09002/0502/0,400’ Zeitschrift fürEntomologieundNaturschutz Insecta Heft 7/2001

Insecta Bundesfachausschuss Entomologie Zeitschrift für Entomologie und Naturschutz

Heft 7/2001 Impressum

© 2002 NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V. Herausgeber: NABU-Bundesfachausschuss Entomologie Schriftleiter: Dr. JÜRGEN DECKERT Museum für Naturkunde der Humbolt-Universität zu Berlin Institut für Systematische Zoologie Invalidenstraße 43 10115 Berlin E-Mail: [email protected] Redaktion: Dr. JÜRGEN DECKERT, Berlin Dr. REINHARD GAEDIKE, Eberswalde JOACHIM SCHULZE, Berlin Verlag: NABU Postanschrift: NABU, 53223 Bonn Telefon: 0228.40 36-0 Telefax: 0228.40 36-200 E-Mail: [email protected] Internet: www.NABU.de Titelbild: Weibchen des Mosel-Apollofalters (Parnassius apollo winningensis) Foto: KINKLER Satz und Bildbearbeitung: Satz- und Druckprojekte TEXTART Verlag, ERIK PIECK, Postfach 42 03 11, 42403 Solingen; Wolfsfeld 12, 42659 Solingen, Telefon 0212.43343 E-Mail: [email protected] Druck: Printwerkstatt RAMBOW, Bonn. Gedruckt auf RecyMago (aus 100 % Altpapier) Insecta erscheint in etwa jährlichen Abständen

ISSN 1431-9721 Insecta, Heft 7, 2001

Inhalt

I5. Tagung des Bundesfachausschusses Entomologie „Ökofaunistisches Monitoring bei Insekten“ (Berlin 23. bis 24. September 2000)

DRÖSCHMEISTER, R. Ökofaunistisches Monitoring bei Insekten – Grundlagen aus Naturschutzsicht ...... 5

VAN SWAAY, C. M. A. Die Bedeutung des Monitoring von Schmetterlingen () für die Erhaltung der Natur in den Niederlanden ...... 17

DECKERT, J. Die entomologischen Sammlungen des Museums für Naturkunde Berlin – Quelle und Referenz für Insekten-Monitoring ...... 24

KUDRNA, O. Über die natürliche Einwanderung von erate (ESPER, 1805) nach Mitteleuropa ...... 29

MÜLLER-MOTZFELD, G. Laufkäfer-Monitoring am Beispiel des Bundeslandes Mecklenburg- Vorpommern ...... 36

KINKLER, H. Der Mosel-Apollofalter (Parnassius apollo ssp. winningensis STICHEL 1899), Vorkommen, Gefährdung und heutiger Schutz ...... 50

SIMON; H.-R. Monitoring von Collembolen in Apfelanlagen (1998-2000) – vorläufige Mitteilung ...... 56

THEUNERT, R. Über die Verbreitung der Arten der Andrena minutula-Gruppe in Niedersachsen und Bremen (Hymenoptera: Apidae) ...... 70

KLAUSNITZER, B. Möglichkeiten und Grenzen der Bioindikation mittels Käferlarven (Coleoptera) ...... 75

BEIER, W., Wiederfund des Laufkäfers Amara praetermissa (C. R. SAHLBERG, 1827) BRÜGGEMANN, C. (Col., Carabidae) für das Land Mecklenburg-Vorpommern ...... 88

DANIELZIK, J. Natura 2000 in Nordrhein-Westfalen ...... 90

WINKELMANN, H. Neue und bemerkenswerte Wanzenfunde für Berlin und Brandenburg ...... 103

Buchbesprechung ...... 107

Auslieferung: Mai 2002 Redaktionelle Hinweise

Manuskripte für Tagungsberichte, wissenschaftliche Beiträge, Tätigkeitsberichte, Kurzmeldungen usw. sind bitte an die Redaktion zu richten. Für die Abgabe der Manuskripte gelten folgende Hinweise: Zeilenabstand 1 1/2-zeilig, Rand von mindestens 3 cm, Nummerierung der Seiten, Art und Gattungsnamen in kursiv, Autorennamen in KAPITÄLCHEN, Her- vorzuhebenes kann fett gedruckt werden. Beispiele für die Abfassung der Literaturzitate sind dem vorliegenden Heft zu ent- nehmen. Der Beitrag sollte sowohl als Papierausdruck, als auch als Textdatei (neue Rechtschreibung, Fließtext, ohne Silbentrennung, keine Formatierungen, ausgenommen fett, kursiv und KAPITÄLCHEN) auf Computerdiskette abgegeben werden. Abbildun- gen wie Strichzeichnungen, Karten etc. sind auf reinweißem Karton oder auf Transparentpapier auf gesondertem Bogen beizufügen und eindeutig zu beschriften. Die Autoren verantworten den Inhalt ihrer Beiträge selbst. Honorare werden nicht gezahlt. Von jeder Arbeit werden den Autoren 30 Seperatdrucke kostenlos zugestellt. Darüber hinausgehende Heftbestellungen sind gebührenpflichtig. Ein Nachdruck – auch auszugsweise – bedarf der Zustimmung des Herausgebers. Insecta, Heft 7, 2001, Seite 5-16

RAINER DRÖSCHMEISTER, Bonn

Ökofaunistisches Monitoring bei Insekten – Grundlagen aus Naturschutzsicht

1. Einleitung Missverständnisse zu vermeiden. Auch hat sich gezeigt, dass sich mit klarer bestimmten Begrif- Monitoring ist ein Thema, welches bereits fen die Sachverhalte besser beschreiben, darstel- seit geraumer Zeit Interesse weckt und sich len und kommunizieren lassen. Hier werden auch als Instrument in verschiedenen interna- die drei Begriffe Dauerbeobachtung, Monito- tionalen Regelwerken zum Schutz der Natur (z. ring und Erfolgskontrolle beschrieben, welche B. Ramsar-Konvention, Fauna-Flora-Habitat- inhaltliche Beziehungen zu einander aufweisen Richtlinie) findet. Ein bundesweit einheitliches (siehe Textbox). Programm des ökofaunistischen Monitorings, Zusammenfassend lässt sich sagen, dass welches sich mit Insekten beschäftigt, sucht „Dauerbeobachtung“ vorwiegend durch die man bisher allerdings vergeblich. Als einziges Länge und Kontinuität einer Beobachtungstä- Beobachtungsprogramm, welches bundesweit tigkeit gekennzeichnet ist und keinen definier- Insekten zur Darstellung des Umweltzustands ten Anwendungszweck beinhalten muss. Dage- benutzt, kann lediglich die bundesweite Gewäs- gen sind „Monitoring“ und „Erfolgskontrolle“ sergütekartierung aufgeführt werden. Diese auf das Erreichen bestimmter Ziele und die Op- Kartierung stellt allerdings nicht auf Natur- timierung von Aktivitäten ausgerichtet. Moni- schutzzwecke oder die Ökofaunistik ab, son- toring für Naturschutz hat den Zweck, (politi- dern benutzt Insektentaxa als Hilfsmittel (Indi- sche) Schutzaktivitäten auszulösen, indem die katoren) zur Einstufung der biologischen Ge- Auswirkungen von Schutzinstrumenten über- wässergüte von Fließgewässern (LAWA 1996). wacht werden. Effizienz- oder Erfolgskontrol- Konzepte zur Einbindung von Insekten in len, welche begrifflich hier nicht weiter diffe- bundesweite Monitoringprogramme für Natur- renziert werden sollen (vgl. aber MAURER & schutz werden derzeit entwickelt und stehen z. MARTI 1999), sollen die Auswirkungen von T. kurz vor der Umsetzung. Die Überlegungen (praktischen) Schutzmaßnahmen überwachen. zu diesen Konzeptentwicklungen und die Vor- Monitoring und Effizienz-/Erfolgskontrolle stellungen für deren Einsatz zum Schutz der sind daher eng verwandt, auch indem bei bei- Natur soll dieser Artikel darlegen. den Begriffen primär keine Aussage über die Dauer der Beobachtungstätigkeit gemacht wird. 2. Begriffsbestimmung In vielen Fällen werden auf Grund der Ziel- setzung eines Monitoringprogrammes die Er- Zunächst soll „Monitoring“ hier hinsicht- hebungen über längere Zeiträume durchge- lich seines Begriffsinhaltes bestimmt und von führt, sodass Monitoring häufig den Charakter verwandten Begriffen abgegrenzt werden, um von Dauerbeobachtungen vermittelt. 6 Insecta, Heft 7, 2001

3. Wofür Monitoring? ber hinaus sollte in jedem Fall überprüft wer- den, ob das vorgesehene Monitoring tatsächlich 3.1. Naturschutzfachlicher Bedarf dem Schutz von Natur und Landschaft dient. Zunächst muss - der Begriffsbestimmung Damit sollen auch mögliche Alibifunktionen folgend - eine Antwort gefunden werden, wofür (vgl. ROWECK 1993) von Monitoringprogram- das Monitoringprogramm Aussagen erzielen men ausgeschlossen werden. soll. Aber auch ohne eine solche Begriffsdefini- Zur Schwerpunktsetzung im Monitoring tion ist es notwendig, schon vor dem Beginn für Naturschutz sollte festgestellt werden, in von Monitoringprogrammen zu klären, ob welchen Bereichen sich absehbar die größten man das Richtige mit seiner Zeit und den zur Gefährdungen und Beeinträchtigungen von Ar- Verfügung stehenden finanziellen Mitteln an- ten, Biotopen und dem Naturhaushalt abspie- fängt (vgl. GREENWOOD 1999, NEW 1999). Darü- len. Um abzuschätzen, welche Faktoren derzeit

Kasten 1: Dauerbeobachtung „Die kontinuierliche Beobachtung bestimmter Umweltparameter wird als Dauerbeobachtung ... bezeichnet“ (PLACHTER 1991, S. 7) „... „Dauerbeobachtung“ [bedeutet] eine auf längere Zeiträume angelegte wiederholte Beobach- tungsaktivität, die nicht auf einen bestimmten Zweck gerichtet sein muss, sondern sich im Be- obachten erschöpfen kann. ... Mit Ergebnissen der Dauerbeobachtung können Veränderungen ... festgestellt oder beschrieben werden.“ (DRÖSCHMEISTER 1998, S. 321) „Im Gegensatz zur Erfolgskontrolle steht die Dauerbeobachtung nicht in einem direkten Zu- sammenhang mit der Umsetzung.“ (MAURER & MARTI 1999, S. 16) Beispiel: Verändert sich die Artenvielfalt der Tagfalter eines jährlich kartierten Wiesen-Transektes mit der Zeit und wenn ja, kommt es zu einer Zu- oder Abnahme?

Kasten 2: Monitoring „(Regelmäßig oder unregelmäßig) wiederholt durchgeführtes Untersuchungsprogramm, das den Grad der Übereinstimmung mit einem vorher festgelegten Standard oder das Maß der Ab- weichung von einer erwarteten Norm ermittelt.“ (HELLAWELL 1991, S. 2; Übersetzung: R.D.) „Ökologische Dauerbeobachtung (Monitoring) ... die ökologische Dauerbeobachtung [hat] die Überwachung des aktuellen Zustandes bzw. ab- laufender Veränderungen von Teilen der Umwelt zum Ziel.“ (REICH 1994, S. 103) „Monitoring für Naturschutz beinhaltet - die wiederholte Erfassung des Zustandes von Natur und Landschaft oder deren Bestandteile sowie darauf einwirkender menschlicher Aktivitäten, - das Wahrnehmen von Veränderungen und - die Ausrichtung auf feste Zielsetzungen (z. B. als Grenzwert) oder Fragestellungen, die einen Anwendungsbezug haben.“ (DRÖSCHMEISTER 1996, S. 78) Beispiel: Ist das Artenhilfsprogramm „Tagfalterarten im Grünland“ erfolgreich und ausreichend oder müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden (Vertragsnaturschutz, gesetzliche Grundlage)? RAINER DRÖSCHMEISTER: Ökofaunistisches Monitoring bei Insekten 7 und voraussichtlich zukünftig wichtig sind, eig- durch die Länder ausgefüllt werden, unterschei- nen sich Analysen zum Einfluss von Gefähr- den sich die Aufgaben des Bundes insbesondere dungsursachen auf die aktuelle Gefährdungssi- im Umsetzungsbereich stark von den Länder- tuation (z. B. BINOT-HAFKE et al. 2000). Hierauf aufgaben. Ein besonderer Bedarf für ein Natur- aufbauend und mit den nötigen methodischen schutzmonitoring auf Bundesebene besteht bei Überlegungen sollte dann ein effektives Moni- solchen Tätigkeiten, die die Naturschutzpolitik toringprogramm konzipiert und entwickelt betreffen (BMU) oder die Natur schädlich be- werden. Eine durchdachte Methodik zur Aus- einflussen können (z. B. Wirtschaftspolitik, wahl der Schwerpunktbereiche und der Moni- Verkehrspolitik). Daher ergibt sich ein Bedarf toringparameter wurde für den Aufbau des tri- an bundesweiten Monitoringprogrammen in lateralen Monitorings im Wattenmeer entwi- vielen Bereichen, die hier beispielhaft aufgezeigt ckelt (KELLERMANN et al. 1994). werden sollen (vgl. DRÖSCHMEISTER 1998): Da Monitoringprogramme häufig von der x Monitoring von Auswirkungen der Natur- Finanzierung durch staatliche Stellen abhängig schutzpolitik; damit sollen die Auswirkun- sind, muss der fördernden Institution klar wer- gen naturschutzpolitischer Instrumente den, wofür das Monitoring dienlich sein soll, (Bundes-Naturschutzgesetz, Fauna-Flora- bevor Geld bereitgestellt wird. Habitat-(FFH)-Richtlinie auf ihre Wirksam- keit überprüft werden und für Novellierun- 3.2. Bedarf an Naturschutzmonitoring auf gen sollen die notwendigen Fachinformatio- Bundesebene nen bereitgestellt werden Vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) x Monitoring von Auswirkungen anderer Po- wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesmi- litikfelder auf die Natur; dabei soll z. B. fest- nisterium für Umwelt, Naturschutz und Reak- gestellt werden, wie die EU-weite oder torsicherheit (BMU) ermittelt, welcher Bedarf bundesweite landwirtschaftliche Subven- an Ergebnissen aus Monitoringprogrammen tionspolitik die Natur schädigt bzw. - im aus den Aufgaben des Bundes zum Schutz von Idealfall - schützt Natur und Landschaft abgeleitet werden muss x Monitoring raumrelevanter Naturschutz- (BÜRGER & DRÖSCHMEISTER 2001). Da grundge- maßnahmen; hierbei steht die Wirksamkeit setzlich geregelt viele Aufgaben im Naturschutz bundesweiter Projekte oder Programme im

Kasten 3: Erfolgs- bzw. Effizienzkontrolle „Effizienzkontrollen im Naturschutz beinhalten die Feststellung und Bewertung der Auswir- kungen von Maßnahmen eines Naturschutzprojektes vor dem Hintergrund der angestrebten Zielsetzung.“ (WEY 1994, S. 188) „Effizienzkontrolle heißt im Grunde nichts anderes als Überprüfung, inwieweit die gesteckten Ziele auch tatsächlich erreicht wurden.“ (BLAB & VÖLKL 1994, S. 292) Erfolgskontrolle „Die Erfolgskontrolle dient der Optimierung der Arbeit ..., indem sie den Erfolg einer Maßnah- me überprüft und gegebenenfalls Korrekturen vorschlägt. Die Kontrolle erfolgt ... durch einen Vergleich der formulierten Ziele mit der erfolgten Umsetzung und der beobachteten Wirkung... Ausgedrückt werden die Resultate v. a. als Wirksamkeit, Effizienz und Effektivität sowie Zweck- mäßigkeit.“ (MAURER & MARTI 1999, S. 17) Beispiel: Zeigen Pflegemaßnahmen in einem Schutzgebiet eine Wirkung hinsichtlich der angestrebten Erhöhung der Vielfalt von Tagfalterarten? 8 Insecta, Heft 7, 2001

Vordergrund; dies ist bisher v. a. wichtig, dann muss auch die artenreichste Gruppe - die um die Effektivität der sogenannten Natur- Arthropoden und insbesondere die Insekten - schutzgroßvorhaben des Bundes einschät- in ein Monitoring eingebunden werden (vgl. zen zu können, aber auch für die Überprü- z. B. EYRE 1996, NEW 1999, PLACHTER 1994). fung der Wirksamkeit von geplanten Nur in den wenigsten Fällen gibt es ausrei- bundesweiten Biotopverbundsystemen chende indikatorische Beziehungen, um Verän- x Erfüllung internationaler Berichtspflichten; derungen in der Insektenfauna durch Erfassung auf Bundesebene müssen im Rahmen inter- der Vegetation angemessen darzustellen. Es gibt nationaler Naturschutz-Regelwerke (z. B. kaum Möglichkeiten, verlässlich aus dem Vor- Konvention zur Erhaltung der Biologischen kommen von Vegetationsstrukturen und Pflan- Vielfalt, FFH-Richtlinie) Berichte abgege- zenarten auf das Vorhandensein von bestimm- ben werden, für die die Datengrundlagen in ten Insektenarten zu schließen, nur der Nega- Monitoringprogrammen zur Verfügung ge- tivnachweis ist relativ einfach (Fehlen von Ar- stellt werden können ten beim Fehlen bestimmter Pflanzenarten oder x Beitrag zu Indikatorensystemen; in Vegetationsstrukturen). Der Schutz von Insek- Deutschland sind mit den Nachhaltigkeits- ten kann in effektiver Weise durchgeführt wer- indikatoren der Bundesregierung und dem den, wenn Schutzprogramme und -instrumen- „DUX“ (Deutscher Umwelt-Index; UBA te durch ein entsprechendes Monitoring beglei- 2000) Indikatorensysteme begonnen wor- tet werden. den, welche zusammenfassend die Nachhal- tigkeit bzw. die Situation von Umwelt und Natur darstellen sollen; auch auf internatio- naler Ebene (z. B. OECD, Konvention zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt) wird am Aufbau von Indikatorensystemen der- zeit gearbeitet (BÜRGER & DRÖSCHMEISTER 2001), welche mit den Daten aus bundes- weiten Monitoringprogrammen bedient werden müssen x Beitrag zur Naturschutzforschung; als Nebenprodukt des Monitorings fallen Er- gebnisse zu ökologischen Langzeitverände- rungen an, deren Ursachen bisher unbe- kannt sind (POLLARD 1991). Aus diesen Er- gebnissen lassen sich Themen der Natur- schutzforschung ableiten und der Bedarf künftiger Forschungsschwerpunkte benen- nen.

