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Eine künstliche Intelligenz stellt eine Die Zahnarzt­ Diagnose und ein Roboter behandelt den Patienten. Ist das die Zahnmedizin der praxis der Zukunft Zukunft? Sicher ist: Praxisinhaber müssen flexibel sein, aber alle Praxisformen haben ihren Platz im zunehmend digitalisierten Berufsumfeld.

Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Fotos: Tobias Hägi, SGI

Wie sieht die Zahnarztpraxis der Zukunft praktiker, der Universität und der For- holt und für zu wenig flexibel, um sich aus? Wie beeinflussen aktuelle Entwick- schung sowie von Industrie und Invest- längerfristig im Markt halten zu können. lungen den Markt in der Schweiz? Und mentgruppe. Sie beleuchteten die Situa- Prof. Rudolf Blankart von Sitem-Insel AG, wie wird sich der Beruf verändern? Diese tion der Schweizer Zahnmedizin aus dem neuen translationalen Forschungs- Fragen stellte die Schweizerische Gesell- verschiedenen Blickwinkeln. zentrum in , stimmte ihm zu. Viele schaft für orale Implantologie ins Zent- Zahnarztpraxen seien schlecht vorberei- rum einer öffentlichen Diskussionsveran- Ein Berufsbild im Wandel tet auf den Strukturwandel, meinte er. staltung in Bern. Auf dem Podium sassen Prof. Ivo Krejci von der Universität Genf Weil Einzelpraxen zu wenig Kapital in- jeweils ein Vertreter der SSO, der Privat- hält die Einzelpraxis tendenziell für über- vestieren können, schlössen sich immer

Von links: Ivo Krejci (Universität Genf), Rudolf Blankart (Sitem-Insel AG), Thomas Müller (Privatpraktiker), Jean-Philippe Haesler (SSO-Präsident), Daniel Fehr (Colosseum Dental Group), Daniel Recher (Straumann Group) und Moderatorin Christina Scheidegger

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gut ausgebildet, konterte er. Die Gruppe investiere sehr viel in die Ausbildung ih- rer Mitarbeiter, sie betreibe sogar eine eigene Academy. Das genüge nicht, ent- gegnete Jean-Philippe Haesler: «Ein junger Zahnarzt braucht nicht nur eine Ausbil- dung, sondern auch die Betreuung eines erfahrenen Zahnarztes.» Die Qualität der Patientenbetreuung stehe auch in Praxen einer Zahnarztkette im Mittelpunkt, beantwortete Fehr eine Frage aus dem Publikum. Dafür sorge bei seiner Gruppe ein Medical Board, das unabhängig entscheiden könne. Aber er fügte an: «Wir sind keine Non-Profit- Organisation. Die Qualität der Behand- lungen und die Finanzen müssen im Gleichgewicht stehen.» «Rund 60 Prozent der Zahnarztpraxen in der Schweiz sind Einzelpraxen», betonte SSO-Präsident Jean-Philippe Haesler (2. von rechts). Betriebswissenschaftliches Denken ist nötig Einen positiven Blickwinkel auf die ak- tuelle Situation hat Daniel Recher, Leiter mehr Praxen zu Gruppen oder Ketten zu- Möglichkeiten, jedoch: «Technologie ist der Abteilung Biomaterialien der Strau- sammen. teuer.» Viele Praxisinhaber würden Ge- mann Group und Inhaber einer Beratungs- Krejci sieht vor allem auch das Berufsbild räte allzu unkritisch kaufen. Jeder sollte firma. Er sei begeistert von neuen Tech- in einem Wandel. Einerseits entwickelt sich vor der Anschaffung fragen: Bringt nologien wie 3-D-Druck oder Telemedi- sich die Aufgabe des Zahnarztes laut Krejci das meiner Praxis einen Gewinn? Unter zin. Im der Digitalisierung werde der immer stärker zu einem Coaching, das Umständen könne es auch sinnvoll sein, Zahnarzt vermutlich einige Aufgaben an den Patienten ermächtigt, Zähne und ein Gerät mit Berufskollegen zusammen Maschinen oder Algorithmen abgeben und Mund eigenverantwortlich gesund zu zu nutzen. Müller ist aber überzeugt, dass sich auf andere Tätigkeitsfelder verlegen. halten. Andererseits sei es nur noch eine digitale Methoden nicht nur reichen Pa- Insofern werde sich das Berufsfeld verän- Frage der Zeit, bis künstliche Intelligenz tienten zugutekommen sollen. Durch dern. Von den Zahnarztpraxen verlange und Robotik wichtige Aufgaben des den Effizienzgewinn können sie letztlich diese Entwicklung eine entsprechende Zahnarztes übernehmen. «Die Forschung günstiger sein als herkömmliche Metho- Positionierung. Auch für eine Einzelpraxis, in diesem Bereich ist bereits weit fortge- den. die kaum digitale Behandlungsmethoden schritten. Alles wird automatisiert.» Noch liege die Verantwortung beim Zahnarzt. Aber sobald die entsprechen- den Algorithmen validiert seien, werden sie auch Verantwortung übernehmen. «Der Patient muss sich sicher sein,

Die Einzelpraxis hat Zukunft dass seine Bedürfnisse an oberster Für den SSO-Präsidenten Jean-Philippe Haesler hingegen ist klar, dass die Einzel- Stelle stehen und nicht die finanziellen praxis sehr wohl eine Zukunft hat. Er untermauerte seine Aussage mit der Sta- tistik: «Rund 60 Prozent der Zahnarzt- Interessen der Praxis.» praxen in der Schweiz sind Einzelpra- xen», betonte er. Unabhängig von der Organisationsform der Praxis sei es je- doch wichtig, dass das Patientenwohl im Ausbildung und Betreuung anwende, gebe es einen Markt. Zahnärzte Zentrum stehe. «Der Patient muss sich Daniel Fehr, CFO der Colosseum Dental müssen sich aber bewusst sein, dass ein sicher sein, dass seine Bedürfnisse für Group, die unter anderem die Zahnärzte- Minimum an betriebswissenschaftlichem den Behandler an oberster Stelle stehen kette Swiss Smile betreibt, verteidigte Denken nötig sei, um eine Praxis erfolg- und nicht die finanziellen Interessen der das Geschäftsmodell der Zahnarztgrup- reich zu führen. Praxis.» pen und -ketten. Er betonte, dass die Sicher sei, die Digitalisierung könne man Der andere Privatpraktiker in der Runde, Eigentümerin der Colosseum Dental nicht aufhalten, sagte Recher ab schlies- Thomas Müller aus Schaffhausen, verteidig- Group, die Jacobs Stiftung, nicht auf send. «Wir als Medizinfachpersonen sind te ebenfalls die Bedeutung der Einzelpra- schnellen Gewinn aus sei. Auf den Vor- verpflichtet, den Strom in die richtige xis. «Auch kleine Praxen können beste- wurf, junge Zahnärzte, die ihre erste Richtung zu lenken, sodass jeder Patient hen, aber sie müssen agil sein», meinte er. Stelle nach dem Studium in einer Zahn- von einer guten Versorgung profitieren Die Digitalisierung biete zwar spannende ärztekette annehmen, würden zu wenig kann.»

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Seit einigen Jahren investieren zunehmend branchenfremde Investoren in den Gesundheitssektor.

Ökonomische Prinzipien können unter Um­ Ökonomisierung ständen dem ärztlichen Berufsethos wider­ sprechen. Das wird insbesondere zum Pro- der Zahnmedizin blem, wenn branchenfremde Investoren im Gesundheitswesen auf schnelle Rendite hoffen. Die Berufsverbände beobachten die Entwicklung nicht ohne Sorge.

Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Foto: Keystone

Seit einigen Jahren investieren zuneh- Vorteile: Medizin und Zahnmedizin sind zugleich Eigentümer ihrer Praxis. Gleich- mend branchenfremde Investoren in den ein stabiles Geschäft. Wer Zahnschmerzen zeitig ist es ein lohnenswertes Umfeld. Gesundheitssektor. Wurden bis vor weni- hat, geht zum Zahnarzt, und zwar unab- Gemäss der «Handelszeitung» ist allein gen Jahren vor allem Kliniken und Spital- hängig von Konjunkturzyklen. der Markt der Zahnmedizin in Westeuro- gruppen aufgekauft, stehen nun immer Zudem bietet die Branche gute Wachs- pa fast 80 Milliarden Franken schwer. häufiger (zahn-)medizinische Praxen und tumschancen, weil sie extrem fragmen- Versorgungszentren im Fokus. In Zeiten tiert ist: Bis vor wenigen Jahren gab es Rendite auf Kosten der Patientensicherheit? von anhaltenden Niedrigzinsen bietet ein kaum grössere Zusammenschlüsse, die Kein Wunder fühlen sich Investoren an- solches Engagement einige ökonomische meisten Zahnärzte oder Hausärzte waren gesprochen. Verkäufer sind zumeist Pra-

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xisinhaber, die altershalber aus dem Beruf päischen Dentalketten. Aus Spanien und Nach Ansicht des bekannten deutschen aussteigen wollen. Die Käufer sind inter- aus Frankreich sind Fälle bekannt, in de- Medizinethikers Giovanni Maio ist ökono- national tätige Aktiengesellschaften und nen die angestellten Zahnärzte die gesetz- misches Denken im Gesundheitswesen zunehmend auch Private-Equity-Gesell- lich vorgeschriebenen Ruhepausen und eine Notwendigkeit und liegt auch im In- schaften (siehe Kasten). Aus den aufge- arbeitsfreien Zeiten nicht einhalten durf- teresse der Prämien- und Steuerzahler. kauften Einzelpraxen und Versorgungs- ten. Sie wurden unter Druck gesetzt, um Die Ökonomisierung der Medizin werde zentren werden Praxisketten gebildet, bestimmte klinische Ziele zu erreichen, dann zum Problem, wenn ihre Logik nicht die unter einem gemeinsamen Namen z. B. Quoten für gesetzte Implantate. Pa- nur auf Strukturen angewendet werde, am Markt auftreten. Einige beschäftigen tienten wurden durch aggressive Marke- sondern auf den Inhalt der Medizin selbst. mittlerweile bis zu 1000 Zahnärzte in tingkampagnen getäuscht. Nach der Denn die Logik der Ökonomie könne dem mehreren Ländern. Schliessung von Ketten aufgrund von ärztlichen Berufsethos widersprechen, Das Problem: Einige Private-Equity-Ge- finanziellem Fehlverhalten wurden sogar etwa wenn bestimmte Patienten nicht be- sellschaften verfolgen grosse Renditezie- Behandlungen – obwohl bereits bezahlt – handelt würden, um Kosten zu sparen. Die le. Sie wollen das Kaufobjekt reorganisie- nicht zu Ende geführt. Eine Untersuchung Aufgabe, eine unangemessene Übertra- ren, den Unternehmenswert so steigern der spanischen Zahnärztekammer über die gung des ökonomischen Denkens auf die und die Firma nach durchschnittlich fünf eingereichten Patientenbeschwerden Medizin zu verhindern, kann nur der Arzt oder sechs Jahren mit Gewinn weiterver- zeigte Erschreckendes: Rund die Hälfte übernehmen. Der Patient muss sich sicher kaufen. Dass bei diesem Vorgehen die Pa- aller Beschwerden zwischen 2013 und 2015 sein können, dass seine Bedürfnisse für tientensicherheit zu kurz kommen kann, stammte von Patienten von Dentalketten, den Behandler an oberster Stelle stehen. liegt auf der Hand. obwohl diese nur vier Prozent aller Zahn- arztpraxen in Spanien ausmachen. Ein neuer Eid für junge Ärzte Preisvorteile werden nicht immer In der Schweiz sind solche Verfehlungen Die Ärzte haben das Problem ebenfalls weitergegeben bisher noch nicht substanziiert belegt. erkannt und versuchen gegenzusteuern: Als Vorteile der Zentren und Ketten wird Die SSO befürchtet aber, dass manche Initiiert vom Institut «Dialog Ethik» und oft die effiziente Organisation genannt: Dentalketten, die einem branchenfrem- unterstützt von verschiedenen Ärztever- Zentren und Ketten lasteten Räume und den Investor gehören, unter Umständen bänden wurde ein neuer «Schweizer Geräte besser aus, schrieben Investitionen dominant nach ökonomischen Kriterien Eid» entwickelt, eine moderne Version schneller ab, und als Grossabnehmer han- und nicht zuerst im Interesse der Patien- der bisherigen Abwandlungen des hippo- delten sie beim Einkauf direkt mit den ten geführt werden könnten. Dies würde kratischen Eids, auf den sich Ärzte seit Dentalfirmen vorteilhafte Bedingungen klar den ethischen Grundsätzen der SSO der Antike beziehen. Neu geloben die aus. Allerdings werden diese Preisvorteile widersprechen. Ärzte unter anderem: «[Ich instrumenta- wohl nicht immer an die Patienten wei- lisiere die Patienten] weder zu Karriere- tergegeben. Zudem ist der Koordinations- Soll der Staat eingreifen? noch zu anderen Zwecken [...].» und aufwand in solch grossen Strukturen Der CED fordert Massnahmen, um dieser «Ich wahre meine Integrität und nehme nicht zu unterschätzen. verhängnisvollen Entwicklung im euro- im Besonderen für die Zu- und Überwei- Ein Nachteil für die Patienten sind die päischen Dentalmarkt entgegenzutreten. sung von Patientinnen und Patienten kei- möglicherweise wechselnden Behandler Unter anderem sollen in der EU nur Zahn- ne geldwerten Leistungen oder anders- in einem medizinischen Zentrum mit un- ärzte eine Dentalkette gründen und be- artigen Vorteile entgegen und gehe terschiedlichem Ausbildungshintergrund. treiben dürfen, und nur unter der Voraus- keinen Vertrag ein, der mich zu Leis- Unter solchen Umständen wird es dem setzung, dass sie selbst in diesem Betrieb tungsmengen oder -unterlassungen nö- Patienten schwerfallen, ein gefestigtes arbeiten werden. Stellt sich die Frage: tigt.» Im Sommer 2018 legten erstmals Vertrauensverhältnis zu seinem Arzt oder Ist staatliche Regulation tatsächlich eine 40 Ärzte des Kantonsspitals Freiburg den seinem Zahnarzt aufzubauen. sinnvolle Lösung in einem freiberufli- neuen Eid ab. Die Arbeitnehmer und vor allem die Ar- chen Umfeld wie der Zahnmedizin, in beitnehmerinnen profitieren von flexib- dem liberale Arbeitsbedingungen ge- Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Ko- leren Arbeitsbedingungen: Ketten bieten schätzt werden? Wo verläuft die Grenze operation zwischen SDJ und Politik+Patient, die Möglichkeit, angestellt und Teilzeit zwischen nötiger Ökonomisierung und der gesundheitspolitischen Zeitschrift des zu arbeiten und so das Berufs- und Fami- Verrat an der ärztlichen Verantwortung Verbands deutschschweizerischer Ärztege- lienleben besser zu vereinbaren. Das Risi- für das Patientenwohl? sellschaften. ko und der finanzielle Aufwand, die für die Gründung einer Einzelpraxis nötig sind, entfallen. Die Kehrseite der Me- daille: In manchen Fällen müssen die Ar- Private Equity beitnehmer rigid ausformulierte Verträge unterzeichnen, die sie unter anderem mit Private Equity ist eine Anlageform am Kapitalmarkt, wobei in Unternehmen investiert Umsatzvorgaben bei der Patientenbe- wird, die nicht an der Börse gehandelt werden. Kapitalgeber können private oder insti- handlung unter Druck setzen. tutionelle Anleger sein. Nach aussen sind weder Investitionen noch Investoren be- kannt, somit haften die Gesellschafter bei einem finanziellen Misserfolg nicht in voller Erschreckende Berichte aus der EU Höhe, und auch die soziale Kontrolle entfällt. Erkauft wird diese Anonymität durch Der CED, der Dachverband der europäi- hohe Gebühren für das Fondsmanagement sowie durch überproportionale Erfolgsbe- schen Zahnärzte, berichtete 2018 über un- teiligungen zugunsten der Fondsinitiatoren. ethische Praktiken in Betrieben von euro-

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KONGRESSE/FACHTAGUNGEN

Das Programm der 28. Jahrestagung der Herausforde­ Schweizerischen Gesellschaft für Endodon­ tologie (SSE) war vielversprechend: Erstklas- rungen in der sige Referenten aus dem In- und Ausland sprachen unter anderem über Wurzelresorp- Endodontologie tion, Paro-Endo-Läsionen und Flare-ups.

