25.04.2019

Gericht BVwG

Entscheidungsdatum 25.04.2019

Geschäftszahl W234 2208392-1

Spruch W234 2208392-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX (auch XXXX ), StA. Somalia, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.03.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Nach seiner Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am 19.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dort gab er im Wesentlichen an, er sei am XXXX in () geboren worden und habe dort von 1991 bis 2003 die Grundschule besucht. Er bekenne sich zum moslemischen Glauben. Er habe bislang keine Ehe geschlossen und zuletzt als Informatiker gearbeitet. Seine Muttersprache sei Somali. Bei der Erstbefragung begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz lediglich damit, in Somalia alleine gewesen zu sein und keine Arbeit gehabt zu haben. Weitere Fluchtgründe habe er nicht (AS 9).

2. Am 22.08.2017 fand eine schriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) statt, die im Wesentlichen der Abklärung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers diente. Der Beschwerdeführer gab dabei an, laktoseintolerant und an Hepatitis B erkrankt zu sein. Diese Diagnose habe er ungefähr vor einem Monat erhalten. Es gehe ihm jedoch gut. Er müsse keine Medikamente nehmen (AS 58).

Der Beschwerdeführer wurde am 03.09.2018 neuerlich vom Bundesamt einvernommen. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, dass es ihm gut gehe, er gesund sei und er keine Medikamente nehmen müsse. Von einer Hepatitis B-Erkrankung wisse er nichts. Er sei somalischer Staatsangehöriger und am XXXX in Burao, Somaliland, geboren worden. Das in der Erstbefragung angegebene Geburtsdatum stimme nicht. In Burao sei er www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019 auch aufgewachsen und habe mehrere Jahre die Grund- und Mittelschule besucht. Er habe bislang nur von 2008 bis 2010 gearbeitet; sonst sei er immer von seinen Angehörigen versorgt worden. Im Jahr 2010 sei er gemeinsam mit seiner Mutter nach Hargeysa übersiedelt, wo er sich bis zu seiner Ausreise aufgehalten habe. Er sei sunnitischen Glaubens und gehöre dem Isaaq-Clan, dessen Sub-Clan XXXX und dessen Sub-Sub-Clan XXXX an. Der Beschwerdeführer habe telefonischen Kontakt zu seiner Mutter. Dieser gehe es in Somalia gut.

Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass sein Vater vor sehr langer Zeit in einen Überfall verwickelt gewesen sei. Die Familie des bei dem Überfall geschädigten Mannes hätte sich rächen wollen. Aus diesem Grund sei der Beschwerdeführer ausspioniert worden und zur Zahlung einer Entschädigung aufgefordert worden. Während er gearbeitet habe, habe ihn die Familie des Opfers zwei Mal aufgesucht. Er habe jedoch nie eine Entschädigungszahlung geleistet. Im Jahr 2010 habe er Burao verlassen und sei nach Hargeysa gezogen, wo er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 keine Probleme gehabt habe. Später in der Einvernahme behauptete der Beschwerdeführer hingegen auch eine Festnahme durch die Polizei mit anschließender Anhaltung. Seine Angaben dazu, ob er in einer Reha-Klinik oder Gefängnis oder herkömmlichen Haus angehalten worden sei, schwankten.

Der Beschwerdeführer halte es für sehr schwer, nach so langer Zeit wieder in die Heimat zurückzukehren. Gegen seine Rückkehr würde auch sprechen, dass sich die Probleme vielleicht wiederholen würden.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 08.09.2018 wies das Bundesamt den Antrag vom 19.08.2015 für den Status des Asyl- wie des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

4. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer - durch seine bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation - die vorliegende Beschwerde erhoben. Der Bescheid wird in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens wegen fehlerhafter bzw. unzureichender Ermittlungen und mangelhafter Beweiswürdigung angefochten.

5. Mit Schriftsatz des Bundesamtes vom 24.10.2018 wurde die Beschwerde samt den dazugehörigen Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

6. Am 12.03.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Somali eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, eine Vertreterin seiner gewillkürten Rechtsberatungsorganisation und ein Vertreter des Bundesamtes teilnahmen. In der mündlichen Verhandlung hielt der Beschwerdeführer sein Vorbringen, infolge der nicht befriedigten Entschädigungsforderung der Hinterbliebenen des Unfallgegners seines Vaters Repressionen zu erwarten und inhaftiert gewesen zu sein, im Wesentlichen aufrecht.

Der anwesende Vertreter des Bundesamtes gab in der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme zu den herangezogenen Länderberichten ab. Diese würden ausführen, dass man sich in solchen - wie auch vom Beschwerdeführer geschilderten - Fällen zunächst an den Clan wenden würde. Andererseits sei in diesen auch von Sippenhaft die Rede. Die Familie des Beschwerdeführers habe jedoch keine gewaltsamen Übergriffe erfahren. Zudem sei die allgemeine Sicherheitslage in Somaliland ganz klar aus dem Länderinformationsblatt ersichtlich.

Die gewillkürte Vertreterin ersuchte um eine Frist zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme.

7. Am 26.03.2019 langte die schriftliche Stellungnahme der gewillkürten Vertreterin des Beschwerdeführers zu den herangezogenen Länderberichten beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wird zur Versorgungslage in Somaliland ausgeführt, dass die Gu-Regenzeit nicht ertragreich ausgefallen sei und noch immer Wasser- und Weidemangel herrsche. Zudem würden auch aktuelle Berichte zur Versorgungslage eine Verschlechterung der humanitären Lage in Somaliland insbesondere seit September 2018 zeigen. Die prognostizierte Besserung der Versorgungslage sei nicht eingetreten. Vor diesem Hintergrund und der fehlenden familiären Unterstützung sei dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seine Heimatprovinz nicht möglich und zumutbar. Dem Beschwerdeführer stehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, da es sich bei den Binnenvertriebenen (IDPs) in Somalia um eine der meist gefährdeten Personengruppen handeln würde. Diese würden kaum Schutz genießen und seien Ausbeutung, Misshandlung und Marginalisierung ausgesetzt. Ferner sei der Beschwerdeführer bereits hervorragend im Bundesgebiet integriert. Sein privates Interesse am Fortsetzen www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019 seines Privatlebens in Österreich überwiege das öffentliche Interesse an einer Rückkehrentscheidung. Er erfülle die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus".

8. Am 18.04.2019 legte die gewillkürte Vertreterin des Beschwerdeführers ergänzend zum bisherigen Vorbringen ein Unterstützungsschreiben des ehemaligen ehrenamtlichen Fußballtrainers des XXXX vor, wonach der Beschwerdeführer bis Herbst 2018 rege am Training der Mannschaft teilgenommen habe. Dann sei der Beschwerdeführer übersiedelt, weshalb er nicht mehr an diesen Fußballspielen und -trainings habe teilnehmen können. Seither stehe der Trainer zum Beschwerdeführer per WhatsApp regelmäßig in Kontakt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grund des Antrags auf internationalen Schutz vom 19.08.2015, der Erstbefragung des Beschwerdeführers durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, seiner Einvernahmen durch das Bundesamt, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Stellungnahmen der Parteien im Verfahren, der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist somalischer Staatsbürger. Er wurde in Burao (Somaliland) geboren und hat dort mehrere Jahre lang die Schule besucht. Er ist jedenfalls volljährig. Im Jahr 2010 übersiedelte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Mutter nach Hargeysa, wo er sich bis zu seiner Ausreise aufhielt. Der Beschwerdeführer lebte in Somalia durchgehend in Städten. Der Beschwerdeführer gehört dem Clan der Isaaq, dessen Sub-Clan XXXX , dessen Sub-Sub-Clan XXXX und dessen Sub-Sub-Sub-Clan XXXX an. Der Beschwerdeführer ist sunnitischer Moslem.

Im Jahr 2005 absolvierte der Beschwerdeführer in Hargeysa einen mehrmonatigen Computerkurs. Er konnte in der Vergangenheit bereits Arbeitserfahrung bei der Reparatur von Computern und auch als Verkäufer sammeln.

Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Bis zu seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Mutter in einem Haushalt. Der Beschwerdeführer hat einen Halbbruder, dem er jedoch nie begegnet ist. Zu Beginn seines Aufenthaltes im Bundesgebiet hatte der Beschwerdeführer noch regelmäßig Kontakt zu seiner Mutter. Seine Mutter lebte zuletzt in Hargeysa bei ihrer Schwester. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Kontakt zu seiner Mutter nach wie vor noch bzw. seit wann dieser nicht mehr besteht. Die Mutter des Beschwerdeführers sowie deren Geschwister samt deren Familien sind nach wie vor in Somalia (Somaliland) aufhältig.

Der Beschwerdeführer ist ledig, alleinstehend und hat keine Kinder. Er beherrscht die somalische Sprache auf muttersprachlichem Niveau.

Der Beschwerdeführer leidet an Hepatitis B, die nicht medikamentös behandelt werden muss. Ansonsten leidet der Beschwerdeführer, abgesehen von einer Laktoseintoleranz, an keinen weiteren Erkrankungen. Er muss weder Medikamente einnehmen noch sich in regelmäßigen Abständen einer besonderen ärztlichen Kontrolle unterziehen. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist als Küchenhilfe drei Stunden pro Tag erwerbstätig und verdient damit € 110,-- pro Monat. Er leistet freiwillige Hilfsarbeit in der Gemeinde XXXX . Ca. 72 Arbeitsstunden übte er gemeinnützige Tätigkeiten für die Marktgemeinde XXXX aus. Der Beschwerdeführer hat ein Deutschzertifikat des Niveaus B1 erworben. Derzeit besucht er einen Deutschkurs des Niveaus B2. Hobbymäßig spielt der Beschwerdeführer jede zweite Woche einmal Fußball. Der Beschwerdeführer unterhält Freundschaften zu dauerhaft in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

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Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zielgerichtet gegen ihn gerichtete Übergriffe staatlicher Organe oder Privater mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten hätte.

Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines in den 1980er-Jahren stattgefundenen Unfalles zwischen seinem Vater und einer anderen Person, mehr als 20 Jahre später von deren Familie aufgesucht, bedroht und zur Zahlung einer Entschädigungsleistung aufgefordert wurde und wegen der Nichtleistung einer Entschädigung Übergriffe zu erwarten hätte.

Insbesondere konnte ferner nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Clan Isaaq ernstlich Gefahr liefe, zielgerichteten intensiven Übergriffen anderer Bevölkerungsteile ausgesetzt zu sein.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch wurde der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG.

Der Beschwerdeführer verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts des Asylverfahrens.

1.3. Zur Situation in Somalia-Somaliland enthält das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.01.2018 in der Fassung der letzten Kurzinformation vom 17.09.2018 folgende - mit Blick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers maßgebliche - Ausführungen, die das Bundesverwaltungsgericht als örtliche Gegebenheiten im Herkunftsstaat feststellt:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 17.09.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation) Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.09.2018; vgl. UN OCHA 05.09.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 01.09.2018).

Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.08.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.09.2018).

Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 02.09.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 05.09.2018).

Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 05.09.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.

Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018).

Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).

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In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu- Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland) sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.09.2018).

Die Prognose für den Zeitraum August-Dezember 2018 in IPC-Stufen stellt sich wie folgt dar:

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(FSNAU 01.09.2018)

Insgesamt sind ca. 4,6 Millionen Menschen weiter auf Unterstützung angewiesen, im Februar 2018 waren es noch 5,4 Millionen gewesen (UN OCHA 11.09.2018). Von den 4,6 Millionen befinden sich ca. 1,4 Millionen auf IPC-Stufe 3 (IPC = Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung), weitere ca. 170.000 auf IPC-Stufe 4 (FSNAU 01.09.2018). Darunter scheinen sich viele Kinder zu finden. Ca. 240.000 Kinder gelten als akut unterernährt, weiter 55.000 als schwer unterernährt (UN OCHA 02.09.2018).

Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 05.09.2018; vgl. FAO 06.09.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 06.09.2018).

Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 01.09.2018) Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 06.09.2018).

Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 06.09.2018).

Quellen: - ACTED (12.09.2018): Drought conditions continue to persist in Badhan district, https://reliefweb.int/report/somalia/drought-conditions-continue-persist-badhan-district, Zugriff 14.09.2018 - FAO - FAO SWALIM / FSNAU (6.9.2018): Somalia Rainfall Outlook for 2018 Deyr (October-December) - Issued: 6 September 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-rainfall-outlook-deyr-2018-october-decemberissued-6-september- 2018, Zugriff 14.09.2018 - FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (31.08.2018): Somalia Price Bulletin, August 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-price-bulletin-august2018, Zugriff 14.09.2018 - FSNAU - Food Security and Nutrition Analysis Unit / Famine Early Warning System Network (1.9.2018): FSNAU-FEWS NET 2018 Post Gu Technical Release, https://reliefweb.int/report/somalia/fsnau- fews-net-2018-post-gu-technical-release-01sep-2018, Zugriff 14.09.2018 - UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.9.2018): Somalia - Humanitarian Snapshot (as of 11 September 2018), https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-snapshot-11-september-2018, Zugriff 14.09.2018 - UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (5.9.2018): Humanitarian Bulletin Somalia, 1 August - 5 September 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/humanitarian-bulletin-somalia-1-august-5-september2018, Zugriff 14.09.2018 - UN OCHA - UN UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (02.09.2018): Somalia - Food security improving but recovery remains fragile, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-food-security-improving-recovery-remainsfragile, Zugriff 14.09.2018 - WB - Worldbank (06.09.2018): World Bank's Flagship Infrastructure Project Launched in Somalia, https://reliefweb.int/report/somalia/world-bank-s-flagship-infrastructure-projectlaunched-somalia, Zugriff 14.09.0218

KI vom 03.05.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation) Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden.

www.ris.bka.gv.at Seite 5 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).

Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018).

Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a).

Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018). Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):

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(FEWS 3.2018)

Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.04.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der GuRegenzeit bis zum 20.04.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.04.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a). Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDPKonzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).

Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).

In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b). Die Entspannung wird auf Karten dokumentiert:

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(FEWS 4.2018b)

Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).

Untenstehend findet sich die detaillierte Prognosekarte der Agentur FSNAU der FAO für die Monate 2-6/2018:

www.ris.bka.gv.at Seite 6 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

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(FAO 2018)

Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.04.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).

Quellen: - FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia - Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlookupdate/april-2018, Zugriff 02.05.2018 - FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia - Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018 - FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia - Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east- africa/somalia/foodsecurity-outlook/february-2018, Zugriff 02.05.2018 - FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018 - FAO SWALIM (27.04.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018, https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff 2.5.2018 - UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash- update-3-humanitarian-impactheavy-rains-2-may-2018, Zugriff 03.05.2018

2. Politische Lage

Anstehende Wahlen wurden wiederholt verschoben (USDOS 03.03.2017; vgl. AA 01.01.2017). Diese erneute Verschiebung der Parlamentswahlen wirft einen Schatten auf das vergleichsweise demokratische Somaliland. Das Oberhaus, die Guurti, geht in das zwölfte Amtsjahr, ohne wiedergewählt zu sein (AA 01.01.2017). Die Präsidentenwahlen wurden im März 2017 erneut verschoben (UNSC 09.05.2017). Allerdings war diese Verschiebung angesichts der Dürresituation u.a. auch von den Oppositionsparteien gefordert worden (FT 29.06.2017; vgl. BFA 3./4.2017). Im November 2017 wurden die Wahlen schließlich abgehalten. Gewonnen hat der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, . Er gewann die Wahl mit 55% und ist damit der fünfte Präsident seit der Ausrufung der Unabhängigkeit im Jahr 1991. Nach den Wahlen war es zu Demonstrationen gekommen, da der unterlegene Kandidat der Wadani-Partei das Ergebnis zuerst nicht anerkennen wollte. Die Situation beruhigte sich bald. Internationale Wahlbeobachter erklärten, dass die Wahlen internationalen Standards entsprochen haben (VOA 21.11.2017). Es kam zu keinen signifikanten Irregularitäten (ISS 10.01.2018).

Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Somaliland hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit mehrere allgemeine Wahlen erlebt (AA 01.01.2017). Im Westen und in den zentralen Teilen von Somaliland ist es gelungen, einfache Regierungsstrukturen zu etablieren. Da die Regierung aber nur wenig externe Unterstützung erhält, wird nur eine minimalistische Verwaltung geboten; dabei konzentriert man sich auf die Erhaltung der öffentlichen Sicherheit (BS 2016). Es ist mit internationaler Hilfe gelungen, Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017).

Somaliland hat beachtliche demokratische Erfolge erzielt (UNDP 10.12.2017). Somaliland gilt als Vorbildstaat am Horn von Afrika. Obwohl es kaum internationale Unterstützung erhielt, klappt die Demokratie ebenso wie Bildung und Frieden (SZ 13.02.2017). Somaliland ist es gelungen, eine Wahldemokratie aufzubauen. Das Land ist dabei, diese Staatsform zu konsolidieren. Wahlen wurden bisher von Beobachtern als halbwegs frei und fair beschrieben. Die demokratischen Institutionen arbeiten recht gut, ihre Arbeit wird aber durch einen Mangel an Ressourcen und geringe Kapazitäten des öffentlichen Dienstes erschwert. Außerdem kommt es zu Bevorzugungen auf Basis des Clans. Trotzdem haben die gewählten politischen Repräsentanten seit den ersten demokratischen Wahlen im Jahr 2002 an Legitimität und Macht gewonnen. V.a. die Bevölkerung in den westlichen und zentralen Teilen Somalilands akzeptiert die bestehenden Regierungsinstitutionen - allerdings nicht exklusiv. Auch traditionelle Normen und Institutionen bestehen fort. Während Somaliland also bei der Wiederherstellung staatlicher Strukturen und demokratischer Reformen erfolgreich war, kämpft das Land mit www.ris.bka.gv.at Seite 7 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019 massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem inakzeptablen Maß an Armut geprägt (BS 2016).

Gemäß der 2001 angenommenen Verfassung durften politische Parteien gegründet werden und an den Kommunalwahlen 2002 teilnehmen. Allerdings durften nur die drei in diesen Kommunalwahlen stärksten Parteien dauerhaft etabliert werden (AA 01.01.2017; vgl. BS 2016). Damit soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Zunächst erhielten die UDUB (Ururka Dimuqraadiga Ummadda Bahawday, Union der Demokraten) sowie Kulmiye (Solidarität) und UCID (Ururka Caddaalada iyo Daryeelka, Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) die dauerhafte Zulassung (AA 01.01.2017; vgl. BS 2016). Bei Gemeindewahlen sind alle registrierten politischen Vereinigungen zugelassen; und die Gemeindewahlen entscheiden darüber, welche drei Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden. Bei den Gemeindewahlen im November 2012 entschied sich die Bevölkerung für Kulmiye, UCID und Waddani als nationale Parteien (BS 2016). Die UDUB verlor die Zulassung, stattdessen wurde die Waddani-Partei im Rahmen eines festgelegten Verfahrens zugelassen. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Gegebenenfalls werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 01.01.2017).

Das Innenministerium hat 2.700 Sultane registriert. Diese erhalten für ihre Beteiligung an den Lokalverwaltungen auch ein Gehalt (UNHRC 06.09.2017).

Somaliland definiert seine Grenzen gemäß der kolonialen Grenzziehung; Puntland hingegen definiert seine Grenzen genealogisch entlang der Siedlungsgebiete des Clans der Darod. Insgesamt ist die Ostgrenze Somalilands zu Puntland nicht demarkiert, und die Grenze bleibt umstritten (EASO 2.2016). Das Verhältnis zwischen dem im Nordwesten gelegenen Somaliland und dem Rest des Landes ist problematisch (AA 4.2017a). Das nicht-anerkannte Somaliland ist vom Großteil externer (finanzieller) Unterstützung abgeschnitten. Dies hat dazu geführt, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt zwischen Regierung und Bürgern ungewöhnlich stark ist. Die Demokratie hat sich aus einer Reihe großer Clankonferenzen entwickelt und ist damit mit einem hohen Maß an Legitimität versehen (ECO 13.11.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (01.01.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.09.2017 - BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineve rsion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017 - BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017): Informationen aus den Protokollen der FFM - BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report, https://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017 - EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017 - ECO - The Economist (13.11.2017): Why Somaliland is east Africa's strongest democracy, https://www.economist.com/blogs/economist-explains/2017/11/economistexplains-7, Zugriff 10.1.2018 - FT - Financial Times (29.06.2017): Somaliland offers investors chance to make history, https://www.ft.com/content/a28c8440-5672-11e7-9fed-c19e2700005f, Zugriff 10.1.2018 - ISS - Institute for Security Studies (10.01.2018): Somaliland's New President Has Work to Do, http://allafrica.com/stories/201801100719.html, Zugriff 10.1.2018 - SZ - Süddeutsche Zeitung (13.02.2017): Wo Mütter die Wirtschaft schmeißen, http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/somaliland-wo-muetter-die-wirtschaftschmeissen-1.3377028, Zugriff 10.1.2018 - UNDP - UN Development Programme (10.12.2017): Somaliland applies global resilience expertise to drought response, https://reliefweb.int/report/somalia/somaliland-appliesglobal-resilience-expertise-drought-response, Zugriff 12.1.2018 - UNHRC - UN Human Rights Council (06.09.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017 - UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): www.ris.bka.gv.at Seite 8 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017 - VOA - Voice of America (21.11.2017): Somaliland Ruling Party Candidate Bihi Wins Election, https://www.voanews.com/a/somaliland-ruling-party-candidate-bihi-winselection/4128446.html, Zugriff 5.1.2018

3. Sicherheitslage

Hinsichtlich Somaliland ist kein essentielles Sicherheitsproblem bekannt (BFA 8.2017). In Somaliland herrscht Frieden (ZEIT 22.11.2017). Der in Somaliland etablierten de factoRegierung ist es gelungen, ein für die Region durchaus bemerkenswertes Maß an Stabilität und Ordnung herzustellen (AA 4.2017a). Die somaliländische Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle aus (USDOS 03.03.2017). In Somaliland wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht (AA 01.01.2017). Somaliland ist das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler (UNHRC 06.09.2017; vgl. ÖB 9.2016). Mehrere Quellen bezeichnen Somaliland als sicher. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden. In Hargeysa und auch in den ländlichen Gebieten - mit Ausnahme der umstrittenen Teile - sind lebensbedrohliche Zwischenfälle eine Seltenheit (BFA 8.2017). Insbesondere die Regionen Awdal, Woqooyi Galbeed und Togdheer gelten als relativ friedlich (EASO 2.2016). Politische Konflikte und Machtkämpfe werden gewaltlos ausgetragen (BS 2016).

Somaliland war in der Lage, die Bedrohung durch al Shabaab einzudämmen (UNHRC 06.09.2017). Anschläge oder Kampfhandlungen der al Shabaab gab es keine (ÖB 9.2016), die Terrorgruppe kontrolliert in Somaliland keine Gebiete (AA 01.01.2017). Seit 2008 hat es in Somaliland keine terroristischen Aktivitäten der al Shabaab mehr gegeben. Trotzdem bleibt die Gruppe für Somaliland eine Bedrohung. Es ist davon auszugehen, dass die al Shabaab in Hargeysa über eine Präsenz verfügt. Die Kapazitäten der al Shabaab in Hargeysa sind jedoch gering. Eine (temporäre) Präsenz und sporadische Aktivitäten der al Shabaab werden aus den umstrittenen Gebieten in Ost-Somaliland und aus Burco gemeldet (BFA 8.2017). In Sool (v.a. Laascaanood) und Sanaag scheint die Präsenz der al Shabaab verstärkt worden zu sein (SEMG 08.11.2017). Aufgrund der Mitwirkung der Bevölkerung wurden zahlreiche Mitglieder der al Shabaab verhaftet. Immer wieder hört man auch von Verhaftungen an Straßensperren. Über 50 Angehörige der al Shabaab befinden sich in somaliländischen Gefängnissen. Deserteure der al Shabaab scheinen in Somaliland kaum gefährdet zu sein. Es gibt keine Berichte, wonach in Hargeysa schon einmal ein Deserteur der al Shabaab exekutiert worden wäre (BFA 8.2017).

Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährde. Somaliland hat Regierungsstrukturen aufgebaut, die das Machtstreben der verschiedenen Clans ausbalancieren. Das ganze politische System beruht auf Kompromissen zwischen den Clans (ÖB 9.2016). Mit internationaler Hilfe ist es gelungen, in Somaliland Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017). Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 01.01.2017). Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clan-Konflikts. Hargeysa und Burco sind relativ ruhig (BFA 8.2017).

Die Grenze zu Puntland ist umstritten (AA 01.01.2017) und international nicht anerkannt. Dort kommt es gelegentlich zu Schusswechseln (ÖB 9.2016) bzw. zu kleineren Scharmützeln mit beheimateten Milizen (AA 4.2017a). Dabei geht es um die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag (BFA 8.2017). In der Grenzregion Sanaag bestehen Spannungen (ÖB 9.2016). Der Osten der Region Sanaag steht nicht unter Kontrolle der somaliländischen Regierung; überhaupt hat die Regierung in den Gebieten der Warsangeli keinen großen Einfluss. Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet (BFA 8.2017).

Im Südosten des Landes haben Angehörige des Dulbahante-Clans im Jahr 2012 den sogenannten Khatumo-Staat ausgerufen. Dieser umfasst die bereits zuvor von der Miliz SSC (Sool-Sanaag-Cayn) beanspruchten Gebiete des Dulbahante-Clans. Allerdings kontrolliert Khatumo nur kleine Teile des beanspruchten Territoriums. Khatumo verfügt über eine eigene Miliz, nicht aber über funktionierende Verwaltungsstrukturen. Khatumo hat keinen großen Einfluss und die Vertreter halten sich oft in Äthiopien auf, wo sie von Somaliland nicht verfolgt werden können.

Der Konflikt zwischen Somaliland und Khatumo wird nur mit geringer Intensität ausgetragen (EASO 2.2016). Seit 2014 ist es in der Region Sool zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und der Khatumo-Miliz gekommen (ÖB 9.2016). Seit Beginn des Jahres 2017 hat es so gut wie keine bewaffneten Aktivitäten von Khatumo oder mit Bezug auf Khatumo gegeben. Die Lage in den Gebieten OstSomalilands an www.ris.bka.gv.at Seite 9 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019 der Grenze zu Puntland bleibt aber weiterhin fragil. Dabei geht es nicht so sehr um den Konflikt zwischen Puntland und Somaliland, sondern um lokale Clans, die regelmäßig in Schießereien verwickelt sind. Diese sind im Jahr 2017 - vermutlich aufgrund der Dürre und der damit verbundenen Verknappung der Ressourcen - eskaliert. Dabei standen sich in erster Linie Subclans der Dulbahante gegenüber. Im weitesten Sinne ist das Gebiet von Khatumo also immer noch ein ‚umstrittenes' Gebiet. Die somaliländische Polizei und die Armee werden häufig in die Region verlegt, zuletzt vor allem im Zuge der Wählerregistrierung. Auch gegenwärtig verfügt die somaliländische Armee in Ost-Somaliland über eine verstärkte Präsenz (BFA 8.2017).

Der Führer des selbsternannten "Khatumo-Staates", Ali Khalif Galayd, hat Friedensgespräche mit Somaliland initiiert; dabei wurde im Juni 2017 auch die "Rückkehr" von Khatumo zu Somaliland in Aussicht gestellt (UNSC 05.09.2017) und es ist zu einer Einigung gekommen (SEMG 08.11.2017).

Derzeit ist das Verhältnis zwischen Khatumo und Somaliland relativ vernünftig. Man führt Verhandlungen. Allerdings zerfällt die pro-Khatumo-Front innerhalb der Dulbahante zusehends. Einige Älteste unterschiedlicher Subclans haben dem Präsidenten von Khatumo schon die Unterstützung entzogen. Diese Spaltung spiegelt sich etwa in Form der Schaffung der Dulbahante Liberation Front (DLF) wider (BFA 8.2017). In der Folge kam es auch zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Fraktionen der Dulbahante. Im Zuge der Vorbereitungen der somaliländischen Präsidentschaftswahl ist es zu Angriffen von Dulbahante-Milizen auf mit der Wahl verbundenen Zielen gekommen (SEMG 08.11.2017).

Lagekarte

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BFA (8.2017)

Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd. Laut Lagekarte verfügt Somaliland in den einfarbig markierten Landesteilen über relevanten Einfluss. Somaliland kann dafür auf die maßgeblichen Ressourcen zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Schraffierte Gebiete unterliegen dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien (hier: Somaliland, Puntland). Strichlierte Linien umreißen die Operationsgebiete weiterer, weniger relevanter Parteien mit geringerem Einfluss (hier: Clan-Milizen; al Shabaab in den Golis/Galgala Bergen) (BFA 8.2017). Nur verhältnismäßig kleine Teile der somaliländischen Einflusszonen sind umstritten: Die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag zwischen Puntland und Somaliland; In den Bezirken Buuhoodle, Laascaanood, Xudun und Taalex kommt es sporadisch zu Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und einzelnen Dulbahante-Milizen; Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet. Im Gebiet der Galgala-Berge an der Grenze von Somaliland und Puntland hat sich bereits vor Jahren eine Gruppe der al Shabaab festgesetzt. Sie unternimmt von dort aus - meist kleinere - Operationen ins Umland (BFA 8.2017).

In den somaliländischen Regionen Awdal, Sanaag, Sool, Togdheer und Woqooyi Galbeed lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 3,5 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2016 insgesamt 29 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 24 dieser 29 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2017 waren es 24 derartige Vorfälle (davon 17 mit je einem Toten). Im Laut ACLED Datenbank entwickelte sich die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in Somaliland folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann.

(...)

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017 - ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018 - ACLED - Armed www.ris.bka.gv.at Seite 10 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2016): Africa Data, Version 7 (1991-2016), http://www.acleddata.com/data/, Zugriff 21.12.2017 - BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineve rsion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017 - BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report, https://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017 - EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017 - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia - SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia, https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017 - UNFPA - United Nations Population Fund (10.2014): Population Estimation Survey 2014 - Somalia, http://somalia.unfpa.org/sites/default/files/pub-pdf/Population- EstimationSurvey-of-Somalia-PESS-2013-2014.pdf, Zugriff 21.12.2017 - UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017 - UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017 - ZEIT - Die Zeit (22.11.2017): Der Wahlkampf der Frauen, http://www.zeit.de/kultur/201711/somaliland-wahlen-demokratie-somalia-10nach8, Zugriff 10.1.2018

4. Rechtsschutz/Justizwesen

In Somaliland sind die Grundsätze der Gewaltenteilung in der Verfassung niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere. Richter sind einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016, BS 2016). In Gerichtsverfahren ist politische Einflussnahme durch staatliche Amtsträger weit verbreitet - speziell bei Verfahren gegen Journalisten (USDOS 03.03.2017).

