Quellen für den Unterricht 39 Ulrich Maier

, und Biberach …“ Vor 150 Jahren entstand das württembergische Eisenbahnnetz

Als 1825 in England die erste Eisenbahn- werden? Weder das auf dem Feld pflü- versucht, dieses Problem durch Anlegen linie von Stockton(-on-Tees) nach Dar- gende, noch das auf den Triften weidende von Kanälen zu lösen, wie in Frankreich lington eröffnet wurde, war Gegnern wie Vieh wird diese Ungeheuer ohne Entsetzen oder auch in Preußen. Doch die Topo- Befürwortern des neuen Verkehrsmittels wahrnehmen. Die Eisenpreise werden grafie des Landes setzte solchen Plänen klar, dass eine neue Zeit begonnen hatte. sich mindestens verdoppeln, wenn die Vor- unüberwindliche Grenzen. Wenn es nun Eigentlich lag die Erfindung des ersten räte an diesem Metall, was wahrscheinlich gelänge, den bis schiffbaren Eisenbahnkonstrukteurs George Stephen- ist, nicht ganz und gar erschöpft werden. Neckar durch eine Eisenbahn mit der son recht nahe, sozusagen in der Luft, Die Eisenbahn wird der größte Unfug sein, Donau bei Ulm zu verbinden, wäre ein denn die Zeit war reif dafür. sie wird die vollständige Störung der Ruhe Handelsweg von der Nordsee über den Geleise als künstlich in Stein gehauene und des körperlichen sowohl wie des Rhein zur Donau bis ins Schwarze Meer Spurrillen gab es schon seit der Antike, geistigen Wohlbefindens der Menschen eröffnet, und das Königreich Württem- damit Wagen auf schwierigem Terrain bringen, die jemals der Scharfsinn zu berg läge mit seiner Eisenbahn im kriti- besser manövriert werden konnten. erfinden vermochte. schen Zentrum. Die Waren müssten hier Holzschienen wurden bereits in mittel- Zukunftsorientierte Volkswirtschaftler umgeladen und auf der Eisenbahn alterlichen Bergwerken benutzt, um wie der Tübinger Professor und spätere weitertransportiert werden – eine große Loren leichter bewegen zu können. Die amerikanische Konsul Friedrich List er- Chance für den Handel des Landes. Dampfmaschine hatte James Watt 1781 kannten dagegen schon früh die Bedeu- So setzte Wilhelm schon wenige Jahre, als standortunabhängige Kraftmaschine tung dieser revolutionären Neuerung. nachdem in England die erste Eisenbahn perfektioniert. Nun befassten sich seit Bereits 1824 machte sich List Gedanken gefahren war, eine Expertenkommission Beginn des 19. Jahrhunderts Ingenieure über ein Eisenbahnnetz in Deutschland, ein, die sich Gedanken über eine solche in England und Frankreich mit der Idee, die auch von König Wilhelm I. von württembergische Eisenbahnlinie ma- die Dampfmaschine auf Schienen zu Württemberg interessiert aufgenommen chen sollte. Die Kommission kam 1830 setzen, um Zugtiere für die schon beste- wurden. zu dem Ergebnis, dass die Bahn nicht henden Pferdeeisenbahnen überflüssig nur zur Donau bei Ulm geführt werden zu machen. Doch Stephenson gelang sollte, sondern südwärts weiter bis zum es schließlich als Erstem, dafür eine ein- Erste Eisenbahnpläne Bodensee bei . satzfähige Lokomotive zu entwickeln. im Königreich Württemberg Als dann am 7. Dezember 1835 die erste Stephenson fand für sein Projekt nicht Eisenbahn in Deutschland von Nürnberg nur Befürworter. In einer Parlaments- König Wilhelm hielt zwar nichts von nach Fürth gedampft war, brach auch debatte im britischen Unterhaus fasste diesem aufmüpfigen Tübinger Professor, in Württemberg ein regelrechtes Eisen- Sir Isaac Coffin zusammen, was er von der ihm als Landtagsabgeordneter unan- bahnfieber aus. In den großen Handels- dieser Sache hielt: Für jeden muss es genehm aufgefallen war, da er offen für städten des Landes wie in Ulm, Stuttgart höchst unangenehm sein, eine Eisenbahn mehr Demokratie eintrat und einen und Heilbronn entstanden Eisenbahn- unter seinem Fenster zu haben. Und was Konflikt mit seinem König nicht scheute. gesellschaften, die als Aktiengesellschaf- soll, so frage ich, aus allen Sattlern und Die Idee einer württembergischen Eisen- ten Kapital für den Bau privater Eisen- Herstellern von Kutschen, aus Wagenbesit- bahn ließ ihn allerdings nicht mehr los. bahnlinien sammelten. Recht schnell zern und Kutschern, Gastwirten, Pferde- Mit Umsicht verfolgte er die Einsatz- hatten Kaufleute und Unternehmer er- züchtern, Pferdehändlern werden? Weiß möglichkeit des neuen Transportmittels. kannt, welche Bedeutung es für die das Haus auch, welchen Rauch, welches Anfangs schien die Eisenbahn vor allem zukünftige Entwicklung hatte, ob ihre Geräusch, Gezisch und Gerassel die rasch als Verbindung zwischen schiffbaren Stadt an eine Eisenbahnverbindung vorübereilenden Lokomotiven verursachen Flüssen erwägenswert. Bisher hatte man angeschlossen sein würde oder nicht.

