Magazin für eine weltweite Ökosoziale Marktwirtschaft

Jens Spahn Zur neuen Generation

Julia Klöckner Zum Wettbewerb

Ulf D. Posé

Zur Verantwortung Yasmin fahimi

Generalsekretärin zu den vier „i“s Einzelpreis 5  Ausgabe 2 / 14 / Ausgabe 2 in den Fühingsgefühle Alpe

SONNENALP RESORT · SONNENALP 1 · D-87527 OFTERSCHWANG /ALLGÄU TEL. + 49 (0)83 21/272-0 · FAX - 242 Gebührenfreie Reservierung aus Deutschland: 0800 / 272 29 29 · Aus Österreich und Schweiz: 008000 / 29 29 29 29 [email protected] · www.sonnenalp.de Editorial

Herausgeber Dieter Härthe

Wie gut sind die Alten

Wie oft schon wurde sie öffentlich ausgerufen, die „so viel Staat wie nötig“ ebenso anerkannt wird. Zeit der Erneuerung. Dann wenn alles auf den Prüf- Nur so ist eine Balancierung im Gemeinwohlsinn stand muss, neue Ideen, neue Wege, andere Begriffe, auch möglich. frische Lösungen. Das kommt einem doch bekannt Die Forderungskataloge der Medien und politi- vor. Der Drang nach Fortschritt und Wachstum, schen Akteure sollten nicht alleine mit Überle- Verbesserung und Erneuerung ist in uns und es ist gungen über Ausgleich, Nachhaltigkeit, Umwelt- auch wichtig, denn es hilft Lösungen finden zu wol- gerechtigkeit und ethischer Verantwortung gefüllt len, wo Lösungen gefragt sind. sein. Verantwortung für eine zukunftsgerechte Ge- Doch sind es nicht die guten alten Worte, die so sellschaft kann nicht verordnet werden. Nicht alles überraschend zutreffend in jeder Zeit die Situation und jeder einzelne Schritt sind regulierbar. Nur mit beschreiben können. Würde der stete Drang nach, der Eigeninitiative und der selber erkannten Ver- nicht immer Ergebnis bringenden, Neuerungen antwortung sind letztlich die richtigen Lösungen gelegentlich durch eine Beachtung dieser Leitsätze zu leben. In diesem Sinne darf der gute alte Spruch hilfreiche Unterstützung finden? von der „Leistung, die sich wieder lohnen muss“ Es kann den Blick schärfen, wenn bei politischen nicht geächtet werden. Diskussionen Basisgedanken bewusst sind, wie Im Gegenteil, es ist der Kerngedanke. Leistung, nicht „keine Leistung ohne Gegenleistung“ oder „staatli- nur als geldwerte Zielsetzung, Leistung als Anspruch che Hilfe muss immer Hilfe zur Selbsthilfe sein“. an alle. Die Leistung des „kleinen Mannes“, der in Ein einfaches Prinzip, das aber die Parlamentarier seinem Job gewissenhaft und ehrlich seinen Dienst zu immerwährenden Streitigkeiten treibt, ist eine erbringt, die Leistung der selbstständigen Unter- Erkenntnis, die wir im Privatleben alle beherzigen nehmerin, die Arbeitsplätze schafft, die Leistung sollten: „Erarbeiten kommt vor Verteilen“. Nach des Konzernvorstandes, der nicht „steueroptimiert“ diesem Motto hätte die Schuldenfalle des Staates agiert, sondern die Beiträge zur Gemeinschaft leistet, keine Chance. Wenngleich es auch volkswirtschaft- die erforderlich sind. Ebenso wie die Leistung der lich zahlreiche Argumente und Modelle gibt, die Mehrheit der Bürger, die ehrlich nur solche Unter- ein Investment des Staates in die Gesellschaft und stützung oder sozialen Gaben in Anspruch nehmen, Wirtschaft als erforderlich darstellen, wird in Zei- die zwingend erforderlich sind. Denn „wer Hilfe ten des Überflusses doch zu wenig über Rückzah- braucht, bekommt Solidarität“, sagt ein weiterer lung und zu viel über die Verteilung der Mehrein- Grundsatz, aber meint auch tatsächlich nur den, der nahmen nachgedacht. Da könnten die guten alten es braucht. Gemeint sind nicht die, die in den sozi- Leitsätze helfen. alen Errungenschaften einen „Anspruch“ zur Nut- Das gilt jedoch nicht nur für die Parlamentarier, zung erkennen wollen. Jedoch gilt dieser Grundsatz auch die gesellschaftlichen Vertreter aus Wirtschaft auch für die Wirtschaft. Wir müssen uns erinnern, und Wissenschaft sind gehalten, den Grunder- „Subventionen sind immer zeitlich zu begrenzen kenntnissen mancher „Sprüche“ Wert zuzubilli- und degressiv zu gestalten“. gen. Es muss auf beiden Seiten akzeptiert werden, So lehrreich, so einfach. Die guten alten Leitsätze, sie dass „so viel Freiheit wie möglich“ immerhin nur helfen den Blick für das Wesentliche zu schärfen. So dann funktioniert, wenn der zweite Teil, nämlich gesehen sind „die Alten“ doch wirklich die ­Guten.

Seite 3 SENATE iNhAlTSVErZEichNiS

rheinischer kapitalismus – das Buch

POLITIK UND PARLAMENT Neue Generation die neue Generation sucht nach neuem Gehör ...... 20 sucht nach neuem ruf nach einer Agenda 2020 Gehör Weltweit gibt es mehr ideen als Probleme ...... 24 Von hans-Jürgen Beerfeltz Seite 20 Vier „i“s für die soziale Marktwirtschaft ...... 28 Yasmin fahimi Transatlantische Partnerschaft ist wichtiger denn je! .....38 Von Thomas Straubhaar Politikerinnen im Wettbewerb ...... 50 interview mit Julia klöckner Politikerinnen im Wettbewerb WIRTSCHAFTSWELT Jung zum Abitur – und dann? ...... 6 fächervielfalt und sehr junge Absolventen führen zu ratlosigkeit Seite 50 rheinischer kapitalismus ...... 10 Buchvorstellung von christoph Brüssel Moralisches Missverständnis: „dafür bin ich nicht zuständig“ ...... 14 Von ulf d. Posé Akademie des Senats ...... 16 Seminar zur Vertrauenskultur Transatlantische Partnerschaft wichtiger denn je!

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SENATE Seite 4 iNhAlTSVErZEichNiS

IMPRESSUM Redaktion: Herausgeber: Dr. Christoph Brüssel Dieter Härthe, ViSdP (Chefredaktion) Jennifer Simon (RvD) Platz der Vereinten Nationen 7 Annette Ahlborn 53111 Bonn Constantin Härthe Tel: +49 (0)228-915-605-0 Maria C. Wilhelm www.senat-deutschland.de Doris Mäder (Redaktionsassistenz) Hauptstadtbüro: Layout: Heiner Stellmach Schiffb auerdamm 40 Lektorat: Alectis, Bonn 10117 Berlin Druckerei: Saxoprint Tel: +49 (0)30-310-195-95 A u fl a g e : 10.000 Exemplare

Gastbeiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder. Trotz größtmöglicher Sorgfalt kann der Herausgeber keinerlei Gewähr für die Aktua- lität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der be- reitgestellten Informationen übernehmen. Nachdruck, auch auszugsweise unter Angabe der Quelle gestattet. Belegexemplar erbeten.

Soziale die langen Wellen der konjunktur ...... 26 Von Erik händeler Marktwirtschaft Ein Steilpass für die umwelt ...... 36 deutschland klimaschutz im fußball

Seite 28 Österreich – die nahen Nachbarn als Standort und investitionsmöglichkeit ...... 42

die Suche nach mehr Werten in der Wirtschaft: last oder lösung? ...... 54 Von constantin härthe

„dürfen unternehmer nicht mehr ans Geldverdienen denken?“ ...... 60 Ehrensenator wird fragen an den parlamentarischen Staatssekretär Eu-Präsident hans-Joachim fuchtel MdB

AUS DEM SENAT Seite 49 Zukunftssicherheit für familienunternehmen und Mittelstand ...... 46

@derSenat ergänzt seine kommunikation ...... 47

Senat der Wirtschaft wählte Präsidium ...... 48

Zukünftiger Eu-chef ist Mitglied des Senats ...... 49 Moralisches Missverständnis

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Seite 5 SENATE WirTSchAfTSWElT

Jung zum Abitur – und dann?

fächervielfalt und sehr junge Absolventen führen zu ratlosigkeit

Von Maria c. Wilhelm

Das Schloss Salem Kolleg will Biografi en, keine Kar- rieren fördern

Die Orientierungslosigkeit unter deutschen Abitu- rienten ist groß angesichts von mittlerweile allein über 9.500 Bachelor-Studiengängen. Wer nicht weiß, was er oder sie kann und will, läuft Gefahr, im Dickicht der Möglichkeiten hängenzubleiben. Ein Drittel aller Studierenden bricht ab, unter den Inge- nieuren und Mathematikern ist es sogar die Hälft e. Angebote, die den jungen Menschen vor Eintritt ins akademische Leben einen systematischen Über- blick über die wissenschaft lichen Fachrichtungen verschaff en und gleichzeitig Persönlichkeitsbildung und Querdenkertum im besten Sinne fördern, wa- ren in Deutschland bislang nicht vorhanden. Das Salem Kolleg, das im September 2013 gestartet ist, hat sich zum Ziel gesetzt, diese Lücke zu schließen.

biturienten sind nicht ausreichend vorbe- Areitet Geschäftsführerin claudia Groot „Heute sind Studienberechtigung und Studienbe- fähigung nicht mehr eins“, so Robert Leicht, Auf- sichtsratsvorsitzender des Salem Kollegs. Unterneh- men beklagen die mangelnde Ausbildungsreife von Schulabgängern, Universitäten die schlechte Vorbil- dung der Studienanfänger, Eltern die Wankelmütig- keit ihrer Sprösslinge – und die jungen Menschen selbst? Sie fühlen sich nicht ausreichend vorbereitet auf das, was nach der Schule kommt, und überfor- dert mit dem, was sie im Studium erwartet. Immer- hin gut 30 Prozent der Studienabbrecher geben Überforderung als Grund an. Zwar gewinnen Jungen wie Mädchen durch die ver- kürzte Schulzeit im Zuge von G8 und die Ausset- zung der Wehrpfl icht ein Jahr, doch was tun damit und den vielen kommenden Jahren? Eine schwierige Entscheidung, zumal für Abiturienten, die immer jünger werden und denen es an Erfahrung fehlt.

SENATE Seite 6 Wirtschaftswelt

Aber auch die allmähliche Aufweichung herkömm- licher Berufsbilder, die Frage, welcher Weg zu einem dauerhaft sicheren Arbeitsplatz führt und die Fül- le der Möglichkeiten, die sich in den vergangenen zehn Jahren durch die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge ergeben hat, tragen zur Verunsicherung der 17- bis 20-Jährigen bei. Schule, Eltern und Beratungsstellen können nicht immer oder nicht mehr weiterhelfen.

anzheitliches Lernen und Verstehen schafft GEntscheidungskompetenz Und genau dort setzt das vom bekannten Internat Schule Schloss Salem entwickelte neue Angebot für Schulabgänger mit (Fach-)Abitur an. Es versteht sich als ganzheitliches Lern- und Erfahrungspro- gramm und so lautet das Motto der einjährigen Stu- dien- und Berufswahlorientierung mit Persönlich- keitsbildung und Leadership-Training nicht zufällig „Erleben. Verstehen. Entscheiden“. Neben einem Einblick in wissenschaftliche Cur- ricula im Sinne des Studium Generale und einer Einführung in das wissenschaftliche und interdis- ziplinäre Arbeiten geht es auch um die Förderung der persönlichen Reife, um das Meistern von Her- ausforderungen, das Erleben und Überwinden von und dem Franz von Sales Kolleg in Jülich kann der Grenzen, sprich: um eine gründliche Vorbereitung akademische Nachwuchs im Rahmen von mehreren auf Studium und Beruf. Wochen bis zu einem Jahr eine Vorbildung in einem Das Konzept eines universitären Vorkurses ist nicht speziellen Fachbereich erwerben oder fachübergrei- neu, ein Angebot wie das des Salem Kollegs schon. fend Studienluft schnuppern. Doch begnügen sich Das bekannte Leibniz Kolleg, seit über 60 Jahren diese Angebote mit der reinen Wissensvermittlung fast schon ein Synonym für das Studium generale, und wissenschaftlichen Orientierung. Das Salem bietet in Zusammenarbeit mit der Universität Tü- Kolleg aber will mehr und folgt damit dem Credo bingen in jedem Jahr rund 50 jungen Menschen des Salem-Gründers Kurt Hahn, der eine Erziehung die Möglichkeit, ihre wissenschaftlichen Interessen zur Verantwortung in ihrer Gesamtheit propagierte. zu entdecken und zu entwickeln. Auch an anderen „Das Salem Kolleg ist eine wichtige Weichenstellung (Fach-)Hochschulen und Instituten wie der TU für die Zukunft“, ist Dr. Gerhard Teufel, Rektor des München, der Leuphana Universität in Lüneburg, Salem Kollegs und ehemaliger Generalsekretär der dem European College of Liberal Arts in Berlin Studienstiftung, überzeugt.

Seite 7 SENATE Wirtschaftswelt

Salem-Mende

und mit der Natur Teamentwicklung und Füh- tudium generale mit Persönlichkeitsbildung rungsverantwortung gefördert, Grenzen erfahren und Talentförderung S und überwunden. Darüber hinaus nehmen die Kol- legiaten an einer intensiven und individuellen Stu- Die Kollegiaten leben zusammen auf dem moder- dien- und Berufswahlberatung teil. nen Campus in der Nähe des Bodensees bei Über- Bewerbungsgespräche, Potenzialanalysen, Bewer- lingen und werden von Doktoranden und jungen bungstrainings und viele Informationen aus ers- Wissenschaftlern, allesamt Stipendiaten der Studi- ter Hand von Persönlichkeiten aus der Wirtschaft enstiftung des deutschen Volkes, in drei Trimestern helfen den jungen Menschen, einen Überblick zu in die Natur-, Geistes- und Gesellschaftswissen- bekommen und sich von Beginn an „richtig“ zu ent- schaften eingeführt. scheiden. Das spart Zeit und Geld. Neben Fächern wie Psychologie, Wirtschaft, Recht, Mathematik, Literatur und Geschichte stehen auch

Bewaffnete Konflikte, Chemie des Gehirns, Bild eim Auswahlseminar für Bewerber geht es und Bewegung im Film u.v.m. auf dem Plan – The- um mehr als gute Noten men, die den Einzelnen und die Welt bewegen. B Hinzu kommt das Projekt „Soziale Wirklichkeit“, bei dem sich Teams von jeweils fünf Kollegiaten Für das Salem Kolleg kann sich jeder Interessierte einer selbst gewählten, aktuellen Fragestellung zum mit (Fach-)Hochschulreife bis zu einem Alter von „Brennpunkt Europa“ und seinem wirtschaftlichen, 22 Jahren bewerben. Bei der Auswahl der 40 Kol- gesellschaftlichen und sozialen Wandel widmen. legiaten des am 6. September startenden Kollegjah- Geforscht wird dabei auch vor Ort im Rahmen ei- res sind nicht allein die Schulnoten, sondern viele ner Recherchereise. weitere Kriterien wie Engagement, Leistungswille, Neben Vorlesungen und Projektarbeit bleibt Zeit Kreativität und kritischer Geist ausschlaggebend. für Theater, Musik, Sport und Sprachen, für Eigen- Denn es geht nicht um die Förderung von Karrie- arbeit, Erfahrungsaustausch und Outdoor-Training. ren, sondern von Biografien. Die Bewerbungsun- Ganz im Sinne des Erlebnispädagogen Kurt Hahn terlagen finden Interessierte zum Download unter werden beim Wandern, Klettern, Kanufahren in www.salemkolleg.de.

SENATE Seite 8 Unser Ziel ist eine ökologische und soziale Marktwirt- schaft. Wir müssen dabei die Nutzung der Umwelt aus einem Rahmenkonzept heraus begrenzen. das hat mit Planwirtschaft überhaupt nichts zu tun.

Klaus Töpfer Ehrensenator des Senats der Wirtschaft

Für Nachhaltigkeit und eine Ökosoziale Marktwirtschaft

www.bowa.de www.steute.de www.leschaco.com

www.taylorwessing.com www.thormontagen.de www.e-h-group.com

www.takko-fashion.com www.infi neon.com www.hochland-group.com

Eine Initiative des Senats der Wirtschaft

WirTSchAfTSWElT rheinischer kapitalismus

Von christoph Brüssel

Die Redaktion hat die Idee, über das frisch gedruckte Buch zum rheinischen Kapitalismus einen Bericht zu bringen. Also mach ich mich ans Th ema und seh´ mir erstmal die Autorenliste des Buchs an.

Drei Autoren für ein Buch – aber welche. Kein Invest- mentbanker oder Uniprofessor. Ein Pfarrer, den man auch aus den Medien kennt, prägnant seine Stimme, der rheinische Akzent und die teils deft ige Argumen- tation. Ein Politiker, der als SPD-Mann im Landtag sitzt. Ein Journalist und Redenschreiber von Spitzen- managern. Welch Kombination, was hat den Leser da zu erwarten, wie gehe ich das Th ema einer Rezension denn an? Also lese ich mal in dem Buch, suche den Anpackpunkt, die kritischen Stellen, die rheinischen Besonderheiten, die Spannung oder die Langeweile. Immer mit den Ge- danken im Hinterkopf, wie schreib ich denn darüber Pfarrer franz Meurer und wie fang ich´s denn an. Ganz ehrlich, zu Beginn ist ein kleiner Widerstand in mir, Skepsis und Misstrauen. Wie sachlich, fachlich oder politisch sind die Zeilen, die mich erwarten, wie erhellend die Kapitel über die rheinische Art der Wirt- schaft . Schon die Einleitung aber beginnt so gefällig, mit so viel Schreibfreude, mit einer erkennbar rheinischen In- telligenz, dass es plötzlich statt Widerstand das Gefühl der Neugier in mir gibt. Es macht Freude und es ent- stehen Bilder im Kopf. Plötzlich muss ich nicht mehr dieses Buch lesen – ich will es lesen. Ich will wissen, was die drei rheinischen Autorentypen mir denn er- Politiker Jochen ott zählen wollen. Und dann denk ich, ganz wie der Rheinländer nun mal so denkt, wenn er vor einer wichtigen Aufgabe steht: „ Et es wie et es“. Die beste Beschreibung des Buchs über den rheini- schen Kapitalismus ist das Buch über den rheinischen Kapitalismus. Das Vorwort hat mich so gepackt, besser kann ich das Buch nicht beschreiben. Und eine objek- tivere Vorlage für unsere Leser kann es nicht geben, als direkt in den Text reinzuschnuppern. „Et kütt wie et kütt“ – meine Rezension soll das Vor- wort selber sein, bitte ... Autor Peter Sprong

Seite 11 SENATE Wirtschaftswelt

Der rheinische Kapitalismus als ein „dritter Weg“ Das Vorwort des Buchs

Wir werfen die Leinen los: Drei Mann in einem Auch Jochen Ott (39) kann nicht bis Basel bleiben. Boot. Raus geht’s aus dem Kölner Yachthafen, Der gebürtige Kölner, dreifache Familienvater und gleich danach drehen wir stromaufwärts. Ein betag- Oberstudienrat a.D. engagiert sich schon seit über tes Motorboot, gebaut vor 80 Jahren in Rotterdam, zwei Jahrzehnten in der Politik. arbeitet sich den Rhein hinauf. Wer zu den Quel- len will, muss gegen den Strom fahren. Das ist hier Seit 2001 ist er Vorsitzender der SPD in Köln ganz zu wörtlich zu nehmen. und hat ihre Erneuerung vorangebracht, nachdem Allerdings: Bei einer Geschwindigkeit von maximal sie sich durch falschen Klüngel und Korruption bei- sieben Kilometern pro Stunde wären wir da ziem- nah selbst zerstört hätte. Zugleich unterhält Jochen lich lange unterwegs. Rund 1.000 Kilometer legt Ott beste Beziehungen rheinabwärts nach Düs- der Rhein, Europas längste Schifffahrtsstraße, von seldorf. Dort führt er seit 2008 stellvertretend die Konstanz bis Rotterdam zurück und bis zu seinen NRW-SPD und seit 2012 auch die SPD-Fraktion Quellen in den Schweizer Alpen könnten wir oh- im Landtag und streitet von dort aus für mindestens nehin nicht vordringen. Aber immerhin bis Basel drei seiner Herzensthemen: den geförderten Woh- könnten wir kommen. Das wären noch genau 521 nungsbau im Rahmen einer stabilen Quartiersent- Kilometer, also rund 75 Stunden oder mehr als drei wicklung, die Instandsetzung von Brücken und Tage bei ununterbrochener Fahrt. Straßen sowie die kommunale Selbstverwaltung.

