948a, 2.

548Franičević 1949a, 10.

549Er verwendet das Wort pročišćivanje, das auch Purgatorium und (konkrete) Säuberung bedeuten kann. Franičević 1948, 9–13

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DIACHRONER TEIL Periodisierung in Vorkriegsliteratur und Kriegs- oder Partisanenzeit, bei der die Vorkriegsaktivitäten der "fortschrittlichen" Literaten geleugnet würden. Insofern stimmt er mit den meisten eingangs zitierten Literaturhistorikern (Šicel, Palavestra) überein. Das Auftauchen neuer Namen in der Partisanenzeit sei nur darauf zurückzuführen, dass sich noch einige weitere Literaten den Fortschrittlichen (unter Führung der KP) angeschlossen hätten, die aber erst noch gewisse "Überreste" in sich überwinden mussten wie etwa den Symbolismus.550

Ende der vierziger Jahre schlagen die sogenannten Formalisten und Avantgardisten zurück. 1949 droht Eli Finci seinen Gegnern, Leute ihrer Art habe man schon vor dem Krieg bekämpft.551 Für Krleža ist die entscheidende Zeit nicht der NOB, sondern die gesamten dreißig Jahre seit 1918. Er räumt aber ein, dass die letzten vier davon die schrecklichsten gewesen seien.552

Es kommt nach 1949 nicht gleich zur Verdammung bestimmter Literaturrichtungen (bis auf den theoretischen Begriff des Sozialistischen Realismus), sondern eher zu einer Kritik der Literaturpolitik, besonders an der Literaturkritik. Auch die Partisanenliteratur wird nicht wirklich zur Zielscheibe der neuen Kritik. Diese eindeutig neue Richtung war schon von Anfang an für ihre technischen und stilistischen Unzulänglichkeiten gerügt worden. Das tut zum Beispiel Radovan Zogović 1946 höchstpersönlich, wenn er sagt, während des NOB seien keine so systematischen Gattungen wie Roman oder Drama geschrieben oder veröffentlicht worden553 oder Marin Franičević, der beklagt, dass die NOB-Literatur weder qualitativ noch quantitativ ausreichend zufriedenstellend sei, sondern fragmentarisch, chronistisch und rhetorisch554. Ein Unterschied könnte darin erkennbar sein, dass bestimmte Personen mehr dazu auffordern, über den NOB zu schreiben und andere (die zum Beispiel die Zwischenkriegszeit als den Geburtsort der neuen Gesellschaftsordnung ansehen) weniger oder gar nicht. Es wagt aber niemand, die Notwendigkeit, den Partisanenkampf zu beschreiben, allgemein in Abrede zu stellen. 1949 fordert Franičević, man solle sozialistisch-realistisch und mehr über den NOB schreiben555; die Beschlüsse der Beratung der Redaktionen der

550Zogović 1947, 4.

551Finci 1949, 3.

552Krleža 1945a, 153-158.

553Zogović 1946, 866.

554Franičević 1949a, 13.

555Franičević 1949a, 13.

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DIACHRONER TEIL Jugendzeitschriften legen im nämlichen Jahr nahe, besonders den NOB zu behandeln und den sozialistischen Patriotismus zu fördern.556 1952 verteidigt Franičević die NOB-Literatur der eigentlichen Kriegszeit gegenüber Zweifeln an ihrer künstlerischen Qualität: "U posljedne se vreme mnogo govori o takozvanom 'parolaštvu' književnosti NOB-e i prvih godina poslije oslobođenja." Das solle man aber nicht "metaphysisch" sehen, denn damals habe sich alles dem Kampf untergeordnet. Parolaštvo sei 1942 etwas anderes als 1952.557

Es nehmen auch Schriftsteller am Nachkriegsdiskurs teil, die vor dem Krieg nicht zur revolutionären Bewegung gehört hatten, also weder Krležas, noch Zogović’ Lager zuzurechnen sein könnten. Das sind nicht unbedeutende Namen. Sie müssen trotz ihrer belastenden Vergangenheit integriert werden. Wie wir gesehen habe, kann schon die falsche Schulbildung diskriminierend wirken (S. 77). Andrić etwa war vor dem Krieg Botschafter der jugoslavischen Regierung (der Regierung des "Chaos") gewesen. Zur Integrierung all dieser Gegensätze dient der NOB-Mythos. Es geht darum, eine Einheit zu konstruieren, obwohl man vor dem Krieg Feind war. Dafür ist die Beschwörung des gemeinsamen Kriegsschicksals (wie gemeinsam und ähnlich es auch gewesen sein mag oder nicht - z. B. im Falle Andrić') am besten geeignet. Diejenigen, die keine kommunistische Vorkriegsvergangenheit vorzuweisen haben, bekennen sich besonders gerne zum NOB und zum Aufbau und äußern sich widerstrebend zur Zwischenkriegszeit. Das erzeugt eine von den "nichtkommunistischen" Schriftstellern getragene Dynamik, den NOB als Entstehungsort der Literatur zu feiern. Andererseits wollen sich die "alten Kämpfer" von den neuen Anhängern Titos abgrenzen558 und raufen sich um den Titel Begründer der Gegenwartsliteratur in der Zwischenkriegszeit. Dabei versuchen sie, den NOB-Mythos des Staates mit ihrer Erinnerung an die literaturpolitischen Kämpfe zu verbinden, indem sie verschieden Konstruktionen versuchen, die diese Kämpfe als Vorbereitung der Revolution darstellen. Die sogenannten bürgerlichen Autoren müsen sich aus dem Hegemoniestreit um die Begründung der Gegenwart (Gegenwartsliteratur) so lange heraushalten, wie sie aufgrund ihrer politischen Aktivitäten oder Inaktivitäten als kompromittiert gelten.

1.6 Vaterland und Marxismus-Leninismus

Relativ gleichzeitig mit der Ablösung von Moskau kommt im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 bis 1952 der Marxismus in Mode, genauer gesagt der 556Zaključci savetovanja redakcija omladinskih časopisa 1949, 1.

557Franičević 1952.

558Finci 1948, 1.

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DIACHRONER TEIL Marxismus-Leninismus. Die Gründe dafür liegen (wie im Kapitel 5 Das symbolische Kontinuum: die imaginierte Gemeinschaft beschrieben) in der Notwendigkeit, aus dem horizontalen Oben-Unten-Weltbild ein vertikales Ost-West-Weltbild zu machen. Die Himmelsrichtung oder Kulturbestimmung dient dazu, die Außenwelt in sich zu differenzieren und Marxismus-Leninismus wird nötig, um das neue Abgrenzungsverhältnis zum ehemals oberen und nun östlichen Teil des Außen zu konstituieren. Marxismus-Leninismus ist sozusagen die Opposition, durch die die Sovjetunion vom Parnass herabgeholt und dem kapitalistischen und imperialistischen Westen gleichgestellt wird. Dementsprechend wurden diese ehemals befreundeten Länder z. B. in China und Albanien sozialimperialistisch genannt. China erlitt in Albanien noch einmal dasselbe Schicksal (Hoxha 1979 und Biberaj 1990). Einer der ersten derartigen Texte stammt von Đilas und wurde am 2. März 1948 veröffentlicht, also ungefähr vier Monate vor der Resolution, die am 28. Juni verkündet wurde.559 Die Krise zwischen Jugoslavien und der Sovjetunion hatte aber schon früher begonnen. Im März zogen die Sovjets ihre zivilen und militärischen Berater aus Jugoslavien zurück.560 Seit diesem Beitrag von Đilas heißt wie aus heiterem Himmel alles nur noch "Marxismus-Leninismus": der Minister mahnt, man müsse im Sinne behalten, dass sich im Zuge des ungerechtfertigten Überfalls des Informbüro auch "Zweifel an den marxistisch- leninistisch Klassiker" zeigen könne. Solche revisionistische Tendenzen gelte es im eigenen Lande im Kampf für den Sieg des Marxismus-Leninismus theoretisch und politisch "im Keime zu liquidieren".561 Inhaltlich folgen dem unter anderem Tošović562 und die Jugendzeitschriften563 im Jahre 1949, sowie Minderović564 und Šegedin 1950. Besonders letzterer ventiliert den Begriff Ästhetik und denkt über eine marxistische Ästhetik nach, begibt sich also auf ein bisher außer bei Šinko kaum bekanntes theoretisches Niveau565. Radomir Konstantinović (junge Generation der prugaši, in den 50'ern gegen den "Realismus") erklärt ebenfalls 1950, die Kommunisten in Jugoslavien müssten die

559Đilas 1948a, 2

560Jelavich 1991, : 1983 323.

561Đilas 1948a, 2.

562Tošović 1949, 883.

563Zaključci savetovanja redakcija omladinskih časopisa 1949, 1.

564Minderović Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 45.

565Šegedin 1950, 4 und 12.

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DIACHRONER TEIL marxistisch-leninistische Ästhetik in der Kunst ebenso verteidigen wie den Marxismus- Leninismus in der Politik.566

Vor 1948 war der Marxismus nicht das gewesen, wodurch die Schriftsteller integriert werden sollten. Das wurde von den späteren Publikationen der jugoslavischen Kommunisten auch insofern zugegeben, als von einer B e s i n n u n g auf die marxistische Theorie im Zusammenhang mit dem "Angriff der Kominform" die Rede ist.567 Statt der ideologischen Forderung gab es eher einen Konsens, für "das Vaterland, den Fortschritt, den Aufbau" zu sein und die Befreiung zu begrüßen. Ein Artikel in einer Jugendzeitschrift endet z. B. mit dem Schlußsatz branimo i podižemo naše drage domovine oder mit dem Bekenntnis zum Aufbau eines neuen, glücklicheren Vaterlandes.568 Der Bericht über den ersten Schriftstellerkongress 1946 schließt mit den Worten napredak, otadžbina, čovečanstvo, kultura und beschreibt im ersten Satz, wie es "im neuen Jugoslavien, unter den neuen gesellschaftlichen Umständen des Volksstaats" aussehe.569 Die Integration funktioniert also in erster Linie über den dominanten Ursprungsmythos des NOB, seine Rituale und das Stereotyp vom gemeinsam befreiten gemeinsamen Vaterland, der aus dem ersten Asbchnitt wohlbekannt ist. Das bestätigt auch Peković’ Darstellung:

Okupljanje oko 'linije' narodnooslobodilačke borbe u nekoliko prvih poratnih godina presudan je kriterijum za učešće pisaca u književnom životu. Naravno, između većine njih – predstavnika predratnih generacija: 'živih klasika', nadrealista, pripadnika pokreta socijalne literature, zajedno sa piscima stasalim u ratu i književnim proletarcima – stvoreno je privremeno zajedništvo u službi narodnim interesima i novom društvenom poretku. Posebnu važnost ima aktiviranje uglednih građanskih pisaca i isticanje niza nacionalnih vrednosti iz prošlog stoleća, čime se ukazuje na kontinuitet 'narodske' i oslobodilačke tradicije domaće literature.570

Ab 1948 beginnt der Marxismus-Leninismus mit diesen Integratoren zu konkurrieren. Die Funktion des NOB als Ursprung der Gemeinschaft belegt aber das Gewicht der alten Identifikation. Mehrfach wird der Bruch mit der Kominform als Fortsetzung dieses Ursprungs dargestellt. So werden beide Integratoren verbunden.

566Konstaninović 1950a, 2.

567"Nakon napada Kominforma na cjeokupnu politiku KPJ, Centralni komitet je započeo kritičko preispitivanje, teorije i prakse vlastitog i sovjetskog puta izgradnje socijalizma i iz toga izvukao zaključak da mora mijenjati koncepciju izgradnje socijalističkog društvenog uređenja u Jugoslaviji. […] Inspirirani idejama klasika marksizma o odumiranju države, najviši rukovodioci KPJ su došli do uvjerenja da se mora otpočeti proces ostvarivanja te ideje." Bilandžić 1969, 54.

568Soldić 1945, 95; Vošnjak 1945, 65.

569Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 477–482.

570 Peković 1986, 32.

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DIACHRONER TEIL 1.7 Abweichler

Von 1950 an ist, ganz im Sinne von Lukić' Darstellung, eine Reihe von Äußerungen zu beobachten, die vom bisherigen offiziellen Diskurs grundlegend abweichen. Zlatko Tomičić stellt 1952 in den Zagreber Krugovi den Primat des Wahrheitsdiskurses in Frage:

Jedna od elementarnih ljudskih potreba jeste laž. […] Ima raznih istina.571

Solche Auffassungen können übrigens heute noch in Zagreb, dem Heimatort der Krugovi, (oder wieder?) zum Aufruhr führen. Dass 1952 der abgedruckte Text einer Kongressrede am Ende verzeichnet "Nekoliko glasova: Dosta!" ist ein neues Phänomen. Dergleichen war vor 1952 nicht vorgekommen.572 Simić hatte vor diesem dokumentierten Vorfall in seinem Beitrag abweichlerische Dinge über das nichtmoderne Niveau der Bauernmassen und die Frage, ob man das Volk überhaupt kultivieren solle zum Besten gegeben. Die Diskussionsgepflogenheiten erscheinen nun weniger steif und reglementiert als zuvor. Auch gegenseitige Kritik und Repliken findet man in den Zeitschriften erst am Ende des Beobachtungszeitraums. Es scheint manchmal auch eine Kritik an den Diskurstechniken möglich zu sein: Der positive Held in der Literatur werde sich nicht etablieren, indem man dauernd wiederhole, dass er schon da wäre, meint Ivan Dončević auf dem zweiten Schriftstellerkongress.573 Von einem nennenswerten Widerstand gegen den dominierenden Diskurs kann aber zu keiner Zeit die Rede sein. Es gibt vor und nach dem Umbruch Sündenböcke. Vorher ist es Ujević, nachher Zogović. Abweichende Meinungen oder subversive Äußerung tätigt aber so gut wie niemand, abgesehen von den obigen Beispielen. Einzig Krležas "Krokodilina ili razgovor o istini" könnte als subversiver Beitrag im literaturpolitischen Diskurs durchgehen.574 Miroslav Krleža ist der Meister der Selbstdeklarierung durch name dropping. Er geht dabei sehr geschickt vor, um sich unbeschadet am Rande des Diskurses bewegen zu können — bezeichnenderweise wird er dafür nicht offen kritisiert. 1945 zitiert er neben Shakespeare, Plato, Voltaire, Marx, Tolstoj und Dante — Buddha, ja sogar Zarathustra.575 Homer macht er zum Buhmann im Gegensatz zu Plato, und zwar weil jener das animalische Prinzip vertrete. Allerdings wagt er nur in seinen zwei Reden, die auch zeitlich am Diskursrand liegen, deutlich vom üblichen Muster

571Tomičić 1952, 289.

572Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 14.

573Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 54.

574Krleža 1945b.

575Krleža 1945a, 139–142.

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DIACHRONER TEIL abzuweichen. Dabei ist aber festzuhalten, dass in der Kongressrede von 1952 das name dropping weniger provokativ ausfällt. Vielmehr verschanzt sich der Autor hinter Kaskaden von Namen, die noch dazu b i l d e n d e n Künstlern gehören und nicht Schriftstellern, eine bei Krleža übliche metaphorische Taktik (David versus Daumier etc.).576 Auch Krleža verhielt sich konform, indem er "beredt" schwieg, 1950 die Liquidierung der Feinde forderte und 1952 erst mit seiner Meinung herausrückte, als seine Position sicher war. Auf der anderen Seite haben wir Marin Franičević, der vor und nach dem "Klimaumschwung" aktiv ist und einfach sein Fähnchen nach dem Wind hängt. Vom ždanovistischen Bluthund wandelt er sich wieder zum Kenner kroatischer Dialektdichtung. Diese Art von Opportunismus war nicht selten. Das schlägt sich auch in Palavestras Beschreibung der Nachkriegskritik nieder:

Taj preobražaj od zagovornika teze o partijnosti umetnosti do boraca za punu stvaralačku slobodu, karakterističan je za prve posleratne kritičare, kao što je Zoran Mišić, koji je u ranim poratnim godinama bio među najagilnijim kritičarima u časopisu 'Mladost' i često istupao s apodiktičnim tvrđenjem da pisci nešto treba da čine, pa čak i s temama koje su mladi pisci dužni da obrađuju. Od starijih, predratnih pisaca najdublji preobražaj je doživeo Čedomir Minderović, koji je još krajem 1949. godine, kao generalni sekretar Saveza književnika, s kongresne govornice određivao zadatke književnosti u borbi za realistički izraz […] da bi nekoliko godina kasnije vatreno […] branio slobodu umetnosti od etatističkog pritiska i političke suprematije.577

2 Änderung der Vorbilder

Eine markante Veränderung im Diskurs sind die neuen Vorbilder, die Anfang der Fünfziger Jahre auftauchen, bzw. die ehemals negativen Vorbilder, deren Erwähnung früher tabu gewesen war. 1950 noch gibt Josip Barković zu bedenken, wohin Radomir Konstantinović' Vorschlag führen müsse, auch die westliche Literatur kennenzulernen (nach der Frage, wer das denn bisher verboten habe), wenn man nicht nur die wertvollen Beispiele kapitalistischer Literaturproduktion übersetzt:

576Krleža 1952a, 223.

577Palavestra: 1972, 35f.

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DIACHRONER TEIL Ne misli li autor [=R. Konstaninović] da bi u našim sadašnjim prilikama trebalo prevoditi i štampati i nekoliko hiljada primjeraka recimo i Sartreove drame?578

Zwei Jahre später kann es sich Mišić erlauben, über Breton und Camus, Virginia Woolf, Baudelaire, Nerval, Novalis, Majakovskij, Eliot, Dante, Racine, Cézanne, Matisse, Braque, Apollinaire, Rimbaud, "Negerplastiken" und Mallarmé zu schreiben und zu behaupten, den Symbolismus würde heute niemand mehr für sinnlos halten.579 Der Name Baudelaire kann erst am Ende der Periode genannt werden.580 Ähnlich ist es mit den komischen Autoren Sremac und Nušić, für deren Revolutionarität als Lachkünstler Eli Finci 1952 dann eine Lanze bricht.581 Wie schon mehrfach hervorgehoben wurde, besteht Krležas Laibacher Rede zum großen Teil aus der symbolischen Nennung neuer Vorbilder, die er taktisch klug aus der bildenden Kunst auswählt:

[ždanovisti] strepe pred mrtvim Van Gogh, Casanova, Fougeron, Duclos, Cogniaud hajdukuju danas zajedno sa Picassom, vješajući Rajka, Markosa, Gomulku ili Tita.582

Krleža erwähnt in seiner Rede Gramsci als positive Ausnahme in der 2. Internationale, geißelt den "Ikonoklasmus" Ždanovs (UdSSR), Aragons (Frankreich), Révais (Ungarn) und Vyšinskijs (UdSSR) und nimmt Baudelaire in Schutz. Letzterer sei auch nicht ins rechte Extrem verfallen, nur weil er nach der Niederlage der Pariser Commune "der 'l'art pour l'art' das Wort geredet" habe.583 Eli Finci kann Jean Anouilh 1952 öffentlich einiges abgewinnen.584

So wie verbannte Namen Anfang der fünfziger Jahre zurückkehren, verschwinden ehemals vorbildhafte in der Versenkung. Das gilt zumindest in den ersten Jahren der Auseinandersetzung mit der Sovjetunion für alle sovjetischen Autoren außer Maksim Gor'kij, der lediglich vom jungen Nikola Milošević in einem Belgrader Studentenblatt geschmäht wird. Zur selben Zeit, als Namen wie Courbet, Cézanne, Picasso, Marcel Proust, James

578Barković 1950, 444.

579Mišić 523.

580Matić 1951, 1;Finci 1952b, 3.

581Finci 1952c.

582Krleža 1952a, 221–223. L á s z l o R a j k war ungarischer Innenminister und fiel 1949 wahrscheinlich einer Säuberung zu Opfer; 1955 rehabilitiert. (Hodos 1988, 70–72)

583Krleža 1952a, 219 und 221; Mit Révai ist wahrscheinlich der ungarische Schriftsteller und Publizist J o z s e f R é v a i gemeint, der von 1949 bis 1953 ungarischer Minister für Volksbildung war. Višinski (so die Schreibweise im Originaltext) dürfte der sovjetische Staatsanwalt und spätere Ministerpräsident A. V y š i n s k i j sein, der die Moskauer Schauprozesse leitete und zahlreiche Personen als "titoistische Verschwörer und imperialistische Agenten" anklagte. (Hodos 1988, 41).