4. Bedeutung der Insekten im Monitoring für Naturschutz

Die Insekten spielen zwar bisher eine unter- geordnete Rolle in laufenden Monitoringpro- Abb. 1.: Werbung für Naturschutz mit „Ekeltieren“ (Foto: grammen, sollen aber in ein naturschutzorien- K.-P. ZSIVANOVITS). Das Titelbild der Zeitschrift English tiertes Monitoring wie vom Bundesamt für Na- nature No. 21, 1995 wirbt mit der Röhrenspinne Eresus turschutz konzipiert (siehe unten) in Zukunft sandaliatus („ladybird spider“) als „Hingucker“ für Natur- stärker eingebunden werden. Wenn Aussagen schutz. Dieses Beispiel und andere Erfahrungen zeigen, dass die Eignung von Tieren für die Öffentlichkeitsarbeit über Veränderungen der biologischen Vielfalt beeinflusst werden kann. So kann auch für bisher unbe- wie oben skizziert ermöglicht werden sollen, liebte Arten Verständnis und Interesse geweckt werden. RAINER DRÖSCHMEISTER: Ökofaunistisches Monitoring bei Insekten 9

Insekten eignen sich darüber hinaus gut, se bezüglich der einzelnen Arten und Arten- Zustände von Lebensräumen und den Einfluss gruppen. Auch die Grundlagen zur Entwick- anthropogener Nutzungen zu indizieren. Insek- lung von Bewertungsmaßstäben fehlen für viele ten besiedeln nahezu alle Lebensräume und ste- Artengruppen noch. hen daher in vielen Fällen für Zustandsbewer- Ein häufiges Problem beim Monitoring von tungen zur Verfügung. Insektengruppen ist es, dass mit den bisherigen „Prominente“ Vertreter der Insekten er- Methoden keine reproduzierbaren Ergebnisse möglichen es, Ergebnisse aus Monitoringpro- erzielt werden können. Dies hat verschiedene grammen anschaulich und interessant darzu- Gründe, z. B. dass die Methoden häufig „des- stellen. Z. B. große und schöne Tagfalter wie der truktiv“ sind und Tiere in nicht unerheblichen Schwalbenschwanz (Papilio machaon) oder Mengen getötet und aus dem Lebensraum ent- bunte Käfer wie der Alpenbock (Rosalia alpina) nommen werden (Beispiel: Lichtfang). Des eignen sich gut, um einen Aufhänger für Presse- Weiteren gibt es für viele Methoden bis heute arbeit oder die Naturschutzbildung darzustel- noch keine anerkannten Standards oder sie sind len. Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit lässt prinzipiell nicht personenunabhängig standar- sich das Spektrum der für eine Publikumswir- disierbar (z. B. die für viele Insektengruppen kung geeigneten Arten allerdings durchaus er- gängige Methode des Kescherns). Hier müssen weitern, wie es z. B. beim Fledermausschutz in Alternativen gefunden oder entwickelt werden, den letzten Jahren gelungen ist, wobei sich die die brauchbare Resultate liefern, aber Fledermäuse vom Ekeltier („Blutsauger“) zum personenunabhängig und über lange Zeiträume Kultobjekt („Batman“) entwickelt haben. Mit vergleichbar anwendbar sind. Ein Beispiel für den Spinnen, die bei vielen Menschen zunächst Methodenstandardisierungen stellt POLLARD Abscheu erregen, wird in Großbritannien Wer- (1977) dar. bung für Naturschutz gemacht (Abb. 1, vgl. Häufig wird ein Monitoring von Insekten auch NEW 1999). Dies scheint erfolgreich zu als zu teuer angesehen, da fachlich hoch qualifi- sein, zumal die Röhrenspinne als auffällige Ver- ziertes Personal für die Bestimmung der Tiere treterin ausgewählt wurde, und dadurch auch benötigt wird und insgesamt ein hoher Perso- die Akzeptanz für den Schutz anderer Spinnen nalaufwand nötig ist. Andere Monitoringberei- erhöht werden kann. che, wie z. B. das Monitoring von großräumi- Durch ein Monitoring von Insekten und ei- gen Landschaftsveränderungen mit Hilfe der ne entsprechende Darstellung der Ergebnisse Satellitenfernerkundung oder die Messung von kann auch das Interesse an Insekten bei For- Umweltschadstoffen, sind allerdings meist ins- scherinnen und Laien gesteigert werden, was gesamt wesentlich kostenintensiver und weni- zur Vermehrung der Kenntnisse über Taxono- ger aussagekräftig für die Beschreibung der mie, Ökologie und Verbreitung beiträgt. Auswirkungen von Nutzungsintensivierungen Der Einführung von Monitoringprogram- auf die Biologische Vielfalt. Häufig werden bei men bei Insekten stehen allerdings auch einige solchen Vergleichen allerdings der erhebliche Hindernisse entgegen, die soweit möglich über- Entwicklungs- und Maschinenaufwand nicht in wunden werden müssen und im Folgenden be- die Bilanzierung einbezogen (externalisiert), nannt werden sollen. Die hohe Vielfalt an In- sodass die Kosten für biologische Arbeiten (fast sektenarten birgt nicht nur Vorteile, sondern ausschließlich Personalkosten) unrealistisch erschwert die Zugänglichkeit und Überschau- hoch erscheinen. barkeit, wenn man sich mit allen Insektenarten Einige Arten oder Artengruppen sind heute beschäftigen will. Dazu kommt, dass man heute unbeliebt und als Schädlinge oder Lästlinge be- davon ausgehen muss, dass bei einigen Grup- kannt (vgl. MÜLLER-MOTZFELD 1996). Entgegen pen die Grundlagen nicht ausreichend sind, um der Mannigfaltigkeit und auch der Schönheit ein Monitoring aufzubauen. Dazu gehören De- zahlreicher Vertreter der Heteroptera werden fizite bei der Taxonomie und Bestimmbarkeit heute bei den meisten Mitmenschen durch den sowie bei dem Wissen über Ökologie, Vorkom- Begriff „Wanzen“ eher unangenehme Assozia- men und Reaktionen auf anthropogene Einflüs- tionen geweckt, die auf Erzählungen oder Er- 10 Insecta, Heft 7, 2001 fahrungen mit den früher weit verbreiteten gefährdete und endemische Arten (als natur- Bettwanzen zurückgehen. Auch Insektenlarven schutzfachlich wertvolle Bestandteile von Natur (als „Maden“ oder „Würmer“ wahrgenommen) und Landschaft, vgl. BENZLER 2001) als auch genießen nicht die gleiche Beliebtheit wie ihre solche zur Beobachtung der Veränderungen in adulten Vertreter (vgl. CARLE 1970). der „Normallandschaft“ (vgl. DRÖSCHMEISTER 2001). Mit der Entwicklung einer übergeordne- 5. Konzeption des bundesweiten Monitorings ten Struktur (vgl. Abb. 2) ist es gelungen, ein- für Naturschutz zelne Monitoringprogramme in den Gesamtzu- sammenhang des Naturschutzmonitorings ein- 5.1. Übergeordnete Struktur zuordnen und bestehende Lücken zwischen Um ein bislang auf Bundesebene fehlendes den laufenden oder geplanten Monitoringpro- Monitoring für Naturschutz zu konzipieren, grammen darzustellen (vgl. BÜRGER & DRÖ- wurde im Bundesamt für Naturschutz eine SCHMEISTER 2001). Gliederung entwickelt, in die die einzelnen Teil- Die Strukturierung der Monitoringteilbe- bereiche des Naturschutzmonitorings einge- reiche basiert auf einer Gliederung nach: ordnet werden können. Zum Monitoring für x Beobachtungsobjekten (Arten, Biotope oder Naturschutz gehören sowohl Programme für Landschaft)

Abb. 2: Gliederung des Monitorings für Naturschutz: Darstellung und Einordnung der Beobachtungsinstrumente auf Bundesebene (aus BÜRGER & DRÖSCHMEISTER 2001). Der Bereich des gezielten Artenmonitorings (= Monitoring natur- schutzfachlich wertvoller Arten) ist stark umrandet. Näheres zur Ökologischen Flächenstichprobe, zum 100-Arten-Korb, zum FFH-Monitoring und zur Strukturierung der Beobachtungsbereiche siehe Text, zur Artenauswahl für das gezielte Ar- tenmonitoring siehe BENZLER (2001). Das Wattenmeermonitoring ist ein Teil der trilateral verabredeten Zusammenarbeit zum Schutz des Wattenmeeres und wird in den Niederlanden, Dänemark und Deutschland durchgeführt und schrittweise umgesetzt (KELLERMANN et al. 1994, MARENCIC 1997). Insekten spielen beim Wattenmeermonitoring eine äußerst unterge- ordnete Rolle (TMAG 1997). RAINER DRÖSCHMEISTER: Ökofaunistisches Monitoring bei Insekten 11 x Aussagebereichen („Normallandschaft“ - hieraus abgeleiteten staatlichen Monitoring- naturschutzfachlich wertvolle Bereiche) programme aufgebaut sind und wer die Erhe- Für das Monitoring von Insekten ist v. a. das bungen vornimmt, ist noch ungeklärt. Artenmonitoring (unterer Querblock in Abb. In den Anhängen II und IV der FFH-Richt- 2) von Interesse. Bezüge zu und Verknüpfun- linie sind insgesamt 32 Insektenarten aufge- gen mit anderen Beobachtungsbereichen sind führt (vgl. Abb. 3), die aktuell in Deutschland darüber hinaus vorhanden und notwendig (z. vorkommen. Vergleicht man die Zahl dieser B. eine Lebensraumzuordnung der Artenbeob- Arten z. B. mit der Anzahl von Säugetieren des achtungen, die Verwendung von Artenergeb- Anhangs IV (dies sind 34 Arten), so wird deut- nissen zur Beschreibung der Lebensraumqua- lich, dass ein Ungleichgewicht zumindest im lität oder die Kenntnis abiotischer Faktoren), Vergleich zur Gesamtartenzahl besteht. sollen hier aber nicht weiter ausgeführt werden (zum Bereich der „Normallandschaft“ gibt das 5. 3. 100-Arten-Korb Konzept zur ökologischen Flächenstichprobe Ziel des sogenannten „100-Arten-Korbes“ hier entsprechende Erläuterungen; StBA & BfN ist es, Veränderungen der Gefährdungssitua- 2000, DRÖSCHMEISTER 2001). tion der Arten in Deutschland prägnant und leicht verständlich darzustellen, und dies mit ei- 5. 2. FFH-Monitoring ner kleinen ausgewählten Anzahl von Arten Im Rahmen der FFH-Richtlinie durchzuführen. In Analogie zum „Warenkorb“ (92/43/EWG) ist ein „Allgemeines Monitoring“ des Statistischen Bundesamtes, mit dem die (Art. 11) durchzuführen, welches Informatio- Entwicklung der Lebenshaltungskosten darge- nen über den Erhaltungszustand der Arten und stellt wird, zielt der „100-Artenkorb“ darauf ab, Lebensräume von gemeinschaftlichem Interes- die Situation und die Bestandsentwicklung in se bereitstellen soll. Bei den Arten sollen die der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt an Parameter Populationsdynamik/Abundanz, ausgewählten Beispielen zu verdeutlichen und Überlebensfähigkeit und Areal sowie Größe messbar zu machen. Damit sollen Erfolge und und Qualität des Lebensraumes beobachtet Misserfolge im Naturschutz auf Bundesebene werden (Art. 1) i) der FFH-Richtlinie). Wie die aufgezeigt werden. Aus dem 100-Arten-Korb

Abb. 3: Anzahl Tierarten, die in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie aufgeführt sind und aktuell in Deutschland vorkommen (Stand: Februar 2001). In beiden Anhängen der Richtlinie sind zusammen 32 Insektenarten aufgeführt (PE- TERSEN 2000). 12 Insecta, Heft 7, 2001 soll ein Naturschutzindikator abgeleitet wer- x die Arten sollen - wenn möglich - dazu ge- den, der in den Deutschen Umweltindex (DUX, eignet sein, die Akzeptanz des Naturschut- UBA 2000) eingebracht werden soll. Bisher sind zes zu erhöhen, indem sie als Sympathieträ- dort lediglich Indikatoren aus dem Bereich des ger für die öffentlichkeitswirksame Darstel- technischen Umweltschutzes aufgenommen, lung von Monitoringergebnissen in Frage während Indikatoren aus dem Naturschutz feh- kommen; deshalb sind insbesondere belieb- len. Darüber hinaus stellt der 100-Arten-Korb te und „schöne“ Arten ausgewählt worden einen Einstieg in ein bundesweites, gezieltes Ar- (zur Beeinflussbarkeit solcher Sympathien tenmonitoring dar, indem ausgewählte Arten vgl. Kap. 4) und damit ein Teilbereich des Artenmonito- Die insgesamt 31 für den 100-Arten-Korb rings abgedeckt sind (vgl. Abb. 2). ausgewählten Insektenarten (von insgesamt 172 Arten, die für die Berechnung der Indika- Für den 100-Arten-Korb wurde zunächst ei- toren auf jeweils 100 reduziert werden sollen) ne Artenauswahl vor dem Hintergrund folgen- entstammen den Ordnungen der Orthoptera, der Kriterien durchgeführt: Coleoptera, Odonata und Lepidoptera sowie x die Arten sollen auf der Roten Liste gefähr- jeweils einem Vertreter der Hymenoptera, deter Arten geführt sein, um eine mögliche Neuroptera und Plecoptera (s. Abb. 4). Von Veränderung der Gefährdungssituation der diesen Insektenarten finden sich zusammen 10 biologische Vielfalt anzuzeigen Arten auch in den Anhängen der FFH-Richtli- x die Arten sollen den Zustand von bestimm- nie. Das Spektrum der Arthropoden im 100- ten Lebensgemeinschaften, die in einer gro- Arten-Korb wird durch 8 Arten der Araneae ben Unterscheidung gefasst wurden, be- vervollständigt. schreiben können und dafür als Deskriptor Die Grundlagen zum Aufbau eines Monito- geeignet sein; Ziel ist es, die Funktionsfähig- ringprogrammes wurden durch ein For- keit des Naturhaushaltes beschreiben zu schungs- und Entwicklungsvorhaben im Auf- können trag des BfN zusammengetragen (eine Publika-

Abb. 4. Vertreter der Arthropoden im 100-Arten-Korb. Dargestellt ist die jeweilige Artenzahl der je Insektenordnung aus- gewählten Arten und die Überschneidung mit den Anhangs-Arten der FFH-Richtlinie (weitere Angaben s. Text). Zusätz- lich ist die Anzahl der nicht im 100-Arten-Korb enthaltenen FFH-Anhangs-Arten dargestellt. RAINER DRÖSCHMEISTER: Ökofaunistisches Monitoring bei Insekten 13 tion ist vorgesehen) und für die einzelnen Arten STBA & BFN 2000). In Tab. 1 sind die für ein wurden Monitoringverfahren vorgeschlagen. Minimalprogramm ausgewählten Tierarten- gruppen dargestellt, wobei bis auf die Vögel alle 5.4. Ökologische Flächenstichprobe Gruppen nur in jeweils ausgewählten Biotopty- Die Ökologische Flächenstichprobe hat das pen erfasst werden. Im Konzept der Ökologi- Ziel, naturschutzrelevante Veränderungen in schen Flächenstichprobe spielen die Insekten der „Normallandschaft“ bundesweit darstellen eine bedeutende Rolle. Alle Erhebungen sollen zu können. Dies ist notwendig, um Naturschutz in einem Turnus von 5 Jahren wiederholt wer- auf der gesamten Fläche zu verwirklichen und den. Weil bei den Tieren dies nicht für eine zu- dafür politisch relevante Informationen über verlässige mittelfristige Berechnung von Be- Zustand und Veränderungen von Natur und standstrends ausreichen würde, soll eine be- Landschaft zur Verfügung zu stellen. Dies ist grenzte Anzahl von Probeflächen jährlich beob- insbesondere wichtig, um einerseits den Ein- achtet werden und als Referenz für die Einord- fluss der Hauptnutzungsbereiche feststellen zu nung der jeweiligen Haupterhebungen dienen können und andererseits bundesweite wie (STBA & BFN 2000). internationale Indikatorendarstellungen mit bundesweit gültigen Informationen bedienen 6. Arbeiten des Bundesamtes für Naturschutz zu können. Dafür wird ein Monitoringansatz zum Monitoring gewählt, der auf zwei Ebenen des Betrachtungs- maßstabes (Landschaft/Biotope, Arten) mit ei- Auf Grund der Aufgabenteilung im Natur- ner geschichteten Stichprobe Untersuchungs- schutz zwischen Bund und Ländern haben sich flächen auswählt und Biotop- sowie Artenerfas- die Aktivitäten auf Bundesebene bis vor weni- sungen beinhaltet (HOFFMANN-KROLL et al. gen Jahren auf koordinative Tätigkeiten und die 1995, BACK et al. 1996, DRÖSCHMEISTER 2001, fallweise Finanzierung der Auswertung von Be-

Tabelle 1. Tierartengruppen in der Ökologischen Flächenstichprobe (aus DRÖSCHMEISTER 2001, vgl. STBA & BFN 2000). Die Auswahl der Artengruppen ist mit einer Prioritä- tensetzung verbunden, die angibt, welche Artengruppen bei einer stufenweisen Um- setzung vorrangig beobachtet werden sollen.

