VG München, Urteil v. 12.02.2019 – M 21 K 18.2268

Titel: Kein Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Beförderung, Vorrang des Primärschutzes

Normenketten: GG Art. 3 Abs. 3, Art. 6, Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2, Art. 34 BGB § 254 Abs. 2 S. 1, § 839 Abs. 3 SG § 3, § 31 SLV § 5a Abs. 3 Nr. 4, § 18, § 44, § 48 Abs. 2

Leitsatz: Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unterlassener Beförderung scheidet aus, wenn der Beamte untätig zugewartet hat anstatt Prmärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen und über einen gerichtlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO sein Beförderungsbegehren zu verfolgen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte: Kein Schadensersatzanspruch einer Soldatin wegen unterbliebener Beförderung, Vorrang des Primärrechtsschutzes, Berufssoldatin, Laufbahn, Ernennung, Dienstposten, Elternzeit, Initiativbewerbung

Rechtsmittelinstanz: VGH München, Beschluss vom 06.08.2019 – 6 ZB 19.584

Fundstelle: BeckRS 2019, 17769

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1 Die 1966 geborene Klägerin, Mutter zweier Kinder, steht als Berufssoldatin, Dienstgrad (A9), im Dienst der Beklagten.

2 Sie wurde am 1. Januar 1991 als Zusatzunteroffizieranwärterin in die Laufbahn der Unteroffiziere des Sanitätsdienstes der eingestellt. Am 16. Januar 1992 erfolgte ihre Ernennung zum , am 1. Oktober 1993 die Beförderung zum . Mit Wechsel in die Laufbahn der des Sanitätsdienstes und der Beförderung zum Feldwebel am 17. Januar 1995 erhielt die Klägerin am 12. Juli 1996 den Status einer Berufssoldatin. Am 20. Januar 1997 wurde die Klägerin zum befördert, am 11. Januar 2000 zum sowie am 21. Februar 2017 zum Stabsfeldwebel. Derzeit besetzt sie einen Dienstposten als Fachwirt für ambulante medizinische Versorgung im Sanitätsunterstützungszentrum München.

3 Mit Schreiben vom 20. März 2017 beantragte die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten, besoldungs- und laufbahnrechtlich so gestellt zu werden, als wäre sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt, mithin zum 17. Januar 2011, zum Stabsfeldwebel befördert worden. Eine Begründung erfolgte nicht.

4 Mit Bescheid vom 18. Dezember 2017 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe die Beförderungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Denn gemäß Nr. 236 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-1340/49 gelte eine Dienstzeitvoraussetzung von 16 Jahren seit Ernennung zum Feldwebel, davon mindestens drei Jahre seit Ernennung zum Hauptfeldwebel. Darüber hinaus müsse die Klägerin gemäß Nr. 217 ZDv A-1340/49 grundsätzlich mindestens ein volles Jahr in ihrem Dienstgrad Dienst geleistet haben, bevor sie befördert werden dürfe. Dieses Jahr müsse abgelaufen sein, selbst wenn die nach Nr. 236 ZDv A-1340/49 vorausgesetzte Mindestdienstzeit insgesamt erfüllt sei.

5 Diese zeitliche Mindestvoraussetzung zur Beförderung zum Stabsfeldwebel habe die Klägerin, insbesondere unter Beachtung der zu diesem Zeitpunkt gültigen Gesetze, Verordnungen und Vorschriften zur Anrechenbarkeit von Eltern- und Betreuungsurlaub als Dienstzeit, erst zum 25. Juli 2015 erreicht, da die Klägerin sich insgesamt 1.534 Tage in Elternzeit und Betreuungsurlaub befunden habe. Aufgrund der am 26. Juli 2017 in Kraft getretenen Änderungen der bisherigen Verfahrensweise bei der Berücksichtigung und Anerkennung von Elternzeit und Betreuungsurlaub als Dienstzeiten - 4. Verordnung zur Änderung der Soldatenlaufbahnverordnung (SLV) - seien nunmehr alle in Elternzeit und Betreuungsurlaub verbrachten Tage auf die Mindestdienstzeit für eine künftige Beförderung anzurechnen. Die Beförderung der Klägerin zum Stabsfeldwebel sei bereits vor dieser Stichtagsregelung, nämlich zum 21. Februar 2017, erfolgt und somit nicht zu berücksichtigen.

