ZeitHaus Automobile Klassiker

BMW 328 – Es lebe der Sport 1936-1940

Automobile Meilensteine sind das Thema des ZeitHauses in der Autostadt – dies ungeachtet ihrer Herkunft. ZeitHaus-Philosophie ist es, Trendsetter zu präsentieren: Automobile, die Maßstäbe setzten und anderen Herstellern als Vorbild dienten, sei es technologisch, konzeptionell, im Design oder in der Produktionsweise. Zu diesen Meilensteinen zählt der BMW 328, der in den 30er Jahren Sportwagen- und Motorsport-Geschichte schrieb – und dessen Ruhm bis heute mitverantwortlich ist für das sportliche Image seines Herstellers.

Zwei ehemaligen Horch-Ingenieuren, Rudolf Schleicher und , verdanken die Bayerischen Motoren Werke den Beginn ihrer Sechszylinder-Tradition, deren ersten Höhepunkt zweifellos der Sportwagen 328 von 1936 markiert. Schleicher war vor seiner Horch-Zeit bereits bei BMW tätig, und zwar als Entwicklungschef der Motorradabteilung. Fiedler wiederum hatte 1930 bei Horch die Nachfolge Paul Daimlers als Chefkonstrukteur angetreten – ihm verdankte der Zwickauer Luxuswagen- Produzent der Auto Union solche technischen Perlen, wie den V-8-Motor des Horch-Typs 930V oder den V 12

des Typs 670, beide wie der BMW 328 im ZeitHaus der Autostadt präsent. Schleicher und Fiedler arbeiteten kongenial bei der Konstruktion des ersten BMW-Sechszylinders zusammen, der Anfang 1933 als Typ 303 mit nur 1,2 Liter Hubraum und 30 PS auf der Berliner Automobilausstellung seine Premiere feierte.

Schon der kleine BMW 303 entsprach in der technischen Grundkonzeption dem späteren Seriensieger 328. Beiden sind nicht nur die sechs Zylinder gemeinsam, sondern auch ein ähnlicher Stahlrohrrahmen, die vordere Schwingachse mit Querblattfeder und die hintere, relativ leichtgewichtige Starrachse mit Längsblattfedern. Die Motorenbasis für den 328 lieferte der 1936 vorgestellte, 50 PS starke BMW 326, bzw. die fünf PS stärkere Variante des eleganten Sportroadsters 319/1, beides 303-Weiterentwicklungen. Allerdings krönt deren Zweiliter-Sechszylindermotorblock im 328 ein im Ventiltrieb sehr komplexer Aluminium-Querstromzylinderkopf mit halbkugelförmigen Brennräumen und hängenden Ventilen in V- statt in Reihen-Anordnung. Werden die 328-Einlassventile wie beim 326 direkt über Stoßstangen und Kipphebel von der seitlich im Motorblock angeordneten Nockenwelle betätigt, so bedurfte der Antrieb der Auslassventile einer Hilfskonstruktion. Diese Ventilreihe wird im 328 über zusätzliche Kipphebel auf der Einlass-Kipphebelwelle und kurze, waagerecht quer durch den Zylinderkopf geführte Stoßstangen angesteuert.

Bei dieser komplexen Mimik handelt es sich um eine Notlösung zugunsten möglichst niedriger Kosten. Denn sie erlaubte es, den unveränderten Serienblock des 326 auch im 328 zu verwenden – und zugleich auf den Gebrauch zweier oben liegender Nockenwellen, wie bei V-förmig hängenden Ventilen gebräuchlich, zu verzichten. Äußerlich gleicht der 328-Motor dennoch einem 2-ohc-Triebwerk: Die Ansaugkanäle, gekrönt von drei Solex-Fallstromvergasern mit zierlichen Luftfiltern, führen zwischen den beiden Ventildeckeln von oben in den Zylinderkopf. Immerhin 30 PS Mehrleistung gegenüber der 326-Ausgangsbasis offerierte der 328-Sportmotor, gleich- bedeutend mit einer Literleistungsausbeute von rund 40 PS/Liter – ein Mitte der 30er Jahre im Serienwagenbau spektakulärer Wert, der es verkraften ließ, dass die Drehfreude des 328-Sechszylinders wegen der relativ schwergewichtigen Ventilsteuerung eher begrenzt ist.

