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Berufliche Allergien gegen , und mikrobielle Labersatzstoffe1 Occupational Allergies against Pepsin, Chymosin and Microbial Rennet

Autoren V. van Kampen1, H. Lessmann2, T. Brüning1, R. Merget1

Institute 1 Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA) (Leiter: T. Brüning) 2 Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK) an der Universität Göttingen (Leiter: A. Schnuch)

eingereicht 21. 2. 2013 Zusammenfassung Abstract akzeptiert 22. 2. 2013 ! ! Lab ist ein Gemisch aus den proteinspaltenden Rennet is a mixture of the proteolytic Bibliografie Verdauungsenzymen Pepsin und Chymosin (Ren- pepsin and chymosin (rennin), which is usually DOI http://dx.doi.org/ nin), welches gewöhnlich aus dem Labmagen jun- obtained from the fourth stomach of young rumi- 10.1055/s-0032-1326407 ger Wiederkäuer gewonnen wird. Während Pep- nants. While pepsin is also used in the pharma- Online-Publikation: 20.3.2013 sin auch in der Arzneimittelindustrie Einsatz fin- ceutical industry, both enzymes (pepsin and chy- Pneumologie 2013; 67: 260–264 det, werden Pepsin und Chymosin gemeinsam mosin) are used for the coagulation of milk pro- © Georg Thieme Verlag KG zum Ausfällen des Milcheiweißes bei der Herstel- tein in the manufacture of cheese. Additionally, Stuttgart · New York ISSN 0934-8387 lung von Käse benötigt. Davon abzugrenzen ist microbial rennet, which is naturally produced by das mikrobielle Lab, das natürlicherweise von be- certain microorganisms, has been used as a sub- Korrespondenzadresse stimmten Mikroorganismen gebildet wird. Dieses stitute for natural rennet in the cheese produc- Dr. rer. nat. Vera van Kampen wird als Lab-Austauschstoff bereits seit Jahrzehn- tion for decades. Exposure to dusts has Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen ten in der Käseherstellung verwendet. Schon seit long been known to cause occupational immedia- Gesetzlichen Unfallversicherung, längerem ist bekannt, dass eine berufliche Expo- te hypersensitivities. The present paper reviews Institut der Ruhr-Universität sition gegenüber Enzymstäuben zu einer Sofort- the results of an evaluation of the literature data Bochum (IPA) typallergie führen kann. Die vorliegende Arbeit concerning occupational airway sensitisation due Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 gibt einen Überblick über die Ergebnisse einer to natural and microbial rennet. Cases of specific 44789 Bochum Literaturauswertung hinsichtlich der berufsbe- airway sensitisation caused by rennet could be [email protected] dingten atemwegssensibilisierenden Wirkung shown clearly by several studies. Positive skin Serienherausgeber von verschiedenen Lab-Enzymen. Da es an den prick and challenge tests as well as specific IgE R. Merget, Bochum verschiedenen Arbeitsplätzen nicht selten zu antibodies have been described, thus suggesting D. Nowak, München einer gleichzeitigen Exposition gegenüber Pepsin an immunological mechanism. und Chymosin bzw. mikrobiellen Labersatzstof- fen kommt, wurde die entsprechende Literatur gemeinsam ausgewertet. Durch die dargestellten Studien sind Fälle von spezifischer Überempfind- lichkeit der Atemwege oder der Lunge gut belegt. Durch positive Ergebnisse im Haut- und Provoka-

tionstest sowie dem Nachweis spezifischer IgE- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Antikörper scheint ein immunologischer Wirk- mechanismus gesichert.

1 Diese Arbeit ist eine modifizierte Version zweier Publi- Begründungen von MAK-Werten, Wiley-VCH Verlag kationen der Senatskommission der Deutschen For- GmbH & Co. KGaA, 2011; Mikrobielle Labersatzstoffe: er- schungsgemeinschaft (DFG) zur Prüfung gesundheits- schienen in der 48. Mitteilung der Toxikologisch-arbeits- schädlicher Arbeitsstoffe (Pepsin: erschienen in der medizinischen Begründungen von MAK-Werten, Wiley- 47. Mitteilung der Toxikologisch-arbeitsmedizinischen VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 2012).