Text: Dr. med. dent. Corina Moser, Fotos: Dr. med. dent. Anja Lüssi

Die SSE widmete sich an ihrer Jahres- Flare-up, ätiologische Faktoren, anfällige apikale Parodontitiden. Betroffen sind tagung den «Challenges in Endo». Die Situationen und präventive Massnahmen. vor allem Unterkieferzähne bei (immun- Referentenliste präsentierte sich einmal Unter einem Flare-up versteht man das supprimierten) Patienten von über 50 Jah- mehr international mit Referenten aus Auftreten von Schwellung und/oder star- ren und tendenziell häufiger Frauen als der Schweiz, Deutschland, den USA, Ös- ken Schmerzen nach einer endodonto- Männer. Als präventive Massnahme ist das terreich, den Niederlanden und Belgien. logischen Behandlung, die sogenannte Separieren der Einflussfaktoren entschei- Nach einer kurzen Begrüssung durch den akute Exazerbation einer vorher asymp- dend, denn meistens ist das Zusammen- Präsidenten Dr. Reto Lauper übernahm so- tomatischen Pulpa. Je nach Definition ist spiel dieser Faktoren ausschlaggebend. gleich Dr. Thomas Connert das Wort und die Häufigkeit unterschiedlich, liegt aber Schmerzkontrolle kann durch okklusale begleitete die Zuhörer als Chairman etwa zwischen 2 und 5 Prozent. Als Ent- Reduktion, Schmerzmittel oder langan- durch den ersten Kongressmorgen. stehungsgrund diskutiert wird ein Zu- haltende Anästhesie erzielt werden. Anti- sammenspiel von mikrobiellen Faktoren biotikaeinnahme als Prävention zeigt kei- Das Phänomen Flare­up (symptomatische vs. asymptomatische ne Auswirkung. Die Vortragsreihe des ersten Morgens Zähne, periapikale Osteolyse vs. vitale wurde durch Dr. Adham A. Azim eröffnet, Fälle), Behandlungsfaktoren (Instrumen- Revision: ja oder nein? der extra für diesen Kongress die weite tierungslänge und -technik, Spülungs- Prof. Hagay Shemesh aus Amsterdam Reise aus Buffalo, New York, auf sich technik, single vs. multiple visit) und sprach in seinem Vortrag mit dem Titel genommen hat. In seinem Vortrag zum Wirtsfaktoren (Zahntyp, Geschlecht, «Retreat or not retreat?» über die Indika- Thema «Can we predict flare-ups in Alterung). Am empfänglichsten für ein tionsstellung für eine Revision. Ziel war endodontics?» standen vier Punkte im Flare-up sind Revisionsfälle und Pulpa- die Schaffung von Richtlinien zur Unter- Zentrum: Erklärung für das Phänomen nekrosen sowie kleine, symptomatische stützung des Praktikers in der Entschei- dungsfindung. Wichtig ist, dass beim Therapieentscheid immer der Patient und nicht der Zahn im Vordergrund steht. Der Behandler soll sich das Behandlungsziel vor Augen führen und sich fragen: «Was kann durch die Revision erreicht wer- den?» Auch sollen die Alternativen disku- tiert werden. Weitere wichtige Entschei- dungskriterien sind das Vorhandensein von Beschwerden sowie von apikalen Lä- sionen und die Qualität der Wurzelkanal- füllung sowie der koronalen Restauration. Anhand eines Entscheidungsbaumes hat der Referent die Entscheidungsregeln klar dargestellt.

Ursachen und Therapie von invasiven zervikalen Resorptionen Im Anschluss referierte Prof. Paul Lam- brechts aus Belgien über invasive zervikale Resorptionen. Diese können von wenig Dr. Adham A. Azim beim ersten seiner zwei Vorträge. bis stark invasiv in vier Kategorien unter-

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teilt werden. Der häufigste Ort des Auf- tretens sind obere zentrale Inzisiven, ge- folgt von oberen Eckzähnen und unteren Molaren. Mögliche Ursachen sind Trau- mata, z. B. Unfälle, sowie Nägelbeissen, Spielen von Blasinstrumenten oder beruf- liche Tätigkeiten. Weiter werden Tiefbiss, Hebelverletzungen durch Extraktionen von Nachbarzähnen, Kieferorthopädie und das Halten von Katzen (Übertragung des felinen Herpesvirus) diskutiert. Ver- mehrt sind auch Resorptionen bei Patien- ten beobachtet worden, bei denen es während der kieferorthopädischen Be- handlung zu einer Primärinfektion mit einem Virus kam. Hierzu ist jedoch in der Literatur noch keine Evidenz vorhanden. Die Therapie von einzelnen zervikalen Resorptionen soll, wenn möglich, zahn- erhaltend (Füllungen unter Aufklappung, Prof. Hagay Shemesh erklärte die Indikationen von Revisionen. Wurzelbehandlung) erfolgen. Die Thera- pie von multiplen zervikalen Resorptio- nen umfasst die Einstellung der Okklu- sion, Reinigung in Kombination mit der Gabe des Van-Winkelhoff-Cocktails und striktes, regelmässiges Monitoring. Der Vortrag wurde mit spannenden Fällen, schönen histologischen Schnittbildern und unterhaltsamen Videos ergänzt, die bei den Zuhörenden gut ankamen. Ein humorvolles Fazit rundete den Vortrag ab: Prof. Lambrechts forderte die Zuhören- den auf, sofort zu Hause anzurufen und die Katzen eliminieren zu lassen.

Paradigmenwechsel bei der Behandlung von internen Wurzelresorptionen Nach der Generalversammlung stellte Dr. Patrick Sequeira das Programm des Nachmittages vor. Prof. Karl Alois Ebelese- der aus Graz sprach, passend zum vorhe- Prof. Paul Lambrechts während seines Referats über zervikale Resorptionen.. rigen Referat, über das Thema interne Wurzelresorptionen. Die Prävalenz für interne Wurzelresorptionen liegt bei ca. 0,1 bis 1,6 Prozent, und rein histologisch liegt kein Unterschied zu anderen Wur- zelresorptionen vor. Der bisherige Thera- pieansatz war die Vitalamputation und folglich Wurzelbehandlung des betroffe- nen Zahnes. Im Rahmen eines Paradig- menwechsels entstand die «Therapie- methode nach Ebeleseder und Kqiku». Grundlage für diesen Paradigmenwechsel ist die Fortführung der Andreasen’schen Heilungslehre. Durch Ausschalten der Noxe differenzieren sich odontoblastische Stammzellen weiter zu Ersatzodontoblas- ten, was zur Ausfüllung des Defektes mit Tertiärdentin führt. Dies ist grundsätzlich derselbe Heilungsmodus wie beim apika- len Granulom, nur unter Beteiligung an- derer Stammzellen. Prof. Karl Alois Ebeleseder stellte die Therapiemethode nach Ebeleseder und Kqiku vor.

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Beginn seines 90-minütigen Referats stellte er die Buffalo-Studie vor: eine prospektive Studie, in der von 2015 bis 2019 an 99 Zähnen endodontische Mikro- chirurgie durchgeführt wurde. Die Zäh- ne wurden durchschnittlich während 18 Monaten anhand von DVT nachkon- trolliert, die Überlebensrate lag bei 94 Prozent. Weiter konnte gezeigt wer- den, dass kein signifikanter Unterschied vorliegt betreffend den Erfolg bei Zähnen mit guter bzw. schlechter Wurzelkanal- behandlung vor der Wurzelspitzenresek- tion. Die Ergebnisse seien so ausgefallen, weil dank den heutigen Instrumentarien die Möglichkeit existiere, eine lange re- trograde Wurzelfüllung durchzuführen, erklärte der Referent. Zwei weitere Kernpunkte des Vortrags Dr. Beat Suter sprach zum Thema präeruptive Resorptionen. waren die Verwendung von GBR-Mate- rialien bei WSR sowie die Entscheidung zwischen WSR oder Revision als Thera- pieansatz bei misslungener Wurzelbe- handlung. Bei Letzterem gilt es, primär die Qualität der koronalen Restauration und der vorhandenen Wurzelfüllung zu beurteilen und dann zu entscheiden, ob die Therapie der Wahl eine Revision oder eine WSR ist. Während der Pausen standen den Teil- nehmenden in der gut besetzten Dental- ausstellung diverse Partner aus der Den- talindustrie für Fragen und Auskünfte zu Neuigkeiten zur Verfügung. Den interes- santen ersten Kongresstag liessen die Kongressteilnehmer beim erstmalig durchgeführten Apéro und einer gelun- genen Get-together-Party ausklingen.