Keiner von uns hat so viel Zeit: Auf Pfarrer Franz Peter Sprong ist der einzige, der bis Basel an Bord Meurer (62) wartet die Gemeinde St. Elisabeth und bleiben könnte, denn das Oldtimer-Boot ist oh- St. Theodor, gelegen im rechtsrheinischen Kölner nehin sein Arbeitsplatz. Als hauptberuflicher Re- Stadtteil Höhenberg-Vingst – einem Viertel, das denschreiber und freier Autor hat der 47-Jährige man früher als sozialen Brennpunkt bezeichnet vor fünf Jahren das Büro an Land gegen die schwim- hätte. Heute nennen es die Bewohner selbst lie- mende Schreibstube eingetauscht. Gemeinsam mit ber „Viertel mit Erneuerungsbedarf “. Den Total- zwei Mitarbeitern versorgt er von Bord aus Männer absturz kann Pfarrer Meurer dort zusammen mit und Frauen der Wirtschaft mit Redemanuskripten, vielen engagierten Helfern und Unterstützern aus denn Vorstände und Verbandspräsidenten können Gesellschaft und Politik seit Jahrzehnten erfolg- nicht alles selbst schreiben. Deshalb begleitet er sie reich verhindern. nicht nur redaktionell, sondern auch als Berater und Coach auf ihrem oft risikoreichen Weg ans Redner- Der „Alternative Ehrenbürger“ der Stadt Köln pult. Von ihnen hat der studierte Historiker und stemmt die Herkules-Aufgabe mit kircheneige- Literaturwissenschaftler gelernt, „wie Wirtschaft ner Kleiderkammer, selbstorganisierter, ökumeni- geht“, und dass Geld nicht zwangsläufig der Feind scher Ferienfreizeit vor der Haustür und selbstge- des Guten ist. Der Unternehmensberater, der Poli- machter Arbeitsagentur, die auch Schulabbrecher tiker und der Pfarrer: Da sitzen Wirtschaft, Politik und Hauptschüler in Ausbildungen oder Jobs ver- und Gesellschaft in einem Boot. mittelt. Zwischendurch tingelt der „Ghetto-Predi- Ein Bild, das mittlerweile sogar im konsensverlieb- ger“ durch die TV-Talks der Republik und wirbt für ten Köln selten geworden ist. Auch in der restlichen Unterstützung. Republik sind Wirtschaft, Politik und Gesellschaft

SENATE Seite 12 WirTSchAfTSWElT

meist weit davon entfernt, das gemeinsame Schiff als Team zu steuern, es sicher durch die Wogen der Zeit und gemeinsamen Zielen entgegen zu führen. Das war doch mal anders! Wo ist die vielgerühmte Integrationskraft des Rhei- nischen Kapitalismus geblieben? Also jener für Deutschland typischen Spielart der Marktwirt- schaft , in der soziale Ansprüche und die Freiheitsbe- dürfnisse des Marktes miteinander zum Ausgleich kommen; wo Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei allem Streit über Details sich doch immer be- wusst sind, dass sie im selben Boot sitzen? Wie rhei- nisch kann und soll der Kapitalismus im 21. Jahr- hundert noch sein? Um das herauszufi nden, sind die drei Autoren im Kölner Oldtimer-Boot zwar nicht bis nach Basel gefahren.

Die Idee, es doch zu tun, gefi el ihnen allerdings so gut, dass sie zumindest in Gedanken auf die Rei- se und auf Spurensuche gegangen sind: Über 800 einem jeweils subjektiven Standpunkt aus unter kurvenreiche Rhein-Kilometer von Basel nach die Lupe. Persönliche Fußnoten und launige An- Rotterdam haben sie der Antwort auf diese Fragen merkungen der Autoren ergänzen hier und da den näher gebracht. Dabei waren nicht alle Nebenfl üsse Lauft ext, um deutlich zu machen: Auch wer im und Windungen der wechselvollen Geschichte von selben Boot sitzt, muss nicht immer einer Meinung Interesse, die der Rheinische Kapitalismus bis heute sein. Darüber hinaus präsentiert das Buch zahlrei- hinter sich gebracht hat. Wichtiger war die Welt, che Beispiele aus dem ganz alltäglichen Leben, die die direkt vor der eigenen Haustür beginnt, dort veranschaulichen, was der Rheinische Kapitalis- aber nicht endet. mus als ein „dritter Weg“ in der Praxis leisten kann Die Fragen von Reichtum und Armut, von Wachs- – auch wenn dieser Weg nicht immer neu, sondern tum und Versorgung, von Gestaltung und Teilha- im Gegenteil wohlbekannt ist. be – das alles ist in Köln-Vingst so aktuell wie in Doch ganz gleich, von wo man schaut: Es sieht den Favelas von Rio de Janeiro, im deutschen DAX- ganz so aus, als müsste die Welt „rheinischer“ wer- Unternehmen ebenso wie beim US-Multi, im Stadt- den, wenn sie besser werden soll. rat genauso wie bei den Vereinten Nationen. Rheinischer Kapitalismus Nach einer Zeitreise durch Th eorie und Praxis des Franz Meurer, Jochen Ott, Peter Sprong Rheinischen Kapitalismus nimmt dieses Buch des- Eine Streitschrift für mehr Gerechtigkeit halb in drei Kapiteln die politische, die wirtschaft - Greven Verlag Köln liche und die soziale Situation in Deutschland von 978-3-7743-0631-8

Seite 13 SENATE WirTSchAfTSWElT

Moralisches Missverständnis: „dafür bin ich nicht zuständig“

Von ulf d. Posé

,,Da sind die Kollegen zuständig. Ich versuche, Sie zu verbinden.“ Ein Knacken, Wartemelodie, Besetzt- zeichen, aus. Dergleichen hat sicher jeder schon ein- mal erlebt, der mit einem Unternehmen oder einer Behörde telefonieren wollte. Selbst wenn das Wort Service groß auf der Homepage steht, fühlt sich längst nicht jeder Mitarbeiter gleichermaßen für den Kunden verantwortlich, schon gar nicht, wenn die Anfrage nicht in die eigene Zuständigkeit fällt. Für den Kunden ist das ärgerlich, aber Hand aufs Herz: Wer macht schon gerne Arbeit, für die man nicht bezahlt wird? Haben Sie sich nicht viel- leicht auch schon mal damit begnügt, eine Anfrage einfach an die zuständige Abteilung weiterzuleiten? Und warum auch nicht, man hat ja selbst genug zu tun. Das ist zwar technisch gesehen richtig, verant- wortlich ist es nicht. Denn Verantwortlichkeit geht über die eigene Zuständigkeit hinaus. Dafür genügt es nicht, an die nominell zugeord- nete Stelle zu verweisen und sich um alles Weitere nicht zu scheren. Das Mindeste wäre es, sicher- zustellen, dass der Kunde mit seinem Anliegen auch ankommt, oder einen Rückruf zu organisie- ren, auch wenn das eine Mehrarbeit bedeutet, für die man streng genommen nicht bezahlt wird. Aber für Kundenzufriedenheit ist jeder verantwortlich, nicht nur diejenigen, deren Job „Kundenbetreuung“ heißt. Das ist der Unterschied zwischen einem blo- ßen Tätigkeitsprofi l, das festlegt, was jemand zu tun hat, und einer Funktionsbeschreibung, die besagt, welche Ziele man erreichen soll und was man tun muss, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Es sind also vor allem die Ergebnisse, für die wir ver- antwortlich sind, nicht die Ausführung bestimmter Tätigkeiten.

SENATE Seite 14 Wirtschaftswelt

Verantwortung endet nicht bei der Zuständigkeit

Genau hier liegt aber das Problem: Statt uns unse- rer Verantwortung zu stellen, verstecken wir uns nur zu gerne hinter unseren Tätigkeiten und entschul- digen fehlende Ergebnisse mit der Aufzählung von Maßnahmen, die leider nicht zum gewünschten Er- gebnis geführt haben. Manchmal geht das so weit, dass Menschen ihre Ziele ändern, nur weil ihre Maßnahmen nicht er- folgreich sind, anstatt die Maßnahmen so zu än- dern, dass das gewünschte Ergebnis doch noch er- reicht werden kann. Dass Verantwortung bei der Zuständigkeit nicht aufhört, gilt übrigens nicht nur für Kleinigkeiten wie einen verirrten Anruf, sondern bei allem. Denn es gibt so etwas wie eine Gesamtverantwortung: nicht nur für den eigenen Erfolg, sondern auch für den der Mitarbeiter, der Kollegen und Vorgesetz- ten. Wie sonst könnte wohl erfolgreiche Teamarbeit nicht teilbar, wer verantwortet, entscheidet, und wer gelingen? Übergreifende Verantwortung gilt insbe- entscheidet, verantwortet. Allzu gerne versuchen sondere bei Führungsaufgaben, die immer auch die wir zwar, die Verantwortung abzuwälzen, auf die gesamte Organisation betreffen. Wer seine Verant- Umstände, den Chef, die Märkte, die Kunden, den wortung ernst nimmt, kann Fehlverhalten ande- Herrgott. Aber in was für einer Welt würden wir le- rer Mitarbeiter oder Abteilungen nicht schulter- ben, wenn wir uns unserer Verantwortung nicht stel- zuckend hinnehmen oder bei einem Schaden, den len? Wenn wir alle uns ausschließlich auf das zu- sein Unternehmen verursacht hat, einfach sagen: rückziehen, wofür wir meinen, zuständig zu sein? Betrifft mich nicht. Verantwortlichkeit heißt, sich Missstände würden Missstände bleiben, geht uns ja um Dinge zu kümmern, nach dem Motto: „Ich bin nichts an. Lassen Sie uns also Verantwortung zeigen, zwar nicht zuständig, aber es geht mich trotzdem auch dann noch, wenn wir nicht ausdrücklich zustän- etwas an.“ dig sind. Das macht uns zu wertvollen Partnern unse- In der Management-Literatur heißt es manchmal: rer Kunden, Lieferanten, Vorgesetzten. Man delegiert Aufgaben, nicht die Verantwortung. Wer aber entscheiden darf, ohne Verantwortung Ulf D. Posé zu übernehmen, wird schnell zur Gefahr. Und Experte für Wirtschaftsethik wer verantworten soll, was er nicht entschieden und Unternehmenskultur hat, gerät selbst in höchste Not. Verantwortung ist Erschienen in: Der ethische Kompass

Seite 15 SENATE Wirtschaftswelt

Akademie des Senats Zur Vertrauenskultur in Wirtschaft und Gesellschaft

Ministerpräsident a.D. Dr. Jürgen Rüttgers, Ethikle- lungsideen für die eigenen Unternehmen erkannt. gende Prof. Dr. Rupert Ley und UN-Sonderbeauf- Ein Senator erklärte, direkt in diesen Tagen bei ei- tragter Prof. Dr. Leisinger. Unternehmer sind die be- ner Vorstandsklausur Impulse zur Umsetzung ein- wussten Gestalter dieser Welt, in der sie auch leben zuleiten. und die sie für ihre Nachkommen sichern wollen. Prof. Dr. Rupert Lay ist Jesuitenpater und Wissen- Mit dieser Vorgabe ist ein Auftrag verbunden, Wer- schaftler, der als „moralische“ Instanz gilt und die te zu setzen und in eine plausible, Vertrauen erzeu- nachmoderne Ethik der Biophilie geschaffen hat. Er gende Form zu gießen. begleitete Hunderte von Managerinnen und Mana- Daher folgt aus gern jahrzehntelang als Berater. dem Unterneh- Dr. Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident und Bundes- mertum selbst die minister a.D., der sehr praktisch die Notwendigkeit ethische Vorgabe einer Vertrauenskultur auf höchster Ebene und un- für eine Vertrau- ter anspruchsvollsten Bedingungen erfahren hat. Er enskultur. gilt als der Vordenker vieler wichtiger Gesetze und Vertrauen erleich- politischer Gestaltungen. tert Interaktionen Prof. Dr. Dr. Klaus M. Leisinger, Präsident der Stif- mit anderen, hilft, tung „Global Values Alliance“, Professor für Business neue Chancen zu Ethics und Corporate Responsibility (Universität nutzen, um Ent- Basel), früherer Sonderberater des UN-Generalse- scheidungen aus- kretärs und heute Senior Advisor der Vereinten Na- gewogen und sitt- tionen für den Global Compact. lich verantwortet Norbert Reithmann, erfahrener Unternehmensma- vorbereiten und nager und Gründer des ENR Social Projects. durchführen zu Das Konzept dieses Exzellenzseminars wurde durch können. Ulf D. Posé, der gemeinsam mit Dr. Christoph Brüs- Vertrauen hilft, sich selbst und einem Unternehmen sel die Akademie des Senats der Wirtschaft leitet, eine Identität und damit Sinn zu geben. entwickelt. Selber war er auch einer der wichtigen Das waren die Grundannahmen des Seminars. Referenten und führte die Diskussionen. Die Referenten begeisterten die Teilnehmer aus Das Programm wurde unterstützt durch die ge- dem Senat. Teilweise wurden auch konkrete Hand- meinnützige Karl-Schlecht-Stiftung.

Wir sitzen alle in einem Boot – Werte in der Mitarbeiterführung

„ … wenn man von anderen hört, dass es die glei- lichen Effekt durch Respekt, Verantwortung und chen Probleme im Management gibt, dann kann das Anerkennung gegenüber Mitarbeitern durch Ulf D. schon helfen“ – Posé vorgestellt. „ … es sind schon spannende Anregungen, an die Vertrauen und Respekt wurden als zeitgemäßes Ma- ich so auch nicht gedacht hatte“ – nagementinstrument erörtert. Der Unternehmer „ … der persönliche Einblick in ganz praktische Bei- Frank Breckwoldt schilderte aus eigener Erfahrung, spiele und Erlebnisse im Unternehmen … “ wie Hochleistung und Menschlichkeit als Heraus- forderung an Führungskräfte zusammengeführt Als spannend und zielorientiert wurde das Exzellenz- werden sollten. seminar zur werteorientierten Mitarbeiterführung Dr. Christoph Brüssel zeigte unter der These: Weni- kommentiert. Die Akademie des Senats hatte einen ger Stress für Chefs durch Kenntnis der natürlichen kleinen Kreis auf ein Boot nach Friesland eingeladen Instruktionen der Mitarbeiter die Wirkungen des und an zwei Tagen konzentriert, aber sehr praxisnah Limbischen Systems. über Vertrauenswerte, Verantwortung, Verlässlichkeit Die Erkenntnisse der Neurologie über Dominanz, und Menschlichkeit im Unternehmen gesprochen. Stimulanz und Balance der Menschen als sinnvolles Dabei wurden Erkenntnisse zum betriebswirtschaft- Instrument einer Mitarbeiterführung.

SENATE Seite 16 Es gilt, den technischen Fortschritt ganz gezielt zum instrument für den humanen fortschritt zu machen.