In Somaliland gibt es zwar funktionierende Gerichte, allerdings gibt es gleichzeitig Kapazitätsprobleme (USDOS 03.03.2017; vgl. BS 2016, ÖB 9.2016). Es fehlt an ausgebildeten Richtern und Juristen sowie an einer nachvollziehbaren Rechtsdokumentation (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016). UNODC und andere UN-Agenturen unterstützen Somaliland dabei, das Justizsystem und die Haftbedingungen zu verbessern (ÖB 9.2016). Mit internationaler Hilfe ist aber in die Gerichte investiert worden. Die sogenannten mobile courts funktionieren relativ gut und haben den Zugang der Bürger zur formellen Justiz verbessert (BFA 8.2017). Das Justizsystem in Somaliland ist eine Mischung aus traditionellem Recht (xeer), Scharia und formellem Recht (BS 2016; vgl. USDOS 03.03.2017, ÖB 9.2016). Die Scharia wird in erster Linie in Familienangelegenheiten herangezogen. Das formelle Recht wird oft dem traditionellen Recht untergeordnet, da die Kapazitäten ordentlicher Gerichte eingeschränkt sind (BS 2016). Zwar sind die drei Rechtsformen nicht gut integriert (USDOS 03.03.2017). Doch selbst wenn sich das formelle Recht und das traditionelle Recht in manchen Punkten widersprechen, so werden die Rechtssysteme nicht als konkurrierend sondern vielmehr als komplementär erachtet. Generell können sich die Menschen aussuchen, ob sie sich an formelle, traditionelle oder religiöse Institutionen wenden (BS 2016). Allerdings richtet sich der Bürger im Fall des Falles zuerst an seinen Clan. Auch wenn ein Mord passiert, wird vorerst im traditionellen System Blutgeld verhandelt. Kommt man zu keiner Lösung, richtet man sich an die Gerichte (BFA 8.2017). In Somaliland kommt das traditionelle Recht einer Angabe von 2006 zufolge bei 80% der Rechtsstreitigkeiten zur Anwendung. Gerichte anerkennen xeerEntscheide (traditionelles Recht) (SEM 31.05.2017).

In Somaliland sind ansatzweise rechtsstaatliche Grundsätze im Strafrecht zu beobachten. Dazu gehört das Bemühen, eine diskriminierende Strafverfolgung und -zumessung möglichst zu vermeiden (AA 01.01.2017). Auch Bürgerrechte sind in Somaliland formell garantiert. Eine grundlegende Rechtstaatlichkeit konnte etabliert werden. Die Polizei und andere Regierungsinstitutionen arbeiten ausreichend gut. In entlegenen Gebieten vertreten allerdings lokale Behörden und Älteste die Rechtsordnung. Dort sind Frauen- und Minderheitenrechte nur unzureichend geschützt (BS 2016). Auch das Verwaltungssystem reicht nicht bis in alle entlegenen Gebiete. Die Politik muss im Hinterland mit lokalen traditionellen und religiösen Autoritäten kooperieren, um die www.ris.bka.gv.at Seite 11 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Verwaltung gewährleisten zu können (BS 2016). In den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten werden Urteile häufig nach traditionellem Recht von Clan-Ältesten gesprochen. Diese Verfahren betreffen in der Regel nur den relativ eng begrenzten Bereich eines bestimmten Clans. Bei Sachverhalten, die mehrere Clans betreffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen (Friedensrichter), auch und gerade in Strafsachen. Repressionen gegenüber Familie und Nahestehenden ("Sippenhaft") spielen dabei eine wichtige Rolle (AA 01.01.2017).

Das vorhandene Maß an Schutz für Privateigentum wird - wie der Rechtsschutz generell - durch die Schwäche des Justizsystems, durch Korruption und Clan-Einfluss eingeschränkt (BS 2016).

Vor somaliländischen Gerichten gilt generell die Unschuldsvermutung, das Recht auf ein öffentliches Verfahren und das Recht auf rechtliche Vertretung. Verteidiger dürfen Zeugen befragen und einberufen. Für Angeklagte, die einer schweren Straftat bezichtigt werden, gibt es eine kostenlose Rechtsvertretung. Außerdem gibt es im Land eine funktionierende Legal Aid Clinic (USDOS 03.03.2017). Es gibt zwar einen Instanzenzug, allerdings werden manchmal Zeugen eingeschüchtert und Beweismaterial nicht ausreichend beigebracht. Insgesamt werden die Verfahrensrechte in Somaliland aber eher eingehalten, als in anderen Landesteilen (AA 01.01.2017).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineve rsion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017 - BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report, https://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017 - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia - SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SO M-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

5. Sicherheitsbehörden

Somaliland verfügt über eine eigene Armee und über eigene Polizeikräfte (EASO 2.2016; vgl. ÖB 9.2016). In Somaliland stellt sich der staatliche Schutz besser dar, als in Süd-/Zentralsomalia (ÖB 9.2016). Die Sicherheitsorgane haben in Somaliland eine besonders starke Stellung. Ihre zivile Kontrolle durch die politischen Führer ist stärker als im Rest des Landes, aber gleichwohl lückenhaft (AA 01.01.2017). Die Sicherheitskräfte in Somaliland können in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die westlichen Gebiete (Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa und Berbera) (AA 13.09.2017).

Die letzte verlässliche Zahl zur somaliländischen Polizei wird mit 6.816 im Jahr 2011 angegeben. Im Februar 2017 wurde die Zahl somaliländischer Polizisten auf 6.000 geschätzt. Die Präsenz der Polizei reicht bis nach Ost-Somaliland. Die Menschen nehmen ihre Dienste auch in Anspruch, man kann sich bei Vergehen an die Polizei wenden. Die Polizei verhaftet Verdächtige. In diesem Sinne gibt es auch einen Form von Rechtsstaatlichkeit. Allerdings kann sich auch die Polizei der Clan-Dynamik nicht entziehen (BFA 8.2017). Weitere Sicherheitsinstitutionen sind die Special Police Units (SPU; zuständig für den Schutz internationaler Organisationen und NGOs); die Rapid Reaction Unit; und der nationale Geheimdienst. Daneben besteht eine National Coast Guard (BFA 8.2017). Eine Spezialeinheit zur Terrorismusbekämpfung wurde mit Unterstützung Großbritanniens ausgebildet (ÖB 9.2016). Die Einrichtung einer nachrichtendienstlich arbeitenden Innenbehörde ist nicht rechtlich geregelt. Allerdings gibt es dem Vernehmen nach eine Einheit mit vergleichbaren Aufgaben (AA 01.01.2017). Insgesamt arbeiten die Polizei und andere Regierungsinstitutionen ausreichend gut (BS 2016).

Die somaliländische Armee wird von einem zentralen Kommando mit Sitz in Hargeysa geführt. Sie verfügt über Regionalkommanden und ist nach westlichem Vorbild in Groß- und Kleinverbänden organisiert. Die Mannschaften der Armee sind relativ diszipliniert, Vergehen werden i. d.R. verfolgt und bestraft (BFA 8.2017).

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Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - AA - Auswärtiges Amt (13.9.2017): Somalia - Reise- und Sicherheitshinweise - Reisewarnung, http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Laenderinformationen/00SiHi/Nodes/SomaliaSicherheit_node.html, Zugriff 13.9.2017 - BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineve rsion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017 - BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report, https://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017 - EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 14.9.2017 - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Sicherheitskräfte Somalilands entziehen sich in ihrem Handeln weitgehend der öffentlichen Kontrolle. Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden nicht erhoben (AA 01.01.2017). Der aktuelle Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums meldet - wie auch die vorhergehenden Berichte - bezüglich Somaliland keine Vorfälle von Folter (USDOS 03.03.2017).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

7. Korruption

In Somaliland gibt es einen nationalen Rechnungsprüfer und eine Anti-KorruptionsKommission, deren Mitglieder vom Präsidenten ernannt werden. Im Jahr 2016 wurden keine öffentlich Bediensteten wegen Korruption angeklagt (USDOS 3.3.2017). Es gibt keine rechtlichen Konsequenzen für korrupte Staatsbedienstete. Die Verwaltung und auch die Justiz sind von Korruption und von auf den Clans gründenden Patronage-Netzwerken durchdrungen (BS 2016). Dabei ist es z.B. im Zuge des Beschlusses zur Verpachtung des Hafens von Berbera an die Vereinten Arabischen Emirate zu Stimmenkauf gekommen (SEMG 8.11.2017).

Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report, https://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017 - SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (08.11.2017): Report of the SEMG on Somalia, https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017 - USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Internationale und lokale NGOs können in Somaliland im Allgemeinen ohne größere Einschränkungen agieren (USDOS 03.03.2017). Es gibt eine große Zahl an Organisationen der Zivilgesellschaft, etwa für Frauen, Jugendliche, Berufsgruppen etc. (BS 2016). Es gibt keine Berichte darüber, dass al Shabaab in Somaliland Bedienstete von NGOs bedrohen würde. NGOs werden in Somaliland von der al Shabaab in Ruhe gelassen (BFA 8.2017). Menschenrechtsorganisationen werden zwar möglicherweise politisch gebilligt und gefördert, sind aber in aller Regel gleichwohl Repressionen durch staatliche Sicherheitsorgane ausgesetzt (AA 01.01.2017).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineve rsion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017 - BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

www.ris.bka.gv.at Seite 13 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019 https://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

9. Ombudsmann

Im Unterschied zur zentralstaatlichen Ebene bzw. Süd-/Zentralsomalia und Puntland gibt es in Somaliland bereits ein den Statuten nach unabhängiges Menschenrechtsinstitut, das sich bemüht, nach den "Pariser Prinzipien" für solche Institute zu arbeiten. Dieses Institut sieht sich jedoch gleichfalls Versuchen politischer Einflussnahme ausgesetzt (AA 1.1.2017). Zudem mangelt es dieser Somaliland National Human Rights Commission (SNHRC) an Ressourcen und an erfahrenem Personal (USDOS 03.03.2017; vgl. AA 01.01.2017).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

10. Wehrdienst und Rekrutierungen

In Somaliland gibt es keinen verpflichtenden Militärdienst (AA 01.01.2017).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (01.01.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

11. Allgemeine Menschenrechtslage

In der Verfassung von Somaliland ist der Schutz der Menschenrechte ebenso verankert, wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 01.01.2017). Die Menschenrechtslage in Somaliland ist besser als jene in Süd- /Zentralsomalia (UNHRC 06.09.2017). In den Zentren von Somaliland herrscht im Wesentlichen Rechtsstaatlichkeit und die Polizei und andere Behörden arbeiten halbwegs gut. In den abgelegen Gebieten des Landes sorgen lokale Autoritäten für Recht und Ordnung. In diesem Kontext werden Frauen- und Minderheitenrechte oft nur unzureichend gewährleistet (BS 2016). Zu Somaliland liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich extralegaler Tötungen, willkürlicher Festnahmen, "Verschwindenlassen", systematischer Verfolgung oder Menschenhandel vor. Vorwürfe dieser Art werden nicht erhoben (AA 01.01.2017). Bei Human Rights Watch werden für das Jahr 2016 lediglich die Einschränkung der Meinungsfreiheit und die Ausführung der Todesstrafe als für Somaliland relevante Kritik hervorgehoben (HRW 12.01.2017). Amnesty International erwähnt im Jahresbericht für 2016 lediglich Probleme mit der Meinungsfreiheit (AI 22.02.2017). In den Regionen Sool und Sanaag kam es gegenüber Personen, welche sich gegen die somaliländische Wählerregistrierung stellten, zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte. Mindestens zehn Personen starben dabei im Jahr 2016 (USDOS 03.03.2017).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017 - BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report, https://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017 - UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (01.01.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - AI - Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017 - HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017 - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): www.ris.bka.gv.at Seite 14 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Asylländerbericht Somalia

16. Religionsfreiheit

Die somaliländische Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion (USDOS 15.08.2017; vgl. AA 01.01.2017) und verbietet die Konversion zu einer sowie die Missionierung für eine andere Religion (USDOS 15.08.2017). In Hargeysa oder Somaliland gibt es keine Religionspolizei. Der Islam und die damit verbundenen Regeln finden breite Akzeptanz (BFA 8.2017). Es gibt keine Berichte über religiöse Spannungen oder Konflikte (BFA 8.2017). Der die Religionsfreiheit betreffende Bericht des US-Außenministeriums nennt für Somaliland keine Vorfälle von behördlichem Vorgehen gegen Nicht-Muslime (USDOS 15.08.2017). Im Oktober 2016 konnte in Hargeysa eine katholische Kirche wiedereröffnet werden (USDOS 15.08.2017; vgl. BFA 8.2017).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineve rsion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017 - USDOS - US Department of State (15.8.2017): 2016 Report on International Religious Freedom - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/345248/489127_de.html, Zugriff 13.9.2017

17. Minderheiten/Clans

Mehrheitsclans in Somaliland: In der Region Awdal wohnen v.a. Angehörige der Dir/Gadabursi und Dir/Issa. In den Regionen Woqooyi Galbeed und Togdheer wohnen v.a. Angehörige der Isaaq/Habr Jeelo, Isaaq/Habr Yonis, Isaaq/Idagala und Isaaq/. In der Region Sool wohnen v.a. Angehörige der Darod/Dulbahante (Taleex, Xudun, Laascaanood), Isaaq/Habr Yonis (Xudun, Laascaanood) und Isaaq/Habr Jeelo (Caynabo). In der Region Sanaag wohnen v.a. Angehörige der Darod/Warsangeli (Laasqoray, Ceerigaabo), Isaaq/Habr Yonis (Ceerigaabo) und Isaaq/Habr Jeelo (Ceel Afweyn) (EASO 2.2016). Die Minderheiten der Berufskasten in Somaliland werden unter dem Begriff "Gabooye" zusammengefasst (Musa Dheriyo, Tumal, Madhiban, Yibir) (UNHRC 28.10.2015).

Wie in den restlichen Landesteilen bekennt sich die Verfassung zum Gebot der Nichtdiskriminierung. Clan- Zugehörigkeit spielt jedoch eine große Rolle (AA 01.01.2017), Minderheitenschutz besteht offiziell nicht. Das bedeutet, dass Angehörige v.a. der Gabooye weiterhin marginalisiert bleiben (ÖB 9.2016). Auch weiterhin berichten Minderheitenvertreter über die Schwierigkeiten, welchen ihre Gruppen bei der Integration in die somaliländische Gesellschaft ausgesetzt sind (UNHRC 06.09.2017). Eine aktive Verfolgung findet allerdings nicht statt. Die Gabooye leiden unter sozialer und wirtschaftlicher Benachteiligung und werden am Arbeitsmarkt diskriminiert (ÖB 9.2016). Dabei kommt es zu keiner systematischen Benachteiligung durch Polizei und Gerichte, wiewohl es vorkommt, dass Vergehen gegenüber Minderheiten-Angehörigen seitens der Polizei nicht nachgegangen wird (SEM 31.05.2017). Die offizielle Anerkennung von Gabooye-Suldaans hat zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Ihr gesellschaftlicher Ruf hat sich dadurch generell verbessert. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Die Gabooye haben im xeer (traditionelles Recht) ihre Rechte. Zusätzlich sind Verfahren im xeer meist nicht korrumpierbar und fairer. Auch von den somaliländischen Gerichten werden die Minderheiten in den letzten Jahren mehrheitlich fair behandelt (SEM 31.05.2017).

Weiterhin kommt es zur Tabuisierung von Mischehen (UNHRC 06.09.2017). In Somaliland lehnen die Clanfamilien Isaaq und Darod Mischehen vehement ab, während sie die Dir eher akzeptieren (SEM 31.5.2017). In einem Fall wurde ein Paar, das geheiratet hatte, von Angehörigen des Mehrheitsclans (zu welchem die Frau gehörte) entdeckt und geschlagen (UNHRC 06.09.2017).