Präeruptive Resorptionen Dr. Martin Brüsehaber referierte über Perforationen. PD Dr. Klaus Neuhaus stellte am Samstag- morgen den ersten Redner des Tages, Dr. Beat Suter aus Bern, vor. In seinem Bei der Therapiemethode nach Ebeleseder moderierte KVG-Diskussion statt, wobei 45-minütigen Vortrag brachte er den und Kqiku wird in einem ersten Schritt verkündet wurde, dass die SSE über einen Zuhörenden das Thema der präeruptiven der Zahn trepaniert, wobei auf ein totes Antrag zur Änderung der Bestimmungen Resorption näher. Früher fälschlicher- Stück Pulpa geachtet werden soll. Es folgt betreffend Resorptionen im KVG-Altas weise oft als Fluorkaries bezeichnet, ist die Desinfektion des koronalen Teils mit nachdenkt. heute klar, dass dieser Befund nichts mit NaOCl während 15 Minuten. Eine Ca(OH)₂- der Diagnose Karies zu tun hat, sondern Einlage wird direkt auf das Granulom ap- Überlebensrate von Zähnen nach endodon­ zu den Klassen der Resorptionen gehört. pliziert. Der Zahn wird für drei Monate tischer Mikrochirurgie Der Zeitpunkt der Resorption ist, wie es dicht verschlossen. Dies wird zwei- bis Wadim Leontiev, Zahnarztassistent am der Name sagt, präeruptiv. Beim Zahn- viermal wiederholt, bis eine Verdichtung Universitären Zentrum für Zahnmedizin durchbruch reisst die Blutversorgung der der Läsion im Röntgenbild erkennbar ist. in , stellte im Rahmen der Kurzvor- Resorption ab und es kommt zur Nekrose. Zuletzt wird der Zahn mit MTA und einer träge seine In-vitro-Untersuchung zum Übrig bleibt gangränöses Material über dichten Füllung definitiv versorgt. Mit Thema «Trepanation obliterierter Front- hartem Dentin, was sich radiologisch als dieser Methode kann nicht nur die Re- zähne mittels Real Time Guided Endo- grosse, komplett radioluszente, intrako- sorption gestoppt, sondern auch die repa- dontics» vor. ronale Aufhellung präsentiert. rative Hartgewebsneubildung im resor- Dr. Adham A. Azim sprach in seinem zwei- Als nächster Referent sprach Dr. Martin bierten Bereich erzielt werden. ten, aber nicht minder interessanten Vor- Brüsehaber aus Hamburg über Diagnos- Im Anschluss an den Vortrag von Prof. trag über das Thema «Endontic micro- tik und Therapie bei Perforationen. Aus- Ebeleseder fand eine von Dr. Birgit Lehnert surgery managing fear factors». Zu schlaggebend für die Prognose ist die

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Lokalisation. Subkrestale und krestale nen und Potenzial. Viele Bakterien, die trauma. Durch den erweiterten Parodon- Perforationen werden wenn möglich im klinischen Alltag zu bekämpfen sind, talspalt entsteht ein Locus minoris resisten- konservierend oder prothetisch versorgt. können unter Umständen nicht detek- tiae. Man kann hypothetisch annehmen, Alternativ kann auch eine Elongation tiert werden. Die Verbesserung der Tech- dass dies als Ko-Destruktionsfaktor die oder chirurgische Kronenverlängerung in nologien soll im praktischen Alltag zu Parodontitis schneller voranschreiten Betracht gezogen werden. Apikale Perfo- besserem Verständnis von klinischen lässt. Therapie der Wahl ist die Schienung rationen werden wie ein zusätzliches Fo- Gegebenheiten, verbesserter Diagnostik mittels eines Retainers. Grundsätzlich ramen betrachtet und dementsprechend von Infektionen und zu Vorteilen in der gilt, dass primäre Endo-Läsio nen oft ganz therapiert. Die verschiedenen Therapie- Qualitätskontrolle von Instrumenten und ohne Parotherapie ausheilen. Hingegen möglichkeiten wurden durch diverse Materialien sowie in der Spültechnik füh- sind primäre Paro-Läsionen unvorherseh- Fallbeispiele bildlich veranschaulicht. ren. barer in ihrer Prognose und aufwändiger zu behandeln. Mikrobiota und Endodont Behandlung von Paro­Endo­Läsionen Prof. Serge Bouillaguet aus Genf verlieh den Im letzten Vortrag vor der Mittagspause Prothetische Lösungen bei Zahnverlust Zuhörenden einen Einblick in die Welt sprach Dr. Daniel Engler-Hamm aus Mün- im Jugendalter der Mikroorganismen. In seinem Vortrag chen über «Paro-Endo-Läsionen und Durch den letzten Kongressabschnitt am zum Thema «Mikrobiota und Endodont» Differentialdiagnosen zu schwerer Paro- Samstagnachmittag führte Dr. Monika Ma- thematisierte er unter anderem die Wich- dontitis». Eine wichtige Rolle bei Paro- rending Soltermann. Dr. Daniel S. Thoma aus tigkeit der Diagnostik, deren Limitatio- Endo-Läsio nen spielt das Okklusions- Zürich imponierte den Kongressteilneh- menden mit einem interessanten Vortrag zum Thema prothetische Lösungen beim frühzeitigen Zahnverlust im Jugendalter. Die Präsentation war unterteilt in zwei klinisch mögliche Situationen: Der zu er- setzende Zahn ist noch vorhanden, muss jedoch gezogen werden, oder er fehlt be- reits. In beiden Situationen ist eine mit- telfristig funktionelle und ästhetische, minimalinvasive Lösung inklusive Rege- neration des verlorenen Hart- und Weich- gewebes das Ziel. Muss der Zahn noch extrahiert werden, dann sind kamm- erhaltende Massnahmen sehr wichtig. Hierbei stellte die Ridge Preservation eine effektive Therapie zur Reduktion des Alveolarkammverlusts dar. Anhand von schön dokumentierten Patientenfällen zeigte der Referent, dass Klebebrücken eine gute Lösung für die dargestellte Pro- blematik sind. Dr. Daniel S. Thoma sprach über prothetische Lösungen beim frühzeitigen Zahnverlust. Dr. Juliane Erb aus Zürich rundete den zweiten Kongresstag mit ihrem Referat zum Thema «Endodontische Probleme im Wechselgebiss» ab. Ziel ist die Erhaltung des Milchzahnes bis zur physiologischen Exfoliation und die Erhaltung des bleiben- den Zahns bis Minimum zum Abschluss des Wachstums. Von entscheidender Be- deutung ist die richtige Indikationsstel- lung durch eine korrekte Schmerzanam- nese und eine suffiziente klinische und radiologische Diagnostik. Dabei sollten die Platzverhältnisse und der Stand der Wur- zelentwicklung mit einbezogen werden. Ebenfalls entscheidend für den Therapie- erfolg ist eine dichte koronale Rekonst- ruktion. Nach zwei interessanten Tagen wurde der Kongress mit der finalen Preisverleihung geschlossen. Der nächste SSE-Kongress findet im Januar 2021 in Bern statt. Unbe- Wie löst man endodontologische Probleme im Wechselgebiss? Dr. Juliane Erb. dingt vormerken!

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Die Referenten an der Jahrestagung der Klinisch – praktisch: Schweizerischen Vereinigung für Kinder­ nicht invasive und zahnmedizin (SVK) präsentierten klinische minimalinvasive Therapie Konzepte und praktische Tipps. Einige sorg- ten gar für hitzige Diskussionen im voll be- setzten Kongresssaal des Hotels Bellevue Palace in Bern.

Text und Fotos: Dr. med. dent. Caroline Moser

Nach dem Grusswort des SVK-Präsiden- masse. Schliesslich werden anhand von Mikromorphologie. Zusammengefasst ten Dr. Christoph Langerweger übernahm Matrizen die lateralen Wände gebaut und sind Restaurationen aus Komposit effi- sogleich der Chairman des Tages, Dr. Lau- das Ganze am Schluss mit einer weiteren zient, günstig und wenn nötig gut repa- rent Daeniker (Präsident der Fachkom- Schicht Schmelzmasse vestibulär abge- rierbar und somit gerade für junge Pa- mission), das Wort und präsentierte den schlossen. Die Politur erfolgt in vier tienten ideal. ersten Referenten: Schritten: Ausarbeitung der Proximal- Nach der Generalversammlung und dem Prof. Ivo Krejci aus Genf referierte über das flächen, dann Gestaltung des oralen und Standing Lunch informierte Dr. Thalia Ja- Thema neuartige Kariesdiagnostik und vestibulären Profils, Bearbeitung der line coby über das neue Projekt Fokus Kinder- sorgte für hitzige Diskussionen im Publi- angles und zum Schluss Einarbeitung der zahnmedizin. kum. Regelmässiges, lebenslanges Moni- toring soll zum Ziel haben, mögliche Pro- bleme auf einem subklinischen Niveau zu detektieren und diese danach non-inva- siv in ihrer Weiterentwicklung zu stop- pen. Bei der Aussage, dass Röntgenbilder und weitere konventionelle diagnosti- sche Mittel wie Sondierung und visuelle Beurteilung dafür unbrauchbar seien, verschlug es dem Grossteil der Anwesen- den den Atem. Die moderne Kariesdia- gnostik wird gemäss dem Referenten durch optische Vergrösserung, Transillu- mination und intraorale 3-D-Scanner repräsentiert.

