Natur- und Zeitschrift für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg Landeskunde Nr. 11–12 · 124. Jahrgang · Husum, November–Dezember 2017

ULF ICKERODT, STEFANIE KLOOSS, MATTHIAS MALUCK, EICKE SIEGLOFF, ASTRID TUMMUSCHEIT UND JAN FISCHER Archäologische Denkmalpflege im Nordfriesischen Watten- meer

Schleswig-Holstein besitzt als ‚Land zwi- aus dem Bereich des Nordfriesischen schen den Meeren‘ mit dem Nordfriesi- Wattenmeers.5 (Abb. 1) schen Wattenmeer und den Nordfriesischen Inseln ein kulturlandschaftliches Alleinstel- lungsmerkmal. Es ist Ort der Inspiration Das Partnerfeld und Geschichtsbuch zugleich.1 Das Archä- ologische Landesamt Schleswig-Holstein Wichtigster Partner vor Ort ist der Landes- (ALSH) ist als obere Landesbehörde für den betrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Schutz dieser einzigartigen Kulturland- Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN). schaft in den Küstengewässern des Landes Daneben steht die organisatorisch gegebene zuständig. Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Das ALSH setzte dabei auf eine forschungs- Landesmuseum in der Stiftung Schleswig- basierte und planungsorientierte Denkmal- Holsteinische Landesmuseen Schloss Got- pflege. Neben den Zielen des Denkmal- torf in Schleswig (ALM) im Bereich von schutzes verfolgt es den ihm zugeordneten Restaurierung, Archivierung und For- Aufgabenbereich der zentralen Erfassung schung.6 des archäologischen Denkmalbestandes des Die wissenschaftlichen Kooperationspart- Landes, dessen wissenschaftliche Erfor- ner sind die Christian-Albrechts-Univer- schung sowie die Führung der archäologi- sität (CAU, Kiel)7, das Zentrum für Baltische schen Landesaufnahme2 und der Vermitt- und Skandinavische Archäologie (ZBSA, lung fachlicher Informationen in die Öffent- Schleswig), das Niedersächsische Institut lichkeit.3 Das ALSH berichtet fallbezogen in für historische Küstenforschung (NIhK, den jährlich herausgegeben „Archäologi- Wilhelmshaven)8 und das Deutsche Schiff- schen Nachrichten aus Schleswig-Holstein“4 fahrtsmuseum (DSM, Bremerhaven)9. sowie in der populärwissenschaftlichen Eine weitere tragende Säule ist die Zusam- Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“ menarbeit mit Anwohnern, der Natur- (AiD) über interessante Fundmeldungen schutzgesellschaft Schutzstation Watten- 205 Abb. 1: Das nordfriesische Wattenmeer ist eine hochdynamische Kulturlandschaft. Historische Kulturlandschafts- relikte, wie die im nördlich von gelegenen Rummelloch frei erodierte Warft, tauchen auf und werden ggfs. wieder mit Sedimenten zugedeckt oder ganz abgetragen. Aus denkmalpflegerischer Sicht ist die Betreuung dieses Landschaftsraumes daher bereits aus organisatorischen Gründen eine Herausforderung. meer e.V. sowie Sammlern und Wattfüh- (Hannover) sowie die Kulturministeriet rern, die nicht nur über ihre Fundmeldun- Agency for Culture and Palaces (Kopenha- gen an die Landesaufnahme, sondern auch gen). Gemeinsames Ziel ist die Fortführung über die Vermittlung von Schutzzielen an des in dem Projekt LANCEWAD begonnenen die vielen Besucher des Wattenmeeres auf Kulturlandschaftskatasters13 oder die zu- die Anliegen des Denkmalschutzes und sammenfassende Beschreibung des Arbeits- der Denkmalpflege aufmerksam machen. gebietes. Darauf aufbauend sollen im Sinne (Abb. 2) des Integrierten Küstenzonenmanagements Ein dritter Aspekt ist die vom ALSH verfolgte gemeinsame Schutzziele und -standards er- raumplanungsorientierte Denkmalpflege.10 arbeitet werden.14 Neben der praktischen Feldarbeit zielt die Arbeit des ALSH auf die