KARRIERE MANTEL UND SEGEN

112 managermagazin 5/2010 MALTESERORDEN Ein Netzwerk katholischer Adliger steuert milliardenschwere Hilfswerke. Besuch bei einem 900 Jahre al- ten Konzern mit eigenen Pässen und betenden Topmanagern.

as feucht-kühle Nebeltuch über Vilnius hat noch aktive Ritterorden, ein völkerrechtlich souverä- Dsich gelichtet, im Fackelschein prangt das nes Gebilde mit eigener Währung, eigenen Pässen Wappen über dem Botschaftseingang, und und diplomatischen Beziehungen zu 104 Staaten so- Douglas Graf von Saurma-Jeltsch steigt aus seiner wie eine Vereinigung, die zahlreiche Adlige als mana- Dienstlimousine mit der Malteser-Standarte: ein gende Wohltäter beschäftigt und Benedikt XVI. zu Rover mit Beulen, 120000 Kilometern auf der Uhr ihren Mitgliedern zählt. Er ist zugleich eine der größ- und speckigen Sitzen. Der Botschafter – Hornbrille, ten internationalen Hilfsorganisationen mit rund iPhone, das lockige Haar zurückgegelt – macht noch 1,5 Milliarden Euro Umsatz und in 120 Ländern karita- rasch eine Runde, bevor die Gäste eintreffen. Vorbei tiv tätig: ein Weltkonzern mit 900 Jahren Geschichte. an den Räumen, in denen sich Spenden aus Deutsch- Die lange Tradition mag als moralische Leitplanke land stapeln, Dutzende blaue Mäntel und Kartons funktionieren, doch auf dem viele Jahrzehnte so ge- mit Maggiwürfeln. Durch das Empfangszimmer mütlichen Wohltätigkeitssektor ist die Konkurrenz mit dem Bild des Großmeisters und der wuchtigen härter geworden, sind effizientes Management und Schrankwand. Der Parkettboden ist abgewetzt, die Strukturen gefordert. „Die Sozialverbände genießen grüne Couchgarnitur stammt aus dem Wohnzim- kaum noch Privilegien und geraten durch private mer seines Vorgängers, und die Kanapees auf dem Wettbewerber mit oft niedrigeren Löhnen unter Tisch hat eine örtliche Firma gestiftet. Druck“, sagt Branchenexpertin Iris Röthig. Der Empfang des Botschafters des Malteserordens Die Frage ist, wie eine Organisation, die um das in Litauen verströmt eine charmante Mischung aus Jahr 1050 entstand, um in Palästina ein Hospital zu Jugendcamp und Hochdiplomatie, und der Graf ist betreiben, und die zu großen Teilen von katholi- darüber äußerst zufrieden: „Das Selbstbewusstsein schen Adligen im Nebenjob geleitet wird, mit dem des Ordens kommt nicht vom Pomp, sondern aus der Pro fessionalisierungsdruck umgeht. Wie managt sie Tradition und der Hilfe, die wir vor Ort leisten.“ ihre Kosten, wie bringt sie die allein in Deutschland Wer an Ritterorden denkt, sieht tapfere Christen, 36 000 ehrenamtlichen und die 12 000 hauptberuf - die im heißen Sand das Schwert gegen Ungläubige lichen Helfer unter einen Hut? Wie behauptet sie sich schwingen, sieht den Heiligen Gral und viel mur- im Kampf um die sechs Milliarden Euro, die jährlich melnde Mystik. Der Alltag des Grafen von Saurma- in Deutschland gespendet werden, gegen Charity- Jeltsch, Ritter des Malteserordens, Mitglied der Bun- Giganten wie Unicef oder SOS-Kinderdorf ? desleitung der deutschen Malteser, ehrenamtlicher In Litauen, wo der Malteser Hilfsdienst seit 1991 Botschafter in Litauen und findiger Ermöglicher im tätig ist, sind diese Fragen für Graf von Saurma- Hilfsdienst, könnte davon nicht weiter entfernt sein. Jeltsch alles andere als akademischer Natur. Sicher, Heute Morgen hat er Suppe an Gebrechliche verteilt die Hauptamtlichen und 400 Freiwilligen hängen und über Möglichkeiten gegrübelt, eine Behinder- sich ordentlich rein, der Kindergarten in Vilnius ist tenwerkstatt zu finanzieren. Zwischen Suppenküche beliebt, und die Alten freuen sich über Kartoffel- und Altkleiderkammer empfängt er Minister, Spon- suppe mit Fleischeinlage, die freundliche junge Män- soren und Botschafter, um dann wieder für eine Wo- ner im Henkelmann vorbeibringen. „Das funktio- che mit dem Bus nach Lourdes zu pilgern. Samariter, niert gut, aber jetzt müssen wir die Organisation auf Manager, praktizierender Katholik und Diplomat, die nächste Ebene heben“, sagt der Graf. Gemeint ist der die Reisen nach Litauen aus eigener Tasche der Sprung in die sozialunternehmerischen Dienste, zahlt – die Kombination steht für eine der ältesten deren Einnahmen dann, wie in Deutschland, weni- und schillerndsten Organisationen der Welt. ger lukrative Tätigkeiten mitfinanzieren. Gemeint Der „Souveräne Ritter- und Hospitalorden vom sind systematischere Mitgliederwerbung, eine neue Heiligen Johannes zu , genannt von Rho- Finanzstruktur und professionelleres Fundraising.