Artengruppe Erfassungsmethode, Probeflächengröße Priorität

Brutvögel Revierkartierung, 1 km2 +++

Heuschrecken 2 Transekte, je 50 m x 2 m +++

Laufkäfer - Waldbiotope 6 Bodenfallen je Transekt (50 m) +++

Laufkäfer - Offenlandbiotope 6 Bodenfallen je Transekt (50 m) ++

Tagfalter Transekt, 50 m x 4 m ++

Süßwassermollusken Aufsammlung auf 1 m2 ++

Totholzkäfer Kombinierte Fenster-Malaise-Falle ++

Libellen Transekt, 50 m x 4 m +

Amphibien Transekt, 50 m x 3 m +

Landschnecken Siebanalysen, 0,25 m2 + 14 Insecta, Heft 7, 2001 obachtungsergebnissen beschränkt. In den letz- führung von Monitoringprogrammen z. B. im ten Jahren wurden zunehmend Aktivitäten Rahmen der FFH-Richtlinie durchaus als Auf- durchgeführt, die den Aufbau eines bundeswei- gabe (und Verpflichtung) der entsprechenden ten Monitorings für Naturschutz ermöglichen Behörden anzusehen. sollen (DRÖSCHMEISTER & BOYE 2000). Neben Ein besonders wichtiger Punkt für die Ar- der Erstellung von Konzepten zu den o. g. Mo- beit von Verbänden im Naturschutzmonitoring nitoring-Instrumenten wird derzeit ein For- ist die politische Einflussnahme. Diese sollte schungsvorhaben für eine Gesamtkonzeption einerseits darauf hinwirken, dass von staatlicher zum Tierartenmonitoring durchgeführt, wel- wie auch von Verbandsseite die notwendigen ches am Beispiel der Vögel die einzelnen Instru- Monitoringprogramme aufgebaut und abgesi- mente verknüpfen und noch bestehende Defizi- chert werden. Andererseits sind die Verbände - te füllen soll (STICKROTH et al. in Vorb.). Darü- insbesondere Naturschutzverbände - in der La- ber hinaus plant der Bund eine Umsetzung der ge, politische Stellungnahmen zur Notwendig- bundesweiten Ökologischen Flächenstichpro- keit von Naturschutzmaßnahmen abzugeben be, womit erstmals auf Bundesebene ein Moni- und das Recht für die Natur einzufordern. Dies toringprogramm für Naturschutz betrieben kann mit Hilfe von Ergebnissen aus Monito- würde. ringprogrammen effektiver und verlässlicher Die Arbeiten zum Monitoring auf Bundes- vorgenommen werden. Andere Politikbereiche ebene sind konzeptionell eng mit den Vorhaben werden seit langem durch die Verwendung all- der Bundesländer verknüpft, was sich auch in gemein akzeptierter Zahlenangaben (wie Brut- der Erstellung eines gemeinsamen Fachkonzep- tosozialprodukt, Aktienindex oder Preissteige- tes „Naturschutzorientierte Umweltbeobach- rungsrate) betrieben und begründet, sodass der tung“ geäußert hat (AKNU 1999). Wichtige Naturschutz seine Position in ähnlicher Weise Kooperationspartner stellen aber auch Verbän- stärken sollte. de und Vereine dar, denen die Beobachtung Ein wichtiger Punkt der Verbandsarbeit oder der Schutz von Arten am Herzen liegt. sollte es sein, das Interesse an Insekten und an- Darüber hinaus bestehen Kontakte mit interna- deren Arthropoden zu steigern. Damit können tionalen Stellen (z. B. Europäisches Themen- auch bestehende Vorurteile aufgehoben oder zentrum Naturschutz und Biodiversität in Pa- zumindest abgemildert werden, die gegenüber ris, Europäische Umweltagentur in Kopenha- mancher Arthropodengruppe bis heute beste- gen) und anderen staatlichen Institutionen (z. hen. Das Interesse lässt sich durch die Einbin- B. Institute for Terrestrial Ecology, Merle- dung von Ehrenamtlichen in Beobachtungs- wood), die den Aufbau eines gemeinsamen eu- programme steigern oder wecken (wie in den ropäischen Naturschutzmonitorings zum Ziel Niederlanden geschehen, SWAAY 2000), aber haben (vgl. BISCHOFF & DRÖSCHMEISTER 2000). auch durch die Vermittlung von Informationen zur Ökologie und zum Schutz der Arten. Ziel- 7. Arbeitsteilung mit Verbänden gruppen hierfür sind einerseits wissenschaftlich tätige Personen (z. B. Universitäten, Natur- Das im Folgenden Skizzierte ist als Anre- schutzfachbehörden) und andererseits die brei- gung für eine Diskussion über eine mögliche te Öffentlichkeit (inklusive PolitikerInnen). Rolle der Verbände beim ökofaunistischen Mo- Eine wichtige Unterstützung für Monito- nitoring von Insekten gedacht, um insbesonde- ring können Fachverbände leisten, wenn sie re den eigenen Standpunkt besser bestimmen Grundlagen wie Angaben über Verbreitung, zu können. Insgesamt sollten sich die Arbeiten ökologische Ansprüche oder Kenntnisse über von ehrenamtlich getragenen Verbänden und bisher vernachlässigte Artengruppen zu- staatlichen Stellen gegenseitig ergänzen und sammentragen oder erforschen. Darüber hin- nicht in Konkurrenz zu einander treten. Dies aus können auch staatliche Beobachtungspro- erscheint für die Durchsetzung der Ziele des gramme, wie sie oben dargestellt wurden, durch Naturschutzes von großer Bedeutung. Insofern Erhebungen von Verbandsseite ergänzt werden, ist auch die gesetzlich vorgeschriebene Durch- indem weitere jährliche Erhebungen die Haupt- RAINER DRÖSCHMEISTER: Ökofaunistisches Monitoring bei Insekten 15 erhebungen, welche im Fall der ökologischen BLAB, J., & VÖLKL, W. (1994): Voraussetzungen und Mög- Flächenstichprobe nur alle fünf Jahre durchge- lichkeiten für eine wirksame Effizienzkontrolle im führt werden, ergänzen oder indem weitere Ar- Naturschutzf. - Schriftenr. Landschaftspflege Na- turschutz 40, 291-300. ten(-gruppen) - z. B. über die Auswahl des 100- BÜRGER, K., & DRÖSCHMEISTER, R. (2001): Naturschutz- Arten-Korbes hinausgehend - beobachtet wer- orientierte Umweltbeobachtung in Deutschland: den. Die oben dargestellten Kriterien und kon- ein Überblick. - Nat. Landschaft 76(2), 49-57. zeptionellen Überlegungen können dabei auch CARLE, E. (1970): Die kleine Raupe Nimmersatt. - Olden- burg, Hamburg (Stalling), 24 S. für den Aufbau von Monitoringprogrammen DRÖSCHMEISTER, R. (1996): Ausgewählte Ansätze für den von Verbänden genutzt werden. Von Ver- Aufbau von Monitoringprogrammen im Natur- bandsseite sollte auch für die eigenen Beobach- schutz - Möglichkeiten und Grenzen. - In: FACHSEK- tungsaktivitäten eine Schwerpunktsetzung TION FREIBERUFLICHER BIOLOGEN IM VDBIOL (Hrsg.): Symposium Praktische Anwendungen des Biotop- durchgeführt werden, insbesondere sollte eine monitoring in der Landschaftsökologie. - Bochum begründete Auswahl bevorzugt zu beobachten- (Selbstverlag), 78-89. der Artengruppen durchgeführt werden, um DRÖSCHMEISTER, R. (1998): Aufbau von bundesweiten Mo- die Beobachtungen zu konzentrieren und aus- nitoringprogrammen für Naturschutz - welche Ba- sis bietet die Langzeitforschung? - Schriftenr. Land- sagekräftige Ergebnisse zu erzielen (vgl. NEW schaftspflege Naturschutz 58, 319-337. 1999). DRÖSCHMEISTER, R. (2001): Bundesweites Naturschutzmo- Voraussetzung für die Reproduzierbarkeit nitoring in der „Normallandschaft“ mit der Ökolo- und Vergleichbarkeit der Monitoringergebnisse gischen Flächenstichprobe. - Nat. Landschaft 76 (2), 58-69. ist die Anwendung vergleichbarer Methoden DRÖSCHMEISTER, R., & BOYE, P. (2000): Ziele und Arbeiten (vgl. PLACHTER 1994). Auch in diesem Bereich des Bundesamtes für Naturschutz im Tierarten- können Verbände durch den Einsatz ihres schutz und Tierartenmonitoring. - Die Vogelwelt Fachwissens und auf Grund ihrer Mitglieder- 121(4), 229-232. EYRE, M.D. (1996): Observations on invertebrates, monito- zahl dazu beitragen, Methoden für das Monito- ring, surveillance and conservation. - In: EYRE, ring von Insekten zu vereinheitlichen und wei- M.D. (Hrsg.): Environmental monitoring, surveil- ter zu entwickeln. Dies kann zu der wichtigen lance and conservation using invertebrates. - New- Standardsetzung von Monitoringmethoden castle (EMS Publications), 97-101. 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PETERSEN, B. (2000): Arten der Anhänge der FFH-Richtlinie STICKROTH, H., SCHMITT, G., ACHTZIGER, R., NIGMAN, U., RI- (92/43/EWG) in Deutschland. - Schriftenr. Land- CHERT, E. & HEILMEIER, H. (in Vorb.): F+E-Projekt schaftspflege Naturschutz 68, 171-184. „Modell für eine Gesamtkonzeption zum Tierar- PLACHTER, H. (1991): Biologische Dauerbeobachtung in tenbestandsmonitoring des Bundes am Beispiel der Naturschutz und Landschaftspflege. - Laufener Se- Vogelfauna“. - Angew. Landschaftsökol., ca. 300 S. minarbeitr. 1991(7), 7-29. SWAAY, C. A. M. VAN (2000): The significance of PLACHTER, H. (1994): Zum Stellenwert der Entomologie im monitoring for nature conservation in The Nether- Naturschutz. - Insecta 3, 5-18. lands. - Schriftenr. Landschaftspflege Naturschutz POLLARD, E. (1977): A method for assessing changes in the 62, 119-125. abundance of . - Biol. Cons. 12, 115-134. TMAG (TRILATERAL MONITORING AND ASSESSMENT GROUP) POLLARD, E. (1991): Monitoring butterfly numbers. - In: (1997): Implementation of the Trilateral Monito- GOLDSMITH, F. B. (Hrsg.): Monitoring for Conser- ring and Assessment Program (TMAP). Final Re- vation and Ecology. - London (Chapman and Hall), port. - Wilhelmshaven (Common Wadden Sea Se- 87-111. cretariat), 87 S. REICH, M. (1994): Dauerbeobachtung, Leitbilder und Ziel- UBA (UMWELTBUNDESAMT) (2000): Deutscher Umwelt In- arten - Instrumente für Effizienzkontrollen des Na- dex DUX. Umwelt-Barometer Deutschland. - turschutzes? - Schriftenr. Landschaftspflege Natur- Internetadresse: schutz 40, 103-111. http://www.umweltbundesamt.de/dux/ ROWECK, H. (1993): Zur Naturverträglichkeit von Natur- WEY, H., HAMMER, D., HANDWERK, J., & SCHOPP-GUTH, A. schutz-Maßnahmen. - Verh. Ges. Ökol. 22, 15-20. (1994): Möglichkeiten der Effizienzkontrolle von STBA & BFN (STATISTISCHES BUNDESAMT & BUNDESAMT FÜR Naturschutzgroßprojekten des Bundes. - Nat. NATURSCHUTZ) (Hrsg., 2000): Konzepte und Me- Landschaft 69(7/8), 300-306. thoden zur Ökologischen Flächenstichprobe - Ebe- ne II: Monitoring von Pflanzen und Tieren. - An- gew. Landschaftsökol. 33, 262 S.

Anschrift des Verfassers: RAINER DRÖSCHMEISTER, Bundesamt für Naturschutz, AG Ökologische Umweltbeobachtung und Naturschutzmonitoring, Konstantinstraße 110, D-53179 Bonn Insecta, Heft 7, 2001, Seite 17-23

CHRIS VAN SWAAY, Wageningen

Die Bedeutung des Monitoring von Schmetterlingen (Lepidoptera) für die Erhaltung der Natur in den Niederlanden

Einleitung Methode wird von VAN SWAAY (2000) detailliert beschrieben. Die meisten Stellen werden von Von 70 in Holland natürlicherweise vor- Freiwilligen untersucht. kommenden Schmetterlingsarten sind 17 aus- Diese Methode erwies sich als sehr erfolg- gestorben. Von den übrigen 53 Arten sind 30 reich, um repräsentative Daten für gewöhnliche bedroht (VAN OMMERING et al. 1995; MAES & und weit verbreitete Arten zu erhalten. Für Ar- VAN SWAAY 1997). Nur 23 Arten werden als ten der Roten Liste, wovon die meisten sehr sel- mehr oder weniger ungefährdet eingeschätzt. ten und auf Naturreservate beschränkt sind, 1990 starteten „De Vlinderstichting“ war es jedoch nicht möglich, Daten von genü- (Dutch Butterfly Conservation) und CBS (Sta- gend Stellen zu erhalten, um zuverlässige tistics Netherlands) ein Monitoringprogramm Trends festzustellen. Deshalb wurden seit 1994 in den Niederlanden (VAN SWAAY et al. 1997). „single species sites“ hinzugefügt. An diesen Dieses Programm beruhte auf dem Britischen Stellen wird nur eine bestimmte Art in ihrer Monitoringprogramm, das 1976 ins Leben ge- Flugperiode gezählt. So konnte die Anzahl der rufen wurde. Die Hauptaufgabe des holländi- Besuche von 20 an einer normalen Zählstelle schen Monitoringprogramms für Schmetterlin- auf 4 an einer „single species site“ reduziert ge ist es, Daten in Bezug auf Veränderungen der werden. Das verbessert auch die Möglichkeiten Anzahlen von Schmetterlingen zu sammeln. von Naturreservatsaufsehern und Freiwilligen, 1997 wurde ein ähnliches Programm für Libel- die Schmetterlinge zu zählen. len erstellt. Indices wurden mit dem Computerpro- gramm „TRIM“, das von „Statistics Nether- Methode lands“ entwickelt wurde, errechnet (PANNEKOEK & VAN STRIEN, 1998). TRIM ist ein Indexpro- Die Methode beruht hauptsächlich auf dem gramm für die Analyse von Zählungen von Se- britischen Monitoringprogramm für Schmet- rien mit zeitlicher Abfolge mit fehlenden Daten. terlinge (POLLARD & YATES 1993). Es wurden Dieses Programm kann benutzt werden, um In- nur einige kleine Veränderungen unternom- dices und Trends zu schätzen. men, die wichtigste ist die Unterteilung aller Monitoringdaten sind oft lückenhaft. Es Transekte in Sektionen mit einer vorgegebenen wird angestrebt, ein Modell mit den beobachte- Länge von 50 m. Diese Sektionen müssen eine ten Zählungen zu erstellen, um dann mit die- homogene Vegetationsstruktur vorweisen. Die sem Modell die fehlenden Werte zu ermitteln. maximale Länge eines Transektes beträgt 1 km Indices können dann auf der Basis eines kom- (20 Sektionen), kann aber auch kürzer sein. Al- pletten Datensatzes berechnet werden, indem le Schmetterlinge, die sich 2,5 m zur linken und man die ermittelten Zahlen mit den fehlenden rechten Seite und 5 m vor und über dem Zäh- ersetzt. TRIM kann für diesen Zweck zwischen lenden befinden, müssen gezählt werden. Diese mehreren loglinearen Modellen unterscheiden. 18 Insecta, Heft 7, 2001

Diese Modelle basieren auf der Vermutung von zahl in naher Zukunft noch erhöht werden soll- unabhängigen Poisson-Verteilungen für die te. Nicht alle Habitate werden mit der gleichen Zählungen; viele niedrige und einige hohe Zäh- Intensität untersucht, aber eine Lösung ist in lungen, die ein loglineares Regressionsmodell Arbeit, um diese Ungleichheit in den verschie- ergeben. Bei dieser Methode können Abwei- denen Habitaten zu korrigieren. Jedes Jahr wer- chungen und Effekte durch zu viel oder zu we- den die Ergebnisse des Monitorings in einem nig Sammeln in bestimmten Gebieten berich- Bericht zusammengefasst. Für alle Arten wer- tigt werden. den Indices und Tendenzen berechnet. Für Arten mit mehr als einer Generation pro Jahr wurden die Indices der ersten Genera- Diskussion tion benutzt, um eine größere Genauigkeit zu erreichen (nach VAN STRIEN et al. 1997). Die Hauptergebnisse sind Trends für jede Art für die Niederlande. Diese Trends können Resultate für die Erhaltung der Schmetterlinge auf ver- schiedenen Ebenen angewandt werden: Seit dem Start des holländischen Monito- ringprogramms für Schmetterlinge hat sich die Lokale Ebene Anzahl der Untersuchungsgebiete auf mehr als Beim Management von Naturreservaten 900 erhöht, von denen im Jahr 2000 etwa 300 liegt das Hauptaugenmerk auf den abiotischen untersucht wurden. Darunter sind mehr als 70 Verhältnissen und der Regeneration von cha- „single species sites“ (Abb. 1). Abbildung 2 zeigt rakteristischen Pflanzengemeinschaften. Ein die Verbreitung aller Untersuchungsgebiete in Großteil der Fauna, ausgenommen Vögel, wird den Niederlanden. Diese Zählstellen sind gut gewöhnlich vernachlässigt, weil das Wissen über das ganze Land verteilt, obwohl es immer über Ökologie und Verbreitung unzureichend noch kleine Regionen gibt, in denen ihre An- ist. Von allen Insekten sind die Schmetterlinge

350 Single species sites 300

250

200

Anzahl 150

100

50

0 1990 1992 1994 1996 1998 2000

Abb. 1: Anzahl der Untersuchungsgebiete des holländischen Monitoringprogrammes für Schmetterlinge CHRIS VAN SWAAY: Monitoring von Schmetterlingen in den Niederlanden 19 bei Weitem am einfachsten zu untersuchen. Tendenz wie in den gesamten Niederlanden. Umfassende Informationen über Ökologie und Aphantupus hyperantus aber ist dort klar zu- Verbreitung sind verfügbar. Dieses Wissen rückgegangen, obwohl die nationale Tendenz kann helfen, nicht nur die Schmetterlinge, son- seit 1992 mehr oder weniger stabil ist. In diesem dern auch andere Insektenarten zu schützen. Fall ist der Rückgang auf die Ausbreitung von Abbildung 3 zeigt alle Zählungen eines Bäumen zurückzuführen, die das Transekt Untersuchungsgebietes, verglichen mit den na- mehr und mehr verschatten. tionalen Indices für zwei Arten. Das Transekt liegt im Naturreservat „Korenburgerveen“ in Nationale Ebene der Nähe der deutschen Grenze. Das Gebiet In Abbildung 4 wurden die Ergebnisse für umfasst feuchte Mähwiesen, kleine Wälder, alle Arten mit der Roten Liste verbunden. Die nasse Heidelandschaften und Torfmoore. In Hauptaufgabe der Roten Liste ist nach VAN diesem Gebiet hat Boloria selene die gleiche OMMERING et al. (1995), ein Werkzeug zur Mes-