6 Des Weiteren habe sich die Klägerin aufgrund ihrer Eignung, Leistung und Befähigung im Vergleich mit anderen Soldaten nicht für eine Beförderung durchsetzen können, da sie einen für die Beförderung relevanten Punktsummensummenwert (PSW) von 224,00, der unter dem PSW anderer Bewerber liege, erreicht habe.

7 Mit Schreiben vom 11. Januar 2018 erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Beschwerde gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2017. Zur Begründung trug sie vor, die Ablehnung des Antrags vom 20. März 2017 verstoße gegen Art. 3 und Art. 6 GG. In den am 26. Juli 2017 in Kraft getretenen Änderungen der SLV sei keine für die Klägerin nachteilige Stichtagsregelung zu erkennen.

8 Mit Beschwerdebescheid vom 19. April 2018 wies die Beklagte die Beschwerde zurück. Zur Begründung wurde das bisherige Vorbringen wiederholt. Ergänzend wurde ausgeführt, gegen die Rechtmäßigkeit dieser Stichtagsregelung bestünden keine Bedenken, insbesondere verfolge die Regelung den Zweck, Ungleichbehandlungen und Willkür zu verhindern und ein einheitliches Verfahren bei der Anrechnung von Elternzeit bereitzustellen. Ein Verstoß gegen Grundrechte, insbesondere Art. 3 und Art. 6 GG, sei nicht ersichtlich.

9 In diesem Zusammenhang stellte die Beklagte fest, die Schadlossumme der zu zahlenden Bezüge (ohne Zulagen und Familienzuschläge) für den Zeitraum vom 17. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2016 betrage 12.426,93 Euro.

10 Hiergegen erhob die Klägerin am 14. Mai 2018 durch ihre Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte zuletzt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Dezember 2017 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 19. April 2018 zu verpflichten, die Klägerin laufbahn- und besoldungsrechtlich so zu stellen, als wäre sie bereits zum 17. Januar 2011 zum Stabsfeldwebel und zum 17. Januar 2013 zum befördert worden und den sich ergebenden Betrag seit Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

11 Zur Begründung wiederholte sie das bisherige Vorbringen. Ergänzend trug sie vor, die maßgebliche Vorschrift des § 5 Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 SLV (in der Fassung vor der Gesetzesänderung zum 26. Juli 2017) bzw. § 5a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SLV (in der Fassung nach der Gesetzesänderung zum 26. Juli 2017) verstoße gegen 12 Art. 3 Abs. 3 GG sowie den Entgeltgleichheitsgrundsatz von Frauen und Männern bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit (Art. 157 Abs. 1 AEUV). Hierzu verwies die Klägerin auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20. Februar 2018 (Az.: 7 K 6063/16).

13 Der Klägerin sei nicht vorzuwerfen, dass sie sich nicht aktiv auf einen Beförderungsposten beworben habe. Eine Initiativbewerbung sei für eine Beförderung nicht erforderlich, da die Bundeswehr für die jeweiligen Beförderungsrunden sog. Beförderungs- und Einweisungsreihenfolgen festlege und hierbei alle beförderungsreifen und - aufgrund der letzten Regelbeurteilung in Betracht kommenden - Soldaten zu berücksichtigen habe. Indem die Beklagte bereits im Vorfeld zu den Beförderungsreihen in den Jahren 2011 und 2013 die Eltern- und Betreuungszeiten der Klägerin nicht berücksichtigt habe, habe sie ihre Pflicht aus Art. 33 Absatz 2 GG verletzt. Die Beklagte habe die Rechtsverstöße auch zu vertreten, da die für die Auswahlentscheidung verantwortlichen Beamten der Beklagten hätten erkennen können, dass die Nichtberücksichtigung der Eltern- und Betreuungszeiten der Klägerin auf sachfremden Erwägungen beruhe und höchstrichterlicher Rechtsprechung, wie zum Beispiel einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Februar 2002 - 2 A 7.09, widerspreche.