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Einleitung Literaturauswertung ! ! Bei Pepsin und dem verwandten Chymosin (Rennin) handelt es Mit Hilfe geeigneter Stichwörter in sinnvoller Kombination wur- sich um proteinspaltende Verdauungsenzyme. Da sich bei beiden den Veröffentlichungen in der Datenbank „PubMed“ recher- Enzymen Asparaginsäure als funktionelle Aminosäure im akti- chiert. Im Original zugängliche relevante Publikationen über Stu- ven Zentrum befindet, zählen sie zu den Aspartatproteasen (As- dien zur sensibilisierenden Wirkung von Pepsin, Chymosin und partatendopeptidasen). mikrobiellen Labersatzstoffen wurden hinsichtlich der klinischen In der EC-Nomenklatur zur Klassifikation von Enzymen wird Befunde ausgewertet. Erfasst wurden neben der Zahl der expo- Pepsin unter der Nummer EC 3.4.23.1 geführt. Es handelt sich nierten Personen die Prävalenzen der einzelnen Symptome bzw. um eine saure Endopeptidase mit einem Molekulargewicht von Diagnosen. Darüber hinaus wurde festgehalten, mit welchen Me- 36kDa. Gebildet wird sie unter Einwirkung der Salzsäure des thoden (Hauttest, Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper, Pro- Magens aus einer inaktiven Vorstufe, dem Pepsinogen. Pepsin vokationstest) und unter Verwendung welcher Testlösungen vermag Peptidbindungen vorrangig C-terminal zu den Amino- eine Sensibilisierung diagnostiziert wurde. säuren Phenylalanin, Leucin und Glutaminsäure zu spalten. Die höchste Aktivität hat Pepsin bei einem pH-Wert zwischen 1,5 und 3; pH-Werte oberhalb von 6 inaktivieren das Enzym irrever- Ergebnisse sibel. Temperaturen bis 60°C können seine Funktion nicht beein- ! trächtigen, ebenso wenig höhere Konzentrationen an Harnstoff Die Auswertung der Literatur zeigt, dass Pepsin, Chymosin und und Guanidin. Pepsin wird in unterschiedlicher Form (Pepsin- mikrobiellen Labersatzstoffen ebenso wie auch anderen Enzy- Wein, Tabletten) als Arzneimittel, insbesondere bei Verdauungs- men (α-Amylase [4], Subtilisin [5], Cellulase [6] und Xylanase störungen, eingesetzt. Darüber hinaus findet Pepsin Anwendung [7], Papain [8], Bromelain [9], Phytasen [10]) nach beruflicher Ex- bei der künstlichen Verdauung von Fleischproben im Rahmen position eine atemwegssensibilisierende Wirkung zukommen der Trichinenuntersuchung, die Teil der amtlichen Schlachttier- kann. Hautsensibilisierende Wirkungen wurden in der Literatur und Fleischuntersuchung ist. bisher nicht beschrieben. Einen zusammenfassenden Überblick Während Pepsin vermutlich im Magen aller Säuger zu finden ist, über die Ergebnisse der Literaturauswertung sowie nähere An- geht man davon aus, dass Chymosin (EC 3.4.23.4.) nur in den gaben zu den durchgeführten Tests gibt●" Tab.1. Mägen der milchsaugenden Jungtiere vorkommt, da es für die Aufschließung des Milcheiweißes verantwortlich ist. Pepsin wird i.d.R. aus Schweine- oder Rindermägen isoliert und die Atemwegssensibilisierende Wirkung kommerziell verfügbare Pepsin-Form ist meistens Pepsin A aus ! dem Magen des Schweins. Rinder-Chymosin findet sich als Lab- Bei einem 30-jährigen Mann kam es ca. ein Jahr nach Beginn der ferment im vierten Magen (Labmagen) von Kälbern. Chymosin- Tätigkeit in der Qualitätskontrolle eines pharmazeutischen Un- Zubereitungen aus diesem Labferment enthalten stets auch Pep- ternehmens zur Verschlechterung seiner seit Teenagerzeit beste- sin. Chymosin (oder ein entsprechender Austauschstoff, s.u.) ist henden allergischen Beschwerden. Ursprünglich waren die Be- für die Käseherstellung unverzichtbar, und auch Pepsin wird, schwerden, die auf eine Sensibilisierung gegen Pollen und Katze meist im Gemisch mit Chymosin, zur Casein-Fällung bei der zurückzuführen waren, medikamentös gut kontrollierbar. Seit Käseherstellung benutzt. Beginn der Tätigkeit nahmen nun sowohl die rhinokonjunktiva- Davon abzugrenzen ist das „mikrobielle Lab“, das als Lab-Aus- len als auch die asthmatischen Beschwerden zu und wiesen tauschstoff bereits seit einigen Jahrzehnten bei der Käsezuberei- einen klaren Arbeitsbezug auf. Insbesondere wenn in dem Be- tung eingesetzt wird. Hierunter versteht man Aspartatproteasen, trieb Pepsin, Kräuter oder Pollenextrakte verarbeitet wurden, die natürlicherweise von bestimmten Mikroorganismen gebildet litt der Patient unter starken asthmatischen Beschwerden. Dabei werden. So wurde ein Labersatz aus dem Schlauchpilz Endothia handelte es sich um natürliches Pepsin aus Schweine- und Rin- parasitica (heutiger Name: Cryphonectria parasitica) bereits seit dermägen. Peak-Flow-Messungen am Arbeitsplatz und zu Hause 1967 in den USA unter der Handelsbezeichnung Suparen® ver- zeigten deutliche Schwankungen in der PEFR (peak expiratory kauft [1]. Nach heutiger Nomenklatur handelt es sich hierbei um flow rate) mit den niedrigsten Werten (ca. 75 % vom Ausgangs- das relativ thermolabile, nicht glycosylierte Enzym Endothiapep- wert) während der Arbeitsperioden. Der Haut-Pricktest mit dem sin (EC 3.4.23.24). Aus Kulturen der Zygomyceten Rhizomucor Pepsinpulver vom Arbeitsplatz des Patienten verlief positiv; bei 9 miehei (früher: Mucor miehei) oder Rhizomucor pusillus werden von 10 atopischen Kontrollpersonen hingegen negativ. Lediglich glycosylierte Mucoraspartatproteasen (Mucorpepsin; EC bei einem Kontrollprobanden kam es zu einer kleinen Quaddel