Hans-Dietrich Genscher Ehrensenator des Senats der Wirtschaft

Für Nachhaltigkeit und eine Ökosoziale Marktwirtschaft

www.zim-fl ugsitz.de www.messe-muenchen.de www.novero.com

www.schiedel.de www.sonotronic.com www.sparkasse-koelnbonn.de

www.dbnetz.de www.resmed.de www.schmittergroup.de

Eine Initiative des Senats der Wirtschaft WirTSchAfTSWElT

crew aus Senatoren bereit zum Ablegen

Werte in der Mitarbeiterführung als Seminar in einem Boot auf der fahrt durch die kanäle frieslands

SENATE Seite 18 WirTSchAfTSWElT

Exzellenzseminare der Akademie sind immer Erfahrung und Erlebnis

Seite 19 SENATE PoliTik uNd PArlAMENT

die neue Generation sucht nach neuem Gehör

Junge Abgeordnete der regierungspartei cdu rufen nach einer Agenda 2020

Es ist unser Land! Von MdB Der Realismus der Krisenabwehr und die Wer die aktuellen innenpolitischen Debatten ver- erforderlichen Entscheidungen in akuten folgt, kann leicht das Gefühl bekommen, dass es Situationen haben die CDU-Kanzlerin bei eigentlich nur noch darum geht, wie wir unseren den Deutschen zu einem hohen Sicherheits- Wohlstand verteilen. Auch im zurückliegenden Europawahlkampf war es schwer, unterschiedliche faktor werden lassen. So stark ist das Gefühl, Vorstellungen für die gemeinsame Europäische dass die Partei CDU schon mehrfach als Union zu erkennen. Wahlkampfargumente voll auf das „Pro- gramm Merkel“, also die Person als In- Während am Rande Europas die Nachwirkungen des Kalten Krieges deutlich zu sehen sind und Ge- haltsschwerpunkt gesetzt hat. Das hat auch sellschaft en um ihre Identität ringen, kann man im funktioniert, denn die Deutschen wissen, bevölkerungsreichsten Land der EU den Eindruck was sie an Merkel haben. Einigen, gerade bekommen: Es geht um nichts mehr. Wir leben in jüngeren Profi politikern in der Union reicht Frieden, Freiheit und Wohlstand, sind eine der be- liebtesten Nationen der Welt und mittlerweile nach das aber längst nicht mehr aus. Für die Jun- den USA das zweitgefragteste Einwanderungsland gen ist die Zukunft sfr age eben nicht durch der Welt. Was wollen wir noch mehr? das Tagesgeschäft oder eine einzelne Person zu lösen. Die Forderung nach einer Agenda Jahrzehntelang galt in Deutschland: „Unsere Kin- der sollen es einmal besser haben als wir.“ Dieses 2020 wird erhoben, keine Revolution, kein Aufstiegsversprechen war für die Generationen Umsturz – aber ein weiterer Ansatz, die nach dem Krieg die Motivation, sich einzubringen GROKO-Gleichschrittmaschine in Wallun- und sich zu engagieren. Dadurch wurde der Grund- gen bringen zu wollen. stein für das Deutschland von heute gelegt. Was wir brauchen, ist ein neues Aufstiegsversprechen für das 21. Jahrhundert, das dem Einzelnen als Motivation Der wohl prominenteste Vertreter dieser dient und gleichzeitig die Gesellschaft als Ganzes Gruppe agiler MdBs in der Union ist Jens hinter diesem Ziel eint. Spahn. Bekannt durch zahlreiche TV-State- Die Auseinandersetzungen über Zukunft sprojekte ments und mutige Auft ritte, wenn es nicht – Stuttgart 21, Bau von Überlandleitungen für die immer im Gleichschritt lief. Er schreibt Energiewende oder zuletzt die Volksabstimmung exklusiv in SENATE zu den Denkansätzen über die Bebauung des Tempelhofer Feldes in Berlin und Ideen dieser Agenda 2020. – zeigen, dass die Zahl derer, die lautstark den Sta- tus quo verteidigen, deutlich zunimmt und sich zur scheinbaren Mehrheit formt. Wichtige Teile unserer Industrie investieren seit einigen Jahren weniger, als sie abschreiben, das ist eine schleichende Deindust-

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rialisierung. Auch der Bundeshaushalt spricht leider die gleiche Sprache: Wir geben bereits heute über die Hälfte des Budgets für soziale Aufgaben aus, mit dem kürzlich im beschlossenen Renten- paket dürfte sich dieser Anteil noch erhöhen. Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Mehrausgaben für Bildung und Forschung sind zwar der richti- ge Weg, aber bei Weitem noch nicht ausreichend. Auch der Zustand der Infrastruktur lässt mehr als zu wünschen übrig, der Investitionsbedarf wächst stetig.

Hinzu kommt die Herausforderung des demogra- fischen Wandels, der unsere Gesellschaft, unseren Alltag, unsere Arbeit, unser alltägliches Zusammen- leben stärker verändern wird, als wir heute glauben. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir alle im- mer älter werden und die Lebenserwartung täglich steigt. Das darf aber nicht zulasten der Zukunftsfä- higkeit unseres Landes gehen. anstrengen, innovativ sind und Arbeit schaffen, aber gleichzeitig auch ein Land, in dem die Erfolgreichen Deutschland ist ein großartiges Land und heute die die Schwachen nicht hängen lassen. wirtschaftliche Lokomotive Europas. Die Aussicht für junge Menschen auf einen Job steht aufgrund Dafür lohnt sich jedes Engagement. Wir als Initia- des Fachkräftemangels und des demografischen toren von CDU 2017 glauben fest daran, dass wir Wandels so gut wie nie infrage. Und das Alter mit bereits heute in einer Phase der Stärke Strukturen einer für diese Generation erwartbar geringeren und Abläufe verändern müssen, damit dieses Bild Absicherung beispielsweise in der Rente ist noch von Deutschland wahr werden kann. Wer sich weit weg. Es gibt kaum ein Land auf der Welt, des- an die fünf Millionen Arbeitslose von 2004, die sen Jugend sich in dieser relativen Sicherheit sonnen schmerzhaften Einschnitte der Agenda 2010 und könnte. die damit verbundenen Unsicherheiten erinnert, wird alles tun, damit Deutschland nicht erst wieder Und genau darum geht es: Auch in zehn oder 20 in eine solche Situation kommen muss, damit sich Jahren soll es Deutschland noch so gut gehen wie Dinge ändern. Deshalb ist eine Agenda 2020 auch heute, soll es sich lohnen, kreativ zu sein und persön- kein Radikalreformpaket, sondern eine Kurskorrek- liche und berufliche Chancen zu nutzen. Deutsch- tur in zentralen Politikfeldern, um den Blick von land soll ein Land sein von möglichst großer per- der Vergangenheit und Gegenwart in die Zukunft sönlicher Freiheit, das diejenigen belohnt, die sich zu lenken.

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Die Wahrheit ist, Pflege wird teurer

Sozialsysteme müssen auch künftigen Gene- ten zu beseitigen, die durch die kalte Progression rationen Sicherheit bieten verursacht werden. Es darf nicht sein, dass bei jeder kleinen Lohnerhöhung nicht der Arbeitnehmer, Im Jahr 1991 kamen auf einen Rentner noch vier sondern der Staat der wahre Profiteur ist. „Wer Arbeitnehmer. Während es im Jahr 2008 noch drei mehr leistet, soll auch mehr haben“ – sorgen wir Arbeitnehmer waren, werden im Jahr 2030 weniger dafür, dass dieser Satz wieder zur Realität wird. als zwei Arbeitnehmer mit ihren Beiträgen für einen Rentner aufkommen. Fakt ist, dass die heute ohne- Mammut-Thema Pflege hin schon stark belastete junge Generation so noch mehr und – das macht mir am meisten Sorgen – Im Jahr 2050 werden über 5,5 Millionen Men- weit über ihre Möglichkeiten hinaus ein teures Erbe schen über 85 Jahre alt sein. Heute sind es ca. zwei aufgezwungen bekommt. Millionen Menschen und bereits verfügen wir über zu wenig Pflegekräfte und blicken auf die Heraus- Meine Erfahrung ist, dass es viele Menschen gar forderung einer nicht ausreichenden finanziellen nicht so sehr umtreibt, ob sie ab 63 Jahren in Rente Ausstattung der Pflegeversicherung. Wir stellen gehen können. Die meisten Arbeitnehmer über 50 uns dieser Herausforderung und werden deshalb interessiert vielmehr, ob und wie sie ihren Renten- innerhalb der Pflegeversicherung für diese Zeit eintritt flexibler gestalten können. Den Einstieg in vorsorgen, indem wir jährlich eine Milliarde Euro die Flexi-Rente haben wir geschafft. Diesen Weg in einen Vorsorgefonds legen. Dieser Kapitalstock müssen wir jetzt konsequent weitergehen. Heute muss zweckgebunden sein und dauerhaft vor einer haben wir viel zu starre Altersgrenzen, die weder der nicht vorgesehenen Verwendung geschützt werden. Arbeitgeberseite noch der Arbeitnehmerseite wirk- So werden enorme Beitragssteigerungen in den lich attraktiv erscheinen können. Hier muss es zu ei- kommenden Jahren verhindert und zugleich wird nem Paradigmenwechsel kommen. Es muss ebenso sichergestellt, dass künftige Generationen nicht möglich sein, eine Beschäftigung bei Überschreiten überfordert werden. der Regelaltersgrenze zu befristen, wie es auch mög- lich sein muss, ein solches Beschäftigungsverhältnis Die Wahrheit ist also: Pflege wird teurer. Mit der Er- von Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträ- höhung des Beitrages zur Pflegeversicherung um 0,5 gen zu befreien. Prozent muss aber auch zugleich klar gemacht wer- den, welche Leistungen wir ausbauen wollen und Stellen wir uns der Verantwortung! welche Verbesserungen wir uns davon erhoffen.

Wenn wir im Jahr 2015 einen ausgeglichenen Bun- Viele Länder der Welt beneiden uns für unser gutes deshaushalt erreicht haben, darf das nicht die Aus- Gesundheitssystem. Es ist geprägt von Transparenz, nahme sein. Es muss zur Regel werden! Deutsch- Qualität und Wettbewerb. Während in den USA land hat ein rekordverdächtiges Steueraufkommen. derzeit noch um eine flächendeckende und gerechte Es muss also möglich sein, zu versprechen, dass es Absicherung für den Krankheitsfall gerungen wird, absehbar keine neuen Steuern gibt. Vielmehr noch sind wir ein Vorbild für die anderen. Sorgen wir also müssen wir es uns im Laufe dieser Legislaturperio- heute schon dafür, dass wir auch in Zukunft noch de zum festen Vorsatz machen, die Ungerechtigkei- diese Vorreiterrolle einnehmen.

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Für eine Renaissance der Industriepolitik

Deutschland ist ein Industrieland. Weltweit werden wir um unseren starken industriellen Mittelstand beneidet. Wir müssen endlich wieder die wichtigste Voraussetzung für Investition schaff en: Planbarkeit. Schon die Stichworte EEG-Umlage oder Daten- schutz machen da deutlich, wo die Probleme liegen. Deutschland muss ein Musterland der Industrie 4.0 werden, dem völlig neu gedachten Zusammenspiel von Mensch, Maschine und Technik. Wir müssen Gründer unterstützen und in Deutschland eine Start-up-Kultur etablieren, die mit anderen erfolg- reichen Regionen in der Welt mithalten kann.

Durch eine Änderung der Anlageregeln sollten Le- bensversicherer und Pensionsfonds bis zu ein Pro- zent ihrer Anlagen in Start-ups investieren dürfen. Das setzt Milliarden für gute Ideen frei. Darüber hinaus müssen wir die Digitalisierung noch mutiger und konsequenter vorantreiben. Die nötige Infra- struktur – Breitband und WLAN in Städten – ist keine Zukunft smusik mehr, sondern in vielen ande- ren Ländern bereits Alltag.

Die CDU als Volkspartei im Wandel

Die CDU hat es in ihrer Geschichte immer verstan- den, als Partei mit der Werte- und Wirtschaft skom- petenz die richtigen Impulse zu setzen. Gerade bei den jungen Menschen konnten wir bei der Bundes- tagswahl und bei den U18-Wahlen im Vorfeld der Europawahl enorm punkten. Sie dürfen wir nicht enttäuschen, in dem wir lediglich das Heute verwal- ten. Es ist unsere Pfl icht, Ideen für die Zukunft zu entwerfen, an denen man sich orientieren kann und an deren Umsetzung man mitwirken will. Dann werden wir zurecht erfolgreich bleiben – als Land und als Volkspartei. Packen wir es gemeinsam an!

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Weltweit gibt es mehr Ideen als Probleme

Die Westerwelle Stiftung mit hohen Zielen

Von Hans-Jürgen Beerfeltz

Der ehemalige Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz Unsere vier Werte: Demokratie und Marktwirt- ist heute Generalsekretär der Westerwelle Foundation schaft, Rechtsstaatlichkeit und Toleranz – Stiftung für internationale Verständigung. Er schil- dert in einem Gastbeitrag die Idee, die Aufgaben und Auf diesem Werte-Quartett beruhen auch die Bio- die konkrete Umsetzung. grafien unserer beiden Gründer, Dr. Guido Wes- terwelle und Ralph Dommermuth als deutscher „Als neue und einzige Stiftung in Deutschland Erfolgsunternehmer im Internet. Demokratische wollen wir weltweit mittelständische Strukturen Vielfalt und marktwirtschaftlicher Erfolg sind für fördern. In wichtigen Um- und Aufbruchländern uns zwei Seiten derselben Medaille. Freilich gibt es der Erde sehen wir genau darin die große Chance, zeitweilig Marktwirtschaft an manchen Orten auch mit mehr Mittelstand auch für mehr Demokratie, ohne Demokratie, aber niemals stabile Demokratie Rechtsstaat und Toleranz zu sorgen. Zu unseren ohne marktwirtschaftliche Strukturen. Maßnahmen dafür gehören Stipendien für Ta- lente aus Chancenländern für Lernaufenthalte in Wir stärken Demokratie, indem wir wirtschaftli- Deutschland ebenso wie die Förderung von Start- che Entwicklung fördern. Mittelstand und Mittel- ups, die Durchführung internationaler Konferenzen schicht stehen für uns im Mittelpunkt, um Länder rund um das Thema „Entrepreneurship Education“ zugleich erfolgreicher und demokratischer zu ma- ebenso wie die Organisation von Reisen mit deut- chen. Wir verstehen uns als Plattform, um Mittel- schen Mittelständlern. stand als Wirtschaftsform und als Gesellschaftsmo- dell zu verbreiten. Deshalb fördern wir zum Beispiel in Tunesien berufliche Bildung und Existenzgrün- dungen.

Wir wollen internationale Partnerschaften zwi- schen Politik und Wirtschaft stiften, zwischen Re- gierungen und Zivilgesellschaften. Wir knüpfen neue Verbindungen – weltweit. Wir stiften grenz- überschreitende Partnerschaften zwischen jungen Start-ups in Um- und Aufbruchländern und erfah- renen deutschen Unternehmen, zum Beispiel durch Förderung des filmwirtschaftlichen Ausbaus der Filmhochschule von Volker Schlöndorff in Ruanda in Verbindung mit dem Europäischen Filmzentrum in Babelsberg. Wir vernetzen neue Ideen in der Globalisierung miteinander und schaffen Raum für Begegnung und Innovation. Wir machen aus Umbruch Auf- bruch, aus Konflikt Konsens und aus Gegeneinan-

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der Miteinander, zum Beispiel durch Konferenzen wie jetzt gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung auf Mallorca zu Jugendarbeitslosigkeit rund ums Mittelmeer sowie zu beruflicher Bildung und neuen Wegen in berufliche Selbstständigkeit von jungen Menschen.

Vor allem wollen wir Impulse für praktische Verbes- serungen geben. Deshalb möchten wir bei Stipen- reichen Ländern unserer Erde, wo wir mit unseren dien nicht nur den Studienaufenthalt von Talenten Maßnahmen einen Unterschied auf dem weiteren in Deutschland finanzieren, sondern das immer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Weg dieser mit möglichst längeren Praktika in deutschen mit- Staaten machen können. Wir wollen wie ein „in- telständischen Firmen verbinden. Wir wollen du- ternationales Institut“ des deutschen Mittelstandes ales Lernen fördern. Es steigert eben leider nicht unseren Beitrag dazu leisten. die Wertschöpfung in Entwicklungsländern, wenn immer mehr akademisch ausgebildete junge Leute Uns reicht es nicht, vor Risiken zu warnen und Miss- wunderbar über Probleme diskutieren können, aber stände zu beklagen. Wir wollen Ideen für Lösungen keiner mehr einen Nagel gerade in die Wand schla- beisteuern. Wir haben deshalb über Erkenntnisse gen kann. und Dialog hinaus immer auch praktische Ziele und konkrete Verbesserungen im Blick. Natürlich wollen wir Plattform sein für den Aus- tausch von Ideen und Kontakten sowie Brücken für Wir vertrauen darauf, dass es weltweit mehr Ideen die Nutzung der unterschiedlichsten Hilfestellun- als Probleme gibt und dass die Bereitschaft größer gen bauen. Dabei fördern wir mit unseren Mitteln ist, das Leben für viele zu verbessern, als schlechte auch Ideen, für die es woanders eher selten Mittel Zustände zu erdulden. Wir wissen, dass oft ein Im- gibt, zum Beispiel einen jungen Designer aus Afri- puls oder Anschub reicht, um aus bloßen Gedanken ka, dem wir hier bei der Berlin Fashion Week einen und Plänen wirkungsvolle Taten und Unterneh- Lernaufenthalt gemeinsam mit dem Modemessen- mungen werden zu lassen. veranstalter Premium ermöglichen. Auch hier geht es uns für den Lernerfolg ausdrücklich nicht um Wir sind uns bewusst, dass man nur verstärken kann, noch besseres Design, sondern um die kaufmänni- was im Kern schon da ist. Aber weil wir fest davon schen, technischen und insgesamt modewirtschaft- überzeugt sind, dass im Kern unzählige Aussichten lichen Aspekte einer sich selbst tragenden berufli- auf Veränderungen und Verbesserungen vorhan- chen Existenz. den sind, sehen wir es als unsere Verantwortung an, mehr faire Chancen für eine erfolgreiche Entwick- Eines unserer wichtigen Ziele ist: Wir machen selbst- lung durch mehr Mittelstand weltweit zu schaffen, ständig. Beruflich und individuell. Wirtschaftlich als sicherste und stabilste Voraussetzung für mehr und gesellschaftlich. Und das besonders in chancen- Freiheit und Verantwortung.

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Die langen Wellen der Konjunktur

Warum der Wohlstand von Sozialverhalten und Gesundheit abhängen wird

Von Erik Händeler

Finanz- und Wirtschaftskrisen wer- den nicht von finsteren Mächten Arbeit wird zu einer immateriellen auf den Finanzmärkten verursacht. Sie sind ganz normale Erscheinun- Gedankentätigkeit gen einer freien Marktwirtschaft, die sich in einem ungleichmäßi- gen Tempo wandelt. Nachdem der Denn Arbeit ist, Probleme zu lösen. Und weil wir Computer uns nun all die struk- Gott sei Dank immer Probleme haben werden, wird turierten Wissensarbeiten weitge- uns die bezahlte Arbeit niemals ausgehen. Sie wan- hend abgenommen hat, die er uns delt sich lediglich: Arbeit ist nicht mehr so sehr die abnehmen konnte, fehlen jetzt die materielle Welt direkt mit den Händen zu bearbei- Kosten senkenden Produktivi- ten – schrauben, fräsen, montieren haben uns die tätsfortschritte. Gewinne sinken, Roboter weitgehend abgenommen. Schulden können nicht mehr so In Zukunft ist Arbeit vor allem immateriell: Eine Si- leicht bedient werden. Es fehlt an tuation analysieren, Neues entwickeln, entscheiden, rentablen Investitionsmöglich- Information verständlich aufbereiten, in der gigan- keiten, deswegen sind die Zinsen tischen Wissensflut das Wissen finden und anwen- niedrig, das freie Geld fließt in die den, das man braucht, um ein Problem zu lösen. Spekulation und treibt die Vermö- genspreise. Es wird ungemütlich, Dabei geht es nicht mehr so sehr um Einzelleistun- bis es uns gelingt, die nächste Stufe gen wie früher, sondern um die Produktivität von des Wohlstandes zu erschließen. Gruppen, um deren Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Weil der Einzelne ein Fachgebiet immer weniger Die Finanz- und Schuldenkrise ist überblicken kann, sind wir zunehmend auf das daher ein Symptom eines zu Ende Wissen anderer angewiesen. Statt des gehorsamen, gegangenen Strukturzyklus, wie es austauschbaren Rädchens der alten Industriegesell- der Ökonom Nikolai Kondratieff schaft wird so jeder einzelne auf einmal zu einem un- (1892–1938) 1926 beschrieb, als verzichtbaren Spezialisten für einen Zwischenschritt er die Weltwirtschaftskrise vorher- in der Produktion oder für ein Wissensgebiet. Er ist sagte. auf einmal für die ganze Firma verantwortlich – zu- Ähnliches passierte 1873 beim mindest was sein Fachgebiet angeht. Seine tatsäch- Gründerkrach, nachdem die Eisen- liche Bedeutung ist nicht mehr von einer formalen bahnen zwischen den damaligen Hierarchie abhängig, sondern schwankend von der Gewerbezentren weitgehend gebaut waren, oder tagesaktuell geforderten Kompetenz. 1929 und in den Folgejahren, nachdem die Wirt- schaft weitgehend durchelektrifiziert war. Das verändert die Strukturen: Auf einmal müssen Da Finanzmärkte die Folge, aber nicht die Ursache auch die formal Gleichrangigen ihr Verhältnis un- der wirtschaftlichen Entwicklung sind, liegt die Lö- tereinander neu ordnen. Doch das wirklich Neue sung in der Realwirtschaft: Nach Kondratieff ent- ist nicht so sehr diese Strukturveränderung als viel- steht der Veränderungsdruck an den relativ knapps- mehr etwas Soziales: In einer globalisierten Wirt- ten Produktionsfaktoren. Den Weg aus der aktuell schaft sind Kapital, Wissen, Maschinen weltweit instabilen Lage der Weltwirtschaft ist in einem prä- für jeden verfügbar und austauschbar. Der einzige ventiven Gesundheitssystem und in einer besseren entscheidende Standortfaktor wird die Fähigkeit Arbeitskultur in den Unternehmen zu suchen – bei- der Menschen vor Ort, mit Information umzuge- des erhöht die Produktivität der Wissensarbeiter. hen. Umgang mit Wissen ist aber immer Umgang

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mit anderen Menschen, die wir unterschiedlich gut kennen, unterschiedlich gerne mögen und mit denen wir unterschiedlich viele berechtigte Interes- senskonflikte haben. Die nötige Teamarbeit erzeugt dabei ein vermeintliches Machtvakuum, weil nicht mehr klar zu sein scheint, wer das Sagen hat.