14 Die festgestellte Schadlossumme sei der Höhe nach unrichtig, denn sie berücksichtige zum einen nicht die Beförderung zum Oberstabsfeldwebel und zum anderen seien die Differenzbeträge wesentlich höher als in der Berechnung angegeben. In der Zeit von 2011 und 2012 sei der Klägerin ein monatlicher Schaden in Höhe von 258,57 Euro und in der Zeit von 2013 bis 2018 ein monatlicher Schaden in Höhe von 422,02 Euro entstanden. Die Schadlossumme belaufe sich somit auf insgesamt 31.526,88 Euro.

15 Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

16 Zur Begründung wurde das bisherige Vorbringen wiederholt. Ergänzend trug die Beklagte vor, dass eine personelle Maßnahme unter Anwendung der für den Betrachtungszeitpunkt maßgebenden einschlägigen Gesetze, Verordnungen und Vorschriften zu erfolgen habe. Maßgebend für die Beförderung von Soldaten seien zum einen die Eignungs- und Leistungsgrundsätze des § 3 des Soldatengesetzes (SG) und zum anderen die Bestimmungen der Soldatenlaufbahnverordnung. So werde beispielsweise die Mindestdienstzeit für die Beförderung der Feldwebel in § 18 SLV festgelegt. Zudem räume § 44 SLV ein, nach besonderen Erfordernissen in den Laufbahnen, Truppengattungen und Dienstzweigen innerhalb der in der SLV bestimmten Mindest- und Höchstaltersgrenzen andere Altersgrenzen festzusetzen und über die Mindestanforderungen an die Dienstzeit hinauszugehen. Auf Basis dieser Ermächtigung seien besondere Vorgaben für die Beförderung, Einweisung, Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldaten in der ZDv A-1340/49 festgelegt worden.

17 Jede Beförderung setze eine bestimmte Mindestdienstzeit und/oder bestimmte Bewährungszeit im bisherigen Dienstgrad voraus, die als zeitliche Voraussetzungen für die Beförderungen gelte. Hierbei handele es sich gemäß Nr. 223 ZDv A-1340/49 um Mindestvoraussetzungen, nach denen Soldaten, die nach Eignung, Befähigung und Leistung hervorragen, in angemessener Zeit in einen höheren Dienstgrad aufsteigen könnten.

18 In der Regel seien vor der Beförderung längere Dienstzeiten abzuleisten, über deren Dauer im Einzelfall die für die Beförderung zuständige Stelle entscheide. Zudem hätten Soldaten grundsätzlich mindestens ein volles Jahr in ihrem Dienstgrad Dienst zu leisten und - in der Laufbahn der Unteroffiziere - die Dienstgrade regelmäßig zu durchlaufen, bevor sie zum nächsthöheren Dienstgrad befördert werden könnten. Für die Beförderung zum Stabsfeldwebel ergebe sich aus Nr. 236 ZDv A-1340/49 eine Mindestdienstzeit von 16 Jahren seit der Ernennung zum Feldwebel. Mit der Ernennung zum Feldwebel am 17. Januar 1995 erreiche die Klägerin die zeitlichen Mindestvoraussetzungen zum 18. Januar 2011.

19 Allerdings habe sich die Klägerin bis zu diesem Zeitraum mittlerweile 2.015 Tage in Elternzeit bzw. Betreuungsurlaub befunden. Für die Berechnung der geleisteten Dienstzeiten sei daher miteinzubeziehen, dass nach § 15 Abs. 3 Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz bei Beförderungen aus familienbedingten Beurlaubungen ergebende Verzögerungen angemessen zu berücksichtigen seien. Diesbezüglich lege § 5a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SLV (in der Fassung vor der Gesetzesänderung zum 26. Juli 2017) zur Anerkennung von Elternzeiten nach § 28 Abs. 7 SG, 48 Abs. 2 SLV (in der Fassung vor der Gesetzesänderung zum 26. Juli 2017) als Dienstzeiten konkrete Regelungen fest.

20 Hiernach könne eine ab dem 1. Januar 2005 angetretene Elternzeit nach § 28 Abs. 7 SG bis zu einem Jahr je Elternzeit oder Betreuungsurlaub, somit insgesamt jedoch nur bis zu zwei Jahre als beförderungsrelevante Dienstzeit, anerkannt werden. Dies bedeute, dass die Elternzeit für das erste Kind insgesamt nur bis zu einem Jahr und bei älteren Zeiten für das zweite Kind bzw. für weitere Kinder insgesamt nur bis zu einem weiteren Jahr anerkannt werden könnten. Vor dem 1. Januar 2005 angetretene Elternzeiten blieben als Dienstzeiten im Sinne der SLV nach Nr. 309 ZDv A-1420/29 unberücksichtigt.