3.4.23.23) gewonnen [2], die nahezu identisch und relativ ther- (3mm). Zusätzlich wurde bei dem Patienten ein kommerzielles Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. mostabil sind [3]. Darüber hinaus können Pepsin und Chymosin Pepsinprodukt im Pricktest eingesetzt und auch dieser Test ver- inzwischen auch mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorga- lief positiv. Im unspezifischen Provokationstest mit Histamin rea- nismen produziert werden. gierte der Patient hyperreagibel. Im Rahmen eines arbeitsplatz- Da es an den verschiedenen Arbeitsplätzen nicht selten zu einer bezogenen Inhalationstestes (AIT) musste der Proband das Pep- gleichzeitigen Exposition gegenüber Pepsin und Chymosin bzw. sinpulver von seinem Arbeitsplatz so handhaben wie bei der am mikrobiellen Labersatzstoffen kommt, soll die entsprechende Li- Tag zuvor negativ verlaufenen Kontrolltestung das Laktosepul- teratur gemeinsam ausgewertet werden. ver. Bereits nach einer Minute kam es zunächst zu Rhinokonjunk- tivitis und Atembeschwerden und schließlich zu einem Abfall der

Einsekundenkapazität (FEV1) um 69%, dem sofort medikamentös entgegengewirkt wurde. Mittels RAST (Radio Allergo Sorbent Test) konnte ein erhöhtes spezifisches IgE (sIgE) gegen Pepsin