In Somaliland sind die Clan-Ältesten der Minderheiten gleich wie jene der Mehrheitsclans offiziell anerkannt, und die Minderheiten sind in den politischen Parteien vertreten. Einige Älteste (Suldaan) der Gabooye sind im Oberhaus des Parlaments (Guurti) vertreten. In der Regierung und dem Repräsentantenhaus hingegen sind sie nicht vertreten, ebensowenig in vielen lokalen Räten (SEM 31.5.2017). Der stellvertretende Vorsitzende der Somaliland Human Rights Commission gehört einer Minderheit an, außerdem hat der Präsident einen eigenen Berater für Minderheitenprobleme. Im August 2016 wurde zudem ein Angehöriger der Dulbahante zum Innenminister ernannt. Dieser soll sich auch um Beschwerden der Bewohner von Sool und Sanaag kümmern, wonach ihre Regionen vernachlässigt würden (USDOS 3.3.2017). In Somaliland gibt es einige Nichtregierungsorganisationen, die sich explizit (auch) um die Minderheiten - hier speziell um berufsständische Gruppen - kümmern. Dazu gehören: Daami Youth Development Organization (DYDO), Somaliland National Youth Organization (SONYO Umbrella), Ubax Social and Welfare Organization (USWO), Voices of Somaliland Minority Women Organization (VOSOMWO) (SEM 31.5.2017); www.ris.bka.gv.at Seite 15 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Insgesamt kommt es nur sporadisch zum Aufflammen bewaffneter Clan-Auseinandersetzungen. Zwar kommt es manchmal zu Zusammenstößen, diese sind aber meist nur kleine Schusswechsel. Die Regierung ruft meist die Ältesten auf, die Kämpfe zu beenden. Eskaliert ein Clan-Konflikt, dann schreiten die Sicherheitskräfte ein. Dann versucht die Regierung, das Problem zu lösen. Dieser Ansatz ist nicht immer erfolgreich: Manchmal schießen die Sicherheitskräfte auf beide Seiten, wodurch die Situation weiter verschlimmert wird (BFA 8.2017). Relevanter und von größerer Auswirkung ist das System der Blutrache. Hier können selbst Personen betroffen sein, die nach Jahren in der Diaspora nach Hause zurückkehren. Während Sicherheitskräfte in größere Clankonflikte eingreifen tun sie dies bei Blutfehden nur selten bzw. ist ein Eingreifen nicht möglich. Gleichzeitig sind Polizisten selbst Angehörige eines Clans, was die Sache erschwert (BFA 8.2017).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (01.01.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineve rsion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.09.2017 - EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017 - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia - SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.05.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SO M-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017 - UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017 - UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.11.2017 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.09.2017

(...)

19. Bewegungsfreiheit

Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen für einen Teil der somalischen Bevölkerung mit Sicherheit. Üblicherweise genießen den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind (ÖB 9.2016). Es gibt keine spezifischen Berichte zu Sicherheitszwischenfällen entlang der Straßen in Somaliland (EASO 2.2016). Reisen sind möglich, auch nach Laascaanood oder weiter in die puntländische Hauptstadt Garoowe. Eine der Sicherheitsmaßnahmen, mit denen Somaliland versucht, Verbrechen und Terrorismus entgegenzutreten, sind umfassende Kontrollen an den Verbindungsstraßen. An der somaliländisch-puntländischen Grenze kann es bei der Einreise nach Somaliland zu Grenzkontrollen kommen (BFA 8.2017). Eine effektive Ausreisekontrolle an den Grenzübergängen von Somaliland in die Nachbarländer findet nicht statt. Die "grüne Grenze" sowie die Seegrenze sind weitgehend nicht überwacht. Kontrollen werden dagegen bei Flugreisen ab Hargeysa durchgeführt (AA 1.1.2017). Vertretern der somalischen Bundesregierung verweigert Somaliland die Einreise - auch solchen, die eigentlich aus Somaliland stammen. Somaliland verhindert, dass Staatsbürger, welche dort am föderalen (gesamtsomalischen) Prozess mitwirken wollen, nach Mogadischu reisen (USDOS 03.03.2017).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineve rsion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017 - EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017 - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

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Somaliland hat sowohl aus dem Jemen kommende Flüchtlinge als auch IDPs aus Süd/Zentralsomalia aufgenommen (UNHRC 06.09.2017). Somaliland kooperiert mit dem UNHCR und IOM, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern, Asylwerbern oder Staatenlosen Unterstützung zukommen zu lassen. Mit der Unterstützung des UNHCR registriert Somaliland auch weiterhin Asylwerber. Im Jahr 2016 sind weniger als 1.000 Personen registriert worden. In einigen Fällen wurde Äthiopiern und Eritreern die Registrierung verweigert (USDOS 03.03.2017). Im November 2017 befanden sich ca. 14.500 Asylwerber und 14.200 Flüchtlinge in Somalia. 62% davon waren Äthiopier, weitere 37% Jemeniten. Mindestens 58% der Asylwerber und Flüchtlinge befinden sich Somaliland, mindestens weitere 23% in Puntland; in Mogadischu befinden sich 10% (UNHCR 30.11.2017b). Jemenitische Flüchtlinge erhalten in Somaliland den Flüchtlingsstatus prima facie (RMMS 7.2016). Außerdem befinden sich in Somaliland mindestens 20.000 illegale Migranten - darunter viele Wirtschaftsmigranten aus Äthiopien. Die somaliländische Regierung schätzt diese Zahl sogar auf 80.000 (RMMS 7.2016).

Die relative Sicherheit in Somaliland hat zahlreiche Vertriebene oder Flüchtende aus Zentral- und Südsomalia angezogen (ÖB 9.2016; vgl. RMMS 7.2016). Nach Aussage mehrerer UNOrganisationen betreffen Abschiebungen ausschließlich äthiopische Staatsangehörige (ÖB 9.2016). Es sind keine Berichte bekannt, wonach aus Somaliland oder Puntland IDPs aus Süd-/Zentralsomalia deportiert worden wären (NLMBZ 11.2017; vgl. ÖB 9.2016).

Quellen: - NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017): Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en- centraalsomalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018 - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia - RMMS - Regional Mixed Migration Secretariat (7.2016): Country Profile - Somalia/Somaliland, http://www.regionalmms.org/index.php/country-profiles/somaliasomaliland, Zugriff 12.1.2018 - UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.11.2017b): Fact Sheet; Somalia; 1-30 November 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1514374235_61422.pdf, Zugriff 8.1.2017 - UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

21. Grundversorgung/Wirtschaft

In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten (AA 1.1.2017).

Die Arbeitslosigkeit in Somaliland beträgt bei jungen Menschen rund 60% (CNN 01.08.2017). Nach anderen Angaben beträgt die Arbeitslosigkeit insgesamt 47,4% (RMMS 7.2016). Die Suche nach Arbeitsmöglichkeiten gehört zu den Hauptgründen für Migration (ÖB 9.2016). Die Regierung hat gemeinsam mit der Weltbank im November 2017 ein Programm gestartet, das rund 3.500 Jobs schaffen soll. Dabei wird in hunderte Betriebe investiert. Der Privatsektor trägt 90% zum BIP bei (WB 01.11.2017). Trotz der Erfolge bei der Friedens- und Staatsbildung stehen Somaliland nur eingeschränkte Kapazitäten zur Verfügung. Da Somaliland international nicht anerkannt worden ist, erhält es von den OECD-Staaten auch nur eingeschränkt Unterstützung. Trotzdem stehen grundlegende Verwaltungsdienste zur Verfügung, z.B. die grundlegende Infrastruktur oder Behörden. Das Verwaltungssystem ist aber urban und reicht nicht bis in entlegene Gebiete. Insgesamt fehlt es Somaliland an finanziellen Ressourcen, um ein Wohlfahrtssystem zu finanzieren. Im Land herrscht noch immer ein inakzeptables Maß an Armut (BS 2016). Die fehlende Anerkennung hindert das Land vor allem daran, wirtschaftlich voranzukommen. Keine internationale Bank lässt sich nieder. Äthiopien ist der einzige treue Handelspartner. Viele Familien sind abhängig vom Geld der Diaspora (SZ 13.02.2017).

Somaliländer, die im Ausland an Geld und materielle Ressourcen gekommen sind, kehren zunehmend aus der Diaspora zurück und sind vor allem am wirtschaftlichen Vorankommen des Landes interessiert (ZEIT 22.11.2017). Der Handel und die wirtschaftliche Betätigung insgesamt haben einen spürbaren Aufschwung genommen, der jedoch bislang fast ausschließlich der dort lebenden Stadtbevölkerung zu Gute kommt (AA 4.2017b). Ökonomische Aktivitäten unterliegen kaum staatlichen Regulierungen. Der somaliländische Shilling ist verhältnismäßig stabil. Der Bildungssektor in Somaliland verbessert sich ständig. Der private Bildungssektor boomt und es gibt einige Universitäten und Colleges (BS 2016). Somaliland hat mit den Vereinten Arabischen Emiraten einen Vertrag über den Ausbau des Hafens Berbera und die Errichtung eines Stützpunktes der VAE abgeschlossen (ECO 13.11.2017). Alleine beim Hafen sollen über 440 Millionen US-Dollar investiert werden. Berbera kann damit zu einem weiteren wichtigen Hafen für das Binnenland Äthiopien mutieren. Das Nachbarland hat sich Anteile am Hafen gesichert (CNN 01.08.2017; vgl. FT 29.6.2017).

www.ris.bka.gv.at Seite 17 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Quellen:

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21.1. Dürre-Situation

Teile von Somaliland waren schwer von der Dürre betroffen. Dort ist die Situation aber bei weitem weniger schlecht als im Süden. Im Rahmen der Dürre sind die meisten Gebiete Somalilands besser durch internationale humanitäre Unterstützung abgedeckt, da die Möglichkeiten im Gegensatz zu Süd-/Zentralsomalia wenig eingeschränkt sind (ICG 09.05.2017). Die Behörden Somalilands sprechen von 80% Verlusten beim Viehbestand (BBC 11.5.2017; vgl. TG 24.05.2017), andere Schätzungen sprechen von 50% (TG 24.05.2017).

Die Gesamtsituation in Bezug auf die Dürre ist in Somaliland erheblich besser als in den anderen Landesteilen (UNHRC 06.09.2017). Der Konflikt in den umstrittenen Gebieten von Sool und Sanaag schränkt den Zugang für humanitäre Organisationen ein (USDOS 03.03.2017). Auch die fehlende Anerkennung Somalilands als souveräner Staat hat Auswirkungen, da dadurch der Zugriff auf relevante Fonds der Weltbank oder des Weltwährungsfonds verwehrt bleibt (F24 22.07.2017). Im März 2017 waren Behördenangaben zufolge in der Region Sanaag 25 Menschen an Hunger gestorben (VOA 22.03.2017). Die Aufnahmegemeinden für aufgrund der Dürre geflüchtete Somaliländer waren bisher großzügig, so wurden etwa in der westlichen Region Awdal zahlreiche IDPs aus OstSomaliland empfangen. In Hargeysa beherbergen Familien ihre Verwandten vom Land. Im Land wird von einer "leveling drought" gesprochen, einer Dürre, von der alle betroffen sind und die alle gleichstellt. In der Somali-Gesellschaft ist es durchaus üblich, von Dürre Betroffene aufzunehmen, da man selbst von der nächsten Dürre betroffen sein könnte und sich so diesbezüglich versichert. Erst wenn die Dürre weiterhin anhält und tatsächlich alle Ressourcen verbraucht sind, wird es auch zu sicherheitsrelevanten Zwischenfällen kommen (BFA 8.2017). Während die agro-pastorale Wirtschaft im ländlichen Raum und damit der Lebensunterhalt hunderttausender Menschen schwer getroffen wurde, ermöglicht es die in Somaliland weit verbreitete, am Mobilfunknetz aufgebaute Zahlungs- und Transfertechnologie, dass in städtischen Gebieten lebende Menschen ihren Verwandten auf dem Land ohne Zeitverlust Geld zukommen zu lassen (BBC 13.09.2017). Auch die DeyrRegenfälle Ende 2017 sind unterdurchschnittlich ausgefallen, Somaliland erhielt nur rund 75% der üblichen Menge (FEWS 3.1.2018). Laut Behörden sind 80% des Viehbestandes verendet. Viehbauern haben die am schlimmsten von der Dürre betroffenen Gebiete verlassen und sind teilweise in Lagern untergekommen, wo ihnen Hilfe zur Verfügung gestellt wird. Sie erhalten dort 100 US-Dollar pro Monat von NGOs, das Geld wird auf Mobiltelefone transferiert (F24 22.07.2017).

UN OCHA veröffentlichte im Jänner 2018 eine aktuelle Lagekarte. Weite Teile Somalilands fallen in die Phase 4 "Emergency" (Phase 5 wäre "Famine") (UN OCHA 11.01.2018):

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(UN OCHA 01.11.2018)

Quellen: - BBC (13.09.2017): The surprising place where cash is going extinct, http://www.bbc.com/future/story/20170912-the-surprising-place-where-cash-is-goingextinct, Zugriff 10.1.2018 - BBC (11.5.2017): How do you solve a problem like Somalia? http://www.bbc.com/news/world-africa- 39855735, Zugriff 24.11.2017 - BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineve rsion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017 - F24 - France 24 (22.7.2017): Somaliland's longstanding drought has crippled the economy, http://www.france24.com/en/20170722-somaliland-drought-famine-economyunited-nations, Zugriff 10.1.2018 - FEWS - Famine Early Warning System Network (03.01.2018): Somalia Seasonal Monitor, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-seasonal-monitor-january-3-2018, Zugriff 10.8.2018 - ICG - International Crisis Group (9.5.2017): Instruments of Pain (III) - Conflict and Famine in Somalia, https://www.crisisgroup.org/africa/horn- africa/somalia/b125instruments-pain-iii-conflict-and-famine-somalia, Zugriff 24.11.2017 - TG - The Guardian (24.5.2017): Somaliland's hunger crisis: 'The world doesn't respond until children are dying', https://www.theguardian.com/globaldevelopment/2017/may/24/somaliland-hunger-crisis-world-doesnt-respond- until-childrenare-dying-foreign-minister-saad-ali-shire, Zugriff 24.11.2017 - UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017 - UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.1.2018): Somalia - Humanitarian Snapshot, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/somalia_humanitarian_snapshot__january_2018.pdf, Zugriff 12.1.2018 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017 - VOA - Voice of America (22.3.2017): Official: At Least 25 Starve to Death in Somaliland, https://www.voanews.com/a/somalia-somaliland-drought-hunger/3777227.html, Zugriff 12.1.2018

22. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft (AA 01.01.2017) bzw. weist sie zahlreiche Schwächen auf. Die medizinische Versorgung hat sich im Laufe der letzten Jahre aber substantiell verbessert. Das öffentliche Gesundheitsnetz ist nur schwach reguliert. Die meisten Gesundheitsdienste werden von den UN und NGOs geleistet (ÖB 9.2016). Der Zugang zu medizinischer Versorgung variiert in ganz Somalia, scheint aber in Somaliland (und Mogadischu) am besten zu sein (LI 11.06.2015). Allerdings mangelt es Somaliland an finanziellen Ressourcen, um ein umfassendes Sozialsystem zu erhalten (BS 2016). Nur rund 4% des staatlichen Budgets sind für die medizinische Versorgung vorgesehen (DEVEX 14.11.2017).