FOTO: MARKUS J. NIETERT FOTO: MARKUS J. dos, genannt von “ ist nicht nur der älteste Kurz: Aktionen wie die „Weihnachtssuppe“, die Saurma-Jeltsch 2006 als eine seiner ersten Amts- handlungen erfand. Die Idee: Prominente kochen Trauerzug im Ordensgewand: Beisetzung des ver- und verteilen Suppe in den Stadtzentren, das bringt storbenen Großmeisters Fra’ Andrew Bertie in Rom Aufmerksamkeit und Geld und wirbt gleichzeitig für 2008 (3. v. l.: Erich Prinz von Lobkowicz, Präsident der ein Konzert, das live im Fernsehen übertragen wird deutschen Assoziation des Malteserordens) und während dessen Zuschauer anrufen und spen-

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den können. Dank der Unterstützung Graf hier in die richtige Balance zu brin- zentralisiert und präsentieren sich als durch die litauische Präsidentin und gen hat, und er macht dabei gute Stim- ge schlossene Einheit, nach außen und andere Promis spülte das Event 2009 mung und eine gute Figur auf dem diplo- innen“, sagt Martin Beck, Professor für fast 200 000 Euro in die Kasse. Der Bot- matischen Parkett, auch wenn es schon Sozialmanagement. Zusammen mit ih- schaftsempfang ist ein Dank an Helfer, ein wenig abgetreten ist. Das muss er rem Schwesterorden, den evangelischen Medien und Sponsoren. Saurma-Jeltsch auch, denn die „Christmas Soup“ ist eine Johannitern, gelten die Malteser als steht inmitten der Gäste, verteilt die mit der wichtigsten Einnahmequellen der die „Konzernhaftesten“ in der Sozial - Wappen verzierten und edel gerahmten Malteser in Litauen. „Wenn wir ehrlich wirtschaft. Zertifikate an die Mitwirkenden. Für die sind“, sagt der Graf, „dann haben wir als Zwei Faktoren verleihen den Malte- 17-Jährige, die im baltischen Winter die Orden nichts als unseren Namen. Den sern ihre Schlagkraft – und machen ihre Suppenkelle geschwungen hat, findet er müssen wir so einsetzen, dass alle ge - Organisation gleichzeitig zu einem äu- ebenso die richtigen Worte wie für den winnen: Die Medien haben eine gute ßerst komplexen und fragilen Gebilde: Manager der litauischen Bank, die das Geschichte, die Sponsoren einen Image- das riesige Heer der Ehrenamtlichen, Konzert mit 60 000 Euro finanzierte. „Wir gewinn, und die Bedürftigen bekommen die gleichberechtigt in vielen Führungs- haben mitgemacht, weil das Konzert im Hilfe.“ Ein goldenes Dreieck. gremien sitzen, sowie die über den Hilfs- Fernsehen übertragen wurde“, sagt der Was Saurma-Jeltsch für Litauen vor- werken liegende Ordensstruktur, die Vizechef der Bank, „die öffentliche Wir- schwebt, ein effizient geführtes Hilfs- nach wie vor stark vom Adel geprägt ist. kung war uns extrem wichtig.“ unternehmen, das ist im wichtigsten Nach der Vertreibung von Malta durch Es ist ein kompliziertes Geflecht aus Malteser-Land, der Bundesrepublik, Napoleon sitzt die Ordensregierung seit Politikern, Journalisten, Ehrenamtlichen, schon Realität. „Früher als andere ha- 1834 in Rom; an der Spitze seit Frühjahr Prominenten und Bürokraten, das der ben die Malteser ihre Struktur hier 2008 der 79. Großmeister, Fra’ Matthew