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Tab.1 Klinische Untersuchungen zur atemwegssensibilisierenden Wirkung von Pepsin, Chymosin und mikrobiellen Labersatzstoffen beim Menschen

Exposition Zahl der arbeitsplatz- Nachweismethode Literatur gegen Untersuchten bezogene Pricktest spezifische bronchiale Symptome IgE-Antikörper Provokation

Pepsin 1 Rhinitis, Konjunkti- positiv (Pepsin, 10 mg/ml) RAST positiv mit Pepsin-Pulver [11] vitis, Atemwegs- Pepsin-sIgE ↑ (im Ver- nach 1min.:

beschwerden gleich zu 11 atopischen FEV1-Abfall 69% Kontrollen) Pepsin 1 Husten, Asthma Scratch-Test RAST n.d. [12] positiv (mit Enzym-Präpa- positiv (Pepsin) rat Spasmo-Canulase®) Pepsin, 1 Rhinits, Konjunkti- positiv (Pepsin, 1mg/ml) RAST positiv mit Pepsin-Pulver [13]

Chymosin vitis, Husten, Atem- negativ (Chymosin, 100 negativ FEV1-Abfall nach 1min.: wegsbeschwerden mg/ml) (Pepsin u. Chymosin) 41 % nach 3 h: 29% negativ mit Chymosin- Pulver Pepsin 1 Atemwegsbeschwer- positiv (Pepsin, 1%ig) k.A. positiv mit Pepsin-Pulver [14] den (progredienter positiv (Pepsin, 4,2kU/l) Atemnot und Anstieg Verlauf trotz Tätig- Atemwegswiderstand keitsaufgabe) v. 0,2 auf 1,0kPa/l/s Pepsin 1 Rhinits, Konjunktivitis positiv (Pepsin, 10 mg/ml) k.A. positiv (10mg/ml, [15] positiv (Pepsin, 5,6 kU/l) konjunktival) Pepsin, Chy- 35 24/35 Atemwegs- positiv mit Pepsin 12/35 43% der Pricktest- n.d. [17] mosin und beschwerden, Chymosin: 10/35 Positiven: erhöhtes mikrobielle 21/35 Rhinitis, Mucorpepsin: 10/35 Gesamt-IgE Labersatz- Konjunktivitis Endothiapepsin: 2/35 (MW: 322IU/ml, Max. stoffe (200 IMCU/ml) 505IU/ml) Endothia- 1 Rhinitis, Asthma positiv (Endothiapepsin n.d. n.d. [1] pepsin 1:100.000; Scratch mit Endothiapepsin-Pulver) Mucorpepsin 1 Husten, Asthma, positiv n.d. positiv (Mischen v. 15 ml [19]

Hautbeschwerden (Mucorpepsin, 0,01 %; Ferment mit 350ml H20)

Molke) FEV1-Abfall sofort: 20 % nach 7 h: 31% n.d.: nicht durchgeführt, k.A.: keine Angaben, IMCU: International Milk Clotting Units

im Vergleich zu elf atopischen Kontrollen nachgewiesen werden Auffälligkeiten, am ersten Arbeitstag kam es hingegen nach 30 [11]. Minuten zu rhinokonjunktivalen und asthmatischen Beschwer- Ein 34-jähriger Krankenpfleger litt zunächst gehäuft unter tro- den und zu einem 37%igen Abfall der PEFR vom Ausgangswert. ckenem Reizhusten und danach unter wiederholten Asthmaan- Im unspezifischen Provokationstest mit Methacholin reagierte fällen, zunächst ohne erkennbaren Grund. Die allergologische der Patient positiv, während er im Haut-Pricktest auf keines der Abklärung auf ubiquitäre Allergene sowie Nahrungsmittel verlief getesteten ubiquitären Allergene reagierte. Auch die Pricktestung negativ. Mit 100 E/ml ergab sich allerdings ein grenzwertiger Be- mit nativer Kuhmilch, Flüssigferment, Calcium sowie Chymosin fund für Gesamt-IgE. Es zeigte sich, dass die Symptome im Zu- verlief negativ, allerdings kam es zu einer deutlichen Reaktion sammenhang mit dem Zerdrücken verschiedener Medikamente auf Pepsin und auf Lysozym. Drei atopische und zwei nicht-atopi- für einen Patienten mit Magensonde standen. Im Scratch-Test er- sche Kontrollpersonen zeigten keine Reaktion. Im AIT mit trocke- gab das enzymhaltige Präparat Spasmo-Canulase® eine stark nem Pepsinpulver entwickelte der Patient bereits nach einer positive Reaktion. Mittels RAST konnte sIgE gegen Trypsin vom Minute Rhinokonjunktivitis, Husten, Atemnot und ein Glottis-