Die Gesundheitsversorgung ist in den Städten konzentriert, die Organisation liegt meist bei Privaten oder bei internationalen Organisationen (BS 2016). Allerdings betreibt alleine die Somali Red Crescent Society (SRCS) mit Unterstützung des IKRK 33 mobile Kliniken, um auch in entlegenen Gebieten eine grundlegende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Seit Juli 2017 ist an jede mobile Klinik auch ein Ernährungsspezialist angeschlossen. Die Dienste dieser Kliniken sind gratis (DEVEX 14.11.2017). Es gibt sieben öffentliche Spitäler, darunter das Hargeysa Group Hospital und das Berbera General Hospital. Im somaliländischen Gesundheitssystem gibt es vier Ebenen: Die Primary Health Care Units; die Health Centers; die Referral Health Centers; und die regionalen Spitäler (HRW 25.10.2015). Seit dem Jahr 2010 sind in Hargeysa viele neue Gesundheitseinrichtungen - ganze Spitäler, Zahnarztpraxen, Kliniken - eröffnet worden, viele davon privat (BFA 3./4.2017). Es gibt in Somaliland mindestens 1.000 Apotheken, diese sind aber nicht reguliert (HRW 25.10.2015). In Somaliland gibt es zwei Zentren zur Betreuung psychischer Erkrankungen. Diese befinden sich in Berbera und Hargeysa. Allerdings arbeiten dort insgesamt nur ein bis zwei Psychiater (WHO 2017). Im Februar 2017 wurde am Hargeysa Group Hospital eine moderne Abteilung für psychisch Kranke eröffnet (SMHSO 2.2017).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017): Informationen aus den Protokollen der FFM - BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report, https://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 13.9.2017 - DEVEX (14.11.2017): Mobile clinics bring stable care to moving populations in Somaliland, https://www.devex.com/news/mobile-clinics-bring-stable-care-to-movingpopulations-in-somaliland-91419, www.ris.bka.gv.at Seite 19 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Zugriff 12.1.2018 - HRW - Human Rights Watch (25.10.2015): "Chained Like Prisoners" - Abuses Against People with Psychosocial Disabilities in Somaliland, http://www.refworld.org/docid/562de0a94.html, Zugriff 10.1.2018 - LI - Landinfo (11.6.2015): Somalia - Children and Youth, https://landinfo.no/asset/3520/1/3520_1.pdf, Zugriff 20.11.2017 - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia - SMHSO - Somailand Mental Health Support Organisation (2.2017): Somaliland Gets Ultra Modern Mental Health Facility Courtesy of Cardiff Based SMHSO, https://www.somalilandmentalhealth.com/somaliland-gets-ultra-modern- mental-healthfacility-courtesy-of-cardiff-based-smhso/, Zugriff 12.1.2018 - WHO - World Health Organization (2017): Somalia - Mental Health, http://www.emro.who.int/som/programmes/mental-health.html, Zugriff 20.11.2017

23. Rückkehr

Zu möglichen staatlichen Repressionen gegenüber Rückgeführten liegen keine Erkenntnisse vor. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige (AA 01.01.2017). IOM Länderbüros unterhalten Rückkehrprogramme nach Somaliland und beurteilen die Rückkehr nach Somaliland somit als durchaus möglich. Hervorzuheben ist, dass Somaliland nur aus Somaliland stammende Rückkehrer und Angehörige der ansässigen Clans oder Sub-Clans akzeptiert (ÖB 9.2016). Der Generaldirektor des somaliländischen Ministry of Resettlement, Rehabilitation and Reconstruction (MRRR) gibt an, dass Somaliland jede somaliländische Person willkommen heiße, die freiwillig zurückkehrt. Das MRRR versucht, vor der Rückkehr Familie und Verwandte ausfindig zu machen und führt ein Screening des Rückkehrwilligen durch. Nur dann wird von Somaliland die Genehmigung zur Rückkehr erteilt (BFA 3./4. 2017).

Nach Somaliland gibt es Linienflüge aus Kenia, Äthiopien und Dschibuti (AA 1.1.2017). Viele in der Diaspora lebende Somaliländer kommen im Sommer in ihre alte Heimat auf Urlaub (TG 14.7.2017). Somaliland ist zwar der Hauptankunftsort für Flüchtlinge und Rückkehrer aus dem Jemen, doch UNHCR und Partnerorganisationen unterstützen somalische Rückkehrer bei der Weiterreise zu den Herkunftsgebieten in anderen Teilen Somalias (ÖB 9.2016).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017): Informationen aus den Protokollen der FFM - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia - TG - The Guardian (14.7.2017): It wasn't what I expected, it's beautiful': British-Somali youth explore their roots, https://www.theguardian.com/global-developmentprofessionals-network/gallery/2017/jul/14/british-somali- diaspora-explore-roots-pictures, Zugriff 9.1.2018

24. Meldewesen und Dokumente

In Somaliland gibt es eine einigermaßen funktionierende Verwaltung. Die Behörden stellen auch Dokumente aus - u.a. eigene somaliländische Reisepässe. Da die Republik Somaliland jedoch nicht anerkannt wird, besitzen diese Dokumente international keine Gültigkeit (AA 01.01.2017; vgl. ÖB 9.2016). Außerdem bestehen auch hier nur wenige bis rudimentäre staatliche Aufzeichnungen und Personenregister (und wenn, auch nur handschriftlich). Die Dokumentensicherheit in Somaliland gestaltet sich daher grundsätzlich nicht sehr viel besser als im übrigen Somalia (ÖB 9.2016). Andererseits erklärt das somaliländische Innenministerium, dass es für Angehörige von als nicht-somaliländisch definierten Clans unmöglich ist, einen Personalausweis zu erhalten. Jeder Antrag wird eingehend überprüft. Aufgrund der Aufnahme von biometrischen Daten (Augen, Finger) kommt es auch zu keinen Doppeleinträgen. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass äthiopischen Angehörigen von Clans, die auf beiden Seiten der somaliländisch-äthiopischen Grenze leben, somaliländische Dokumente ausgestellt werden (BFA 3./4.2017). Außerdem wurde mit internationaler Unterstützung bei der Wählerregistrierung zum ersten Mal ein IrisScanverfahren eingesetzt. 800.000 Wähler ließen sich registrieren, sie bekamen nach dem Iris-Scan eine sogenannte Voter Card (ZEIT 22.11.2017).

UNICEF unterstützt seit 2014 das Gesundheits- und Innenministerium Somalilands dabei, die Registrierung von Geburten und Kleinkindern und das Ausstellen von Geburtsurkunden voranzutreiben. Der Prozentsatz der Geburtenregistrierung ist in Somaliland zwar höher als im Rest von Somalia, aber mit 7% immer noch enorm niedrig (ÖB 9.2016).

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In Somaliland gibt es die Möglichkeit einer Registrierung von Spitals- und Hausgeburten. Eingeschränkte Kapazitäten und die nomadische Lebensweise führen aber dazu, dass viele Geburten nicht registriert werden. Bereits seit 2014 unterstützt UNICEF die somaliländische Regierung dabei, in den Bezirken ein System zur Registrierung von Geburten zu etablieren. Insgesamt sollen über dieses Programm 270.000 Kinder registriert werden. Ist eine Person nicht registriert, wird diese nicht von öffentlichen Leistungen - wie z.B. Bildung - ausgeschlossen (USDOS 03.03.2017).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (01.01.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017): Informationen aus den Protokollen der FFM - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia - USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017 - ZEIT - Die Zeit (22.11.2017): Der Wahlkampf der Frauen, http://www.zeit.de/kultur/201711/somaliland-wahlen-demokratie-somalia-10nach8, Zugriff 10.01.2018

Ergänzend stellt das Bundesverwaltungsgericht folgende Kapitel des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Somalia) vom 12.01.2018 in der Fassung der letzten Kurzinformation vom 17.09.2018 als örtliche Gegebenheiten fest:

17. Minderheiten und Clans

Die somalische und auch die puntländische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.1.2017). Allerdings waren Regierung und Parlament für lange Zeit entlang der sogenannten "4.5 Lösung" organisiert, welche bedeutet, dass die Vertreter der großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zustehen, während kleineren Clans und Minderheitengruppen gemeinsam die Hälfte dieser Sitze zustehen (ÖB 9.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somaliländischen Politik. Gegen oder ohne sie lässt sich kein Staat aufbauen. Dementsprechend sind politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier größten Clans (Darood, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren. Insgesamt hat sie bisher weder zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clanbedingten Gleichberechtigung beigetragen, noch hatte sie positive Auswirkungen auf das Miteinander auf Gemeindeebene (ÖB 9.2016). In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Clanzugehörigkeit also weiterhin wichtig, was Minderheiten und IDPs marginalisieren kann (SEM 31.5.2017).

Die Minderheiten sind im somalischen Parlament und der somalischen Regierung vertreten, ihre Stimme hat aber wenig Gewicht. Weder das traditionelle Recht xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen die Minderheiten systematisch. Faktoren wie die Finanzkraft, das Bildungsniveau oder die zahlenmäßige Größe einer Gruppe können Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren. (SEM 31.5.2017).

Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 3.3.2017). Einzelne Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Gabooye) leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.1.2017). Minderheitengemeinden sind überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 3.3.2017). Gruppen wie die Rahanweyn, die Bantu oder die Madhiban können nur in geringerem Ausmaß auf Rücküberweisungen durch Angehörige in der Diaspora zählen, da sich in der Diaspora verhältnismäßig wenige Rahanweyn und Bantu finden (SEMG 8.11.2017).

Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine höhere Besteuerung; ökonomische Isolierung; oder Plünderung (EASO 8.2014).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-reportsomalia.pdf, Zugriff 21.11.2017 - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia - SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten,

www.ris.bka.gv.at Seite 21 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019 https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SO M-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017 - SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia, https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

17.1. Bevölkerungsstruktur

Mehr als 85% der Bevölkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 3.3.2017). Eine andere Quelle besagt, dass laut einer Schätzung aus dem Jahr 2002 die Minderheiten zusammen ungefähr ein Drittel der Bevölkerung Somalias ausmachen sollen (ÖB 9.2016). Jedenfalls gibt es in ganz Somalia eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugehörigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016, SEM 31.5.2017). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017).

Die Zugehörigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identitätsstiftende Faktor für Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschützt wird (SEM 31.5.2017). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA 4.2017a). Darum kennen Somalis üblicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017). Allerdings gibt eines keine physischen Charakteristika, welche die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Städten nicht automatisch, welchem Clan eine Person angehört (LI 4.4.2016).

Die sogenannten "noblen" Clanfamilien können ihre Abstammung auf einen mythischen gemeinsamen Vorfahren namens Hiil bzw. dessen Söhne Samaale und Saab zurückverfolgen, die vom Propheten Mohammed abstammen sollen. Die meisten Minderheiten können eine solche Abstammung hingegen nicht geltend machen (SEM 31.5.2017). Die Somalis sehen sich also als Nation arabischer Abstammung.

Die "noblen" Clanfamilien sind meist Nomaden: Die Darod sind gegliedert in die drei Hauptgruppen Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Föderation von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, während die Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in Äthiopien, haben aber auch großen Einfluss in den südsomalischen Jubba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Süd/Zentralsomalia präsent. Die Hawiye leben v.a. in Süd-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind die Habr Gedir und die Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss. Die Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in Äthiopien und Djibouti, außerdem in kleineren Gebieten Süd-/Zentralsomalias. Die wichtigsten DirClans sind die Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Süd-/Zentralsomalia). Die Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet. Die Rahanweyn bzw. Digil/Mirifle werden als weitere Clanfamilie gesehen. Sie gelten als Nachfahren von Saab, dem Bruder von Samaale (SEM 31.5.2017; vgl. AA 4.2017a). Es ist nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil/Mirifle stellen wohl je 20-25% der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger (AA 4.2017a). Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten - nicht aber die berufsständischen Gruppen - haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u.a. aufgrund von Konflikten verändern (SEM 31.5.2017).

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwächer als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu gehören Gruppen mit nichtsomalischer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausüben; sowie die Angehörigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenmäßig klein sind (SEM 31.5.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.ht ml, Zugriff 13.9.2017 - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - LI - Landinfo (4.4.2016): Somalia: Praktiske forhold og sikkerhetsutfordringer knyttet til reisevirksomhet i Sør-Somalia, http://www.landinfo.no/asset/3331/1/3331_1.pdf, Zugriff 15.12.2017 - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia - SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, www.ris.bka.gv.at Seite 22 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SO M-clans- d.pdf, Zugriff 22.11.2017 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

17.2. Ethnische Minderheiten, aktuelle Situation

Ethnische Minderheiten haben eine andere Abstammung und in manchen Fällen auch eine andere Sprache als die restlichen Einwohner des somalischen Sprachraums. Es gibt keine zuverlässigen Angaben über ihre Anzahl. Schätzungen bewegen sich im Bereich zwischen 6% und einem Drittel der Bevölkerung Somalias.

Die wichtigsten ethnischen Minderheiten sind (SEM 31.5.2017):

Die Bantu: Sie sind die größte Minderheit in Somalia. Traditionell leben sie als sesshafte Bauern in den fruchtbaren Tälern der Flüsse Jubba und Shabelle. Es gibt zahlreiche Bantu-Gruppen bzw. -Clans, wie z.B. Gosha, Makane, Kabole, Shiidle, Reer Shabelle, Mushunguli, Oji oder Gobaweyne; pejorativ werden sie auch auch Adoon (Sklaven) oder Jareer (Kraushaar) genannt (SEM 31.5.2017). Die Benadiri: "Benadiri" ist ein Dachbegriff für verschiedene voneinander unabhängige urbane Minderheiten, die in den Küstenstädten des Südens leben wie z.B. in Mogadischu, Merka oder Baraawe. Die Benadiri-Gruppen beschäftigen sich traditionell mit Handel. Sie haben eine gemischte Abstammung aus Somalia, Arabien (Oman), Persien, Indien und Portugal. Vor 1991 hatten sie einen privilegierten Status. Ohne bewaffnete Miliz waren sie im Bürgerkrieg aber schutzlos (SEM 31.5.2017). Die Bajuni: Sie sind ein kleines Fischervolk, das auf den Bajuni-Inseln an der Südspitze Somalias sowie in Kismayo lebt (SEM 31.5.2017).

Die soziale Stellung der ethnischen Minderheiten ist unterschiedlich. Die Benadiri sind gemeinhin als Händler respektiert (SEM 31.5.2017). Die Existenz einer dynamischen Wirtschaftsgemeinde der Benadiri ist erwiesen (UKUT 5.11.2015). Ihnen ist es gelungen, Positionen in der Verwaltung zu besetzen. Außerdem sind die meisten in Mogadischu verbliebenen Benadiri-Kaufleute verhältnismäßig wohlhabend und können sich Schutz zukaufen (EASO 8.2014). Benadiri können sich auf der Suche nach einem Lebensunterhalt an diese Gemeinde wenden (UKUT 5.11.2015).

Auf die sesshaften Bantu hingegen, die teils einst als Sklaven ins Land gekommen waren, blicken die meisten Somali herab (SEM 31.5.2017). Die Bantu werden aufgrund ihrer Ethnie diskriminiert (UNHRC 28.10.2015). Es gibt aber auch höherrangige Bantu, z.B. Brigadegeneral Mohamud Haji Ahmed Ali "Shegow" (SEMG 8.11.2017).

Der Konflikt zwischen der Bantu-Gruppe der Shiidle und den Hawiye/Abgal hat in der Vergangenheit immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen geführt. Im November 2013 wurden dabei etwa 5.000 Shiidle aus zwanzig Dörfern nordöstlich von Jowhar (Middle Shabelle) vertrieben (SEMG 8.11.2017; vgl. AA 1.1.2017). Im April 2017 kam es nach Kämpfen zwischen Milizen der Hawiye/Abgal/Wacbudan/Eli und der Jareer/Shiidle/Bare erneut zur Vertreibung von mehr als 5.000 Jareer aus drei Dörfern in der Nähe von Balcad. Verantwortlich dafür waren Abgal-Milizen und einige unterstützend wirkende Elemente der somalischen Armee. Es gibt kaum Berichte über physischen Schaden an Zivilisten; allerdings wurden die Dörfer geplündert und zum Teil niedergebrannt. Die meisten Menschen flüchteten in die Nähe des AMISOM-Stützpunktes in Balcad (SEMG 8.11.2017). Im August 2017 wurde eine neue Bezirksverwaltung für Balcad ernannt; nunmehr sind lokale Clans besser repräsentiert. Die neue Verwaltung hat harte Maßnahmen gegen die Konfliktparteien angekündigt, falls weitere Gewalttaten erfolgen sollten; bislang scheint die Drohung zu wirken (SEMG 8.11.2017).