Die für Informationsarbeit nötigen, flachen Organi- sationsstrukturen und projektbezogene Teamarbeit vervielfältigen die Schnittpunkte in den Unterneh- men und damit die Gründe für Interessenskollisi- onen und persönliche Spannungen, die nicht nur Zeit und Geld kosten, sondern auch die Beschäf- tigten krank machen. Meinungsverschiedenheiten arten zu Machtkämpfen aus, die bis zur Verrentung anhalten und den Informationsfluss unterbinden. Erik Händeler ist als Buchautor und Zukunftsfor- Unmengen an Energie verpuffen bei der Selbstbe- scher vor allem Spezialist für die Kondratiefftheo- hauptung. Der Krieg im Büro verursacht Produkti- rie der langen Strukturzyklen. Nach Tätigkeit als vitätsverluste, die jedes Jahr in die Milliarden gehen. Stadtredakteur in Ingolstadt studierte er in München Wer meint, daran werde sich nichts ändern, weil Volkswirtschaft und Wirtschaftspolitik. 1997 wurde der Mensch eben so sei, der verkennt die formende er freier Wirtschaftsjournalist, um die Konsequenzen Kraft des Marktes. der Kondratiefftheorie in die öffentliche Debatte zu bekommen. 2010 zeichnete ihn die russische Akade- Wer Informationsarbeit nicht ausreichend effizi- mie der Wissenschaften mit der Bronze-Medaille für ent löst, der bekommt in Zukunft vordergründig wirtschaftswissenschaftliches Arbeiten aus. ein „Kostenproblem“ – und wird vom Markt ver- schwinden. Unter diesem Veränderungsdruck bil- den sich neue Verhaltensmaßstäbe heraus. Sie haben weniger mit Fachkompetenz oder Organisation zu Erik Händeler, Die Geschichte der tun, sondern damit, wie weit das Verantwortungsge- Zukunft – Sozialverhalten heute fühl eines Menschen reicht und ob man ausreichend und der Wohlstand von morgen selbstbewusst ist, ohne Statussymbole und firmenöf- (Kondratieffs Globalsicht), Bren- fentliche Machtbeweise auszukommen. Hinter den dow-Verlag, 9. Auflage 2013, 478 Preisunterschieden gleicher Produkte verschiedener Seiten, 19,95 Euro. Firmen verbergen sich Produktivitätsunterschiede Nikolai Kondratieff / Erik Händeler – und das sind künftig in erster Linie Verhaltensun- (Hrsg.) terschiede. Die langen Wellen der Konjunktur. Nötig sind: Transparenz statt Kungelei, Versöh- Die Essays von Kondratieff aus den nungsbereitschaft statt ewiger Fehden, Authenti- Jahren 1926 und 1928, herausge- zität statt Blendung, Kompetenz statt Statusorien- geben und kommentiert von Erik tierung, Kooperationsfähigkeit statt Machtkämpfe, Händeler. langfristige Orientierung statt Kurzfristigkeit und Paperback, 160 Seiten, 9,95 Euro, eine Verantwortung, die über die eigene Karriere ISBN 978-3-943172-36-2. und die eigene Kostenstelle hinausgeht. Wird die www.neuearbeitskultur.de Welt vielleicht doch immer besser? www.erik-haendeler.de

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die neue Generalsekretärin der SPd exklusiv in Senate

Vier „I“s für die soziale Marktwirtschaft

Von Yasmin Fahimi

Deutschland wird um die soziale Marktwirtschaft beneidet. Das ist kein Wunder: Wachstum, soziale Sicherung und ökologische Nachhaltigkeit gibt es in dieser Verbindung selten. Die soziale Marktwirt- schaft ist ein historischer Glücksfall und ein Erfolgs- modell. Als SPD streiten wir für eine Wirtschaft spolitik, die nicht Einzelinteressen bedient, sondern die ganze Gesellschaft im Blick hat. Es geht um ein Verspre- chen von Wohlstand, das allen sozialen Schichten etwas bietet. Diesen Anspruch hat Ludwig Erhard übrigens sehr ähnlich formuliert, er schreibt in sei- nem Buch „Wohlstand für Alle“: „Das ist der soziale Sinn der Marktwirtschaft , dass jeder wirtschaft liche Erfolg, wo immer er entsteht, dass jeder Vorteil aus der Rationalisierung, jede Verbesserung der Arbeits- leistung dem Wohle des ganzen Volkes nutzbar ge- macht wird“. Wenn wir heute auf Deutschland blicken, steht unser Land auf den ersten Blick gut da: Das Bun- deswirtschaft sministerium sagt für dieses Jahr ein Wachstum von 1,8 Prozent voraus, nächstes Jahr sollen es 2,0 Prozent werden. Die Beschäft igung liegt mit 42,1 Millionen Menschen auf einem Re- kordniveau, ebenso nimmt die Zahl der Menschen zu, die einer sozialversicherungspfl ichtigen Arbeit nachgehen, während die Arbeitslosigkeit mit ca. 2,8 Millionen Menschen auf einen relativ niedrigen Niveau liegt.

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PoliTik uNd PArlAMENT

Der Jahreswirtschaft sbericht des Bundeswirtschaft s- onen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sich ministeriums sagt uns, dass das wirtschaft liche mehr leisten können, profi tieren davon gerade auch Wachstum unseres Landes in den nächsten Jahren unsere mittelständischen Betriebe. zu großen Teilen auf eine gute Binnenkonjunktur Außerdem ist der Mindestlohn nur ein Baustein in angewiesen sein wird. Das ist ein wichtiger Hinweis. dem Tarifpaket, das wir durchgesetzt haben. Mit Das zeigt: Auch in dieser Hinsicht sind die politi- diesem Paket kehren wir zum System der Tarifl öhne schen Instrumente richtig, die wir gerade beschlos- zurück. sen haben. Denn unsere Beschlüsse zum Arbeitsmarkt und der Heute arbeitet nur noch gut die Hälft e aller Be- Rente – also der Mindestlohn, die abschlagsfreie schäft igten in einem tarifgebundenen Betrieb. Ins- Rente nach 45 Beitragsjahren und die Anrechnung besondere diejenigen sind betroff en, die wenig ver- von Erziehungszeiten – stärken die Kaufk raft in dienen: Je geringer die Löhne, desto geringer ist die Deutschland. Das betrifft den Kern der sozialen Bindekraft von Tarifverträgen. Deshalb erleichtern Marktwirtschaft : Denn diese Beschlüsse sind nicht wir die Möglichkeit, Tarifverträge allgemein ver- nur sozialpolitisch richtig, weil sie Gerechtigkeit bindlich zu machen. schaff en. Sie sind auch gut für unsere Wirtschaft . Das ist deshalb entscheidend, weil wir ein Jahrzehnt Der Mindestlohn sorgt dafür, dass Menschen von lang sinkende Reallöhne erlebt haben. Der reale ihrem Lohn wieder leben können. Er gibt der Ar- Bruttostundenlohn ist zwischen 2000 und 2010 im beit ihren Wert zurück, den Menschen ihre Würde Durchschnitt um 2,3 Prozent gesunken, bei niedri- zurück. Da geht es um Gerechtigkeit. gen Lohngruppen sogar um 10,6 Prozent. Also: Gute Löhne, die Nachfrage schaff en und ein Aber ein Mindestlohn wirkt auch wirtschaft lich: gleichzeitig ein starkes Tarifsystem sind entschei- Heute müssen Hundertaussende Menschen ihren dende Stabilitätsfaktoren für unsere Wirtschaft . Lohn beim Amt aufstocken lassen. Ein gesetzlicher In der letzten Krise ist das überdeutlich geworden. Mindestlohn beendet diese unwürdige Praxis. Und: Die Einführung eines Mindestlohns ist deshalb eine Wer von seinem Lohn leben kann, braucht keine zu- Stärkung unserer sozialen Marktwirtschaft . sätzliche Unterstützung vom Staat. Das spart viele Trotz dieser guten Nachricht lohnt es, sich die wirt- Millionen Euro Steuergeld. schaft liche Situation Deutschlands genauer anzu- Außerdem hilft der Mindestlohn gerade auch jenen sehen. Betrieben und Unternehmen, die bereits heute an- ständige Löhne bezahlen: Der Mindestlohn verhin- er einen Wettbewerb um Billiglöhne. Wettbewerb Welches sind die herausforderungen, ist dann gut, wenn er Unternehmen effi zienter und vor denen wir heute stehen? Produkte besser macht. Er ist aber schlecht, wenn er Arbeitnehmerrechte zersetzt und Sozial- und Um- weltstandards aushöhlt. Wer sein Geschäft smodell Zunächst einmal fällt auf: Die zwei große Krisen auf Billiglöhne gründet, der hat kein Geschäft s- unserer Zeit sind noch längst nicht überwunden. modell. Und beide verweisen auf grundlegende Prinzipien Zuletzt: Wer mehr Geld in der Tasche hat, verfügt der sozialen Marktwirtschaft , die zur Disposition auch über eine höhere Kaufk raft , was wiederum die stehen. Binnennachfrage ankurbelt, was zu Wachstum und Erstens: Das Erfolgsmodell Deutschland gibt es neuen Arbeitsplätzen führt. Wenn rund vier Milli- nur mit dem Erfolgsmodell Europa. Das dürfen wir

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nicht vergessen, gerade, wenn die die Europäische Union in einer veritablen Krise steckt: Die Euro­ skeptiker und Rechtspopulisten zersetzen mit ihrer Hetze das Vertrauen in das europäische Projekt und somit in die gemeinsame Währung. Das ist nicht nur politisch eine große Gefahr. Es ist auch wirt- schaftlich schädlich: Nur mit ausreichender sozialer Absicherung und sozialem Frieden sind Wachstum, Wohlstand und Innovation überhaupt möglich. Wir müssen sicherstellen, dass auch unsere europä- ischen Partner diese Voraussetzung erfüllen. Nicht nur aus Solidarität, sondern auch aufgrund unserer eigenen, wohlverstandenen Interessen sollten wir unsere Nachbarn unterstützen, wo es sinnvoll geht.

Zweitens: Wir sollten nicht vergessen, dass die deutlich zu geringe Investitionsquote. Zwischen heutige Staatsschuldenkrise durch eine Krise der 1999 und 2012 war die Investitionsquote um rund Finanzmärkte ausgelöst wurde. An deren Funkti- vier Punkte niedriger im Vergleich zu den Ländern onslogik hat sich seit 2008 kaum etwas verändert: der OECD und um rund drei Punkte niedriger als Immobilienblasen, hochspekulativer Handel mit in den übrigen Ländern des Euroraums. Derivaten, das Wetten auf Staatsbankrotte gibt es Hier müssen wir nachsetzen. Denn: Öffentliche nach wie vor. Investitionen schaffen den Rahmen, in dem dann Auch hier geht es um ein Grundprinzip der sozia- private Investitionen attraktiver werden. Wir brau- len Marktwirtschaft: dass Haftung und Risiko- zu chen hier einen „New Deal“ von öffentlicher und sammen gehören. Wer dieses Prinzip verletzt, un- privater Hand. Sonst droht Deutschland in vielen tergräbt das Vertrauen in unser Wirtschaftssystem. Bereichen – zum Beispiel im Maschinenbau – nur Deswegen erfordern beide Krisen unsere volle Auf- noch verlängerte Werkbank zu sein. Wir produzie- merksamkeit und entschlossenes Handeln – auch ren dann die konventionellen Bestandteile eines In- wenn sie gerade nicht akut scheinen. dustrieprodukts, während die innovativen Elemente Deutschland scheint eine Insel der Glückseligen zu in den USA oder Asien entwickelt und produziert sein. Aber gerade zu diesem Zeitpunkt und gerade werden. in dieser Situation dürfen wir die Hände nicht in den Schoß legen. Wenn wir morgen erfolgreich sein Für die SPD bedeuten Investitionen immer auch wollen, müssen wir heute anfangen dafür zu arbei- Investitionen in Bildung: Wir müssen noch mehr ten. dafür tun, dass unser Bildungssystem sozial durch- lässiger wird. Es kann und es darf nicht sein, dass in Die SPD wird sich in den nächsten Jahren vor allem Deutschland wieder Herkunft über Zukunft - ent um die vier großen „I“s der Wirtschaftspolitik küm- scheidet. Die SPD kämpft dafür, dass in Deutsch- mern: Investitionen, Innovationen, Infrastrukturen land die Regel gilt: Es geht nicht darum, wo Du her- und Integration aller Qualifizierungsreserven. kommst – es geht darum, wo Du hinwillst. Wir müssen mit größter Priorität die Investitions- Diesen Anspruch zu formulieren, ist übrigens nicht kraft in Deutschland stärken. Unser Land hat eine nur richtig aus der Perspektive der Sozialpolitik. Er

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Bildungspolitik zu einseitig auf Hochschulpolitik konzentriert

ist auch richtig aus der Perspektive der Wirtschaft. hohes Beschäftigungsniveau. Wir sind schon ganz Denn: Soziale Ungleichheit hat hohe Kosten. gut aufgestellt, allerdings mit Schwächen in High- Für die einzelnen Menschen, die davon betroffen tech-Bereichen und vor allen Dingen bei der Umset- sind. Für die Gesellschaft. Und letztlich auch wirt­ zung von Innovationen in Produkte, Verfahren und schaftlich. Produktionsprozesse. Deswegen brauchen wir auch Empirische Studien zeigen: Wo die soziale Ungleich- eine Industriepolitik, die sich an Leitmärkten und heit groß ist, gibt es nicht nur mehr Krankheiten, Leittechnologien des 21. Jahrhunderts orientiert. die durch Armut verursacht werden. Genauso gibt es mehr Kriminalität, Gewalt und Drogenkonsum. Wir brauchen Belegschaften, die Kraft, Motivation In die gleiche Kerbe schlägt die OECD in ihrem und Wissen haben – und keine Angst davor, Fehler Deutschlandbericht. Einerseits lobt sie die niedrige zu machen und auch mal zu scheitern. Dazu gehört Arbeitslosigkeit und unsere starke Industrie. Aber auch der Mut, an einer neuen Fehler- und Erfolgs- sie fordert mit deutlichen Worten: Unser Wachs- kultur zu arbeiten. tum muss „sozial inklusiv“ sein. Da sollten wir sehr aufmerksam sein, denn es geht um den Kern der so- Vor großen Herausforderungen stehen wir auch zialen Marktwirtschaft. bei der Infrastruktur. Wir brauchen moderne Inf- Deshalb ermöglichen wir in dieser Legislaturperio- rastrukturen für den Verkehr, bei der Informations- de mit insgesamt neun Milliarden Euro zusätzliche und Kommunikationstechnik und für Forschungs- Investitionen in Bildung, Wissenschaft und For- und Entwicklungskapazitäten. Nur so können wir schung. Das sind 40 Prozent der insgesamt im Koa- vorhandene Potenziale ausschöpfen, neue Potenzia- litionsvertrag verabredeten Mittel. Das ist ein guter le entwickeln und Wachstum langfristig stärken. Anfang. Aber es reicht noch nicht. Schon jetzt sind manche Brücken für den Schwer- Die SPD ist der festen Überzeugung: Die Bildungs- lastverkehr kaum noch zu befahren. In wenigen politik des Bundes darf sich nicht länger einseitig Jahren drohen hier in mehreren Bundesländern ge- auf die Hochschulpolitik konzentrieren – das Ko- waltige Probleme. Bereits 2013 hat die Verkehrsmi- operationsverbot muss weg. Es kann nicht sein, dass nisterkonferenz eine „permanente Unterfinanzie- jedes Land sein eigenes Stückwerk produziert, und rung“ von Straße, Schiene, Wasserstraße in Höhe am Schluss passt nichts so richtig zusammen. Das von jährlich mindestens 7,2 Milliarden Euro festge- kann sich der Wirtschaftsstandort Deutschland stellt – übrigens einstimmig. nicht leisten. Genauso müssen wir uns für mehr Innovation stark Im Jahr 2012 lag der Anteil von Forschung und machen. Innovationen sind der Treibstoff für wirt- Entwicklung in Deutschland bei rund drei Prozent schaftliches Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und – also deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Wir

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müssen unsere Kommunikationsnetze fl ächende- ckend ausbauen. Investitionen in Infrastruktur stär- ken immer auch die wirtschaft liche Binnendyna- mik. Dadurch bauen wir uns neben der deutschen die Generalssekretärin der SPd Exportstärke ein zweites Standbein für eine starke ist neu im „Berliner Betrieb“. wirtschaft liche Entwicklung Nicht neu in der SPd, dort ist sie Zuletzt wird entscheidend sein, dass wir alle Qua- schon lange in verschiedenen lifi zierungsreserven bündeln und integrieren. Der funktionen profi liert. geburtenstärkste Jahrgang in Deutschland ist die- ses Jahr 50 Jahre alt geworden. Der demografi sche Bisher war die diplom-chemi- Wandel wird in den nächsten Jahren auf eine Verän- kerin berufl ich in der Gewerk- derung auf dem Arbeitsmarkt führen, der Fachkräf- schaft tätig. tebedarf wird weiter steigen.