Komposit: ideal für Kinderzähne PD Dr. Didier Dietschi, ebenfalls aus Genf, imponierte dem Publikum mit wunder- schönen Restaurationen aus Komposit, die er im Rahmen seines Vortrages zum Thema «Verwendung von Kompositen bei der Behandlung von Defekten und Traumata bei jungen Patienten» zeigte. Bei jungen Patienten ist die Verwendung von Komposit ideal. Es ist dynamisch, nicht invasiv und reparierbar. Anhand gut gemachter Videos zeigte er den Kon- gressteilnehmenden das Vorgehen bei Schichtung und Politur. Nach Applika- tion des Kofferdams wird zuerst mit dem massgefertigten Silikonschlüssel und ei- ner Schmelzmasse die orale Wand aufge- baut. Danach folgt eine Schicht Dentin- Prof. Ivo Krejci sprach über neuartige Karies- Restaurationen aus Komposit seien effizient, diagnostik, wobei konventionelle diagnostische günstig, wenn nötig gut reparierbar und somit masse, gefolgt von der Effektmasse und Mittel unbrauchbar seien. gerade für junge Patienten ideal, erklärte einer vestibulären Schicht Schmelz- PD Dr. Didier Dietschi in seinem Vortrag.

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Eine Brücke zwischen non­invasiven und invasiven Massnahmen Prof. Hendrik Meyer-Lückel sprach im ein- zigen deutschsprachigen Referat des Tages über Kariesinfiltration. Ziel ist es, dass der Patient vor seinen Zähnen stirbt. Durch das Hinauszögern der ers- ten invasiven Behandlung kann viel Zeit gewonnen werden. Der Vortrag thema- tisierte fünf Hauptpunkte: okklusale Versiegelungen, Entwicklung, Anwen- dung und Studienlage der approximalen Kariesinfiltration sowie die Infiltration bei ästhetisch relevanten white spots. Okklusale Versiegelungen von gesunden Fissuren mit erhöhtem Kariesrisiko sind im Vergleich zur non-invasiven Therapie zu ca. 70 Prozent wirksam betreffend die Verhinderung einer Kariesinitiation. Bei Zweifeln, ob die Karies bis ins erste Dentindrittel reichen könnte, ist eine «Ziel ist es, dass der Patient vor seinen Zähnen stirbt»: Prof. Hendrik Meyer-Lückel über die Karies infil- kleine okklusale Füllung wahrschein- tration. lich die bessere Wahl. Eine approximale Versiegelung ist technisch schwierig durchzuführen, hingegen kann durch eine approximale Kariesinfiltration die Kariesprogression fast vollständig ver- hindert werden. Das genaue Vorgehen bei einer approximalen Infiltration wurde anhand von klinischen Fällen demonstriert. Durch die Kariesinfiltra- tion kann für approximale Läsionen eine Brücke zwischen non-invasiven und invasiven Massnahmen geschlossen werden und sollte bei Caries progressiva superficialis eher als eine frühe Kompo- sitfüllung angewendet werden. Liegt jedoch bereits eine Kavitation vor, dann muss ganz konventionell gebohrt und gefüllt werden. Gute ästhetische Ergeb- nisse zeigt die Kariesinfiltration bei white spots. Auch leichte bis mittlere Fluoro- sen können erfolgreich behandelt wer- den. Limitationen sind hingegen bei Dr. Marwa Abdelaziz referierte über Diagnostik und Behandlung von Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation. Hypomineralisationen aufgrund Mola- ren-Inzisiven-Hypomineralisation oder Trauma zu erwarten. permanenten Molaren und von perma- die hohe Kariesanfälligkeit der Zähne nenten Inzisiven vor. Die Milchmola- und die schwierige Restaurierbarkeit. Diagnostik und Behandlung bei MIH ren-Hypomineralisation (MMH) ist sehr Die Behandlungsoptionen sind vielfältig. Mit dem Vortrag «MIH – Molaren-Inzi- ähnlich wie MIH und stellt einen prädi- Bei milden Fällen kann reine Prophylaxe siven-Hypomineralisation: Von der Dia- kativen Faktor für MIH dar. Die Geneva- (Fluoridierung, Versiegelungen) betrie- gnostik zur Behandlung» startete der MIH-Studie zeigt eine Prävalenz von ca. ben werden. Moderate Fälle werden nach Kongress in die Abschlussphase. Dr. Mar- 7,5 Prozent. Möglichkeit mit definitiven oder provi- wa Abdelaziz aus Genf führte die Zuhö- Die Ätiologie stellt noch immer ein Mys- sorischen Restaurationen versorgt. Bei rerinnen und Zuhörer in ihrem span- terium dar. Es werden verschiedene Ur- schweren Fällen ist das Ziel, Zeit bis zum nenden Referat von der Definition via sachen wie genetische Prädispositionen optimalen Extraktionszeitpunkt (Bildung Epidemiologie, Ätiologie, Klassifikation und Bisphenol A diskutiert, aber das Ge- der Tri- bzw. Bifurkation der 7er) mit und Diagnose zu den klinischen Heraus- schehen dürfte zweifelsohne multifakto- provisorischen oder definitiven Füllun- forderungen und Behandlungsmassnah- riell sein. Klinisch herausfordernd sind gen zu überbrücken. Im Zentrum stehen men. Per definitionem liegt bei MIH ein vor allem die Kooperation der Kinder, bei allen Fällen die Schmerzlinderung, qualitativer Schmelzdefekt systemischen die Überempfindlichkeiten und die da- die Wiederherstellung der Funktion und Ursprungs von mindestens einem bis vier mit verbundenen Anästhesieversager, das Senken des Kariesrisikos.

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UNINACHRICHTEN

Basel: Lehrstuhl für Oral Health and Medicine besetzt

Der neu geschaffene Lehrstuhl für Oral der orofazialen Diagnostik und oralen Medi- Health and Medicine am Universitären zin/Stomatologie. Besonders am Herzen Zentrum für Zahnmedizin Basel (UZB) ist liegt ihm interdisziplinäres Denken und seit Januar 2020 mit Prof. Dr. Michael Handeln in der Ausbildung, Forschung und Bornstein besetzt. Er war bisher als Pro- Patientenbehandlung. fessor für Oral and Maxillofacial Radiology Er ist Autor/Ko-Autor von über 160 Origi- und Associate Dean an der Faculty of Den- nalarbeiten ebenso wie von zahlreichen tistry der Universität Hong Kong (HKU) tä- Fallberichten, Übersichtsarbeiten und Buch- tig. Michael Bornstein begann 1998 seine kapiteln. Er ist zudem im Vorstand diverser akademische Karriere in Basel und wech- nationaler und internationaler Fachgesell- selte 2000 an die Universität Bern. Im Jahr schaften. Der SSOS und der SGDMFR stand 2016 erfolgte der Wechsel an die renom- er viele Jahre als Präsident vor. mierte Faculty of Dentistry in Hong Kong (von 2016 bis 2019 die Nummer 1 der Im Namen des Hauses und ganz persönlich zahnmedizinischen Universitätskliniken möchte ich Ihnen, lieber Herr Bornstein, zu gemäss QS-Ranking). dieser Ernennung ganz herzlich gratulieren Prof. Dr. Michael Bornstein Michael Bornstein ist Fachzahnarzt für und wünsche Ihnen viel Erfolg und Freunde Oralchirurgie und hat seine klinisch-wis- bei der Ausübung Ihrer neuen Tätigkeit an Text: Prof. Dr. Roland Weiger, Klinikdirektor senschaftliche Expertise auf dem Gebiet einem doch vertrauten Ort. UZB, Basel; Foto: zvg