Schwein, nicht jedoch gegen Rinder-Trypsin nachgewiesen wer- ödem. Dabei kam es zu einem FEV1-Abfall um 41 %, der medika- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. den. Zudem war sIgE gegen Pepsin geringfügig, aber signifikant, mentös behandelt wurde; drei Stunden später folgte ein erneuter

erhöht [12]. FEV1-Abfall um 29%. Ebenfalls positiv verlief der AIT mit Lyso- Ein 39-jähriger nicht-atopischer Mann war bereits seit acht Jah- zym, negativ jedoch der mit Chymosin. Mittels RAST konnte ren als Lagerist in einer Käserei beschäftigt, bevor er in die Pro- lediglich sIgE gegen Lysozym, nicht jedoch gegen Pepsin und duktion wechselte und dort Kontakt zu Milch und verschiedenen Chymosin nachgewiesen werden [13]. Enzymen, u.a. auch Pepsin und Chymosin, hatte. Etwa ein Jahr Eine 56-jährige Frau war seit 19 Jahren in der Trichinenuntersu- nach diesem Tätigkeitswechsel traten bei ihm erstmals Rhino- chung beschäftigt und führte dort seit elf Jahren Testungen nach konjunktivitis, Husten und Atemnot auf. Die Symptome began- der Digestionsmethode durch, bei der sie regelmäßig mit Pepsin nen typischerweise kurz nach Arbeitsbeginn und hielten die in Kontakt kam. Bereits ein Jahr nach Aufnahme dieser Tätigkeit Woche über an, besserten sich am Wochenende und gingen wäh- traten am Arbeitsplatz erstmals asthmatische Beschwerden auf. rend des Urlaubs nahezu komplett zurück. Peak-Flow-Messun- Zeitgleich entwickelte die Patientin eine Rhinitis allergica mit Be- gen bei fünftägiger Abwesenheit von der Arbeit zeigten keinerlei schwerden von Februar bis April. Ein Haut-Pricktest mit wässri-