Gerade ist der 5. nationale Bildungsbericht erschie- nen: Er ist ein Alarmsignal.

Im Jahr 2012 sind so wenige Ausbildungsverträge abgeschlossen worden wie seit bald 40 Jahren nicht mehr. Nur noch jeder fünft e Betrieb in Deutschland bildet überhaupt noch aus. Fast 20 Prozent der jungen Frauen und Männer haben gar keine abgeschlossene Berufsausbildung. Wir brauchen jetzt einen Pakt für Aus- und Fortbil- Das heißt: 1,5 Millionen junge Menschen im Alter dung zwischen Politik, Unternehmen und Gewerk- zwischen 20 und 30 Jahren lassen wir ohne Chancen schaft en. Wir müssen echte Angebote machen, um auf Teilhabe an unserer Gesellschaft zurück. junge Menschen zu einem Ausbildungsplatz zu ver- Wir können nicht einerseits über Fachkräft emangel helfen. Die besten Fachkräft e von morgen sind die, klagen, andererseits dann aber zu wenig ausbilden. die wir in unseren eigenen Unternehmen und Betrie- Um wettbewerbsfähig zu bleiben, dürfen wir die ben ausbilden! Ausbildung in den industriellen Kernberufen nicht Darüber hinaus ist Deutschland dringend auf kluge weiter vernachlässigen. Denn das rächt sich gerade Köpfe aus anderen Ländern angewiesen. bitter: In Berufen wie Metall und Elektro besteht Es ist unsere Aufgabe, dass Ingenieure, Ärztinnen bereits heute eine „beträchtliche Unterdeckung“. oder Pfl egerinnen mit anderen Nationalitäten sich

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Wir müssen zeigen, dass industrieller Erfolg und Klimaschutz zusammenpassen

Wir haben in Deutschland ein weltweit einmaliges Experiment begonnen: Nämlich die Transformati- on unserer Energieversorgung vom fossilen und nu- klearen Zeitalter in das Zeitalter erneuerbarer Ener- gien. Das Ziel ist klar: Unsere Energie muss sauber, bezahlbar und sicher sein. Keine Frage, wir sind mit 25 Prozent Anteil an er- neuerbaren Energien auf dem Strommarkt und Hundertausenden neuen Arbeitsplätzen in die- sem Bereich bereits sehr erfolgreich. Es muss uns gelingen, die Kosten gleichmäßig und gerecht zu verteilen. Was in den 80er- und 90er-Jahren die Arbeitskosten waren, sind in Zukunft Energie- und Rohstoffkosten. Diese bestimmen die Wettbewerbs- fähigkeit dieses Landes. Es hilft in dieser Debatte nicht, Verbraucher gegen industrielle Arbeitsplätze auszuspielen. Es ist sicher keine Lösung, wenn Unternehmen Mitarbeiter ent- lassen müssen, weil Energie schlicht zu teuer wird. Das schadet unserer Wirtschaft, und das schafft si- cher auch keine Zustimmung zur Energiewende. bei uns wohlfühlen. Wir dürfen nicht zulassen, Wir müssen zeigen, dass industrieller Erfolg und dass mit Hetze und billigen Parolen Stimmung ge- Klimaschutz zusammenpassen. Dann erhalten wir gen Einwanderer gemacht wird! Das ist nicht nur in unserer Bevölkerung Zustimmung. Und nur dann menschlich unerträglich! Das ist auch desaströs im funktioniert die Energiewende auch als Vorbild für Angesicht der wirtschaftlichen Herausforderungen, andere Länder. vor denen wir stehen. Die soziale Marktwirtschaft ist ein historischer Neben diesen vier „I“s – Investitionen, Innovatio- Glücksfall und eine Erfolgsgeschichte, der wir in nen, Infrastrukturen und Integration aller Qualifi- den kommenden Jahren und Jahrzehnten weite- zierungsreserven – müssen wir uns in den nächsten re erfolgreiche Kapitel hinzufügen wollen. Dafür Jahren vor allem um eins kümmern: die Energie- kämpfe ich gemeinsam mit der Sozialdemokrati- wende. schen Partei Deutschlands.

SENATE Seite 34 GIF – GESELLSCHAFT FÜR INDUSTRIEFORSCHUNG mbH Konrad-Zuse-Straße 3 | D-52477 Alsdorf T: +49 2404-9870-0 | F: +49 2404-9870-109 | M: [email protected] WirTSchAfTSWElT

Ein Steilpass für die umwelt: klimaschutz im fußball

Die WM in Brasilien, Fans aus verschiedenen Län- Sportlich geht es beim VfL Wolfsburg derzeit in dern fi ebern angespannt mit. Wie schlägt sich die die richtige Richtung: Die Frauen-Mannschaft ist Lieblingsmannschaft ? Was machen die Gegner? frischgebackener Double-Sieger (Meisterschaft , Das sind Fragen, die Fußballfans beschäft igen. Aber Champions League), 2013 wurde sogar das Triple Nachhaltigkeit und Energiebilanz? Oder etwa der geholt. Die Herren-Mannschaft spielt nächste Sai-

CO2-Fußabdruck? Der Forstpartner der Welt Wald son wieder international. Klimainitiative des Senats der Wirtschaft CO2OL und der VfL Wolfsburg zeigen, dass das tatsächlich Bei der Fußball-WM in Brasilien sind zudem gleich gut zusammenpasst. sieben Wolfsburger Akteure im Einsatz: Luiz Gusta- Während dem Zuschauer auf dem Feld vor allem ein vo (Brasilien), Kevin De Bruyne (Belgien), Vieirinha spannendes Spiel geboten wird, schauen die Verant- (), Diego Benaglio und Ricardo Rodríguez wortlichen hinter den Kulissen immer mehr auch (Schweiz) sowie Ivan Perisic und Ivica Olic (Kroati- auf die ökologische Verträglichkeit der Veranstal- en). Über die sportlichen Leistungen hinaus ist der tung. Zur WM 2006 rief der Weltfußballverband Club aus Niedersachsen aber auch im Bereich der FIFA die bundesweite „Green-Goal“-Initiative mit Wahrnehmung seiner gesellschaft lichen Verantwor- dem Ziel der Senkung des Energieverbrauches aller tung ein Vorreiter. Der Verein steht im Blickfeld des zwölf WM-Stadien ins Leben. Man wollte diese in- öff entlichen Interesses und möchte diese große Auf- ternationale Plattform nutzen, um aktiv zum sparsa- merksamkeit nutzen, um Vorbild für andere zu sein.

men Umgang mit Ressourcen und zur Vermeidung Gemeinsam mit CO2OL hat der VfL Wolfsburg das von Müll aufzurufen. Th ema Nachhaltigkeit bereits 2011 auf die Agenda An dieser Umweltkampagne, die über die WM hin- genommen.

aus fortgeführt wurde, beteiligte sich auch die VfL CO2OL betreibt seit 1998 Klimaschutz und berät Wolfsburg-Fußball GmbH. So wurde beispielswei- Unternehmen und Organisationen jeglicher Art bei se die Wolfsburger Volkswagen Arena im Rahmen der erfolgreichen Reduktion und Kontrolle ihrer

der FIFA-Frauen-WM 2011 als „Ökoprofi t Stadion CO2-Bilanz. Als Marke der ForestFinance-Gruppe 2011“ ausgezeichnet. Der Anfang war gemacht. Seit- ist der Dienstleister unter anderem auch Forstpart- her ist eine Menge passiert und auch auf regionaler ner und langjähriger Begleiter der Welt Wald Klima Ebene hat sich einiges getan. Der wesentliche Plus- Initiative des Senats der Wirtschaft . Ein Kunde der punkt von Nachhaltigkeitsstrategien ist und bleibt Bonner Klima-Beratungsagentur aus dem Bereich der enorme Gewinn für unsere Umwelt – aber auch Sport ist der Fußballverein VfL Wolfsburg. Die Kli-

die Veranstalter profi tieren davon. Denn dabei geht maspezialisten von CO2OL begleiten und beraten es nicht nur um Verantwortung, sondern oft mals den Verein bereits seit einigen Jahren in Fragen der auch ums Geld. Klimabilanz und bedienen sich hierbei eines mehr- Der gewissenhaft e und nachhaltige Einsatz von stufi gen Prinzips Materialien und Ressourcen birgt nämlich über die Schonung unserer Natur hinaus enorme fi nanzielle

Einsparpotenziale. Und nicht zuletzt fordern auch Schritt 1: Errechnen des CO2-Fußabdrucks die jeweiligen Stakeholder immer stärker eine gewis- senhaft e, transparente und ehrliche Auseinander- Zunächst wurde auf der Basis allgemeiner Normen

setzung mit der eigenen Verantwortung. Im Sport zur CO2-Bilanzierung eine CO2-Inventarprüfung als einem der wichtigsten Multiplikatoren unserer des Gesamtvereins vorgenommen. Im Jahr 2011 Gesellschaft steckt dabei das besondere Potenzial, betrug der „Fußabdruck“ des VfL Wolfsburg dabei

über die Grenzen der eigenen Organisation hinaus 8.305 Tonnen CO2-Emissionen. Aus dieser Analyse eine positive Wirkung zu erzielen. Eine professionel- konnte der Verein die eff ektivsten Ansätze für die le Umsetzung bietet zudem zusätzliche Nutzen wie anschließende Reduktion seiner Klima-Wirkung an- öff entliche Profi lbildung oder die Kommunikation gehen. Die Bilanz berücksichtigt dabei alle Faktoren mit Fans, Sponsoren und Politik. vom Energieverbrauch der Gebäude (besonders der Mit gutem Beispiel vorangehen: VfL Wolfsburg – Stadien) bis hin zu den Transportfahrten sowie den

mit CO2OL klimafreundlich in nur vier Schritten Arbeitswegen der einzelnen Mitarbeiter.

SENATE Seite 36 WirTSchAfTSWElT

Das Th ema Mobilität spielt hier aber vor allem bei der An- und Abreise der Fans zu den jeweiligen Spie- len eine Rolle. Relevante Aspekte, die in die ganz- heitliche Betrachtung der Klimaspezialisten mit ein- fl ossen, waren auch die Verpfl egung der Fans bei den Spielen und das Müllkonzept. Nicht zuletzt wurde auch der Merchandising-Bereich des VfL Wolfsburg einer umfangreichen Stichprobe unterzogen und die Daten in die Auswertung einbezogen. Die Klimabilanz wird übrigens in regelmäßigen Ab- ständen neu erhoben. So ist der Verein in der Lage, verlässlich zu prüfen, ob sich der CO2-Fußabdruck erhöht oder verringert hat.

Schritt 2: CO2-Reduktion

Auf Basis der ermittelten CO2-Bilanz wurde analy- siert, wie anfallende CO2-Emissionen gänzlich ver- mieden oder wenigstens reduziert werden können. Durch die Unterstützung dieses Projekts führt der Das größte Einsparpotenzial liegt hier in den meis- VfL sämtliche Drittveranstaltungen in der Volks- ten Fällen im Energieverbrauch und dem Transport. wagen Arena klimaneutral durch. Wenn also Un- Aus der Analyse ergaben sich sowohl unmittelbare ternehmen eine Loge oder die Konferenzräume als Einsparpotenziale als auch strategische Handlungs- Location für ihre Business-Events buchen, werden felder für mittel- und langfristige Reduktionsziele die dabei entstehenden CO2-Emissionen durch den der CO2-Emission. So sollen durch die Umsetzung VfL im hochwertigen Wald-Klimaschutzprojekt weiterer aufbauender Maßnahmen, speziell in den ausgeglichen. Weitere Unterstützung erhielt das

Bereichen Energie und Mobilität, die CO2-Emis- Projekt zudem dadurch, dass auch das Stadionfest sionen bis zur Saison 2017/2018 um mindestens zur Saisoneröff nung 2013/2014 klimaneutral 25 Prozent gesenkt werden. Die Volkswagen Arena durchgeführt wurde. Insgesamt wurden durch das sowie die Stadien der Wolfsburger Frauenmannschaft Engagement des VfL Wolfsburg auf diese Weise be- als wichtigste Bestandteile des Fußabdrucks werden reits mehr als 1.100 Bäume in Panama gepfl anzt. beispielsweise mit 100 Prozent Ökostrom versorgt, ebenso wie die Geschäft sstelle, das Nachwuchsleis- tungszentrum und der Fanshop des Vereins. Schritt 4: Kommunikation

In einem letzten Schritt gilt es, die Nachhaltigkeits-

Schritt 3: CO2-Kompensation botschaft wirkungsvoll nach außen zu tragen. Im Fall des VfL Wolfsburg wurden die Ansprechpart- Für die verbleibenden, nicht weiter reduzierbaren ner der verschiedenen Bereiche des Vereins durch

Emissionen berät CO2OL den VfL Wolfsburg auch die Klimaspezialisten von CO2OL mit den Ergeb- in Fragen der Kompensation. nissen der Baseline-Analyse vertraut gemacht. Diese Während die Reduktion und Vermeidung entstehen- sind nun in der Lage, die Handlungsempfehlungen der Emissionen im Vordergrund der Klimaschutz- in ihren Bereichen umzusetzen und im Rahmen der Roadmap steht, ergänzt der Club dies in ausgewähl- Nachhaltigkeitsstrategie des VfL Wolfsburg zu inte- ten Bereichen auch durch die gezielte Unterstützung grieren. eines Wald-Klimaschutzprojektes. Im CO2OL-Pro- Ein weiterer wesentlicher Punkt ist es, die Fans für jekt „Tropical Reforestation Panama“ werden ehe- das Umweltengagement zu sensibilisieren und sie malige Brachfl ächen oder extensiv genutzte Rinder- aktiv einzubinden. Das stellt sicherlich eine der wiesen in Panama durch die Pfl anzung überwiegend größten Herausforderungen dar. Im ersten Schritt einheimischer Baumarten wiederaufgeforstet. Das bedeutet dies, mit gutem Beispiel voranzugehen und Projekt verbindet auf einzigartige Weise nachhaltige den Fans auf diesem Gebiet ein Vorbild zu sein. und ökologische Holzgewinnung mit dem Schutz des Ökosystems Wald. Als eines der weltweit ersten Für den VfL Wolfsburg ist der Begriff Nachhaltig-

Projekte erfüllt „CO2OL Tropical Reforestation Pa- keit mittlerweile zum Selbstverständnis geworden. nama“ auch die strengen Gold Standard-Kriterien Der Verein hat die Zeichen der Zeit erkannt und für Landnutzungs- und Waldprojekte und ist Be- geht mit gutem Beispiel voran – immer in der Hoff - standteil der Welt Wald Klima Initiative des Senats nung, auch andere zu animieren, zukünft ig gemein- der Wirtschaft . sam noch mehr in Sachen Umwelt zu bewegen.

Seite 37 SENATE PoliTik uNd PArlAMENT

Transatlantische Partnerschaft ist wichtiger denn je!

Eine Positionsbeschreibung von Prof. dr. Thomas Straubhaar

Krise bringt Deutschland und die USA wwiederieder zusammen. Das ist höchste Zeit. Deutsch- land und die USA sind nicht Gegner, sondern Part- ner. Das gilt nicht nur politisch oder militärisch mit Blick auf die gemeinsame NATO-Mitgliedschaft . Auch wirtschaft lich gibt es zwischen Deutschen und Amerikanern weit mehr deckungsgleiche gemein- same und nur wenige unterschiedliche Interessen. Allen voran sind für beide Länder der grenzüber- schreitend freie Handel mit Gütern und Dienstleis- tungen von zentraler Bedeutung für Wohlstand und Beschäft igung.

Die Liberalisierung des Welthandels ist ins Stocken geraten. Nationalismus und in seinem Schlepptau der Protektionismus erhalten Aufwind. Das über Jahrzehnte gültige und die Globalisierung prägen- de Konzept des globalen Multilateralismus ist am Ende. Die Welthandelsorganisation (WTO) konnte im Dezember 2013 nach einem Jahrzehnt der Verhand- lungen nur das schlimmste Szenario verhindern: das komplette Scheitern der Doha-Runde. Der in Bali nach jahrelangen Debatten in letzter Minute erreichte Minimalkompromiss war nicht mehr als eine symbolische Bypass-Operation. Er sicherte der WTO lediglich das kurzfristige Überleben.

Für das langfristige Überleben einer Freihandels- strategie bedarf es jedoch mehr als einer Symptom- therapie. Es braucht eine Ursachenbekämpfung. Sie liegt darin, nicht einen Konsens zwischen 159

SENATE Seite 38 PoliTik uNd PArlAMENT

WTO-Mitgliedern mit unterschiedlichen Interes- zu den gleichen Ergebnissen: Es geht um ökonomi- sen, Vorstellungen und Erwartungen erreichen zu sche Einsparungen in dreistelliger Milliardenhöhe, wollen. Sondern stattdessen nur zwischen Ländern dauerhaft en jährlichen Wachstumsimpulsen von bis mit ähnlicher Prägung, Geschichte, kulturellen und zu einem halben Prozent des Bruttoinlandprodukts gesellschaft spolitischen Vorstellungen gemeinsame und Hunderttausenden von zusätzlichen Arbeits- Lösungen anzustreben. plätzen auf beiden Seiten des Atlantiks. Es bedarf der pragmatischen Einsicht, dass mehr Liberalisierung besser ist als weniger, und dass re- Wichtig ist dabei, dass es für die kurze Zeit zwar gionaler Multilateralismus besser ist als ein globaler zu negativen Auswirkungen für die übrige Welt Multilateralismus, der nicht möglich ist. Es sollen kommen würde. Insbesondere die heute wichtigen also nicht globale, sondern regionale Vereinbarun- Handelspartner – also vor allem die Nachbarstaa- gen unter Partnern mit ähnlichen wirtschaft lichen ten (wie Kanada oder Mexiko bzw. die Türkei oder Strukturen, Zuständen und Entwicklungspotenzi- Russland) aber auch China – müssten Nachteile in alen verfolgt werden. Das ist die Grundidee einer Kauf nehmen. Anstatt ihrer Produkte würden nun Transatlantischen Handels- und Investitionspart- in den USA und der EU transatlantische Güter und nerschaft (TTIP). Dienstleistungen zum Zuge kommen. TTIP ist darauf ausgerichtet, zwischen den USA und Längerfristig aber könnte die ganze Welt von den der Europäischen Union (EU) alle Handels- und Wohlstandseff ekten in den USA und der EU profi - Investitionshemmnisse zu beseitigen. Neben Zöl- tieren. Deren stärkere Dynamik, der höhere Wohl- len gehören dazu nichttarifäre Handelshemmnisse stand und die zusätzliche Beschäft igung würden zu wie Unterschiede bei den technischen Vorschrift en, einem (Wieder-)Ansteigen des Handels mit der Genehmigungsverfahren und die Anerkennung von übrigen Welt führen. Deshalb sollte die Weltwirt- Standards, Regulierungen und Rechtsvorschrift en. schaft das Scheitern und nicht den Erfolg von TTIP Für Güter, Dienstleistungen und Investitionen soll fürchten! im transatlantischen Rahmen ein ähnlicher gemein- samer Wirtschaft sraum entstehen, wie das innerhalb Dass Präsident Obama und die Bundeskanzlerin der EU der Fall ist. bei den Gesprächen in Washington Anfang Mai Die ökonomischen Vorteile von TTIP sind überwäl- sich auch bei TTIP angenähert haben, ist in jeder tigend. Sowohl eine Studie des Centre for Economic Beziehung ein Fortschritt. Denn ohne die Zustim- Policy Research (CEPR London) wie auch des Ifo- mung Deutschlands – dem größten und momentan Instituts München (zusammen mit der Bertelsmann stabilsten EU-Land – wird sich bei den TTIP-Ver- Stift ung) kommen bei unterschiedlichen Methoden handlungen wenig bis nichts bewegen.