Basel: Habilitation von PD Dr. Thomas Connert

Kurz vor Weihnachten des vergangenen Jah- Guided Endodontics im Zentrum. Für diese res gab es am Universitären Zentrum für Arbeiten erhielt er mit seiner Forschungs- Zahnmedizin Basel (UZB) ein ganz besonde- gruppe diverse wissenschaftliche Preise, res Geschenk. Dr. Thomas Connert wurde z. B. den Journal of Endodontics Award für die durch die Regenz der Universität Basel die beste Publikation im Bereich Basic Research/ Venia Docendi und der Titel des Privatdo- Technology des Jahres 2017. Zielstrebig ver- zenten verliehen. folgte PD Dr. Connert seine akademische PD Dr. Thomas Connert begann nach seinem Karriere, baute weitere Forschungsfelder auf, Staatsexamen an der Universität in Tübin- publizierte in hochrangigen Journalen und gen (D) seine universitäre Karriere an der Po- kann auf 30 PubMed-gelistete Publikationen liklinik für Zahnerhaltung seiner Alma Mater. zurückschauen. So war die Einreichung der Dort promovierte er im Bereich der Endo- Habilitation mit dem Titel «The benefits of dontologie und übernahm als Kursleiter des three-dimensional imaging in endodontics» Phantomkurses der Zahnerhaltungskunde ein naheliegender Schritt. und des Spezialkurses Endodontie Verant- In der Klinik für Zahnerhaltung im UZB fun- wortung im Bereich Lehre. Im Jahr 2012 er- giert Thomas Connert aktuell in leitender hielt er ein Forschungsstipendium, das ihn Funktion als Oberarzt. Er ist mit seiner en- PD Dr. Thomas Connert an die renommierte ACTA in Amsterdam (NL) dodontischen Kompetenz ein wichtiges Mit- führte und ihm ermöglichte, seine Expertise glied des Zahnunfallzentrums des UZB. Des In der Reihe der Basler Habilitanden in der im Bereich der endodontischen Mikrobiolo- Weiteren ist er Präsident des Wissenschaftli- Zahnerhaltung ist er der Erste, der seinen gie auszubauen. Im April 2013 wechselte chen Komitees und Mitglied des Vorstands wissenschaftlichen Fokus auf die Endodon- Thomas Connert als Oberarzt des Fachbe- der Schweizerischen Gesellschaft für Endo- tologie richtete. So freue ich mich auf die reichs Endodontologie in die Klinik für Zahn- dontologie (SSE). weitere Zusammenarbeit und die zukünfti- erhaltung nach Basel. Im Jahr 2015 folgte ein gen Projekte mit ihm. weiterer Forschungsaufenthalt an der Uni- Zur Habilitation möchte ich PD Dr. Thomas versität Würzburg (D); dort stand das Thema Connert von ganzem Herzen gratulieren. Text: Prof. Dr. Roland Weiger, Foto: zvg

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Am 20. März ist wieder der Welttag der Ein Versprechen Mundgesundheit «World Oral Health Day». Menschen auf der ganzen Welt versprechen, für die zu ihrer Mundgesundheit Sorge zu tragen. Mundgesundheit

Text: Regula Sandi/Andrea Renggli, Presse- und Informations- dienst SSO; Grafik: zvg

Ziel der jährlichen Aktion zum «World chen ein Bewusstsein für den Zusam- Patientengruppen bereit (v. a. Englisch, Oral Health Day» (WOHD) ist es, Er- menhang zwischen Zahnpflege und Französisch und Spanisch), das Zahn- wachsene und Kinder für den positiven allgemeinem Wohlbefinden zu schaffen. ärzte oder Dentalprofis verwenden Effekt einer optimalen Mundgesundheit Dazu kann online auf www.worldoral- dürfen. auf den ganzen Körper und das allgemei- healthday.org ein Visual mit einem indi- ne Wohlbefinden zu sensibilisieren. Der viduellen Statement kreiert und danach Seit über zehn Jahren WOHD – eine Initiative der World Dental auf verschiedenen Kanälen publiziert Der Welttag der Mundgesundheit wurde Federation (FDI) – ist die grösste globale werden. Unter dem Hashtag #Unitefor- erstmals 2007 ausgerufen. Ursprünglich Kampagne dieser Art. mouthhealth sind bereits Hunderte sol- wurde er am 12.September – dem Ge- cher Beiträge aufgeschaltet. burtsdatum des FDI-Gründers Dr.Charles Das Wissen um die Mundgesundheit Alle sind aufgerufen, am WOHD teil- Godon – gefeiert. Die Kampagne wurde verbreiten zunehmen, Aktionen durchzuführen jedoch erst 2013 vollständig aktiviert. Das Der Aktionstag steht immer unter einem und das Wissen um die Bedeutung eines Datum wurde auf den 20.März gelegt, um bestimmten Motto. Dieses Jahr werden gesunden Mundes weitherum bekannt Konflikte mit dem im September stattfin- Zahnärzte, Dentalprofis, Patienten und zu machen. Auf der Website des WOHD denden FDI-Weltzahnärztekongress zu die breite Öffentlichkeit dazu aufgefor- steht Kampagnenmaterial wie Poster vermeiden. dert, mit einem persönlichen Verspre- und Faktenblätter für verschiedene

Auf www.worldoral- healthday.org steht SAY Informationsmate- rial für Zahnärzte zur Verfügung. SAGEN SIE GEMEINSAM FÜR WORLD ORAL MUNDGESUNDHEIT HEALTH DAY 2020 We lt 20 mundgesundhei Mä rz tsta g GENERAL PUBLIC BROCHURE

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ONLINE

Die Diagnose Medizin App kombiniert Smartphone­ Telemedizin mit künstlicher Intelligenz. Sie kann aber einen Arztbesuch sicher Apps für Zahn­ nicht ersetzen, sondern nur ergänzend ärztinnen und verwendet werden. Zahnärzte Text und Bilder: Prof. Andreas Filippi

Die Themen Telemedizin, virtuelle Rea- Dafür wählt man eines der aktuell ver- lität (VR) und künstliche Intelligenz (KI) fügbaren Themengebiete aus (Abb.1). haben bereits deutlich sichtbar Einzug in Es folgt der genannte juristische Warn- die Medizin und in die Zahnmedizin ge- hinweis und dann geht es los: Viele Fra- halten. Dieser Fortschritt ist kaum mehr gen werden gestellt zum Geschlecht, aufzuhalten. Er wird unseren Praxis- zum Alter, zu Erkrankungen, die bereits alltag in den nächsten fünf bis zehn Jah- in der Familie vorhanden sind, zum Body ren in zunehmendem Masse bestimmen, Mass Index, zu Rauchgewohnheiten, auch jenen unserer Patientinnen und zum Taillenumfang, über die Häufigkeit Patienten. Zudem wird er die Ausbil- von Sport pro Woche, über aktuell be- dung von Studierenden sowie die Fort- kannte Blutwerte, über regelmässige und Weiterbildung beeinflussen. Medikamenteneinnahme bis zu ernäh- rungsassoziierten Aspekten (Abb. 2 Teil 68 – Diagnose Medizin App bis 10). Die App bekommt somit einen Diagnose Medizin App (mal wieder eine Eindruck von der Grundkonstitution grauenhafte Übersetzung aus dem Eng- und der allgemeinmedizinischen Ge- lischen) ist ein weiterer Schritt in die samtsituation. Also ähnlich, wie wir es Richtung, Telemedizin mit künstlicher in der Praxis mit einem allgemeinen Intelligenz zu kombinieren. Eine ähnli- Anamnesebogen handhaben. che App (ada) wurde in dieser Kolumne Innerhalb der App kann auch das Risiko, bereits vorgestellt (Teil 57). bestimmte Erkrankungen zu bekom- Laut Angaben der Hersteller ist Diagnose men, evaluiert werden. Die App ist ins- Medizin App speziell für Menschen ohne gesamt instruktiv und optisch anspre- medizinisches Fachwissen entwickelt chend gemacht. Die wissenschaftliche worden, um anhand angegebener Sym- Evidenz dahinter kann auch anhand des ptome eine Verdachtsdiagnose zu stel- Impressums nicht kontrolliert werden. len. Diese soll für das gegebenenfalls fol- Daher kann dies immer nur eine mögli- gende Arzt-Patienten-Gespräch bessere che Vorbereitung für einen tatsächlichen Voraussetzungen liefern. Wie in ähnli- Arztbesuch sein. Der Umfang der zu chen Apps findet sich auch hier der Hin- Verfügung stehenden Symptome, Be- weis, dass die App eine Konsultation funde und Diagnosen ist deutlich aus- Abb. 1: Diagnose Medizin App: Startbildschirm beim Arzt nicht ersetzen kann, jedoch baufähig. ergänzend zum Arztbesuch verwendet Die App ist noch kostenfrei und kann so werden soll. zumindest einmal getestet werden. An Die App ist so aufgebaut, dass im Rah- ada kommt sie jedoch noch lange nicht men eines virtuellen Arzt-Patienten- heran. Gesprächs Fragen über Symptome oder Prädispositionen gestellt werden, die Literatur entsprechend beantwortet werden kön- Filippi A: iPhone- und iPad-Apps für Zahnärzte, nen. Das ist schön und einfach gemacht. Quintessenz-Verlag (2013).