Erforschung und Entwicklung geeigneter transnationaler Ma- Landesaufnahme im Wattenmeer, nagementstrukturen, um dem auf dem nord- Meldepflicht und Monitoring friesischen Wattenmeer liegenden, z. B. aus dem Ausbau erneuerbarer Energien heraus Fundmeldungen werden seit 1923 in der ar- resultierenden Nutzungsdruck bereits auf chäologischen Landesaufnahme zentral do- einer raumplanerischen Ebene zu begegnen.11 kumentiert und bewertet.15 Eine erste Dies geschieht im Rahmen der trilateralen Übersicht für das Arbeitsgebiet wurde 1958 Wattenmeerkooperation.12 Kooperationspart- von Karl Kersten und Peter La Baume vor- ner sind vor allem der Rijksdienst voor het gelegt.16 Damals wie heute ist die Melde- Cultureel Erfgoed (Amersfoort), das Com- pflicht gesetzlich geregelt und Grundlage mon Secretariat und das Wad- unserer langjährigen Kooperation mit Watt- densea Forum (Wilhelmshaven), das Nieder- führern und Sammlern sowie dem Natio- sächsische Landesamt für Denkmalpflege nalparkamt. Insbesondere die Wattführer 206 Abb. 2: Die seinerzeit gerade im Aufbau befindliche Detektorgruppe Schleswig-Holstein wurde bereits 2005 und 2006 bei der Prospektion auf dem Lundenberger Sand eingesetzt. Die sog. Detektorarchäologie führt nicht nur am Festland, sondern auch im Wattenmeer zu einer vermehrten Entdeckung von Metallfunden. tragen, trotz anderer Bestrebungen z. B. in der Landesaufnahme, kann aber bei be- durch illegale Sammler, zu einer hohen Ak- sonderen Funden durch die speziellen For- zeptanz dieser Vorgehensweise bei.17 schungsinteressen des ALM oder des ZBSA Die gemeldeten Funde und Fundorte wer- sowie der CAU unterstützt werden. den im ALSH inventarisiert und sind dann Im Vordergrund dieser Arbeit steht das be- in Archäologischen Datenbanken recher- reits zum 23. August 1973 mit der Landesver- chierbar. (Abb. 3) Die Ansprache und Be- ordnung über ein Grabungsschutzgebiet im wertung erfolgt über die zuständige Stelle Bereich der Watten und Sände im nordfriesi-

Abb. 3: Metallfunde wie Tuchplomben, Schellen oder Musketenkugeln aus dem Bereich des Lundenberger Sands konnten im Rahmen der Detektorprospektion 2005 gemacht werden.

207 Abb. 4: Ausgrabungen und Notbergungen, wie beispielsweise die eines mittelalterlichen Brunnenrestes im Rung- holtwatt nordwestlich der Hallig Südfall im Mai 2015, sind nicht nur aufgrund der extremen Bedingungen schwie- rig, sondern werden auch noch stark durch die Wetterbedingungen beeinflusst. schen Wattenmeer eingerichtete Grabungs- bekannte Spuren der Salzgewinnung aus schutzgebiet Nordfriesisches Wattenmeer. Torfen nördlich der Hallig Hooge dokumen- Es umfasst bei einer Größe von etwa 1533 tiert und eingemessen. Quadratkilometern derzeit rund 700 be- Das Hauptproblem bei der Organisation des kannte Fundstellen. Diese entstammen zu- Wattenmeermonitorings sind die wenigen meist den letzten 700 Jahren, da sich die zur Verfügung stehenden, vom Tidenkalen- älteren Kulturspuren aufgrund der beson- der vorgegebenen Zeitfenster. Meist bietet deren geologischen Struktur des Watten- sich überhaupt nur alle 2–6 Wochen die meeres zumeist in tieferen Schichten Möglichkeit von Forschungsaufenthalten befinden. vor Ort mit geeigneten Wetterbedingungen. Aufgrund der Größe und der naturräum- lichen Bedingungen ist allerdings eine sys- tematische Betreuung der Fläche außer- Praktische archäologische Denkmal- ordentlich aufwendig. Dennoch führt das pflege im Nordfriesischen Wattenmeer ALSH ein regelmäßiges Wattfundstellen- Monitoring durch. Dieses umfasst jährlich Im Tagesgeschäft ist das ALSH als Träger öf- mind. drei Tage