584Finci 1952c.

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Joyce, Virginia Woolf, Thomas Mann585 und Byron586 hoffähig werden, rutschen Vertreter der sovjetischen Literatur aus den Diskursgrenzen hinaus. In den ersten Jahren gilt Stalin noch als Autorität, beispielsweise für Franičević587 und auch 1948 noch für Ervin Šinko588. Änderungen in der Bewertung sovjetischer Literaturproduktion mussten besonders peinlich ausfallen. Franičević führt 1947 Nikolaj Semënovič Tichonov, Venjamin Aleksandrovič Kaverin, Vera Michajlovna Inber und Pavel Grigor'evič Antokol'skij als Produkte erfolgreicher ideologischer Kritik an. 1949 greift er Fëdor Vasilevič Gladkov, Tichonov und Boris Nikolaevič Polevoj (Pseudonym für Kampov) an (siehe Seite 49). Ihr Verhalten habe nichts zu tun mit der Wissenschaft Lenins und des frühen Stalin und sei daher ein Standpunkt, der das Leben Gor'kijs negiere.589

Gor'kij, der im gesamten Diskurs als Integrations- und Kompromissfigur gehandelt wird, wird wie erwähnt 1952 nur von Nikola Milošević ausdrücklich verworfen. Andere Autoren, die den Begriff des Sozialistischen Realismus in ihren Texten vermieden hatten, hatten auch den Namen Gor'kijs unter den Tisch fallen lassen. Auch in seiner 52er Rede spricht Krleža nicht über den Vater des Sozialistischer Realismus. Milošević aber gibt in einer kleinen Studentenzeitung eine kurze Analyse von Gor'kijs Mutter und wirft ihm bogograditelstvo vor, eine Aussage, die in ihrer Zeit in Jugoslavien singulär ist.590

Eine gängigere Form der Kritik am Ždanovismus ist 1952, er behindere die künstlerische Entfaltung, so wie etwa Milošević kritisiert, Ždanov spreche den „Genres Liebeslyrik und Peysage“ (Baudelaire, Achmatova, Renoir) die Existenzberechtigung ab, weil sie für ihn bezidejno seien.591 Im selben Jahr macht sich in den Krugovi ein Anonymus über die sovjetische Staatszeitung Izvestija lustig, die 1951 ein Gedicht des prilično uždanovljen M. L'vov kritisiert hätten, weil dieser den Ural-Industriekomplex mit seiner Gattin in Verbindung gebracht hätte: "'Kakva su to krijumčarenja intimnih osječaja u tako uzvišenoj poeziji, kakve

585Bihalji-Merin 1952, 48.

586Bogdanović 1952.

587Franičević 1947, 434.

588Šinko 1948, 129f.

589Franičević 1949b, 843.

590Milošević 1952a. Vergleiche zum Gotterbauertum oder bogostroitel’stvo, so der russische Originalterminus: Günther 1993.

591Zit. nach Ćirilov 1952.

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DIACHRONER TEIL su to – buržoaske, malograđanske tendencije!'"592 Bei den einen Autoren ist der Respekt vor den sovjetischen Vorbildern verschwunden, bei den anderen die Möglichkeit, sich öffentlich auf sie – außer auf Gor'kij – zu berufen.

3 Diskursregulierung

3.1 Freiheit

In Äußerungen zur unmittelbaren Gegenwart sagen die Diskursteilnehmer meistens, dass die Literatur in Jugoslavien frei sei. Was mit dieser Freiheit gemeint ist, wurde im Kapitel Freiheit kann schädlich sein bereits deutlich. Das ändert sich aber im Laufe der Zeit, zumindest bei einem Teil der Stimmen. Wendepunkt scheint auch hier das Jahr 1950 zu sein. Wurde die H e t e r e n o m i e der Literatur zunächst mit ihrer Freiheit gleichgesetzt, bedeutet Freiheit nach 1950 eher A u t o n o m i e.

Zunächst einige Belege für die erste, synchrone Feststellung. Ein Kritiker, der mit M. zeichnet, wundert sich 1945 zum Beispiel über die mindere Qualität der Jugendzeitschriften, obwohl sie doch in Freiheit besser arbeiten können müssten.593 Andrić meint 1952, man solle diesen Kongress "wie immer [!] in voller Freiheit (und vollendeter Disziplin) ausführen".594 In seiner Eröffnungsrede zum Ersten Jugoslavischen Schriftstellerkongress verbindet Popović die Einheit der Völker Jugoslaviens mit der Freiheit des künstlerischen Schaffens. Diese Freiheit endet da, wo das Interesse des Volkes beginnt:

U toj borbi su naši narodi svojom krvlju stvorili slobodnu zemlju, u kojoj književnici prvi put imaju sve uslove za slobodan stvaralački rad koji je u interesu svih naših naroda.595

592N.N. On, ona i Ždanov u ljubavnoj lirici. In: Krugovi 2 (1952). S. 187f.

593M 1945, 100.

5943 kongres književnika Jugoslavije 1952, 1.

595Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 578.

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DIACHRONER TEIL 1948 argumentiert Joža Horvat zusätzlich mit antiimperialistischen Versatzstücken. Viele Menschen in den unterdrückten Ländern erwarteten von den freien jugoslavischen Schriftstellern etwas, was diese nicht einlösten. Er definiert das individuelle Gefühl von Freiheit so, dass sich, wer sich jetzt nicht frei fühle, eigentlich des Verrats schuldig mache:

Netko se osjeća slobodnim u poretku novih narodnih demokracija – netko pod okriljem trule buržoazije – netko pod zaštitom anglo-američkih gangstera. […] Da ne bude slobodan danas, potrebno mu je nepoštenje ili u najmanju ruku pomanjkanje smisla za uočavanje realnih činjenica.596

Von einer Freiheit der Kunst, die nicht durch irgendwelche Vorbehalte eingeschränkt wird, oder etwa von einer Autonomie der Kunst spricht also in den ersten Jahren nach der Befreiung niemand. Das beginnt sich erst um 1950 zu ändern. Der Zweite Schriftstellerkongress steht im Zeichen der Diskussion über die "Freiheit der Kritik", was aber noch nichts heißen muss, solange sie anderen Kategorien untergeordnet werden kann. Zunächst werden nur dezente Änderungen spürbar. Die Freiheit wird langsam zu einem Diskussionsthema. Franičević etwa referiert über die Änderung des Statuts des DKH. Den einzelnen Verbänden soll so viel Initiative und Freiheit der Aktion gewährt werden wie möglich. Den Schriftstellern der nationalen Minderheiten soll viel Raum gewährt und es soll das allgemeine, unmittelbare, geheime Stimmrecht eingeführt werden. Franičević, der an anderer Stelle die mangelnde Qualität der NOB-Literatur mit der Kampfsituation rechtfertigen wird, kann das Nichtvorhandensein von einer gewissen Freiheit, die sein Text impliziert, sicher positiv erklären. Allein, es kommen Punkte wie das g e h e i m e S t i m m r e c h t auf die Tagesordnung. 597

Milan Bogdanović spricht 1950 vom freien Gewissen der jugoslavischen Schriftsteller.598 Im selben Jahr äußert Zoran Mišić sein Verständnis für jene Schriftsteller, die sich beschweren, weil immer nur povodom njih der Kampf um den Ausdruck bei Schriftstellern im Allgemeinen geführt, aber nicht über ihre Gedichte geschrieben werde.599 Auf dem Kongress in Zagreb spricht Šegedin – sehr affirmativ und uneindeutig zwar – über die Freiheit der Kritik (s. o.). Im nächsten Kongressjahr aber ist das Thema Freiheit in aller Munde und wird in neuer Art diskutiert. Oto Bihalji findet, vom Künstler erwarte man eine "andere" Welt:

596Horvat 1948, 225.

597Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 53.

598Op. Cit. 1950, 49.

599Mišić 1950, 82.

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DIACHRONER TEIL "neočekivan, samovoljan, stvaralački" — ein Plädoyer für die Autonomie der Kunst bzw. der künstlerischen Freiheit.600

Vor 1950 war also die Freiheit nur Thema affirmativer Äußerungen. Danach wird sie für einen Teil der Diskursteilnehmer zum Diskussionsthema, ja zum Postulat. Auch hier dient die antisovjetische Rhetorik als Vehikel für die Inhalte der "Antirealisten". Das neue Verhältnis zum Wort "Freiheit", das sich anfang der fünfziger Jahre in Teilen der Texte breit macht, bedeutet aber nicht, dass der literaturpolitische Diskurs nicht weiterhin ein abhängiger Diskurs wäre. Das wird deutlich wenn Marin Franičević auf dem Schriftstellerkongress von 1949/50 in Zagreb die Beschlüsse des 5. Parteikongresses referiert.601 Am Ende dieser Periode kommt zur Autonomiefrage die Forderung nach offener Diskussion hinzu. Die Redaktion der neuen Zeitschrift Svedočanstva will laut ihrer Einleitung einer intellektuellen Diskussion eine freie Tribüne bieten, auch wenn es sich um persönliche Standpunkte handle. Die Diskussion geht auch gleich los, und zwar anhand eines Textes von Mladenović, den dieser aus schickt. Der Autor will den Artikel, auch wenn oder falls es zu "keiner Solidarisierung" komme, unter seinem eigenen Namen veröffentlicht haben. Nur durch die offene Diskussion könne man eine "wahrhafte, nicht-ždanovsche und nicht-russische, nicht-sovjetische und ne- sibovska" Freiheit des Kunstschaffens verwirklichen, schreibt er aus Paris602. Vlatko Pavletić ruft 1952 in den krugovi dazu auf, "das Eis der Konvention und des Dogmas [zu] zerschlagen, um der lebenspendenden Sonne der schöpferischen Freiheit den Weg zu öffnen".603

3.2 Drohungen und Angst

Das Eis des Dogmas zu zerschlagen hatte Pavletić allen Grund, denn der offizielle jugoslavische literaturpolitische Diskurs von 1945 bis 1952 war nicht nur, wie oben gezeigt, entlang nichtliterarischer Merkmale und einpolig strukturiert, sondern streckenweise auch im höchsten Grade repressiv und aggressiv. Diese Aggressivität wird besonders anschaulich in einer Rede, die der Sekretär des Kroatischen Schriftstellerverbandes (DKH), Joža Horvat, 1948 vor der Generalversammlung des Verbandes hielt. Zunächst verdammt Horvat in beleidigenden Worten die "volksfeindlichen Bücher", ohne je die Titel dieser Bücher zu nennen, geschweigedenn die Namen ihrer VerfasserInnen. Statt Namen zu nennen, engt er den

600Bihalji-Merin 1952, 482.

601Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 52.

602Mladenović 1952

603Pavletić 1952, 6.

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DIACHRONER TEIL Kreis derer, die gemeint sein könnten, schrittweise ein und erzeugt so geschickt Angst im Auditorium: "No, vratimo se ponovo na imena autora". Zunächst stellt er fest, dass die Zahl derer, die seit der Befreiung noch nichts veröffentlicht hätten, gar nicht so klein sei. Diesen Personen unterstellt er, sie hätten a b s i c h t l i c h geschwiegen. Er engt den Kreis der angegriffenen oder angesprochenen Zuhörer ein: Von denen, die nichts veröffentlichten, müsse man Alte und Kranke abziehen. Dann blieben immer noch genügend Namen übrig. Daraufhin zieht er diejenigen ab, die sich durch gesellschaftliche Aktivitäten entschuldigen könnten. Die Namen, die übrig bleiben gehörten jenen, die "ihre Pflicht gegenüber der Literatur, dem literarischen Kollektiv" vernachlässigten.604

Ähnlich geht Franičević vor: "No naša kritika ne zadovoljava ni po kvalitetu. Neka imena, koja bi ovdje trebalo izuzeti, poznata su."605 1947 bringt die Republika Franičević´ Verriss der Gedichte von Vesna Parun. Er greift die junge Autorin stellvertetend für andere als "einen typischen Fall" an:

Od prvih svojih stihova objavljenih pred rat [sic!] u nekim srednjoškolskim listovima V. Parun pabirči po našoj suvremenoj lirici bez kormila i kompasa krećući se na širokoj liniji od Ujevića, Cesarića, Krkleca i Tadijanovića pa do Krleže i Daviča. Kroz to vrijeme ona je ispisala brda hartije zapadajući iz jedne pogreške u drugu, a da je nikada nitko ozbiljno upozorio na njena zastranjenja, na mnoge bezmislice, na njeno dekadentstvo, na njene knjiške 'inspiracije', na prazninu njezina stiha, koju ona uzalud pokušava prikriti zvučnošću — (gotovo redovito odjek pročitanog) i neobičnošću stiha (po svim pravilama dekadentne lirike).606

Genauso wie Horvat wirft er der Literatur vor, dass sie ihre Aufgaben nicht erfülle und wittert überall "reaktionäre Überreste", ohne je spezifisch zu werden:

Mi bismo mogli navesti čitav niz primjera iz same 'Republike' (koji su dosad kritikovane i koji nisu), mogli bismo neke izdane knjige. [F u ß n o t e:] Činjenica da i pisac ovih redaka kao član redakcije nosi dio odgovornosti za objavljivanje nekih od tih stvari u 'Republici' nije razlog, da se o tome šuti. Najbolja kritika i jeste ona, koja najprije čisti ispred svoje kuće.607

Franičević kommt zum Höhepunkt, als er Parun scheinheilig fragt, weshalb sie denn dekadent schreibe, obwohl sie doch wohl nicht zur reaktionären Front gehören und nicht "vjerujemo" für die faschistischen "Überreste" dichten wolle.608 "Mi znamo za čim tuguje Tin Ujević, a šta

604Horvat 1948,224f.

605Franičević 1949a, 14.

606Franičević 1947, 437.

607Franičević 1947, 430.

608Franičević 1947, 442; 451.

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DIACHRONER TEIL bi njemu trebalo!" meint Radovan Zogović 1947 bedrohlich. Ujević sei in der Ustaša-Zeit Redakteur einer Nazizeitung für Fremdarbeiter ("hrvatski radnici, zaposleni u 'Trećem Rajhu'") gewesen. Heute sei er einer jener wenigen Schriftsteller, denen der Jugoslavische Schriftstellerverband SKJ die Mitgliedschaft "aus moralisch-politischen" Gründen versagt habe.609 Augustin Ujević wurde offensichtlich besonders übel mitgespielt. Franičević und Zogović erwähnen und verfolgen ihn als den einzigen namentlich genannten absoluten Außenseiter bis 1950. Die anderen Diskursteilnehmer äußern sich in den letzten drei der vierziger nicht dazu und auch später nimmt ihn niemand in Schutz. 1952 wird er als Verbandsmitglied genannt, wird verlegt und von Franičević höchstpersönlich zu den wichtigen kroatischen Lyrikern gezählt (s. o.). Radovan Zogović kann sich zu diesem Thema nicht mehr äußern, denn ihn ereilte 1949 ein ähnliches Schicksal wie seinerzeit Ujević. Er wurde aus der Partei ausgeschlossen, weil er sich zur Gruppe der Informbüro-Anhänger bekannt hatte — weil er ein sogenannter ibeovac war.

Drangsaliert werden aber nicht nur diejenigen, die ihre Pflicht als Literaten vernachlässigen, sondern auch alle, die sich nicht von solchen Kolleginnen und Kollegen distanzieren. Franičević geißelt diejenigen, die Parun gelobt hätten, statt sie zu kritisieren. Verständlich sei das bei dem gleichaltrigen Filipović; aber auch älteren Kollegen sei es "passiert", z. B. "u jednoj diskusiji (u DKH), da bi se poslije pjesama Vesne Parun moglo jurišati na bunkere i t. d."610 1950 kritisiert Hegedušić diese Art der Kritik für seinen Bereich, die Malerei mit den Worten: "Ta je naša kritika uspjela satjerati zabunu i strah u kosti likovnim umjetnicima […]."611 Statt von A n g s t spricht Dušan Matić ein Jahr später von B e v o r m u n d u n g : "Vreme je da se kod nas prekine s onom nesvesnom i nesrećom praksom koja čini da se stvaralac oseća pred kritičarom kao đak pred profesorom."612 1952 disqualifiziert Zoran Mišić die Kritik der Zeit bis 1950, indem er sie als kleinbürgerlich ausgrenzt. Vor zwei Jahren habe er Vesna Parun, bzw. die "Fauna" in ihren Gedichten gegen die "Angriffe der konservativ-ždanov'schen Ideologie" verteidigt.613 Ob er aber Vesna Parun auch drei Jahre früher verteidigte, als sie von Franičević auf das Heftigste angegriffen wurde, darüber schweigt sich Zoran Mišić aus.

609Zogović 1947, 4; 5.

610Franičević 1947, 439.

611Hegedušić 1950, 111.

612Matić 1951, 1.

613Mišić 1952c, 123.

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DIACHRONER TEIL Wie nötig die am Ende des letzten Kapitels beschriebene Forderung nach Diskussion 1952 war, illustriert das von verschiedenen Quellen belegte fünfminütige Schweigen nach dem legendären Referat von Miroslav Krleža.614 Es scheint allgemeine Verunsicherung im Publikum geherrscht zu haben. Vom Aspekt der Ritualanalyse ist das übrigens besonders interessant, denn ein Ritual darf unter keinen Umständen unterbrochen werden. Dass dies 1952 dennoch geschah, fiel den Zeitgenossen sehr unangenehm auf und zeigt die Gespaltenheit der Gemeinschaft, die so tief ist, dass sie sogar die offiziellen Rituale beeinträchtigt. Drei Interviews mit leitenden Funktionären des nationalen und des slovenischen Schriftstellerverbandes, die am Tag vor dem Kongress in der Tageszeitung Politika veröffentlicht worden waren, zeigen einen offenbar unterschiedlichen Informationsstand der Literaturfunktionäre über das, was auf dem Kongress geschehen sollte, sprich den Inhalt von Krležas Rede. Der Bundesvorsitzende Ivo Andrić weist darauf hin, dass es sich um einen ganz normalen Kongress handle, von dem man nichts Außergewöhnliches erwarten solle, erwähnt aber, dass man Krležas Referat mit besonderem Interesse erwarte, da das Thema "Freiheit der Kultur" in der heutigen Welt besonders wichtig sei. France Bevk, Vorsitzender des Slovenischen Verbandes, SKJ-Leitungs-Mitglied seit 1946 und Kinderbuchautor, erwähnt das Referat gar nicht und Josip Vidmar, Dichter, Kritiker und slovenischer Parlamentspräsident, greift der Diskussion vor, indem er zum Thema Freiheit der Kunst die alten Thesen von den Aufgaben in der Realität zum Besten gibt, wie sie am Anfang des letzten Kapitels beschrieben wurden. Auch das ist ein Beleg für die zahlreichen Brüche im offiziellen jugoslavischen literaturpolitischen Diskurs von 1945 – 1952, besonders an seinem Ende.

Wie das Beispiel Ujević zeigt, waren verbale Drohungen und Einschüchterungen aber nicht das einzige Druckmittel in der Literaturpolitik. Was ein Ausschluss aus dem Verband für einen Literaten bedeutete, wird klar, wenn man weiß, was es hieß, dabeizusein. Der Schriftstellerverband war Herausgeber und Ernährer. Auch Erholungsheime stellte er seinen Mitgliedern zur Verfügung.615 Ein starkes Argument, den Mund zu halten:

Životni uvjeti književnika poboljšali su se i zato što su narodne vlasti poduzele čitav niz mjera da stvaraoci umjetničkih vrednota dobiju niz privilegija teških i najtežih radnika, stvaralaca materijalnih vrednota bez kojih ne bi bio moguć nikakav razvoj književnosti. Tako su najistaknutiji književnici dobili R1 kartu za snabdijevanje, a svi odstali članovi Društva

614Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 13.

615Minderović 1947, 647.

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DIACHRONER TEIL književnika Hrvatske R2, neki najbolji i neki najaktivniji književni radnici dobili su pravo da se snabdijevaju u zadruzi za istaknute naučne i kulturne radnike.616

Gerade 1947 kommt es zu einer Verschärfung der Mitgliedschaftskriterien. Štambuk referiert, sobald der DKH Bestandteil des SKJ geworden sei, habe das Statut auch bezüglich der Mitgliedschaft angepasst, das heisst verschärft werden müssen. Das habe dazu geführt, dass nur mehr 69 (plus sieben sogenannte Kandidaten) von früher 137 Migliedern des DKH übrigblieben.617 Das musste bedeuten, dass fast die Hälfte der Mitglieder ihrer Existenzgrundlage verlustig gingen.