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Abb. 2: Diagnose Medizin App: Diverse Fragen, um den Patienten besser ein- schätzen zu können: Geschlecht, …

Abb. 3: Diagnose Medizin App: … Alter, … Abb. 4: Diagnose Medizin App: … Fälle von Diabetes in der Familie, …

Abb. 5: Diagnose Medizin App: … Body Mass Index, … Abb. 6: Diagnose Medizin App: … Taillenumfang, …

Abb. 7: Diagnose Medizin App: … Nikotinkonsum, … Abb. 8: Diagnose Medizin App: … Sport pro Woche, …

Abb. 9: Diagnose Medizin App: ... aktuelle Blutfettwerte … Abb. 10: Diagnose Medizin App: … bis hin zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit.

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Two randomized clinical studies tested SSO Research whether or not one of two membranes is superior for peri­implant­guided bone re­ Fund generation in terms of clinical and histologic outcomes after six months and three years.

Randomized clinical study tion measured 3.46 mm (±0.52) (RES) and with guided bone regeneration (GBR) assessing two membranes for 2.82 mm (±0.50) (N-RES) (p = 0.004). The using either a resorbable (RES) or a tita- guided bone regeneration of mean loss in horizontal thickness from nium-reinforced non-resorbable mem- peri­implant bone defects. baseline to re-entry measured 2.23 mm brane (N-RES) and demineralized bovine Clinical and histological out­ (SD ±1.21) (RES) and 0.14 mm (±0.79) bone mineral. Volumetric and linear as comes at 6 months (N-RES) (p = 0.017). The horizontal well as clinical and radiographic mea- Nadja Naenni, David Schneider, Ronald changes in thickness at the implant surements were performed at crown in- E. Jung, Jürg Hüsler, Christoph H. F. Häm- shoulder level were statistically signifi- sertion (baseline), at one year (FU-1) and merle, Daniel S. Thoma cant between the groups (p = 0.0001). three years (FU-3). Statistics were per- Clinic of Fixed and Removable Prosthodon- formed by means of parametric and tics and Dental Material Science, University Conclusions non-parametric tests. of Zurich, Zurich, Both treatment modalities were clinically Published in: Clin Oral Impl Res 28: effective in regenerating bone as demon- Results 1309–1317 (2017). doi: 10.1111/clr.12977 strated by a similar horizontal thickness Minor, but ongoing buccal volume loss and vertical defect fill at six months. The was observed in both groups during the Purpose N-RES group exhibited significantly less 3-year follow-up. A slightly higher vol- To test whether or not one out of two horizontal bone thickness reduction from ume loss was observed in group RES membranes is superior for peri-implant baseline to follow-up. (-0.22 mm) compared to N-RES guided bone regeneration in terms of (-0.14 mm) at one year (FU-1), but clinical and histologic outcomes. aligned at three years (FU-3) RES (-0.30 mm) N-RES (-0.32 mm). All Materials and Methods Randomized controlled clinical changes over time were statistically sig- In 27 patients, 27 two-piece dental im- study assessing two membranes nificantly different within (p< 0.05), but plants were placed in single-tooth gaps for guided bone regeneration not between the groups (p > 0.05). Stable in the aesthetic area. Buccal dehiscence of peri­implant bone defects: median interproximal bone levels after and/or fenestration-type defects were 3­year results 3 years (FU-3); 0.26 mm (0.04; 0.36) regenerated using demineralized bovine Tobias Basler, Nadja Naenni, David Schnei- (RES) and 0.14 mm (0.08; 0.20) (N-RES) bone mineral (DBBM) and randomly cov- der, Christoph H. F. Hämmerle, Ronald and healthy tissues (BOP, PD) were ob- ered with either a resorbable membrane E. Jung, Daniel S. Thoma tained with both membranes. (RES) or a titanium-reinforced non-re- Clinic of Fixed and Removable Prosthodon- sorbable membrane (N-RES). Clinical tics and Dental Material Science, University Conclusions measurements included vertical defect of Zurich, Zurich, Switzerland Both treatment modalities resulted in mi- resolution and the horizontal thickness Published in: Clin Oral Impl Res 29: 499–507 nor, but ongoing contour changes of the of regenerated bone at implant place- (2018). doi: 10.1111/clr.13147 peri-implant tissues. Stable interproximal ment and at 6 months. Statistics were bone levels and healthy tissues can be ob- performed by means of non-parametric Objectives tained with membranes up to 3 years. testing. To assess two- and three-dimensional changes of the peri-implant tissues as Results well as clinical, biological and radiological The remaining mean vertical defect mea- outcomes of implants having been treated sured 4.00 mm (±2.07) (RES) and 2.36 mm with resorbable or non-resorbable mem- These studies were supported by the Re- (±2.09) (N-RES) (p = 0.044) at baseline branes at three years. search Fund of the Swiss Dental Association and 0.77 mm (±0.85) (RES) and 0.21 mm SSO (grant number 252-10). The SSO sup- (±0.80) (N-RES) (p = 0.021) at re-entry. Materials and methods ports and promotes dental research. To fi- This translated into a defect resolution of Twenty-three patients were re-examined nance scientific projects, it has maintained a 85% (RES) and 90.7% (N-RES) (p = 0.10). after having received a single-tooth im- fund since 1955 that receives CHF 125 000 The horizontal thickness after augmenta- plant in the aesthetic zone in conjunction annually from SSO members’ contributions.