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ger Pepsinlösung verlief positiv, bei drei nicht-exponierten Kon- beschrieben. Der Patient litt seit Beginn der Verwendung des trollpersonen hingegen negativ. Am Ende des 10-minütigen AITs, Labferments vier Jahre zuvor zunächst unter berufsbedingter bei dem die Patientin Pepsinpulver von einem Gefäß in ein ande- Rhinitis, später unter asthmoider Bronchitis und Auswurf und res schüttete, kam es zu Rhinokonjunktivitis und Luftnot. Der schließlich unter Asthma. Die spirometrische Untersuchung er- Atemwegswiderstand (Rtot) stieg dabei von ursprünglich 0,2 auf gab eine deutliche obstruktive Ventilationsstörung mit reversib- knapp über 1 kPa/l/s an. Die Bestimmung des sIgE ergab einen ler Komponente. Während der Intrakutantest mit Umweltaller- Wert von 4,2 kU/l für Pepsin. Wie zwei Jahre nach der ersten genen und Schimmelpilzen negativ verlief, ergab der Scratchtest Untersuchung festgestellt wurde, war die Atemwegserkrankung mit Endothiapepsin-Pulver ein dreifach positives Ergebnis. Im trotz permanenter Abwesenheit vom Arbeitsplatz progredient Gegensatz dazu verlief der Scratchtest bei drei Kontrollpersonen verlaufen, und eine Dauermedikation mit Kortikosteroiden und negativ. Die Schwellenwertbestimmung mit steriler Endothia- β-Mimetika war zwischenzeitlich erforderlich geworden [14]. pepsin-Lösung zur Erfassung des Sensibilisierungsgrades ergab Ebenfalls mit der Trichinenuntersuchung betraut war eine 22- im Pricktest eine einfach positive Reaktion bei einer Verdünnung jährige Schlachthof-Beschäftigte, die sieben Monate nach Tätig- von 1:100 000. Die Präzipitinanalyse mit Endothiapepsin verlief keitsaufnahme rhinokonjunktivale Beschwerden entwickelte. negativ. Unter Einhaltung einer entsprechenden Expositionska- Der Haut-Pricktest mit Pepsin verlief bei der Patientin positiv, renz und bei Verwendung von tierischem Lab aus Kälbermagen bei mehreren atopischen bzw. nicht-atopischen Kontrollen je- verschwanden die Symptome des Beschäftigten [1]. doch negativ. Der konjunktivale Provokationstest mit Pepsin Auch eine 38-jährige Käsermeisterin, die Umgang mit pulverför- führte bei der Patientin zu einem konjunktivalen Erythem mit migem Endothiapepsin hatte, klagte ein Jahr nach Tätigkeitsbe- Tränenfluss und Juckreiz, blieb bei drei atopischen sowie drei ginn über berufsbezogene Atemwegsbeschwerden. Der Scratch- nicht-atopischen Kontrollen jedoch folgenlos. Die Lungenfunk- test am Rücken mit Endothiapepsin verlief positiv, bei zehn Kon- tion der Patientin lag im Normbereich (forcierte Vitalkapazität trollpersonen jedoch negativ. Ebenfalls negativ war der Scratch-