48 Archivnachrichten 40 / 2010 So warb ein Heilbronner Kaufmann mit bend erscheinen die nach heutigen Maß- im Jahr 1847 an den Linien von Ludwigs- folgenden Argumenten für den Erwerb stäben kurzen Bauzeiten. Bereits im Ok- burg bis Heilbronn, von Plochingen bis von Eisenbahnaktien der Heilbronner tober 1845 – zwei Jahre nach Unterzeich- auf die Alb und von Friedrichshafen bis Eisenbahngesellschaft: Stellen wir uns nung des ersten Eisenbahngesetzes – Aulendorf, O.A.Waldsee, mit ungefähr aber die Lage unseres Acker- und Wein- konnte der König das erste Teilstück der 10 000 Mann gearbeitet wurde. Von den baus, unserer Gewerbe und unseres Schwäbischen Eisenbahn von (Stuttgart- bedeutenderen Bauobjekten, welche in Handels vor, wenn diese schnellste und bil- Bad) Cannstatt nach (Stuttgart-)Unter- diesem Jahre vollendet wurden, ist der ligste Beförderungsweise uns nicht, sondern türkheim einweihen. Das Stuttgarter Tunnel bei Kirchheim am Neckar zu nen- nur benachbarten Gegenden zuteil würde! Neue Tagblatt berichtete am 6. Oktober nen. […] Die etwa 1000 Fuß lange Gat- Wie würde sich aller Verkehr nach und 1845 über die erste Vergnügungsfahrt mit terbrücke bei Besigheim war am Schluss nach von hier entfernen, wie würde der der Eisenbahn von Cannstatt nach Un- des Jahres ihrer Vollendung nahe. Wert unserer Güter, unserer Häuser, unse- tertürkheim: Eine ungeheuere Menschen- 1848: Am 7. Juni fand die erste Probe- rer Mühlen etc. im Preis fallen! Erhält uns menge war ab halb zwei Uhr in und um fahrt auf der Eisenbahnstrecke zwischen aber eine zahlreiche Aktien-Unterzeich- den Bahnhof Cannstatt bis Untertürkheim Bietigheim und Besigheim statt, am 27. nung das uns zugesagte Recht einer Eisen- gelagert und wogte hin und her, um die desselben Monats langte die erste Lokomo- bahnverbindung und kommt letzteres angekündigte Probefahrt abzuwarten und tive in Heilbronn an, am 9. Juni sodann wirklich zu Stande, so dürfen wir gewiss anzustaunen. Manches schwäbische Men- wurde die ganze Strecke zwischen Bietig- sein, dass gerade die umgekehrte Wirkung schenkind sah heute zum erstenmal das heim und Heilbronn zum ersten Male sich äußern und dass ohne großes Risiko rauchende, pfeifende und stöhnende Un- befahren. Der regelmäßigen Benützung für den Aktien-Unternehmer der Verkehr geheuer, das man Lokomotive nennt und konnte dieselbe jedoch wegen der noch sich außerordentlich vermehren werde. das mit Windeseile über eiserne Schienen nicht vollendeten Einrichtungen in dem Diesen privaten Initiativen setzte nun wegbrauste. Ohne sichtbaren Anstoß setzte Bahnhof zu Heilbronn erst am 25. Juli König Wilhelm seine Vorstellung einer sich die Maschine in Gang und durchlief übergeben werden. württembergischen Staatseisenbahn die ungefähr eine Poststunde lange Strecke 1849: Am 27. März wurde die Eisen- entgegen. Den privaten Gesellschaften vom Bahnhof Cannstatt nach Untertürk- bahnstrecke zwischen und wurden keine Genehmigungen für ei- heim in fünf Minuten. Aulendorf, Oberamts Waldsee, und am gene Eisenbahnlinien erteilt, kurze Zeit Die Württembergischen Jahrbücher für 29. April die Linie von Aulendorf bis später lösten sie sich auf. König Wilhelm vaterländische Geschichte, Geographie, Sta- Biberach zum erstenmal befahren. Die schickte nun seine Experten nach Eng- tistik und Topographie