Geländearbeit sowie die fentlicher Belange und bei der Aufnahme sich daran anschließenden Aufarbeitungs- und Bewertung von Fundmeldungen enga- zeiten. Zwischen 2013 und 2015 fanden giert. Beide Bereiche hängen zum einen von jeweils ein Monitoring im Bereich des Rung- den eingehenden Fundmeldungen und zum holtwatts (nördlich und nordöstlich der anderen von den TöB-Beteiligungsverfah- Hallig Südfall) (Abb. 4) und des Rummel- ren ab und sind daher vom ALSH nicht lochs (Abb. 5), Alt Bensley nordöstlich Pell- planbar. worms, statt. In diesem Zusammenhang Als Träger öffentlicher Belange ist das ALSH wurde ein mittelalterlicher Brunnenrest aus- seit 2012 beim Buhnenbau auf Hallig Gröde gegraben. Bei Hallig Gröde fand eine archä- und auf Pellworm, bei Vorstrandaufspülun- ologisch-vegetationsgeschichtliche Unter- gen und Hafenbaggerungen in Dagebüll, suchung von bronzezeitlichen Wald resten Wittdün und Wyk sowie bei Instandhal- statt.18 Im Frühjahr 2017 wurden bisher un- tungsmaßnahmen der Entwässerungsgrä- 208 ben bei Simonsberg beteiligt worden. Dane- Die Auswertung erfolgte zum Teil in Koope- ben stehen im Jahr 2013 Explorationsboh- ration mit der Arbeitsgruppe für Maritime rungen, im Jahr 2014 die Prüfung von und Limnische Archäologie (AMLA) an der Sandentnahmen und im Jahr 2016 die Universität Kiel. Ein anderer wichtiger Bewertung der Auswirkung von Miesmu- Fund ist ein mesolithisches Geweihbeil, das schelkulturwirtschaft sowie eine Beteili- bei durch Besucher gung gemäß § 4 Abs. 1 auf der Hallig Nord- entdeckt wurde.21 Die Erforschung des in strandischmoor. Europa einzigartigen Fundes erfolgt in Ko- Im Bereich der genehmigungspflichtigen operation mit dem ALM und dem ZBSA. Maßnahmen steht die Beteiligung des Hervorzuheben ist ein 2016 eingegangener ALSH im Rahmen des vom LKN mit ge- Satz von hervorragend aufgearbeiteten steuerten Landesprogramms Hallig 2050 zur Fundmeldungen aus dem Watt bei Pell- Warftverstärkung auf den Halligen im worm. Die ehrenamtlich tätigen Sammler Vordergrund. Hier wird es, entsprechend lieferten in diesem Zusammenhang auch des geplanten Ablaufs, zur Durchführung einen besonderen Fund ein, einen hölzer- von archäologischen Ausgrabungen oder nern Pulverbehälter eines Musketiers aus Baustellenbeobachtungen kommen. Die ers- der Zeit des 30-jährigen Krieges, der derzeit ten Untersuchungen dazu beginnen Ende im ALM restauriert wird.22 2017 auf der Warft Treuberg auf Hallig Lan- Als genehmigende Behörde und Träger der geneß. Neben den Fundmeldungen (s. u.) Fachaufsicht bearbeitete das ALSH eine sind die vom ALSH zu bearbeitenden Bohruntersuchung im Rahmen eines an der Funde durch eine gewisse Zufälligkeit ge- Hermann-Tast-Schule (Husum) angesiedel- prägt. So stand 2016 der Wrackfund am ten Jugend-forscht-Projektes sowie die Pro- von Hörnum (Sylt)19 im Vordergrund spektionsgenehmigung für die Universität (Abb. 6) und 2017 zwei Wrackfragmente auf Mainz, die im Rahmen eines Forschungs- dem Japsand bei Hallig Hooge.20 (Abb. 7) projektes geophysikalische Untersuchungen Da die Feldarbeiten tideabhängig sind, ist im Rungholtgebiet durchführte.23 Daneben der zu leistende Aufwand jeweils erheblich. hat das ALSH die Vorbereitung der Rung-

Abb. 5: Die modernen, satellitengestützten Vermessungsgeräte oder die seit diesem Jahr genutzte Drohne vereinfa- chen und beschleunigen die Feldarbeit. Ein s. g. Sapos ermöglicht die zentimetergenaue Dokumentation von archä- ologischen Funden und Fundstellen. Es wurde beispielsweise bei der Dokumentation eines der in Abb. 1 zu sehenden frühneuzeitlichen Sodenbrunnen eingesetzt.