3.3 Instrumentalisierung

Nachdem wir im letzten Kapitel gezeigt haben, wie mit diskursiven und nichtdiskursiven Mitteln Druck auf die Literaten ausgeübt wurde, bzw. wie sie sich gegenseitig kontrollierten, und zu dem Schluss gekommen sind, dass das Jahr 1950 auch in dieser Hinsicht einen Wendepunkt bildet, kehren wir noch einmal zur Instrumentalisierung der Literatur zurück — wo dieses Jahr wenig Neues bringt. Das Thema Instrumentalisierung haben wir bereits im letzten Kapitel angeschnitten (siehe Seite 170). Die Abhängigkeit des literaturpolitischen Diskurses vom parteipolitischen zeigt sich in mannigfacher Weise, aber besonders deutlich im Zusammenhang mit den Arbeitseinsätzen bei Gleisverlegungsarbeiten, kurz pruge genannt (vergl. S. 117). Zu diesen Arbeitsbrigaden wurden Schriftsteller geschickt, um sich zu Texten über den Aufbau des Sozialismus inspirieren zu lassen. Die Belege dazu finden sich charakteristischerweise in eben den Jahren, aus denen die Zitate des vorangegangegenen Kapitels stammen — aus den Jahren 1947 bis 50, die besonders repressiv sind. Tošović freut sich, dass das Literaturleben auf den Arbeitsaktionen und Arbeitsbrigaden sehr aktiv sei.618 Wettbewerbe für die Marschmusik der Arbeitsbrigaden und ein "Lied unserer Armee" finden 1948 statt. Einige preisgekrönte Lieder von Brigadisten werden auch bei der Arbeit an der pruga gesungen.619 Der Almanah na pruzi, eine Sammlung von Texten, die auf diese Art entstanden, bleibt in seiner Art in Jugoslavien einzigartig.

Die weiteren Belege stammen ebenfalls aus dem Jahr 1948. Joža Horvat formuliert zum Schluss seiner in den letzten Kapiteln mehrfach zitierten Rede die Beschwerde, dass in und

616Štambuk 1947, 150.

617Štambuk 1947, 154.

618Tošović 1949, 898.

619Horvat 1948, 230.

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DIACHRONER TEIL vom kroatischen Verband zu wenig gegen die Imperialisten gesagt werde. Das heißt, das literarische Gremium wird aufgefordert, sich politisch zu betätigen. Bezeichnend sind auch die Veranstaltungsorte der književne večeri, die der Sekretär des DKH weiter oben erwähnt: neben Bjelovar, Dubrovnik, Split, Osijek und Vinkovci finden sie natürlich besonders oft in Zagreb statt und dort im Dom Armije, der artilerijska oficirska škola, "po rajonima, tvornicama i drugdje". Besonders stolz ist man auf die Literaturabende in Belgrad und Novi Sad. Der Austausch solcher und ähnlicher Aktivitäten zwischen den "Völkern" oder besser den Verbänden bedeutet die Erfüllung der Beschlüsse des Zweiten Plenums der Kommunistischen Partei Jugoslaviens (KPJ).620

3.4 Diskussionen und Konfrontationen

Wie schon mehrfach angedeutet, gab es aber auch in der ganzen Zeit zwischen 1945 und 1952 in Jugoslavien verschiedene Gruppierungen oder Strömungen im Literaturleben. Es lag in der Natur der synchronen Beschreibung, dass solche Differenzen vernachlässigt werden mussten. Im Kapitel 1 Diskontinuitäten wurde anhand der sich ändernden Themen und Namen auch klar, dass verschiedene, einander entgegengesetzte Strömungen um die kulturelle Hegemonie im Diskurs ringen. Charakteristisch für unseren speziellen Diskurs ist, dass selten gleichzeitig zwei Strömungen ihre Themen aufs Tapet bringen. Konkret: Solange die Zogović-Linie dominiert, spricht man von Gor'kij und verwendet das Vokabular des Sozialistischen Realismus. Als der Wind den Ždanovisten entgegenbläst, wird dieses Vokabular zum Erkennungsmerkmal des allgemeinen Feindes und schließlich mehren sich die Nennungen einst als dekadent verdammter Autorinnen und Autoren. Der Symbolredner dieses Umschwungs – Krleža – äußert sich in der ganzen Zeit nur drei bis vier mal (1945, 1947, 1949/50, 1952). Ein Text des "Antibarbarus" der Zwischenkriegszeit, der synchron ist mit den aggressiven Ansprachen, die in den zwei vorigen Kapiteln behandelt wurden, nämlich aus dem Jahr 1947, weist große Ähnlichkeiten mit denen der Gegenpartei auf — in ihrer Aggressivität und in ihren Ausschlussmechanismen, wie etwa der Forderung zur L i q u i d i e r u n g der bürgerlichen Überreste (wie immer stilistisch eigenwillig):

Ti kalupi su bili anahronizam već prije trideset godina, a danas, u koliko se javljaju, na žalost vrlo često 'ex cathedra', treba ih likvidirati kritički superiorno, sistematski po planu i zaista konačno […]621

620Op. cit. 228–233.

621Krleža 1947.

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DIACHRONER TEIL Die s y n c h r o n e n Gegensätzlichkeiten beschränken sich darauf, entweder nichts zu sagen, oder sich zu anderen Themen zu äußern — auch im Falle des "Ohne mich"-Krleža. Er formuliert kurz nach der Befreiung in Književnost danas seine Thesen aus der Zwischenkriegszeit noch einmal, 1947 tönt er mit den Ždanovisten, 1949/50 entwickelt er passend zur Frontstellung gegen Ost und West gleichzeitig das Konzept der revolutionären südslavischen Kontinuität und verwendet im Stile der Zeit "leninistische" Vokabeln. Im Mai 1952 darf Krleža Genossen Tito mit einem ganzseitigen Artikel auf der Titelseite der Svedočanstva zum sechzigsten Geburtstag gratulieren. Im Herbst 1952 hält er seine legendäre Kongressrede622. Krsto Hegedušić hatte zwei Jahre zuvor eine wesentlich heftigere Abrechnung präsentiert.

Eine Diskussion im Habermas'schen und auch in weniger anspruchsvollem Sinne findet nicht statt. Es sei denn, es handelt sich um Nebenschauplätze wie etwa bei einer Polemik zwischen Marijan Jurković und Eli Finci im Jahre 1948, in der es um die Čakavština, um Zagreb und um das Verhältnis Zagreb-Belgrad ging.623 Wichtiger ist die etwa gleichzeitige Diskussion über den Almanach Na pruzi, in deren Verlauf nach Marin Franičević' Worten die Jungen die Alten angriffen.624 Gelegentlich werden auch Redebeiträge attackiert, wie im Falle Radomir Konstaninović', der Bakarić vorwirft, er sage in seinem Referat "Über die Jungen Schriftsteller" nichts über die wirkliche Lage in der jungen Literatur.625 Erwartungsgemäß setzt es aber für Hegedušić’ im vorletzten Absatz angesprochene ULUH-Rede heftige Kritik. Sie war in der Republika abgedruckt worden. Grga Gamulin nennt Hegedušić' Vorstoß schädlich, weil er so tue, als sei vor 1950 alles insgesamt ždanovsko-rozentalsko gewesen. Er habe nur die Äußerungen Petar Šegedins in dessen Kongressreferat (über die Kritik) übernommen, sie verallgemeinert und auf die bildenden Künste übertragen. Er schade dem Versuch, eine autonome Kritik aufzubauen ("Bärendienst"). Gligorić habe hingegen in "Kritika i kritikanstvo" richtig angemerkt, dass die Tendenz bestehe, die marxistische Kritik zu diffamieren, indem man sie mit dem Vorwurf der mechanischen Entlehnung der idejnost von den Sovjets belege. Diese Taktik verwende Hegedušić im Bereich der bildenden Kunst.626 Der Vorwurf entspricht der Warnung vor dem Einschleichen bürgerlicher Kategorien über den

622Krleža 1945a; Krleža 1947; Krleža 1950; Krleža 1952b; Krleža 1952a.

623Franičević 1948, 19.

624 Franičević 1948, 12.

625Konstantinović 1950a, 9.

626Gamulin 1950, 300-301.

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DIACHRONER TEIL antisovjetischen Kanal, wie sie im Kapitel "Gegen schädliche Freiheit" (S. 132) beschrieben wurde. Das ist der Diskussionshöhepunkt im Jahr 1950.

Die Rede von Šegedin ist zwar an sich nicht sehr weitgehend, sorgt aber für Diskussionsstoff. Der radikalste Beitrag dazu stamm wie erwähnt von Krsto Hegedušić. Er attackiert in einem Referat auf der Jahreshauptversammlung der ULUH [Udruženje Likovnih Umjetnika Hrvatske] am 8. Februar 1950 die Inquisitionszeit der Ždanov-Zogović-Linie:

Neuspjeh kritičke linije Ždanov-Zogović, koja se u našem likovnom životu uglavnom pokazala besplodnom, skolastičnom i apstraktnom, tako rekavši formalističkom u svom dubljem smislu, ne znači, da se naša radnička klasa odreći lenjinističkog principa partijnosti u umjetnosti, komunističke idejnosti i t. d. Mi se i dalje treba da borimo za realističku, socijalističku umjetnost u humanističkom smislu.

Die negative Kritik von Petar Šegedin (1950) treffe auch auf die bildenden Künste zu. Ausserdem fehlte in diesem Bereich Objektivität, Initiative und Glaubwürdigkeit. Besonders aber Eigenständigkeit:

[…] Slijepo prepisujući postavke Ždanova, Rosentala, Pavlova, nije htjela misliti dalje od nosa. Intelektualno paralizirana na toj liniji, ona je do rezolucije Kominforma vrtjela gramofonsku ploču Ždanov-Zogović, ne osvrčući se na naše prilike, uvjete, mogućnosti […].627

Ein weiterer kritischer Beitrag in die entgegengesetzte Richtung stammt von Živojin Boškov. Er urteilt über die Referate auf dem zweisten Schriftstellerkongress (von Gligorić, Bogdanović, Matković, Šegedin, Barković, Leskovac), über die Aufgaben der Literatur und ihren gegenwärtigen Stand, also die letzten Jahre seit dem Kongress. Die Referate seien alle "mehr oder weniger" gelungen. Sie behaupteten kritisch, in den letzten Jahren habe das literarische Schaffen an thematischer Einengung und grober Auffassung der idejnost gelitten. Das habe aber, meint Živojin Boškov rechtfertigend, an den Umständen der Zeit gelegen.628 Nikolić glaubt, Šegedin habe mit seiner Rede zwar einen Beitrag geleistet zur Befreiung von der Starrheit des Dogmatismus, aber er habe es unterlassen, die Ursachen für diese Erscheinungen aufzuzeigen: Einfluss der russischen Literatur, oder Kurzsichtigkeit (kratkovidnost) einiger Kritiker, oder beides?629

Die Diskussion über den Charakter der Kritik ist in diesem Jahr beherrschend (siehe auch weiter unten Seite 181). Gegenseitige Bezichtigungen, sich impressionistischer Methoden zu

627Hegedušić 1950, 110-117.

628Boškov 1950, 87.

629 Nikolić 1950, 1.

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DIACHRONER TEIL bedienen, wie im Falle von Zoran Gavrilović und Zoran Mišić, sind nichts neues.630 Ein schönes Beispiel für die Veränderung aber ist die Diskussion über den Charakter des Lachens, die (nicht nur Leserinnen und Leser von Umberto Eco) an das Spätmittelalter erinnert. Eli Finci ist der Initiator, Anlass war ein Theaterstück (siehe auch S. 78 und 166). Finci betont den revolutionären Charakter und die hygienische Funktion des Lachens:

smeh se ustremljuje na konzervativne težnje za okamenjivanjem pregaženih i umrlih pojava i oblika, on se suprotstavlja normiranju prolaznosti u kalupe večnosti […] Zato se kod nas u našoj socijalističkoj stvarnosti, na našem socijalističkom putu, koji je put totalne integracije slobode u sve oblasti ljudske delatnosti, u sve vidove stvarnosti i života, treba odlučno boriti za integralno pravo smeha i pravo na smeh631

Die Debatte zieht sich – und das ist auch etwas neues – über mehrere Nummern einer Zeitschrift, die der Svedočanstva. Fincis Widerpart ist in diesem Falle Bora Drenovec, der bestreitet, dass "das Lachen immmer und überall Ausdruck des Kampfes gegen das Überkommene" sei.632 Aber auch Kritik an der eigenen Zunft gibt es nun. Bei der Suche nach den Ursachen der Gleichgültigkeit des Publikums gegenüber "unserem Schreiben" schildert Radoslav Rotković die immer wiederkehrenden Worthülsen in der Literaturkritik:

I kada uzmete esej ili kritiku da čitate, učini vam se da ste to već negdje čitali i da je to dosadno, na jedan kalup.633

Das Jahr 1952 ist ein Jahr, in dem es, im Gegensatz zur Zeit davor, zur Konfrontation zwischen den gegensätzlichen Meinungen und Gruppierungen kommt, wenn auch zu einer verdeckt ausgetragenen Konfrontation. Vor 1952 war nichts dergleichen an die Diskursoberfläche gedrungen. Zoran Mišić zum Beispiel prangert an, es gebe immer noch Leute, die allem, was es erst seit kurzer Zeit in der Literatur gebe und was frisch sei, mit unglaublicher Missgunst und Zerstörungswut begegneten. Damit meint er vor allem den Kreis um die Zeitschrift mladost.634 Mit den "Leuten" könnte wiederum Drenovac gemeint sein, den Barković mit der Aussage zitiert, die neue Zagreber Literaturzeitschrift krugovi sei eine "Erscheinung der Wiederbelebung bourgeoiser Ideologie und Dekadenz." Barković versucht Bora Drenovec abzuwiegeln, indem er vermutet, Bora Drenovec fühle sich aus den krugovi ausgeschlossen und er habe ihn (Barković) wohl missverstanden, der nur habe sagen

630Gavrilović 1952.

631Finci 1952b, 2–3; Finci 1952c.

632Drenovec 1952.

633Rotković 1952, 263.

634Mišić 1952a; Mišić 1952d, 5.

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DIACHRONER TEIL wollen635, dass sich nicht alle Jugendlichen von der Zeitschrift mladost eines R. Radomir Konstantinović (junge Generation der prugaši, in den 50'ern gegen den "Realismus") und R. Tošović repräsentiert fühlten. Bora Drenovec sei damit gar nicht gemeint gewesen, denn er sei eine "politische Person".636 Franičević, der die Republika ja mehrfach kritisiert hatte (S. 171), erklärte übrigens 1948, Mladost wolle die eingesandten Artikel veröffentlichen, die die Republika nicht bringen könne637. Angesichts der Konfrontationen von 1952 und der Rolle von Mladost in ihnen, erscheint das etwas scheinheilig. Alles Gesagte muss allerdings in gewissen Relationen verstanden werden. Stark relativierend wirken etwa die Reaktionen, die Krležas Rede auf dem Laibacher Schriftstellerkongress hervorrief. Es soll fünf Minuten betretenes Schweigen geherrscht haben. Daraufhin versuchten die meisten Redner, mit Hilfe von diversen Kohärenzjokern, sich an Krležas Positionen nominell anzuschließen, vertraten aber – nicht-offen – die alten Positionen. Niemand wagte es, den neuen Platzhirsch offen anzugreifen. Dieses Diskursverhalten gleicht dem Schweigen und der Konsenskonstruktion auf den Veranstaltungen der Jahre 1947. Nur, dass sich das Blatt nun gewendet hat. Bogdanović bringt es in der Diskussion über Krležas Referat auf den Punkt: man habe bei der Vorbereitung des Kongresses die Polemik, das harte Aufeinanderprallen der Meinungen verhindern wollen, aber nicht das totale Schweigen beabsichtigt, das man nun erlebt habe.638

4 Nachbardiskurs "Literatur": ein Ausblick

In den letzten Kapiteln haben wir zunächst die unterschiedlichen Ansprüche beschrieben, die in verschiedenen Phasen an die Literatur und die Literaten herangetragen wurden (Kapitel 7.1.2 "Realismus" zwischen Tendenzlosigkeit und Schulmeisterlichkeit und 2 Änderung der Vorbilder). Im nächsten Kapitel ging es um die Art, wie diese Ansprüche formuliert wurden, und wann welche (oder wessen) Strömung diskursiv dominierte — siehe 3

635O nervozi vremena 1952.

636 Barković 1952.

637Franičević 1948, 18.

638Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 15.

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DIACHRONER TEIL Diskursregulierung). Nun folgt eine Beschreibung der Bewertungen, die die Diskursteilnehmer bezüglich der Literaturproduktion (nicht der literarischen T e x t e ) vornehmen. Genügt sie ihren Ansprüchen?

4.1 Aufgabe erfüllt?

Marin Franičević gibt im Juli 1947 eine eindeutige Antwort. Für ihn hat die Literatur ihre Aufgaben seit Kriegsende nicht vollständig erfüllt.639 Auf allen anderen Sektoren der Gesellschaft habe es durchschlagende Erfolge gegeben, nur in der Literatur nicht. Die großartige Realität wurde durch die Literatur nicht richtig abgebildet:

[književnost je puna] svih mogućih nenarodnih, dekadentnih i reakcionarnih gledanja, puna besprincipijelnih i formalističkih sastavaka, puna stranih tendencija, tendencija, koja se oblače u lažno ruho 'bestendencioznosti' ili čak progresivnosti.640

Ivo Andrić stellt das im nächsten Februar, also noch vor der Moskauer Resolution, ganz ähnlich dar. Er meint, man könne mit dem Erreichten nicht zufrieden sein, weder im Verband noch in der Gesellschaft, wie auch auf dem letzten SKJ-Plenum festgestellt worden sei, weil sich die Literatur nicht nach "den Wünschen und Plänen" entwickle. Dennoch müsse auch der erreichte Fortschritt objektiv festgestellt werden.641 Horvat beklagt (zwei Monate später), dass zu wenig geschrieben werde. Er zählt auf, wieviele Mitglieder der Verband habe und wirft einem Großteil vor, just seit der Befreiung nicht mehr zu schreiben und sich nicht an den Diskussionen zu beteiligen. Er bezichtigt diese Personen des Boykotts (vergl. S.171):

[…] kao što su uporno šutjeli na društvenim sastancima književnika Hrvatske.642

Auch Čedomir Minderović geht 1947 sofort nach der Darstellung der Aufgaben zu einer Schelte für die Schriftsteller über. Von den gedruckten Büchern stammten zu viele noch aus der Vorkriegszeit. Eine "Reihe Schriftsteller, Mitglieder des SKJ" hätten seit der Befreiung, und nicht nur seit dem ersten Kongress, kaum oder gar keine Bücher veröffentlicht:

[I po intenzitetu] i po kvalitetu — po tematici, sadržaju i umetničkom dometu naša književna ostvarenja najvećim delom zaostaju, ne idu u korak sa ekonomskim, političkim i kulturnim

639Siehe Kapitel 7.1 Aufgabe: darstellen ab Seite 101.

640Franičević 1947, 430.

641Andrić 1948, 217.

642Horvat 1948, 225.