Aufbau im Baltikum: Douglas Reformer und Bewahrer: Seit rund Berufe für Blaublüter Graf von Saurma-Jeltsch, 30 Jahren leitet Johannes Freiherr Botschafter des Ordens in Litauen, Heereman den deutschen Malteser Nebenjobs und Ehrenämter des in taubengrauer Dienstuniform Hilfsdienst deutschen Adels – eine Auswahl

Adel verpflichtet: Viele der rund 60 000 Adligen in Deutschland engagieren sich in Ehrenämtern oder als Funktionäre in Ver- bänden. Die Einrichtungen erhoffen sich vom Klang des Adelsnamens und den ge- sellschaftlichen Verbindungen einen po- sitiven Effekt. Besonders beliebt bei Graf & Co. sind Kirche, Kunst und Karitatives:

Clemens Graf von Waldburg-Zeil (50) arbeitet als Generalsekretär des Deut- schen Roten Kreuzes (DRK). Johannes Fürst zu Waldburg-Wolfegg (53) sitzt im Kuratorium der Deutschen Stiftung Denk- malschutz, Alexandra Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg wirkt als Beraterin bei der Unesco in Paris. Philipp zu Guttenberg (36), Bruder des Ver- teidigungsministers, wurde kürzlich zum Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände gekürt. Franz Herzog von Bayern (76) sitzt unter anderem im International Council of the Museum for Modern Art in New York; Leopold Prinz von Bayern (66) enga- giert sich als Sonderbotschafter der Special Olympics Bayern. Da mögen die Preußen nicht zurückstehen: Oskar Prinz von Preußen (50) bekleidet das Amt des Herrenmeisters im evangelischen Johanniterorden.