209 holt-Ausstellung im NordseeMuseum Hu- fen Wadden Sea Region Cultural Heritage am sum sowie die Publikation des Ausstel- 9. Januar 2014 in Kopenhagen unternom- lungsbandes unterstützt,24 die insbesondere men. mit dem Namen Jürgen Newigs verbunden In der Zwischenzeit wurde die Waddenaca- ist und für die besondere Wirkung des Wat- demie (Leeuwarden) als weiterer speziali- tenmeers steht.25 sierter Akteur etabliert. Zuletzt hat das ALSH im Rahmen dieser Zusammenarbeit und aus diesem Prozess heraus die Tagung Eine transnationale Planungsgrundlage History, Landscape and Cultural Heritage of the für das Wattenmeer Wadden Sea Region vom 1. bis zum 3. Dezem- ber 2016 in Husum bei der Einwerbung von Mit dem Projekt Indicative mapping of the ma- Landesmitteln und mit Referaten inhaltlich ritime heritage of the entire Wadden Sea soll das unterstützt. Der Eröffnungsbeitrag der Mi- im Rahmen der trilateralen Wattenmeer-Zu- nisterin hat den Prozess der trilateralen Wat- sammenarbeit begonnene Vorhaben eines tenmeerkooperation und die damit ver- auf gemeinsamer Datengrundlage beruhen- bundenen Ziele gewürdigt. den Managements, wie es in Lancewad und Flankiert wurde dieser Prozess durch das LancewadPlan begonnen wurde, fortge- nach Abstimmung mit dem LKN im Fe- führt werden. Um dieses Vorhaben anzusto- bruar 2014 fertiggestellte Positionspapier ßen, wurden in den letzten zehn Jahren des ALSH zum Kulturerbe Wattenmeer. Darin etliche transnationale Arbeitstreffen durch- wurden die inhaltlichen und formalen Mög- geführt. Den Auftakt bildete das Arbeitstref- lichkeiten untersucht, das Wattenmeer auch fen Cultural Landscape and Maritime unter kulturellen Kriterien als sog. mixed Archaeological Heritage am 6. September 2011 heritage in die UNESCO-Welterbeliste ein- in Hannover. Im darauffolgenden Jahr, vom tragen zu lassen. 25. bis zum 27. September 2012, wurde vom Derzeit engagiert sich das ALSH im Rah- ALSH in Husum der Workshop Indicative men der Förderinitiative Horizon 2020 und mapping organisiert. Ein weiterer Versuch, arbeitet, entsprechend der Zielsetzung der das Forschungsvorhaben anzuschieben, Husumer Tagung 2016, an einem Projektan- wurde in einem gemeinsamen Arbeitstref- trag Cultural heritage of European coastal and

Abb. 6: Das Wrack eines niederländischen Kraweels mit doppelter Beplankung um/nach 1690 in der Tidenzone von Hörnum Odde, Sylt

210 Abb. 7: Das Wrack eines Halbkraweels um/nach 1617 in der Hallig Hoogener Tidenzone beim Japsand (Alle Fotos: Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein) marine region mit. Ziel ist es, fehlende Ar- Archäologische Forschung im beitskraft über die Einwerbung von Dritt- Nordfriesischen Wattenmeer mitteln zu kompensieren. Daneben arbeitet das ALSH an dem Nord- Als wissenschaftliche Daueraufgabe ist die seeküsten-Datenverbund mit. Entsprechend Bearbeitung von Fundmeldungen anzuse- den rechtlichen Grundlagen wird das ALSH hen, die der gesetzlichen Aufgabe der Erfas- die Denkmalliste über Portale wie des sung archäologischer Kulturdenkmale WSR Planing Portal des Wadden Sea Forum dient. zur Verfügung stellen oder hat sie bereits Weiterhin strebt das ALSH die Aufarbeitung über den Digitalen Atlas Nord verfügbar ge- der Kulturspuren im nordfriesischen Wat- macht, um auch auf diese Weise die Öffent- tenmeer über den Lehrstuhl Prof. Ulrich lichkeit zu informieren. Stichwort ist hier Müller am Institut für Ur- und Frühge- das Konzept des open data, d. h. die freie Zu- schichte der CAU in Form von Abschlussar- gänglichkeit zu vom ALSH geführten archä- beiten an. Im Fokus steht u. a. die Aufar- ologischen Fachdaten.26 Ein weiteres beitung des Bestandes