10

8

5

2

Abb. 2: Verbreitung aller Monitoring-Transekte in den Niederlanden. Die Größe der Punkte entspricht der Anzahl der untersuchten Jahre. 20 Insecta, Heft 7, 2001 sung der Qualität der Naturschutzpolitik zu sind, eine bedeutende Verbesserung seit 1990. sein: „... a tool for measuring the quality of na- Die große Mehrheit der Schmetterlinge geht je- ture conservation policy. The ministry of Agri- doch kontinuierlich zurück, einige Arten sogar culture, Nature Conservation and Fisheries re- sehr stark. Wenn sich diese Tendenz fortsetzt, gards it as her task to aim that the new Red list, wird die nächste Rote Liste viel länger, anstatt which will be published between 2000 and kürzer. 2005, will be shorter than the Red list from 1995.“ Forschungsebene Die Zeit nach der Veröffentlichung der Ro- Das holländische Monitoringprogramm für ten Liste (1995) ist zu kurz, um einen entschei- Schmetterlinge bietet auch eine Möglichkeit für denden Effekt auf Schmetterlinge zu haben, ökologische Forschungen an Schmetterlingen aber der Häufigkeitstrend von 1990-98 verläuft und ihrer Habitate sowie der Untersuchung der für viele Arten negativ. In der Tat zeigen nur Auswirkungen von verschiedenen Manage- drei Arten, die alle gegenwärtig nicht bedroht mentprogrammen. OOSTERMEIJER & VAN SWAAY

2 1,8 Boloria selene 1,8 1,6

1,6 1,4

1,4 1,2

1,2 1 log (NL-index) 1 0,8 log (number of butterflies) log (number 0,8 0,6 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 Year 2,4 1,8

2,2 1,6

2 1,4

log (NL-index) 1,8 1,2 Aphantopus hyperantus log (number of butterflies) log (number 1,6 1 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 Year

Abb. 3: Zählungen zweier Schmetterlingsarten eines Untersuchungsgebietes. Erklärung siehe Text. CHRIS VAN SWAAY: Monitoring von Schmetterlingen in den Niederlanden 21

(1998) verwendeten die Monitoringdaten, um Trends sind, haben sich die Ergebnisse auch als die Beziehungen zwischen dem Auftreten von ein nützliches Werkzeug für die Erhaltung der Schmetterlingen und den Ellenberg-Werten für Schmetterlinge erwiesen. Zusammen mit Statis- Säure, Feuchtigkeit und Stickstoff zu quantifi- tics Netherlands (CBS) wird das holländische zieren. Zur Zeit werden diese Daten benutzt, Schmetterlingsschutzprogramm weitergeführt um die Auswirkungen von zukünftigen Um- werden, um Daten zu Trends von Schmetterlin- weltszenarios für die Niederlande zu untersu- gen in den Niederlanden zu sammeln. Indem chen. wir die Anzahl der Untersuchungsgebiete ver- In einer anderen detaillierten Untersuchung größern, besonders für Rote-Liste-Arten, hof- wurde die Wirkung von Beweidung auf hollän- fen wir, in naher Zukunft Veränderungen für dischen Küstendünen auf Schmetterlinge stu- alle Arten aufzeichnen zu können, einschließ- diert, wobei Monitoringdaten von Schmetter- lich der seltensten Arten. lingen verwendet wurden (WALLISDEVRIES, 1998; 1999; WALLISDEVRIES & RAEMAKERS, Europäische Ebene 1998). Eine Anzahl von Arten des offenen Gras- Zur Zeit wurden Monitoringprogramme landes (wie Lycaena phlaeas, Aricia agestis, Isso- für Schmetterlinge in fünf Ländern oder Regio- ria lathonia und Hipparchia semele) ziehen den nen ausgeführt: meisten Nutzen aus dem Weidebetrieb. x Großbritannien: Seit 1976 umfasst die BMS In dem Maße wie die Daten, die aus dem etwa 120 Zählstellen. 2001 wurden Daten Monitoring gewonnen werden, Jahr für Jahr von mehr als 600 Zählstellen, die von Frei- zunehmen, werden auch neue Forschungen willigen der „British Butterfly Conserva- über Ökologie und Schutz von Schmetterlingen tion“ gesammelt wurden, hinzugefügt. in den kommenden Jahren durchgeführt wer- x Flandern (N-Belgien): 30-40 Zählstellen, die den. die gleiche Methode wie in den Niederlan- Obwohl das primäre Ziel von Schmetter- den benutzen. lingsmonitoring die Registrierung von Verän- x Finnland: 20-25 Zählstellen sind im Süden derungen der Abundanz der Schmetterlinge an das Landes konzentriert. verschiedenen Stellen und die Zusammenstel- x Katalonien (NO-Spanien): 30 Zählstellen. lung dieser Bilder zu nationalen und regionalen x Niederlande: 300 Zählstellen.

Significant increase Critically endangered

Increase, but not significant Endangered

No trendcalculation possible Threatened

Significant decrease Susceptible Decrease, but not significant Safe / low risk

Increase -20 Decrease 0 20 Number of species

Abb. 4: Ergebnisse aller untersuchten Arten im Vergleich mit der Roten Liste 22 Insecta, Heft 7, 2001

POLLARD et al. (1998) benutzten die Daten linge in drei Ebenen angewendet werden kön- dieser Monitoringprogramme, um die Einwan- nen: (1) Lokale Ebene: nationale Ergebnisse derung von Vanessa cardui im Jahr 1996 zu stu- werden mit lokalen Veränderungen verglichen. dieren. Wir hoffen, dass diese Programme in (2) Nationale Ebene: der Erfolg von Natur- naher Zukunft kombiniert werden können, um schutzpolitik-Programmen, wie der Roten Liste die Kenntnis über die Trends der Schmetterlin- für Schmetterlinge, kann ausgewertet werden. ge auf den neusten Stand zu bringen. Das „sin- (3) Forschungsebene: die Zählungen können gle species monitoring“ könnte sich auch als für Untersuchungen und Auswertungen der nützlich erweisen, um die Population von Ar- Auswirkungen von Naturschutzmaßnahmen ten, die von der Konvention in Bern im „Red an Schmetterlingen benutzt werden. Data book of European Butterflies“ (VAN SWA- Zur Zeit gibt es in fünf Ländern oder Regio- AY & WARREN, 1999) aufgelistet wurden, aufzu- nen in Europa Programme zum Schmetter- zeichnen. Besonders für die seltensten und stark lingsmonitoring. Wir hoffen, das Programm bedrohten Arten, wie Coenonympha oedippus auch auf anderen Regionen ausweiten zu kön- oder Erebia christi könnte das eine gute Mög- nen. Diese Methode sollte auch für die Unter- lichkeit sein, die Veränderungen in der Größe suchung von Populationsveränderungen von der Population festzustellen. seltenen und bedrohten Arten nützlich sein (wie z. B. die der Berner Konvention). Summary Danksagung The Dutch Butterfly Monitoring Scheme started in 1990. Today more than 300 sites are Das holländische Monitoringprogramm für recorded, most of them by volunteers. Main re- Schmetterlinge wird finanziell von Statistics sults are national indices per species that reveal Netherlands (CBS) und IKC-N unterstützt. CA- trends in species abundance. These results can LIJN PLATE und ARCO VAN STRIEN, beide von Sta- be applied to the conservation of butterflies at tistics Netherlands, nahmen aktiv am techni- three levels. (1) Local level: by comparing natio- schen und statistischen Teil des Programms teil. nal results with local changes. (2) National le- Ein Projekt wie dieses würde niemals ohne die vel: to evaluate the success of nature conserva- Hilfe von Hunderten von Freiwilligen Zählern tion policy tools, like Red lists, for butterflies. möglich sein. (3) Research level: the counts can be used to Die Übersetzung des englischen Vortrags- examine and evaluate the effects of nature con- textes ins Deutsche übernahm freundlicher- servation measures on butterflies. weise MAX DECKERT, Berlin. At present butterfly monitoring schemes are running in five countries or regions in Europe. We hope to extend the system to other regions Literatur as well. The method should also be useful to study population changes of rare and threate- MAES, D., & VAN SWAAY, C. A. M. (1997): A new methodo- ned species, for example of the Bern Conven- logy for compiling national Red Lists applied to tion. butterflies (Lepidoptera, Rhopalocera) in Flanders (N-Belgium) and the Netherlands. - Journal of In- sect Conservation 1, 113-124. Zusammenfassung OOSTERMEIJER, J. G. B., & VAN SWAAY, C. A. M. (1998): The relationship between butterflies and environmental Das holländische Monitoringprogramm für indicator values: a tool for conservation in a chan- ging landscape. - Biological Conservation 86, 271- Schmetterlinge wurde 1990 begonnen. Bis heu- 280. te wurden mehr als 300 Standorte untersucht, PANNEKOEK, J., & VAN STRIEN, A. J. (1998): TRIM 2.0 for davon die meisten von Freiwilligen. Erkennt- Windows (Trends & Indices for Monitoring data). - nisse auf nationaler Ebene über Trends von CBS, Voorburg, NL. POLLARD, E., & YATES, T. J. (1993): Monitoring Butterflies Häufigkeiten der Arten sind die wichtigsten Er- for Ecology and Conservation. - Chapman & Hall, gebnisse, die für die Erhaltung der Schmetter- London. CHRIS VAN SWAAY: Monitoring von Schmetterlingen in den Niederlanden 23

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Anschrift des Verfassers: CHRIS A. M. VAN SWAAY, Dutch Butterfly Conservation (De Vlinderstichting), P. O. Box 506, NL-6700 AM Wageningen, Niederlande E-Mail: [email protected] Insecta, Heft 7, 2001, Seite 24-28

JÜRGEN DECKERT, Berlin

Die entomologischen Sammlungen des Museums für Natur- kunde Berlin – Quelle und Referenz für Insekten-Monitoring