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Festing. Rund 13 000 Ritter und Damen die Ordensassoziation die gemeinnüt- Johannes Freiherr Heereman, vorsit- gehören dem Malteserorden weltweit an, zige Deutsche Malteser GmbH (gGmbH) zender Geschäftsführer des Hilfsdiens- sie sind in den einzelnen Ländern zu führt, zwar Prinzen, Grafen und Barone tes, kam wie viele Mitglieder über die „Assoziationen“ zusammengeschlossen sind, aber durchaus bürgerlichen, wenn Lourdes-Pilgerfahrten zum Orden. Die und in drei Stände gegliedert: Den ersten auch gut dotierten Berufen nachgehen: Teilnahme ist Familientradition und Stand bilden die „Professritter“, die Ge- Sebastian Prinz von Schoenaich-Caro- steckte auch ihn an: „Ich war fasziniert, lübde über Armut, Keuschheit und Ge- lath etwa ist Vorstandsvorsitzender der der Umgang mit kranken und behinder- horsam ablegen müssen. Aus ihrem Kölner Volksbank und Maximilian Graf ten Menschen war unglaublich erfül- Kreis, der weltweit nur rund 70 Personen von Drechsel als Geschäftsführer von lend.“ Initiiert hatte die Pilgertouren, zählt, werden Großmeister und Groß- Kopernikus Kapital tätig. die aktuell Thema eines Kinofilms sind, komtur gewählt. Den zweiten Stand Philipp Freiherr von Boeselager, ein Wi- bilden die gut 800 „Obödienzritter“, die IN DER GGMBH ist der Löwenanteil der derstandskämpfer des 20. Juli 1944 und sich verpflichtet haben, im Geiste der Malteser-Aktivitäten in Deutschland ge- Mitgründer des Malteser Hilfsdienstes. Ordensprinzipien zu leben, wenn auch bündelt: Rettungsdienst, 30 Kranken- Er wurde auf den jungen Heereman auf- ohne kirchenrechtlich bindende Ge- häuser und Altenheime, Jugend- und merksam und schlug ihn bald als Gene- lübde. Zu ihnen muss gehören, wer ein Suchthilfe, Hausnotruf, Katastrophen- ralsekretär des deutschen Hilfsdienstes hohes Ordensamt, etwa in der Regierung, schutz, Menüservice. Die Holding mit vor. Seither leitet Heereman die Organi- anstrebt. Den dritten Stand und damit Sitz in einem schmucklosen Gelbklinker- sation. Einen Konzern, in dem Topmana- die große Mehrheit bilden die einfachen gebäude in Köln-Kalk steuert einen Jah- ger wie er im Nebensatz erwähnen, dass Mitglieder, die sich wiederum in drei Rit- resumsatz von rund 660 Millionen Euro sie gerade noch mal den Jakobusbrief terarten gliedern: alter Adel, junger Adel (siehe Grafik unten). lesen, regelmäßig beten und sich einmal und Bürgerliche. Bis 1998 durften von ihnen nur Männer zu Obödienzrittern aufsteigen, die adlige Herkunft über Gutes tun im Zeichen des Kreuzes 300 Jahre nachweisen konnten, die soge- Die Organisation des Malteserordens und seiner Hilfswerke in Deutschland nannten „Ehren- und Devotionsritter“. Heute herrscht die Moderne. Prinzi- Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom Hl. Johannes zu Jerusalem piell kann jeder in den Orden aufgenom- Ordensregierung in Rom; Großmeister: Fra’ men werden und Topämter bekleiden. Diplomatische Beziehungen zu 104 Ländern; Vertretungen bei Uno, EU etc. Dennoch sind etwa in Deutschland drei 200 Projekte in 20 Ländern; Umsatz: 25 Mio. Euro von vier Ordensleuten edlen Geblüts. Auch für eine Führungsposition inner- halb der Hilfsdienste ist vornehme Ab- 6 Großpriorate, 6 Subpriorate und stammung keine Voraussetzung, nomi- 47 nationale Assoziationen nell noch nicht einmal die Ordens - Zum Beispiel mitgliedschaft – de facto aber dürfte die Blaublüterdichte in den Topetagen in Deutsche Assoziation des Malteserordens kaum einer anderen Organisation höher Präsident: Erich Prinz von Lobkowicz; sein: Die Geschichte wirkt noch nach. Kanzler: Albrecht Freiherr von Boeselager Die meisten Ämter innerhalb des Or- dens sind Ehrenämter; die Gehälter im Hauptamtlich geprägte Dienste Ehrenamtlich geprägte Dienste Hilfsdienst sind branchenüblich, und das bedeutet: eher niedrig. Ein Ge- schäftsführer auf Bundesebene etwa er- Deutsche Malteser gGmbH Malteser Hilfsdienst e. V. hält zwischen 100 000 und 200 000 Euro Vorsitzender Geschäftsführer: z. B. Ausbildung und Katastrophenschutz Karl Prinz zu Löwenstein im Jahr. Dennoch bilden die wenigsten Präsident: Constantin von Brandenstein-Zeppelin Vorsitzender des Aufsichtsrats (nur Ordens- Vorstandsvorsitzender: Ordensleute das Vorurteil des von seinen mitglieder): Erich Prinz von Lobkowicz Johannes Freiherr Heereman üppigen Latifundien lebenden Adligen Gesamtumsatz: 660 Mio. Euro Umsatz: 135 Mio. Euro ab, der zum Zeitvertreib ein bisschen Wohltäter spielt. „In Adelsfamilien ist es aber Tradition und historische Ver- pflichtung, sich für die Gesellschaft zu Malteser Hilfsdienst Malteser Werke Malteser Träger- engagieren“, sagt der Präsident der deut- gGmbH gGmbH gesellschaft gGmbH schen Malteser-Assoziation, Erich Prinz Sozialunternehmerische Dienste, z. B. Jugend- und Drogenhilfe Krankenhäuser und von Lobkowicz, ein gut gelaunter Herr z. B. Rettungs- und Fahrdienst Geschäftsführer: Johannes Altenhilfeeinrichtungen mit blauen Augen, Geheimratsecken und Vorsitzender Geschäftsführer: Freiherr Heereman, Vorsitzender Geschäftsführer: Tweedsakko. Noblesse oblige. Johannes Freiherr Heereman Sebastian Schilgen Karl Prinz zu Löwenstein So kommt es, dass die meisten Herren Umsatz: 255 Mio. Euro Umsatz: 25 Mio. Euro Umsatz: 380 Mio. Euro