berichteten in die- ganze Strecke von Biberach bis Fried- land, um dort Erfahrungen zu sammeln. sen Jahren regelmäßig über den Fortgang richshafen ist am 28. Mai dem Gebrauch Nach jahrelangen Diskussionen und des Eisenbahnbaus. Zwischen den Zeilen übergeben worden. Die erste Probefahrt Vorbereitungen unterzeichnete er am wird die Euphorie spürbar, welche den auf der Bahnstrecke von Süßen nach 18. April 1843 ein Gesetz über den Bau Chronisten wie vermutlich alle Zeitgenos- Geislingen fand am 5. Juni, die Eröffnung einer württembergischen Staatseisen- sen ergriffen hatte. Als Beispiel die folgen- derselben am 14. desselben Monats statt. bahn von Stuttgart über Ulm an den Bo- den Zitate aus den Jahren 1845–1850: Die sieben Wegstunden lange Bahn densee. Eine Nordbahn sollte von Stutt- 1845: Die meisten Hände beschäftigte zwischen Biberach und Erbach wurde am gart nach Heilbronn und eine Westbahn wohl der Eisenbahnbau. 15. November zum erstenmal probeweise bis an die badische Landesgrenze geführt 1846: An der Eisenbahnstrecke zwischen befahren. Am 1. November erstieg die werden. Während man in Württemberg , Stuttgart und Cannstatt erste Lokomotive die 17791 Fuß lange noch plante, hatten die badischen Nach- wurde ebenfalls sehr energisch gearbeitet; schiefe Ebene zwischen Geislingen und barn die Nase vorn. Bereits am 12. Sep- schon am 8. Mai konnte der letzte Schluss- Amstetten. tember 1840 war die erste Strecke im stein an dem 2900 Fuß langen Pragtunnel, 1850: Die vollendete Eisenbahnstrecke Großherzogtum eröffnet worden. Sie welcher im Jahr 1844 in Angriff genom- zwischen Ulm und Biberach wurde am führte von nach , men worden war, versetzt werden, am 1. Juni eröffnet. Auf der übrigen Streck von allerdings mit einer Spurweite, die sich 4. Juli sodann wurde das Gewölbe des Ro- Ulm abwärts fand die erste Probefahrt in Deutschland und den meisten euro- sensteintunnels […] geschlossen und zur zwischen Ulm und Amstetten am 22. des- päischen Ländern nicht durchsetzte. selben Zeit der Viadukt über den Neckar selben Monats statt; wonach die ganze Baden musste wenig später alle bisher bei Cannstatt vollendet. Hiedurch war Bahnlinie zwischen Heilbronn und Fried- gebauten Strecken umrüsten. es möglich gemacht, dass am 26. September richshafen am 1. Juli dem Gebrauch über- mittags 12 ¼ Uhr die erste Lokomotive, geben wurde. von Cannstatt kommend, in den Bahnhof Die ersten sechs Lokomotiven wurden Stuttgart, Ulm und in Stuttgart einfahren und am 30. Sep- aus Amerika über Rhein und Neckar Biberach … Die Schwäbische tember die erste Probefahrt von Stuttgart nach (Stuttgart-Bad) Cannstatt gebracht Eisenbahn wird gebaut nach Ludwigsburg unternommen werden und von amerikanischen Spezialisten konnte. Die ganze Strecke wurde am zusammengebaut, anschließend getauft: Der Eisenbahnbau in Württemberg ent- 15. Oktober feierlich eröffnet und an dem- Die erste hieß Neckar, die anderen Rems, wickelte sich nach dem etwas verspäteten selben Tage der allgemeinen Benützung Enz, Fils, Jagst und Donau. Start geradezu explosiv und prägte als übergeben. Für die etwa 250 Kilometer lange Staatsangelegenheit die kommenden 1847: Was die Arbeiten an der Staats- Strecke benötigte die Eisenbahn neun bis Jahrzehnte im Königreich. Atemberau- eisenbahn betrifft, so ist zu erwähnen, dass zehn Stunden.

