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WIRTSCHAFT

Stromkonzerne bereits vor den Risiken Spitze vorgestoßen; nur Bertelsmann der neuen Abfallpläne gewarnt. Wenn Verlage und der Axel Springer Verlag, die auch offenkundig würde, daß der Abfall-Fluß mit Zeitungen, Büchern und Fernsehen zum Rinnsal werde und Konrad noch verdienen, sind größer. Romanheft- jahrelang leer stünde, werde kein Rich- chen, Comics und TV-Beteiligungen ter den verordneten Sofortvollzug beim Sauberer runden das Sortiment ab (siehe Grafik). Bau des Lagers bestätigen. Doch die „Könige im Massenmarkt“, Die Beamten der nachgeordneten Be- wie Geschäftsführer Manfred Braun, hörde hätten auch ihre Chefin in Bonn Flop 42, die eigene Riege nennt, stoßen mit einweihen sollen. Mit dem Bekanntwer- ihren billigen, populistischen Blättern den des Strategiepapiers von Angela Deutschlands größter Zeitschriften- an Grenzen. Im Vergleich zu 1980, als Merkel ist Schacht Konrad juristisch verleger Bauer, spezialisiert auf Bauer beste Geschäfte machte, haben wieder ernsthaft bedroht. Zeitschriften wie TV Hören und Sehen Auch beim Bau neuer Reaktoren fällt Massenblätter, hat Pech beim Auf- (minus 11 Prozent), Fernsehwoche die Ministerin hinter die Position ihres stieg in den Edelmarkt. (minus 28 Prozent), Neue Revue (minus Vorgängers zurück. Gemeinsam be- 50 Prozent) und (minus 18 knien Merkel und Wirtschaftsminister Prozent) enorm an Auflage eingebüßt. Günter Rexrodt (FDP) deshalb die wi- m Streitgespräch mit seinen Verlags- Den Niedergang glichen die Bauer- derstrebenden Strom-Vorständler, end- managern greift Heinz Bauer, 55, Leute zwar mit Zwitter-Zeitschriften lich die „konkrete Option“, den Bau Igern mal ins Jackett. Dann kramt er aus, die sie aus bestehenden Objekten eines neuen Reaktors an einem be- einen Taschenrechner heraus und zählt heraus gründeten. Doch Werbemillio- stimmten Standort in fünf Jahren, zu- blitzschnell vor, daß der andere unmög- nen verheißen vor allem edle Magazine, zusagen. lich recht haben kann. die jüngere, gebildete und einkommens- Und damit die Kosten sich in Grenzen In letzter Zeit ist Bauers Freude am starke Leser erreichen. halten, kommt Angela Merkel den um- Zahlenspiel getrübt. Der größte deut- Bauer, der sich nach eigenem Bekun- worbenen Nuklear-Investoren bei den sche Zeitschriftenverlag (30 Titel, Um- den „in wechselnden Rollen als quasi Sicherheitsstandards gern entgegen. Nach Paragraph 7 des neuen Atomge- setzes können Reaktoren nur noch ge- nehmigt werden, wenn sich die Folgen einer Kernschmelz-Katastrophe wie Tschernobyl durch die neuartige Kon- struktion auf die Atomanlage begrenzen lassen. Die Anlage müsse so ausgelegt sein, hatten Töpfer und Schröder festge- legt, daß ein Kernschmelzunfall nur ein- mal in einer Million Jahren passieren dürfe und daß, wenn er doch eintritt, 99 von 100 Kernschmelzen ohne Opfer be- herrschbar sein müßten. Schon damals bemerkte Adolf Hüttl, Siemens-Vorstandsmitglied für Kern- kraftwerke: „Dann bauen wir nicht.“ Nun heißt es in Merkels Strategiepapier:

„Die Anforderungen an den Nachweis BAUER VERLAG dürfen nicht überspannt werden.“

Ganz nebenbei macht die Ministerin HEINRICH in ihrem Papier mit der Hanauer Brenn- Großverleger Bauer, Pleiteobjekt: „Dringend neue Impulse“ elemente-Fabrik eine weitere Nuklear- Investition von einer Milliarde Mark zur satz 1993: 2,87 Milliarden Mark) plagt Aufsichtsratsvorsitzender, Eigentümer Atomruine. Weil die EVU die Wieder- sich mit Flops und Pannen. und Vorstandsvorsitzender“ begreift, aufarbeitung wahrscheinlich künftig Nach nur drei Monaten mußte der hat seinem Konzern eine Roßkur ver- meiden und die verbrauchten Brennele- Hamburger Großverleger das Pro- ordnet. Andernfalls, fürchtet er, sei die mente direkt endlagern werden, fällt grammblatt TV pur einstellen – eine Eigenständigkeit des 120 Jahre alten Fa- längst nicht soviel Bombenstoff an wie Schlappe im Stammrevier des Konzerns, milienverlags in Gefahr. erwartet. „Die verbleibenden Plutoni- der Programmpresse. Ende 1993 kündigte Bauer auf einer ummengen“, resümiert die Atommini- Auch die Ende März lancierte Frau- Konzerntagung in Rastatt an, er wolle sterin, „reichen jedoch nicht mehr für enzeitschrift Yoyo, die mit dem Charme die „Verkrustungen in den Ablauf- und einen wirtschaftlichen Betrieb, so daß eines Ferienprospekts aufwartet, könnte Führungsstrukturen“ aufbrechen. Den ohnehin von einer Einstellung der Bau- ein ähnliches Schicksal ereilen. Die Sta- Managern hämmerte er ein, sie müß- arbeiten auszugehen ist.“ pel liegen wie Blei in den Regalen, be- ten „wegkommen von der Angestell- Dann ist, nach dem Hochtemperatur- richten Verlagsexperten. Und schließ- tenmentalität“. Viele Titel bräuchten reaktor, dem Schnellen Brüter in Kalkar lich verprellt Bauer vor allem die Wer- „dringend neue Impulse“, neue Ge- und der unvollendeten Wackersdorfer bekunden mit dem Hin und Her beim schäftsfelder müßten her. Wiederaufarbeitungsfabrik in Hanau Start des neuen Nachrichtenmagazins Bisher brachen Bauers Ausflüge in die vierte Milliardenpleite in der Atom- Ergo, der immer wieder vertagt wird. die Qualitätspresse, die zur Masse auch geschichte der Bundesrepublik zu be- Mit Fernsehzeitschriften, Illustrier- Klasse bringen sollen, meist schnell ab. sichtigen – kleinere Pannen wie Nieder- ten, Regenbogenblättern und Sex- Anspruchsvollere Neuschöpfungen wie aichbach oder Mülheim-Kärlich nicht Schriften war das Unternehmen in den Chancen, Esquire und Wiener gab er, gerechnet. Y sechziger und siebziger Jahren an die mangels Erfolg, auf. Nur die jugendli-