Das Temperament des weniger als 800 Kilogramm wiegenden 328 wurde von Zeitgenossen gleichfalls als sensationell empfunden – und es begeistert noch heute. In Zeiten, als gut gehende Mittelklasse-Limousinen wie etwa ein BMW 326 knapp 120 km/h schnell waren, lief der 328 gut 150 km/h – nur wenig langsamer, als der Mercedes 500 K mit fünf Liter Hubraum und Kompressor. Auch wenn es um die negative Beschleunigung ging, setzte der zierliche BMW neue Maßstäbe: Dank großer Bremstrommeln mit 280 Millimeter Durchmesser und hydraulischer Betätigung ließ sich der 328 in einer Art und Weise verzögern, dass an Seilzugbremsen genormten Zeitgenossen Hören und Sehen verging.

Kein Wunder deshalb, dass schon der erste 328-Renneinsatz von Erfolg gekrönt war. Rudolf Schleicher, Versuchschef und -Rennleiter in Personalunion, meldete seinen neuen Sportwagen beim Eifelrennen im Juni 1936 zur Jungfernfahrt, pilotiert von seinem Motorrad-Starfahrer Ernst Henne. Im Ziel hatte Henne nach fünf Runden auf der Nordschleife des Nürburgrings die gesamte Konkurrenz weit hinter sich gelassen und auf den Zweiten, einen Kompressor-Alfa-Romeo, annähernd zweieinhalb Minuten Vorsprung herausgefahren – Durchschnittsgeschwindigkeit: 101,5 km/h.

Anfang 1937 startete BMW im Werk Eisenach die Serienproduktion des 328. Wer fortan in der Sportwagen-Klasse bis zwei Liter Hubraum siegen wollte, der musste in einem 328 antreten – kein Wunder, dass die Starterfelder im Deutschland der späten 30er Jahren in der Uniformität denen späterer Marken-Pokale glichen: BMW 328 soweit das Auge reichte. Der 328 profilierte sich in diesem Jahrzehnt zum erfolgreichsten Sportwagen seiner Klasse: Ob Tourist Trophy in Nordirland oder Großer Preis von Bukarest, ob bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps, den 24 Stunden von Le Mans oder bei der Mille Miglia – es gibt kaum ein großes Rennen jener Jahre, in dem ein 328 keinen Klassensieg einfuhr.

Nicht alle BMW 328 verließen indessen mit der puristischen, serienmäßigen -Karosserie das Werk Eisenach. Von den 464 in den Jahren 1936 bis 1940 gebauten 328 erhielten 59 Exemplare bei externen Karosserie-Denglern ihren Aufbau – so, wie das im ZeitHaus der Autostadt präsentierte Modell vom Jahrgang 1938. Diese Fahrgestell-Nummer 85185 wurde nach Fertigstellung von Chassis und Technik nach München überführt, um dort bei der Firma Karl Weinberger seine elegante Cabriolet-Karosserie zu erhalten. Weinberger hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg einen Namen als Karosserielieferant für die Berliner Protos-Werke gemacht. Viele Münchner Taxis der 20er Jahre rollten mit Weinberger-Aufbauten durch die bayerische Metropole. Aufsehen erregte Weinberger auch, als ihm 1932 ein Arzt den Auftrag erteilte, einen der wenigen gebauten Bugatti Royale einzukleiden.

Bei seinem 328-Entwurf gelang Weinberger eine attraktive Mischung aus Sportwagen und Luxuscabriolet. In der Linienführung der Karosserie lehnte er sich eng am Serien-Roadster an: Wie bei diesem haben die Kotflügel einen betörend eleganten Schwung, sind die Hinterräder durch Blecheinsätze in den Radausschnitten verkleidet, die Motorhaube durch Lederriemen gesichert und ist die Heckpartie mit der blechernen Reserveradabdeckung grazil auslaufend. Die Mittelpartie mit der Passagierkabine unterscheidet sich indessen wesentlich vom Roadster. Zwar sind auch beim ZeitHaus-Cabrio die Türen hinten angeschlagen, doch statt des tiefen, nach unten geführten Türausschnitts des Roadsters vollzieht die Gürtellinie beim Cabriolet zwischen Windschutzscheibe und hinteren Kotflügeln eine von der kontrastierenden Zweifarben-Lackierung zusätzlich betonte Gerade.

Während Roadster-Fahrer im Regenfall mühsam Türsteckscheiben montieren und aus Gestänge und Stoffplane ein Zelt bauen müssen, können Cabriolet-Insassen in kürzester Zeit ihr gefüttertes Dach nach vorn klappen, es mittels verchromter, außen liegender Bügel spannen und die Türscheiben per Kurbel nach oben befördern. Zudem gelang es Weinberger, den Innenraum des 328 trotz unveränderten Radstandes von 2,4 Metern nicht nur wohnlicher, sondern auch etwas geräumiger zu gestalten, als im kargen Serien-Roadster.