Da sich ethnische Minderheiten durch die auf der Basis von Clans arrangierte Machtteilung in der Regierung benachteiligt sehen, versucht al Shabaab dies für die eigenen Zwecke auszunutzen und dort um Unterstützung zu werben (UNSOM 18.9.2017). In Gegenden, aus welchen sich al Shabaab zurückgezogen hat, könnte es zu Repressalien gegen einzelne Minderheitenangehörige kommen, wenn diese al Shabaab unterstützt hatten (SEM 31.5.2017; vgl. EASO 8.2014).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-reportsomalia.pdf, Zugriff 21.11.2017 - SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, www.ris.bka.gv.at Seite 23 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019 https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SO M-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017 - SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia, https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017 - UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.11.2017 - UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (18.9.2017): Countering AlShabaab Propaganda and Recruitment Mechanisms in South Central Somalia, https://unsom.unmissions.org/sites/default/files/countering_alshabaab_propaganda_and_recruitment_mechanism s_report_final__14_august_2017.pdf, Zugriff 11.11.2017

17.3. Berufsständische Minderheiten, aktuelle Situation

Berufsständische Gruppen unterscheiden sich hinsichtlich Abstammung, Sprache und Kultur nicht von der Mehrheitsbevölkerung. Anders als die "noblen" Clans wird ihnen aber nachgesagt, ihre Abstammungslinie nicht auf Prophet Mohammed zurückverfolgen zu können. Ihre traditionellen Berufe werden als unrein oder unehrenhaft erachtet. Die berufsständischen Gruppen stehen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie der somalischen Gesellschaft. Sie leben verstreut in allen Teilen des somalischen Kulturraums, mehrheitlich aber in Städten (SEM 31.5.2017).

Madhiban sind in ganz Somalia zu finden, speziell aber im Norden des Landes (SEMG 8.11.2017). Ein v.a. im Norden bekannter Sammelbegriff für einige berufsständische Gruppen ist Gabooye, dieser umfasst etwa die Tumal, Madhiban, Muse Dheriyo und Yibir (SEM 31.5.2017). Dabei sind Madhiban teils schwerer Diskriminierung ausgesetzt. Ein Beispiel der Benachteiligung zeigt sich im Konflikt um Galkacyo, wo die Madhiban durch humanitäre Organisationen benachteiligt wurden. Da den Madhiban in IDP-Lagern dort die Aufnahme verweigert wurde, haben sie mit Hilfe einiger Angehöriger in der Diaspora den Kauf eines geeigneten Grundstücks in Galkacyo organisiert, um dort Madhiban-IDPs unterzubringen. Im August 2017 taten es die Tumal den Madhiban gleich (SEMG 8.11.2017).

Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffe oder Misshandlungen hinsichtlich der Gabooye (SEM 31.5.2017).

Einzig in der Frage der Mischehen besteht noch eine gesellschaftliche Diskriminierung, da Mehrheitsclans Mischehen mit Angehörigen berufsständischer Gruppen meist nicht akzeptieren. Als besonders problematisch wird es angesehen, wenn eine Mehrheitsfrau einen Minderheitenmann heiratet. Der umgekehrte Fall ist weniger problematisch. Mischehen kommen äußerst selten vor - insbesondere die zuletzt genannte Konstellation. Es bestehen aber offenbar regionale Unterschiede: Im clanmäßig homogeneren Norden des somalischen Kulturraums sind Mischehen seltener und gleichzeitig stärker stigmatisiert als im Süden. Hawiye und Rahanweyn sehen die Frage der Mischehe weniger eng. Außerdem ist der Druck auf Mischehen insbesondere in ländlichen Gebieten ausgeprägt (SEM 31.5.2017). Kommt eine Mischehe zustande, dann kommt es häufig zur Verstoßung der betroffenen Person durch die eigenen Familienangehörigen (des Mehrheits-Clans). Sie besuchen sie nicht mehr, kümmern sich nicht um ihre Kinder oder brechen den Kontakt ganz ab; es kommt zu sozialem Druck. Die Gesprächspartner der Fact-Finding Mission bekräftigten, dass es unter solchen Umständen so gut wie nie zu Gewalt oder gar Tötungen kommt. Seltene Vorfälle, in denen es etwa in Somaliland im Zusammenhang mit Mischehen zu Gewalt kam, sind in somaliländischen Medien dokumentiert (SEM 31.5.2017).

Insgesamt ist aber die soziale Stufe und die damit verbundene Armut für viele das Hauptproblem. Hinzu kommt, dass diese Minderheiten in der Regel weniger gut organisiert sind und eine tendenziell schlechtere Kenntnis des Rechtssystems haben. Der Zugang berufsständischer Gruppen zur Bildung ist erschwert, weil an ihren Wohnorten z.B. die Schulen fehlen. Außerdem verlassen viele Kinder die Schule früher, um zu arbeiten. Viele Familien sind auf derartige Einkommen angewiesen. Die meist schlechtere Bildung wiederum benachteiligt Minderheitenangehörige bei der Arbeitssuche, bei der ohnehin auch oft schon die Clanzugehörigkeit zu Diskriminierung führen kann. Da sie über eine kleine Diaspora verfügen, profitieren Angehörige berufsständischer Gruppen zudem in geringerem Ausmaß von Auslandüberweisungen als die Mehrheitsclans (SEM 31.5.2017). Dennoch sind vereinzelt auch Angehörige der berufsständischen Gruppen wirtschaftlich erfolgreich. Sie stellen zwar nach wie vor die ärmste Bevölkerungsschicht; trotzdem gibt es Minderheitenangehörige in den Regierungen, im Parlament und in der Wirtschaft. (SEM 31.5.2017).

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Quellen: - SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SO M- clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017 - SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia, https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

17.4. Angehörige anderer Clans in der Position als Minderheit

Auch Angehörige "starker" Clans können zu Minderheiten werden. Dies ist dann der Fall, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ein anderer Clan dominant ist. Dies kann Einzelpersonen oder auch ganze Gruppen betreffen. So sehen sich beispielsweise die Biyomaal als exponierter Dir-Clan in Südsomalia manchmal in dieser Rolle. Generell gilt, dass eine Einzelperson immer dann in der "Minderheiten"-Rolle ist, wenn sie sich auf dem Gebiet eines anderen Clans aufhält. Sie verliert so die mit ihrer Clanzugehörigkeit verbundenen Privilegien. Sie gilt als "Gast" in dem Territorium, was sie in eine schwächere Position bringt als die "Gastgeber". In diesem System von "hosts and guests" sind also Personen, die sich außerhalb des eigenen Clanterritoriums niederlassen, gegenüber Angehörigen des dort ansässigen Clans schlechter gestellt. In Mogadischu gelten etwa Angehörige der Isaaq, Rahanweyn und Darod als "Gäste". Dieses System gilt auch für IDPs (SEM 31.5.2017). Dabei sind IDPs, die einem Minderheitenclan angehören, doppelt benachteiligt. Da sie oftmals nicht auf verwertbare Clanverbindungen oder auf den Schutz eines Clans zurückgreifen können sind sie Diskriminierung ausgesetzt (USDOS 3.3.2017).

In den meisten Gegenden schließt der dominante Clan andere Gruppen von einer effektiven Partizipation an Regierungsinstitutionen aus (USDOS 3.3.2017). Auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten ist grundsätzlich von einer Diskriminierung im Lichte der jeweiligen Clan- bzw. Subclan-Zugehörigkeit auszugehen. Dabei kann es sich um wirtschaftliche Diskriminierung beispielsweise im Rahmen staatlicher Vergabeverfahren, aber auch um Diskriminierung beim Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, natürlichen Ressourcen, Gesundheitsdienstleistungen oder anderen staatlichen Diensten (AA 1.1.2017), beim Zugang zum Arbeitsmarkt oder um Gerichtsverfahren handeln (USDOS 3.3.2017). Angehörige eines (Sub-)Clans können in Gebieten, die von einem anderen (Sub-)Clan dominiert werden, darüber hinaus auch auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen, insbesondere in Konfliktsituationen bezüglich Unfällen, Eigentum oder Wasser (AA 1.1.2017).

Die Ashraf und die Sheikhal werden als religiöse Clans bezeichnet. Die Ashraf beziehen ihren religiösen Status aus der von ihnen angegebenen Abstammung von der Tochter des Propheten; die Sheikhal aus einem vererbten religiösen Status (EASO 8.2014). Die Ashraf und die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein. Ein Teil der Ashraf lebt als Teil der Benadiri in den Küstenstädten, ein Teil als Clan der Digil/Mirifle in den Flusstälern von Bay und Bakool (EASO 8.2014).

Quellen: - AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia - EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-reportsomalia.pdf, Zugriff 21.11.2017 - SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SO M-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

21.2. Rückkehrspezifische Grundversorgung

Viele Angehörige der somalischen Diaspora wagen in diesen Tagen die Rückkehr. In der Hauptstadt lässt sich die Aufbruch-Stimmung an unzähligen Baustellen und an neuen Straßen, Cafés und Geschäften ablesen. Ausländische Diplomaten, Berater und Helfer strömen ins Land. Botschaften werden gebaut. Doch die meisten Ausländer verschanzen sich hinter hohen Sprengschutzmauern auf dem geschützten Flughafengelände (DW 27.9.2017). Alleine aus der Region zählte der UNHCR im Zeitraum 2014-2017 in Somalia 109.317 freiwillige Rückkehrer (UNHCR 30.11.2017b).

Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind limitiert. So berichteten Personen, die aus Kenia nach Orte in Süd/Zentralsomalia zurückgekehrt waren, über mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten. UNHCR gewährt finanzielle Unterstützung und bietet temporäre Unterkünfte (USDOS 3.3.2017). Allerdings wird - z.B. seitens des UNHCR - versucht, hier Abhilfe zu schaffen. Ein ohne Bedingungen ausgegebenes, sogenanntes Rückkehrpaket enthält: ein aus Sachgütern bestehendes Paket (etwa: www.ris.bka.gv.at Seite 25 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Decken, Seife, Planen, Kanister etc.); eine einmalige Wiedereingliederungshilfe von 200 US-Dollar pro Person; eine auf sechs Monate begrenzte Reintegrationshilfe von 200 US-Dollar pro Haushalt; eine zusätzliche, auf sechs Monate begrenzte Unterstützung mit Essensrationen; eine Bildungsunterstützung, auf neun Monate begrenzt, von 25 US-Dollar pro Kind und Monat (zusätzlich: Schuluniformen, Schulmaterial); und - bei Auswahl - bis zu 1.000 US-Dollar für eine Unterkunft; sowie die Aufnahme in Selbsterhaltungsprojekte (UNHCR 30.11.2017a). In Programmen aufgenommenen Rückkehrern gewährt UNHCR einmalige Wiedereingliederungshilfen und für sechs Monate Reintegrationshilfe. Im November 2017 wurden derartige Gelder an knapp 27.000 Rückkehrer ausbezahlt (rd. 6.000 Haushalte). Andere profitierten von sog. cash-for-work Programmen oder erhielten eine Ausbildung (UNHCR 30.11.2017b).

Die EU unterstützt zahlreiche Reintegrationsprojekte für Rückkehrer in Somalia mit mehr als 33 Millionen Euro aus dem EU Trust Fund (EEAS 5.4.2017). Außerdem hat der UNHCR im Zeitraum 1.-11.2017 1.306 Unterkünfte und 409 Latrinen für Rückkehrer gebaut (UNHCR 30.11.2017b). In Puntland und Somaliland hat die UN für Rückkehrer und IDPs mehr als 5.000 "housing units" errichtet (BFA 3./4.2017). In sog. community empowerment activities werden Rückkehrer in die Rehabilitation von wichtiger öffentlicher Infrastruktur eingebunden. Derartige Projekte laufen etwa in Galkacyo, Baidoa, Kismayo, Afmadow, Luuq und Mogadischu. In anderen Projekten werden Rückkehrer in Berufen ausgebildet. So etwa in Hargeysa (Elektriker, Maler, Installateure, Köche, Schneider), Kismayo (Geflügelzucht), Baidoa (Tischler). Zusätzliche Programme richten sich an Kleinhändler, z.B. in Garoowe, Bossaso, Kismayo, Hargeysa, Luuq und Mogadischu (UNHCR 30.11.2017a). In den Straßen Kismayos sind kleine Geschäfte zu sehen, die von zurückgekehrten ehemaligen Flüchtlingen betrieben werden (UNHCR 18.12.2017). Auch die EU-Agentur ECHO unterstützt mit Programmen und dem Social Safety Net Project 5.000 vulnerable Haushalte (ca. 30.000 Personen) (ACTED 6.12.2017).

Der Jilib [Anm.: in etwa die unterste Ebene des Clansystems] ist u. a. dafür verantwortlich, Mitglieder in schwierigen finanziellen Situationen zu unterstützen. Das traditionelle Recht (xeer) bildet hier ein soziales Sicherungsnetz, eine Art der Sozial- und Unfallversicherung. Wenn eine Person Unterstützung braucht, dann wendet sie sich an den Jilib oder - je nach Ausmaß - an untere Ebenen (z.B. Großfamilie) (SEM 31.5.2017). Daher gilt als allgemeine Regel, dass Somali auch sehr entfernt Verwandte, die aus einer anderen Gegend kommen, unterstützen werden, da eine Clan-Verbindung besteht. Voraussetzung dafür ist, dass die Kapazitäten dafür zur Verfügung stehen. Allerdings wurde das Konzept der Clan-Solidarität in Süd-/Zentralsomalia überdehnt. Viele Familien und Clan-Netzwerke sehen sich nicht mehr in der Lage, die Bedürfnisse vertriebener Verwandter zu erfüllen (DIS 9.2015). Beide - Familie (auch die erweiterten und entfernt verwandten Teile) und Clan - bleiben einer der wichtigsten Faktoren, wenn es um Akzeptanz, Sicherheit und Grundbedürfnisse (Unterkunft, Nahrung) geht.

Eine Person, die an einen neuen Wohnort zieht, erwartet sich die Akzeptanz des Clans in der lokalen Gemeinschaft. Diese Akzeptanz bedeutet, dass die Menschen über den Neuankömmling und seine Verbindungen Bescheid wissen; damit steht auch der Schutz in Verbindung, den diese Person vom Clan erlangen kann. Dies gilt auch für Rückkehrer, doch können diese ja nach Fähigkeiten und Kapazitäten auch autark leben, ohne einer Clan-Belästigung ausgesetzt zu sein. Auf der anderen Seite ist eine schwache Person mit wenigen Ressourcen auf die Unterstützung von Angehörigen, Verwandten oder einem engen Netzwerk angewiesen, um Unterkunft und Einkünfte zu erlangen. Grundsätzlich wird dabei nicht zuerst der Clan um Unterstützung angefragt (DIS 9.2015). Hier wendet man sich zuerst an die Familienebene. Wenn aber eine Person in einem Gebiet weder über Kernfamilie noch über Verwandte verfügt, dann kann der Clan Ressourcen zur Verfügung stellen (DIS 9.2015; vgl. UKUT 3.10.2014), wobei dies im Falle von Mogadischu eher bei großen Clans Erfolg haben wird (UKUT 3.10.2014). Eine übersiedelnde Person, wird sich in einem IDP-Lager wiederfinden und sich keinen Lebensunterhalt sichern können, wenn sie in einer Stadt weder über Kern- oder erweiterte Familie mit entsprechenden Ressourcen verfügt (DIS 9.2015; vgl. UKUT 5.11.2015) noch auf Remissen zurückgreifen kann (UKUT 5.11.2015). Eine andere Quelle gibt an, dass ein Netzwerk aus Familie, Freunden und Clan-Angehörigen für einen Rückkehrer insbesondere auf dem Land von Bedeutung sein wird, während dieses soziale Sicherheitsnetz in der Stadt weniger wichtig ist (NLMBZ 11.2017).

Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration kann also in erheblichem Maße von der Clanzugehörigkeit bzw. von lokalen Beziehungen der rückkehrenden Person abhängen. Rückkehrer ohne Clan- oder Familienverbindungen am konkreten Ort der Rückkehr finden sich ohne Schutz in einer Umgebung wieder, in der sie oftmals als Fremde angesehen werden, vor allem wenn sie aus dem Westen zurückkehren (ÖB 9.2016).