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DIACHRONER TEIL životom naših naroda, u nedovoljnoj meri odražavaju taj život i razvoj i vrlo malo, svojim sretstvima, utiču na njega.643

Als einziger fährt Marin Franičević zwischen den beiden Kongressen im Jahr 1949 fort, die Literaten zu schelten. Interessanterweise tut er das im selben Monat, in dem die Anti-Moskau- Resolution der Jugoslavischen Schriftsteller erscheint:

Sa starim opterećenjima treba se danomice hvatati u koštac, sve dok ne budu potpuno odstranjena s mladog organizma našega novog društva zatvorenost mnogih književnika među četiri zida, o njihovu nepoznavanju života644

Interessant ist diese Koinzidenz, weil ab dem Jahr 1949 die Unzufriedenheit mit den Ergebnissen der literarischen Produktion einer negativen Beurteilung der vergangenen Jahre, also der Zogović-Zeit, weicht. Vladimir Bakarić verkündet auf dem zweiten Schriftstellerkongress:

Dosada su književnici Jugoslavije opravdali povjerenje, koje im danas narod iskazuje.645

1950 halten sich die negativen und postiven Beurteilungen der unmittelbaren Vergangenheit noch die Waage. Hegedušić:

[…] ona je mislila, da sve ono, što vrijedi u Rusiji i što je dobro za Ruse, mora vrijediti i automatski biti dobro i za nas.646

Barković vertritt die entgegengesetzte Auffasszung und greift besonders die älteren Schriftsteller an:

Među nekim starijima, a evo vidimo i među mladima, skupljalo se do kongresa čvrsto uvjerenje da su ove granice dozvoljene slobode tretiranja i traženja istine bile jako skučne, čak da je bilo 'opasno' postavljanje nekih pitanja koja su za umjetnost odlučujuća. Svakako da je naš odnos prema SSSR-u do Rezolucije donekle uslovlavao takvu politiku, i da su postojali za to stanje izvjesni objektivni razlozi. […] nisu bili ubiutačni po našu književnost, u tolikoj mjeri, kako to neki žele prikazati.647

Zwischen 1948 und 1950 kommt es also zu einem Ausgleich der Kritiker der "Dekadenz" und den Kritikern der Kritiker. Diesen Umschwung vor 1950 konstatiert auch Risto Tošović in seinem Ljublanaer Kongressbeitrag. Er meint, der letzte Kongress habe zu einer "volleren und freieren" Entwicklung des kulturellen Lebens beigetragen. Er glaubt, dass nach 1948 die

643Minderović 1947, 643f.

644Franičević 1949a, 12f.

645Bakarić 1950, 1

646Hegedušić 1950, 111.

647Barković 1950, 444.

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DIACHRONER TEIL neuen Verhältnisse entstanden seien, in denen die Jungen die neuen "Impulse für eine viel breitere und freiere Aktivität" bekommen hätten.648

Eli Fincis Kritik markiert einen Neubeginn, parallel zur ideologischen Umorientierung (S. 161), indem sie die Sattelfestigkeit im Marxismus-Leninismus zum Hauptkriterium erhebt. Finci schreibt in einem Artikel, er habe auf dem Schriftstellerkongress zur Rede Šegedins angemerkt, dass die meisten Kritiker theoretisch unreif und auf die Schnelle Marxisten geworden seien. Sie hätten den alten "impressionistisch-pamphletistischen Stil" in ein "rhetorisches Gewand marxistischer Phrasen gekleidet".649

Gligorić wendet ein, es bestehe (bei Finci wohl) eine Tendenz, der Gegenwartskritik zu unterstellen, sie habe aus der Sovjetunion mechanisch die Begriffe der idejnost und partijnost übernommen. Die Kritik sei aber in einer Phase des ideologischen Kampfes gegen die Überreste der Bourgoisie und ihrer Kultur und habe nur das Werk der fortschrittlichen Kritik der Zwischenkriegszeit fortgesetzt. Außerdem müsse man der Gegenwartskritik hoch anrechnen, dass sie scharf gegen die Vulgarisierung der Darstellung "des NOB und unserer Realität" durch Schwarzweißmalerei und Schematismus gekämpft habe. Velibor Gligorić dreht den antsovjetischen Spieß um und behauptet, "einige Schriftsteller" sähen in der neuen Situation in Jugoslavien so etwas wie einen Neuen Kurs wie es ihn in der Sovjetunion gegeben habe und wollten ähnlich wie dort eine kleine čistka durchführen. Sie gäben vor, die Sovjetunion zu kritisieren, bedienten sich aber dabei sovjetischer Methoden.650 Bis 1950 existieren also zwei diskursive Strömungen nebeneinander. Bis zum Jahr 1952 gelang es offenbar es der einen Strömung, ihre Hegemonie durchzusetzen. Auch Marin Franičević scheint auf den hier angeprangerten Kurs innerhalb dieser zwei Jahre eingeschwenkt zu sein. Am ersten Mai 1952 gibt er ein Interview in der Politika und antwortet auf die Frage nach der Situation der Literatur, es gebe immer noch die "Kolonialpsychologie", die nach der Befreiung Jugoslaviens zur Überbewertung der "schwachen zeitgenössischen russischen Literatur" geführt habe und momentan zur "Überhöhung einiger Erscheinungen in den westlichen Literaturen".651

6483 kongres književnika Jugoslavije 1952, 2.

649Finci 1950, 3.

650Gligorić 1950b, 3.

651Franičević 1950.

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DIACHRONER TEIL Auch Zoran Mišić glaubt, dass sich die Literatur jetzt zum Positiven entwickle. Als Symptom dafür, dass sich das Literaturleben belebe, nennt er das Erscheinen neuer Zeitschriften (Mladost, Krugovi, Tribina, Zapisi).652 1952 herrscht allenthalben die Auffassung, dass erst jetzt die Zeit des Ždanovismus ende. An die Stelle der Literaturschelte tritt also kein Literaturlob, sondern eine Abgrenzung von der unmittelbaren Vergangenheit. Dabei konzedieren die ehemaligen "Literaturschelter", also wahrscheinlich Parteigänger von Zogović, dass diese Zeit unter ideologischer Verengung gelitten habe; aber sie versuchen das zu entschuldigen — um sich selbst dabei zu rechtfertigen.

Ziherl vertritt in der Diskussion über Krležas Referat die Ansicht, man habe die ždanovistischen Schablonen, in denen die Literatur mit Dekreten identifiziert werde, noch nicht überwunden — aber auch die dekrethafte Metaphysik nicht. Mitrev stellt sich in derselben Diskussion auf die Seite derjenigen Strömungen, die sich gegen die "altlinke Linie der Vulgär-tendencijoznost" richteten, die "Mittelmäßigkeiten, Konjunkturisten und schwache Talente" gefördert habe.653 Schon in der Diskussion über das Referat von Krleža wird daran gearbeitet, es zu dem Wendepunkt im jugoslavischen Literaturleben zu machen. Mit anderen Worten, Šegedin etwa konstruiert mit diskursiven Mitteln den erwünschten Umschwung wenn er sagt, überall auf dem Kongress sprächen die Leute über nichts anderes als dieses Referat.654 Andere Diskursteilnehmer versuchen die Bedeutung des Referats oder des Kongresses herunterzuspielen.

4.2 Kulturpessimismus

Neben all den beschriebenen Phänomenen greift besonders im Jahr 1952 eine Diskursstrategie um sich, die man mit Kulturpessimismus umschreiben könnte. Es wäre verführerisch, diese Art von Äußerungen als Antwort der mundtot gemachten Ždanovisten auf die kulturelle Hegemonie ihrer Gegner zu sehen — allerdings stammen die Belege bis auf eine Ausnahme von anderen Autoren als den "ždanovistischen". Dennoch erscheint dieses Phänomen interessant und es soll hier kurz anhand einiger Zitate veranschaulicht werden. Die Beschwerde von Selaković haben wir bereits kennengelernt. Er beklagt sich, dass unreife Anfänger in letzter Zeit dauernd von der Modernisierung unserer Literatur redeten und

652Mišić 1952a.

653Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 13f.

654Diskusija o referatu Miroslava Krleže 1952, 13.

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DIACHRONER TEIL darüber "dozierten", worüber man schreiben solle: "'o fenomenima seksusa', 'o tratinčicama', 'o blijedim, sanjarskim djevojkama' i 'o kaosu u nama'."655

Verständlich erscheint die pessimistische Perspektive der Redaktion der Književne Novine, die anlässlich des Einstellens ihrer Zeitung eine Grundsatzerklärung abgeben. Die Književne Novine seien ein Organ für den Kampf der marxistischen Schriftsteller gegen die Senkung des theoretisch politischen Niveaus der Presse, gegen Verneinung und Verfälschung des Marxismus, gegen Angriffe auf die sozialistische Demokratie.656 Ein als eigene Meinung abgedruckter Beitrag in der Jugendzeitschrift Mladost bringt besonders deutlich die kulturpessimistische Strömung zum Ausdruck, die ganz am Schluss unseres Betrachtungszeitraums existiert:

Da li ste kada promatrali plesanje sambe? […] ja samo mislim da bi bilo dobro razmisliti o razlici između nas i primitivnog nekog plemena s pacifičkih arhipelaga.657

Bei diesen neuen Tänzen gehe es in erster Linie um "seks". Die junge Generation der Nachkriegszeit erlebe einen Sittenverfall, der im Kriege begonnen habe und nun seine Motivation im Wunsch finde "'modern'" zu sein, oder schlimmer noch, "in Ermangelung anderer Beschäftigungen": "Uglavnom, orgije kakove se priređuju u raznim stanovima nemaju ništa zajedničko sa prirodnim tokom stvari."658

655Selaković 52.

656Umesto književnih novina — novi časopis. 1952.

657Baumštark 1952, 381.

658Baumštark 1952, 380f. 184

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Anhang

Das Resümee aus dem diachronen und dem synchronen Teil befindet sich aus technischen Gründen am Ende dieser Arbeit und ist in serbokroatischer Sprache verfasst. Da die Korrektorin dieser Arbeit, Univ. Doz. Sturm-Schnabl, Slovenisch spricht, habe ich die Zusammenfassung in der für sie als Kajkaverin am besten verständlichen Sprache geschrieben — auf Ekavisch und in lateinischer Schrift.

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ANHANG Personen – Funktionen

L e i t u n g S K J ( 1 9 4 6 b i s P r e d s j e d n i k : Andrić 1 9 4 9 ) : P o t p r e d s j e d n i c i: Krleža, Petrović, Ivo Andrić p r e t s e d n i k Oton Župančić, Miroslav Krleža, Isidora Kranjec, Samokovlija, Koneski, Kostić S e k u l i ć , R a d o v a n Z o g o v i ć , I s a k G e n e r a l s e k r e t ä r : Minderović; S a m o k o v l i j a , B l a ž e K o n e s k i S e k r e t ä r e : Franičević, Klopćić.660 p o t p r e t s e d n i c i Č e d o m i r M i n d e r o v i ć g l a v n i DKH- L e i t u n g ( 1 9 5 0 ): s e k r e t a r Ivo Frol 1. s e k r e t a r Kolar: p r e d s j e d n i k Mile Klopčić 2. s e k r e t a r P o d p r e d.: Franičević, Vladimir Popović Juš Kozak, Viktor Car-Emin, Veljko t a j i n i c i : Šegedin, Grigor Vitez Petrović, Milan Bogdanović, Slavko Kolar, Č l a n o v e u p r a v n o g o d b o r a : Franc Bevk, Desanka Maksimović, Marin Franičević, Boris Ziherl, Vjekoslav Kaleb, Krleža, Krklec, Novak Šimić, Joža Horvat, Skender Kulenović č l a n o v i u p r a v e; Živko Jeličić.661 N a d z o r n i o d b o r: Prežihov Voranc, Aco Šopov, Branko Ćopić, M H: U p r a v n i o d b o r ( 1 9 5 1 ): 659 Ivan Dončević, Velibor Gligorić. P r e d s j e d n i k : Gustav Krklec. Č l a n o v i : Josip Badalić, Dobriša Cesarić, N e u e L e i t u n g d e s S K J ( 1 9 4 9 Mirko Deanović, Grga Gamulin, Veljko b i s 1 9 5 2 ) : Gortan, Ivo Hergešić, Joža Horvat, Andrić, Krleža, Veljko Petrović, Miško Vjekoslav Kaleb, Slavko Kolar, Jakša Kranjec, Isak Samokovlija, Blažo Koneski, Kušan, Petar Lasta, Ranko Marinković, Dušan Kostić, Čedomir Minderović, Marin Marijan Matković, Nikola Pavić, Jakša Franičević, Mile Klopčić, Josip Barković, Ravlić, Jaroslav Šidak, Josip Škavić, Petar Šegedin, Viktor Car Emin, Milan Dragutin Tadijanović, Josip Torbarina; Vice Bogdanović, Slavko Kolar, France Bevk, Zaninović. Jovan Popović, Velibor Gligorić, Marijan N a d z o r n i o d b o r : Rudolf Bićanić, Jurković, Mira Pucova, Skender Kulenović. Oleg Mandić, Novak Simić, Ivanka Vujčić- N a d z o r n i o d b o r : Laszkowski, Vladimr Vuković.662 Prežihov Voranc, Aca Šopov, Branko Čopić, Milivoje Ristić, Vjekoslav Kaleb 660 sud časti: Ivan Dončević, Milorad Panić- Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 55. Surep, Ivan Potrč. 661Glavna godišnja skupština književnika Hrvatske 1950, 170

659Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 481. 662Godišnja skupština Matice Hrvatske 1951, 212.

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ANHANG Izvor, erscheint erstmals 1948 in Zagreb. O d g o v o r n i u r e d n i k : J o s i p Barković. U r e đ u j e o d b o r : Vatroslav Mimica, Slobodan Novak, Dušan Roksandić, Hrvoje Šarinić, Ante Zemljar.663

U K S ( 1 9 4 6 ): Jovan Popović (potpretsednik Udruženja Književnika Srbije)664

663Savetovanje mladih pisaca Jugoslavije 1949, 3.

664Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 477.

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ANHANG Personen – Bewertungen

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1.2 Preise ( 1 9 4 8 ) " N a g r a d e k o m i t e t a z a k u l t u r u i u m j e t n o s t v l a d e F N R J ( 1 9 4 8 ) K n j i ž e v n e n a g r a d e U august 1946. godine Komitet za kulturu i p r e d s j e d n i š t v a v l a d e N. R. umjetnost vlade FNRJ objavio je, da će u H r v a t s k e okviru stalnih godišnjih nagrada dodijeliti Predsjedništvo vlade Narodne Republike nagrade za književna i umjetnička djela Hrvatske, na osnovu prijedloga žirija, o b j a v l j e n a , p r i k a z a n a , i z l o ž e n a i odlučilo je da za književno-umjetnički rad i reproducirana u periodu od početka djela u narodno-oslobodilačkoj borbi i narodnooslobodilačke borbedo kraja 1946. poslije oslobođenja (razdoblje g. 1941. do godine. Poslije savetovanja sa žirijima […] 1947.) podijeli ove nagrade za književnost: Komitet za kulturu i umjetnost vlade FNRJ (Žiri: Luka Perković, Vjekoslav Kaleb, Petar odlučio je da se neke prve nagrade ne Lasta) dodijele, jer nije bilo radova koje bi Vladimiru Nazoru za 'Pjesme partizanke' zasluživali te nagrade, a neka djela da se nagradu od D 30. 000.- nagrade u svrhu priznanja zasluga njihovih Marinu Franičeviću za knjigu pjesama autora, podupiranja njihovih napora i 'Govorenje Mikule Trudnega' nagradu od njihovog daljnjeg razvitka. D 10. 000.- […] Dodijeljene su slijedeće nagrade za Zdenku Štambuku, za knjigu pjesama književnost: 'Tragom crvene zvijezde' nagradu od D 1. a)za roman 'Na Drini ćuprija' Ivi Andriću 10. 000.- prva nagrada od D 10. 000.- Vladimiru Popoviću, za pjesnički rad u b)za roman 'Jamnica' Prežihovu Vorancu, NOB, nagradu od D 10. 000.- druga nagrada od D 50. 000.- Ivanu Dončeviću za knjigu pripovijedaka c) za roman 'Danuncijada' Viktoru Caru- 'Bezimeni' nagradu od D 10. 000.- Eminu, druga nagrada od D 50. 000.- Josipu Barkoviću za pripovjedački rad u 2. a) za poemu 'Biografija o drugu Titu' NOB, nagradu od D 10. 000.- Radovanu Zogoviću, nagrada od D Ivi Ćaće za književni rad u NOB, nagradu od 30. 000.- D 10. 000.- b) za poemu "Jama" Ivanu Goranu- Josipu Pavičiću za knjigu pripovijedaka za Kovačiću, nagrada od D 30. 000.- djecu 'Djeca majke zemlje' nagradu od c) za zbirku pjesama "Zimzelen pod D 10. 000.- snegom" Otonu Župančiću, nagrada od D (Nagrade za roman, za dnevnik iz narodno- 30. 000.- oslobodilačke borbe i za knjigu eseja nisu d) za zbirku pjesama 'Pesni' Mateju Boru, podijeljene)."665 nagrada od D 30. 000.- e) za poemu 'Stojana, majka Kežpoljka' Skenderu Kulenoviću, nagrada od 665Književne nagrade predsjedništva vlade N.R. D 30. 000.- Hrvatske 208.

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ANHANG f) za zbirku pjesama 'Pesnik i zavičaj' 2. Zbirke pripovjedaka Desanki Maksimović, nagrada od a) Prva nagrada za zbirku pripovjedaka nije D 30. 000.- dodijeljena; 3.)a) za zbirku pripovijedaka nije dodijeljena b) Druga nagrada Vjekoslavu Kalebu' [sic!] prva nagrada, a druga nagrada dodijeljena je za zbirku pripovjedaka 'Brigada' 50. 000.- Jovanu Popoviću za zbirku pripovijedaka v) Druga nagrada Isaku Samokovliji za 'Istinite legende', nagrada od D 3 0 . zbirku pripovjedaka 'Nosač Samuel' 50. 000.- 000.- b) za zbirku pripovijedaka 'Za pobjedu' Joži 3. Zbirke pjesama Horvatu, nagrada od D 20. 000.- a) Prva nagrada Radovanu Zogoviću za 4. a) za dnevnik 'S partizanima' Vladimiru zbirku pjesama 'Prkosne strofe' 80. 000.- Nazoru prva nagrada D 50. 000.- b) Druga nagrada Branku Ćopiću za zbirku b) za 'Dnevnik' Vladimiru Dedijeru, prva pjesama 'Ratnikovo proljeće' 50. 000.- nagrada od D 50. 000.- v) Druga nagrada Janku Đonoviću za zbirku c) za 'Dnevnik 1941.' Dragojlu Dudiću, pjesama 'Gorski tokovi' 50. 000.- druga nagrada od D 30. 000.- 4. Drama" 5. za rad na dječjoj književnosti Branku a) nichts Ćopiću D 35. 000.- b) 3. Preis S. Kulenović/ Večera (Nisu dodijeljene nagrade za dramu, kritiku i v) 3. Preis Joža Horvat 'Prst pred nosom' eseje.)666 [v) [sic!] 2. Preis Slavko Janeski Kinderbuch ' P a c ě e j a ł Ç ŕ y É Á Ç ' i s t v o n d e r ( 1 9 4 8 ) N a g r a d e K o m i t e t a z a Kinderliteratur raufgerutscht] k u l t u r u i u m j e t n o s t v l a d e Übersetzungen: Koneski/Gorski vijenac, F N R J z a 1 9 4 7 F o l g e n d e Vidmar/Moliere, Škola za žene, Boža Auszeichnungen gelten Arbeiten, die Kovačević/Puškins Prosa. zwischen dem 1. Jänner und dem 31. Essays und Kritik: keine.667 D e z e m b e r 1 9 4 7 v e r ö f f e n t l i c h t , "reproduziert" oder aufgeführt wurden. ( 1 9 5 0 ) " N a g r a d e V l a d e F N R J Wieder wurden für einige Kunstsparten nur z a s l u ž n i m r a d n i c i m a n a zweite oder dritte Preise vergeben, weil es p o d r u č j u n a u k e i k u l t u r e z a keine Werke gegegben habe, die den Preis 1 9 4 9. godinu verdient hätten. Entsprechend seien in [auf den Vorschlag der Kommission hin][…] anderen Sparten mehrere erste Preise verteilt Za književni rad nagrađeni su:" worden. 1. Preis Za književnost: Andrić Ivo/Nove pripovetke/100. 000 1. Roman Petrović Veljko/Prepelica u ruci/100. 000 a) Prva nagrada za roman nije dodijeljena; Prežihov Voranc/Solzice/100. 000 b) Druga nagrada Mišku Kranjcu za roman Ćopić Branko/Surova škola/80. 000 'Fara sv. Ivana 60. 000.- Kombol Mihovil/prijevod Danteova 'Pakla'/ v) Druga nagrada Otu Bihalji Merinu za 80. 000 roman 'Doviđenja u oktobru' 60. 000.- Davičo Oskar/poem 'Zrenjanin'/80. 000 g) Treća nagrada Ervinu Šinku za roman 2. Preis 'Četrnaest dana' 40. 000.- Slodnjak Anton/Pogine naj pes/80. 000

666Nagrade Komiteta za kulturu i umjetnost vlade 667Nagrade komiteta za kulturu i umjetnost FNRJ za FNRJ za 1947, 207f. 1947, 166f.