Seite 39 SENATE Politik und Parlament

Faire und akzeptable Kompromisse finden

Die wichtigsten (ökonomischen) Streitpunkte, die es nun zu lösen gilt, sind:

• Der Abhörskandal der NSA (National Secu- rity Agency) war für die Europäer ein scho- ckierender Vertrauensbruch. Da hilft es, wenn „Obama die Sorgen der Deutschen wegen der NSA-Spionage nicht mehr als teutonische Schrulle abtut.“ (http://www.welt.de/print/ wams/politik/article127589559/Im-Beet- mit-Obama.html) Offenbar erkennt der US- Präsident, welchen Schaden eine Partnerschaft erfährt, wenn nicht nur Feinde, sondern auch Freunde ausspioniert und abgehört werden. Es widerspricht dem europäischen Verständnis Die Kommentatoren in den USA und auch in von Privatsphäre, wenn vertrauliche individu- Deutschland waren sich einig, dass der Besuch der elle Daten ohne Begründung auf Vorrat gespei- Kanzlerin beim Präsidenten durch Offenheit ge- chert werden und weder Rechenschafts- noch kennzeichnet war. Probleme wurden nicht totge- Transparenzpflichten zu erfüllen sind, wenn schwiegen, sondern angesprochen. Genau das zeugt private Informationen weitergegeben werden. von Partnerschaft und gegenseitigem Verständnis. Nun gilt es, in sicherlich zähen weiteren Verhand- • Gentechnisch veränderte Lebensmittel lungen Kompromisse zu finden, die für beide Seiten sind aus amerikanischer Sicht im Kampf als fair und akzeptabel bewertet werden. Hilfreich gegen den Hunger ein Segen. Für vie- könnte dabei der Verzicht auf ein grundsätzliches le Deutsche sind sie Teufelszeug, das man Prinzip kluger Verhandlungsführung sein, nämlich, einmal gerufen niemals wieder los wird. dass nichts entschieden ist, solange nicht alles ent- schieden ist. • In Deutschland (und Frankreich) besteht Bei TTIP wäre es klüger, nicht zu warten, bis alles die Sorge vor einer weiter voranschreiten- und jedes verhandelt ist. Sondern loszulegen, sobald den „Amerikanisierung“ der Medien – ins- ein paar wichtige Eckpunkte vereinbart worden besondere der Filmindustrie, was als un- sind. Das würde auch das Dilemma überwinden, geliebter und unerwünschter Angriff auf dass Barack Obama zur „lahmen Ente“ wird. Er die europäische Kultur verstanden wird. hat nämlich vom Kongress keine Ermächtigung erhalten, dass die Verhandlungsergebnisse seiner • Und schließlich fürchten die Deutschen mit Regierung auch tatsächlich vom Parlament gebilligt ­ einem Investitionsabkommen ein trojanisches werden. Pferd zu zäumen, das amerikanischen Firmen Genauso müssen die Europäer dafür sorgen, dass erlaube, europäische Regulierungen beim Zu- Ende Mai beim Übergang vom alten zum neuen gang zum EU-Binnenmarkt zu unterwandern. EU-Parlament nicht aller Schwung für die TTIP- Die Furcht gilt insbesondere für die ökolo- Verhandlungen verloren geht. Das wäre ein Jam- gischen und sozialen Standards sowie die Ar- mer, nicht nur für die transatlantischen Beziehun- beitsplatzregulierungen wie Streik- oder Kün- gen, sondern für Wohlstand und Beschäftigung digungsrechte. weltweit.

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Österreich – die nahen Nachbarn als Standort und investitionsmöglichkeit

Von Maria c. Wilhelm

Dadurch lernt man nur einen kleinen Ausschnitt der österreichischen Vielfalt kennen. Der Slogan der Bundeshauptstadt heißt „Wien ist anders“, und so fühlt es sich auch an (anders): Es gibt einen ersten Eindruck dieser Vielfalt. Im Gegensatz zu Deutsch- land, wo die Städte relativ gleichförmig verteilt sind, leben 30 Prozent der österreichischen Bevölkerung in Wien und dessen Umfeld. Wien und die „ande- ren“ Bundesländer unterscheidet viel. Österreich erfreut sich wachsender Beliebtheit bei deutschen Bürgern: Fast die Hälft e der Nächtigun- gen in österreichischen Tourismusbetrieben entfällt Kulturstadt Wien, Salzburger Festspiele, Schifah- auf deutsche Gäste. Deutsche Staatsbürger stellen ren, Apfelstrudel und Kaiserschmarrn, Wiener mit 16 Prozent den größten Anteil an nichtöster- Schmäh, Almdudler und Alpenblues. Unter diesen reichischen Einwohnern. Denn hierher zu ziehen Impressionen ist Österreich – vor allem bei unseren ist für unsere Nachbarn unkompliziert und einfach. dr. Anne fraydenegg deutschen Nachbarn – bekannt. Und so wird die Auch wenn das Gemeinsame – die deutsche Spra- „kleine Schwester“ Österreich auch immer ein biss- che – die Charaktere Deutscher und Österreicher chen belächelt und vielleicht nicht von vornherein trennen mag. ernst genommen. Gemütlich seien wir, weich (durch die Sprache), übertrieben höfl ich und formell und Deutsche Unternehmen investieren gern in Ös- nicht besonders detailverliebt. terreich: Mehr als 53 Prozent aller ausländischen Nach dem Ersten Weltkrieg entstand ein wirtschaft - Direktinvestitionen in Österreich fl ossen 2011 licher Bruch in der industriellen Entwicklung Ös- aus dem nördlichen Nachbarland. Umgekehrt ist terreichs – der Wegfall der Fabriken in den ehemali- Deutschland mit einem 20-prozentigen Anteil an gen Kronländern führte zu einer Austrocknung der den gesamten Auslandsinvestitionen das wichtigste Produktionskapazität. Auch wenn in der Zwischen- Zielland österreichischer Direktinvestitionen. kriegszeit neue Produktionskapazitäten aufgebaut Für viele deutsche „Zuwanderer“ ist Wien der „Na- wurden, war die Fokussierung auf den Dienstleis- bel der Welt“. Denn es lebt sich hervorragend in der tungssektor vorprogrammiert. Bundeshauptstadt. Wien bietet weltweit die höchs- Gerade in den Wiederaufbauzeiten nach dem Zwei- te Lebensqualität – das ist das Ergebnis der weltwei- ten Weltkrieg entwickelte sich der österreichische ten Mercer-Vergleichsstudie (2012) zur Bewertung Ferientourismus prächtig und prägte fortan das Bild der Lebensqualität in 221 Großstädten. Österreichs als eines der vorrangigsten Fremdenver- Diese besonders hohe Lebensqualität mindert ein kehrsländer Europas. wenig die internationale Konkurrenzfähigkeit Ös- Oft kennt man Österreich nur durch den Schiurlaub terreichs. Österreich belegt laut dem World Com- in Tirol und Salzburg oder durch einen Sommerur- petitiveness Ranking den 23. Platz. Deutschland laub an einem Kärntner See. schafft e es stabil auf Rang 9.

SENATE Seite 42 WirTSchAfTSWElT D A

Welche steuerlichen und unterneh- mensrechtlichen Vorteile hat Öster- reich zu bieten?

Warum es sich für deutsche Unternehmen durchaus lohnt, Österreich als Standort ins Auge zu fassen, Von besonderem Interesse für deutsche Unterneh- lesen Sie im Interview mit Dr. Anne Fraydenegg, men und Privatpersonen ist, dass es in Österreich Geschäft sführerin der InterGest® Austria. keine Vermögensteuer, keine Gewerbesteuer und keine Erbschaft - und Schenkungsteuer gibt. An den Neuerungen im Unternehmensrecht wird Wie stellt Österreich sich im Moment die Bestrebung Österreichs sichtbar, weiterhin ein als Standort für ausländische unter- attraktiver Standort zu bleiben. Seit Juni 2013 gibt es eine Änderung im GmbH-Ge- nehmen dar? setz, die vor allem für internationale Unternehmen interessant ist: Anstatt des bisher erforderlichen Österreich erlebt derzeit in den internationalen Stammkapitals von 35.000 Euro können GmbHs Medien keinen Hype. Die PISA-Studie zeigt einen nunmehr mit lediglich 10.000 Euro Stammeinlage Nachholbedarf auf. Beim World Competitiveness gegründet werden, die sogar nur zur Hälft e bei der Ranking könnten wir einen besseren Wert erzielen. Gründung einzubezahlen sind. Es ist uns bewusst, dass aus solchen Ergebnissen Konsequenzen gezogen werden müssen und Berei- che, in denen Österreich stark ist, auszubauen sind. Welche rahmenbedingungen erwarten deutsche Manager und Arbeitnehmer, die nach Österreich kommen? ist Österreich immer noch das vielge- priesene Tor zum osten? Österreich ist – wie ja auch Deutschland – ein Ein- wanderungsland. Tatsächlich machen die 150.000 Unser geografi scher Standortvorteil als Drehschei- Deutschen die größte Gruppe der Einwohner mit be zwischen Ost und West ist unser Asset, die ge- nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft aus. In meinsame Geschichte gewährleistet nach wie vor Wien leben aktuell rund 30.000 Deutsche. Ein die Verbundenheit Österreichs mit dem Osten. In Teil davon sind Studenten, sogenannte „Numerus- Sachen Rechtssicherheit und politischer Stabilität Clausus-Flüchtlinge“, die Österreich nach Studien- haben wir den Ost-Ländern gegenüber in jedem Fall abschluss wieder verlassen. einen Vorsprung. 2012 haben sich 201 ausländische Viele von ihnen bleiben aber auch für immer. Wien Betriebe in Österreich angesiedelt. ist eine überschaubare Stadt mit einem hervorra- Das ist angesichts der aktuellen Wirtschaft s- und genden öff entlichen Verkehrsnetz und hoher Le- Finanzkrise, die das Investitionsvolumen grundsätz- bensqualität. Es gibt viel Grün, persönliche und lich eindämmt, beachtlich. Österreich punktet mit berufl iche Beziehungen lassen sich leicht aufbauen, der ausgezeichneten Infrastruktur und als strate- man ist mit den Playern in seiner Branche schnell gisch günstiges Logistikzentrum. bekannt.

Seite 43 SENATE WirTSchAfTSWElT

Was glauben Sie, was deutsche an Österreich am meisten irritiert?

Paradoxerweise die gemeinsame Sprache. Die Mut- tersprache anwenden zu können, sollte ein Vorteil sein. Sei es privat oder berufl ich. Leider machen die feinen Unterschiede in der gemeinsamen Sprache auch einen Teil der österreichisch-deutschen Irrita- tionen aus. Viele Österreicher identifi zieren einen (Nord-)Deutschen schon bei der Begrüßung am Te- lefon. „Tschüss“ als Verabschiedung zwischen Frem- den wird als distanzlos angesehen – denn in unserer Vorstellung setzt dies ein „Du“ voraus.

Tatsächlich habe ich aber den Eindruck, dass mehr und mehr deutsch-deutsche Ausdrücke auch in Ös- terreich zum Standard werden, wobei unsere öster- reichisch-deutsche Sprache zusehends von Anglizis- men durchsetzt wird.

Tipps und Tricks für ein erfolgreiches Österreich-Geschäft

Lokale Niederlassung oder Tochtergesellschaft si- chert den Verkaufserfolg ab: Die unterschiedliche Mentalität und Sprache sollten nicht unterbewer- tet werden. Insbesondere im Verkauf, Service und Aft er-Sales-Bereich ist es förderlich, österreichische Mitarbeiter einzusetzen. Networking ist wichtig! Die persönlichen Beziehun- gen im Geschäft sleben spielen eine wichtige Rolle. Der Österreicher macht einfach gern Geschäft e mit Leuten, die er kennt und mag. Eine Einladung zu ei- nem Abendessen oder einem Heurigenbesuch aus- zuschlagen, ist also nicht der beste Schachzug, wenn man im Geschäft lichen weiterkommen will. Denn erst „Aft er-work“-Treff en befl ügeln die Geschäft s- abschlüsse. Glauben Sie nicht, die Österreicher seien faul, nur weil nach einem Arbeitstag voller Diskussionen der Arbeitsplatz in einen schattigen Heurigengarten verlegt wird. Dort fi ndet die „entspannte Weiter- führung“ der Geschäft sgespräche statt. Man will auch etwas Persönliches vom Gegenüber erfahren. Das ist nicht Neugier, sondern dient zur Abrun- dung des Bildes. Arbeitsrecht: Auch wenn in Österreich Arbeitneh- mervertretungen eine starke Position haben, so ist die Strenge des deutschen Arbeitsrechts nicht mit jener in Österreich zu vergleichen.

SENATE Seite 44

AuS dEM SENAT

Zukunftssicherheit für familienunternehmen und Mittelstand Convent des Senats der Wirtschaft mit starkem Praxisbezug zu Corporate Governance

Corporate Governance, zu Deutsch: Grundsätze mechanismen sind auch bei eigentümergeführ- der Unternehmensführung, also der Ordnungs- ten Unternehmen wichtig, um planbaren Erfolg rahmen für die Leitung und Überwachung von zu erzielen. Unternehmen. So war der Convent überschrie- Viel zu oft sind es jedoch die erfolgreichen ben, bei dem der Senat über Weichenstellungen Gründer, die Ratgeber und Kontrollstrukturen und Hilfen zur Festigung von erfolgreichen scheuen. Unternehmen des Mittelstandes sprach. Vor- Im weiteren Teil des Convents standen Finan- nehmlich bei Generationswechsel, aber auch zierungsmöglichkeiten zur Diskussion. Auch zur Vorbeugung schwieriger Zeiten wurden Private Equity, also Beteiligungskapital, kann Perspektiven und Notwendigkeiten aufgezeigt. ein erforderliches Mittel zum Generations- Im Mittelpunkt standen dabei Überlegungen, wechsel sein. professionelle Beiräte oder Aufsichtsräte einzu- Wichtige Neuerung, die am Tag des Convents führen. angeboten wurde: die Senats Beirats Börse. Zahlreiche Praxisbeispiele wurden dargestellt, Über diese können Mitglieder des Senats ohne immer wieder zeigte sich die Erkenntnis, dass Gebühren an die richtigen Kandidaten für den rechtzeitig und objektiv Rat organisiert werden aufzubauenden Aufsichtsrat oder einen Beirat sollte. Professionelle Strukturen und Kontroll- kommen (Kontakt: offi [email protected]).

SENATE Seite 46 AuS dEM SENAT

@derSenat ergänzt seine kommunikation – informative und kommunikative Mehrwerte auf Facebook und Twitter

Weitere Dialogpartner aus Politik und Wirt- munikationsraum und im Senat der Wirtschaft schaft , mehr konkrete Impulse zur Lösung drän- gleichermaßen gerecht. Zudem bieten sie Mit- gender Gegenwartsfragen, gestiegenes Interesse gliedern und thematisch Interessierten die Mög- am Programm des Senats – und an den Men- lichkeit, noch näher am Senatsleben und seinen schen, die dahinter stehen. Th emen zu sein. Gewährleistet wird dies durch Um auch der gestiegenen Bedeutung des Sena- das regelmäßige Angebot von Neuigkeiten und tes gerecht zu werden sowie Möglichkeiten des Impulsen aus dem Senat, seinem thematischen digitalen Austauschs zu bieten, erweitert der Umfeld und aus den Mitgliedsunternehmen. Senat der Wirtschaft sein bisheriges digitales Neben diesen informativen Mehrwerten sollen Informationsangebot. Seit Jahresbeginn gibt es die neuen Kanäle aber auch zum digitalen Aus- eine verstärkte Präsenz in den sozialen Netzwer- tausch mit und über den Senat einladen – und ken Facebook (Senat der Wirtschaft ) und Twit- somit einen kommunikativen Mehrwert an- ter (@DerSenat). bieten. Für den Ausbau des Engagements im Bereich Das Kommunikations-Team des Senats freut Social Media gibt es gute Gründe. Facebook, sich, wenn Sie dem Senat der Wirtschaft zu- Twitter & Co. dienen in Politik und Wirtschaft künft ig auch digital verbunden sind – und Sie zunehmend der Darstellung, der Recherche und uns auch Ihren Freunden weiterempfehlen. Für dem schnellen Austausch von kompakten Infor- Feedback, Anregungen und interessante Neuig- mationen. keiten aus Ihrem Unternehmen sind wir jeder- Gleichzeitig hat das öff entliche Interesse an den zeit off en. Th emen des Senats genauso zugenommen wie Zum Facebook-Profi l des Senats: die Anzahl der Senatsveranstaltungen, Initia- https://www.facebook.com/senatderwirtschaft tiven und Impulsen. Die neuen Kanäle werden Zum Twitter-Kanal @DerSenat: somit den Entwicklungen im öff entlichen Kom- https://twitter.com/DerSenat

Seite 47 SENATE AuS dEM SENAT

Senat der Wirtschaft wählte Präsidium Prof. Dr. Dr. Franz Josef Radermacher als Präsident einstimmig bestätigt. Optimale Compliance und Corporate Governance in Satzung verankert

Auf der Bundesversammlung des Senats der gesellschaft lichen Bereich fi ndet. Das sieht das Wirtschaft Deutschland wurde das Präsidium Präsidium als Verpfl ichtung und hat aus diesem der Vereinigung von Persönlichkeiten aus Wirt- Gedanken heraus gemeinsam mit dem Vorstand schaft und Wissenschaft neu gewählt. Für weite- für eine Überarbeitung der Satzung plädiert.“ re vier Jahre ist der Wissenschaft ler Franz Josef Da der Senat von führenden Parlamentariern Radermacher, der auch als wesentlicher Akteur und Regierungsmitgliedern als Dialogpartner des Club of Rome bekannt ist, zum Präsidenten und Impulsgeber hoch anerkannt ist, wollten gewählt. die Mitglieder die richtigen Weichen für eine Der Bedeutung des Senats der Wirtschaft ent- verlässliche und solide Zukunft auch in der sprechend hat die Bundesversammlung auch Konstitution stellen. Die Satzungsvorschläge, aktuelle und vorbildliche Satzungsregeln be- die auf Initiative von Präsidium, Vorstand und schlossen, die unter dem Gesichtspunkt einer Aufsichtsrat gemeinsam eingebracht wurden, Corporate Governance wohl einzigartig in der fanden nach umfangreicher Diskussion in der Landschaft deutscher Vereinigungen sein wer- Mitgliedschaft eine einstimmige Unterstützung den. Dazu erklärte der Präsident: „Dem Senat der Bundesversammlung. der Wirtschaft wird zunehmend eine Rolle als Vorstandsvorsitzender Dieter Härthe betonte Plattform für nachhaltige und gemeinwohlori- in einer richtungweisenden Rede: „Der Senat entierte Th emen der Marktwirtschaft zuerkannt, der Wirtschaft wird weiter ein exzellenter Kreis die Gehör und Anerkennung im politischen und spannender und komplementärer Persönlich- keiten sein. In der Atmosphäre des Miteinan- ders und der höchstmöglichen Reputation wird es auch zukünft ig gelingen, Gemeinwohlthe- men als Anregung und Vorbild für Politik und Gesellschaft auszuprägen und zu verkörpern.“ Der Vorstand stand auf der diesjährigen Bun- desversammlung nicht zur Wahl. Zu den Vizepräsidenten des Senats wählten die Mitglieder Dr. Gerlind Wisskirchen, Helmut Lind, Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, Gerhard Bruder, Katharina Th aysen-Bender, Markus Niedermayer, Graf Douglas Saurma-Jeltsch, Al- brecht Hertz-Eichenrode, Klaus Dittrich, Karl J. Krauss. Für den Senat der Wirtschaft ist der ständige und vertrauensvolle Dialog mit politischen Ent- scheidungsträgern in den Parlamenten und Re- gierungen notwendige Aufgabe. Er wirkt aus- schließlich gemeinwohlorientiert, mit der Idee einer Ökosozialen Marktwirtschaft . Weitere Informationen auch auf: www.senat-deutschland.de

SENATE Seite 48 AuS dEM SENAT

Gespräche mit „Pressefreiheit“ Die Senatsgespräche sind immer ein echter Hintergrund ohne Medien

Im regelmäßigen Dialog, Wolfgang Bosbach, Ausschussvorsitzender im Bundestag. Th ema beim letzten Treff en war die digitale Gesellschaft und Auswirkungen auf Markt und Handel.