21 Da der jeweilige Beginn der Elternzeit der Klägerin vom 11. Mai 1998 bis zum 6. November 1998 (180 Tage), vom 14. September 2000 bis zum 30 September 2002 (747 Tage) sowie vom 1. September 2004 bis zum 16. Oktober 2005 (411 Tage) jeweils noch vor dem vorgenannten Stichtag des 1. Januar 2005 gelegen habe, sei die gesamte durch die Klägerin bis dahin Anspruch genommene Eltern- und Betreuungszeit nicht auf die Mindestdienstzeit für ihre Beförderung zum Stabsfeldwebel anzurechnen.

22 Somit sei der Klägerin für die Inanspruchnahme ihrer ersten Eltern- und Betreuungszeit nach dem 1. Januar 2005 vom 9. Dezember 2008 bis zum 16. Oktober 2010 (677 Tage) nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SLV (in der Fassung vor der Gesetzesänderung zum 26. Juli 2017) ein Jahr als beförderungsrelevante Dienstzeit anerkannt worden. Die Klägerin habe somit erst ab dem 25. Juli 2015 die zeitliche Mindestvoraussetzung für die Beförderung zum Stabsfeldwebel erfüllt.

23 Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch keine Beförderung der Klägerin zum Stabsfeldwebel erfolgt, da es sich bei den in § 18 Abs. 2 SLV genannten Dienstzeiten um Mindestanforderungen handele, sodass die Klägerin nach Erreichen nicht automatisch zum Stabsfeldwebel habe befördert werden können. Für die Beförderung von Berufssoldaten müsse darüber hinaus eine Planstelle vorhanden sein.

24 Die Anzahl dieser Planstellen reiche jedoch regelmäßig nicht aus, um alle zur Beförderung zum Stabsfeldwebel anstehenden Hauptfeldwebel zu befördern. Aus diesem Grund seien gemäß der damals gültigen ZDv A-1340/111 mit Erreichen der Beförderungsreife Beförderungsreihenfolgen zu bilden. Erreiche ein Hauptfeldwebel in dieser Beförderungsreihenfolge entsprechend der Anzahl der zur Verfügung stehenden Planstellen einen bestimmten Rangplatz, könne er zum Stabsfeldwebel befördert werden.

25 Zur Bildung der Beförderungsreihenfolge seien zunächst der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten und die Entwicklungsprognose der aktuellen planmäßigen Beurteilung heranzuziehen. Zudem werde, wenn nach Erlangen der Beförderung bereits weitere planmäßige Beurteilungen erstellt wurden, die zurückliegenden Einschätzungen der Förderungswürdigkeit bzw. die Entwicklungsprognose mit herangezogen. Außerdem seien als zusätzliches Leistungsmerkmal besondere Auslandsverwendungen und vergleichbare Einsätze mit einzubeziehen.

26 Im Falle der Klägerin hätten sich folgende Rahmenbedingungen für die Betrachtung in der Beförderungsreihenfolge ergeben:

27 Für die Beförderungseignung seien die planmäßige Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2014 sowie Nr. 407 ZDv A-1340/111 zur Berechnung des PSW im Rahmen der Bildung einer Beförderungsreihenfolge herangezogen worden. Darüber hinaus gebe es bei der Klägerin keine zu berücksichtigenden Einsatzzeiten oder historische Beurteilungen. Sie habe auf Grundlage dieser Beurteilung einen PSW von 224,00 Punkten erreicht:

28 Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten: 6,7 (x 20 = 134 Punkte) plus Entwicklungsprognose: „bei Bedarf bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn“ (90 Punkte) = insgesamt 224,00 Punkte. Dies führe zu folgenden Auswahlentscheidungen: bis 12/2015

Beförderungsanwärter Anzahl der Geringster PSW PSW der Beförderungen des zuletzt Klägerin Beförderten 1.7.2015 468 115 244,00 224,00 1.8.2015 382 99 236,00 224,00 1.9.2015 341 64 232,00 224,00 1.10.2015 401 72 234,20 224,00 1.11.2015 379 77 226,00 224,00 1.12.2015 387 55 232,00 224,00 ab 01/2016