(FVC): 86% Soll, FEV1: 96 % Soll, FEV1/FVC: 91 %). Spezifisches IgE test mit einem natürlichen Labferment aus Kälbermagen. Nach- war nachweisbar gegen Pepsin, Hausstaubmilbe und gegen Rin- dem in dem Betrieb Labferment in flüssiger anstatt in pulverför- derepithelien. Nach gelelektrophoretischer Auftrennung der Pep- miger Form verwendet wurde, war die Beschäftigte beschwerde- sinlösung wurde durch Inkubation mit dem Serum der Patientin frei. Aufgrund dieser Kasuistik wurden 16 Beschäftigte von zwei im Immunoblot eine sIgE-bindende 43 kDa-Bande erkennbar Käsereien befragt und untersucht. Zwei Beschäftigte hatten Um- [15]. gang mit einer flüssigen Labferment-Zubereitung aus Rhizomu- In einer weiteren Publikation, die jedoch in Russisch verfasst ist cor miehei und fünf mit pulverförmigem Labferment angegeben. und für die deshalb nur das englischsprachige Abstrakt zur Ver- Fünf Beschäftigte klagten über Rhinitis und Husten beim Umgang fügung steht, wird von einem Mann berichtet, der seit mehr als mit Labferment, drei berichteten über Bläschenbildung an den 30 Jahren in der Herstellung pulverförmigen beschäftigt Händen und Unterarmen. Die Hautsymptome verliefen mild und war und Hinweise auf eine beruflich bedingte exogen-allergische bedurften keiner Behandlung. Alle 16 Beschäftigten wurden im Alveolitis zeigte [16]. Scratchtest mit beiden verwendeten sowie mit fünf weiteren In einer Firma, in der sowohl natürliches als auch synthetisches Labferment-Zubereitungen getestet. Die Ergebnisse wurden Labenzym hergestellt wurde, nahmen 35 von 38 Beschäftigten nach 15 Minuten und 24h abgelesen – alle Tests verliefen jedoch an einer medizinischen Untersuchung teil. Das Alter der Teilneh- negativ [18]. mer betrug im Mittel 40,6 Jahre (27–61 Jahre), die Beschäfti- Bei einer 38-jährigen Beschäftigten trat kurz nach Aufnahme der gungsdauer lag zwischen 3 Monaten und 30 Jahren. Mittels eines Tätigkeit in der Käseherstellung Husten, Atemnot und Giemen Fragebogens wurden die Symptome der Beschäftigten erfasst: 24 auf. Die Beschäftigte mixte 3 Liter einer flüssigen Mucorpepsin- der 35 Befragten gaben asthmatische Beschwerden an, 12 (34%) Zubereitung aus Rhizomucor miehei mit 7 Liter Wasser und ver- davon mit Arbeitsplatzbezug. Rhinokonjunktivitis gaben 21 an, setzte 4000 Liter Milch mit diesem Gemisch. Spritzer der Labfer- bei zehn (29 %) Beschäftigten verschlimmerten sich die Sympto- ment-Zubereitung führten zu urtikariellen Hautreaktionen. Trotz me am Arbeitsplatz. Für den Haut-Pricktest wurden verschiedene Behandlung mit Corticoid-Spray traten weiterhin arbeitsplatzbe- Enzymlösungen hergestellt, die mit NaCl-Lösung auf eine Enzym- zogene Symptome auf, PEF-Messungen lieferten jedoch normale aktivität von 200 IMCU/ml (International Milk Clotting Units/ml) Befunde. Die Patientin wies eine mäßige unspezifische bronchia- eingestellt wurden. Quaddeln von 3mm oder größer galten als le Hyperreaktivität auf. Im Pricktest zeigten sich positive Reaktio- positiv. Auf mindestens ein Labenzym reagierten im Pricktest 14 nen auf Mucorpepsin und auf die Molke. Bei einem bronchialen (40%) der 35 Beschäftigten positiv. Dabei reagierten auf natürli- Provokationstest mischte die Patientin 15 ml Ferment-Zuberei- ches Pepsin aus Rindermägen bzw. Chymosin aus Kälbermägen tung in einer Schale mit 350ml kaltem Wasser und zeigte eine

12 (34%) bzw. zehn (29%) positiv. Auf Mucorpepsin aus Rhizomu- bronchiale Sofortreaktion mit 20 %igem Abfall des FEV1 sowie Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. cor miehei sowie auf Endothiapepsin aus Cryphonectria reagier- eine Spätreaktion mit Abfall des FEV1 um 31% nach 7 Stunden ten zehn (29 %) bzw. zwei (6%) Patienten und auf ein höher gerei- [19]. nigtes Chymosin aus Aspergillus niger-Kulturen vier (11%) der 35 Untersuchten. Von 28 nicht-exponierten Kontrollpersonen rea- gierte lediglich eine auf eines der fünf Labenzyme. Sechs der 14 Schlussfolgerung Beschäftigten, die im Hauttest auf mindestens eines der Labenzy- ! me reagierten, wiesen ein erhöhtes Gesamt-IgE auf. Insgesamt Durch eine Anzahl von Publikationen sind Fälle von spezifischer zeigten die Personen, die Umgang mit pulverförmigen Labenzy- Überempfindlichkeit der Atemwege durch die Aspartatproteasen men hatten, häufiger eine Sensibilisierung (3 von 4) als diejeni- Pepsin und Chymosin sowie durch mikrobielle Labersatzstoffe gen, die Umgang mit flüssigen Enzymen hatten (4 von 8) [17]. belegt. Da es an den betreffenden Arbeitsplätzen häufig zu Bereits 1976 wurde bei einem 45-jährigen Käsermeister eine gleichzeitiger Exposition gegenüber den genannten Enzymen allergische Reaktion auf das Labersatzferment Endothiapepsin kommt und insbesondere die für die medizinischen Testungen