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ANHANG Božić Mirko/drama 'Povlačenje'/60. 000 Marinković Ranko/novele 'Proze'/50. 000 Kulenović Skender/za satirničnu poemu 'Zbor derviša'/50. 000 Bevk France/djelo dječje književnosti 'Otroška leta/50. 000 Janevski Slavko/za zbirku pjesama 'ĚecłÇ'/ 30. 000 Pavičić Josip/za djelo iz dječje književnosti 'Radost mladog pokoljenja'/30. 000668

668Nagrade vlade FNRJ zaslužnim radnicima na području nauke i kulture za 1949. godinu 1950, 63f.

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ANHANG Termine — Anlässe

23. bis 24. November 1947, Plenum der Mitarbeiter. 80 Delegierte. Belgrad 14/15 Leitung (Leitung) des SKJ tagt in Belgrad.669 November673

23. 02. 1947 glava godišnja skupština 26. 11. 1950: Plenartreffen des DKH über Društva književnika Hrvatske.670 die Aufgaben und Pflichten der Schriftsteller im Zusammenhang mit der "IB-Kampagne". Savetovanje književnih početnika i pisaca Resolution Hrvatske u aprilu 1948 2. Schriftstellerkongress in Zagreb vom 26. - L a u t R i s t o To š o v i ć g i b t e s n u n 29. Dezember 1949 im Gebäude des Hrv. "Sommertreffen" mit fortschrittlichen glazb. zavod.674 Schriftstellern der "Welt" in Dubrovnik.671

23. 02. 1947 glavna godišnja skupština 1.4 Društva književnika Hrvatske. Jahreshauptversammlung DKH am 22. 23. bis 24. November 1947, Plenum der Jänner Leitung (Uprava) des SKJ tagt in Belgrad. anwesend: Agitpropsekretär des ZK der KPH Zlatko Uzelac; ein Vertreter des NRH- 1. II. 1948. Glavna godišnja skupština DKH Bildungsministeriums und einer vom Udr. u Zagrebu; Kompozitora Hrvatske sowie vom DK Slovenije675 1.3 Tagung der Anfänger und Jungschriftsteller 676 Savetovanje Redakcije omladinskih Kroatiens 1950 am 24./25. April in Zagreb. književnih časopisa i njihovih saradnika 14-15 novembra 1949 u Beogradu672 1.5

Z K d e r N O J ( N a r o d n a O m l a d i n a 14. veljače [Februar] o. g. održana je u Jugoslavije) in Zusammenarbeit mit SKJ prostorijama Kluba novinara i književnika u organiksierten die erste Tagung der Zagrebu godišnja skupština Matice Redaktionen der JugendZS und ihrere Hrvatske. […] skupštini su prisustvovali predstavnici Ministarstva prosvjete NR

673Zaključci savetovanja redakcija omladinskih časopisa 1949, 1 669Minderović 1947, 641. 674Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 43. 670Nazor 1947, 145. 675Glavna godišnja skupština književnika Hrvatske 6713 kongres književnika Jugoslavije 1952, 3. 1950, 170

672Za nova pregnuća 1949, 865. 676Pavletić 1950, 367.

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ANHANG 191

ANHANG

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ANHANG Hrvatske, Jugoslavenske akademije znanosti i umjetnosti, Društva književnika Hrvatske, Matice Srpske, Srpske književne zadruge, Seljačke Sloge, Srpskog kulturno- prosvjetnog društva 'Prosvjeta' i dr.677

1.6

3. Kongress war am 5. – 7. Oktober 1952.678

A m M i t t w o c h , 2 . J u l i , i n d e n Räumlichkeiten des UKS außerordentliche Plenarsitzung über Vorfall in der SANU „kada je na besprimeran način jedna reakcionarna manjina uspela da onemogući da tri opštepriznata javna i kulturna radnika — Milan Bogdanović, Marko Čelebonović i Petar Lubarda — budu primljeni za dopisne članove Akademije."…meint das UKS- Plenum in seiner Einleitung zur Resolution (genauer: die Red. der Književne Novine) gegen die Zurückweisung von drei Kandidaten (darunter M. Milan Bogdanović) durch die SANU, obwohl von der JAZU/Zg angenommen.679

677Godišnja skupština Matice Hrvatske 1951, 202.

6783 kongres književnika Jugoslavije 1952, 1.

679Rezolucija plenuma Udruženja književnika Srbije 1952.

193

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ANHANG Personen – Anlässe

1.7

1.8 11. Davičo, 12. Raško Dimitrijević, radno predsedništvo des 1. Kongresses: M. Krleža, I. Andrić, V. Petrović, J. Kozak, 13. Dedinac, M. Marković, M. Bogdanović, Č. 14. Đoković, Minderović, L. Perković, Z. Štambuk, V. 15. Zogović, Maleski-Tale, J. Đonović (Serbien 4 Kroatien 3 16. Živojinović, Slovenien, Bosnien und Hercegovina, 17. Žicina, Makedonien und Montenegro je 1)680 18. Ž. Konfino, erster Kongreß: 1946. Delegierte: Serbien 19. Kovačević, 40, Kroatien 40, Slovenien 25, BiH 9; Vojvodina 6; Makedonien 6; Montenegro 3. 20. Kostić, Die Personen im einzelnen: 21. Matić, Serbien: 22. Maksimović, 1. Andrić 23. Milačić, 2. Balk, 24. Minderović, 3. Bilbija, 25. Mladenović, 4. Bihalji-Merin, 26. Nikolajević, 5. Bogdanović, 27. Pačić-Surep, 6. Vranješević, 28. Plaović, 7. Vukasovski, 29. Pešić, 8. Vučo, 30. Petrović, 9. Gavela, 31. Popović, 10. Gligorić, 32. Milan Predić, 680Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 478.

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ANHANG 33. Prodanović, 16. Kaleb

34. Milivoje Ristić, 17. Kaštelan

35. Savić-Rebac, 18. Kolar

36. Sekulić, 19. Krleža

37. Stanimirović, 20. Loboda-Zrinski

38. Tartalja, 21. Koh

39. Ćopić, 22. Lastovski

40. Finci, 23. Ljubić

41. Hrvaćanin; 24. Mađarević Kroatien: 25. Matić-Hale 1. Bakula 26. Matković 2. Barković 27. Marinković 3. Begović 28. Perković 4. Veretini 29. Popović 5. Boglić 30. Sekulić 6. Brajer 31. Simić 7. Ćaće 32. Sučević 8. Dončević 33. Šegedin 9. Franičević 34. Šinko 10. Frol 35. Štambuk 11. Hanžeković 36. Šimić 12. Horvat 37. Vitez 13. Ivanišević 38. Vučetić 14. Jakovljević Slovenien: 15. Lj. Jonke 1. M Klopčić

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ANHANG 2. F Koblar 1. M Delibašić

3. B Kreft 2. M Feldman

4. M Košir 3. R Handžić

5. J Kozak 4. H Humo

6. M Kranjec 5. S Kulenović

7. T Seliškar 6. M Marković

8. T Vodnik 7. V Obrenović-Delibašić

9. F Vodnik 8. I Samokovlija

10. I Potrč 9. Z Šubić

11. D Legiša Vojvodina:

12. P Golija 1. V Gal

13. I Gruden 2. K Georgijević

14. J Udovčić 3. Z Klacik

15. E Muser 4. M Leskovac

16. M Mohorić 5. B Čiplić

17. D Gruden 6. V Popa

18. R Lovec Makedonien:

19. F Kosmač 1. J Boškovski

20. J Pahor 2. B Koneski

21. J Pribičić 3. V Maleski-Tale

22. M Šega 4. V Markovski

23. F Kumbatović 5. A Šopov

24. V Bartol 6. R Kale

25. M Bor Montenegro:

Bosnien und Hercegovina: 1. M Banjević

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ANHANG 2. J Đonović 23. bis 24. November 1947, Plenum der 3. M Lalić Leitung (Uprava) des SKJ tagt in Belgrad. Anwesend: Vorsitzender des SKJ Ivo Andrić, Delegierte aus der UdSSR: Leitung-Mitglieder, Vorsitzende und V. Kataev, A. Prokofev, V. Višn'evskij681 Sekretäre der Republiksverbände, C h e f r e d a k t e u r e ( u r e d n i c i ) d e r Vertreter der Schriftsteller, die am 19. November 1946 während des Kongresses ZEITSCHRIFTEN Književnost, Republika, Tito besuchen (dürfen): Novi Svet, Stvaranje, Pregled, Mladost, Nov Milan Bogdanović, Miroslav Krleža, Ivo Den, Letopis Matice Srpske. Einleitung: Andrić, Veljko Petrović, Radovan Zogović, Andrić (Tätigkeitsbericht), Inhaltliches Čedomir Minderović, Desanka Maksimović, Gvido Tartalja, Velibor Gligorić, Isak Referat (hier ein Ausschnitt) Čedomir Samokovlija, Filip Kalan, Matej Bor, Tone Minderović (Generalsekretär SKJ)684 S3eliškar, A. R. Boglić, Blaže Koneski, Risto Krle, Pavel Golia, Marin Franičević, Nach der Inkorporierung des DKH in den Ervin Šinko, Skender Kulenović, Juš Kozak, SKJ laut Štambuk: France Koblar, Slavko Kolar, Luka Perković. Alaupović, Tugomir Gast. Jean-Richard Bloch.682 Anđelinović, Danko Bakula, Petar Ausländische Delegationen: Barković, Josip Tristan Tzara (Frankreich, Komitee frz. Batušić, Slavko Schriftsteller) Barac, Antun Petar Julemnjicki (Vereinigung der Badalić, Josip slovakischen Schriftsteller) Begović, Božena Ševket Musaraja (Albanien) Benešić, Julije Georgij Karaslavov (Bulgarien) Boglić, Ante Sándor Gergely (Ungarn) Ćaće, Ive Ion Frunseti (Rum) Dean, Ante Jaroslav Nečas (Ring mährischer Schrftst.)683 Dončević, Ivan Dukić, Ante Franičević, Martin 1.9 Franičević, Jure-Pločar Gamulin, Grga 23. 02. 1947 glavna godišnja skupština Halle-Matić, Mirjana Društva književnika Hrvatske. Rede von Hanžeković, Mate Hergešić, Ivo Vladimir Nazor (Ehrenvorsitzender DKH Horvat, Joža und SKJ). Car-Emin, Viktor Ivanišević, Drago Jakovljević, Ilija 681Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 577. Kaleb, Vjekoslav 682Tito 1946, 1. Kolar, Slavko

683Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 479. 684Minderović 1947, 641.

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ANHANG Kolarić - Kišur, Zlata Kandidati: Kombol, Mihovil 1. Parun, Vesna Kostelić, Adam 2. Beretin, Mate Krleža, Miroslav 3. Jeličić, Živko Krklec, Gustav 4. Kosak, Đuka Kaštelan, Jure 5. Stipčević, Augustin Katalinić, Rikard 6. Vitez, Grigor Košutić, Sida 7. Bonifačić, Rožin Miko685 Kušan, Jakša Jurković, Marijan 23. bis 24. November 1947, Plenum der Lasta, Petar Leitung (Uprava) des SKJ tagt in Belgrad. Laszowski, Ivanka Anwesend: Vorsitzender des SKJ Ivo Andrić, Lovrak, Mato Leitung-Mitglieder, Vorsitzende und Livadić, Branimir Sekretäre der der Republiksverbände, Ljubić, Pere Chefredakteure (urednici) der Zeitschriften Majer, Vjekoslav Književnost, Republika, Novi Svet, Marinković, Ranko Stvaranje, Pregled, Mladost, Nov Den, Marković, Zdenka Letopis Matice Srpske. Einleitung: Andrić Miholjević, Mila (Tätigkeitsbericht), Inhaltliches Referat Matković, Marijan Čedomir Minderović (Generalsekretär Mirković, Mijo SKJ).686 Milković, Zvonko Nazor, Vladimir 1.10 Nikolić, Mihovil Pavičić, Josip Perković, Luka 1. II. 1948. Glavna godišnja skupština Petrović, Pecija DKH u Zagrebu; V. Nazor wegen Krankheit Pavić, Nikola verhindert, von I. Andrić, Vorsitzender SKJ, Polić, Nikola in dessen Rede herzlich gegrüßt (toplim Popović, Vlado Sekulić, Jakov riječima). Izvještaj des Sekretärs des DKH Simić, Novak (?), Joža Horvat (tajnik). Šegedin, Petar Šimić, Stanko 77 Vorlesungen in allen Städten Kroatiens Šinko, Ervin von: Franičević, Šinko, Barac, Boglić, Ive Škurla Verka Ilić Čaće, Marijan Matković, Šegedin, Vlado Štambuk, Zdenko Popović, Gamulin, Vice Zaninović, Kolar, Šolc, Oto Kaleb, Dončević, Vučetić, Kombol, Slavko Tadijanović, Dragutin Batušić, Drago Ivanišević, Julije Benešić, Šenoa, Milan Zdenka Marković, Joža Horvat.687 Vučetić, Šime Uvodić, Marko 685Štambuk 1947, 154. Zaninović, Vice 686Minderović 1947, 641.

687Horvat 1948, 229.

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ANHANG 1.11 Desanka Maksimović Ranko Marinković Marko Marković Unterzeichner der Resolution ("Antwort") Tanasije Mladenović der Schriftsteller des SKJ: Čedomir Minderović Ivo Andrić Dimitar Mitrev Mirko Banjević Vladimir Nazor Antun Barac Jože Pahor France Bevk Milorad Panić-Surep Oto Bihalji-Mewrin Emil Petrović Milan Bogdanović Veljko Petrović A. R. Boglić Jovan Popovoić Matej Bor Vladimir Popović Viktor Car Emin Isak Samokovlija Branko Ćopić Petar Šegedin Oskar Davičo Ervin Šinko Milan Dedinac Gvido tartalja Ivan Dončević Josip Vidmar Milan Đoković Cene Vipotnik Janko Đonović Grigor Vitez Eli Finci Aleksandar Vučo Marin Franičević Vice Zaninović Ivo Frol Boris Ziherl Velibor Gligorić Milka Žicina Pavel Golia Radovan Zogović Joža Horvat Oton Župančić688 Stevan Jakovljević Slavko Janevski Bei der Beratung waren anwesend: Marijan Jurković Ivo Andrić Vjekoslav Kaleb Čedomir Minderović Jure Kaštelan Marijan Jurković Mile Klopčić Oto Bihalji Edvard Kocbek Desanka Maksimović Slavko Kolar Skender Kulenović Blažo Koneski Branko Čopić Dušan Kostić Janko Đonović Ferdo Kozak Marijan Matković Juš Kozak Ivan Potrč Miško Kranjec Duško Kostić Miroslav Krleža Marko Marković Skender Kulenović Slavko Janevski Filip Kumbatović Ivo Sarajčić Mihajlo Lalić Erih Koš Mladen Leskovac 688 Mato Lovrak Odgovor jugoslavenskih književnika sovjetskim književnicima F. Glatkovu, N. Tihonovu i drugima Bogomir Magajna 1949, 187.

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ANHANG Milijan Neoričić Zaninović, Josip Pavičić, Petar Šegedin, Bora Drenovac Ivanka Vujčić-Lasowski690 Dobrica Ćosić

Referat von Risto Tošović. 1.12 ebenfalls anwesend: Josip Barković, glavni urednik hrva. oml. knjiž časopisa Izvor. Jahreshauptversammlung DKH am 22. Posle referata otvorena je diskusija u kojoj Jänner su učestvovali: Vladimir Čerkez anw. Agitpropsek des ZK derKPH Zlatko Voja Jelić Uzelac dann einer vom NRH Bildungsmini Slobodan Marković und einer vum Udr Kompozitora Hrvatske Dragutin Vujanović und vom DKSlovenije691 Zoran Mišić Vatroslav Mimica Anwesend auf dem Kongress: Herbert Grin UKS: 50 Mitgl. 8 Kand. Đura Šnajder DKH: 60, 8 Milenko Misailović UKSlovenije: 30, 12 Radonja Vešović UKBiH: 10, 2 Slobodan Novak UKM: 5, 3 Dušan Puhalo UKCrne Gore: 2692 Čeda Kisić Ahmet Hromadžić Anlässlich der Wahlen dürfen am 14 März Vasa Popović 1950 in den Književne Novine folgende Slavko Vukosavljević Schriftsteller auf der ersten Seite eine Art Slobodan Berberski Aufruf schreiben: Mihailo Ražnatović Ivo Andrić, Velibor Gligorić, Isidora Sekulić Aca Stanković Milan Bogdanović; Ferdo Kozak Arsen Diklić Slavko Kolar, Oskar Davičo Danko Oblak Isak Samokovlija, Dušan Kostić, Ivan Slavko Janevski Dončević Skender Kulenović Die Reihenfolge richtet sich nach der Ivo Andrić Position des Namens auf der Seite.693 Čedomir Minderović Branko Ćopić Janko Đonović Bora Drenovac689

Pretsjednik DKH: Slavko Kolar 690 Referat Joža Horvat Rezolucije književnika Hrvatske u vezi s klevtačkim napadima Informbiroa na našu zemlju 1949, 943. Teiln. an Diskussion darüber: Ivan Dončević, Vjekoslav Kaleb, Gustav Krklec, 691Glavna godišnja skupština književnika Hrvatske, Jure Kaštelan, Marin Franičević, Vice 1950, 170.

692Drugi kongres književnika Jugoslavije 1950, 43.

689Savtovanje mladih pisaca Jugoslavije 1949, 3. 693Andrić 1950, 1.

200

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200

ANHANG 1.13

Eröffnungsredner: Gustav Krklec. Grußredner: Miloš Jovanović (MS), Brana Miljković (SKZ), Čedo Rajačić (Verlag Prosvjeta). Alle hoben die guten Beziehungen der MH mit dem serbischen Brudervolk hervor.694

1.14

Erklärung von Skender Kulenović, M. Milan Bogdanović und Bora Drenovec gegen die Anschuldigungen Mlad s gegen Skender Kulenović in dessen Brief in den Svedočanstva aus Paris, datiert vom 28. 8. 1952695

1.15

Für die Ausführung der zadatke müsse man (zum Schluß) uporno se borati und zwar: da piše, što piše i što namjerava pisati?696

77 Vorlesungen in allen Städten Kroatiens von: Franičević, Šinko, Barac, Boglić, Ive Čaće, Marijan Matković, Šegedin, Vlado Popović, Gamulin, Vice Zaninović, Kolar, Kaleb, Dončević, Vučetić, Kombol, Slavko Batušić, Drago Ivanišević, Julije Benešić, Zdenka Marković, Joža Horvat (der Autor!)697

694Godišnja skupština Matice Hrvatske 1951, 202.

695Bogdanović, Kulenović, Drenovec 1952.

696Horvat 1948, 233.

697Horvat 1948, 229. 200

ANHANG

Abkürzungen

A. d. V. Anmerkung des Verfassers AVNOJ Antifašističko veće narodnog oslobođenja Jugoslavije CK centralni komitet DKH Društvo književnika Hrvatske FNRJ Federativna Narodna Republika Jugoslavije

(später SFRJ: Socijalistička federativna republika Jugoslavije) IB Informbüro/informbiro JAZU Jugoslavenska akademija znanosti i umjetnosti (heute HAZU: Hrvatska akademija znanosti i umjetnosti) KPJ Komunistička partija Jugoslavije (später SKJ: Savez komunista Jugoslavije) KPSS Komunistička partija Sovjetskog saveza NOB Narodnooslobodilačka borba NOR Narodnooslobodilački rat SANU Srpska akademija nauke i umetnosti SKJ Savez književnika Jugoslavije UKS Udruženje književnika Srbije ULUH Udruženje likovnih umjetnika Hrvatske ZK Zentralkomitee

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Šicel 1979 = Šicel, Miroslav: Pregled novije hrvatske književnosti. 3 Aufl. – Zagreb 1979 (= Udžbenici sveučilišta u Zagrebu).

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Slovenska književnost. Hg. v. Janko Kos, Ksenija Dolinar und Andrej Blatnik. – Ljubljana: Cankarjeva založba 1996.

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Toporov, Vladimir N.: Zur Rekunstruktion des Mythos vom Welt-Ei. – In: Semiotica Sovietica. Hg. v. K. Eimermacher. Tle. 1–2. – Aachen: Rader 1986 (= Aachener Studien zur Semiotik und Kommunikationsforschung 5.1–5.2). S. 519–535. (erstmals 1967). Turner, Victor: Das Ritual. Struktur und Antistruktur. – : .