Beförderungsanwärter Anzahl der Geringster dl II PSW der Beförderungen lUOlül UOIUIUOI dl IUOU.I 1 VVCll 1 dJ V V V_J d 1 1 PSW des zuletzt Klägerin Beförderten 1 XI V-A V-/ 1 1 1 1 1.1.2016 1694 385 253,40 224,00 1.2.2016 1338 35 252,60 224,00 1.3.2016 1305 104 248,60 224,00 1.4.2016 1490 104 248,00 224,00 1.5.2016 1469 110 245,00 224,00 1.6.2016 1423 118 242,60 224,00 1.7.2016 1500 131 242,00 224,00 1.8.2016 1425 122 239,00 224,00 1.9.2016 1400 119 235,80 224,00 1.10.2016 1397 143 232,20 224,00 1.11.2016 1360 84 231,80 224,00 1.12.2016 1395 105 230,00 224,00 29 Insofern habe sich die Klägerin nicht im Eignungs- und Leistungsvergleich bis zu ihrer Planstelleneinweisung am 1. Januar 2017 gegen leistungsstärkere Soldaten durchsetzen können.

30 Eine frühere Ernennung zum Stabsfeldwebel oder Oberstabsfeldwebel komme nicht in Betracht. Insbesondere liege in der Beförderungsreihung kein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG, der durch die Vorschriften der SLV sowie der ZDv A-1340/49 verfassungskonform konkretisiert werde. Ein verfassungswidriger Verstoß liege lediglich dann vor, wenn die Beklagte entgegen der anwendbaren Rechtsvorschriften in unvorhersehbarer und willkürlicher Weise von der Beförderungsreihenfolge abweiche oder bei der Erstellung der Beförderungsreihenfolge sonstige sachfremde Erwägungen anstelle.

31 Eine Beförderung habe ausschließlich auf Grundlage der für den Beförderungszeitpunkt maßgebenden Gesetze, Verordnungen und Vorschriften zu erfolgen. Zum Zeitpunkt der Planstelleneinweisung am 1. Januar 2017 sowie zur tatsächlichen Beförderung am 21. Februar 2017 habe die damals geltende Rechtslage Anwendung gefunden.

32 Auch liege darin weder eine verfassungswidrige noch eine unionsrechtswidrige Ungleichbehandlung. Insbesondere sei die Klägerin aufgrund der in Anspruch genommenen Elternzeit nicht schlechter gestellt. Diese finde für die Zukunft, also für die Beförderung zum Oberstabsfeldwebel, Berücksichtigung. Eine rückwirkende Berücksichtigung im Sinne einer Schadlosstellung komme nicht in Betracht, da die Beförderung zum Stabsfeldwebel vor Inkrafttreten der geänderten Rechtslage erfolgt sei. Somit komme eine rückwirkende Anrechnung nicht in Betracht. Daher könne die Frage der Vereinbarkeit einer Nichtanrechnung der Elternzeit mit Verfassungsrecht sowie mit europäischem Recht, insbesondere im Lichte der Geschlechtergleichbehandlung, dahinstehen, da eine Nichtberücksichtigung der Elternzeit nicht vorliege.

33 Ein Verstoß der angewandten Vorschriften (§ 5 Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 SLV - in der Fassung vor der Gesetzesänderung zum 26. Juli 2017 - und § 5a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SLV - in der Fassung nach der Gesetzesänderung zum 26. Juli 2017) liege nicht vor. Ein unmittelbarer Eingriff in Art. 157 Abs. 2 AEUV scheide aus, da dieser nicht unmittelbar das Entgelt für geleistete Arbeit regele. Auch eine mittelbare Regelung erfolge nicht, denn die anzurechnende Dienstzeit sei nur eine von mehreren Voraussetzungen für die von der Klägerin angestrebte Beförderung. Die zentralen Beförderungsvoraussetzungen seien in Art. 33 Abs. 2 GG geregelt, sodass insoweit § 48 Abs. 2 SLV (in der Fassung vor der Gesetzesänderung zum 26. Juli 2017) eine untergeordnete Bedeutung zukomme. Darüber hinaus differenziere § 48 Abs. 2 SLV (in der Fassung vor der Gesetzesänderung zum 26. Juli 2017) nicht zwischen den Geschlechtern, sondern sei geschlechtsneutral.