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verwendeten natürlichen Enzympräparate kaum rein zu gewin- 7 van Kampen V, Merget R, Brüning T. Berufliche Allergien gegen Xylana- – nen sind, erscheint eine Einzelbetrachtung der Lab-Enzyme nicht sen. Pneumologie 2004; 58: 103 106 8 van Kampen V, Merget R, Brüning T. Berufliche Allergien gegen Papain. sinnvoll. Vielleicht stimmen auch aus diesen Gründen Sympto- Pneumologie 2005; 59: 405–410 me, Hauttestergebnisse, der Nachweis spezifischer IgE-Antikör- 9 van Kampen V, Merget R, Brüning T. Berufliche Allergien gegen Brome- per und die Ergebnisse spezifischer Provokationsteste nicht im- lain. Pneumologie 2007; 61: 159–161 mer exakt überein. Insgesamt scheint jedoch ein immunologi- 10 van Kampen V, Merget R, Brüning T. Berufliche Allergien gegen Phytase. Pneumologie 2008; 62: 707–710 scher Wirkmechanismus gesichert. 11 Cartier A, Malo JL, Pineau L et al. Occupational asthma due to pepsin. J Allergy Clin Immunol 1984; 73: 574–577 Interessenkonflikt 12 Hartmann AL, Wüthrich B, Baur X. Allergisches Asthma auf Enzyme in ! Arzneimitteln. Schweiz Med Wochenschr 1984; 114: 916–917 Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 13 Añíbarro Bausela B, Fontela JL. Occupational asthma in a cheese worker. Allergy 1996; 51: 960–961 14 Drexler H, Beyer B. Berufsbedingtes allergisches Asthma einer Trichi- Literatur nenschauerin durch Pepsinpuder. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 1 Wüthrich B. Zum Allergenkatalog beruflicher Inhalationsallergien: 1997; 32: 145–147 Asthma bronchiale auf ein synthetisches Labferment, Rhinitis allergica 15 Marquès LI, Lara S, Abós T et al. Occupational rhinitis due to pepsin. J auf und Rhinoconjunctivitis allergica auf Puppe des Falters Investig Allergol Clin Immunol 2006; 16: 136–137 Galleria mellonella. Berufsdermatosen 1976; 24: 123–131 16 Krasniuk EP, Petrova IS, Pilinskii VV. Exogenous allergic alveolitis in 2 Baudys M, Foundling S, Pavlík M et al. Protein chemical characterization workers engaged in the manufacture of pepsin. Lik Sprava 2001: of Mucor pusillus aspartic proteinase. Amino acid sequence homology 168–171 (in Russisch) with the other aspartic proteinases, disulfide bond arrangement and 17 Jensen A, Dahl S, Sherson D et al. Respiratory complaints and high sen- site of carbohydrate attachment. FEBS Lett 1988; 235: 271–274 sitization rate at a rennet-producing plant. Am J Ind Med 2006; 49: 3 Yang J, Teplyakov A, Quail JW. Crystal structure of the aspartic protei- 858–861 nase from Rhizomucor miehei at 2.15 A resolution. J Mol Biol 1997; 18 Niinimăki A, Saari S. Dermatological and allergic hazards of cheese- 268: 449–459 makers. Scand J Work Environ Health 1978; 4: 262–263 4 Baur X, Chen Z, Sander I. Isolation and denomination of an important 19 Suojalehto H, Tuppurainen M, Lindstrom I, Nordman H. Occupational allergen in baking additives: alpha-amylase from Aspergillus oryzae asthma due to milk coagulant protease. Poster-Abstract P3845. Euro- (Asp o II). Clin Exp Allergy 1994; 24: 465–470 pean Respiratory Society Annual Congress, Berlin, 7.Oktober 2008 5 van Kampen V, Merget R. Berufliche Atemwegssensibilisierungen http://www.ersnet.org/learning_resources_player/abstract_print_08/ durch Subtilisine. Pneumologie 2002; 56: 182–186 files/376.pdf 6 van Kampen V, Lessmann H, Brüning T et al. Berufliche Allergien gegen Cellulasen. Pneumologie 2003; 57: 388–391 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

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