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LITERATURLISTE Wang Fanxi 1980 = Benton, G.: Einführung des Übersetzers – In: Fanxi, Wang: Erinnerungen eines chinesischen Revolutionärs. – Frankfurt/M.: isp 1983. (erstmals 1980) S. 9–24.

Wenzel, Peter: ‘Einfache Formen’ – Ein Feld für die Erkenntnis struktureller Stereotypen in der Literatur. – In: Natürlichkeit der Sprache und der Kultur. Hg. v. Walter A. Koch. – Bochum: Universitätsverlag Dr. Norbert Brockmeyer 1990 (= Bochumer Beiträge zur Semiotik 18). S. 179–191.

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Ža., M.: Bakarić, Vladimir. – In: ders.: Enciklopedija Jugoslavije. – Zagreb: Leksikografski zavod 1956. S. 369.

2 Primäliteratur

Anmerkung: die Texte der Primärliteratur werden im Text mit Autornamen oder Titel und Jahreszahl zitiert. Wo es mehrere Arbeiten desselben Autors aus demselben Jahr gibt, werden die Jahre mit a, b, c usw. gekennzeichnet.

ĚpoÍecÍła peĆoĘyđÇja o÷ ÷pyňÍÁoÍo ła ěÇcaÍeĘÇÍe ła MaÉe÷ołÇja Áo Ápca co Çpe÷ełÍÇcÍÇńÉaÍa ÉołîepełđÇja. – In: CoÁpeęełocÍ ().

2.1 Primärliteratur aus dem Jahr 1945

Alečković, Mira: Oni su ponos domovine. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 1 (1945). S. 79-81.

Barac, Antun: Mrak na svijetlim stazama. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 1 (1945). H. 1-3. S. 55-69.

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LITERATURLISTE K. ?. [eigtl. ?.K.]: Šeli o mančesterskom pokolju. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 1 (1945). S. 77f.

Krleža 1945a = Krleža, Miroslav: Književnost danas. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 1 (1945). H. 1-3. S. 139-160.

Krleža 1945b = Krleža, Miroslav: Krokodilina ili razgovor o istini. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 1 (1945). H. 1-3. S. 226-240.

M.: O kulturnoj strani omladinskih listova. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 1 (1945). S. 99f.

Seferović, Nusret: Kako se ne smije praviti zbirka recitacija. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 1 (1945). S. 94-97.

Šeli. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 1 (1945). S. 67-74.

Soldić, Luka: Jedna generacija i jedna knjiga. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 2 (1945). S. 90-95.

Vošnjak, Mitja: Kulturno-prosvetna aktivnost omladine u oslobodilačkom ratu. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 1 (1945). S. 60-65.

2.2 Primärliteratur aus dem Jahr 1946

Andrić, Ivo: O statutu saveza književnika. Referat na 1. kongresu književnika Jugoslavije. – In: Naša književnost 12 (1946). S. 506-510.

Državna himna Federativne Narodne Republike Jugoslavije. – In: Naša književnost 12 (1946).

Književnici kod Maržala Tita. – In: Naša književnost 12 (1946). S. 482f.

Književnici kod Maršala Tita. – In: Borba. Organ Komunističke Partije Jugoslavije (1946, 21. November). S. 1.

Kulenović, Skender: Smisao kulture i glavni njeni problemi. – In: 1 (1946). S. 41-52.

Popović, Jovan: Nekoliko primedbi u vezi sa književnim početnicima. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 3 (1946). S. 1-7.

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LITERATURLISTE Protestni miting kulturnih radnika protiv terora u Julijskoj Krajini. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 4-5 (1946). S. 77-80.

Prvi kongres književnika Jugoslavije. – In: Naša književnost 12 (1946). S. 477-482.

Prvi kongres književnika Jugoslavije. – In: Politika (1946, 14. November ). S. 5.

Statut Saveza književnika Jugoslavije. – In: Letpois Matice Srpske 359 (1946). S. 246-252.

Uoči trećeg kongresa [USAOJ-a]. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 4-5 (1946). S. 1-2.

Završeno zasedanje prvog kongresa književnika Jugoslavije. – In: Borba. Organ Komunističke Partije Jugoslavije (1946, 20.November ). S. 5.

Zogović, Radovan: Osvrt na naše književne prilike i zadatke. Referat održan na prvom kongresu književnika Jugoslavije u Beogradu. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 11-12 (1946). S. 858-874.

2.3 Primärliteratur aus dem Jahr 1947

Franičević, Marin: O nekim negativnim pojavama u našoj savremenoj književnosti (Povodom jedne dekadentne knjige stihova). – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 7-8 (1947). S. 429-451.

Gamulin, G[rga]: Umjetnost na zaokretu (Zapisi). – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 5 (1947). S. 243-251.

Književne nagrade predsjedništva vlade N.R. Hrvatske. – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 3 (1947). S. 208.

Krleža, Miroslav: Prije trideset godina. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 11 (1947). S. 734-780.

Minderović 1947a = Minderović, Čedomir: O neposrednim zadacima naše književnosti i naših književnih radnika. – In: Stvaranje. Časopis za književnost i kulturu 2 (1947). H. 11-12. S. 641-648.

Minderović 1947b = Minderović, Čedomir: O neposrednim zadacima naše književnosti i naših književnih radnika. Iz referata sa sastanka plenuma uprave Saveza književnika

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LITERATURLISTE Jugoslavije novembra 1947. – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 4 (1947?). S. 1-8.

Nagrade komiteta za kulturu i umjetnost vlade FNRJ. – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 3 (1947). S. 207f.

Nazor, Vladimir: Govor počasnog predsjednika Društva književnika Hrvatske i počasnog predsjednika Saveza knjievnika Jugoslavije, Vladimira Nazora na glavnoj godišnjoj skupštini Društva književnika Hrvatske 23.2.1947. – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 3 (1947). S. 145-147.

Sa plenuma uprave Saveza književnika Jugoslavije. – In: Stvaranje. Časopis za književnost i kulturu 2 (1947). S. 725f.

Šinko, Ervin: Umjetnik i publika. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 5 (1947). S. 338-341.

?tambuk, Zdenko: O našoj književnosti i književnim prilikama. Izvještaj tajnika Glavnoj godišnjoj skupštini Društva književnika Hrvatske u Zagrebu 23.2.1947. – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 3 (1947). S. 147-162.

Zogović, Radovan: Primjer kako ne treba praviti ‘Primjere književnosti’. – In: Borba. Organ Komunističke Partije Jugoslavije (1947, 8. Mai ). S. 4-5.

2.4 Primärliteratur aus dem Jahr 1948

Andrić, Ivo: Rije književnicima Hrvatske. Iz govora predsjednika Saveza književnika Jugoslavije Ive Andrića na glavnoj godišnjoj skupštini DKH. – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 4 (1948). S. 217-220.

Bihalji-Merin, Oto: Jedan pogled na našu književnu kritiku. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 44 (1948). S. 3.

[Đilas, Milovan]: Iz izvještaja Milovana Djilasa o agitaciono-propagandnom radu CK Komunističke partije Jugoslavije. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 24 (1948). S. 2.

Ekspoze ministra Milovana ?ilasa o razvitku kulturnog života u Jugoslaviji. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 11 (1948). S. 1.

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LITERATURLISTE Finci, Eli: Nekoliko misli o razvojnim tendencijama naše književnosti. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 3 (1948). S. 1.

Franičević 1948a = Franičević, Marin: O zadacima naših mladih pisaca u književnosti današnjice. – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 1 (1948). S. 4-21.

Franičević 1948b = Franičević, Marin: Pisci i problemi. – [Zagreb]: Kultura 1948.

Horvat, Jože: Na rad i naši zadaci. Izvještaj tajnika Glavnoj godišnjoj skupštini Društva književnika Hrvatske u Zagrebu, 1.2.1948. – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 4 (1948). H. ?. S. 220-234.

Isbah, A. A.: Sovjetska književnost i suvremena književnost zapada. – In: Izvor. Časopis za književnost i kulturna pitanja 1 (1948). S. 44-60.

Marković, Marko: Nachwort. – In: Samokovlija Isak: Tragom života. – Zagreb: 1948. S. 497– 499.

Martinović, Niko: Revolucionarni folklor. – In: Stvaranje. Časopis za književnost i kulturu 3 (1948). S. 497-510.

[Mitrović, Stefan] u. a.: Diskusija povodom tri prve pretstave Jugoslovenskog dramskog pozorišta. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 22 (1948). S. 2-4.

Nagrade komiteta za kulturu i umjetnost vlade FNTJ za 1947. – In: 3 (1948). S. 3.

Peti kongres Komunističke partije Jugoslavije. – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 4 (1948). S. 733-744.

Popović 1948a = Popović, Jovan: Istoriski kongres. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 24 (1948). S. 1.

Popović 1948b = Popović, Jovan: Partija i književnost. Uoči trećeg kongresa Komunističke partije Jugoslavije. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 20 (1948). S. 1.

Popović 1948c = Popović, Jovan: Pisci pred tematikom Oslobodilačkog rata. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 4 (1948). S. 3.

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LITERATURLISTE Saopštenje uprave Saveza književnika Jugoslavije. – In: Stvaranje. Časopis za književnost i kulturu 3 (1948). S. 264f.

Šinko, Ervin: Kulturna baština i socijalistički realizam. – In: Hrvatsko kolo 1 (1948). S. 95-136.

Spasov, Aleksandar: Za poemata Tikveška legenda od Lazo Karovski. – In: Nov den 10 (1948). S. 50-64.

Ziherl, Boris: Dekadentstvo pod vidom borbe protiv malogra?anskih ostataka. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 11 (1948). S. 3.

2.5 Primärliteratur aus dem Jahr 1949

Andrić 1949a = Andrić, Ivo: Nešto povodom razgovora o književnoj tematici. – In: Zora 3-4 (1949). S. 5-8.

Andrić 1949b = Andrić, Ivo: Reč Ive Andrića. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 11-12 (1949). S. 871-875.

Bogdanović: O onima koji izneveravaju istinu u literaturi. – In: Književne novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 22 (1949). S. 1.

Davičo, Oskar: ”Argumenti” sile i snaga morala. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 19 (1949). S. 1.

Drenovec 1949a = Drenovec, Bora: Reč Bore Drenovca. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 11-12 (1949). S. 877-882.

Drenovec 1949b = Drenovec, Bora: Nekaj misli o vlogi marksisti?no-leninisti?ne ideologije v literarnem ustvarjanju. – In: Mladinska revija 5 (1949/50). S.149-153.

Finci, Eli: Krute dogme i živa stvarnost. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 1 (1949). S. 3.

Franičević 1949 = Franičević, Marin: Dvostruka aktuelnost Gorkoga. Povodom knjige ‘O literaturi’ (Kultura, 1949.). – In: Stvaranje 5 (1949). S. 843-847.

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LITERATURLISTE Franičević 1949 = Franičević, Marin: Uvod u diskusiju o našim časopisima. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 4 (1949). S. 8-17.

Gligorić, Velibor: O časopisu ”Književnost”. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 8 (1949). S. 3.

J. P.: Za teoretsko uzdizanje kulturnih kadrova i povećanje kvaliteta književno-umjetničkih dela. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 1 (1949). S. 1.

Jedan pogled na poeziju mladih. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 9 (1949). S. 3-4.

Odgovor jugoslavenskih književnika sovjetskim književnicima F. Glatkovu, N. Tihonovu i drugima. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 5 (1949). S. 182-187.

Odluke plenuma uprave Saveza Književnika Jugoslavije. – In: Stvaranje 4 (1949). S. 73.

Pejović, ?oko: Odnos zemalja Informbiroa prema kulturnim vrijednostima naših naroda. – In: Stvaranje 4 (1949). S. 285-293.

Rezolucija književnika Hrvatske u vezi s klevetničkim napadima Informbiroa na našu zemlju. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 5 (1949). S. 943f.

Ro?en, ?or?e: Partija ga čovjekom učinila. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 5 (1949). S. 561-581.

Savetovanje mladih pisaca Jugoslavije. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 47 (1949). S. 3.

Tošović, Risto: O radu sa mladim piscima i o omladinskim književnim časopisima. Referat Rista Tošovića. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 11-12 (1949). S. 883-909.

V. ?.: Uticaj revizionizma nekih rukovodilaca SSSR na polju književnosti. – In: Stvaranje 4 (1949). S. 409-411.

Za nova pregnuća. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 11-12 (1949). S. 865-870.

Zaključci savetovanja redakcija omladinskih časopisa. – In: Književne novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 46 (1949). S. 1.

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LITERATURLISTE Zogović, Radovan: O jednoj strani borbe za novu, socijalističku kulturu i umjetnost. Riječ Radovana Zogovića u diskusiji na Petom kongresu KPJ. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 24 (1948). S. 3.

2.6 Primärliteratur aus dem Jahr 1950

Andrić, Ivo u. a.: Reč književnika uoči izbora. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 11 (1950). S. 1.

Bakarić, Vladimir: Govor druga Vladimira Bakarića na drugom kongresu književnika Jugoslavije. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 5 (1950). S. 1-2.

Barković 1950a = Barković, Josip: ‘Novi kurs’ u našoj književnosti. – In: Izvor. Časopis za književnost i kulturna pitanja 3 (1950). S. 442-445.

Barković 1950b = Barković, Josip: O stvaralačkim problemima mladih (Referat na 2. kongresu Saveza Književnika Jugoslavije). – In: Izvor. Časopis za književnost i kulturna pitanja 3 (1950). S. 4-13.

Boškov, ?ivojin: Drugi kongres Saveza književnika Jugoslavije. – In: Letpois Matice Srpske 365 (1950). S. 85-88.

Drugi kongres književnika Jugoslavije. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 6 (1950). S. 43-57.

?or?ević, M.: Neke primedbe uz diskusiju o stanju u našoj kritici. – In: Brazda. Časopis za književnost i umjetnost 3 (1950). S. 569-575.

Dubravčić, Vlado: Za jezik realizma (marginalije). – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 6 (1950). S. 348-353.

Finci, Eli: Teorija i praksa vulgarizacije u kritici. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 16 (1950). S. 3.

Franičević, Marin: Put našeg kulturnog preobražaja. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 6 (1950). S. 66-70.

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LITERATURLISTE Gamulin, Grga: Za slobodu kritike. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 6 (1950). S. 300-308.

Glavna godišnja skupština književnika Hrvatske. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 6 (1950). S. 170f.

Gligorić 1950a = Gligorić, Velibor: Kritika i kritikanstvo. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 13 (1950). S. 3.

Gligorić 1950b = Gligorić, Velibor: Odgovornost kritike. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 3 (1950). S. 3-4.

Hegedušić, Krsto: Riječ o kritici i organizaciju kritike (Referat na glavnoj godišnjoj skupštini ULUH-a 8.2.1950). – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 6 (1950). S. 110-117.

J. R.: Maksim Gorki, O literaturi. – In: Nastava jezika i književnosti. Časopis za stručna i metodska pitanja nastave jezika i književnosti 1 (1950). H. 1-2. S. 111f.

Kisić, Čedo: Estetika pod udarcem revizije marksizma. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 15 (1950). S. 1.

Konstantinović 1950a = Konstantinović, Radomir: Nekoliko utisaka s kongresa pisaca. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 1 (1950). S. 1-9.

Konstantinović 1950b = Konstantinović, Radomir: Povodom obrane jedne kritike. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 5 (1950). S. 448-453.

Krleža, Miroslav: Riječ u diskusiji na drugom kongresu književnika Jugoslavije. – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 6 (1950). S. 13-17.

Latković, Vido: Partijnost književnog stvaranja. – In: Stvaranje. Časopis za književnost i kulturu 5 (1950). S. 248-255.

Majstorović, Steva: Jedna poezija opštih osećanja (Uz zbirku ‘Tri proleća’ Mire Alečković, Izdanje ‘Prosvete’, Beograd 1949). – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 6 (1950). S. 3.

Mišić, Z.: Dva primera šablonske kritike na poeziju mladih. – In: Književnost. [vormals ”Naša književnost”] 1 (1950). S. 78-87.

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LITERATURLISTE Nagrade vlade FNRJ zaslušnim radnicima na području nauke i kulture za 1949. godinu. – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 6 (1950). S. 63f.

Nikolić, R.: Nešto o partijnosti u književnoj kritici. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 13 (1950). S. 1.

Pavletić, V.: Povodom savjetovanja književnih početnika i mladih pisaca Hrvatske. – In: Izvor. Časopis za književnost i kulturna pitanja 3 (1950). S. 358-366.

Petrović, Veljko: Književnici i izbori za Narodnu skupštinu. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 9 (1950). S. 1.

Pipan, Vlado: Proletarski umetnik Antun Tanc. – In: Nova Obzorja 3 (1950). S. 85-94.

Rezolucija o smernicama i zadacima Saveza Književnika Jugoslavije. – In: Izvor. Časopis za književnost i kulturna pitanja 3 (1950). S. 1-3.

Šegedin 1950a = Šegedin, Petar: O kritici (Materijali o radu drugog kongresa književnika Jugoslavije). – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 3 (1950). S. 1.

Šegedin 1950b = Šegedin, Petar: O našoj kritici (Nacrt referata za Drugi kongres književnika Jugoslavije). – In: Republika. Mjesečnik za književnost, umjetnost i javni život 6 (1950). S. 3-12.

Šinko, Ervin: Socijalizam i socijalistički humanizam. Znače obogačanje i potenciranje svega onoga što je u čovjeku lijepo i ljudsko . – In: Omladina. List narodne omladine Jugoslavije 59 (1950, 21. Mai). S. 3.

Vučković, Gavrilo: Kako ne treba pisati. – In: Polet 3 (1950). S. 41-56.

Vujović, Dimo: Odrazi borbe protiv Informbiroa u našoj književnosti. – In: Stvaranje. Časopis za književnost i kulturu 5 (1950). S. 43-55.

2.7 Primärliteratur aus dem Jahr 1951

Bogdanović, Milan: ‘Mladost’ (Pregled književnih časopisa). – In: Književne novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 46 (1951). S. 3.

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LITERATURLISTE Đilas 1951a = Đilas, Milovan: Ideja i umjetničko djelo. – In: Književne novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 41 (1951). S. 1.

Đilas 1951b = Đilas, Milovan: Razmišljanja o raznim pitanjima. Hg. v. Milovan Đilas. – [Beograd]: Kultura 1951.

Drenovac, Bora: ‘Književnost’ (Pregled književnih časopisa). – In: Književne novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 46 (1951). S. 3.

Finci, Eli: Dogma i stvaralaštvo. – In: Književne novine. List za književnost i kulturu 19 (1951). S. 1.

Gamulin, Grga: Opća teorija umjetnosti kao teorija socijalističkog realizma. – In: Collectanea. – Zagreb: 1951 (= Sveučilište u Zagrebu. Filozofski Fakultet. Zbornik radova).

Glušević, Zoran: Misli o stvaranju lepog (Asocijacije na neke postavke Teorije književnosti L.I. Timofejeva). – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 5-6 (1951). S. 361-[367].

Godišnja skupština Matice Hrvatske. – In: Hrvatsko kolo 4 (1951). S. 202-212.

Kišić, Čedo: Ranjeni realizam. O romanu ‘Daleko od Moskve’, i hvalospjevu ‘lijepo - to je naš život. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 2 (1951). S. 97-106.

Kos, Janko: Kultura in profesionalizem. – In: Beseda. Revija za književnost in kulturo (1951– 52). S. 15-18.

Matić, Dušan: Dogma i stvaralaštvo. – In: Književne novine. List za književnost i kulturu 17 (1951). S. 1.

Mihajlović, Boris: ‘Letopis Matice Srpske’ (Pregled književnih časopisa). – In: Književne novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 46 (1951). S. 3.

Ristić, Marko: Velja kruška u grlo zapadne (Povodom članka ‘Kad Velika Reč oživi’). – In: Borba. Organ Komunističke Partije Jugoslavije (1951, 25. Dezember). S. 6.

2.8 Primärliteratur aus dem Jahr 1952

?najder, ?[uro]: Polemičko-kritički članci ”Studentskog lista”. – In: Naprijed. Organ Saveza Komunista Hrvatske 50 (1952).

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LITERATURLISTE 3 kongres književnika Jugoslavije. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 15-16 (1952). S. 1-3.