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Wissenschaft in Kürze

Cannabiskonsum erhöht die die Ergebnisse so stark beeinflusste, 3 Mol-% Yttriumoxid und trägt oft den Parodontitisrisiko dass sie die gepoolte Bewertung verän- Namen 3Y-TZP (3 Mol-% yttriumoxid- derte. Hinsichtlich der Qualitätsbewer- stabilisiertes tetragonales polykristallines Chisini L A, Cademartori M G, Francia A et al.: tung wiesen alle Studien eine hohe Qua- Zirkonoxid). Dennoch weisen 3Y-TZP- Is the use of Cannabis associated with lität auf. Restaurationen eine relativ schlechte periodontitis? A systematic review and Transluzenz auf, und es ist häufig eine meta­analysis. J Periodontal Res 2019; 54: Schlussfolgerungen Verblendung mit einer Glaskeramik not- 311-317. Die Ergebnisse der systematischen Über- wendig, obwohl in den letzten Jahren prüfung und der Metaanalysen zeigen, Verbesserungen erzielt wurden. Um das Basierend auf der Tatsache, dass Tabak- dass der Cannabiskonsum mit einer hö- frühzeitige Absplittern von Verblend- rauch hauptsächlich aufgrund der Ab- heren Prävalenz von Parodontitis ver- keramik in zweischichtigen Restaura- nahme der Sauerstoffversorgung wegen bunden ist. Darüber hinaus unterstrei- tionssystemen zu vermeiden und eine der durch das Nikotin verursachten Ge- chen die Resultate, dass die Gesund- weniger invasive Präparation von Zahn- fässverengung des Gewebes ein bekann- heitsbehörden in der Pflicht sind, die hartsubstanz durch adhäsive Befestigung ter Risikofaktor für Parodontitis ist, ha- Bedeutung des Cannabiskonsums für die mit lichthärtenden Kompositzementen ben jüngste Studien gezeigt, dass es auch Entwicklung von Parodontalerkrankun- zu ermöglichen, geht der Trend eindeutig eine biologische Plausibilität für eine gen zu erkennen, und dass es Aufgabe in Richtung monolithischer Keramik- mögliche Relation zwischen Parodon- der Gesundheitspolitik ist, die Verbrei- restaurationen, was den Bedarf an hoch- talerkrankung und Cannabiskonsum tung von Cannabis sowie die Folgen des transparenter Zirkonoxidkeramik erhöht. gibt. übermässigen Konsums zu kontrollieren. Die robusteste Methode zur Verbesserung Ziel der vorliegenden Studie war es, zu Dr. med. dent. Alessandro Devigus, Bülach der Transluzenz von yttriumoxidhaltigen untersuchen, ob der Konsum von Can- Zirkonoxidkeramiken besteht darin, den nabis mit Parodontitis verbunden ist. Dieser Artikel erschien erstmals in Quint- Yttriumoxidgehalt durch die Einführung In den medizinischen Datenbanken essenz 70 (10): 1233 (2019) von optisch isotroperem kubischem Pubmed, Scopus, ISI-Web of Science, Phasenzirkonoxid und weniger doppel- BVS Virtual Health Library und Scielo brechendem tetragonalem Zirkonoxid wurde eine elektronische Recherche zu erhöhen und gleichzeitig die Licht- ohne Einschränkungen durchgeführt. Hochtransluzentes Zirkonoxid streuung durch Sekundärphasen wie Die Suche erfolgte mit relevanten ist verschleissfest und antago- Alu mi nium oxid partikel und Porositäten Schlüsselwörtern unter Berücksichti- nistenfreundlich zu minimieren. Zirkonoxidkeramiken, gung der Struktur jeder Datenbank. die mit höheren Yttriumoxidgehalten wie Längs- und Querschnittstudien, die den 4 oder 5 Mol-% stabilisiert sind, werden Zusammenhang zwischen Cannabiskon- Zhang F, Spies B C, Vleugels J et al.: daher seit Kurzem von Dentalherstellern sum und Parodontalerkrankungen un- High­ translucent yttria­stabilized zirco­ eingesetzt. tersuchten, wurden aufgenommen. Es nia ceramics are wear­resistant and Das Ziel der vorliegenden In-vitro-Studie erfolgten Metaanalysen und eine Sensi- antagonist­friendly. Dent Mater 2019; bestand darin, den Zweikörperverschleiss tivitätsanalyse. Die erste Suche ergab 35: 1776-1790. von drei mit 3, 4 bzw. 5 Mol-% yttrium- 143 Datensätze, und fünf Artikel wurden oxid sta bi li sier ten Zirkonoxidkeramiken in die systematische Übersicht aufge- Die hervorragenden mechanischen Ei- zu bewerten und ihr Verschleissverhalten nommen, davon vier in der Metaanalyse. genschaften und die Biokompatibilität mit dem einer Lithiumdisilikat-Glaskera- Insgesamt wurden 13 491 Personen ein- von Zirkonoxid haben in Verbindung mit mik zu vergleichen. 16 rechteckige Pro- bezogen, von denen 49,5 Prozent Män- den Fortschritten der CAD/CAM-Tech- ben aus den drei Sorten Zirkonoxidkera- ner waren. Drei der eingeschlossenen nologie dazu geführt, dass dieses Material mik und einer Lithiumdisilikat-Glaskera- Studien untersuchten den Zusammen- als Werkstoff für Zahnersatz immer be- mik wurden in einem Kausimulator (2 kg hang zwischen Cannabis und parodon- liebter wird. Zirkonoxid kann bei Raum- vertikale Last, 2,1 Hz) unter Wasser bei taler Erkrankung bei Erwachsenen, und temperatur durch Legieren mit ver- 90 °C für 1,2 × 106 Zyklen (ca. 7 Tage) im die anderen beiden wurden bei Jugendli- schiedenen Additiven (meta)stabilisiert Ball-on-Plate-Modus gegen Steatit-Ant- chen durchgeführt. werden, und das Härten in der Phase der agonisten poliert und dynamisch belastet. Es wurde ein positiver Zusammenhang Umwandlung, welches zu einer verbes- Vor und nach der Verschleissprüfung er- zwischen Cannabiskonsum und Paro- serten Festigkeit führt, hängt von der Art folgten Messungen der Oberflächenrau- dontitis (RR 1, 12, 95%-Konfidenzinter- und Menge des Stabilisators ab. Konven- heit. Verschleissspuren wurden mit ei- vall [1,06-1,19]) mit einer Heterogenität tionelles zahnärztliches Zirkonoxid wird nem berührungslosen 3-D-Profilometer von 19,0 Prozent beobachtet. Die Analy- üblicherweise als «hochfest» bezeichnet gescannt und mittels Überlagerungen der se der Sensibilität zeigte, dass keine Stu- (~ 1000 MPa), enthält im Allgemeinen Verschleissverluste der Antagonisten be-

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stimmt. Die Abbildung der Verschleissflä- prospektive, retrospektive und rando- Anzeichen und Symptomen einer irre- chen erfolgte mittels Rasterelektronen- misierte klinische Studien zur Untersu- versiblen Pulpitis hin, basieren jedoch mikroskopie. Die Röntgendiffraktometrie chung der koronalen Pulpotomie oder auf heterogenen Studien mit hohem Bias- und die Mikro-Raman-Spektroskopie zum Vergleich der Pulpotomie mit der Risiko. Gut konzipierte, ausreichend leis- wurden eingesetzt, um die Phasenum- Wurzelkanalbehandlung bei reifen blei- tungsfähige randomisierte kontrollierte wandlung und den Spannungszustand in benden kariösen Zähnen mit Anzeichen Studien sind erforderlich, um Verände- den abgenutzten und nicht abgenutzten und Symptomen, die auf eine irreversible rungen der klinischen Praxis herbeizu- Bereichen der Zirkonoxidkeramik zu cha- Pulpitis hinwiesen. führen. rakterisieren. Acht Artikel wurden für die Analyse aus- Unabhängig von der Bruchzähigkeit, Fes- gewählt. Die durchschnittliche Erfolgsra- Schlussfolgerungen tigkeit und Alterungsanfälligkeit zeigten te bei der koronalen Pulpotomie betrug Die Behandlung von kariösen Zähnen mit die drei Zirkonoxidkeramiken einen ver- nach 12 Monaten 97,4 Prozent (klinisch) irreversibler Pulpitis ist traditionell inva- gleichbaren, begrenzten Verschleiss und bzw. 95,4 Prozent (röntgenologisch). siv, aber die Ergebnisse der vorliegenden waren verschleissfester als die Lithiumdi- Nach 36 Monaten verringerte sich die Übersichtsarbeit deuten darauf hin, dass silikat-Glaskeramik. Bei allen untersuch- Rate auf 93,97 Prozent (klinisch) bzw. die Behandlung mit weniger invasiven ten Zirkonoxidkeramiken wurde ein ab- 88,39 Prozent (röntgenologisch). Die Er- Methoden wie der koronalen Pulpotomie rasiver Verschleiss ohne offensichtliche gebnisse der einzigen vergleichenden kli- möglicherweise erfolgreich ist und in Risse beobachtet, während die Glaskera- nischen Studie zeigten, dass die Pulpoto- Therapiekonzepte eingebaut werden mik mit einer niedrigeren Ermüdungs- mie nach 12, 24 und 60 Monaten ähnlich kann. schwelle und einer hohen Anfälligkeit für erfolgreich wie die Wurzelkanalbehand- Dr. med. dent. Alessandro Devigus, Bülach Oberflächenauflösung einen signifikan- lung ist. ten Abrasions-, Ermüdungs- und Korros- Die Resultate deuten auf eine hohe Er- Dieser Artikel erschien erstmals in Quint- ionsverschleiss aufwies. Alle drei Zirko- folgsrate der Pulpotomie bei Zähnen mit essenz 70 (11): 1351 (2019) noxidkeramiken zeigten einen geringeren Antagonistenverschleiss als die Glaskera- mik, und es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen ihnen festgestellt. Dr. med. dent. Alessandro Devigus, Bülach

Dieser Artikel erschien erstmals in Quint- essenz 71 (1): 96-97 (2020)

Vitalamputation bei kariösen Zähnen mit irreversibler Pulpitis

Cushley S, Duncan H F, Lappin M J et al.: Pulp otomy for mature carious teeth with symptoms of irreversible pulpitis: A system­ atic review. J Dent 2019; 88: 103158.

Karies bei bleibenden Zähnen stellt die weltweit häufigste Krankheit dar. Unbe- handelte Karies kann schwere Entzün- dungen in der Pulpa verursachen, wel- che zu Schmerzen, Pulpanekrosen und Abszessbildungen führen. Ziel dieser systematischen Übersicht war es, festzu- stellen, ob die koronale Pulpotomie bei der Behandlung kariöser Zähne mit An- WIR FLETSCHEN zeichen und Symptomen, die auf eine ir- FÜR SIE DIE ZÄHNE. reversible Pulpitis hinweisen, klinisch wirksam ist. Dentakont – Ihr Partner für Folgende Quellen wurden bis Dezember professionelles Zahnärzte Factoring. 2018 durchsucht: Medline, Pubmed, Em- base, Web of Science, Cochrane Central Dentakont AG Breitistrasse 6 Register of Controlled Trials, International 5610 Wohlen Entlasten Sie sich, Telefon 056 622 98 00 Clinical Trials Registry Platform und Cli- rufen Sie uns an. www.dentakont.ch nicaltrials.gov. Eingeschlossen wurden

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