des Rungholt- Standbein ist die Unterstützung des ange- Museums von Herrn Hellmut Bahnsen auf strebten webbasierten Kulturlandschaftska- Pellworm. tasters KuLaDig.27 Hier arbeitet das ALSH Neben diesen Vorhaben betreut das ALSH mit dem Museum, Nissen- im Rahmen des Schwerpunktprogramms haus Husum, dem LKN, dem Kreis Nord- 1630 Häfen von der Römischen Kaiserzeit bis friesland und der Stadt Husum zusammen, zum Mittelalter regional die Projekte Geoar- um gezielt über die neuen Technologien chäologische Untersuchungen zu Häfen des 12. über das Wattenmeer und das Hinterland und 13. Jahrhunderts entlang der Hever (Nord- zu informieren. Erste Ergebnisse wurden im friesland) ausgehend vom Handelsplatz Rung- Rahmen der vom 21. bis 22. September 2017 holt und Gewerbewurten und Geestrandhäfen – vom Schleswig-Holsteinischen Heimatbund mittelalterliche Handelshäfen an der deutschen und dem ALSH organisierten Tagung Histo- Nordseeküste der Deutschen Forschungsge- rische Kulturlandschaften in Schleswig-Hol- meinschaft (DFG). Die erhobenen Daten stein: Planung – Gestaltung – Vermittlung werden vom ALSH geprüft und für die erstmals vorgestellt. Langzeitarchivierung aufbereitet. Im Zen- 211 trum des zwischen Sylt und Juist angesie- Fundmeldungen nicht realisiert werden delten Vorhabens steht die Erfassung, Datie- kann. Hinzu kommen die naturräumli- rung und geowissenschaftliche Analyse von chen Unwägbarkeiten bei Geländearbeiten. Sedimenten historischer Sturmflutablage- Fundstellen müssen immer dann bearbei- rungen der letzten 1000 Jahre. Diese bilden tet werden, wenn sie frei erodiert werden. dann die Grundlage für eine Rekonstruk- Die Organisation und Durchführung von tion der großen Sturmereignisse. Weiterer archäologischer Feldarbeit im Wattenmeer Bestandteil sind hydrodynamische Model- sind außerordentlich zeit- und personalin- lierungen, die an ausgesuchten Teiluntersu- tensiv. chungsgebieten durchgeführt werden Daher sensibilisiert das ALSH durch seine sollen. Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit die Mit- Die wissenschaftliche Auswertung des 2016 arbeiter des Nationalparkamtes, der Schutz- am Strand von Hörnum (Sylt) freigespülten stationen Wattenmeer sowie die Wattführer Wracks konnte 2017 abgeschlossen werden. im Nationalpark für den Schutz des Kultur- Die Wrackteile, die sich auf eine Länge von erbes und setzt auf die fachliche Betreuung 15 m erstreckten, weisen auf ein in hollän- ehrenamtlicher Sammler. Im Bereich der discher Tradition in Schalenbauweise kon- Wahrnehmung der Trägerschaft öffentlicher struiertes Schiff hin. Ein auf Basis von Fotos Belange muss die Datenqualität der archäo- angefertigtes 3D-Modell im sog. Structure logischen Landesaufnahme deutlich verbes- from Motion-Verfahren ermöglicht die dau- sert werden. Hierzu sollen neben der erhafte Informationsspeicherung und Visu- konkreten Überarbeitung der Landesauf- alisierung des inzwischen durch die Nord- nahme auch die neuen technischen Auswer- see zerstörten Objektes. Die dendrochrono- tungs- und Forschungsmethoden genutzt logische Altersbestimmung durch Karl U. werden, damit die Kulturspuren dieser ein- Heußner am Deutschen Archäologischen zigartigen historischen Kulturlandschaft, Institut (DAI, Berlin) zeigt als jüngsten Hin- des Nordfriesischen Wattenmeers, auch weis ein um 1690 geschlagenes Bauholz für weiterhin als Teil des Denkmalpflegema- eine Bodenwrange. Der Nachweis der dop- nagements erfasst und erforscht werden pelten Beplankung führt zu verschiedenen können. Interpretationsansätzen, von einem Schiff der Niederländischen Ostindienkompanie über Walfänger im Nordmeer bis zu spezi- alisierten