Ćirilov, Jovan: Sloboda kulture. – In: Narodni student 24 (1952).

B.: Naša književna udruženja i kongresi u prošlosti. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 15-16 (1952). S. 19-20.

Barković, Josip: Očigledan dokaz Bore Drenovca. – In: Krugovi. Mjesečnik za književnost i kulturu 6 (1952). S. 494-496.

Baumštark, Krešimir: Seksualni život omladine. – In: Krugovi. Mjesečnik za književnost i kulturu 4-5 (1952). S. 380-384.

Bihalji-Merin, Oto: Razgovori na Bledskom Jezeru. – In: Književnost. [vormals ”Naša književnost”] 6 (1952). S. 481-495.

Bogdanović 1952a = Bogdanović, Milan: Ne, ni zlovoljno, ni proizvoljno! – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 60 (1952). S. 3.

Bogdanović 1952b = Bogdanović, Milan: Otpozdrav na pismo. – In: Borba. Organ Komunističke Partije Jugoslavije (1952, 6. Januar ). S. 5.

Bogdanović, Milan; Skender Kulenović und Bora Drenovac: Izjava. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 65 (1952). S. 1.

Danas počinje treći kongres književnika Jugoslavije (Najave Ive Andrića, France Bevka i Josipa Vidmara). – In: Politika (1952, 5. Oktober). S. 7.

Davičo, Oskar: Razgovori ovde. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 66 (1952). S. 2.

Diskusija i anketa ”Krugova”. – In: Krugovi. Mjesečnik za književnost i kulturu 2 (1952). S. 147-148.

Diskusija o referatu Miroslava Krleže. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 15-16 (1952). S. 13-16.

Diskusija o teoriji književnosti (na filozofskom fakultetu u Beogradu). – In: Borba. Organ Komunističke Partije Jugoslavije (1952, 6. Januar ).

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LITERATURLISTE Drenovac, Bora: Da ne ostane bez odgovora. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 59 (1952). S. 4.

Filipović, Vuk: Povodom članka ”Neke pojave na književnim diskusijama” (Da li je nivo opšte kulture na grupi književnosti problem?). – In: Narodni student (1952). S. 4.

Finci 1952a = Finci, Eli: ”Dobra volja” i ”zla volja”. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 9 (1952). S. 3.

Finci 1952b = Finci, Eli: Duh i slovo tradicije. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 1 (1952). S. 10-11.

Finci 1952c = Finci, Eli: Još jednom o pravu smeha. Odgovor Bori Drenovcu. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život (1952, 12. Juli ). S. 4.

Finci 1952d = Finci, Eli: Pravo smeha i pravo na smeh (Jedna varijacija povodom skidanja ”Bala lopova” sa repertoara). – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život (1952, 19. April ). S. 2-3.

Franičević, Marin: O našoj književnosti i književnim problemima. – In: Narodni list 1.Mai. (1952). S. 5.

Gavrilović, Zoran: Još jedan ”branilac” realizma. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 65 (1952). S. 6.

Glušević 1952a = Glušević, Zoran: Jedno irealno shvatanje o realističnom u literaturi. – In: Književnost. [vormals ”Naša književnost”] 7 (1952). S. 246-250.

Glušević 1952b = Glušević, Zoran: Tematika i dogmatika (Ili o jednom vidu zanimljivog i dosadnog u literaturi). – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 8 (1952). S. 105-108.

Izvještaj komisija. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 15-16 (1952). S. 17.

Krleža 1952a = Krleža, Miroslav: Govor na kongresu kinjiževnika Jugoslavije u Ljubljani. – In: Republika. Mjesečnik za književnost i kulturu 10-11 (1952). S. 205-243.

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LITERATURLISTE Krleža 1952b = Krleža, Miroslav: O slobodi kulture (referat Miroslava Krleže). – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 15-16 (1952). S. 6-12.

Krleža 1952c = Krleža, Miroslav: Šezdeseti ro?endan druga Tita. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život Jg. 1 (1952). H. 1. S. 1.

Kulenović, Skender: Avec un petit souris. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 65 (1952). S. 4.

Milošević 1952a = Milošević, Nikola: Diskusija o modernizmu (na grupi književnosti). – In: Narodni student (1952).

Milošević 1952b = Milošević, Nikola: Neodrživost teorije socijalističkog realizma na primeru knjige Timofejeva. – In: Narodni student 5 (1952). S. 4.

Mirković, M.: O slobodi kulture. – In: Narodni student (1952). S. 4.

Mišić 1952a = Mišić, Zoran: Ipak se kreće (uz prve brojeve novih književnih listova i časopisa). – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 9 (1952). S. 13.

Mišić 1952b = Mišić, Zoran: Još jedno popodne sa maldororom. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 7 (1952). S. 14.

Mišić 1952c = Mišić, Zoran: Nekoliko ”nehajnih” asocijacija o Branku Ćopiću, realizmu, iracionalizmu, modernistima i ostalim ”vukodlacima” a u vidu odgovora Zoranu Gavriloviću. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 13 (1952). S. 5-6.

Mišić 1952d = Mišić, Zoran: O smislu i besmislu, o lirici ”mekog i nežnog štimunga”, o jednoj čežnji i jednom govoru na svim jezicima sveta. – In: Mladost. Časopis za književnost i kulturu 2-3 (1952). S. 113-128.

MÇÍpeÁ, ăÇęÇÍap: ĺa ”ęoĘńeÇeÍo” ła ÉpÇÍÇÉaÍa, Ća peđełĆełÍcÉaÍa ”aÉÍÇÁłocÍ” Ç Ća ”áođe”. – In: CoÁpeęełocÍ 3 (1952). S. 21-74.

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LITERATURLISTE Mitrović, Mitra: Povodom diskusije o skidanju ”Bala lopova” sa repertoara Beogradskog dramskog pozorišta - upućeno ”Književnim novinama” i ”Svedočanstvima”. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 13 (1952). S. 1.

Mladenović, Tanasije: Otvoreno i bez uvijanja. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 13 (1952). S. 4-5.

Osnovno danas. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 47 (1952). S. 1.

Pavletić, Vlatko: Neka bude živost. (Fragmenti iz eseja ”Umjetnost i sloboda”). – In: Krugovi. Mjesečnik za književnost i kulturu 1 (1952). S. 1-7.

Rezolucija 3 kongresa. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 15-16 (1952). S. 18.

Rezolucija plenuma Udruženja književnika Srbije (povodom odbijanja kanditature za dopisne članove Srpske akademije nauka Milana Bogdanovića, Marka Čelebonovića i Petra Lubarde. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 60 (1952). S. 3.

Ristić 1952a = Ristić, Marko: Nije jednostavno. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 2 (1952). S. 4-5.

Ristić 1952b = Ristić, Marko: Sloboda kulture. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 6 (1952). S. 1.

Rotković 1952a = Rotković, Radoslav: Umjetnost i umješnost. Jedan novi prilog uz stari članak Marka Ristića. – In: Krugovi. Mjesečnik za književnost i kulturu 6 (1952). S. 496-501.

Rotković 1952bRotković, Radoslav: Za?to je publika ravnodušna. Anketa i diskusija. – In: Krugovi. Mjesečnik za književnost i kulturu 3 (1952). S. 259-264.

S. E. [eigtl. E. S.]: Automatizam i nadrealizam. – In: Krugovi. Mjesečnik za književnost i kulturu 2 (1952). S. 185-186.

Selaković, M.: Mutna i neodgovorna shvaćanja modernosti. – In: Naprijed. Organ Saveza Komunista Hrvatske. Nedjeljni prilog. Književnost, umjetnost, nauka 2 (1952). S. 1.

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LITERATURLISTE Škavić, Josip: Potreba našeg kulturnog života. – In: Naprijed. Organ Saveza Komunista Hrvatske. Nedjeljni prilog. Književnost, umjetnost, nauka 7 (1952). S. 1.

Tomičić, Zlatko: O potrebi za iskrenošću. – In: Krugovi. Mjesečnik za književnost i kulturu 4-5 (1952). S. 289-303.

Umesto Književnih novina - novi časopis. – In: Književne Novine. Organ Saveza Književnika Jugoslavije 66 (1952). S. 1.

Vučo 1952a = Vučo, Aleksandar: Jedna panorama mlade poezije. – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 12 (1952). S. 4-5.

Vučo 1952b = Vučo, Aleksandar: Položaj književnika u našem društvu i stanje domaće savremene knjige (referat Aleksandra Vuča). – In: Svedočanstva. Književnost, umjetnost, nauka, politika, društveni život 15-16 (1952). S. 4-5.

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Rezime

Ovaj je rad podeljen na dva velika poglavlja. Prvo poglavlje je sinhrona obrada književno- političkog diskursa u Jugoslaviji od 1945. do 1952. g. Drugo je dijahrona obrada. To znači da se u prvom poglavlju glavna pažnja obraća na redovne vidove izjava u diskursu i da se tu manje više pravimo kao da su sve izjave bile realizovane istovremeno. Dakle vreme u prvom poglavlju ne igra nikakvu ulogu. Drugo se, naprotiv, bavi neredovnim fenomenima, prolomima, promenama u toku vremena. Dijahrona analiza naglašava kolektivno i zajedničko a sinhrona analiza stavlja akcenat na individualno i posebno.

Šta je diskurs? Za moje namere najpre je dovoljno da se razlikuje k o r p u s i d i s k u r s . Korpus je zbirka tekstova jugoslovenskih periodika 1945. do 1952. g. To su pre svega književni časopisi, kao i dnevnici. Tekstovi koje sam izabrao moraju da imaju bilo kakvu vezu sa književnošću i politikom. Diskurs je nešto više nego samo pisani tekstovi. Diskurs sadrži izjave u najširem smislu, t. j. i pisane i usmene, ali i simbolička delanja, pa se ne radi samo o izjavama nego i o pravilima za izjave. Među izjavama ima redovnih i neredovnih, ili stereotipnih i slučajnih. Npr. izjava bratstvo i jedinstvo je dobro je stereotipna, a filozof Buddha ima važnu ulogu za sadašnju književnost je slučajna izjava.

Osim toga možemo razlikovati i prilike u kojima je data izjava: prilog jednog književnika- početnika na zadnjim stranicama srpskog omladinskog književnog časopisa Mladost je nešto sasvim drugo nego govor pretsednika SKJ na kongresu pisaca. Prvi je svakidašnji tekst, a drugi je obredan (ritualan) tekst.

Izjave u književno-političkom diskursu su bezbrojne — izjave u korpusu su mnogobrojne. Potrebno je nekoliko relevantnih izjava, koje nam govore o pravilama diskursa. To su obredni tekstovi. Najvažniji obred u jugoslovenskom književno-političkom diskursu su kongresi pisaca. Procediću na početku moje obrade jednu trijadu iz izjava obrednih tekstova. Ova trijada biće jedna rečenica o poreklu sadašnje zajednice (community). Polazeći od te rečenice sastaviću mit porekla zajednice jugoslovenskih književnika ili pripovetku o rađanju književnosti u NOB-u. Oba diskurzina fenomena (obred i mit) stvaraju i stabilisuju zajednicu. Mit porekla svezan je s mitološko-istorijskim predanjem (tradicijom) i genealoškim modelom predaka (lični kontinuitet). Mit s tradicijom i kontinuitetom (takođe iskonstruisanim), je važan deo konstruisanja zajednice. S ovom drugom korakom interpretacije budem stupio u opšti književno-politički diskurs. Dakle prvo polazište je obred, a drugo je mit, uključujući

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REZIME — RESÜMEE tradiciju. Književno-politčki je diskurs samo jedan među mnogim. Po imenu je "naš" diskurs komšija političkoga i književnoga. Nazvaćemo politiku i književnost susednim diskursima.

Na kraju mitološke analize upoznaćemo se sa kulturnim herojem jugogonije, t. j. sa tvorcem kosmosa i pobednikom nad haosom, u mitu porekla jugoslovenske (književne) zajednice.

Treći deo moga rada je opisivanje toga, kako je i kakvim razgraničavanjima konstruisana zajednica. Neka moguća razgraničavanja su već bila spomenuta u analizi mita: haos i kosmos. Treći deo ima zadatak da opiše granicu kosmosa i kao vremensku granicu i kao prostornu. Prostorni opisni model je apstrakcija najopštijeg nivoa i vreme može u njemu da bude modelirano prostorno. Zbirke suprotnih kriterija (opozicije) stvaraju razgraničavanje novoga i starog, pa i unutrašnjosti i spoljašnjosti. Zato šta je prostor model za pripovetku (naraciju) moramo da se bavimo i u ovom kontekstu sa herojem ili akterom.

Posle smo, na početku trećega poglavlja, saznali šta je u književno-političkom diskursu u Jugoslaviji unutra a šta nije, na kraju ovoga poglavlja šta je istovremeno i kraj prvo sinhronog dela, obratićemo se i ostalim razvodnim mehanizmama, a ne samo mitološkim. To su diskurzine tehnike koje se temelje na razlikovanju istinitog i krivog, drugim rečima, konstruisanju stvarnosti. Naročito pojam stvarnog ili realnog u književnosti predstavlja specifično razgraničavanje, kojeg nema u susednim diskursima. Na ovom mestu biće diskutovan pojam socijalističkog realizma i njegovo značenje za naš specijalan diskurs. Drugi, dijahroni deo rada opisuje promene izjava u diskursu i pokušava da ih sistematizuje. Slučajne, neredovne, a promenljive izjave koje su morale u prvom delu da ostanu po strani, sada su najvažniji predmet interpretacije.

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REZIME — RESÜMEE Sadržaj

1. SINHRONA ANALIZA

1.1. OBRED

1.1.1. KONGRESI

1.1.2. TRIJADA

1.2. JUGOGONSKI MIT

1.2.1. MIT POREKLA

1.2.2. PRECI I KONTINUITETI

1.2.3. MITOLOŠKO-ISTORIJSKO PREDANJE

1.2.4. KULTURNI HEROJ

1.3. SIMBOLIČAN KONTINUUM: KONSTRUISANA ZAJEDNICA

1.3.1. STARO I NOVO

1.3.2. UNUTRAŠNJOST I SPOLJAŠNJOST

1.3.3. DISKURZINE TEHNIKE RAZGRANI- ČAVANJA

1.3.3.1. STVARNOST

1.3.3.2. SLOBODA

2. DIJAHRONA ANALIZA

Predratna "Kraljevina Jugoslavija" je u drugom svetskom ratu bila rasparčana u šest delova koji su došli pod različite uprave. Najkontroverznija tvorevina okupatora, Italije i Nemačke, je bila "Nezavisna Država Hrvatska", čiju je vladu izabrala fašistička Italija. Ova "ustaška" država je ubijanjem bezbrojnih ljudi pokušavala ostvariti maštariju etničko homogene teritorije. Svi krajevi koji su bili pod nemačkom vlašću bili su uključeni u sistematsko uništavanje evropskih židova (šoah). Rat nemačke armije protiv najznačajniji pokret otpora – partizani – sadržao je i usmerena ubistva među civilima ("odmazda"). Već u letu 1940. g. počela je (pre napada) podela Balkana na interesne oblasti Sovjetskog Saveza i nacističke

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REZIME — RESÜMEE Nemačke, koji su tada još bili udruženi. Posle raspada pakta Hitler-Staljin partizani u Jugoslaviji nisu dobili sovjetsku podršku nego britansku. Kako se to često dešava partizani su, na kraju kao vojni pobednici, bili u stanju da se pokazuju i kao moralni pobednici. S taktikom "narodnog fronta" uspeli su da dođu na vlast, a za razliku od drugih zemalja, počeli su odmah socijalnu revoluciju, dok su likvidirali bivše saveznike i protivnike, ubijajući hiljade ljudi, pa i cele familije. Ova (od staljinističkog stajališta) svojevoljna narodno-frontaška politika dovela je pored ostalih razloga (koji se, sve u svemu, temelje na stabilnom i sigurnom položaju Jugoslavije) došlo je do konfrontacije sa Sovjetskim Savezom. Posle rezolucije Informbiroa (1948.), koja je bila centralni događaj u sovjetsko-jugoslovenskom konfliktu, počela je vlada Josipa Broza (Tita) da se odbrani k unutrašnjost i da ukloni prosovjetske simpatizere (tzv. ibeovce). Jedan od njih se zvao Radovan Zogović.698

*

Zogović je bio važan književno-politički funkcioner do 1948. g. kada je bio isklučen iz partije (KPJ). Ponekad se period od 45. do 48. g. naziva po njemu. Sveta Lukić, istoričar književnosti, predložio je upotrebljivu periodizaciju: savremena Jugoslovenska književnost (piše 1968. g.) po Lukiću započinje ili 1941. ili 1945. g. — 1945. do 1950. g. je faza u kojoj počinje i ujedinjenje. Posle 1947. književni život je krut i manje plodan, a od 1950. do 1955. je doba polemika oko socijalističkog realizma. Od 1955. g. počinje procvat književnog života, u kojem je najvažnija diskusija sukob realizma i modernizma. Lukić naziva vreme od 1945. do 1952. g. fazom "narodnog realizma" (pretstavnik: Zogović) u kojem je usledilo oslobođenje književnosti i dominacija "socijalističkog estetizma" (Krleža). U dve godine posle rata književni je život bio življi. Važna književna dela su bila štampana, naročito dela starije predratne generacije (Ivo Andrić, Isidora Sekulić, Veljko Petrović, Juž Kozak) i slovenskih ekspresionista Antun Vodnik i Jože Udović, a u Hrvatskoj malo mlađih Petra Šegedina, Vladana Desnice i Ranka Marinkovića. Od "poetskih akcenata u borbi i u ratu" Lukić priznaje Gorana Kovačića, Zogovića, Kulenovića, Dedinca, Kocbeka, Kranjca i Daviča. Među pesnicima smatra akceptiranim Desanku Maksimović, Gustava Krkleca i Gvida Tartalju. Četvrta grupa su tzv. socijalni literati međuratnog vremena (Jovan Popović, Čedomir Minderović, Tanasije Mladenović), a peta je generacija najmlađa: "prugaši" (Vesna Parun, Jure Kaštelan, Radomir Konstantinović, Branimir Radičević i ostali "netalentovani pisci").

Posle poleta, situacija se ogoršala između 1947. i 1950. g. Većina pisaca je ćutala a ostali su bili istosmerni. Socijalistički je realizam igrao ulogu, ali ni blizu toliko važnu kao u

698Usp. Jelavich 1983, 295–297 i 321–329.

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REZIME — RESÜMEE Poljskoj ili u Bugarskoj. Po Lukićevim rečima "nije mimoišao Jugoslaviju". Posle 1950. g svakako je "pobedila" Krležina linija u književnom životu (šta ne znači da su bili književni tekstovi po njegovoj liniji, niti Zogovićevoj pre 1950.).699

Po drugim, konzervativnijim književnim istoričarima, važniji je kontinuitet jugoslovenske (ili hrvatske ili srpske) književnosti od kraja prvog svetskog rata do danas (Peleš 1966, Palavestra 1972, Šicel 1979, Šicel 1982).

Sada, posle metodičkog, istorijskog i književno-istorijskog uvoda pokušaćemo da sačinimo rezime ishoda istraživanja. Sledićemo raspodelu, kako je opisano na stranicama 229 do 229. Najvažniji rituali u našem diskursu su kongresi pisaca Jugoslavije. Bilo ih je tri (1945., 1949/50. i 1952 g.). Taj obred je i književni i politički. Centralna njegova vest jeste j e d i n s t v o (1. među nacionalnim književnostima, 2. književnika s "narodom" i s njegovom "narodnom državom", 3. među književnicima). Jedinstvo je simbolisano gradovima gdje su kongresi bili održani, nacionalnošću govornika pri otvaranju kongresa (1.) pozdravima drugih organizacija kao CK KPJ, Jugoslovenska Narodna Armija, sindikati, Narodna Omladina, a i pozdravnim telegramima za Tita i posetom njegove rodne kuće u Kumrovcu. Dalja vest kongres-obreda je trajnost ili pak v e č n o s t . Ona je najbolje pretstavljena simbolom kruga na izborima novog pretsednika na kraju svakog kongresa. Ako se menja njegovo ime (1952.) govor starog pretsednika na početku kongresa je isto deo simboličkog kruga.