Zukünftiger Eu-chef ist Mitglied des Senats

Der zukünft ige EU-Kommissionspräsident, ein Staatsmann mit neuem Potenzial. Erstmals un- ter Mitwirkung der Wahlbürger bestimmt. Es mutet an eine taktische Meisterleistung, dass tatsächlich nun das EU-Parlament erkennbar die Kommission mitbestimmt. Viele sehen da- rin einen historischen Schritt auf eine zukünft i- ge, von den Wählern bestimmte EU-Regierung. Jean-Claude Juncker ist Ehrensenator des Senats der Wirtschaft Deutschland.

Seite 49 SENATE PoliTik uNd PArlAMENT

Politikerinnen im Wettbewerb

Julia klöckner, fraktionschefi n und kandidatin

Von christoph Brüssel

In Ihrem Bundesland stehen sich erstmalig Regierungschefi n und Oppositionsführerin in einem Par- lament gegenüber und sind auch im Wettbewerb um die nächsten Spit- zenkandidaturen. Ist das aus Ihrer Sicht ein anderes Arbeiten als üblich in der fr üheren Männerdomäne „Spitzenpolitiker“? b nun die Frauenquote in den meisten Parteien oder die selbstbewussteren Menschen sind verschieden – Männer und Frauen Frauen oder eine sich verändernde folglich auch. Es kommt immer auf die Personen an, GesellschaftO zu dem Ergebnis geführt hat, kann vielleicht auch auf die Generationen, die aufeinan- off enbleiben – erkennbar jedenfalls ist, dass Frauen dertreff en. Herr Beck hatte sichtlich ein Problem in Führungspositionen der Politik wie selbstver- damit, dass ihm eine junge Frau widersprochen und ständlich Position bezogen haben und weniger er am Ende nur 0,5 Prozent Vorsprung bei der Wahl über die „Frau“ als über das Amt nachgedacht wird. hatte. Mit seiner Nachfolgerin ist es zwar netter – Längst ist es keine Schlagzeile mehr, dass „Frau“ politisch, das sage nicht nur ich, ist es aber leider auch Regierungschefi n ist. Kein Th ema bei vier nicht besser geworden. Und das ist, was am Ende Ministerpräsidentinnen und einer Kanzlerin. Aber zählt: Die kommenden Generationen fragen nicht für uns doch ein Th ema, da nun in zwei Bundes- danach, ob wir es heute gemütlich-sympathisch ländern je zwei Frauen im Wettbewerb um die hatten, sondern welche Entscheidungen eine Lan- Regierungsspitze stehen. desregierung zu ihren Lasten getroff en und welche In Rheinland-Pfalz ist Julia Klöckner die Heraus- wichtigen sie unterlassen lassen hat. Die eine Bür- forderin. Sie ist, wenn auch jung an Jahren, schon de ist der Nürburgring, eine Milliarde Euro hat die erfahren als Politprofi . Sie forderte bereits Kurt SPD-Regierung in den Sand gesetzt – Geld des Beck heraus und verlor um Haaresbreite. Auch Steuerzahlers. Mit Zustimmung der heutigen Mi- auf Bundesebene hat sie mitzureden, immerhin als nisterpräsidentin. Viele weitere Baustellenlasten stellvertretende CDU-Vorsitzende. Ein Gespräch lasten schwer auf unserem Land und seiner Zukunft . über ein Th ema, das für die Akteurinnen eigentlich Da ist es egal, ob es ein Mann oder eine Frau war, der kein Th ema mehr ist, oder ... oder die die falschen Entscheidungen getroff en hat.

SENATE Seite 50 PoliTik uNd PArlAMENT

Spüren Sie aus der Bevölkerung oder hat eine derartig hohe Verschuldungsentwicklung wie kaum ein anderes. Bayern wendet nur rund drei im Umgang mit den Medien, dass Prozent für Zinsverpfl ichtungen auf, in Rheinland- diese Führungsstellung auf beiden Pfalz sind es rund zwölf Prozent! Das Geld fehlt für eine bessere Qualität in den Kitas und den Schulen, Spitzenpositionen speziell kommen- stattdessen will Rot-Grün nach und nach die Schul- tiert wird? noten und die Klassenwiederholungen abschaff en. Da haben meine CDU und ich eine andere Positi- Das wird sicher im Wahlkampf noch eine stärkere on, die meisten Bürgerinnen und Bürger auch. Rolle spielen. Denn es stimmt ja, die Konstellation ist neu, zwei Frauen als Spitzenkandidatinnen. Aber dann ist es auch gut, revolutionär ist das ja nicht, Haben Sie den Eindruck, dass kriti- sondern eher verwunderlich, dass es erst jetzt, also sche Situationen besser zu managen zur Wahl 2016, so sein wird. Und dann wird sich mit jedem Artikel, der geschrieben wird, zunehmend sind, wenn sich zwei Frauen gegen- Normalität einstellen. Die Botschaft „zwei Frauen“ überstehen – oder ist es eher proble- mag zwar interessant sein, sagt aber noch nichts über die Inhalte aus. Und deshalb wäre es sicherlich matischer? nicht gut, wenn die Debatte ins Unpolitische, wo- möglich in Kleidungsstil- und Frisurfragen zweier Männer sind nicht alle gleich, Frauen auch nicht. Frauen abdrift en würde. Am Ende muss es doch da- Unterschiedliche Persönlichkeiten gehen mit He- rum gehen, wie der hohe Unterrichtsausfall und die rausforderungen unterschiedlich um. Ob nun zwei schlechter werdende Infrastruktur aufgehalten, wie Frauen eine kritische Situation zu meistern haben – mehr Arbeitsplätze und Innovation und nicht mehr das muss nicht automatisch besser oder schlechter Gleichmacherei und Umverteilungspolitik erreicht sein. Wichtig ist ein faires und konstruktives Mit- werden können. einander. In der Politik geht es um die Gestaltung des öff entlichen Lebens. Und da zählen Ergebnisse. Und da spielt es keine Rolle, ob mein Gegenüber Mal ganz persönlich, glauben Sie, ein Mann oder eine Frau ist. Aber mal Hand aufs Herz – würden Sie diese Fragen auch zwei Männern dass Sie als Ministerpräsidentin stellen? besser sein werden als Ihre aktuelle Gegenspielerin?

Meinen Sie die Frage ernst? Wenn ich daran nicht glauben würde, warum sollte ich dann antreten wol- len? Umfragen sind zwar nur Momentaufnahmen, aber sie sind prima für die CDU Rheinland-Pfalz. Denn es wird Zeit nach fast 25 Jahren, in der die SPD in Rheinland-Pfalz am Ruder ist. Unser Land

Seite 51 SENATE Politik und Parlament

Frauen in Spitzenämtern sind schon lange keine Ausnahme­ erscheinung mehr

Wie viel Anteil an der Teilhabe an politischer Macht hat die Frauen- quote in den meisten Parteien aus Ihrer Sicht?

Über das Frauenquorum, es liegt bei 30 Prozent in Nun ist Rheinland Pfalz ja nicht der der CDU, kam ich in die Politik – weil der Listen- einzige Platz, an dem „Frauenpo- platz sechs auf der Bundestagswahlliste frei war und eine Frau fehlte. Es gab aber auch einen Wettbewerb wer“ die Spitzen der Politik erobert unter den Frauen um diesen begehrten Platz. So hat. In NRW sind Ministerprä- bin ich über die Landesliste 2002 auf Platz sechs in den Deutschen Bundestag eingezogen, lag sieben sidentin und Vize-Ministerpräsi- Prozent hinter meinem SPD-Mitbewerber. 2005 dentin beide Frauen, in Thüringen konnte ich den Wahlkreis erstmals für die CDU kandidieren auch zwei Damen ge- mit einem Prozent Vorsprung direkt gewinnen und bei der darauffolgenden Bundestagswahl mit 18 geneinander, wir haben eine Vertei- Prozent Vorsprung – gegen den SPD-Kandidaten, digungsministerin und nicht zuletzt der 2002 noch weit vor mir lag. Manchmal bedarf es also der Startermöglichung, dass Frauen sich über- regiert seit mehr als acht Jahren eine haupt auf die politische Bühne begeben, aber bewei- Frau die Bundesrepublik. Sind wir sen müssen sie sich dann schon selbst. in einer Selbstverständlichkeit der Gleichberechtigung in Spitzenäm- Glauben Sie, dass es einer staatlich tern angekommen? verordneten Regelung bedarf, die Frauen in der Wirtschaft zu unter- Allein, dass Sie diese Fragen stellen, zeigt, dass es stützen? anscheinend noch keine Selbstverständlichkeit ist. Wir sind auf einem guten Weg. Frauen in Spitzen- Per Gesetz kann man nicht alles regeln – schon ämtern sind glücklicherweise schon lange keine gar nicht unisono über alle Branchen hinweg. Ausnahmeerscheinung mehr. Politik kann zwar Ich würde mir allerdings sehr wünschen, dass die Vorbild sein, aber ist nicht eins zu eins auf die Wirt- Selbstverpflichtung der Wirtschaft zu erfreulichen schaft zu übertragen. Ich bin aber überzeugt davon, Ergebnissen führt. Deshalb ist es gut, dass es eine dass alle davon profitieren, wenn Frauen und Män- Übergangsfrist bis zu einer möglichen gesetzlichen ner gemeinsam ihre Fähigkeiten einbringen, auch Quote gibt. Aber diese Zeit muss die Wirtschaft an oberster Stelle. auch nutzen. Politik aber auch.

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Im rheinland-pfälzischen Kabinett gibt es zwar viele Was ist Ihr Bild von einer modernen Frauen, aber in den Landesgesellschaft en, wo diese Landesregierung bei der Besetzung der Führungs- Gesellschaft in Bezug auf das Ver- posten mitmischt, da hält sie die Ziele, die sie von hältnis gleichberechtigter Rollen in der Wirtschaft verlangt, selbst gar nicht ein: Noch nicht einmal 30 Prozent Frauen in Führungspositi- der Arbeitswelt? onen gibt es in den Landesgesellschaft en, z.T. unter weit unter 20 Prozent. Es sollte selbstverständlich sein, dass Männer und Frauen in unserer Gesellschaft gleichberechtigt sind, das Ziel sieht auch unsere Verfassung vor. Was glauben Sie, will die moderne Und es ist Aufgabe von Politik, die individuellen Gesellschaft die Gleichberechtigung Lebensentscheidungen von Männern und Frauen zu respektieren und für die Rahmenbedingungen in Spitzenpositionen in Wirtschaft echter Chancengleichheit zu sorgen. und Politik oder überwiegen weiter Ich bin mir sicher, dass von der Gleichberechti- gung sowohl Männer als auch Frauen, dass unsere Rollenvorbehalte? Gesellschaft insgesamt profi tiert. Auch die Wün- sche und Familienmodelle von Männern und Vä- Ich bitte Sie – wir leben im 21. Jahrhundert. Und tern haben sich ja geändert. Die Wirtschaft selbst wer damit Probleme hat, dass Führungspositionen profi tiert, wenn Frauen zunehmend Führungsposi- mit Frauen besetzt werden, der sollte noch mal tionen besetzen, das belegen Erfahrungsberichte. in sich gehen. Von einer Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Arbeitswelt sind wir ja noch weit entfernt, auch beim Verdienst. Frauen bekommen noch immer im Schnitt über 20 Prozent weniger als Männer. Und es sind zu viele Probleme noch ungelöst. Gerade Frauen, die Kinder und Berufsleben unter einen Hut bekommen wol- len, haben es sehr schwer. Viele dieser Frauen verlie- ren den Anschluss bei Karriere und Gehalt. Deshalb brauchen wir bessere Rahmenbedingungen – wie fl exible Kinderbetreuung –, damit Wahlfreiheit nicht nur Th eorie bleibt. Aber, und das gilt es zu respektieren: Es gibt natür- lich auch Frauen oder Paare, die ganz andere Vor- stellungen haben. Viele Frauen wollen schlichtweg auch keine Führungsposition übernehmen, aus verschiedenen Gründen. Aber die, die wollen und können, die sollen auch, hier müssen Hindernisse abgebaut werden. Eine ältere Dame sagte mal augenzwinkernd zu mir: „Wirkliche Gleichberechtigung haben wir erst dann, wenn auch nicht so gute Frauen Führungspositio- nen übernehmen.“ Wenn es immer heißt, die Frauen müssten aber auch qualifi ziert sein, ja stimmt – aber das gilt für die Männer auch. Nur hört man diesen Halbsatz über sie nicht so oft wie wenn es um Frau- en in Führungspositionen geht.

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Die Suche nach mehr Werten in der Wirtschaft: Last oder Lösung?

Perspektiven im Spannungsfeld unternehmerischer Gemeinwohl­ orientierung

Von Constantin Härthe

Torsten Rudolph glaubt nicht daran, dass die Wirt- schaft den vielen unterschiedlichen Ansprüchen innerhalb der Diskussion um das Gemeinwohl ge- s gibt einen neuen Stern am Himmel in- nügen kann. Außerdem macht der Logistik-Dienst- flationärE gebrauchter Begriffe in der Wirtschaft. leister aus Baunatal unmissverständlich klar: „Wenn Neben den PR-Liebling Nachhaltigkeit gesellt sich der Erfolg eines Unternehmens nur daran gemessen zusehends ein genauso wohlklingendes wie schwer wird, wie viel Kindergärten es gesponsert hat oder zu fassendes Schlagwort: die Gemeinwohlorien- wie viele Bäume es gepflanzt hat, dann halte ich das tierung. Sie verheißt allumfassendes unternehme- definitiv für eine falsche Entwicklung“. Dennoch ist risches Engagement und bedient die Hoffnung auf Rudolph klar, dass Deutschland als wirtschaftlich wirtschaftliche und ökologisch-soziale Balance. Tat- starke Nation mit gutem Beispiel vorangehen muss, sächlich tut sich in Sachen Gemeinwohl einiges in „der Nachteil ist nur, dass wir uns in Deutschland der Wirtschaft. Kritische Stimmen befürchten indes eher zusätzlich geißeln als uns zu loben für das, was eine Überfrachtung von Unternehmen. Auf der Su- wir schon erreicht haben“. che nach konkreten Ansätzen in diesem Spanungs- Mit verbindlichen Vorgaben noch mehr zu errei- feld beschreiben hier Persönlichkeiten, die ihre ganz chen, lehnt Torsten Rudolph gänzlich ab: „Ich habe eigene Sicht auf das Gemeinwohl besitzen. keine Lust, mich als Unternehmen verpflichten zu lassen, dass ich das, was als zusätzliches Gemeinwohl Unternehmen bringen Menschen in Lohn und erzeugt werden soll, zu tragen habe. Ich möchte die Brot, sorgen für soziale Absicherung und finanzie- freie Entscheidung treffen, was ich fördere. Wenn ren Kommunen, Staat und ihre Leistungen. „Was ich der Meinung bin, ich fördere nichts, dann muss soll ich denn darüber hinaus noch zum Gemein- ich dazu auch das Recht haben. Das darf von der wohl beitragen?“, fragt sich Dr. Torsten Rudolph. Gesellschaft nicht abgewatscht werden.“ Der Geschäftsführer der Rudolph Logistik Gruppe, die 3.400 Mitarbeiter an 36 Standorten beschäf- Nicht überfordert mit den Appellen und Forde- tigt, sieht angesichts der engmaschigen Regularien rungen aus Gesellschaft und Politik hingegen fühlt für Unternehmen in Deutschland und Westeuropa sich Henrich Kleyboldt, Geschäftsführer des 700 keinen Handlungsbedarf. Sein Unternehmen trage Mitarbeiter starken Montagedienstleisters IFÜREL Sorge für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, EMSR-Technik GmbH & Co. KG aus Herne: „Ich zahle nach Tarif und in Ländern mit starkem Lohn- empfinde es nicht so, dass da etwas auf mich herein- kostengefälle wie Dubai und Ungarn überdurch- prasselt – da habe ich kein Problem mit. Ich glaube, schnittlich. dass es wichtig ist, sich mit den Auswirkungen des Zudem engagiert sich Rudolph in Afrika, indem eigenen unternehmerischen Handelns zu be­schäf­ er die Krankenversicherung aller Schülerinnen und tigen.“ Schüler in einer Schule in Kenia zahlt – schlachtet Er beschäftigte sich bereits als Jugendlicher mit den dies allerdings nicht für Werbezwecke aus: „Die- Ewigkeitskosten des Bergbaus. Letztlich gaben ihm jenigen, die das vermarkten und geschickt für sich seine Kunden jedoch den Anstoß, sich intensiver nutzen, weniger aus Gemeinwohlorientierung, als mit der unternehmerischen Verantwortung ausein- für sich das Geld rauszuziehen – das läuft in eine anderzusetzen, da sie ihn immer öfter aufforderten, falsche Richtung“. verschiedene Kodizes zu unterzeichnen.