Kaum Unterschiede zum Roadster sind hingegen beim Cabrio-Fahren zu notieren. Der Zweiliter macht hier wie da mit seinem sonoren Klang und seinem energischen Zupacken süchtig. Die Hand- lichkeit des kompakten und leichten Sportwagens ist viel besser, als man dies bei einem über 70 Jahre alten Automobil erwarten würde. Dazu trägt nicht zuletzt die relativ leichtgängige und ausreichend präzise Lenkung bei – aber auch das sehr kompakte Format, die gute Übersichtlichkeit fördern die Leichtigkeit der Mobilität. So lässt sich dieser sympathische Sportwagen fast schon spielerisch in kurvige Landstraßen einfädeln, wo dank gut zu beherrschender Übersteuerungsneigung durchaus auch einmal das Gaspedal zur Unterstützung des Dirigierens zu Rate gezogen werden darf.

Es ist ein sportliches Spaßmobil, dieser alte BMW, und eines, das in jeder Fahrsituation seine rennsportlichen Gene spüren lässt, Gene, die den 328 auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg zur Ersten Wahl machten, wenn es um motorsportliche Erfolgserlebnisse ging. Tatsächlich war es dieser Sportwagen-Meilenstein, der maßgeblich mithalf, die deutsche Motorsportszene Ende der 40er Jahre, Anfang der 50er Jahre wiederzubeleben – in Gestalt des Originals genauso, wie in Form von Mutationen, von Weiterentwicklungen mit Namen Veritas oder AFM oder Holbein.

Auch dem 328-Motor sollte ein Leben nach dem (328-)Tode beschieden sein. Die britische Flugzeugfirma Bristol stieg 1947 mit Hilfe dieser Konstruktion und mit Unterstützung des BMW-Mannes Fritz Fiedler in die Automobilbranche ein und lieferte weiterentwickelte 328-Triebwerke zudem an die englischen Sportwagenbauer Frazer-Nash und AC. Erst 1964 entstand der letzte Serienwagen mit 328-Motor: Es war ein AC Ace Bristol, jener in der Philosophie dem 328 durchaus ähnliche Roadster, der seit 1962 parallel auch als AC Cobra Karriere machte. Obwohl mittlerweile bis zu 128 PS stark, bedeutete der Ford V 8 des Cobra für den Eisenacher Löwen das endgültige Aus – kein Wunder: Der US-Motor war im Hubraum mehr als doppelt so groß und übertraf ihn in der Leistung um solide 100 Prozent.

Hersteller: Bayerische Motoren Werke AG / Baujahr: 1938 Meilenstein BMW 328

Warum Meilenstein? Mit dem 328 schlug BMW 1936 ein neues Sportwagen- Kapitel auf: Der kompakte Zweiliter-Zweisitzer setzte Maßstäbe in Straßenlage, Handlichkeit und Tempera- ment. Mit Klasse statt Masse gab er auch doppelt so starken Sportwagen der Konkurrenz das Nachsehen.

Wann entstanden? 1936 vorgestellt wurde der 328 bis 1940 insgesamt 464-mal – überwiegend mit der Werks-Roadsterkarosserie – gebaut. Nur 59 Rahmen erhielten eine Spezialkarosserie wie der ZeitHaus-328, dessen Cabriolet-Aufbau 1938 bei Weinberger in München gefertigt wurde.

Wie erfolgreich? Zwar stellte der 328 keine Stückzahl-Rekorde auf. Dafür dominierte er seine Motorsport-Klasse derart, dass diese Rennen zu regelrechten Marken-Pokalen gerieten: Wer nicht 328 fuhr, der hatte von vornherein verloren. Auch bei der Mille Miglia tat sich der 328 hervor: Huschke von Hanstein/Walter Bäumer siegten damit 1940.

Welche Wirkung? Nach dem Zweiten Weltkrieg bis Mitte der 50er Jahre half der 328 und dessen Triebwerk bei der Renaissance des deutschen Motorsports. Bristol und AC in England vertrauten bei ihren Sportwagen bis Mitte der 60er Jahre auf die 328-Motorenkonstruktion.

Welche Daten? Reihen-Sechszylinder, 1971 cm3, 59 kW/80 PS, hinten Starrachse mit Längsblattfedern, vorn Einzelradaufhängung mit Querblattfeder, Höchstgeschwindigkeit 150 km/h; damaliger Neupreis: 7.400 RM.

Weitere Informationen finden Sie unter www.autostadt.de oder erhalten Sie direkt beim ZeitHaus-Team unter [email protected]

Fotonachweis: Autostadt