34 In der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2019 trugen die Beteiligten vor, dass die Klägerin zwischenzeitlich noch nicht zum Oberstabsfeldwebel befördert worden sei. Über diese Ablehnungsentscheidung der Beklagten habe die Klägerin Beschwerde eingelegt, über die bislang noch nicht entschieden worden sei. Die Vertreterin der Beklagten wies darauf hin, dass die Klage im Hinblick auf die Beförderung zum Oberstabsfeldwebel unzulässig sei, da hier noch kein behördliches Vorverfahren stattgefunden habe. Der Klägerbevollmächtigte trug vor, dass es der Klägerin nicht zumutbar gewesen sei, zu einem früheren Zeitpunkt um primären Rechtsschutz nachzusuchen, da sie hierzu die Gültigkeit der damaligen Vorschriften hätte infrage stellen müssen, die sich erst jetzt als verfassungswidrig erwiesen hätten.

35 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 12. Februar 2019 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

36 Die zulässige Klage ist unbegründet.

37 Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, laufbahn- und besoldungsrechtlich so gestellt zu werden, als wäre sie bereits zum 17. Januar 2011 zum Stabsfeldwebel und zum 17. Januar 2013 zum Oberstabsfeldwebel befördert worden. Der dieses Begehren ablehnende Bescheid des BAPersBw vom 18. Dezember 2017 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 19. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 VwGO.

38 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch die Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen kann, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch des Soldaten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, wenn diese Rechtsverletzung für die Nichtbeförderung des Soldaten kausal war, wenn der Beamte es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden und wenn dem Soldaten der Beförderungsdienstposten ohne den Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre. Rechtsgrundlage dieses unabhängig vom Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) bestehenden Anspruchs ist das Dienstverhältnis des Soldaten. Eines Rückgriffs auf die Verletzung der Fürsorgepflicht bedarf es nicht (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 13.1.2010 - 2 BvR 811/09 -, juris -, BVerwG, U.v.5.8.1988 - 2 C 51/86 -, BVerwGE 80, 123). Ob diese Voraussetzungen im Streitfall zu bejahen wären, ist hier indessen nicht entscheidungserheblich.

39 Der Klägerin stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche selbst dann nicht zu, wenn sie der Beklagten einen schuldhaft rechtswidrig begangenen Pflichtenverstoß vorwerfen könnte, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig der in § 839 Abs. 3 BGB enthaltene Rechtsgedanke zu beachten ist, dass eine Ersatzpflicht für rechtswidriges staatliches Handeln nicht eintritt, wenn der Verletzte mögliche, ihm zumutbare Rechtsbehelfe unmittelbar gegen die beanstandete Entscheidung, hier insbesondere gerichtlichen Rechtsschutz nebst vorgeschaltetem Verwaltungsverfahren, ohne hinreichenden Grund nicht in Anspruch genommen hat (vgl. z.B. BVerwG vom 26.04.1968 - VI C 24.67 - BVerwGE 29, 309 = MDR 1968, 951 = RiA 1968, 236 = VerwRspr 19, 797 = DÖD 1968, 213; vom 23.09.1980 - 2 B 52.80 - Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 76; vom 17.10.1985 - 2 C 12.82 - DÖD 1986, 93 = Buchholz 237.90 § 95 LBG Schleswig-Holstein Nr. 2 = NVwZ 1986, 481 = ZBR 1986, 179 = DokBer B 1986, 47; vom 28.05.1998 - 2 C 29.97 - BVerwGE 107, 29 = DVBl 1998, 1083 = NJW 1998, 3288 = DokBer B 1998, 267 = DÖV 1998, 884 = IÖD 1998, 254 = DÖD 1999, 34 = ZBR 2000, 421 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 67 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/B III 8 Nr. 21 = Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 40; vom 03.12.1998 - 2 C 22.97 - NVwZ 1999, 542 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 70 = ZBR 1999, 199 = IÖD 1999, 170 = DokBer B 1999, 141 = DÖD 1999, 209 = Buchholz 237.2 § 12 BlnLBG Nr. 2; vom 09.12.1999 - 2 C 38.98 - DokBer B 2000, 115 = ZBR 2000, 208 = DÖV 2000, 602 = DVBl 2000, 1128 = DÖD 2001, 90 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 77 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/B III 8 Nr. 22 = Buchholz 237.9 § 9 SaarLBG Nr. 2; BGH vom 16.01.1986 - III ZR 77/84 - VersR 1986, 575 = NJW 1986, 1924 = MDR 1986, 650 = NVwZ 1986, 963). Demnach erfordert der in § 839 Abs. 3 BGB enthaltene, mit dem Rechtsinstitut des mitwirkenden Verschuldens nahe verwandte (vgl. insbesondere die zweite Alternative des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) Rechtsgedanke auch im Verwaltungsrecht Geltung, wenn für den Nichtgebrauch des Rechtsmittels ein hinreichender Grund nicht bestand.