1. Einleitung und Wirkung menschlichen Handelns zu er- kennen. Systematische Beobachtungen sind Die voranschreitende irreversible Ausrot- von Bedeutung, um Veränderungen in der tung von Arten und die Zerstörung von Le- Häufigkeit und im Vorkommen von Arten fest- bensräumen bedeutet den Verlust von geneti- stellen und um daraus Handlungsmöglichkei- schen, wirtschaftlichen und kulturellen ten abzuleiten. Trends in der Entwicklung von Ressourcen mit unkalkulierbaren Folgen. Die Populationen können frühzeitig erkannt und biologische Diversität ist Lebensgrundlage und von normalen Häufigkeitsschwankungen Wirtschaftsfaktor für den Menschen. Seine Er- unterschieden werden. Das Monitoring von In- haltung ist deshalb auch nicht allein aus ästheti- sekten wird in Zukunft für Naturschutz und schen Gründen und für eine höhere Lebensqua- Landnutzungskonzepte an Bedeutung gewin- lität wünschenswert. nen. Die Bedeutung der meisten Tier- und Pflan- Vielfach wird der Begriff „Monitoring“ nur zenarten im Ökosystem und als Ressource ist mit Langzeitbeobachtungen gleichgesetzt, man kaum bekannt. Nach WILSON (1992) sind wir in sollte ihm aber eine weiter gefasste Bedeutung unserer Existenz von weniger als einem Prozent zu messen, die einen Anwendungsbezug ein- der lebenden Arten (zum Beispiel als Nutztiere schließt (vgl. DRÖSCHMEISTER im gleichen Heft oder Nahrungsmittel) direkt abhängig, der Rest der „Insecta“). ist bisher ungenutzt. Nicht nur das, es ist auch Am Beispiel der entomologischen Samm- nur ein geringer Teil der existierenden Tierar- lungen des Berliner Museums für Naturkunde ten wissenschaftlich beschrieben. Das trifft vor wird in diesem Zusammenhang die Bedeutung allem auf Insekten zu, von denen wahrschein- von zoologischen Sammlungen kurz dargestellt. lich höchstens 10 bis 20% aller lebenden Arten bekannt sind. Es gibt Schätzungen und Hoch- 2. Umfang, Herkunft und geographischer rechnungen auf die tatsächlich vorkommenden Schwerpunkt der Sammlungen Arten, sie liegen zwischen rund 12 Millionen und 100 Millionen Arten (UHLIG 1990, WILSON Das Berliner Museum für Naturkunde be- 1992, ZIEGLER 1997 u. a.). herbergt eine der größten zoologischen Samm- Die Komplexität der Natur, die vielschichti- lungen; mehr als 21 Millionen Exemplare, da- gen funktionelle Abhängigkeiten in Ökosyste- von rund 16 Millionen Insekten. Die ältesten men und die langen Zeiträume in denen Verän- Sammlungsbestände sind über als 200 Jahre alt, derungen auftreten machen es schwer, Ursache ein großer Prozentsatz stammt aus Forschungs- JÜRGEN DECKERT: Die entomologischen Sammlungen des Museums für Naturkunde 25 reisen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahr- lingssammlung zum Beispiel existieren mehrere hunderts nach Afrika, Südamerika oder nach Einzelsammlungen, die im Verlaufe der letzten Indonesien. Ein geographischer Schwerpunkt 190 Jahre in das Museum gelangt sind. Diese der weltweit angelegten Sammlung liegt in Afri- Sammlungsteile weisen noch die ursprüngliche ka, sowohl bei historischen als auch bei Belegen, systematische Anordnung auf. Sie werden nach die in den letzten Jahren gesammelt worden und nach in die Hauptsammlungen eingeglie- sind. Von vielen Arten sind größere Serien vor- dert. handen, das ist für systematische und zoogeo- Das Ordnungsprinzip basiert auf verfügba- graphische Forschung von großer Bedeutung. ren veröffentlichten Katalogen. Dadurch ist es möglich, determinierte Arten relativ schnell 3. Sammlungszuwachs, Ausleihen und durch eine direkte Suche in der Sammlung zu Besucher finden. Außerdem gibt es zum Teil Handkar- teien, Typenkataloge oder zu einem geringen Die wesentliche Basis ist das im 19. und 20. Prozentsatz auch digitale Datenbanken. Durch Jahrhundert angekaufte Material, gegenwärtig beständigen Sammlungszuwachs und neue Er- spielen Ankäufe eine untergeordnete Rolle. Der kenntnisse in der Systematik ist es immer wie- jährliche Zuwachs liegt bei mehreren zehntau- der erforderlich, die Sammlungen auf einen ak- send Individuen, die präpariert, etikettiert und tuellen Stand zu bringen. Aufgrund des dafür in die Sammlungen eingegliedert werden. Sie erforderlichen Arbeitsaufwandes werden nie- stammen vor allem von Forschungsreisen der mals alle Insektengruppen nach allerneuesten Kustoden nach Südostasien, Afrika und Euro- Katalogen und Systemen aufgestellt sein. Das pa, durch Drittmittel oder privat finanziert. Wesentliche ist jedoch die Verfügbarkeit des Jedes Jahr werden zehntausende Einzel- Materials für wissenschaftliche Untersuchun- exemplare an Bearbeiter ausgeliehen und ver- gen. schickt. Mehr als 250 Tagesbesucher arbeiten Neuaufstellungen und umfassende Bearbei- durchschnittlich pro Jahr in den entomologi- tungen des Sammlungsbestandes sind heutzu- schen Sammlungen, darüber hinaus Gastfor- tage mit einer digitalen Erfassung der Arten scher und Studenten, die sich über mehrere verbunden. Dabei werden in der Regel systema- Wochen oder Monate in den Kustodien aufhal- tische Zuordnung, Aufbewahrungsort, geogra- ten. phische Herkunft und Typusstatus erfasst. In Zukunft wird mit Hilfe von Computer und 4. Aufbau der Sammlungen und Internet der Zugang zu den Daten vereinfacht Verfügbarkeit des Materials werden. Trotzdem lassen sich viele Informationen, Die entomologischen Sammlungen werden die mit dem Sammlungsmaterial assoziiert sind, in 6 Kustodien betreut (nähere Angaben dazu auch in Zukunft nicht durch computergestützte im Internet unter http://www.museum.hu-ber- Recherchen abfragen. Es wird so bald nicht lin.de/home.asp). Einschließlich des Typusma- möglich sein, zum Beispiel nach allen vorhande- terials ist das Sammlungsmaterial nach syste- nen Belegen von bestimmten Fundorten, Daten matischen Gesichtpunkten geordnet und wird oder unter Fundumständen mit Hilfe eines jeweils in den Kustodien in einer Hauptsamm- Computers zu fahnden. Dazu ist die Datenmen- lung, also unabhängig von der geographischen ge zu groß und ihre digitale Aufnahme zu zeit- Herkunft, aufbewahrt. Die einzelnen zoogeo- aufwändig. Eine vollständige individuenbezoge- graphischen Regionen sind durch farbige Eti- ne Erfassung aller verfügbarer Daten ist in den ketten gekennzeichnet und dadurch leicht her- entomologischen Sammlungen nicht zu erwar- auszufinden (blau - Afrotropis, gelb - Orienta- ten. Das ist nur bei der Bearbeitung von Typus- lis, grün - Amerika, violett - Australien, weiß - exemplaren möglich und sinnvoll, höchstens Paläarktis). noch in Zusammenhang mit der Auswertung Nur kleinere Teile, oftmals Regionalsamm- kleinerer Sammlungsteile unter einer gezielten lungen, sind separat gelagert. In der Schmetter- wissenschaftlichen Fragestellung, zum Beispiel 26 Insecta, Heft 7, 2001 bei einer Revision. Es ist ja nicht damit getan, Zoologische Forschungsaktivitäten unter die vorhandenen Etiketten einfach abzuschrei- Einbeziehung der Sammlungen als Referenzsys- ben. Es müssen alte Handschriften gedeutet, teme werden immer bedeutsamer. Sie sind auch Abkürzungen entschlüsselt und die Angaben, eine völkerrechtlich Verpflichtung, zum Bei- insbesondere die Artbestimmungen, kritisch ge- spiel nach Beschlüssen der „United Nations prüft werden. Anderenfalls wird nur eine Un- Conference on Environment and Develop- menge an Daten produziert, die für wissen- ment“ von 1992. schaftliche Auswertungen nicht zu gebrauchen Die Sammlungen liefern Daten über ehema- ist. Eine artbezogene Erfassung mit einigen we- lige und heutige Vorkommensgebiete, sie doku- sentlichen Angaben ist hingegen bei vertretba- mentieren die Vielfalt der Arten und ihre Ände- rem Aufwand zu realisieren, natürlich sofern die rung über historische Zeiträume hinweg und finanziellen Mittel dafür vorhanden sind. können Auskunft über ökologische Zu- Die Suche nach bestimmtem Material und sammenhänge geben. Sie sind Referenz für Art- Informationen in der Sammlung, ebenso die bestimmungen und Merkmalsanalysen und Determination von Arten wird, trotz mancher dienen der systematisch-evolutionsbiologi- Fortschritte, auch in Zukunft viel Zeit in An- schen Forschung. spruch nehmen. Aus Mangel an Personal kön- In absehbarer Zeit ist es aber völlig unmög- nen daher kaum Recherchen als Dienstleitun- lich, auch nur annähernd alle unbekannten Ar- gen an Dritte in größerem Umfang geleistet ten zu beschreiben. Aufgrund des dramatischen werden. Artenschwundes kann nun nicht darauf gewar- tet werden, bis alle Arten erfasst und dokumen- 5. Bedeutung des Sammlungsmaterials für tiert sind. Handlungskonzepte im Umgang mit Naturschutzprojekte und Langzeitunter- der biologischen Vielfalt müssen bereits parallel suchungen dazu entwickelt werden. Da Insekten generelle Gemeinsamkeiten in ihren ökologischen An- Die immer rasanter voranschreitende Le- sprüchen, ihrem Bauplan und ihrer Evolutions- bensraumvernichtung hat eine drastische Ab- geschichte haben, kann in gewissem Umfang nahme der biologischen Vielfalt zur Folge. das Wissen über bisher bekannten Arten stell- Nach MEYERS (1992) (zitiert aus WILSON 1992) vertretend für die unbekannte Masse genutzt bedecken tropische Wälder nur 7 Prozent der werden. Landoberfläche der Erde, man schätzt, dass sie Wissenschaftliche Sammlungen bilden die aber mindestens die Hälfte aller Arten beher- vorrangige Basis für Untersuchungen zur Phy- bergen. Da der Verlust an tropischen Waldflä- logenie und Systematik der Tiere und zur Bio- chen bereits enorm fortgeschritten ist, kann es geographie. Einen besonderen Stellenwert hat durchaus sein, dass bereits fast die Hälfte aller das zahlreiche Typusmaterial, das immer wie- Tierarten ausgestorben ist, ehe sie überhaupt der als Vergleich benötigt wird. bekannt geworden sind (LOVEJOY 1980). Doch Um die Aufgaben und Ziele der biologi- Artensterben und Lebensraumvernichtung ist schen Systematik für eine breitere Öffentlich- ein weltweites Phänomen und nicht nur auf die keit publik zu machen, aber auch um zwischen tropischen Regenwälder beschränkt. den Systematikern eine Plattform des Austau- Wenn wir zuverlässige Einschätzungen und sches zu haben, wurde die „Gesellschaft für Bio- Empfehlungen geben wollen, müssen wir zuerst logische Systematik“ 1997 gegründet. Nähere wissen, wie viele und welche Arten vorhanden Informationen dazu und eine komprimierte sind. Anderenfalls kann weder der Wert der Beschreibung der Systematik und ihrer Bedeu- Vielfalt und der einzelnen Tier- und Pflanzen- tung findet man auch im Internet unter arten erkannt, noch Schutzmaßnahmen einge- „http://biosys-serv.biologie.uni-ulm.de/in- leitet werden. Die biologische Vielfalt ist um so dexg.htm“ . Die Bedeutung von naturhistori- gefährdeter, je weniger sie erforscht ist. Was schen Sammlungen und von taxonomischen nicht bekannt ist, kann auch nicht wirksam ge- Datenbanken in Zusammenhang mit der Dar- schützt werden. stellung der Methoden, Aufgaben und der Leis- JÜRGEN DECKERT: Die entomologischen Sammlungen des Museums für Naturkunde 27 tungsfähigkeit der modernen Systematik wird Natürlich gibt es aber auch einen Forschungs- anschaulich von WÄGELE und STEINER (2000) bezug auf Deutschland und Mitteleuropa, zum dargestellt. Beispiel bei regionalfaunistischen, ökologischen Angewiesen auf die umfangreichen wissen- Projekten, Faunenbearbeitungen in Deutsch- schaftlichen Sammlungen sind nationale und land, Roten Listen und Checklisten. internationale Programme zur Biodiversitäts- Da die ältesten Sammlungsexemplare etwa forschung, z. B. die „Global-Change“-For- 200 Jahre alt sind, lässt sich das Vorkommen schung unter der Koordination von „Diversi- von Arten mit Hilfe des Sammlungsmaterials tas“, einem internationalen Forschungsverbund höchstens bis zu dieser Zeit zurückverfolgen. für Biodiversitätsforschung. Gerade bei Insekten, die an bestimmte Pflan- Seit dem 19. Jahrhundert ist die taxonomi- zenarten gebunden sind, lassen sich Rück- sche Forschung an afrikanischen Insekten Be- schlüsse auf Veränderungen ziehen, da es mög- standteil der Forschung im Museums für Nat- lich ist, gezielt nach den gegenwärtigen Vor- urkunde. Im Berliner Museum für Naturkunde kommen der Wirtspflanzen zu suchen. Nicht befindet sich deshalb auch viel Sammlungsma- immer ist das Fehlen von aktuellen Nachweisen terial vom afrikanischen Kontinent aus koloni- tatsächlich ein Kriterium dafür, dass die betref- aler Zeit, einschließlich des Typusmaterials. fende Art wirklich verschwunden ist. Anhand Gegenwärtig beteiligen sich Zoologen des Mu- ausgewählter Arten können aber grundlegende seums u. a. im Projektverbund „BIOLOG“ an Veränderungen allein anhand von Sammlungs- dem Projekt „BIOTA“ („Biodiversity Monito- material nachgewiesen werden. So gibt es zahl- ring Transect Analysis in Africa“), einem inte- reiche Belege in den Sammlungen dafür, dass grativen Biodiversitätsforschungsprojekt. sich im Laufe der letzten 100 - 150 Jahre in Ber- Besonders in Südafrika, aber auch in Kenia lin und Brandenburg die Lebensräume durch gibt es schon eine längere Tradition an entomo- Nutzungswandel stark verändert haben. Viele logischer Forschung, in den letzten Jahrzehnten Arten, die offene, nährstoffarme Standorte, wie ist auch die entomologische Feldarbeit in Na- zum Beispiel Steppenrasen bevorzugen, sind mibia und der Aufbau des dortigen National- nur noch an wenigen Stellen zu finden oder ihr museums vorangeschritten. Seit 1992 haben die Vorkommen ist völlig erloschen. Außerdem ist Entomologen des Berliner Museums ihre re- die Diversität an vielen Standorten stark zu- zenten Aktivitäten in Afrika wieder aufgenom- rückgegangen, vor allem durch Eutrophierung, men (KOCH et al. 1996). Vernichtung von Feldrainen und Saumbioto- Zwischen dem Museum für Naturkunde pen an Waldrändern. Zum Beispiel zeigt das in Berlin und dem Pflanzenschutzinstitut in Pre- der Sammlung dokumentierte Vorkommen der toria (Südafrika) und dem National Museum in Ritterwanze (Lygaeus equestris) deutlich, das die Windhoek (Namibia) wurden Verträge über ei- Landschaft vor 100 Jahren und davor weitaus ne wissenschaftliche Zusammenarbeit zum offener und weniger bewaldet war, als das heute gegenseitigen Vorteil abgeschlossen. Diese Ko- der Fall ist. Außerdem gab es genügend blühen- operationsverträge haben eine Laufzeit von 10 de Pflanzen, die die Wanzen als Nahrungsquel- Jahren und dienen als Grundlage für mehrere le zu verschiedenen Jahreszeiten nutzen konn- entomologische Forschungsprojekte, die als ten. Denn selbst dort, wo heute noch die Wirts- wesentliche Bestandteile des südafrikanischen pflanze Schwalbenwurz häufig vorkommt, ist Beitrages zur Konvention von Rio de Janeiro die Vielfalt an Nahrungspflanzen, die diese gelten. Für die Bearbeitung der Insektengrup- Wanze benötigt, nicht mehr gegeben (DECKERT pen, die im MNHUB nicht bestimmt werden 1996). Sicherlich birgt das Sammlungsmaterial können, wurden Kooperationsbeziehungen zu in diesem Zusammenhang noch zahlreiche fast 100 Spezialisten aus 19 Ländern aufgebaut. interessante Informationen, längst sind nicht Die notwendige Spezialisierung auf be- annähernd alle Möglichkeiten erschöpft, die ei- stimmte Taxa bringt es mit sich, dass jeder Wis- ne gezielte Auswertung der Sammlungsbestän- senschaftler des Museums mit außereuropäi- de bietet. schen Gruppen und Projekten beschäftigt ist. 28 Insecta, Heft 7, 2001

6. Literatur Aufgaben und Leistungsfähigkeit der modernen Systematik. - Kleine Senckenberg-Reihe Nr. 36, 1- 40. DECKERT, J. (1996): Wanzen (Heteroptera) aus Berlin und WILSON, E. O. (1992): Ende der biologischen Vielfalt. - Brandenburg: Wiederfunde, Neufunde und selten Spektrum. Akademischer Verlag Heidelberg, Ber- festgestellte Arten. - Insecta, Berlin 4, 126-149. lin, New York, 557 S. KOCH, F., DECKERT, J., & UHLIG, M. (1996): Die entomologi- UHLIG, M. (1990): Erforschungszustand und Forschungs- schen Afrika-Expeditionen des Museums für Nat- trends in der Kurzflüglergattung Erichsonius FAU- urkunde Berlin von 1992 bis 1995 als Grundlage für VEL, 1874, - Überlegungen eines Entomologen zur das Forschungsprojekt „ Zur Biodiversität von In- Zahl der Tierarten der Weltfauna (Coleoptera, Sta- sekten der afrotropischen Region“ - Mitt. Zool. phylinidae, Phylonthini). - Verh. Westd. Entom. Mus. Berlin 71 (2): 189-211. Tag. Düsseldorf 1990, 121-146. LOVEJOY, T. E. (1980): A Projection of Species Extinctions. ZIEGLER, W, BODE, H-J., MOLLENHAUER, D., PETERS, D. S., In: Council on Environmental Quality. The Global SCHMINKE, H. K., TREPL, L., TÜRKAY, M., ZIZKA, G., 2000 Report to the President: Entering the Twenty- & ZWÖLFER, H. (1997): Biodiversitätsforschung: Ih- First Century. Washington, D. C. (U. S. Govern- re Bedeutung für Wissenschaft, Anwendung und ment Printing Office), 328-331. Ausbildung.; Fakten, Argumente und Perspektiven. WÄGELE, J.-W., & STEINER, F. F. (Hrg.) (2000): Methoden, - Kleine Senckenberg-Reihe Nr. 26, 1- 68.

Anschrift des Verfassers: Dr. JÜRGEN DECKERT, Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Systematische Zoologie, Invalidenstrasse 43, D-10115 Berlin. E-Mail: [email protected] Insecta, Heft 7, 2001, Seite 29-35

OTAKAR KUDRNA, Schweinfurt

Über die natürliche Einwanderung von Colias erate (ESPER, 1805) nach Mitteleuropa

1. Biogeographische Vorbemerkungen (1951) hat dieses Ereignis beschrieben und den klimatischen Zyklen zugeschrieben. Die grund- Die gegenwärtige Tagfalterfauna Mitteleu- sätzlich naive Hypothese – A. levana ist keine ropas ist jung; die Zusammensetzung des Ar- thermophile Art – hat HRUBY (1956) überzeu- tenspektrums ist weitgehend durch Einwande- gend widerlegt. A. levana überlebte nur in küh- rung während des postglazialen Wärmeopti- len, für thermophile Arten unbewohnbaren La- mum entstanden. Das war im Atlanticum, d. h. gen. Die Ursachen des Rückganges und der etwa in den Jahren 5500 – 3000 a. C. Ausbreitung von A. levana in Böhmen sind bis (SCHWARZBACH 1974). Seitdem hat sich wahr- heute unbekannt und stimmen nicht mit der scheinlich nur wenig geändert. Die meisten Bestandsentwicklung dieser Art in den angren- Veränderungen sind der anthropogen beding- zenden Gebieten überein (KUDRNA 1986). ten Landschaftsentwicklung zuzuschreiben. Die Gestaltung der gegenwärtigen Kultur- Größere Arealveränderungen bei den Tagfal- landschaft ist für die Ausbreitung der meisten tern zählen in der Gegenwart in Mitteleuropa Tagfalterarten sehr ungünstig geworden; die zu seltenen Ausnahmen. Etwa in den Jahren zahlreichen anthropogen geschaffenen Barrie- des zweiten Weltkriegs ist es dennoch zu einer ren sind für viele Tagfalterarten unüberwind- spektakulären und bis heute nicht ausreichend bar. Obwohl die meisten Colias-Arten sehr gu- untersuchten Ausbreitung der xerothermophi- te, ausdauernde Flieger sind und lange Strecken len Art Hyponephele lycaon (KÜHN, 1774) bis zurücklegen können, muss die in den 80er Jah- nach Südfinnland gekommen (SUOMALAINEN ren begonnene Ausbreitung von Colias erate 1958). In den Kriegsjahren und unmittelbar (ESPER, 1805) aus dem Südosten Europas nach nach dem Krieg konnte diesem Ereignis leider Mitteleuropa als ein seltenes Ereignis betrachtet zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet werden. werden. Inzwischen ist das Areal von H. lycaon wieder „geschrumpft“. 2. Der Gelbling Colias erate (ESPER, 1805) Ein weiteres, hoch interessantes Beispiel ei- ner temporären Arealveränderung bietet in die- C. erate gehört in die Gruppe der Colias-Ar- sem Zusammenhang Araschnia levana (LINNAE- ten, deren Flügeloberseite UV-Licht absorbiert US, 1758). Diese in Mitteleuropa weit verbreite- (KUDRNA 1992). C. erate steht der ostasiatischen te und an triviale Ökofaktoren angewiesene Art C. poligraphus MOTSCHULSKY, 1860, sehr nahe. (Raupennahrungspflanze ist Urtica dioica) ist in Die meisten Autoren betrachten dabei C. polio- der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert aus Böh- graphus als Unterart von C. erate; konstante men fast vollkommen verschwunden – bis auf morphologische Unterschiede zwischen C. era- etwa zwei oder drei kleine, isolierte Populatio- te und C. poliographus sind allerdings nicht be- nen, die offensichtlich in Südböhmen überleb- kannt. Daher kann nicht ausgeschlossen wer- ten. Gegen Ende der 30er Jahren setzte eine In- den, dass C. poliographus nur ein Synonym von vasion ein und spätestens um 1950 war A. leva- C. erate ist. na in Böhmen wieder überall häufig. SLABY In Mitteleuropa gibt es zwei ähnliche Arten: 30 Insecta, Heft 7, 2001

C. alfacariensis RIBBE, 1905, und C. hyale (LIN- ropäischen Teils der damaligen Sowjetunion NAEUS, 1758). C. erate ist sehr variabel; einige heimische und offenbar nicht seltene Steppen- Individuen von C. erate zeichnen sich durch art. Langfristig stabile Populationen von C. era- helle orange-gelbliche Grundfarbe der Flügel- te waren zu der Zeit allerdings nur von der oberseite aus und können sogar mit C. crocea nördlichen Schwarzmeerküste bekannt und verwechselt werden. Zahlreiche Arten der Gat- fehlten offenbar entlang der westlichen tung Colias FABRICIUS, 1807, haben einen nur Schwarzmeerküste. im UV-Licht sichtbaren „hidden wing pattern“ C. erate ist polyvoltin; TUZOV (1997) gibt (KUDRNA 1992). Der „hidden wing pattern“ er- zwei bis vier Generationen zwischen Mai und möglicht eine eindeutige Unterscheidung zwi- Oktober an. Als larvale Nahrungspflanzen wer- schen C. erate und C. crocea, nicht aber zwi- den von TUZOV (1997) genannt: spp., schen C. erate, C. alfacariensis und C. hyale spp., spp., Trifolium spp.; (KUDRNA 1992). LUKHTANOV & LUKHTANOV (1994) nennen für Das Areal von C. erate erstreckt sich vom das Wolgagebiet Melilotus officinalis; BALINT Pannonien ostwärts durch Südrussland bis (1998) nennt für Ungarn auch Coronilla varia. Westsibirien, nach einigen Autoren (z.B. FUKU- FUKUDA (1982) nennt ferner u. a. Lotus cornicu- DA 1982) bis (vgl. C. poliographus). Über latus und Vicia spp., aber alle seine Angaben be- den früheren Verlauf der Westgrenze des Areals ziehen sich offenbar nur auf Japan und damit ist wenig bekannt; JACHONTOV (1935) betrachtet auf C. poliographus. C. erate als eine im Süden und Südosten des Eu- Nach SVESTKA (1995) ist die einzige tatsäch-