Archivnachrichten 40 / 2010 49 Die Eisenbahn als stehenden Linien zu einem württember- Remstal neben Gmünd ein paar volkreiche Schlüsselindustrie gischen Eisenbahnnetz ausbauen sollte. Städte, so haben wir dafür die dreifache Zahl und Hall. Zu Recht gilt der Eisenbahnbau als In anderen Regionen des Königreichs Schlüsselphänomen für die Industriali- Das Eisenbahngesetz liefen die Diskussionen ähnlich ab. So sierung Deutschlands. Das trifft auch für von 1858 beauftragte König Wilhelm seinen Ge- Württemberg zu. Die Eisenbahn schuf heimen Rat alle Eingaben zu prüfen und für die wirtschaftliche Entwicklung des Im Februar 1857 sandte die Stadt Crails- das zweite Eisenbahngesetz vorzuberei- Königreichs völlig neue Grundlagen. heim an König Wilhelm ein achtseitiges ten, das er am 17. November 1858 unter- Rohstoffe wie Erz und Kohle, im Land Bittschreiben mit dem Titel Entwicklung zeichnete. Es sah Folgendes vor: selbst nur spärlich vorhanden, konnten der Gründe für einen von der Stadt Crails- herangeschafft und das Roheisen hier heim bei Seiner Majestät dem König – Die Fortsetzung der Nordbahn von weiterverarbeitet werden. König Wil- in Antrag gebrachten Eisenbahnbau vom Heilbronn über Öhringen, Schwäbisch helm verpflichtete Emil Keßler aus Karls- Neckar über Crailsheim nach Ansbach Hall nach Crailsheim, ruhe nach am Neckar, der und Nürnberg. Die neue Linie sollte von – von Crailsheim eine Strecke nach hier in der Esslinger Maschinenfabrik ab (Stuttgart-Bad) Cannstatt oder Bietig- Süden über an der Brenz 1846 Lokomotiven und Waggons baute. heim(-Bissingen) über Backnang und bis Ulm, Bald waren Tausende im Eisenbahnbau Schwäbisch Hall nach Crailsheim ge- – eine Linie von Heilbronn über Neckar- beschäftigt und mussten mit Lebens- führt werden. sulm nach (Mosbach-)Neckarelz zum mitteln versorgt werden. Viele Kleinun- Gleichzeitig forderten die Städte im Anschluss an die badische Odenwald- ternehmen sahen als Zulieferer neue Ab- Remstal eine Ostbahn von (Stuttgart- bahn, satzmöglichkeiten. Handel und Verkehr Bad) Cannstatt über Schwäbisch Gmünd – eine Neckarbahn von nach wurden revolutioniert. Die Eisenbahn nach , die von dort weiter über Rottenburg am Neckar, die über ermöglichte Güter- und Personentrans- Nördlingen ebenfalls nach Nürnberg ge- zur badischen Grenze geführt port in bisher unvorstellbarer Zuver- führt werden könnte. Nun meldeten werden und einen Anschluss in die lässigkeit und Pünktlichkeit und das zu auch Heilbronn, Künzelsau und Schwä- Schweiz ermöglichen sollte, einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. bisch Hall ihre Interessen an. Heilbronn – eine Linie von (Stuttgart-Bad) Cann- Seit dem ersten Eisenbahngesetz waren sah die Chance, Eisenbahnknotenpunkt statt oder vom Filstal aus über noch keine zehn Jahre vergangen, als zu werden, und intervenierte in der Schwäbisch Gmünd und Aalen Rich- das Projekt bereits fertiggestellt war. Die Residenz mit dem Argument, dass Baden tung Nördlingen. württembergische Eisenbahnlinie er- und Bayern eine Verbindung von Mann- streckte sich nun auf etwa 290 Kilometer. heim über Würzburg nach Nürnberg Bereits im Sommer 1862 konnte die Zu den 250 Kilometern der Strecke Heil- planten, was die gesamte Region Nord- Linie Heilbronn–Schwäbisch Hall eröff- bronn–Friedrichshafen kam die rund württemberg benachteiligen würde. Eine net werden. Weitere Bahnstrecken folg- 40 Kilometer lange Strecke der Linie Bie- wesentlich kürzere Strecke nach Nürn- ten. So wurde in einem Staatsvertrag tigheim–Bruchsal, deren 300 Meter lan- berg müsste von der badischen Oden- zwischen Baden und Württemberg 1873 ger Enztalviadukt mit seinen 20 Stein- waldbahn über Heilbronn und Schwä- eine Verbindung von (Bad Friedrichs- säulen, die an ein römisches Aquädukt bisch Hall geführt werden. Schwäbisch hall-)Jagstfeld über (Mosbach-)Neckar- erinnern, dem württembergischen Eisen- Hall und Künzelsau setzten sich ebenfalls elz nach Eberbach zum Anschluss an bahnkonstrukteur Karl Etzel internatio- für eine Streckenführung über Heil- das hessische Eisenbahnnetz vereinbart, nale Anerkennung einbrachte. Es dauerte bronn ein, welche das Kochertal berück- außerdem eine Linie von Heilbronn nicht lange, bis sich die Eisenbahn ge- sichtigte. In einer Eingabe an die Hohe nach Eppingen zum Anschluss an die genüber dem Güterverkehr auf der Ständeversammlung im März 1857 führ- Strecke –Eppingen sowie von Straße und zu Wasser durchgesetzt hatte. ten sie aus: Wenn das Remstal die Eisen- Stuttgart über Horb am Neckar nach Auch bei den Reisenden erfreute sich die bahn benützen will, seinen Wein zu zum Anschluss an die ba- Schwäbische Eisenbahn zunehmender verführen und dem Scheiterholzfloß einen disch Linie von Hausach nach Schiltach Beliebtheit und schrieb deutlich schwarze Achstransport zu substituieren, so hat (Landesarchiv HStAS E 100 Nr. 363). Zahlen. Der Ertrag der württembergi- auch das Kochertal und dessen Seitentäler, Aus der ursprünglich angestrebten Ver- schen Staatseisenbahn machte 1854 vier namentlich in der Öhringer Gegend, aus- bindung der schiffbaren Flüsse Neckar Prozent, 1862 sogar über sechs Prozent gedehnten Weinbau und der Kocher dient und Donau war ein württembergisches des investierten Kapitals aus, ganz abge- nicht nur zum Scheiter-, sondern auch Eisenbahnnetz geworden, das die ver- sehen von den unschätzbaren Auswir- bis Hall zum Stammholzfloß aus einem schiedenen Regionen des Landes immer kungen auf die Infrastruktur des Landes. gegenüber dem Remstäler viel weiteren engmaschiger verknüpfte und über die Regionen, die nicht an der neuen Eisen- Waldrevier. Die Bedürfnisse der Industrie Grenzen des Königreichs hinaus den An- bahnlinie lagen, forderten deshalb im Remstale noch so hoch angeschlagen, schluss an das deutsche und europäische immer massiver eine Fortsetzung des glauben wir nicht, dass dieselbe mehr Netz gewährleisten sollte. Eisenbahnbaus. Diese Gründe führten Frachten braucht, als die Hütte in Erns- 15 Jahre nach dem ersten Eisenbahngesetz bach, die Gerbereien in Künzelsau und die von 1843 im Jahr 1858 zu einem zweiten, Fabriken in Hall; den Eisenwerken stellen das neue Strecken vorsah und die be- wir die Salinen entgegen. […] Hat das