40 Der grundsätzliche Vorrang des primären Rechtsschutzes beansprucht auch und gerade für Ansprüche aus dem Soldatenverhältnis einschließlich des Anspruchs auf Schadensersatz wegen Verletzung einer sonstigen, in § 31 SG verankerten Dienstherrenpflicht Geltung. Denn der zeitnah in Anspruch zu nehmende und durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete gerichtliche Primärrechtsschutz nebst vorgeschaltetem Verwaltungsverfahren ist am ehesten zur Aufklärung und Würdigung komplexer Verwaltungsentscheidungen im Rahmen des Beamtenverhältnisses geeignet (vgl. ausführlich BVerwG vom 28.05.1998, a.a.O.). Komplizierte Betrachtungen mit der Folge, dass teilweise verschiedene theoretisch denkbare Geschehensablaufvarianten überprüft werden müssen - kurzum: Betrachtungen der hier auf S. 6- 12 zusammengefassten Art - sollen gerade vermieden werden. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass es der Klägerin auch hier oblegen hätte, ihre etwaige vom Verwaltungshandeln der Beklagten abweichende Auffassung im Wege eines gerichtlichen Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO zur Geltung zu bringen, dass der Dienstherr sie in Beförderungsrunden zu einer Beförderung zum 17. Januar 2011 zum Stabsfeldwebel sowie zum 17. Januar 2013 zum Oberstabsfeldwebel hätte berücksichtigen müssen. Das ist indessen nicht geschehen. Anstatt zumutbaren Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, hat die Klägerin vielmehr untätig zugewartet, bis sie sich hinsichtlich ihres Schadlosstellungsbegehrens vermeintlich auf der sicheren Seite sah.

41 Der Klägerin stand im Zusammenhang mit ihrer unterlassenen, fiktiven Beförderung verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz offen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Inanspruchnahme von Rechtsschutz wegen unterlassener Beförderung unzumutbar gewesen sei, da entsprechende Normen in der SLV geändert wurden bzw. verfassungswidrig seien. Denn selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Klägerin aufgrund einer Anrechnung von Betreuungs- und Elternzeiten in die entsprechenden Beförderungsrunden miteinbezogen worden wäre, so ist nicht ersichtlich, dass sie auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit befördert worden wäre. Grundsätzlich setzt der für einen soldatenrechtlichen Schadensersatz erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und Schadenseintritt voraus, dass der Soldat ohne den schuldhaften Verstoß tatsächlich befördert worden wäre. Die Berücksichtigung muss nach Lage der Dinge der nachträglichen Beurteilung anhand eines hypothetischen Kausalverlauf ernsthaft möglich gewesen sein. Für diese Annahme muss festgestellt werden, welcher hypothetische Kausalverlaufs bei rechtmäßigen Vorgehen des Dienstherrn voraussichtlich an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre (m.w.N. VG Sigmaringen, a.a.O.).

42 Selbst wenn die Klägerin in die damaligen Beförderungsrunden miteinbezogen worden wäre, so ergibt sich aus den vorgelegten Punktsummenwerten der späteren Jahre sowie der Tatsache, dass im vorherigen Zeitpunkt keine zu berücksichtigenden Beurteilungen vorlagen, keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sie sich gegenüber anderen Bewerbern hätte durchsetzen können. Im Gegenteil: Es ist nichts dafür vorgetragen, dass die Klägerin bei damaligen Auswahlentscheidungen den Vorrang gegenüber anderen Konkurrenten gehabt hätte.

43 Die Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

44 Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.