Abb. 1: Die Verbreitung von C. erate in Mitteleuropa und auf dem Balkan. Quelle: Mapping European Butterflies, Stand der Dateneingabe am 31.01.2000. OTAKAR KUDRNA: Über die natürliche Einwanderung von Colias erate 31 lich nachgewiesene Nahrungspflanze der Lar- den. Darüber hinaus erreichte C. erate bereits ven von C. erate in Tschechien Medicago sativa Nordostkroatien und wurde vielerorts mit zu- (Saatluzerne); dies wurde auch experimentell nehmender Häufigkeit in Nordserbien festge- bestätigt. In Bulgarien wurde nach SVESTKA stellt (P. JAKSIC pers. Mitt.). Des weiteren sind (1995) auch Lotus corniculatus (Gewöhnlicher auf dem Balkan einige Funde aus Makedonien Hornklee) als Futterpflanze der Larven glaub- und Nordgriechenland bekannt geworden. würdig festgestellt. GOZMANY (1968) kennt aus Ungarn C. erate C. erate ist ursprünglich ein xerothermophi- noch nicht. Nach BALINT (1991) wurde in Un- ler Steppenbewohner and verträgt daher auch garn das erste Exemplar von C. erate um 1950 kalte, schneereiche Winter. In Mitteleuropa be- gefunden; die große Expansion von C. erate hat wohnt C. erate geeignete Biotope in der Kul- erst in den 80er Jahren begonnen. Bereits vor tursteppe. Die ökologischen Ansprüche sind 1990 war C. erate in Ungarn weit verbreitet und trivial; die wichtigste bzw. einzige Nahrungs- jedes Jahr im Spätsommer auf Luzernefeldern pflanze der Raupe – Medicago sativa – ist eine häufig. Auch SVESTKA (1995) bestätigt die Häu- gemeine Kulturpflanze. figkeit von C. erate in Südungarn im Sommer 1987. 3. Die Invasion von C. erate nach Mitteleuropa STIOVA (1991) behauptet, dass die Besied- lung der Slowakei 1989 durch eine wegen tro- In Rumänien wurde C. erate (L. RAKOSY ckenen Klima ausgelöste Migration von der pers. Mitt.) 1930 entdeckt und 1938 wieder fest- nördlichen Schwarzmeerküste erfolgte, d.h. aus gestellt; es handelte sich dabei nur um Einzel- der Südukraine; sie wurde 1990 durch weitere funde. 1957 wurde C. erate bei Bukarest wieder Migration nach Süd- und Ostmähren fortge- gefunden. Mit diesem Fund bei Bukarest be- setzt. Für die Behauptung, dass C. erate in die ginnt offensichtlich die Ausbreitung von C. era- Slowakei aus der Südukraine eingeflogen sei, te in Rumänien (viele Beobachtungen in den führt STIOVA (1991) überhaupt keine Beweise. 60er Jahren), verstärkt ab 1975. Heute ist C. er- Es ist viel wahrscheinlicher, dass die Besiedlung ate im Osten und Südosten Rumäniens vor al- von Slowakei und Mähren aus angrenzendem lem auf Luzernefeldern weit verbreitet und Ungarn erfolgte. Heute ist C. erate in der Slowa- meist häufig, aber auch auf Trockenwiesen und kei auf geeigneten Biotopen weit verbreitet und ähnlichen Biotopen in den tieferen Lagen gut häufig. vertreten. In Siebenbürgen ist C. erate nur in In Tschechien ist C. erate heute in den tiefen den tieferen und collinen Lagen vertreten; die Lagen vor allem in Südmähren auf allen geeig- Größe der Bestände schwankt sehr stark. Aber neten größeren Luzerne- und Kleefeldern ver- die Bestände schwanken auch in den größten treten (SVESTKA 1995); die Beobachtungen be- Population im Südostrumänien. Dennoch ziehen sich auf beinahe 10 Jahre (M. SVESTKA nimmt die Häufigkeit in den letzten Jahren ge- pers. Mitt.). Ich kann die Feststellungen durch nerell zu. meine eigenen (eher zufällige) Beobachtungen BURESCH & TULESCHKOV (1929) kennen C. auf Luzernefeldern in Südmähren (etwa zwi- erate aus Ostbulgarien (Umgebungen von Bur- schen Znojmo und Mikulov) im Frühjahr und gas, Mitschurin und Varna); es ist dabei unklar, Sommer im Zeitraum 1993-96 bestätigen. ob es sich damals in Bulgarien um Einzelfunde, Ziemlich unerwartet ist die Invasion von C. über die berichtet wurde, oder kleine, temporä- erate nach Böhmen; das erste Exemplar wurde re Populationen handelte. Nach ABADJIEV in Südböhmen gefunden (KUDRNA 1994). Es ist (1992) gilt C. erate heute in Bulgarien als Ubi- nicht bekannt, ob C. erate aus Südmähren – d. quist mit stabiler Populationen und bewohnt h. über die Böhmisch-Mährische Höhe (Cesko- vor allem Luzernefelder. Die Besiedlung Rumä- moravska Vrchovina) – oder aber über das niens und Bulgariens kann noch als relativ be- westliche Niederösterreich (wo C. erate offen- grenzte Ausbreitung nach Westen im Schwarz- bar noch nicht festgestellt wurde) eingewandert meerraum bzw. entlang der Schwarzmeerküste, ist. Die Bestände sind sicherlich viel kleiner als also außerhalb Mitteleuropas, aufgefasst wer- in Südmähren und es ist noch nicht klar, ob es 32 Insecta, Heft 7, 2001 sich überhaupt um dauerhafte Populationen diesen Voraussetzungen dürfte die Besiedlung handelt. Mitteleuropas von C. erate als abgeschlossen In Österreich wurde C. erate zuerst 1990 in beurteilt werden. der Umgebung von Deutschkreutz festgestellt (Eis 1994, Moritz 1994, Moritz 1996); C. erate 4. Diskussion bowohnt heute geeignete Luzernefelder und ähnliche Biotope in den tieferen Lagen im Os- C. erate zeichnet sich aus durch eine unge- ten von Österreich; der Schwerpunkt liegt ein- wöhnlich große Variabilität. Im Laufe der Zeit deutig in Burgenland, das noch zum Pannoni- wurden viele Individualformen benannt (vgl. cum gehört (H. HÖTTINGER pers. Mitt.). Erwäh- SEITZ 1907-09, 1929-32). STIOVA (1991) stellt nenswert ist auch der erste und bisher einzige fest, dass die Variabilität der eingewanderten Fund von C. erate im Donautal in Oberöster- Populationen in der Slowakei und Mähren viel reich bei Esternberg (etwa 12 km südlich von stärker ausgeprägt ist als die der an der Passau) von 1994 (J. GRIESHUBER pers. Mitt.); Schwarzmeerküste heimischen Populationen. das ist auch der westlichste bisher von C. erate Allerdings hat bereits JACHONTOV (1935) auf erreichte Punkt. große Variabilität von C. erate im Süden des da- Nach BUSZKO (1997) wurde C. erate nur auf maligen Europäischen Teils der Sowjetunion wenigen Stellen in Südpolen gefunden. Es han- hingewiesen. STIOVA (1991) erklärt die große delt sich dabei offensichtlich nur um einzelne, Variabilität durch mögliche Hybridisierung wahrscheinlich aus Mähren eingewanderte, Fal- von C. erate mit C. chrysotheme (ESPER, 1780), ter; eigenständige, mittelfristige Populationen C. crocea (GEOFFROY, 1785) und C. hyale; C. al- gibt es in Polen offensichtlich noch nicht. Die facariensis bleibt dabei unerwähnt. Allerdings Südpolnischen Vorkommen stellen dabei den kommen diese Arten auch entlang der nörd- nördlichsten Punkt der gegenwärtigen mittel- lichen Schwarzmeerküste vor. STIOVA (1991) europäischen Verbreitung von C. erate dar. sieht die Ursache der angeblichen Hybridisie- Nach SVESTKA (1995) kann C. erate in Süd- rung in der Ähnlichkeit der Genitalien vieler mähren im günstigsten Jahr bis zu fünf Genera- Colias Arten. Genitalien stellen innerhalb der tionen haben, wobei die Frühjahrsgeneration gesamten Gattung Colias wahrscheinlich keine immer selten ist, und die Imagines deutlich nach dem Schloss und Schlüssel funktionieren- kleiner sind. Die Falter der (wohl gelegentlichen de mechanische Barriere für interspezifische partiellen) fünften Generation sind auch klein. Hybridisierung dar, und wohl auch in vielen C. erate ist am häufigsten im Spätsommer, zu- anderen Gattungen (vgl. z. B. KUDRNA 1986). meist gegen Mitte September. Nach M. SVESTKA Bei den Colias Arten, deren Flügeloberseite UV- (pers. Mitt.) haben die Bestände von C. erate in Licht reflektiert – hierzu gehören von den hier den letzten zwei oder drei Jahren abgenommen. erwähnten Arten nur C. chrysotheme und C. Dies kann mit der wenig günstigen Witterung crocea – dürfte das Merkmal „Hidden wing pat- der letzen Jahre (im Vergleich zu Frühling und tern“ die allgemeine und gegenseitige Erken- Sommer in den Jahren 1990-95) und den na- nung der Artenzugehörigkeit gewährleisten. türlichen Schwankungen zusammen hängen. Obwohl Genitalapparate von C. alfacariensis Nur langfristige Beobachtungen können eine und C. hyale keine Unterschiede aufweisen, genauere Antwort geben. konnte LORKOVIC (1986) die beiden Arten zu Betrachten wir vorerst die Funde von C. era- keiner natürlichen Paarung bewegen; die mit te in Böhmen, Südpolen und Oberösterreich als Mühe erreichte Handpaarung hat unerwartet kleine, temporäre Populationen oder sogar Ein- hohe genetische Isolation der beiden Arten be- zelfunde einer adventiven Art mit sehr hohen wiesen. Z. LORKOVIC (pers. Mitt.) hat kurz vor Vagilität, dann entspricht die neue, durch Süd- seinem Tode mit den Kreuzungsexperimenten mähren und Ostösterreich laufende Westgrenze (Handpaarung) zwischen C. erate und C. crocea dieser Steppenart etwa der Westgrenze Panon- begonnen; so weit bekannt, waren die vorläufi- nien, die wiederum mit der Westgrenze des gen Ergebnisse vollkommen negativ. Damit ist kontinentalen Klima überein stimmt. Unter auch die Befürchtung SVESTKA’s (1995), dass das OTAKAR KUDRNA: Über die natürliche Einwanderung von Colias erate 33 langfristige Überleben von C. erate in Mitteleu- winterungsstadium sein. In Japan überwintern ropa durch interspezifische Hybridisierung be- zumindest teilweise auch Larven (FUKUDA droht sein könnte, wahrscheinlich grundlos. 1982). Der im Vergleich zum osteuropäischen Außerdem kommen die der Hybridisierung milde mitteleuropäische Winter dürfte kein verdächtigten Arten auch im Südosten Europas, Hindernis für langfristiges Überleben von C. er- dem Stammgebiet von C. erate, vor. ate in Mitteleuropa sein. Sollte die natürliche Variabilität innerhalb In Deutschland ist C. erate noch nicht fest- der slowakischen und mährischen Populatio- gestellt worden. Obwohl C. erate auch unter nen tatsächlich größer sein als diejenige im den Colias Arten ein sehr ausdauernder Flieger Schwarzmeergebiet, dann kann dies besser ist, scheint das Donautal als der einzige erfolg- durch eine andere Hypothese erklärt werden. versprechende Einwanderungsweg aus Panno- FORD & FORD (1930) stellten nach vieljährigen nien zu sein. Eine Einwanderung aus Polen er- Beobachtungen fest, dass stark expandierende scheint dabei ziemlich unwahrscheinlich. Im Populationen von Euphydryas aurinia (ROT- benachbarten Böhmen sind keine größere Be- TEMBURG, 1775) sich durch außergewöhnlich stände dieser Art bekannt und der Böhmerwald hohe Variabilität auszeichnen. FORD & FORD stellt ein nicht gerade leicht überwindbares (1930) erklärten dieses Phänomen überzeugend Hindernis dar. Entlang der Donau könnte C. er- durch niedrige Mortalität der Präimaginalsta- ate bewohnbare Halbtrockenrasen und Tro- dien. Offensichtlich entwickeln sich in der Pha- ckenwiesen etwa im Raum Regensburg errei- se einer starken Expansion einer Art bis zur chen. Große Luzerne- und Kleefelder stellen die Imago auch Individuen, die normalerweise wichtigsten Lebensräume dieser Art in Süd- nicht überleben. Dies deutet wiederum auf tera- mähren dar, die das Überleben starker Popula- tologische Prägung von Individualformen, die tionen langfristig sichern. Solche Lebensräume in entomologischer Literatur gerne als „Aberra- sind in Bayern in den letzten Jahrzehnten leider tionen“ bezeichnet werden. sehr selten geworden; sie würden viele Schmet- In den Jahren 1991-96 wurde C. erate in terlingsarten begünstigen. Die in Mitteleuropa Südmähren ziemlich intensiv gesammelt, meis- wohl wichtigste Nahrungspflanze von C. erate – tens im Hoch- und Spätsommer. Trotz dieser Medicago sativa – wächst auch in Deutschland. Sammelaktivitäten haben die Bestände stets Allerdings sind bis heute keine Funde von C. er- deutlich zugenommen und die Ausbreitung hat ate aus Bayern bekannt. Dennoch ist es durch- sich weiter positiv entwickeln können. Diese aus möglich, dass C. erate bereits zu der Tagfalt- Feststellung sollten sich alle „wilden Natur- erfauna Bayerns gehört, aber noch nicht ent- schützer“, die alle Sammel- und mit dem Fang deckt werden konnte. Schuld daran dürfte das der Tiere verbundene Forschungsaktivitäten unsinnig restriktive deutsche Naturschutzgesetz verbieten wollen, gut merken. Sie werden das sein, das die Erforschung und Erfassung der aber nicht tun, weil sie auf wissenschaftliche Tagfalterfauna erheblich behindert, oft sogar Objektivität gerne verzichten; denn wissen- verhindert und somit keinen positiven Beitrag schaftliche Objektivität lässt für subjektive Ge- zum Schutz bedrohter Arten leistet. fühle und Affekte keinen Raum. Die natürlichste abschließende Frage „Wa- Die relative Seltenheit der Frühjahrsgenera- rum es zu der Erweiterung des Areals von C. er- tion ist auch bei C. hyale bekannt; die partielle ate nach Mitteleuropa gekommen ist?“ kann vierte bzw. fünfte Generation kann die Selten- leider noch nicht beantwortet werden. Das be- heit der ersten Generation noch verstärken, da deutet: Die Naturgeschichte der Besiedlung die Falter der fünften Generation absterben oh- Mitteleuropas durch C. erate ist noch lange ne den weiteren Lebenszyklus fortsetzen zu nicht zu Ende erforscht und geschrieben. können. Wegen den im Pannonicum kalten Wintern ist anzunehmen, dass nur Puppen er- 5. Nachtrag folgreich überwintern können. Die Puppe dürf- te auch in der noch kälteren und schneereiche- Dieser Artikel basiert auf meinem Vortrag ren Südukraine die einzige erfolgreiche Über- „Die natürliche Ausbreitung von Colias erate 34 Insecta, Heft 7, 2001

(ESPER, 1805) nach Ungarn, Slowakei, Tsche- oligophagous but only Medicago sativa is cer- chien und Österreich“ bei der NABU Tagung tain as its larval food plant in C. Europe. Popu- „Was macht der Halsbandsittich in der Thuja- lations fluctuate in size every year; the spring hecke?“ (Braunschweig 12.-13. Februar 2000). generation is always rare, in a year with Der Text des Vortrags wurde nachträglich, im favourable weather (i.e. with long spells of Oktober 2000, in gekürzter und leicht abgeän- warmth and sunshine) the late summer genera- derter Form im Tagungsbericht abgedruckt: tion can be very abundant. C. erate frequents „Was macht der Halsbandsittich in der Thuja- preferably extensive lucerne fields. In the first hecke? Zur Problematik von Neophyten und half of the 20th Century C. erate was reported Neozoen und ihrer Bedeutung für den Erhalt on a few occasions from Rumania and der biologischen Vielfalt“. Es ist allerdings – presumably as a rare migrant only. Around or streng genommen – etwas fraglich, ob dieser after 1960 C. erate began its invasion of Ruma- Tagungsbericht alle Anforderungen erfüllt, die nia spreading further southwards to Bulgaria an eine Publikation im Sinne des „International and . In the 80s it was becoming wide- Code of Zoological Nomenclature“ gestellt wer- spread in Hungary and entered , Aus- den. Daher wird in dieser Zeitschrift der ur- tria and Czechia around 1990. At present C. er- sprüngliche Text erweitert durch wichtige Da- ate is wide spread at low altitudes in the whole ten aus dem Jahr 2000 publiziert. Pannonia. The present western boundary runs Nach den ersten Beobachtungen von Colias through Czechia and . There C. erate is erate im Nordböhmen 1999 (A. PAVLICKO pers. well established in South Moravia (but proba- Mitt.) wurde diese Art zum erstenmal in bly mostly migrants have been found in Bo- Deutschland gefunden: Sachsen: Lausitz: Um- hemia) and eastern Austria where it is well es- gebung von Görlitz (H. SBIESCHNE pers. Mitt.). tablished in Burgenland and probably Lower Es ist noch unklar, ob sich bei den Beobachtun- Austria; there is also a single record from Upper gen im Nordböhmen und in der Lausitz um Austria from the Danube River valley very near Einzelfunde eingeflogener Falter oder um ent- the Bavarian border. The new western limit of stehende Populationen handelt. Daher sind die- the range of C. erate agrees fairly well with the se Funde in der Verbreitungskarte (vgl. Abb. 1.) western border of Pannonicum and true conti- nicht berücksichtigt. Im Nordböhmen, z.B. im nental climate in Central Europe. In the last few Böhmischen Mittelgebirge (Ceske Stredohori), years (after 1995) C. erate seems to have be- können die Voraussetzungen für ein langfristi- come somewhat less abundant in S. Moravia ges Vorkommen von C. erate durchaus vorhan- but this fluctuation is probably due to succes- den sein. Auch ungeklärt bleibt die Frage, ob C. sive cooler and wetter springs and summers. In erate in die Südostlausitz aus Südpolen oder Central Europe C. erate has also been found in aber aus Nordböhmen etwa entlang der Elbe S. (northern boundary, probably mi- eingewandert ist. grants only) and in the Balkans in Serbia (prob- ably well established), Croatia (established?), 6. Summary Macedonia and N. Greece (status uncertain). In the last two years a few single specimens of C. Spectacular changes in ranges of European erate were found North Bohemia (Czechia) and butterflies are rare; if they take place, they are Southeastern Lausitz (: Saxonia); it is due to habitat destruction and therefore mostly not clear whether these records are to be attrib- negative. This makes the rapid invasion of Cen- uted to vagrant individual or budding popula- tral Europe by Colias erate in about the last 20 tions. These last mentioned records are not years most interesting. C. erate is a polyvoltine shown in the distribution map (Fig. 1). Palaearctic species; its European centre of dis- tribution is in the South and South 7. Danksagung , southwards to the northern Black Sea coast including the Crimea. C. erate is a typical Die Kollegen Dr. Z. BALINT, Dr. J. BUSZKO, J. inhabitant of the steppe; its larva is probably GRIESHUBER, Dr. H. HÖTTINGER, Dr. P. JAKSIC, OTAKAR KUDRNA: Über die natürliche Einwanderung von Colias erate 35