108 DER SPIEGEL 15/1995 che Programmzeitschrift TV Movie (Auflage: 2,4 Millio- nen) schaffte unter Chefre- dakteur Andreas Schmidt, HEINZHEINZ BAUERBAUER 34, den Sprung nach oben. Zeitschriften beteiligt zu 96 Prozent an* Seit vier Monaten aber at- tackiert Schmidt, der im Heinrich Bauer Verlag Krach schied, im Sold der Bertelsmann-Tochter Gruner Neue Post in Beteiligungs- in den USA: + Jahr, seinen alten Arbeit- Auto Zeitung Neue Revue unternehmen: geber. Schmidts ambitionier- Bella Playboy Blitz Illu Coupé tes Magazin TV Today (Auf- Bravo Praline Woman’s World lage: 800 000 Exemplare) Bravo Girl Selbst ist der Mann brachte Bauers Anteil am in Großbritannien: in Spanien: Bravo Sports Tina Bella TV plus TV-Pressemarkt um knapp TV Hören und Sehen Take a Break vier Punkte auf 49,5 Prozent Verschiedene Fernsehwoche TV Movie TV Quick herunter. Lizenzausgaben Bauers sprödes Gegenblatt Laura Wochenend in Frankreich: von Titeln wie TV pur erreichte selbst nach Mach mal Pause Wohnidee Bravo Girl Bravo oder Tina Änderungen gerade mal ein Maxi Maxi in Osteuropa Drittel der zum Überleben notwendigen 300 000 Käufer. „Wir haben einen sauberen 100% 50% 100% 100% Flop hingelegt“, meint Ver- Verlage Zeitung lagssprecher Roman Köster. Verlage Zeitung Geschätzter Verlust: rund 25 Annoncen Avis Verlagsunion Condor Magdeburger Millionen Mark. Verlag Pabel-Moewig Verlagsgruppe Volksstimme „Nicht jeder Setzling wird Offertenblätter 75% zum starken Baum“, tröstet Bussi Bär Lissy Denk Mit Mein Bekenntnis Radio/TV sich Bauer über solche Erleb- 50% Radio/TV 33,1% nisse hinweg. Nun zweifelt Mini Mein Geheimnis der Hobbypilot, der mit einer Revier Markt Schlüsselloch Mein Schicksal RTL 2 Offertenblätter Falcon-10 zwischen den Ver- Sexy Comics u.a. 50% TM3 (geplant) lagsstandorten hin- und her- Romanhefte Gold-Bärchi düst, sogar an seinem Lieb- Gloria Regenbogen 25% lingsprojekt: einem Wochen- Sesamstrasse Radio Hamburg magazin mit politischen Arti- Perry Rhodan Bazar Verlag Turtles keln, Hintergrundstücken Romanwoche Wien, MME 35% und TV-Programm. Produktionsfirma Es solle sich, hofft Bauer, Offertenblätter mit einer Auflage von rund *je zwei Prozent gehören den beiden Schwestern von Heinz Bauer 500 000 Exemplaren zwi- schen SPIEGEL und Focus setzen. Das neue Produkt könnte viel- aus Ergo eine „Newsweek für 80jährige“ gehört. Der Marketingmann (Spitzna- leicht auch Leser der einstigen Bauer- geworden, hämt ein Redakteur. me: „Onkel Alois“) pflegt seine Akten Illustrierten Quick ansprechen. Das Nur die Anzeigenleitung gewinnt der und einen Laptop in einem Einkaufswä- Blatt hatte der Verleger im August Zauderei des Verlegers etwas Positives gelchen hinter sich her zu führen. 1992, in einem einsamen Akt, einge- ab. Werbeagenturen stellt sie einen dik- Dagegen könnte sich, bei einem stellt. ken Bonus in Aussicht, falls Ergo erst Scheitern von Ergo, der dynamische Seit fast zwei Jahren basteln Bauer- nach dem 22. Mai erscheinen sollte. Für Druckereichef Klaus-Peter Petschat, 47, Journalisten an der Mixtur des neuen jede Woche Verzögerung gebe es bei ei- stellen, der zum Sprung in die Ge- Magazins, zunächst unter dem Deckna- nem Auftrag über mindestens fünf An- schäftsführung bereitsteht. Petschat hat men „TV Feuer“. Inzwischen hat das zeigen eine Gratisseite – Bezeichnung die zu groß geratenen Druckereige- Projekt (Bauer-Schmäh: „TV teuer“) der Verschenkaktion: „Pages & More“. schäfte des Verlags – Verlust für Bauer: rund 30 Millionen Mark verschlungen, Den menschenscheuen Konzernchef, 80 Millionen Mark – neu geordnet. wie ein Mitarbeiter schätzt. der gern auf Ehefrau Gudrun, 51, hört, Auch auf anderen Märkten hat der Den mehrfach verschobenen Start haben die Mißerfolge offenbar noch Verleger wenig Erfolg verbucht. Die des Edelmagazins, das nun Ergo heißen mißtrauischer als sonst gemacht. Kurz Ettlinger Maschinenbaufirma Elba, die soll, haben die Verlagsstrategen auf nach dem Flop mit TV pur mußte Ge- er gekauft hatte, mußte Vergleich an- Mitte Mai festgelegt – falls es sich der schäftsführer Manfred Bosse, 54, gehen melden. Von der unrentablen texani- Eigentümer, dessen endgültiges Plazet – angeblich, weil „die Chemie nicht schen Kaufhauskette Winn’s Stores fehlt, nicht doch noch anders überlegt. stimmte“, wie der Verlag verbreitet. In trennte er sich, in aller Stille, Ende Die ewige Warterei hat die Redakti- Wahrheit soll er neue Objekte schlecht 1993. Und vor einigen Monaten verab- on unter den Leitern Michael Gater- kalkuliert haben. schiedete sich Bauer von der Brillenpro- mann, 41, und Hartmut Volz, 49, zer- Nun steht Bauers Geschäftsführer duktion, die er bei Carrera Optic betrie- mürbt. Immer wieder fielen ihre Kon- Braun unter Druck. Er regiert den Kon- ben hatte. Die verlagsexternen Betäti- zepte bei Bauers Marktforscher Karl- zern mit Hilfe eines Trupps externer Be- gungen, resümiert Bauer, hätten sich Heinz Kehrmann durch. Nach den rater, zu dem etwa der frühere Vizevor- „als Fehlschlag erwiesen“. zahlreichen Befragungen in Gruppen- standsvorsitzende des Zigarettenkon- Da half auch der Taschenrechner tests, einer Spezialität des Hauses, sei zerns Reemtsma, Alois Spengler, 58, nicht. Y

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