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Archivnachrichten 40 / 2010 51 Entwicklung des Eisenbahnnetzes tembergischen Eisenbahn von Heilbronn im Königreich Württemberg (1845– 1886) nach Friedrichshafen mit der Abzwei- gung von Bietigheim(-Bissingen) zur ba- 1845– 1854 dischen Grenze können die Schülerinnen Heilbronn – Bietigheim – Ludwigsburg – Cannstatt – Esslingen – Göp- und Schüler den Ausbau des württem- pingen – Geislingen – Ulm – Biberach – Ravensburg – Friedrichshafen, bergischen Eisenbahnnetzes grafisch Bietigheim – Mühlacker – Bretten – Bruchsal; erfassen. So könnten in verschiedenen 1855– 1864 Farben die Eisenbahnlinien für die Jahre Heilbronn – Weinsberg – Öhringen – Schwäbisch Hall, 1850, 1860 und 1880 in eine Karte ein- Cannstatt – Waiblingen – Schwäbisch Gmünd – Aalen, getragen und mit dem heutigen Netz Aalen – Nördlingen, verglichen werden. Alternativ dazu kann Aalen – Heidenheim, auch eine Kartenreihe angelegt werden. Mühlacker – , Ferner kann zusätzlich die Zusammen- Plochingen – Nürtingen – Reutlingen – Tübingen – Horb; stellung herangezogen werden, welche 1865– 1874 die Hauptstrecken des württembergi- Heilbronn – Jagstfeld – Osterburken – Königshofen – Lauda – Würzburg, schen Eisenbahnnetzes zeigt – ohne die Wertheim – Tauberbischofsheim – Lauda – Königshofen – Bad Mergent- später noch gebauten Nebenstrecken. heim – Weikersheim – Blaufelden – Crailsheim–Aalen, Anschließend können Schülerinnen und Pforzheim – Wildbad, Schüler anhand von Quellen diskutieren, Pforzheim – – Nagold – Horb – Rottweil – – Singen, was die Streckenführung für die wirt- Rottweil – Schwenningen – Villingen, schaftliche Entwicklung der jeweiligen Tübingen – Hechingen – Balingen, Regionen des Landes bedeutete. Ulm – , Ein kritischer Blick auf die heutige Ent- Herbertingen – Aulendorf – Kißlegg – Leutkirch – Isny, wicklung – Streckenstilllegungen, Aus- Calw – Leonberg – Stuttgart, bau von Stadtbahnnetzen, zunehmende Metzingen – Urach; Umverteilung des Gütertransports von 1875– 1886 der Schiene auf die Straße – können Heilbronn – Eppingen – Bretten, außerdem die ökologischen Aspekte Schwäbisch Hall – Crailsheim, eines öffentlichen Personen- und Güter- Ludwigsburg – Marbach – Backnang, verkehrs zur Diskussion gestellt werden. Horb – Böblingen – Stuttgart, Vielseitige Möglichkeiten ergeben sich Waiblingen – Backnang – Schwäbisch Hall(-Hessental), auch für Projektarbeit, wenn die wirt- Heidenheim – Ulm, schaftlichen, sozialen aber auch die poli- Balingen – Sigmaringen, tischen Folgen des Eisenbahnbaus vor – Pfullendorf, 150 Jahren für das Land anhand weiterer Kißlegg – Wangen, Quellen untersucht werden. Reichhal- Horb – Freudenstadt – Schiltach. tiges Material dazu findet sich in Heimat- büchern, Presse-, Stadt- und Gemeinde- archiven.