JACHONTOV, A. A. (1935): Our butterflies. [Russisch]. – Prof. Dr. Z. LORKOVIC, K. LUX, Dipl.-Ing. A. Uchpedgiz, Moscow. PAVLICKO, Dr. L. RAKOSY, H. SBIESCHNE, Dr. M. KUDRNA, O. (1986): Butterflies of Europe. 8. Aspects of the SVESTKA, Frau E.J.M. WARREN und Dr. E.M. conservation of butterflies in Europe. – Aula-Ver- WOLFRAM haben mir durch Informationen oder lag, Wiesbaden. anderweitig Hilfeleistungen erwiesen. Hierfür KUDRNA, O. (1992): On the hidden wing pattern in Europe- an species of the genus Colias Fabricius, 1807 and gebührt ihnen meinen herzlichen Dank. Die eu- its possible taxonomic significance. – Entomologis- ropäische Verbreitungskarte von C. erate ba- t’s Gaz. 43,167-176. siert auf unveröffentlichten im Rahmen des KUDRNA, O. (1994): Kommentierter Verbreitungsatlas der Projektes „Mapping European Butterflies“ zu- Tagfalter Tschechiens. – Oedippus 8, 1-137. LORKOVIC, Z. (1986): Enzyme electrophoretis and interspe- sammen getragenen Daten und wurde mit dem cific hybridization in . – J. Res. Lepid. Programm DMap erstellt. 24(1985), 334-358. LUKHTANOV V., & LUKHTANOV, A. (1994): Die Tagfalter Nordwestasiens. – Herbipoliana 3, 1-440. 8. Literatur MORITZ, K. (1994): Colias erate (Esper 1804) – ein Zuchtbe- richt. – Ent. NachrBl. (NF) 1 (3-4), 6. ABADJIEV, S. (1992): Butterflies of Bulgaria. 1. – Veren Pu- MORITZ, K. (1996): Neue Beobachtungen und Berichte über blishers, Sofia. Colias erate und Colias crocea. – Ent. NachrBl. (NF) ABADJIEV, S. (1993): Butterflies of Bulgaria. 2. – Veren Pu- 3 (1), 13-14. blishers, Sofia. SCHWARZBACH, M. (1974): Das Klima der Vorzeit. – Enke- BALINT, Z. (1991): Conservation of butterflies in Hungary. – Verlag, Stuttgart. Oedippus 3, 5-36. SEITZ, A. (Ed.) (1907-09): Tagfalter. – Großschmetterl. Erde BALINT, Z. (1997): A Karpat-medence napali lepkei. 1. – 1, 1-379. MME, Budapest (1996). SEITZ, A. (Ed.) (1929-32): Die Paläarktischen Tagfalter. BURESCH, I., & TULESCHKOV, K. (1929): Die horisontale Ver- Supplement. – Großschmetterl. Erde 1(Suppl.), 1- breitung der Schmetterlinge in Bulgarien. [1]. [In 399. bulgarisch]. – Izv. tsarsk. prirodonauch. Ins. Sof. SLABY, O. (1951): O vlivu klimatickych cyklu na migraci 2,145-250. motylu a na motyli zvirenu Cech. – Cas. csl. Spol. BUSZKO, J. (1997): A distribution atlas of butterflies in Po- ent. 48, 242-253. land 1986-1995. – OWT, Torun. STIOVA, L. (1991): Prispevek k vyskytu zlutaska Colias erate EIS, R. (1994): Colias erate (Esper 1804) und Pandoriana Esp. na uzemi CSFR. – Cas. slezsk. Muz. Opave pandora (Denis & Schiffermüller 1775) im östlichen (A)40, 45-51. Niederösterreich. – Ent. NachrBl. (NF) 1 (1), 4-8. SUOMALAINEN, E. (1958): Über das Vorkommen und spätere FORD, H. D., & FORD, E. B. (1930): Fluctuation in numbers Verschwinden von Epinephele lycaon Rott. in Finn- and its influence on variation in Melitaea aurinia land. – Suomen hyönt. Aikak. 24, 168-181. Rot.. – Trans. ent. Soc. Lond. 78, 345-351. SVESTKA, M. (1995): Expanse Colias erate Esp. a vyskyt Coli- FUKUDA, H. (1982): The life histories of butterflies in Japan. as crocea Fourcr. na Morave. – Prirodov. Sbor. za- 1. [Japanisch, mit englischer Zusammenfassung]. – padomor. Muz. Trebici 20, 111-129. Hoikusha, Osaka. TUZOV, V. K. (Ed.) (1997): Guide to the butterflies of Russia GOZMANY, L. (1968): Napali lepkek - Diurna. – Fauna hung. and adjacent countries. 1. – Pensoft, Sofia & Mos- 91,1-204 + 1-6. cow. HRUBY, K. (1956): Araschnia levana L. v Ceskoslovensku. – Ochr. Prir., Praha 11, 257-264.

Anschrift des Verfassers: Dr. OTAKAR KUDRNA, NABU – BAG Schmetterlinge, Brombergstrstraße 6, D-97424 Schweinfurt. Insecta, Heft 7, 2001, Seite 36-49

GERD MÜLLER-MOTZFELD, Greifswald

Laufkäfer-Monitoring am Beispiel des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern

1. Einleitung 1997 der Arbeitskreis „Naturschutzorientierte Umweltbeobachtung“ (AKNU) aus Vertretern Seit vielen Jahren wird durch regelmäßiges von Landesämtern und Bundesbehörden, der Messen bestimmter physikalisch-chemischer 1999 eine Fachkonzeption für die „Natur- Parameter die Qualität von Boden/Wasser/Luft schutzorientierte Umweltbeobachtung“ entwi- im Sinne eines Umweltmonitorings überprüft, ckelte. Trotz der begrenzten Einflussmöglich- um daraus Schlüsse sowohl für die Planung als keiten des Bundes sollte gerade für diese Aufga- auch für gezieltes Handeln der entsprechenden be die Schlüsselfunktion des BfN im allgemei- Behörden abzuleiten. Im Gegensatz zu der dar- nen Interesse aller Bundesländer gestärkt wer- aus resultierenden guten Datenlage (Langzeit- den und die zusammenfassenden Darstellungen Reihen) für Trendabschätzungen z. B. für die (DRÖSCHMEISTER & GRUTTKE 1998, BISCHOFF & Gewässerpflege oder den Immissionsschutz, DRÖSCHMEISTER 2000) zum Thema Monitoring wird im Naturschutz das Fehlen eines über die auch bei der Umsetzung in die Fachebenen (z. Erfassung physikalisch-chemischer Parameter B. Entomologie) Beachtung finden. hinaus gehenden naturschutzrelevanten orga- Diese naturschutzorientierte Umweltbeob- nismenbezogenen Monitorings allgemein be- achtung umfasst unterschiedliche Integrations- klagt. Gesetzliche Voraussetzungen für die Eta- ebenen (Artenmonitoring, Biozönosemonito- blierung eines solchen „Naturschutz“-Monito- ring, Landschaftsmonitoring) und ist als Be- rings wurden in Mecklenburg-Vorpommern standteil einer umfassenden ökologischen Um- mit dem neuen Landesnaturschutzgesetz weltbeobachtung des Bundes und der Länder (1998) geschaffen. Dort ist in Abschnitt 2 die anzusehen. „Ökologische Umweltbeobachtung“ als staatli- Wenn allerdings auch nur annähernd all das che Naturschutzaufgabe festgeschrieben. Auch bundesweit dauerhaft oder periodisch unter- die FFH-Richtlinie der EG (1992) verpflichtet sucht wird, was im Konzept der AKNU (1999) die Mitgliedstaaten zum Monitoring der priori- angedacht ist, dann sind wir vom Vorwurf des tären und europaweit bedeutsamen Arten und „ökologischen Überwachungsstaates“ nicht Habitate. Da in der BRD die Durchsetzung von mehr weit entfernt. Es wird das Geld dafür Naturschutzaufgaben in den Händen der Län- nicht reichen und so muss sicherlich reduziert der liegt, der Stand der Verinnerlichung dieser und konzentriert werden. Ein wichtiger Ge- „Monitoring-Aufgaben“ aber offenbar in den sichtspunkt ist dabei, bereits bestehende natio- einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich nale und internationale Monitoring-Program- gereift ist, besteht die Gefahr, dass von den Län- me anderer Umweltbereiche dafür zu nutzen, dern unterschiedliche Monitoring-Konzepte naturschutzrelevante Erhebungen daran anzu- (einschließlich nicht kompatible Erfassungsme- docken. Unter dem Sparsamkeitsprinzip wird thoden und Bewertungsverfahren) entwickelt es keinen Sinn machen, auf dem Acker nur die werden. Um dem vorzubeugen, gründete sich Carabiden zu untersuchen, auf dem Intensiv- GERD MÜLLER-MOTZFELD: Laufkäfer-Monitoring am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns 37 grünland nur die Heuschrecken, im Graben nur züglich auch weiterentwickelt; so wird die Fest- die Mollusken und im Moor nur die Tagfalter. stellung, dass Monitoring gleichzusetzen sei mit Hier sind als intercalare Verbindungsglieder je- Dauerbeobachtung (PLACHTER 1991) heute er- ne Indikatorgruppen gefragt, mit deren Hilfe gänzt durch die Zielfunktion: regelmäßige Kon- generalisierende Vergleiche möglich sind, z. B. trolle und Überwachung (AKNU 1999). Wäh- epedaphische Arthropoden (Aranea, Coleoptera rend GOLDSMITH (1991) Monitoring als ziel- u. a.). Wie sollte sonst eine vergleichende Be- orientierten Prozess (nicht das Ergebnis!) auf- wertung möglich werden. Die Bewertung - ein fasst, betont KAULE (1994) gerade die „Zielun- weiteres schwieriges Diskussionsfeld, dazu be- abhängigkeit“ der Überwachung. Eine seitens darf es nach dem AKNU-Konzept vorher fest- des Landesamtes für Umwelt und Natur zulegender Qualitätsmaßstäbe in Form von (LAUN) in Auftrag gegebene Studie zur Ent- Leitbildern, auch hier sind zumindest Beden- wicklung eines Monitoringkonzepts für das ken anzumelden. Land Mecklenburg-Vorpommern (SPIESS 1996) Es soll im weiteren versucht werden, am definiert das naturschutzrelevante Monitoring Beispiel der Laufkäfer (Coleoptera: Carabidae) auf drei Bezugsebenen und in der Kombination Vorschläge für die Umsetzung eines Landesmo- von Erhebung/Erfassung; Anzeige; Analyse. nitoringkonzepts zu machen und mögliche Nach SPIESS (1996) kann die Dauererhebung Koppelstellen zu bereits bestehenden Felderhe- (langfristige ökologische Beobachtung) auf den bungs-Projekten aufzuzeigen. Ebenen: Population (Art), Biozönose und kom- plexe Landschaft durchgeführt werden. Sie bil- 2. Langzeitforschung/Dauerbeobachtung/ det die Grundlage für das Monitoring, dessen Monitoring Ziele das Erfassen qualitativer und quantitativer Veränderungen (Trend-Analyse) und das Auf- Zunächst soll versucht werden, die Unter- zeigen von Folgen und Problemlösungen sind. schiede zwischen den oben genannten Begriffen Während sich ein zielorientiertes Monito- deutlich zu machen und Ziele für das „Natur- ring in Land-, Forst- und Wasserwirtschaft seit schutzrelevante Monitoring“ zu definieren. Jahren bewährt hat (z. B. bei der schon erwähn- Bestandsüberwachungen einzelner Arten ten Bestandsüberwachung von potentiellen durch Langzeit-Beobachtungen gehören seit Schädlingen), bereitet dies im Naturschutz ganz langem zum Aufgabenspektrum von Faunisten, offenbar Probleme, vor allem auf den überorga- besonders auffällige oder extrem seltene Arten nismischen Zielebenen (Biozönose und Land- erregten schon immer das Interesse der Orni- schaft), da hierfür bisher keine allgemein ak- thologen oder Entomologen und werden regel- zeptierten „Zielvorstellungen“ existieren. mäßig beobachtet. Diese Form der Dauerbeob- achtung wird dann zu einer Form des Monito- 3. Ab wann ist eine ökologische Umwelt- rings, wenn die Datenerhebung nicht einfach so beobachtung eine Dauerbeobachtung? nebenbei erfolgt, sondern standardisiert wurde (quantifizierbare Methodik) und damit eine Eine fundierte Analyse der Themen von Anzeige (Kontrolle, Warnung etc.) ermöglicht, ökologischer Langzeitforschung geben DRÖ- wie z. B. kritische Zahlen im Pflanzenschutz SCHMEISTER & GRUTTKE (1998). Sie stellen fest, (KEILBACH 1966), die beim Überschreiten den dass Langzeitbeobachtungen vor allem zur Ausbruch einer Schädlings-Kalamität anzeigen. Untersuchung folgender Themen eingesetzt Die Meinungen dazu sind unter den Ökologen wurden: nicht einheitlich, so wird oft bereits das Erfas- Langsame Prozesse: sen des Artenbestandes (also die Inventarisie- Sukzession, Arealveränderungen, chemi- rung) als Monitoring aufgefasst. Auch auf der sche Schadstoffwirkungen, Klimafolgen u. a. NABU-Entomologen-Tagung in Berlin (2000) Seltene Ereignisse und episodische Phäno- waren durchaus nicht alle Beiträge wirklich auf mene: ein entomologisches Monitoring gerichtet. Die Gradationen, Epidemien, Wanderungen, Meinungen in der Fachwelt haben sich diesbe- katastrophale Einzelereignisse. 38 Insecta, Heft 7, 2001

Prozesse hoher Variabilität: auf Zeiträume von mehr als 10 Jahren und 24 Abundanzschwankungen (incl. Lotka-Vol- Projekte auf mehr als fünf Jahre. terra-Zyklen), witterungsabhängige Ereignisse. Es existieren aber einzelne Dauerversuche in Komplexe Phänomene und unterschwellige der Land- und Forstwirtschaft, die als echte Vorgänge: Langzeit-Feldexperimente weit über die o. g. Gefährdung/Aussterben, Habitatfragmen- Zeitgrenzen hinausgehen, aber fachlich andere tierung, Verhaltensänderungen u. a. Ziele verfolgen, wie z. B. der durch KÜHN initi- Dabei muss darauf verwiesen werden, dass ierte Feldversuch „Ewiger Roggenanbau“ in es zur Dauer-Untersuchung auch eine Alternati- Sachsen-Anhalt (STEGEMANN et al. 1995). ve gibt, die zwar häufiger angewandt wird, aber Obwohl der Mangel an naturschutzfachlich die es fachlich zu hinterfragen gilt, das ist die si- ausgerichteten Daueruntersuchungen offen- multane Untersuchung zeitgleich existierender sichtlich ist, gehen die Ansichten über die Not- Verlaufsstadien, z. B. von Sukzessionen etc. Im wendigkeit von jährlich gleichartigen Erhebun- Gegensatz zur Daueruntersuchung wird das gen sehr auseinander. In der Regel werden von Untersuchungsergebnis simultaner Erhebungen den großen Forschungsgeldgebern DFG, BMBF immer durch die Besonderheiten des jeweiligen oder BfN entsprechende Forschungsprojekte Untersuchungszeitraumes (bezogen auf das auf drei (seltener fünf) Jahre begrenzt. Selbst Untersuchungsgebiet) gefiltert. So ist nicht da- bei Projekten, die auf die Effizienzkontrolle von von auszugehen, dass z. B. der Laufkäferbestand Renaturierungsmaßnahmen ausgerichtet waren einer 30jährigen Kiefernkultur, die heute mit ei- und vom Untersuchungs-Ansatz her die Suk- nem benachbarten 60jährigen Kiefernbestand zession von Flächen im 1., 2., 3., 5. und 10. Jahr unter gleichen standortkundlichen Bedingun- nach einem entsprechenden Pflegeeingriff ver- gen verglichen wird, wirklich identisch ist mit folgen sollten, wurde spätestens im 3. Jahr die der Laufkäferfauna dieser 60jährigen Kiefern ernsthafte Frage seitens des BfN an die Untersu- tragenden Fläche vor 30 Jahren, obwohl dies cher gestellt, ob denn nun immer noch weiter von Anwendern des simultanen Untersu- das Gleiche untersucht werden solle. Ganz ähn- chungsansatz immer stillschweigend als Voraus- liche Erfahrungen konnten auch bei landesfi- setzung unterstellt wird. Alle in diesem Zei- nanzierten Projekten gemacht werden, wo be- traum von 30 Jahren erfolgten Wirkungen, die reits die Notwendigkeit der Festlegung eines die Laufkäferbestände einer der oder beider Flä- Normativ-Wertes für die Effizienzkontrolle auf chen betrafen (Klimaänderungen, Schädlings- Weidegrünland, der aus einer 3jährigen identi- Kalamitäten, anthropogene Eingriffe u. a.), las- schen Beprobung gewonnen werden sollte, auf sen es eher als unwahrscheinlich erscheinen, Unverständnis stieß. dass die heutige Laufkäferfauna des 30jährigen Auch hier war das Ansinnen, doch wenig- Bestandes mit der des gleichaltrigen Bestandes stens jedes Jahr andere Tiergruppen zu untersu- vor 30 Jahren wirklich identisch sein sollte. Je chen, wenn schon so viel Geld ausgegeben wird. länger die Vergleichszeiträume auseinander lie- Das Verständnis für die Bedeutung von Zei- gen, um so größer dürften die Unterschiede sein treihen kontinuierlicher Messdaten ist bei Be- (z. B. infolge langfristiger Klimaänderungen). hörden offenbar sehr begrenzt. Oft werden Ab welcher Zeitspanne gilt denn allgemein 5jährige Erhebungen schon als „Daueruntersu- eine Untersuchung als „Langzeit“-Erhebung? chung“ aufgefasst. Dass dem entschieden DRÖSCHMEISTER &GRUTTKE (1998) kommen bei widersprochen werden muss, zeigten u. a. auch ihrer Analyse zu dem Ergebnis, dass es bei frei- die Untersuchungen von FRIEDRICH (1999), der landexperimentellen Arbeiten auch auf interna- im Rahmen des Projektes „Unzerschnittene tionaler Ebene praktisch kaum Untersuchun- Räume“ (UZLAR) darstellte, dass selbst 15jäh- gen gibt, die sich auf Zeiträume von mehr als 50 rige Durchschnittswerte von Beringungsdaten Jahren erstrecken. In dem Zeitraum von 20 bis der Vogelwarte Hiddensee bei Greifvögeln und 50 Jahren sind dann schon mehrere internatio- Eulen noch als punktuelle Einzelereignisse im nale Projekte und auch fünf Projekte des BfN statistischen Sinn zu werten sind. Das bedeutet, angesiedelt. 17 Projekte des BfN beziehen sich dass unsere Vorstellungen von wirklichen GERD MÜLLER-MOTZFELD: Laufkäfer-Monitoring am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns 39