FOTOS: ALBRECHT FUCHS FÜR MANAGER MAGAZIN im achtköpfigen Aufsichtsrat, über den Grafik: manager magazin Quelle: Malteserorden

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im Jahr zu einwöchigen Exerzitien ohne beit – also die sozialunternehmerischen chen – brauchten die Malteser aber auch Handy und Zeitung zurückziehen. Und Dienste, wo mit Leistungsentgelten von nach außen ein klareres Profil. „Viele in der jeden Tag um 12.30 Uhr in der Krankenkassen und Kommunen das kannten zwar unsere Rettungswagen, hauseigenen Kapelle das Angelus-Gebet Geld verdient wird – stärker von der aber als Marke waren wir nicht eindeutig gefeiert wird, eine kurze Andacht mit ehrenamtlichen wie Ausbildung und positioniert“, sagt Heereman. Eines Liedern, Lesungen und Vaterunser. Katastrophenschutz. Ein Prozess, der Tages las er im Zug einen Artikel über Und gleichzeitig eine Organisation, die, Fingerspitzen gefühl verlangte. „Das Eh- die Markenstrategie von Marlboro im als Heereman anfing, „noch stark blau- renamt macht unsere Organisation ein- Vergleich mit Camel und war elektrisiert. lichtgeprägt“ war, unter seiner Ägide zigartig. Aber um effizient arbeiten zu Zufällig traf er den Autor, den damali- neue Geschäftsfelder erschloss und sich können, brauchten wir klare Entschei- gen McKinsey-Berater Hajo Riesenbeck, drastisch verändern musste, um wett- dungswege.“ Heute sind die Freiwilligen abends auf einem Konzert – und der war bewerbsfähig zu bleiben. im Malteser Hilfsdienst e. V. zusammen- bereit, pro bono eine neue Markenstrate- Die deutschen Malteser waren lange gefasst, der neben der gGmbH eine ei- gie zu entwickeln. Der Kern der karitati- regional zersplittert; das Nebeneinander gene Einheit mit 135 Millionen Euro Um- ven Arbeit der Malteser sei die physische von Haupt- und Ehrenamt sorgte für satz bildet. Auch Malteser International Nähe zu den Menschen, fanden die Be - zusätzliche strukturelle Verwirrung, (Umsatz: 25 Millionen Euro), mit gut 200 rater heraus; daraus entstand der Slogan Anfang der 90er häuften viele Einhei- Projekten von Katastrophenhilfe bis zu „... weil Nähe zählt“, der Ende 2006 offi- ten Defizite an. Heereman machte sich Ernährungsprogrammen rund um die ziell eingeführt wurde. Für den zackigen ans Sanieren, er kappte die Betriebs- Welt aktiv, wird von dem deutschen Consultant Riesenbeck war der Umgang kosten, zentralisierte die Buchhaltung Hauptquartier in Köln aus geführt. mit der traditionsschweren Organisa- und führ te SAP-Software ein, „das ganze In der wachsenden Konkurrenz um tion, in der Konsens statt Top-down- BWL-Instrumentarium“. Vor allem aber Spenden – die knapp 10 Prozent der Ein- Durchregieren per Knopfdruck verlangt trennte er 1997 die hauptamtliche Ar- nahmen des Hilfsdienst-Vereins ausma- wird, „eine neue, sehr bereichernde Er- fahrung“. Wies er etwa auf die schwierige Situation hin, kam schon mal die Ant- wort, der Orden habe auch um 1800 eine kritische Phase durchlitten und sich den- noch wieder berappelt.