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Er ließ sich als Folge daraus im Auft rag von acht Kunden auditieren, um für mehr Transparenz ge- meinwohlorientierten Aspekten gegenüber zu sor- gen. Musste er im ersten Jahr ein „niederschmet- WErTE terndes Ergebnis“ hinnehmen, zählt IFÜREL EMSR-Technik heute zu den sieben Prozent der besten Unternehmen des Sektors im Bereich Indus- triedienstleistungen. „Und das ist in erster Linie Transparenz“, so Kley- boldt. IFÜREL EMSR ist Mitglied im Global Compact der UN und entwickelte in den letzten drei Jahren sieben Kernthemen, die intensiv bear- beitet werden: Auch hier geht es um den fairen Um- gang mit allen Anspruchsberechtigten, aber auch um ökonomische Nachhaltigkeit, Arbeitsbedin- gungen, insbesondere die Arbeitssicherheit, sowie die von der Eigentümerseite her kommend, über 50 um Umweltschutz, Qualität und bürgerschaft liches bis 100 Jahre hinaus denken können und in diesem Engagement. Damit bringt auch Kleyboldt harte Zeitraum leistungsfähig überleben wollen, die ein betriebswirtschaft liche Faktoren und gemeinwohl- auskömmliches Geschäft smodell haben, denen die orientierte Aspekte zusammen. Preise nicht diktiert werden, weil sie die Stärke am Markt haben. … und er hat sogar ökonomisch Und wer mit einem solchen auskömmlichen Ge- schäft smodell arbeitet, der verdient genug. Der ver- etwas davon dient auch genug, um in Nachhaltigkeit, in Comp- liance und in CSR und in Bürokratie und sonstiges Dabei lässt sich ein Gefühl der Überforderung bei zu investieren. Der kann sich um die Nachbarschaft manchen Unternehmen durchaus nachvollziehen, kümmern und für die Welt etwas tun, der kann sich erklärt Professor Franz-Josef Radermacher, Präsi- klimaneutral stellen. Und damit tut er mit seinem dent des Senats der Wirtschaft und Vorstand des In- Geld viel Gutes. Und das Interessante ist, indem er stituts für anwendungsorientierte Wissensverarbei- das jetzt auch noch tut, weil er es tun kann, kriegt tung (FAW/n): „Wir haben in der Wirtschaft viele er eine positive Außenwirkung. Das heißt, er hat so- Unternehmen, insbesondere mittlere und kleine, gar ökonomisch etwas davon. Insofern wenden sich die kämpfen um das Überleben. Die sind teilweise solche Anliegen ‚Tue etwas für das Gemeinwohl‘ an fünft er Stelle in der Zuliefererkette, die werden zunächst immer an Akteure, die dazu überhaupt in ausgequetscht ohne Ende. Und die sagen ‚Wie soll der Lage sind. Und es ist wichtig, dass diejenigen, ich das alles leisten?‘. Für diese Leute habe ich größ- die freiwillig etwas tun können, es auch tun, damit tes Verständnis.“ andere auch sehen, was man alles tun kann.“

Diejenigen, die allerdings über ein prosperierendes Das sieht übrigens Torsten Rudolph von Rudolph Geschäft smodell verfügen sieht Radermacher in Logistic ebenso. Bei aller Kritik, ohne breite Öff ent- der Verantwortung: „Wir wissen natürlich auch, lichkeitarbeit hat Rudolph selber einige sehr verant- wer in der Ökonomie die stärkste Fähigkeit zur wortliche Eigenentscheidungen bereits getroff en Nachhaltigkeit hat. Und das sind Unternehmen, und umgesetzt. So investierte er zur Kompensati-

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Eigenes Tempo und eigene Dynamik

on der CO2-Emissionen seiner beachtlich großen dass wir vom Gemeinwohl selbst abhängig sind“. Lkw-Flotte eine größere sechsstellige Summe in Deshalb dürfe man nicht, so Helmut Lind, alles Regenwald. Also in umweltgerechten Wald, der real mitnehmen, was rechtlich möglich ist, sei es die

in der Lage ist, den CO2-Fußabdruck seines Unter- Ausschöpfung der Ressourcen oder die Ausbeutung nehmens auch wirklich auszugleichen. Also fahren von Arbeitnehmern. die Rudolph-Trucks klimaneutral über unsere Au- tobahnen – ganz selbstbestimmt. Dem Banker geht es um eine Balance aus wirt- Zumindest im Bereich der Selbstbestimmung liegt schaft licher Profi torientierung und gesellschaft lich- Torsten Rudolph, der ein proaktives Handeln der ökologischer Verantwortung, die sich aus dem Wirtschaft zur Vermeidung von praxisfernen Re- Unternehmenshandeln selbst ergibt: „Ich glaube, gulierungen vonseiten der Politik jedoch für grund- dass es auf alles übertragbar ist. Die Haupthürde ist sätzlich richtig hält, ein Stück weit auf einer Linie unsere eigene Überzeugung. Ich sage ja nicht, dass mit Helmut Lind, dem Vorstandsvorsitzenden der wir unsere alte Landkarte abgeben, sondern wir er- Sparda-Bank München. Lind gilt als Pionier der Ge- weitern unsere Landkarte. Auch weiterhin sind be- meinwohlorientierung in der Bankenbranche, die er triebswirtschaft liche Kennzahlen wichtig. Aber ich seit dem Jahr 2000 sukzessive zunächst persönlich denke, dass die nächsten Jahre uns noch viel mehr und anschließend unternehmerisch verfolgte. zeigen werden, dass all die Dinge, die wir ergänzend dazu machen, sich sehr wohl auch auf wirtschaft li- Neben Angeboten wie Stärke-Workshops und per- cher Ebene auszahlen.“ sönlichen Energiebilanzen, welche die Potenziale von Mitarbeitern auch menschlich fördern und ih- Mehr Vertrauen in die Branche nen aufzeigen sollen, was ihnen Energie raubt und was ihnen Energie verschafft – auch im Job –, hat bringen sein Haus eine Gemeinwohlbilanz eingeführt. Sie ergänzt gleichberechtigt Unternehmenszahlen um Helmut Lind hat dies bereits bewiesen. 2013 ver- insgesamt 385 Einzelpunkte rund um ökologisch- zeichnete die Sparda-Bank München ein doppelt soziale Belange, die regelmäßig geprüft und audi- so hohes Wachstum wie vergleichbare Geldhäuser, tiert werden. Sie konkretisieren den schwammigen „und diese anderen Banken fragen sich jetzt, warum Gemeinwohl-Begriff und wurden von allen direk- ist das so“, stellt Lind fest. Eine Entwicklung hin zu ten und indirekten Anspruchsgruppen des Unter- mehr Gemeinwohl erkennt Lind in seiner Branche nehmens wie Kunden, Mitarbeitern und Umwelt aber nicht: „Teilweise geht es sogar wieder zurück zu abgeleitet. altem Wirtschaft en, dass man Geschäft e macht, die unter Nachhaltigkeitskriterien eben nicht passend So vielfältig und komplex sich die Gemeinwohlori- sind. Dennoch stelle ich fest, dass auf einer anderen entierung bei der Sparda-Bank München heute dar- Ebene ein Umdenken passiert in Richtung mehr stellt, so deutlich weist Helmut Lind auf die Not- Werteorientierung. Natürlich mit dem Ziel, wieder wendigkeit individuell-selbstbestimmten Handelns mehr Vertrauen in die Branche zu bringen.“ hin: „Jedes Unternehmen hat sein eigenes Tempo, seine eigene Dynamik, seine eigenen Gesetzmäßig- Auch für die Sichtweise, dass die Politik mit ihren keiten. In der Hinsicht bin ich sehr für Flexibilität, Appellen an das Gemeinwohl der Wirtschaft auch für Wahlmöglichkeiten, dafür, sein eigenes Tempo ein Stück weit Verantwortung auf die Unternehmen zu bestimmen und nicht mit der Brechstange da abwälzt, hat Franz-Josef Radermacher Verständ- heranzugehen“. Was zählt, ist für Lind in erster Li- nis, denn „die Politik löst die globalen Probleme nie die authentische Absicht und die Sicht aus ei- nicht“. Würde diese für faire weltweite Rahmen- ner „ganzheitlichen Brille“: „Wir müssen verstehen, bedingungen sorgen, könnten Unternehmen, so

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Rader macher, tatsächlich ausschließlich an Profi t- Zukunft sfragen beitragen, sondern selbstverständ- maximierung denken. Möglich würden solche Rah- lich auch Politik und Verbraucher. Proaktiv voran- menbedingungen ihm zufolge jedoch nur durch ein schreitende Unternehmen sorgen indes schon heute Zusammenspiel der Starken: „Es sind immer die dafür, dass Kunden und Verbraucher gemeinwohl- Leistungsstarken: die starken Konsumenten, die orientierte Wahlalternativen haben und die Politik starken Brands, die starken Regierungen, Politiker, Impulse aus der Praxis bekommt. Länder und Staaten, die aus einer Position der Stär- Die kritische Perspektive ist jedoch ebenso wichtig. ke heraus imstande sind, das Richtige zu tun. Die- Sie zeigt auf, wo das Zusammenspiel der Anspruchs- se Koalition muss sich fi nden und ihre Spielräume gruppen hakt. Sich in dieses Spannungsfeld des Ge- nutzen.“ Es sind somit nicht nur gemeinwohlori- meinwohls hineinzubegeben, scheint allerdings aus- entierte Unternehmen, die zur Lösung drängender nahmsweise alternativlos.

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*Quelle: WIK-Enquête. www.vds.de

Eigentum verpfl ichtet.

Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Artikel 14(2) Grundgesetz

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Eine Initiative des Senats der Wirtschaft „Wir müssen sagen, was wir denken, müssen tun, was wir sagen, und müssen sein, was wir tun.“

Alfred Herrhausen

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Eine Initiative des Senats der Wirtschaft Wirtschaftswelt

„Dürfen Unternehmer nicht mehr ans Geldverdienen denken?“ –

zur Prämisse der Gemeinwohlorientierung der Wirtschaft

Fragen an den parlamentarischen Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel MdB

Stichworte wie Gemeinwohlorientie- rung, Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility finden seit eini- gen Jahren immer mehr Beachtung in Gesellschaft und Wirtschaft. Ein Unternehmen sollte heute nachhal- tig aufgestellt sein, seine Mitarbei- ter auch menschlich fördern, den Standort und die dortige Gesellschaft unterstützen sowie sich insgesamt ökologisch und sozial engagieren. Kann die breite Wirtschaft – also auch der kleine Mittelständler – die- sen Ansprüchen überhaupt genügen?

Dazu gibt es kein einfaches Ja oder Nein. Jeden- falls kann es eine sozial und ökologisch aufgestellte Marktwirtschaft besser als jede andere. Die Art und Weise der Umsetzung der genannten Anforderung ist ebenfalls abhängig von verschiedenen Faktoren, insbesondere der Größe des Betriebs. Klar ist: Längerfristig wird derjenige erfolgreicher sein, der die Entwicklung erkennt und sich daran ausrichtet. Zwischenzeitlich gibt es für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die verschiedensten Angebote der Begleitung auf diesem Weg, wie z. B. das Inqua-Programm des Bundesarbeitsministeri- ums. Viele deutsche Unternehmen – gerade auch kleine und mittelständische – übererfüllen schon heute gesetzliche und internationale Vorgaben in Bezug auf Arbeitsnormen sowie soziale und ökolo- gische Standards.

SENATE Seite 60 Wirtschaftswelt

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Klar ist auch: Die Entwicklungspoli- Sinn eines Unternehmens ist Gewinnerzielung. Wir tik braucht die KMUs mehr denn je verstehen unter Gemeinwohlorientierung von Un- und muss mit all ihren Akteuren und ternehmen die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, die sich aus dem Kerngeschäft ergibt, Maßnahmen auf sie zugehen. nachhaltig im Sinne der verschiedenen Dimensio- Daher überprüfen wir alle Dialogpro- nen ist und vor allem im eigenen Interesse des Un- zesse auf ihre Mittelstandsfreundlich- ternehmens liegt. keit.

Mittlerweile sind auch kritische Stim- In welchen Bereichen hat die Wirt- men zu vernehmen, die polemisch schaft aufgrund der stärkeren Fokus- danach fragen, ob ein Unterneh- sierung sozial-ökologischer Aspekte mer eigentlich auch mal „ans Geld bereits wichtige Ergebnisse erzielt? verdienen“ denken darf. Tatsächlich sorgt ein gesundes, Gewinn erwirt- Der Anteil an Fair-Trade-Produkten wächst stetig, schaftendes Unternehmen für Arbeits- was zeigt, dass sowohl bei den Anbietern und natür- plätze und somit unter anderem für lich auch bei den Nachfragern ein neues Bewusst- sein entstanden ist. Die Berücksichtigung von öko- Wohlstand und soziale Absicherung. logischen und sozialen Standards in internationalen Reicht dieser gesellschaftliche Beitrag bzw. globalen Wertschöpfungsketten rückt immer nicht? mehr in die öffentliche Diskussion, erfolgreiche Beispiele dafür sind die 4C-Initiative oder Cotton Nachhaltige Entwicklung meint schon etwas mehr. made in Africa. Die deutsche Entwicklungspolitik unterstützt da- her Unternehmen, die ihre Innovationskraft verant- wortlich nutzen. Wir bauen auf die Unternehmer, In welchen gesellschaftlichen, ökolo- die wissen, dass wir nicht mehr Ressourcen verbrau- gischen oder humanitären Bereichen chen können, als wir haben. Das gilt für die Finan- muss die Wirtschaft stärkere Anstren- zen in ihrem Betrieb, das gilt aber auch für das Um- feld und die Umwelt, in der sie wirtschaften, gerade gungen unternehmen? in Entwicklungsländern. Insgesamt sind die deutschen Unternehmen gut aufgestellt, was die Wahrnehmung von unterneh- Der Begriff Gemeinwohlorientierung merischer Verantwortung anbelangt. suggeriert, dass ein engagiertes Die Bereitschaft, hier noch mehr zu leisten, ist ein und nachhaltig positioniertes Unter- gemeinsames Vorhaben von Wirtschaft und Poli- tik; die Arbeit des Runden Tisches Textil, der auf nehmen eher aus Charity-Aspekten Initiative von Bundesminister Dr. Müller ins Leben handelt als aufgrund von unterneh- gerufen worden ist, zeigt dies und ist ein Erfolg ver- merischem Kalkül. Ist die Orientie- sprechender Ansatz, die verschiedenen Interessen rung am Gemeinwohl nicht auch aus abzustimmen und zu konkreten Verbesserungen für wirtschaftlicher Sicht wichtig für ein die Menschen in den Produktionsländern zu kom- men. Wir wollen immer mehr Unternehmen gewin- Unternehmen? nen, um sich gemeinsam zu beteiligen.

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Angesichts globaler Herausforderun- Natürlich steht bei Unternehmen generell der wirt- gen wie dem Klimawandel: Welche schaftliche Erfolg im Vordergrund. Der Staat hat Bedeutung kommt dem proaktiven dabei die Aufgabe, dort realistische Vorgaben zu Handeln der Wirtschaft zu? machen, wo die Interessen der Wirtschaft mit denen der Gesellschaft und des Staates nicht immer ohne weiteres übereinstimmen. Idealerweise findet die- Insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenlän- ser kontinuierliche Dialogprozess zwischen Staat, dern ist es oft die Wirtschaft, die sogar den Anstoß Wirtschaft und Zivilgesellschaft statt. Man sollte zu Verbesserungen zu mehr Nachhaltigkeit gibt. es ruhig aussprechen: Markt braucht auch Regeln. Das Ziel der Bundesregierung ist es, diese Unter- Beispiele wie Ausbeutung von Menschen, wie man nehmen dabei zu unterstützen und so vorbildhafte es in Bangladesch erlebt hat, sind unter keinen Um- Entwicklungen anzustoßen, die Nachahmer finden. ständen akzeptabel. Seitens der Politik wird dies vor allem durch die ver- schiedensten Leistungen der nationalen und inter- nationalen Förderbanken begleitet. Können oder müssen Politik und Unser Ziel ist, gerade die mittelständische Wirt- Wirtschaft zur Beantwortung gesell- schaft mit ihrem ganzen Erfindungsreichtum und schaftlicher und ökologischer Fragen ihrer Flexibilität noch stärker einzubeziehen. noch stärker ineinander greifen? Was kann die Wirtschaft dafür tun? Inwieweit ist die Politik vielleicht auch abhängig von einer zum Engagement Das Ziel sollte eine Kooperation und wo möglich bereiten Weltwirtschaft? auch eine Aufgabenteilung unter Nutzung der kom- parativen Stärken der jeweiligen Akteure sein. Die Wirtschaft zum Beispiel kann ihre Expertise und Die Politik musste in vielen Bereichen, insbesondere ihr Wissen in der Entwicklung neuer, nachhaltiger in Entwicklungs- und Schwellenländern, erkennen, Produkte, die unsere Umwelt schonen, einbringen. dass eine Entwicklung unabhängig von der Welt- Ich wiederhole nochmals: Das BMZ unterstützt wirtschaft in unserer modernen, vernetzten und im solche Initiativen mit der Wirtschaft – sowohl auf globalen Kontext handelnden Welt nicht möglich der Ebene von wirtschaftspolitischen Programmen ist. Hier ist es wichtig, dass Staaten international als auch in konkreten Projekten wie zum Beispiel kooperieren und gemeinsam Spielregeln für die der Zusammenarbeit mit Kirchner Solar in Uganda Wirtschaft festlegen. Dass dies nicht immer einfach über das develoPPP-Programm. ist, hat uns die internationale Finanzkrise deutlich Mein Tipp ist schlichtweg, sich im Internet zu in- gezeigt. formieren und die dort genannten Instrumentarien zu testen. Es gibt große Chancen: Gerade in Ent- wicklungs- und Schwellenländern fragt man inten- Muss die Politik die Wirtschaft zu siv nach deutschen Angeboten der Zusammenarbeit mehr Gemeinwohlorientierung im und bedauert recht deutlich, auf andere ausweichen Sinne der Einhaltung von verbindli- zu müssen. Die deutsche Wirtschaft wird auf der ganzen Welt chen Regularien noch mehr zwingen neben allem anderen auch in ihrer Vorreiterrolle – oder zeigt die Wirtschaft aus sich bei der Erfüllung von Sozial- und Umweltstandards heraus bereits genug Bereitschaft wahrgenommen. Wie das auch in einer globalen zur Lösung drängender globaler und Welt eingebracht wird, wird sich am Beispiel des gesellschaftlicher Gegenwartsfragen? geplanten Textilbündnisses mit mehr Transparenz entlang der Wertschöpfungsketten zeigen.

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