Küstenhändlern, die sich im Wat- Anmerkungen tenmeer aus Mangel an Landeplätzen 1FISCHER 1997, FISCHER 2007; s. a. ICKERODT / 28 trocken fallen lassen. WARNKE 2017, 185–186 2SIEGLOFF 2016, ICKERODT / WARNKE 2017 3MAJCHCZACK 2015a, 2015b, MAJCHCZACK / SEG- Herausforderung Erforschung und Ver- SCHNEIDER 2015, SEGSCHNEIDER 2012 / 2013, SEG- mittlung der Kulturlandschaft Nordfrie- SCHNEIDER 2014, SEGSCHNEIDER u. a. 2015 4 z. B. MAJCHCZACK 2014, WOLTERS u. a. 2016, SEG- sisches Wattenmeer SCHNEIDER 2012 5 z. B. SEGSCHNEIDER 2009, HARTZ / SEGSCHNEIDER Trotz der bisher erzielten Erfolge bleibt 2015, KLOOSS 2017 archäologische Denkmalpflege im Watten- 6 z. B. HARTZ / SEGSCHNEIDER 2014, 2015 meer eine Herausforderung. Vom ver- 7 z. B. RABBEL u. a. 2015 schwemmten Einzelfund bis zum Luftbild 8HARTZ / BEUKER / JÖNS / SEGSCHNEIDER 2012 mit einer ganzen Landschaft von Kultur- 9ICKERODT / WARNKE 2017 spuren reichen die Fundmeldungen. Um 10 ICKERODT / MALUCK 2008, ICKERODT / WARNKE die Landesaufnahme hier in diesem hoch- 2017 gradig dynamischen Landschaftsraum bes- 11 ICKERODT / MALUCK 2017 12 ICKERODT / MALUCK 2008 ser zu strukturieren und den wissen- 13 http://www.waddenseasecretariat.org/sites/ schaftlichen Informationsgehalt eindeutiger default/files/downloads/lancewad_report_ch zu fassen, wäre für das Wattenmeer eine apter_1.pdf (zuletzt 26.09.2017) Überarbeitung notwendig, die zurzeit 14 http://www.lancewadplan.org/ (zuletzt neben den landesweit zu bearbeitenden 26.09.2017) 212 15 ICKERODT 2013a, DERS. 2014a, DERS. 2014b. ICKERODT 2013b: U. Ickerodt, Mythos Grabräuber, 16 KERSTEN / LA BAUME 1958 Abenteurer und Raubgräber. In: P.-R. Becker / C. 17 s. a. ICKERODT 2013b, 26–27 Wawrzinek (Hrsg.), Raubgräber – Grabräuber. 18 WOLTERS u.a. 2017 Mainz (2013), 19–30. 19 KLOOSS 2017; ZWICK / KLOOSS im Druck ICKERODT 2013c: U. Ickerodt, Freie Daten für freie 20 ZWICK / KLOOSS 2017 Bürger – Ein Essay über archäologische Daten, die 21 HARTZ u.a. im Druck Öffentlichkeit und open data. In: S. Winghart 22 KÜHLBORN / KLOOSS im Druck (Hrsg.), Archäologie und Informationssysteme. 23 MAJCHCZACK 2013, RABBEL u. a. 2015, WILKEN u. Vom Umgang mit archäologischen Fachdaten in a. 2015, HADLER / VÖTT 2016 Denkmalpflege und Forschung. (= Arbeitshefte 24 NEWIG / HAUPENTHAL 2016 zur Denkmalpflege in Niedersachsen 42). Hameln 25 s. a. ICKERODT 2017a (2013) 28–33. 26 ICKERODT 2013c ICKERODT 2014a: U. Ickerodt, 90 Jahre Landesauf- 27 ICKERODT 2017b nahme und 80 Jahre staatliche Denkmalpflege in 28 ZWICK / KLOOSS im Druck Schleswig-Holstein. Natur- und Landeskunde. 1– 3, 121 Jahrgang (2014) 1–13. ICKERODT 2014b: U. Ickerodt, Karl Kersten und die Literatur archäologische Landesaufnahme Schleswig-Hol- steins. Archäologische Nachrichten aus Schleswig- Holstein 20 (2014) 12–15. FISCHER 1997: L. Fischer (Hrsg.), Kulturlandschaft Nordseemarschen. Bredstedt (1997). ICKERODT 2017a: U. Ickerodt, Was ist Kryptoarchä- ologie – Von Rungholt und anderen Lost Worlds. FISCHER 2007: N. Fischer, Gedächtnislandschaft Nordseeküste: Inszenierungen des maritimen Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Hol- Todes. In: N. Fischer / S. Müller-Wusterwitz / B. stein 22 (2016) 142–151. Schmidt-Lauber (Hrsg.), Inszenierungen der ICKERODT 2017b: U. Ickerodt, Ein fachübergreifen- Küste. Berlin (2007) 150–183. des Kulturlandschaftskataster und Management- instrument für Schleswig-Holstein – Das Projekt HADLER / VÖTT 2016: H. Hadler / A. Vött, Das Rungholt-Watt im Fokus aktueller geoarchäologi- Regiobranding und das Kulturlandschaftspor- scher Forschungen. In: J. Newig / U. Haupenthal tal KuLaDig. 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