DIE WUCHT von vielen hundert Jahren Ge- schichte, sie ist für die Malteser keine Last, sondern ebenso wie der katholische Glaube eine Art Gerüst, das die Ordens- leute verbindet und eine gewisse Ge- lassenheit verleiht, an Prinzipien festzu- halten. „Malteser zu sein bedeutet, ein christliches Leben in einer Gemeinschaft zu führen, die auf lange bewährten Werten wie Nächstenliebe basiert“, sagt Albrecht Freiherr von Boeselager, der Kanzler der deutschen Assoziation. Des- halb etwa behalten die Malteser Dinge Glaubensweg: Die Wallfahrten wie den Menüservice bei, die zwar oft mit Behinderten nach Lourdes Verluste machen, aber zum karitativen

sind Höhepunkte im Ordensleben Gencode des Ordens gehören. FOTOS: LARS HALBAUER / PA DPA, ANTONELLO NUSCA / GAMMA LAIF, PR (ganz links: Douglas Graf von An anderer Stelle ist man weniger Saurma-Jeltsch) sentimental: Kürzlich trennte sich der Orden von zwei defizitären Kranken- Hauptquartier: Napoleon vertrieb häusern in Jülich und Hamm; in der Auf- die Malteser von Malta. Seit 1834 sichtsratssitzung, für die Boeselager von sitzt die Ordensregierung in Rom in seiner Burg im Ahrtal nach Köln gefah- der Via dei Condotti. Diplomaten aus ren ist, wird über die künftige Ausrich- aller Welt werden hier empfangen. tung der übrigen Hospitäler diskutiert. Oberhaupt: Der Brite Fra’ Matthew „Die Landschaft verändert sich, und wir Festing amtiert seit Frühjahr 2008 als müssen unser Portfolio anpassen, denn Großmeister des Ordens wir haben eine Verantwortung den Spen- dern und Mitgliedern gegenüber“, sagt Boeselager, ein ruhiger, überlegter Mann mit randloser Brille und Siegelring.