Opšti redosled kongres-rituala izgleda ovako:

1. Različite osobe otvaraju i završavaju kongres (zaključna reč novog pretsednika);

2. Minut ćutanja u spomen mrtvim kolegima;

3. Osobe koje nisu članovi SKJ govore (predstavnici drugih organizacija);

4. Instruktivna reč jednoga pisca;

5. Telegram Titu i drugim.

Na početku i na kraju govora, t. j. na najsimboličnijim mestima teksta, nalaze se naročito često stereotipne izjave. Iz zbirke ovakvih izjava možemo konstruisati jednu trijadu subjekata: Stara Jugoslavija – NOB – izgradnja. Kad pretvorimo trijadu u rečenicu, dobijemo koren jugogonije: posle raspada stare Jugoslavije je narod s Titom na čelu vodio borbu koja je bila početak izgradnje. Jugogonski mit opisuje stari haos negativnim a novi kosmos pozitivnim serijama atributa (stara Jugoslavija: cenzura, zatvor…; nova država: polet, sloboda…). Mit

699Usp. Lukić 1968, 20–25.

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REZIME — RESÜMEE uključuje temeljnu rečenicu i o književnosti: NOB je izvor književnosti. Ta rečenica vezana je sa NOB je izvor kosmosa/kulture; tako predstavlja vezu s političkim diskursom. Na vidljivom nivou temeljna rečenica može da izgleda ovako:

Med narodno osvobolidno [sic!] borbo je bilo utvarjenih mnogo del ki bodo nedvomno ostala trajna in svetla umetniška pričevanja o tej veliki dobi. Ta dela so ustvarili tisti kulturni delavci, ki so neposredno sodelovali v junaški borbi naših narodov za osvobojenje […].700

[…] su [armijini] borci i rukovodioci duboko zainteresovani vašim radom […] znači da se naša armija sa poštovanjem odnosi prema istinskoj umjetnosti naših naroda […]. U našoj oslobodilačkoj borbi nije bio rijedak slučaj da se partizan-borac ili komandir latio pera da opiše svu veličinu borbe koju je vodio on i njegova jedinica…701

U toku rata se razvila u čitavom našem narodu […] ogromna ljubav za knjige. 702

U ratu je svaki od nas mogao vidjeti s koliko je volje i ljubavi naš borac, pod najtežim uslovima neprestane borbe, učio i čitao. 703

U genealoškom delu kosmologije nalazimo književne i neknjiževne kontinuitete. Nijedan kontinuitet sa socijalističko-realističkim uzorima ili precima u jugoslovenskom književno- političkom diskursu od 1945. do 1952. g. nije stvoren na obrednom nivou. Suprotno tome realizam, naročito kritički realizam, je jedna važna ritualna i mitološka genealoška linija. Najvažniji su atributi predaka književne zajednice domaći i borben; to se poklapa u predodžbi savremenika s piscima kao što su Marks, Engels, Bjelinski, Černiševski (borbeni); Svetozar Marković, August Cesarec (domaći i borbeni); Gundulić, Križanić (domaći) i. t. d. Kružna veza starih pisaca s mladim ima da predstavlja večnost kolektiva i važan je deo genealogije u kosmologičnom modelu (mitu). Ispoljava se veza u izjavama o potrebi odgoja mladih pisaca. Mitološko-istorijska tradicija sadržava granicu između mitološke i istorijske tradicije. Istorijska tradicija počinje onog trenutka u prošlosti posle koga ima još živih ljudi ili lica kojih ljudi mogu da se još sećaju. To je od prilike razdoblje od realizma i naturalizma do oslobođenja. Na šavu mitološke i istorijske tradicije javlja se kulturni heroj Josip Broz Tito. O njemu ima mnogo pričanja koja su implicitno prisutna u diskursu. Tito mora kao kulturni heroj da položi različite ispite: mora da se ponižava (rat, bekstvo), da prekorači granice (motivi šume i pećine), da se izdvoji od zajednice (100 Fočanskih dana), da se bori protiv

7003 kongres književnika Jugoslavije 1952, 2.

701Prvi kongres književnika Jugoslavije 1946, 478.

702Vošnjak 1945, 63.

703Tito 1946, 1.

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REZIME — RESÜMEE demona (fašisti, ustaše, četnici, izdajnici) i na kraju da daje zajednici prve zakone (Fočanske propise) — jednom rečju: kulturni heroj Tito stvorio je kosmos i nadvladao haos.

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1.3. Jugoslovenska književna zajednica konstruisana je različitim razgraničavanjima. Prvo je opozicija staro ÷ novo. Razgraničavajuće kategorije koje razlikuju staru Jugoslaviju načešće jesu sledeće:

jedinstveno ⇔ nejedinstveno

slobodno ⇔ ne slobodno

pozitivno ⇔ negativno

gore ⇔ dole

napred ⇔ natrag

čisto ⇔ nečisto

narodno ⇔ nenarodno

Među tim opozicijama nalaze se i prostorne (gore ÷ dole; napred ÷ natrag). Moguće je da se modelira prostorni (topološki) model kulture, drugim rečima, šta se diskursom uključuje u zajednicu, a šta ne. Temeljne kategorije topološkog modela su unutrašnjost i spoljašnjost. Kategorije za odvajanju unutrašnjeg od spoljašnjeg su:

socijalističko ⇔ nesocijalističko

ljudsko ⇔ neljudsko

ne dole ⇔ dole

napredno ⇔ reakcionarno

pravično ⇔ ne pravično

svetlo ⇔ tamno

plemenito ⇔ profano

jedinstveno ⇔ nejedinstveno

dobro ⇔ zlo

narodno ⇔ nenarodno

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REZIME — RESÜMEE istinito ⇔ neistinito

odbrambeno ⇔ napadajuće

Prostorni je model površinski kad se radi o razlikama unutra, t. j. o istoriji (=staro i novo). Heroj na putu iz starog u novo je n a r o d . Taj heroj daje razgraničavanjima strogu

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nacionalnu notu. Model unutrašnjosti i spoljašnjosti ima tri dimenzije, koje se menjaju u toku vremena. Odmah posle rata, kada je Sovjetski Savez još bio nešto "nebesno", u diskursu dominira horizontalna podela spoljašnjosti. Na mesto ovog modela gore ÷ dole stupi model istok ÷ zapad. Za novo razgraničavanje potrebna je kategorija marksističko-lenjinističko. Njegove su granice mnogo propustljivije nego granice horizontalnoga modela. Mnogi diskurzanti interpretiraju ovu permeabilnost kao rupe kroz koje zapadna spoljašnjost može da prođe. Akteri unutrašnjosti i spoljašnjosti definisani su narodno (nacionalno) i socijalno. Zato što su razgraničavanja istodobno i socijalna i nacionalna govorimo o "socijal-romantičnom" akteru narodu.

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1.3.3. Pored narativnih i ritualnih strategija isključivanja ima i drugih mehanizama u književno-političkom diskursu. Najvažniji kompleks takvih tehnika jeste pritisak diskursa istine (naučnog diskursa) na druge (Foucault 1972). Nema u književno-političkom diskursu relevantnih prepisivačkih izjava o socijalistkičko-realističkim kategorijama (osim na kraju, a to su negativne) osim o tipičnosti.

Realizam, stvarnost i društvo su pojmovi, čije prosto spominjanje vrši diskurzian pritisak na književnike, naročito kad su pojmovi povezani s jugogonskim mitom o putu iz staroga u novo. Književnost mora u tom smislu da bude i istoriopisanje. Mladi pisci treba u ime realizma da posećuju Seljačke Radne Zadruge ili gradilišta na omladinskim radnim akcijama i da ih opisuaju. Heroj, a istovremeno i čitalac književnosti je u smislu "narodnog realizma" — narod ili "radni, stvaralački ljudi" (Andrić), "borac i heroj rada" (Gligorić), "radnik, trudbenik na izgradnji ove naše zemlje" (Horvat). Definicija književnosti je vanknjiževna i autoritarna. Heteronomnost knjige nalazi se u prvom planu. Pritisak može da bude implicitan a i sasvim javan. Diskurzinog otpora ima veoma malo. Pored stvarnosti ima još jedno važno a manje univerzalno diskurzino bojište — sloboda.

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REZIME — RESÜMEE O slobodi se često govori u dve verzije: štetna i neštetna sloboda. To su diskurzivne strategije koje služe da otporne izjave, koje hoće da se uključe u diskurs, stignu odmah u kategoriju "štetna (ili buržoaska, dekadentna) sloboda". Takvih izjava, koje diferenciraju slobodu ima naročito mnogo u vreme posle rezolucije informbiroa, dok horizontalni mitološki model prelazi u vertikalan. I pojam kritike upotrebljava se u dve verzije, a samokritika nasuprot npr. Poljskoj, u Jugoslaviji nije relevantna. Otvorena represija javlja se u izjavama, da bi književnost morala da bude alat. Učesnici u diskursu koji se protive pritisku instrumentalističkog diskursa teško prodiru kroz grmlja pojma slobode, koji nije samo defanzivno, nego i ofanzivno oružje. Govoreći o nedostacima i slabostima književnika, pokušaj je da se izvrši pritisak na kolege. Žalbe o nedostignutim klasnim ciljevima često su vezani sa stvarnošću, a implicitno sadrže poziv književnicima da se prisetesvojih obaveza i da pišu više. Žene i mladi ljudi izlagani su vanredno jakom pritisku. Npr. Vesna Parun je jedini član SKJ koji je javno napadan i strogo kritikovan (uništavajućim člankom Marina Franičevića). Sve pritiskajući pojmovi (stvarnost, sloboda, nedostaci) opozivaju stereotipe u kontekstu diskursa koji dovode diskurs u red.

Sada možemo da usporedimo ishode sinhronog istraživanja s opštim klasifikacijama rituala, mita i diskursa. Vrsta obreda u jugoslovenskom književno-političkom diskursu od 1945. do 1952. g. većinom odgovara uzoru godišnjičkog obreda. Stabilizuju jerarhiju i treba da ojačaju novu zajednicu. Nisu to rituali pokreta, koje naziva Terner liminalitas-om i komunitas-om. Takvi pokreti, kao npr. milenarska, ističu se osobinama kao homogenitet, bednost, jednakost, anonimnost, bezimanjenost, redukcija polne diferencijacije, progonstvo razlika u činu, jednostavnost reči i. t. d. (Tuner 110f.). Jugološki mit ubrojava takve pokrete u svoje pretke (bogomili u Bosni, anabaptisti u Kranjskom). Pri svemu tome, ipak su njegovi obredi jerarhični. Rituali u jugoslovenskom književno-političkom diskursu vode poreklo, delimično, iz komunitarnih rituala partizana (čija je tradicija vidljiva u vojnom diskursu posle rata, u kojem ima prvu generalku sveta).

Nisu obredi jugoslovensko književno-političokg diskursa Kercerovi otporni rituali, nego stabilizujući, iako se u njima nalaze neki njihovi atributi; rodili su se i iz ratnih i iz drugih predratnih riuala. (Kertzer 1988) Slično je s upoređivanjem jugologije s drugim vrstama mita. U Lotmanovim spisima ima jedan članak o značenju početka i kraja jednoga teksta. Ima tekstova s naglašenim krajem i takvih, gde je naglašen početak, pri čemu mogu oba pola da budu ili negativni ili pozitivni ili i jedno i drugo. Mitološki tekst jednog milenarskog pokreta bio bi naglašen na kraju, šta bi bilo negativno. Utopijski komunizam naglašava pozitivan početak, a naučni komunizam (marksizam) npr. stavlja akcenat na pozitvni kraj. (Lotman

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REZIME — RESÜMEE 1966) Tekstovi našega korpusa nose naglasak na negativnom početku — mit priča o nastajanju zajednice iz ugnjetavanja i iz borbe protiv njega pri čemu se ovaj početak nalazi i u NOB-u i u etnogenezi (rođenje heroja mita).

Treća je osobina našega diskursa da se razlikuje od drugih u tome da je njegov heroj definisan nacionalno, prvo i prvo, a u drugom redu, i socijalno. Narod je heroj (puta). Kulturni je heroj neka vrsta hajduka ili Robina Huda — Tito. U tome se naš diskurs razlikuje od onih, čija mitologija ima heroje kao što su "proletarijat" ili "hrišćanstvo".

2. Uskoro posle rata, književnost dobije poleta. 1947. g. jača politički pritisak na pisce, književna produkcjia slabi i dogmatičari imaju odlučujuću reč. Najpoznatiji od njih je Radovan Zogović, ali između 1948. i 1949. g. druge su osobe bile protagonisti utilitarizma i dogmatizma. Posle toga, linija "kritičke obrade sadašnjosti" jača ponovo. Početak nove ere su, po Lukiću, u Srbiji Davičovo predavanje "Poezija i otpori" (1949) i Ćosićev roman "Daleko je sunce", u Hrvatskoj Šegedinov referat na kongresu pisaca (1949/50.) Uskoro u tom vremenu neki su se pisci suprotstavljali iskorišćavanju književnosti odbijanjem ikakvog njenog "zadatka" (borba realista i modernista). Od 1950. g književnost počinje da procvetava. Najvažniji su časopisi književne diskusije Svedočanstva, Nova misao (Beograd), Krugovi (Zagreb), Beseda (Ljubljana), Sovremenost i Razgledi (Skopje). (Lukić 1969, 24–29)

Diahrona obrada se bavi prekidnostima u diskursu kao npr. značaj pojma socijalistički realizam. Upravo posle rata niko ne preuzima ovaj izraz osim Zogovića, od 1948. g. drugi mu se pridružuju (diskurzivno), a od 1951. g. bivši pobornici prioniju na alternativne argumentacije i njihovi protivnici imaju reč. Staljinovi "inženjeri ljudskih duša" retko se upotrebljavaju do 1948. g., a posle često, i to ironično i rugajući se, naročito zbog instrumentalističke konotacije inženjera. U antimoskovskoj retorici religiozne su metafore jako popularne. Najveći se broj antisovjetskih izjava odnosi na prelaz od horizontalnog do vertikalnoga shvatnja sveta i Milovan Đilas je pobornik toga diskursa. Osim proloma u vezi sa sovjetsko-jugoslovnskim sporom, promene se javljaju na kraju ovog perioda. Pre svega u 1952. g. množe se izjave da nije kulturni uticaj kapitalističkih zemalja štetan; množe se s drugim rečima glasovi, koji se ne boje rupa u granici unutrašnjosti.

"Formalizam, dekadentnost" i "povučenost od života" su popularni prigovori protiv piscaca. Odnos prema moderni znatno se menja u periodi posmatranja. Od 1950. g. pojavljuje se bujica tekstova o moderni, a 1952. g. dolazi i do otvornih konfrontacija. To je godina u kojoj vaskrsavaju stilovi koje su još malo ranije bili unisono nazivali buržoaski. Mit NOB-a (jugogonije) služi integraciji suprotnosti među piscima različitog porekla. Oni koji nemaju

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REZIME — RESÜMEE komunističku prošlost izjašnjavaju se posebno rado za NOB i za izgradnju, a o međuratnom vremenu izražavaju se nerado. Zato se primećuje dinamika da "nekomunistički" pisci proslavljaju NOB kao mesto rođenja književnosti. Stari borci hoće, s druge strane, da se razgraničavaju od novih vijača (simbola) Tita i svađaju se za titule "osnivač savremene književnosti u međuratnom periodu". Tzv. buržoaski pisci (npr. Andrić) ne uključuju se u hegemoničan spor oko osnivanja sadašnjosti i sadašnje književnosti, sve dok važe za kompromitovane zbog njihovih nekadašnjih političkih delatnosti ili nedelatnosti.

Relativno istovremeno s odvajanjem od Moskve, marksizam ili marksizam -lenjinizam postaje moderni i u jugoslovenskom književno-političkom diskursu zbog potrebnosti menjanja horizontalnoga shvatanja sveta u vertikalno, kao što je poznato. Al' zajednica se integriše, u prvom planu, dominantnim mitom porekla u NOB-u, iako marksizam-lenjinizam od 1948. g. počinje da mu konkuriše. Često se odvajanje od Kominforma predstavlja kao nastavak ovoga porekla i tako dolazi do povezivanja dvaju integratora.

"Izvukovića" ima i pred pred proloma i posle; Tin Ujević je prvo ispaštao za druge, a posle toga je to učinio Zogović. Od 1950. g. možemo da posmatramo niz izjava koje odstupaju od tadašnjega oficijalnog diskursa. Običaji diskusija sada izgledaju manje kruti i manje reglementovani nego ranije. I međusobna kritika i replike u časopisama nalaze se tek na kraju perioda posmatranja. Ali u najvećem tog perioda dobe i Krleža i drugi ponašaju se konformistički. Krleža npr. posle 1946. ućutao se "rečito", 1950. g. zahtevao je likvidaciju unutrašnjih neprijatelja, a tek 1952. g. istupao je slobodno kad je bio siguran u svoje pozicije. Na drugoj strani konformista nalazi se Marin Franičević, koj deluje i pre i posle "klimatskog preokreta" i okreće kako vetar duva. Od ždanovističkog krvoloka, preobražava se (opet) u specijalistu za hrvatsko pesništvo na narodnim govorima.

No prauzori, koji se javljaju početkom pedesetih godina, markantna su promena u diskursu, kao i negativni uzori, čije je spominjanje bilo u predhodnom vremenu tabu: Breton, Kami, Vulf, Bodler, Nerval, Majakovski, Eliot, Dante, Rasin, Sezan, Matis, Brak, Apoliner, Rembo, "crnjačke plastike", Malarme, Džojs, Prust, Bajron. Jedna polovina autora ne poštuje više sovjetske prauzore, a druga ne može više da se poziva na njih — osim na Gorkoga.

Već smo objasnili šta znači sloboda u jugoslovenskom književno-političkom diskursu od 1945. do 1952. g. To se menja u toku vremena, bar u nekim ljudima. Heteronomija književnosti bila je istog značenja kao sloboda; ali kasnije sloboda znači upravo autonomiju. Pre 1950. g. sloboda je samo bila predmet afirmativnih izjava. Posle toga postaje kod jednoga dela diskurzanata predmet diskusija, pa čak postulat.

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REZIME — RESÜMEE Antisovjetska retorika služi i ovde kao vozilo za sadržine "antirealista". Jugoslovenski književno-politički diskurs nije samo bio strukturisan po neknjiževnim kategorijama (kako sam objasnio gore), bio je mestimice i represivan i agresivan u najvišem stepenu. U kritici npr. Franičević dostiže vrhunac opsujući Vesnu Parun; Tinu Ujeviću bila je naneta posebno ogromna šteta (šta se ne spominje ni u jednoj istoriji književnosti) sve do 1950. g. Drugi pisci ćute u tri poslednje godine četrdesetih godina, dok je Ujević isključen iz SKJ-a, a ni kasnije ga niko ne uzima u svoju zaštitu. 1952. g. spominjan je kao član SKJ, publiciran je bivši njegov mučitelj – Marin Franičević – ubrojava ga u važne hrvatske pesnike. Kako pokazuje Ujevićev primer, usmena (diskurzivna) zgrožavanja i zaplašivanja nisu bila jedina prinudna sredstva u književnoj politici. Šta je značilo isključenje iz Saveza književnika, postane jasno onog trenutka kad čovek pomisli šta je značilo biti član. SKJ bio je izdavač i hranitelj. 1947. g. dolazi do uvođenja strožijih kriterija za članstvo, šta je značilo da je skoro polovina članova DKH izgubila svoju osnovu postanka.

Različite suprotne struje rvu se za hegemoniju u diskursu. Karakteristično je za naš specifičan diskurs da retko kad dve struje stave istovremeno svoje teme na dnevni red. Sve dok prevlada linija Zogović, govori se o Gorkome i upotrebljava se rečnik socijalističkog realizma. Kad je vetar duvao s druge strane, ovaj rečnik postaje znak opštega neprijatelja. Sinhrone suprotnosti ograničavaju se na ćutanje o vladajućim temama ili/i na bežanje u druge tematike.

Od 1949. g. dotadašnje vladajuće nezadovoljstvo književnom produktivnošću uzmiče ispred negativne ocene vremena Zogovića. Pored svih opisivanih fenomena, u 1952. g. jedna strategija, koju bismo mogli da nazovemo kulturnim pesimizmom, sve više uzima maha; to se javlja naročito kod podleglih struja. U Mladosti (časopis književnika-početnika) požali se jedan gospodin na seksualni život mladih:

Uglavnom, orgije kakove se priređuju u raznim stanovima nemaju ništa zajedničko sa prirodnim tokom stvari. (Baumštark 1952, 381.)