Verwendung im Unterricht setzungen für das Aufblühen von Handel und Gewerbe, für einen grenzüberschrei- In den Bildungsplänen des Landes tenden Güteraustausch, vielleicht sogar nimmt das Thema Industrielle Revolution für die nationale Einheit, sicher aber einen bevorzugten Platz ein. Es wird so- für die Entwicklung des Maschinenbaus wohl in der Sekundarstufe I aller weiter- als einem der wichtigsten Sektoren der führenden Schulen als auch auf der Wirtschaft Württembergs. Kursstufe der Gymnasien und Beruflichen Das zweite württembergische Eisen- Schulen behandelt. Für die Kursstufe ist bahngesetz von 1858 zeigt, wie aus den außerdem vorgesehen, Archivalien in ersten Anfängen des Eisenbahnbaus her- den Unterricht einzubeziehen sowie – aus durch massive Forderungen der re- wo es möglich ist – landesgeschichtliche gionalen Wirtschaft Ausbau und die Ver- Bezüge herzustellen. Letzteres gilt auch netzung der Eisenbahnlinien erfolgten. für die Sekundarstufe I. Aufgrund seiner Informationsdichte bei Der Eisenbahnbau stellt für Deutsch- überschaubarem Umfang und unter land wie für Württemberg das Schlüssel- Anleitung auch lesbarer Schrift eignet sich ereignis der industriellen Revolution dar. die Quelle gut für den Einsatz im Unter- Die neue Mobilität schuf erst die Voraus- richt. Ausgehend von der ersten würt-