Zur Klärung, welche Mittel eine Person bei einer Rückkehr nach Mogadischu zur Verfügung hat, sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die Lebensumstände der Person vor der Abreise aus Mogadischu; die Dauer der Abwesenheit aus der Stadt; die Clan-Verbindungen, auf welche zurückgegriffen werden kann; der Zugang zu finanziellen Ressourcen; die Möglichkeiten der Person, sich durch Arbeit oder Selbständigkeit einen Lebensunterhalt zu finanzieren; die Verfügbarkeit von Remissen aus dem Ausland; die Lebensumstände der Person im Gastland; und die Frage, ob die Finanzierung der Reise in den Westen einer finanziellen www.ris.bka.gv.at Seite 26 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Unterstützung bei der Rückkehr entgegensteht. Insgesamt liegt es also an der Person selbst zu erklären, warum sie nicht an den durch den Wirtschaftsboom in Mogadischu bestehenden ökonomischen Möglichkeiten teilhaben kann (UKUT 3.10.2014; vgl. UKUT 5.11.2015). Rückkehrer (v.a. aus dem Westen) haben bei der Arbeitssuche in Mogadischu wahrscheinlich Vorteile, da sie eher gebildet sind und als einfallsreicher erachtet werden. Dies gilt noch mehr, wenn der Arbeitgeber selbst ein aus der Diaspora Zurückgekehrter ist (UKUT 3.10.2014; vgl. UKUT 5.11.2015).

Quellen: - ACTED (6.12.2017): Surviving the drought: Jumping from destitution to economic independence, https://reliefweb.int/report/somalia/surviving-drought-jumping-destitutioneconomic-independence, Zugriff 12.1.2018 - BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017): Informationen aus den Protokollen der FFM - DIS - Danish Immigration Service (9.2015): Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Nairobi, Kenya and , Somalia; 2-12 May 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1443181235_somalia-ffm- report-2015.pdf, Zugriff 13.12.2017 - DW - Deutsche Welle (27.9.2017): Somalia zwischen Staatsaufbau und Anti-TerrorKampf, http://www.dw.com/de/somalia-zwischen-staatsaufbau-und-anti-terror-kampf/a40688328, Zugriff 21.12.2017 - EEAS - EU External Action Service (5.4.2017): EU launches re-integration projects worth €33 million in Somalia, https://eeas.europa.eu/delegations/somalia/24214/eu-launchesre-integration-projects-worth-eu33-million- somalia_en, Zugriff 9.1.2018 - NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017): Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraalsomalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018 - ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia - SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SO M-clans-d.pdf, Zugriff 22.11.2017 - UKUT - United Kingdom Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (5.11.2015): AAW (expert evidence - weight) Somalia v. Secretary of State for the Home Department, [2015] UKUT 00673 (IAC), http://www.refworld.org/cases,GBR_UTIAC,5669ccf64.html Zugriff 21.11.2017 - UKUT - United Kingdom Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (3.10.2014): UK Country Guidance Case. MOJ & Ors (Return to Mogadishu) (Rev 1) (CG) [2014] UKUT 442 (IAC), http://www.bailii.org/uk/cases/UKUT/IAC/2014/[2014]_UKUT_442_iac.html, Zugriff 21.12.2017 - UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (18.12.2017): UN refugee chief finds Somalia suffering from instability and drought, but sees hope, https://reliefweb.int/report/somalia/un-refugee-chief-finds-somalia-suffering- instabilityand-drought-sees-hope, Zugriff 12.1.2017 - UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.11.2017a): Repatriation Update; Somalia; 1-30 November 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1514370849_61418.pdf, Zugriff 8.1.2017 - UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.11.2017b): Fact Sheet; Somalia; 1-30 November 2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1514374235_61422.pdf, Zugriff 8.1.2017 - USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Antragstellung sowie die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staats- Religions- und Clanzugehörigkeit sowie seinem Bildungsgrad, seiner beruflichen Erfahrung sowie seinen familiären Verhältnissen gründen sich auf seine im Laufe des Verfahrens im Wesentlichen gleich gebliebenen und insoweit glaubhaften Angaben. Für das Bundesverwaltungsgericht ergab sich keine Veranlassung, an diesen - auch im Hinblick auf die herangezogenen Länderberichte zu Somalia plausiblen - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers gründen sich insbesondere auf seine Aussagen in der mündlichen Verhandlung, bei der er angab sein Gesundheitszustand sei sehr gut, er müsse keine Medikamente nehmen. Auf Nachfrage des Richters, ob er nicht - wie von ihm insbesondere in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 22.08.2017 angeführt wurde - an Hepatitis leide, gab er an "Der Arzt sagte, diese müsse nicht medikamentös behandelt werden." (S. 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).

www.ris.bka.gv.at Seite 27 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Die Feststellungen zu den Somalischkenntnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine Angaben und die problemlose Verwendung der somalischen Sprache in der Erstbefragung, in den Einvernahmen vor dem Bundesamt und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellung, dass sich die Mutter des Beschwerdeführers sowie deren Familie derzeit in Somalia aufhalten, gründet sich auf der diesbezüglichen Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wo der Beschwerdeführer angab, dass sich seine Mutter nach wie vor im Herkunftsstaat aufhalte und bei ihrer Schwester in Hargeysa gewohnt habe (S. 10 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), sowie auf seine Angaben vor dem Bundesamt, wonach weitere der acht Geschwister seiner Mutter samt deren Familien in Burao und Hargeysa leben würden (AS 79).

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers folgen dem von ihm vorgelegten Zertifikat des Niveaus B1 sowie seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung zu den freundschaftlichen Beziehungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet folgen seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung sowie dem Unterstützungsschreiben seines (ehemaligen) Fußballtrainers. Dasselbe gilt für die Feststellung, dass der Beschwerdeführer freundschaftliche Beziehungen zu dauerhaft in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen pflege.

Aufgrund der divergierenden Angaben des Beschwerdeführers während des Verfahrens (vgl. insbesondere seine Aussagen zu Beginn der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, S. 5 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) und mangels Vorlage von Identitätsdokumenten konnte das genaue Geburtsdatum des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Unstrittig ist jedoch, dass der Beschwerdeführer (auch schon bereits im Zeitpunkt seiner Antragstellung) volljährig war.

Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers, seinem damit erzielten Einkommen und seinen ehrenamtlichen Tätigkeiten folgen seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung und den dazu vorgelegten urkundlichen Nachweisen.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Strafregisterauszug der Republik Österreich mit Stand vom 11.03.2019.

Die Feststellung zur Nichtduldung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Auszug des Zentralen Fremdenregisters vom 11.03.2019. Das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG wurde vom Beschwerdeführer weder behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts des Asylverfahrens verfügt hat, ergibt sich ebenfalls aus dem Auszug des Zentralen Fremdenregisters vom 11.03.2019; ein solches Aufenthaltsrecht wurde auch vom Beschwerdeführer nie behauptet.

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist Folgendes festzuhalten:

2.2.1. Zur Begründung von Anträgen auf internationalen Schutz muss die behauptete Verfolgung nicht bewiesen, sondern lediglich glaubhaft gemacht zu werden.

2.2.2. Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel an dem Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

2.2.3. Im vorliegenden Fall gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu der Ansicht, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Somalia nicht die von ihm behauptete Verfolgungs- und/oder Bedrohungslage drohen würde. Vor allem in der Schilderung des fluchtbegründenden Geschehens und seiner Begleitumstände zeigten sich Widersprüche und mit der Lebenserfahrung nur schwer in Einklang zu bringende Vorgänge.

www.ris.bka.gv.at Seite 28 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Dass es dem Beschwerdeführer nicht gelang, eine asylrechtliche Verfolgungs- oder Bedrohungslage in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia/Somaliland als ausreichend glaubhaft erscheinen zu lassen, ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht insbesondere aus seinen - im Laufe des Verfahrens in wesentlichen Teilen - unterschiedlichen Schilderungen des vor vielen Jahren stattgefundenen Vorfalles, bei dem sein Vater eine Person verletzt haben soll, weshalb die Familie des Opfers Rache habe nehmen wollen und vom Beschwerdeführer eine Entschädigungszahlung verlangt habe:

In diesem Zusammenhang verstrickte sich der Beschwerdeführer in verschiedene Widersprüche, die seine Angaben insgesamt nicht glaubwürdig erscheinen lassen. So erklärte der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 03.09.2018, dass sein Vater im Jahr 1984 jemanden überfallen habe und dessen Familie sich daher an ihm rächen bzw. entschädigt werden wolle. Der Vater des Beschwerdeführers sei bei einem Autounfall verstorben. Eine Entschädigung durch den Beschwerdeführer sei im Jahr 2008 gefordert worden (AS 80 f). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht berichtete der Beschwerdeführer hingegen von einem Unfall, bei dem sein Vater eine andere Person überfahren habe. Die Familie des Unfallopfers habe seinen Vater daraufhin umgebracht (S. 13 und S. 16 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2019). Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass es dem Beschwerdeführer wenigstens möglich sein müsste, im Wesentlichen gleichbleibend zu schildern, aus welcher Art von schädigenden Ereignis (Unfall oder Überfall), in das der Vater des Beschwerdeführers involviert gewesen sein soll, seine Verfolger ihre Rache- bzw. Entschädigungsansprüche ableiten, sollte der Beschwerdeführer von Ereignissen berichten, die er tatsächlich erlebte oder über die er tatsächlich in Kenntnis gesetzt wurde. Dasselbe gilt für den Widerspruch in den Angaben des Beschwerdeführers dazu, ob sein Vater bei einem Unfall oder durch Rachehandlungen seiner nunmehrigen Verfolger ums Leben kam; auch dazu wäre eine im Wesentlichen gleichbleibende Schilderung des Beschwerdeführers zu erwarten gewesen, sollte sich dieser Unfall oder sollten sich diese Rachehandlungen tatsächlich zugetragen haben und der Beschwerdeführer darüber tatsächlich in Kenntnis gesetzt worden sein. Deswegen geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass diese Widersprüche die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers massiv erschüttert.

Auch waren die Angaben des Beschwerdeführers insgesamt äußerst vage, widersprüchlich und unplausibel. Auffällig ist auch, dass der Beschwerdeführer bei Fragen zum Grund seiner Bedrohung oft ausweichende oder unzusammenhängende Antworten gab. So antwortet er in der Ersteinvernahme vor dem Bundesamt beispielsweise auf die Frage, was er darunter verstehe, wenn er ausführe, dass er ausspioniert worden sei, lediglich mit: "Es war ganz schlimm" (AS 81). Auch auf den Hinweis des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung, dass allfällige Racheansprüche der Verfolger durch die Ermordung seines Vaters bereits getilgt wären, gibt der Beschwerdeführer die logisch nicht nachvollziehbare Antwort "Mein Vater war ein Einzelkind. Wenn er Geschwister hätte, könnte man etwas dagegen unternehmen" (S. 16 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2019). Hier wäre nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer wenigstens im Ansatz näher ausführen kann, wie er ausspioniert worden sei und wie sich eine etwaige Ermordung seines Vaters auf die Begründetheit der geltend gemachten Racheansprüche der Verfolger des Beschwerdeführers auswirken würde, sollte er von tatsächlich Erlebtem berichten.

Auch zur Höhe der geforderten Entschädigungszahlung macht der Beschwerdeführer widersprechende Angaben. So gab er in der Einvernahme vor dem Bundesamt an: "Ich weiß es nicht. Es wurde auch nichts gesagt." (AS 82). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht beantwortet er die selbe Frage dann mit "50 Kamelen" (S. 17 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2019). Auch hierzu geht das Bundesverwaltungsgericht aus, dass eine gleichbleibende Schilderung zu erwarten gewesen wäre, weswegen auch dieser Widerspruch die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers erschüttert.

Widersprüchlich sind auch die Angaben des Beschwerdeführers dazu, von wem er von dem Vorfall, in den sein Vater involviert gewesen sein soll und aus dem die Gefahr von Rachehandlungen folgen soll, erfahren habe. So gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, dass seine Mutter ihm von dem Unfall erzählt habe (S. 15 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2019). In der Einvernahme vor dem Bundesamt am 03.09.2018 (AS 81) führte er hingegen aus, von seiner Mutter diesbezüglich nie etwas gehört zu haben. Er habe von dem Überfall im Jahr 1984 von einem Mann aus seinem Clan erfahren. Hierzu geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass es dem Beschwerdeführer wenigstens möglich sein müsste, gleichbleibend zu schildern, ob er sich über den behaupteten Vorfall mit seiner Mutter austauschte, sollte sich dieser Vorfall tatsächlich zugetragen haben. Daher erschüttert auch dieser Widerspruch die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers wesentlich.

Befragt, ob wegen des Vorfalls von der Familie des Opfers Anzeige erstattet worden sei, machte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt die Angabe, dass diese sich nicht an Behörden oder Gericht gewandt hätte (AS 83). Vor dem erkennenden Richter führte er jedoch aus, dass der verletzte Mann selbst die Behörden eingeschaltet habe und den Vater des Beschwerdeführers angezeigt hätte (S. 17 der Niederschrift der mündlichen www.ris.bka.gv.at Seite 29 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Verhandlung vom 12.03.2019). Auch hierzu wäre nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts eine gleichbleibende Schilderung zu erwarten gewesen, weswegen auch dieser Widerspruch gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht.

Nicht nachvollziehbar sind weiters die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seiner Verhaftung im Jahr 2014. So war ihm laut seiner Angaben in der Befragung vor dem Bundesamt nicht bekannt, warum er von der Polizei festgenommen worden sein soll. Er gab außerdem an, dass er von zu Hause aus, von seinem Zimmer, von der Polizei mitgenommen worden sei (AS 83). Vor dem Bundesverwaltungsgericht berichtete er hingegen, dass er wegen der Entschädigungszahlung inhaftiert (S. 18 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2019) und er in seinem eigenen Geschäft aufgegriffen worden sei (S. 19 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2019). Bezüglich der Essensausgabe während seiner Inhaftierung machte der Beschwerdeführer ebenso widersprüchliche Angaben: So waren es laut der Angaben der Einvernahme vor dem Bundesamt Frauen, die den Gefangenen das Essen brachten (AS 85). In der mündlichen Einvernahme vor dem erkennenden Gericht gab der Beschwerdeführer auf konkrete Nachfrage jedoch ausdrücklich an: "Die Frauen haben nur das Essen gekocht. Die Polizisten haben es uns gebracht." (S. 19 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2019). Hierzu geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass es dem Beschwerdeführer möglich sein müsste, gleichbleibend zu schildern, ob ihm der Grund seiner Verhaftung bekannt war, wo er festgenommen wurde und ob im Männer oder Frauen während der Anhaltung Essen brachten, sollte er von tatsächlichen Erlebnissen berichten. Daher sprechen diese Widersprüche ebenso massiv gegen die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers.

In einer Gesamtschau der aufgezeigten maßgeblichen Widersprüche und geringen Detailschärfe der Angaben des Beschwerdeführers gelangt das Bundesverwaltungsgericht zu der Ansicht, dass es nicht glaubhaft ist, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Somalia die von ihm behauptete Verfolgungs- und/oder Bedrohungslage drohen würde. Es wurde nicht glaubhaft gemacht, dass ihm wegen der behaupteten Schädigung durch seinen Vater in der Vergangenheit heute Entschädigungsleistungen abverlangt würden oder er Opfer von Rachehandlungen werden würde.

Dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zum Clan der Isaaq mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Gefahr liefe, Übergriffe anderer Bevölkerungsteile zu erleiden, stützt sich zunächst darauf, dass er eine solche Bedrohung nicht substantiiert behauptete. Ferner lassen auch die Länderfeststellungen nicht darauf schließen, dass man in Somalia schon wegen der bloßen Zugehörigkeit zu diesem Clan ernstlich Gefahr liefe, Übergriffe anderer Bevölkerungsteile oder sonstiger Akteure zu erleiden. Im Übrigen handelt es sich bei den Isaaq um einen der noblen Hauptclans, sodass schon deswegen eine solche Feststellung fern liegt.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat

Die wiedergegebenen Ausführungen des Länderinformationsblattes stützen sich auf die jeweils zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, von einander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die Länderfeststellungen wurden dem Beschwerdeführer vorgehalten. Die durch den Beschwerdeführer erstattete Stellungnahme stellt die Richtigkeit der Länderfeststellungen auch nicht in Abrede bzw. stehen die darin ins Treffen geführten Quellen mit den Länderfeststellungen im Wesentlichen in Einklang. Insbesondere lassen diese Berichte nicht auf eine deutliche Verschlechterung der Versorgungslage in der Heimatregion des Beschwerdeführers - er lebte vor der Ausreise in nicht ländlichen Gebieten, nämlich in der Stadt Hargeysa und davor in der Stadt Burao - schließen. In Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers wurde eine Verschlechterung der Versorgungslage in den Regionen Sool und Sanaag festgestellt. Diese in der Stellungnahme zu den herangezogenen Länderberichten festgehaltene Verschlechterung der Versorgungslage betrifft ausschließlich ländliche Gebiete (S. 2 und S. 3 der Stellungnahme vom 26.03.2019). Aus diesen Erwägungen stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass es von örtlichen Gegebenheiten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ausgeht, wie sie in den wiedergegebenen Abschnitten des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Somalia bzw. Somaliland beschrieben sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

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Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.1. Zur Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz für den Status des Asylberechtigten

Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides wendet, ist sie nicht begründet:

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein. Sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen; auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die wohlbegründete Furcht im beschriebenen Sinn (zumindest) "glaubhaft" ist.

3.1.2. Wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt und festgestellt konnte der Beschwerdeführer in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia keine Bedrohung glaubhaft machen, die hier zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten führen kann. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer schon wegen seiner bloßen Zugehörigkeit zum Clan der Isaaq ernstlich Gefahr liefe, hinreichend intensive Übergriffe anderer Bevölkerungsgruppen zu erleiden.

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3.1.3. Auch sonst ergaben sich für das Bundesverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte für eine asylrelevante Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat. Aus diesem Grund ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

3.2. Zur Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz für den Status des subsidiär Schutzberechtigten

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich jüngst mit der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum realen Risiko einer drohenden Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK und zur ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im innerstaatlichen Konflikt auseinandergesetzt und diese wie folgt zusammengefasst (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137):

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053 mwN).

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 und 23.09.2009, 2007/01/0515 mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass ein "real risk" (reales Risiko) vorliegt, wenn stichhaltige Gründe ("substantial grounds") dafür sprechen, dass die betroffene Person im Falle der Rückkehr in die Heimat das reale Risiko (insbesondere) einer Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK geschützten Rechte zu gewärtigen hätte. Dafür spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob dieses reale Risiko in der allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat, in individuellen Risikofaktoren des Einzelnen oder in der Kombination beider Umstände begründet ist. Allerdings betont der EGMR in seiner Rechtsprechung auch, dass nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ein reales Risiko iSd Art. 3 EMRK hervorruft. Im Gegenteil lässt sich seiner Judikatur entnehmen, dass eine Situation genereller Gewalt nur in sehr extremen Fällen ("in the most extreme cases") diese Voraussetzung erfüllt (vgl. etwa EGMR 28.11.2011, Nr. 8319/07 und 11449/07, Sufi und Elmi gg. Vereinigtes Königreich, RNr. 218 mit Hinweis auf EGMR 17.07.2008, Nr. 25904/07, NA gg. Vereinigtes Königreich). In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen ("special distinguishing features"), aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (vgl. etwa EGMR Sufi und Elmi, RNr. 217).

Thurin (Der Schutz des Fremden vor rechtswidriger Abschiebung2 [2012] 203) fasst die bezughabenden Aussagen in der Rechtsprechung des EGMR dahingehend zusammen, dass der maßgebliche Unterschied zwischen einem "realen Risiko" und einer "bloßen Möglichkeit" prinzipiell im Vorliegen oder Nichtvorliegen von "special distinguishing features" zu erblicken ist, die auf ein "persönliches" ("personal") und "vorhersehbares" ("foreseeable") Risiko schließen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur in sehr extremen Fällen ("most extreme cases"), wenn die allgemeine Lage im Herkunftsstaat so ernst sei, dass praktisch jeder, der dorthin abgeschoben wird, einem realen und unmittelbar drohenden ("real and imminent"") www.ris.bka.gv.at Seite 32 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sei. Diesfalls sei das reale Risiko bereits durch die extreme allgemeine Gefahrenlage im Zielstaat indiziert.

Auch im jüngst ergangenen Urteil der Großen Kammer vom 23.08.2016, Nr. 59166/12, J.K. u.a. gegen Schweden, beschäftigte sich der EGMR mit seiner einschlägigen Rechtsprechung und führte u.a. aus, dass die Beweislast für das Vorliegen eines realen Risikos in Bezug auf individuelle Gefährdungsmomente für eine Person grundsätzlich bei dieser liege (va. RNr. 91 und 96), gleichzeitig aber die Schwierigkeiten, mit denen ein Asylwerber bei der Beschaffung von Beweismitteln konfrontiert sei, in Betracht zu ziehen seien und bei einem entsprechend substantiierten Vorbringen des Asylwerbers, weshalb sich seine Lage von jener anderer Personen im Herkunftsstaat unterscheide (vgl. RNr. 94), im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden sei (RNr. 97). Soweit es um die allgemeine Lage im Herkunftsstaat gehe, sei jedoch ein anderer Ansatz heranzuziehen. Diesbezüglich hätten die Asylbehörden vollen Zugang zu den relevanten Informationen und es liege an ihnen, die allgemeine Lage im betreffenden Staat (einschließlich der Schutzfähigkeit der Behörden im Herkunftsstaat) von Amts wegen festzustellen und nachzuweisen (RNr. 98).

Der Tatbestand einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 orientiert sich an Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EG) und umfasst - wie der Gerichtshof der Europäischen Union erkannt hat - eine Schadensgefahr allgemeiner Art, die sich als "willkürlich" erweist, also sich auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann. Entscheidend für die Annahme einer solchen Gefährdung ist nach den Ausführungen des EuGH, dass der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson liefe bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein. Dabei ist zu beachten, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH 17.02.2009, C- 465/07, Elgafaji, und vom 30.01.2014, C-285/12, Diakité).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Nr. 61204/09 und mwH).

3.3.2. Dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Somalia die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, kann im Beschwerdefall nicht angenommen werden. Denn der Beschwerdeführer arbeitete auch vor seiner Ausreise als IT-Techniker und Lebensmittelhändler und legte keinen Grund dar, warum ihm dies bei einer Rückkehr nun verwehrt wäre. Vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen kann in Zusammenschau mit dem genannten Vorbringen daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in Somalia in seiner Existenz bedroht wäre. Er war jedenfalls vor der Ausreise aus Somalia in der Lage, seine Lebensgrundlage zu sichern, und es ist nicht ersichtlich (und hat dies der Beschwerdeführer auch nicht dargetan), weshalb ihm dies nicht auch künftig möglich sein sollte. Schließlich handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen Mann, der in Somalia eine mehrjährige Schulbildung genoss und dessen Mutter und deren Geschwister samt Nachkommen noch immer in Somalia aufhältig sind, sodass er von diesen - vor allem anfangs - notfalls die notwendige Unterstützung erhalten könnte. Auch gehört der Beschwerdeführer einem der in Somalia leistungsfähigen Hauptclans an, der in seiner Heimatregion Togdheer besonders bevölkerungsreich vertreten ist, sodass davon ausgegangen werden kann, dass er auch seitens des Clans Unterstützungsleistungen erfahren würde. Sein Gesundheitszustand ist außerdem so stabil, dass er keine Medikamente einnehmen muss. Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr auf familiäre Unterstützung zurückgreifen könnte, weshalb er vor einer Obdachlosigkeit und existentiellen Notlage bewahrt wäre.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, sodass auch seine gesundheitliche Verfassung einer Abschiebung nicht entgegensteht (zur Judikatur hinsichtlich der Abschiebung kranker Fremder vgl. VfSlg. 18.407/2008). Dass ihm im Zusammenhang mit seinen gesundheitlichen Beschwerden dringend www.ris.bka.gv.at Seite 33 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019 benötigte ärztliche Versorgung oder Medikamente im Herkunftsstaat nicht zugänglich wären, brachte er nicht vor.

Es sind weiters keine Umstände amtsbekannt, wonach in Somalia aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, ist die Situation in Somalia auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers für diesen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde; in Somalia ist aktuell eine Zivilperson nicht alleine aufgrund ihrer Anwesenheit einer solchen Bedrohung ausgesetzt.

In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 26.03.2019 (S. 2 und S. 3) wurde insbesondere auf die S. 4 des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation bezüglich der nicht eingetretenen Verbesserung der Versorgungslage hingewiesen. Hierbei handelt es sich allerdings um Teile der Regionen Sool und Sanaag, die weit östlicher liegen als die Heimatstadt des Beschwerdeführers, Burao, bzw. sein letzter Wohnort, Hergeysa. In der Region Togdheer, in der diese Städte liegen, liegt keine allgemein derart schlechte Versorgungslage vor, dass gleichsam jedermann unter Mangelernährung leidet und so in eine aussichtslose Lage gerät. Gerade für den arbeitsfähigen Beschwerdeführer, der für somalische Verhältnisse über eine gute Ausbildung verfügt und einem der leistungsfähigen Hauptclans angehört, der in seiner Heimatregion Togdheer besonders bevölkerungsreich vertreten ist, liegt es fern, dass er sich seine Nahrungsversorgung nicht würde sichern können.

Schließlich konnten auch die durch den Beschwerdeführer als für seine Ausreise kausal behaupteten Fluchtgründe nicht als glaubhaft gemacht festgestellt werden. Daher ist es ausgeschlossen, aus diesen das Risiko einer Rechtsverletzung abzuleiten, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führt.

3.3.3. Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann daher ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abzuweisen ist.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung und der Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005

3.4.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 52 Abs. 2 Z FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige. Gemäß § 52 Abs. 9 AsylG 2005 hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

3.4.2. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt der Beschwerdeführer weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet ist, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch die Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 FPG wurden.

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Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 FPG behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhaltes im Ermittlungsverfahren hervor.

3.4.3. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - folgende Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423): die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

3.4.3.1. Was einen allfälligen Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführer betrifft, ist Folgendes festzuhalten: www.ris.bka.gv.at Seite 35 von 39 Bundesverwaltungsgericht 25.04.2019

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Der Beschwerdeführer ist ledig, alleinstehend und kinderlos. Er verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Durch die Rückkehrentscheidung wird nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen.

3.4.3.2. Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 5.9.2000, 44328/98, Solomon v. Niederlande; 9.10.2003, 48321/99, Slivenko v. Lettland; 22.4.2004, 42703/98, Radovanovic v. Österreich; 31.1.2006, 50435/99, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande; 31.7.2008, 265/07, Darren Omoregie ua v. Norwegen).

Für den konkreten Fall bedeutet dies:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit August 2015 durchgehend, somit seit ca. dreieinhalb Jahren, im Bundesgebiet. Er legte die Deutsch-Prüfung des Niveaus B1 ab und besucht derzeit einen Deutschkurs des Niveaus B2. Er arbeitet drei Stunden pro Tag als Küchenhilfe und engagiert sich ehrenamtlich in der Marktgemeinde XXXX und im Fußballverein XXXX . Der Beschwerdeführer pflegt Freundschaften zu dauerhaft in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen. All dies ist zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen.

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Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass die sozialen Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich zu Zeitpunkten eingegangen wurden, in denen sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus im Bundesgebiet und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste: Der Beschwerdeführer durfte sich im Bundesgebiet bisher nur aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der zu keinem Zeitpunkt berechtigt war (vgl. zB VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 08.04.2008, Fall Nnyanzi, Appl. 21878/06). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

Zudem lebt der Beschwerdeführer zu wesentlichen Teilen nach wie vor von der Grundversorgung und ist - trotz seiner Erwerbstätigkeit - nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts des Asylverfahrens. Für die Dauer seines Asylverfahrens seit August 2015 befand sich der Beschwerdeführer aufgrund der vorübergehenden Aufenthaltsberechtigungen nach dem Asylgesetz rechtmäßig im Bundesgebiet. Er ist illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und stellte in weiterer Folge einen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwiesen hat.

Auch die Dauer des Verfahrens übersteigt nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008, 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z 85 f.).

Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (zB VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070; 13.10.2011, 2009/22/0273; 19.04.2012, 2011/18/0253).

Auch verfügt der Beschwerdeführer noch über starke Bindungen zum Herkunftsstaat: So halten sich in Hargeysa nach wie vor seine Mutter und deren Geschwister samt Nachkommen auf. Der Beschwerdeführer ist so gesund, dass er keiner ärztlichen Behandlungen und Medikamente bedarf, und er ist arbeitsfähig; ihm ist die Teilnahme am Erwerbsleben im Herkunftsstaat jedenfalls zumutbar. Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Flucht im Jahr 2015 in Burao und Hargeysa. Er besuchte in Burao die Schule und er war vor seiner Ausreise im Herkunftsstaat erwerbstätig. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Somalisch auf muttersprachlichem Niveau. Der Beschwerdeführer hat den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer nach der relativ kurzen Abwesenheit von drei bis vier Jahren - allenfalls auch mit Hilfe seiner nach wie vor vor Ort anwesenden Familie und den Mitgliedern seines Clans, der in der Heimatregion des Beschwerdeführers stark vertreten ist - in die Gesellschaft des Herkunftsstaates wieder eingliedern können wird. Zudem ist zu erwarten, dass der arbeitsfähige Beschwerdeführer, der dem zudem dem leistungsfähigen Mehrheitsclan seiner Heimatregion angehört, sich seinen Lebensunterhalt wird sichern können.

Den dargestellten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

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Das Bundesverwaltungsgericht übersieht bei dieser Einschätzung nicht, dass sich der Beschwerdeführer darum bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen, Freundschaften zu pflegen, sich Vereinen anzuschließen und sozial zu engagieren und in geringem Ausmaß erwerbstätig zu sein. Die vom Beschwerdeführer insgesamt dargelegten integrationsbegründenden Umstände stellen sich jedoch - insbesondere vor dem Hintergrund seiner erst kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich und des Umstandes, dass all seine Integrationsleistungen zu einer Zeit erbracht wurden, während der er sich der Unsicherheit seines Auftrags bewusst sein musste - nicht als derart außergewöhnlich dar, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Rückkehrentscheidung hätte Abstand genommen werden müssen.

Das Bundesverwaltungsgericht kann daher keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat erkennen

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seine persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordneten Rückkehrentscheidungen eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall Rückkehrentscheidungen auf Dauer unzulässig wären.

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Über die Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher nicht abzusprechen.

3.4.4. Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist eine Rückkehrentscheidungen gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen.

§ 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Ein solches kommt dem Beschwerdeführer nicht zu. Die Beschwerdeführer gaben weiter nicht an, über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens zu verfügen.

3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in einen bestimmten Staat zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005.

Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wurde bereits im Zuge der Prüfung der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten verneint; dazu wird auf die betreffenden Ausführungen verwiesen.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005.

Das Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes wurde bereits im Zuge der Prüfung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten verneint; dazu wird auf die betreffenden Ausführungen verwiesen.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht nicht.

Die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia ist daher zulässig.

3.6. Zur Frist für die freiwillige Ausreise

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Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht in einer Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige besondere Umstände vom Beschwerdeführer nicht behauptet wurden und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Rückkehrentscheidungen und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, ist die Beschwerde gemäß § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA- VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sowie § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Insbesondere geht die Entscheidung wesentlich auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zurück, weswegen ihr schon deshalb keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0041). Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

European Case Law Identifier ECLI:AT:BVWG:2019:W234.2208392.1.00

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