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Bei allem Wandel, den der Orden ma- Henckel von Donnersmarck, Vater des Nouilles“ und „Glace aux Abricots“ par- nagen muss, ist es neben den Ritualen, Regisseurs Florian von Donnersmarck, lierten Staatsvertreter und Ordensober- den Messen und Uniformen vor allem bis 2006 als Präsident der deutschen haupt über die Politik. Der Hofstaat, das die Konstanz der Adelsfamilien, die das Ordensassoziation. Albrecht von Boese- komplexe Protokoll, der Status als souve- Geflecht der Tradition wetterfest macht. lager wiederum ist verheiratet mit einer ränes Völkerrechtssubjekt, sie sind keine Auch wenn blaues Blut kein formales Tante des Verteidigungsministers Karl- Marotte, an der die Malteser aus Lieb - Kriterium ist – „die Adligen bilden das Theodor zu Guttenberg; eine andere haberei festhalten. „Er erlaubt uns, bei geistige und oft auch funktionale Rück- Tante ehelichte Freiherr Heereman. unseren Hilfsmissionen auf höchster grat des Ordens“, sagt Claus Heinrich Bill Ebene anzusetzen und erleichtert die vom Institut Deutsche Adelsforschung. JEDOCH: Trotz generationenübergreifen- Einfuhr von Material und Helfern“, sagt Albrecht von Boeselager etwa ist der der Verbindungen zu den besten Kreisen Großmeister Festing. Sohn von Philipp von Boeselager; als ist der Orden nicht reich. Jede Assozia- Nach dem Erdbeben in Haiti etwa wa- Großhospitalier der Ordensregierung in tion bildet eine selbstständige Einheit, ren die Malteser mit als Erste vor Ort – Rom koordiniert er die weltweiten Hilfs- manche haben durch Spenden solventer ihr Botschafter in der Dominikanischen einsätze. Wie bei den Boeselagers reicht Mitglieder ein kleineres Vermögen, doch Republik hatte den Weg geebnet. Es das Engagement für den Orden in vielen die Hilfswerke müssen sich überall selbst macht einen Unterschied, ob das Rote Geschlechtern zahlreiche Generationen tragen. In den Säkularisierungsstürmen Kreuz um einen Termin mit dem Minis- zurück – die Verbindungen laufen quer kurz nach 1800 verlor der Orden fast über- ter bittet oder ein echter Diplomat, auch durch die Adelsfamilien und touchieren all seine Besitztümer und brauchte das wenn er nur einen Faststaat repräsen- dabei auch den ein oder anderen Promi- ganze 19. Jahrhundert, um sich zu erho- tiert. Selbst Schreckensregime wie in nenten. So fungierte der ehemalige Luft- len. Nur in Österreich und in Italien sind Myanmar öffnen den Kreuzträgern die hansa-Topmanager Leo-Ferdinand Graf noch einige Ländereien, Wälder, Wein- Grenzen, weil „wir uns aus der Politik güter und Immobilien in Ordensbesitz. raushalten“, wie Festing sagt. Zu angese- Das prächtigste Gebäude, der Sitz der hen, um abgewiesen, und zu klein, um Familientradition: Albrecht Freiherr Ordensregierung, liegt in der römischen gefährlich zu werden, das ist das Erfolgs- von Boeselager ist Großhospitalier Luxusmeile, an der Via dei Condotti 68. rezept des karitativen Bonsaistaates. des Ordens; sein Vater Philipp war Dort, im Palazzo di Malta, mitten zwi- Festing, ein britischer Gentleman mit Mitgründer des Hilfsdienstes schen Prada, Bulgari, Gucci und Cartier, dicker Hornbrille und einer Vorliebe für haben Großmeister, Großkanzler und zerzauste Haare und fröhliches Lachen, die übrigen Regierungsmitglieder ihre arbeitete als Kunstexperte bei Sotheby’s, Büros und Privaträume. In der Hauska- bevor er Staatsoberhaupt wurde, und pelle, wo der spanische König Juan Car- steht im Ruf, ein zupackender Pragmati- los getauft wurde, hängen Bilder heilig- ker zu sein. Ob Haiti, Irak, Darfur oder gesprochener Ordensleute. In grauen andere Krisenherde: „Unsere Strategie Pappmappen mit Wappen beherbergt ist es, nicht punktuell einzufliegen, son- das Archiv die bunten Stammtafeln, mit dern langfristig zu helfen.“ denen die adligen Mitglieder ihre Ab- Und die anderen Katastrophen ma- stammung nachweisen. Mächtige Kron- chen derweil ja nicht Pause. Demografie, leuchter, antike Stiche und Kisten, kasse- Hunger, Wassernot und Bildung, hier tierte Decken, Mahagonischnitzereien, verlaufen für den Großmeister die ent- blitzende Säbel und edle Teppiche – auf scheidenden Fronten der Zukunft. Ge- Schritt und Tritt strahlt durch die Patina treu dem Wahlspruch: „Tuitio fidei et der Zeit der Glanz vergangener Epochen. obsequium pauperum“ (Bezeugung des Und doch ist die Existenz des Ordens Glaubens und Hilfe den Bedürftigen). Für als aktiv handelnder Quasi-Staat hier in den Orden selbst sieht Festing die größte Rom täglich live zu erleben. Nicht nur in Herausforderung in der ersten Hälfte des den Büros der hundert Mitarbeiter, die Mission-Statements: Inmitten der not- vor ihren Bildschirmen sitzen und zwi- wendigen Professionalisierung das schendurch zur Kaffeemaschine schlen- christliche Profil zu bewahren.

dern wie in jeder anderen Zentrale. Bisweilen hilft dem Orden dabei die FOTO: ALBRECHT FUCHS FÜR MANAGER MAGAZIN Sondern vor allem im Innenhof mit dem Ironie der Geschichte: Auf den ersten großen weißen Malteserkreuz, über den Blick wirkt es wie ein Fanal, dass sich an diesem warmen Frühlingstag eine ausgerechnet der Hauptsitz der wohltä- dicke schwarze Limousine schnurrt: tigen Ritter in der Via Condotti zwischen Großmeister Matthew Festing verab- den Läden von Hermès und Jimmy Choo schiedet den kubanischen Botschafter, eingezwängt sieht. Tatsächlich gehören der seinen Antrittsbesuch beim Orden die Räume aber zur Immobilie des Or- gemacht hat. Auf roten Plüschstühlen, dens. Die Edelboutiquen zahlen an ihn über „Paupiettes d’Aubergines aux Miete. Klaus Werle

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