52 Archivnachrichten 40 / 2010 Königliches Landhaus Rosenstein mit Neckarbrücke und Tunnelmündung in (Stuttgart-Bad) Cannstatt, Lithografie von Eberhard Emminger nach einem Gemälde von Christian Friedrich Leins, um 1845. Vorlage: Stadtarchiv Stuttgart B 7961

1853 von Karl Etzel errichteter Eisenbahn- viadukt über das Enztal bei Bietigheim (-Bissingen), Lithografie von C. Obach nach einer Zeichnung von O. Keller, 1857. Vorlage: Städtisches Museum Ludwigsburg Inv. Nr. 357 W 66

Das 1863–1867 von Georg von Morlok und Adolf Wolff erbaute neue Bahnhofsgebäude in Stuttgart, Zeichnung und Holzschnitt von F. Obermann, koloriert, 1866. Vorlage: Landesarchiv HStAS J 301 a Nr. 22

Archivnachrichten 40 / 2010 53 Literatur

Ute Feyer: Entwicklung des Eisenbahn- netzes. Historischer Atlas von Baden- Württemberg. Beiwort zur Karte X,4. Stuttgart 1972.

Oscar Fraas: Württembergs Eisenbah- nen mit Land und Leuten an der Bahn. Stuttgart 1880.

Artur Fürst: Die hundertjährige Eisen- bahn. Wie Meisterhände sie schufen. Berlin 1925.

Albert Mühl und Kurt Seidel: Die Württembergischen Staatseisenbahnen. Stuttgart 1970.

Christhard Schrenk: Mit dem Dampf- ross vom Neckar zum Kocher. 125 Jahre Eisenbahnlinie Heilbronn–Schwäbisch Hall (Kleine Schriftenreihe des Archivs der Stadt Heilbronn 18). Heilbronn 1987.

Dr. Jur. Supper: Die Entwicklung des Eisenbahnwesens im Königreich Würt- temberg. Denkschrift zum 50. Jahrestag der Eröffnung der ersten Eisenbahn- strecke in Württemberg am 22.Oktober 1845. Stuttgart 1895.

Fahplan der Strecke Heilbronn–Stuttgart– Geislingen an der Steige ab 1. Oktober 1849. Vorlage: Stadtarchiv Stuttgart

Lokomotive „Esslingen“ aus der Maschinenfabrik Esslingen, 1864. Vorlage: Mercedes-Benz Archives & Collection, Stuttgart, ME 1257

54 Archivnachrichten 40 / 2010