Wirtschaft „Das ist der GAU“ Schwere Schlappe für den BMW-Aufsichtsratsvorsitzenden Eberhard von Kuenheim: Den neuen Konzernchef kürten die Arbeitnehmer.

o eine Sitzung gab es im BMW- kam. Entwicklungschef Reitzle, der ein Die Arbeitnehmervertreter bei Aufsichtsrat noch nie. Am Freitag Sanierungsprogramm für die Tochter BMW aber wollen von harter Sanie- Svergangener Woche stritten die ausgearbeitet hatte, sollte an die Kon- rung nichts wissen: „Wir können doch Kontrolleure über sieben Stunden lang zernspitze rücken. nicht das Werk Longbridge schließen“, erbittert um die Besetzung der Kon- So hatten es die Anteilseigner seit sagt Betriebsrat Schoch. zernspitze. Es ging um die Frage, ob Wochen vereinbart. Doch Pischetsrie- Pischetsrieder spürte in der Auf- weiter Vorstands- der, der noch im Januar in einem SPIE- sichtsratssitzung, daß die Hilfe der Be- chef bleiben kann oder durch Wolfgang GEL-Gespräch sagte, „ich habe keine triebsräte ihn auch nicht mehr retten Reitzle ersetzt wird. Es ging um die Zu- Sekunde an Rücktritt gedacht“, wollte kann.Weil die Kapitalvertreter ihm die kunft von Rover und die des gesamten das Feld nicht freiwillig räumen. Lösung der Probleme nicht zutrauten, Konzerns. Und am Ende stand ein De- Der Mann mit dem Kinnbart nahm bot er seinen Rücktritt an. saster, das in der deutschen Industrie- den Kampf gegen seinen Aufsichtsrats- Bei der anschließenden Debatte um geschichte seinesgleichen sucht. chef und die größten Anteilseigner auf Pischetsrieders Nachfolge lehnten die Beide, Pischetsrieder und Reitzle, – ein Kraftakt. Pischetsrieder nutzte Arbeitnehmervertreter hartnäckig die werden den Konzern verlassen. BMW seine blendenden Kontakte zum Be- Ernennung Reitzles ab. Aufsichtsrats- soll in der schwierigsten Phase seiner triebsratsvorsitzenden Manfred Schoch chef Kuenheim hätte bei Stimmen- jüngeren Geschichte von einem Mann und anderen Arbeitnehmervertretern. gleichheit zwischen Arbeitnehmer- und geführt werden, der im Konzern und in Bei ihnen steht er in gutem Ruf, weil Kapitalvertretern zwar von seinem Doppelstimmrecht Gebrauch machen und Reitzle durchsetzen können. Doch er wollte in einer so kritischen Phase nicht einen von den Arbeitnehmern an- gefeindeten Vorstandschef. So kam Kompromißkandidat Mil- berg ins Gespräch, und Reitzle, der zu- vor schon signalisiert hatte, daß er nicht unter einem anderen Konzernchef ar- beiten würde, erklärte seinen Rücktritt. Der Mann, der für viele „Mister BMW“ war, wird schnell einen neuen Job finden. Für BMW aber ist Reitzle, der die Marke BMW zu Rekordgewin- nen führte, kaum zu ersetzen. W. V. BRAUCHITSCH V. W. M. TINNEFELD / PEOPLE MAGAZINE „Das ist der GAU“, sagte nach der Aufsichtsrat Kuenheim, Manager Pischetsrieder, Reitzle: Chaos in München Sitzung ein Kontrolleur, dessen ganze Enttäuschung sich auf den Aufsichts- der Branche allenfalls durch Unauffäl- der BMW-Chef bei Rover anfangs sogar ratsvorsitzenden richtet. Kuenheim hat- ligkeit auffiel: Joachim Milberg, bislang knapp 7000 neue Stellen schuf und die te BMW in seinen 23 Jahren als Vor- Produktionsvorstand. Krise jetzt vor allem mit neuen Milliar- standschef auf Erfolgskurs gebracht. Am Ende der Sitzung waren alle rat- deninvestitionen bekämpfen wollte. Auch als Aufsichtsratsvorsitzender los, vor allem Aufsichtsratsvorsitzen- Reitzle dagegen hatte schon nach wollte er Zeichen setzen. der Eberhard von Kuenheim und die dem Rover-Kauf gesagt, die Tochter sei Für Bankiers, die nebenbei einen Quandt-Erben, Susanne Klatten und „ein Sanierungsfall“. BMW solle nur Aufsichtsrat anführen, hatte Kuenheim Stefan Quandt, die über knapp 50 Pro- die Modelle und die Gelände- nur Spott übrig. Die würden Fehlent- zent der Aktien verfügen. wagen Landrover übernehmen und wicklungen erst merken, wenn es zu Dieses Ergebnis hatte wohl niemand die Pkw-Modelle auslaufen lassen. Fol- spät sei. Einem Mann wie ihm, der 40 gewollt – es ist die Folge einer schlech- ge: Die Münchner hätten das Werk Stunden in der Woche im Konzern sei, ten Vorbereitung durch den Aufsichts- Longbridge mit 14 000 Beschäftigten könne das nicht passieren. ratschef, eines rücksichtslosen Macht- schließen müssen. Doch Kuenheim wurde vom Rover- kampfs und starrer Arbeitnehmerver- Die Krise bei Rover mit einem er- Desaster überrascht wie ein Außenste- treter, die den Ernst der Lage offenbar warteten Verlust von 1,6 Milliarden hender, und er hat den Münchner Kon- nicht erkennen. Mark gab Reitzle nachträglich recht. zern durch die Chaossitzung vom Frei- Aufsichtsratschef Kuenheim und die Und die Verkaufszahlen für Rover-Pkw tag erst richtig in die Krise geführt. Ein Quandt-Erben wollten Pischetsrieder im Januar 1999 zeigen, daß sich die BMW-Aufsichtsrat fassungslos: Kuen- ersetzen, weil er das Milliarden-De- Schwierigkeiten zuspitzen: Der Absatz heim „hat sträflich versagt“. saster bei Rover nicht in den Griff be- ging um über 40 Prozent zurück. Dietmar Hawranek

92 der spiegel 6/1999