Langzeit-Erhebungen im Naturschutz entschie- kontinuierliche Datenerhebungen zum Erken- den nach oben korrigiert werden müssen. nen säkulärer Veränderungen ein. Hierbei sind In Tabelle 1 soll daran erinnert werden, dass natürlich unterschiedliche Zeitebenen zu be- die territorialen und die zeitlichen Ebenen von achten, an denen der Untersuchungs-Rhyth- Faunenveränderungen gekoppelt sind. Auf der mus orientiert werden muss. Dies kann einmal untersten (ökischen) Untersuchungsebene gilt zu einer artbezogenen Skalierung der Erhebun- es, die messbaren jährlichen Abundanzverände- gen führen und andererseits zu einer prozessbe- rungen (Bestandsschwankungen) in Relation zogenen Auswahl geeigneter Indikatorgruppen zu Witterungs- oder Nutzungsänderungen zu für das entsprechend geeignete Untersuchungs- setzen. Auf der nächst höheren territorialen Design. Für Insekten sind bisher drei verschie- Stufe (topisch) kann es bei langfristig (Jahr- denen Konzepte für ein Monitoring verfolgt zehnte) kohärenter Wirkungen von Klima- worden: oder anthropogenen Faktoren zu Veränderun- x Bestandsüberwachung einer einzelnen Art gen des Inventars kommen (z. B. Oszillationen durch kontinuierliche (jährliche oder perio- der Arealgrenzen). Halten diese Prozesse länger dische) Erhebungen in einem begrenzten an oder beziehen sie sich auf größere Territo- Gebiet rien (regional/chorisch), kommt es zum „Fau- Beispiel: jährliche Bestandserfassung (Le- nenwechsel“, wie z. B. während der Eiszeiten in bendfang/ Markierung) des endemischen Mitteleuropa, wo sich in einem Zeitraum von Höhlenkäfers Laemostenes schreibersi (RUS- 13.000 Jahren 22 - 50 % des Arteninventars der DEA 2000) Laufkäferfauna änderten. Erst für die globale x Verfolgen der Bestandsentwicklung einer Ebene spielen Abundanz- und Arealgrenzen- ganzen Taxozönose durch ein kohärentes verschiebungen dagegen keine Rolle mehr, hier Netz von Beobachtern in einem größeren sind Veränderungen nur durch evolutive Pro- Gebiet (Staat, Land, Region) zesse (Aussterben oder Neuentstehen von Ar- Beispiel: Tagfaltermonitoring (seit 1990) in ten) möglich. den Niederlanden (VAN SWAAY 2000) Es gilt als sinnvoll, die Dauer geplanter Be- x Verfolgen der Veränderung von Geobiozö- obachtungen an der Dauer der zu beobachteten nosen (z. B. Sukzessionen u.a.) anhand der Prozesse zu orientieren. So ist es naiv anzuneh- im ökosystemaren Untersuchungs-Ansatz men, die Auswirkungen von Klimafolgen aus einbezogene Indikatorgruppen (z. B. Ara- dreijährigen Untersuchungen ablesen zu wol- nea, Carabidae, Aves) len, wenn Klima als das 30jährige Mittel der Beispiel: Kontrolle der Entwicklung der Geo- Witterungsschwankungen definiert ist. biozönosen im Rhythmus: 1., 2., 3., 5. und Die Programme naturschutzorientierter 10. Jahr nach der Renaturierung im Rahmen Dauerbeobachtungen schließen sowohl die Be- des Projekts Stadtlandschaftsentwicklung standskontrolle (z. B. von FFH-Arten) als auch Greifswald (MÜLLER-MOTZFELD 1999).

Tabelle 1. Faunenveränderungen global: evolutive Prozesse Jahrmillionen (Neuenstehung/Aussterben) chorisch/regional: Faunenwechsel (klimatisch/anthropogen) Jahrhunderte/ Areal-Dislokation, - Expansion, - Regression Jahrtausende topisch: Veränderungen des Inventars Jahrzehnte/Jahre Arealgrenzenoszillationen

ökisch: Abundanz-Veränderungen < Jahr <

➔ Artenschwund ➔ Bestandsschwankungen Klima Witterungsbedingt/nutzungsbedingt (30jähriges Mittel) 40 Insecta, Heft 7, 2001

4. Zur Einbindung des naturschutzorientier- Erweiterung um einen organismischen natur- ten Monitoring in andere Programme schutzorientierten Teil geeignet:

Eine pauschale Überwachung aller Umwelt- Wasserwirtschaftliche Meßprogramme: größen mit potentieller Signalwirkung für den x Wasserbeschaffenheit von Fließ-, Stand- Naturschutz ist weder technisch möglich noch und Küstengewässern finanzierbar. Außerdem ist davon auszugehen, x Seenkartierungsprojekt dass zumindest teilweise in den bereits von an- Boden- und standortkundliche Meßprogram- deren Wissensgebieten realisierten Dauerbeob- me: achtungs-Programmen naturschutzrelevante x Bodendauerbeobachtung Daten mit erhoben werden. x standortkundliche Moorinventarisierung Für Mecklenburg-Vorpommern wurde zu- Forstwissenschaftliche Dauerbeobachtungen: mindest überprüft, welche internationalen, na- x Waldmonitoring tionalen und landesspezifischen Monitoring- x Forstschutz-Kontrolluntersuchungen oder Dauerbeobachtungs-Programme existie- ren, um die Möglichkeit der zeitlich-räum- Bisher wurden weder bei der noch laufen- lichen Anpassung des geplanten naturschutz- den „Seenkartierung“ noch bei der Moortypen- orientierten Monitorings an die bestehenden erfassung (1995/98) organismische Daten erho- Untersuchungs-Systeme zu überprüfen (SPIESS ben, auch das sonst sehr fundierte Waldmoni- 1996), bzw. eine kostengünstige Erweiterung toringprogramm des Landes blieb bisher auf entsprechender Programme anzustreben. standortkundliche und forstwissenschaftliche Parameter beschränkt. Hier wäre die gezielte Beispiele für internationale Umwelt-Moni- Erweiterung der Programme um Erhebungen toring-Programme (nach SPIESS 1996): zu ausgewählten Indikator-Organismengrup- international: pen außerordentlich wünschenswert und von GEMS (Global Environment Monitoring unmittelbarer Bedeutung auch für die Zielstel- System) lung von Gewässer- und Moorschutzprogram- GIM (Global Integrated Monitoring) men bzw. der Realisierung von Konzepten einer europäisch: modernen Waldwirtschaft. Die teilweise einsei- IMP (Integrated Monitoring Programm) tige Fokussierung dieser o. g. Programme auf EMEP (Programm for Monitoring and die Erhebung physikalisch-chemischer Parame- Evaluation of Lang Range Air ter verkennt die Bedeutung der organismischen Pollutants in Europa) Bioindikation. Bioindikatoren sind dann im national: Vorteil, wenn sie schneller / präziser / kosten- ITER (USA); SKUB (Schweiz); PMK günstiger zu Ergebnissen führen bzw. komple- (Schweden) xere Zusammenhänge anzeigen (SCHUBERT Beispiele für nationale naturschutzrelevante 1985). Zur speziellen Eignung der Laufkäfer Programme in Deutschland: (Carabidae) als pedologische Bioindikatoren x Ökosystemare Umweltbeobachtung siehe MÜLLER-MOTZFELD (1989). x Ökologische Flächenstichprobe x 100-Arten Korb Als weitere „Keimzellen“ einer „natur- Hier ist auch die nationale (bzw. landesspe- schutzrelevanten ökologischen Dauerbeobach- zifische) Untersetzung der Bestandsüberwa- tung“ im Land Mecklenburg-Vorpommern chungspflicht (entsprechender Arten und Ha- können genannt werden: bitate) im Rahmen der Umsetzung der FFH- x Ornithologische Bestandskontrollen Richtlinie anzuschließen! (Vogelberingung, Wasservogelzählung, Weiß- storch-Schutzprogramme, Adler-Schutzpro- Unter den im Land Mecklenburg-Vorpom- gramm, Brutvogelkartierungen u. a.) mern laufenden Monitoring- und Dauerbeob- x Effizienzkontrolle zum Programm „Natur- achtungs-Programmen sind folgende für eine schutzgerechte Grünlandnutzung“ GERD MÜLLER-MOTZFELD: Laufkäfer-Monitoring am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns 41

(standortkundliche, vegetationskundliche und alle genannten Arten auch in Mecklenburg- ökofaunistische Parameter: 1997 - 2000) Vorpommern vor. Die o. g. Artenauswahl hat x Begleituntersuchungen zum Projekt: Aus- sich mehrfach geändert und ist in Fachkreisen deichung der Karrendorfer Wiesen nicht unumstritten, doch wurde zumindest ein (jährliches Mindestuntersuchungspro- Teil dieser Arten auch in eine Prüfung der gramm geo- und biowissenschaftlicher Pa- „FFH-Würdigkeit“ einbezogen (MÜLLER- rameter seit 1993) MOTZFELD 2000a), aus der dann die Puppenräu- x Stadtlandschaftsentwicklung Greifswald ber Calosoma reticulatum und Calosoma syco- (EE/FE-Vorhaben, gefördert vom BfN. phanta als „Spitzenkandidaten“ für eine mögli- Laufzeit 1992 - 2005: stadtökologische, che Novellierung der Anhangslisten der FFH- standortkundliche, vegetationskundliche Richtlinie hervorgingen. Wie mangelhaft der und ökofaunistische Erhebungen) Kenntnisstand über Verbreitung und Gefähr- Ein Teil der aus diesen Programmen gewon- dung mitteleuropäischer Laufkäfer in interna- nenen Daten fließt u. a. auch in die dezentral tionalen Naturschutz-Gremien ist, zeigt ein organisierten floristischen und faunistischen Vergleich der Roten Listen der IUCN (1996) Datenbanken des Landes ein (z. B. Gefäßpflan- mit denen der UNO (1993), der FFH-Richtlinie zen, Vögel, Laufkäfer). Es wird allerdings noch der EG (1992) und den Roten Listen der mittel- großer Anstrengungen bedürfen, die bereits be- europäischen Länder (MÜLLER-MOTZFELD stehenden Programme entsprechend der Ziel- 2000). Das bedeutet, dass von internationaler richtung „naturschutzfachlich“ zu qualifizieren, Seite keine Argumentationshilfen zu erwarten durch neue Programme zu ergänzen, auf die er- sind und dass die Länder gut beraten wären, forderlichen Signalwerte zu fokussieren und wenn sie neben der Pflicht, die FFH-Arten in dann die Datenfülle auch überschaubar zu- das Ländermonitoring einzubeziehen, weitere sammenzuführen. regional raumbedeutsame Arten (in Abstim- mung mit den Nachbarländern) für das Arten- 5. Rahmenbedingungen für ein Laufkäfer- Monitoring festlegen würden. Monitoring Von größerer Bedeutung dürften Insekten aber für das „Biozönose-Monitoring“ sein, da Im Rahmen des vom Land Mecklenburg- sie bei einem ökosystemaren Untersuchungsan- Vorpommern in Angriff genommenen Pro- satz als Repräsentanten der mittleren trophi- gramms für die ökologische Umweltbeobach- schen Ebenen unumgänglich sind. tung ist auch ein Monitoring von Insekten vor- gesehen (SPIESS 1996, WACHLIN & MÜLLER- 5.1 Laufkäfer für das Artenmonitoring MOTZFELD 1999). Für die Mehrzahl der Insektenarten ist die Zur Pflicht gehört hier die Bestandsüberwa- Durchführung eines landesweiten Artenmoni- chung der FFH-Arten. Unter den FFH-Arten, torings (im Sinne einer regelmäßigen, flächen- die in Deutschland vorkommen, befindet sich deckenden Erhebung) nicht leistbar. Daher nur eine Laufkäferart: menetriesi ssp. wird sich das Artenmonitoring bei Insekten auf pacholei; diese ist auch für den „100-Arten- wenige ausgewählte Arten, z. B. FFH-Arten und Korb“ vorgesehen. Während die Nominatrasse andere „raumbedeutsame“ Arten (MÜLLER- dieser Art in NO-Europa weit verbreitet und MOTZFELD et al. 1997) beschränken müssen. +/- ungefährdet ist, sind die Vorkommen der So ist auch in der AKNU-Konzeption o.g. mitteleuropäischen Rasse stark vereinzelt. (1999) die Gruppe der Laufkäfer nicht für ein Sie lebt hier in einem bedrohten Habitat (Wald- bundesweites Monitoring vorgesehen, obwohl und Vorwald-Stadien in nährstoffarmen Moo- im „100-Arten-Korb“ auch fünf Laufkäferarten ren) und gilt zurecht als vom Aussterben be- für solch ein bundesweites Monitoring genannt droht. Die meisten aktuellen Vorkommen lie- werden: Agonum ericeti, Carabus cancellatus, gen z. Z. in Bayern, daneben existieren einzelne Carabus menetriesi, Carabus nitens und Carabus Nachweise aus Österreich, der Tschechei, Slo- nodulosus. Außer Carabus nodulosus kommen wakei, Sachsen und Vorpommern. 42 Insecta, Heft 7, 2001

Als weitere raumbedeutsame Laufkäferarten Weitere raumbedeutsame Laufkäferarten, für das Artenmonitoring des Landes Mecklen- die in Mecklenburg-Vorpommern vorkom- burg-Vorpommern wurden gemeldet: men, aber für ein Monitoring weniger geeignet x Calosoma reticulatum: nur alte Meldungen sind: bekannt, aktuelle Vorkommen vor allem in x Agonum hypocrita: Grenzart, nur ein be- Brandenburg, Sachsen-Anhalt; Eignungstest kanntes Vorkommen im Müritz-NP, für FFH-Arten (MÜLLER-MOTZFELD 2000a) schwer zu diagnostizieren x Agonum monachum: exklusive Art der x Chlaenius costulatus: kontinentale Grenz- Brackwasser-Röhrichte, in Deutschland ak- art, nur zwei aktuelle Nachweise aus dem tuell nur drei bekannte Vorkommen, alle in Peenetal, Lebensweise +/- unbekannt Mecklenburg-Vorpommern; Eignungstest x Chlaenius quadrisulcatus: kontinentale für FFH-Arten (MÜLLER-MOTZFELD 2000a) Grenzart, nur alte Nachweise aus dem x Carabus nitens: exklusive tyrphobionte Art Unterlauf der Oder, Lebensweise +/- unbe- extrem nährstoffarmer Moore, nur wenige kannt aktuelle Vorkommen in Mecklenburg-Vor- x Chlaenius sulcicollis: kontinentale Grenzart, pommern; Eignungstest für FFH-Arten nur noch alte Nachweise aus dem Unterlauf (MÜLLER-MOTZFELD 2000a); Art des „100- der Oder (getrennte Vorkommen in Bay- Arten-Korbs“ ern) x Sphodrus leucophthalmus: sog. Kellerkäfer, x Dyschirius chalceus: stenohalobionte Art, eine bei uns vom Aussterben bedrohte Art, Grenzart; früher an der Küste, heute fast nur die ihr pontomediterranes Areal ehemals noch auf Sekundär-Standorten synanthrop ausgeweitet hatte, letzte Vor- x Harpalus melancholicus: Dünenart, Grenz- kommen in Mecklenburg-Vorpommern: art; nur noch ein aktueller Fund an der Ost- Japenzin bei Anklam; Eignungstest für FFH- seeküste Mecklenburg-Vorpommerns Arten (MÜLLER-MOTZFELD 2000a) x Harpalus modestus: Dünenart, Grenzart; x Cicindela maritima: exklusive Küstenart der keine aktuellen Nachweise aus Mecklen- Kies- und Sandstrände, stark rückläufig, gut burg-Vorpommern bekannt durch visuelle Beobachtung nachweisbar x Platynus krynickii: exklusive Art kontinen- x Bembidion pallidipenne: exklusive Art der taler Erlenbruchwälder, Grenzart; Haupt- Strandsee- und Lagunenufer, stark rückläu- verbreitung in Deutschland: Mecklenburg- fig, gut durch visuelle Beobachtung nach- Vorpommern, Brandenburg weisbar x Anisodactylus poeciloides: stenohalobionte Dies wären die für ein Artenmonitoring in Art auf Binnenlandsalzstellen und an Mee- Mecklenburg-Vorpommern potentiell in Frage resküsten, in Mecklenburg-Vorpommern kommenden Laufkäferarten aus der Sicht der extrem selten und stark gefährdet notwendigen Bestandskontrolle raumbedeutsa- x Agonum ericeti: exklusive tyrphobionte Art mer Zielarten des Naturschutz. extrem nährstoffarmer Moore, Anzeiger für Unter anderen Gesichtspunkten (z. B. Cha- niedrige pH-Werte, stark gefährdet; Art des rakterarten oder diagnostische Arten bestimm- „100-Arten Korbs“ ter zu schützender Lebensräume) lassen sich x Europhilus munsteri: in Mecklenburg-Vor- weitere Arten auswählen, denen dann z. B. im pommern exklusive Art nährstoffarmer Rahmen des Biozönose-Monitorings besondere Kesselmoore (bisher nicht von der Insel Rü- Aufmerksamkeit zukäme. gen bekannt!), Kaltzeit-Relikt! 5.2 Biozönosemonitoring Aus dem „100-Arten-Korb“ käme hinzu: x Carabus cancellatus: eine ehemals häufige Art Für das landesweite Biozönose-Monitoring der offenen Agrarlandschaft die in den letzten wurden in Abstimmung mit der AG Geobotanik Jahrzehnten stark rückläufig war, sie gehört des NABU eine Reihe von Lebensräumen ausge- aber nicht zu den raumbedeutsamen Arten. wählt. Alternativ zu den im Rahmen bereits GERD MÜLLER-MOTZFELD: Laufkäfer-Monitoring am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns 43 existierender Monitoring-Programme abge- So wird für die Habitatgruppe 8 (Trocken- deckter Habitat-Typen (Gewässer, Wald, Nut- rasen) die Grunderfassung im Stratum Boden- zungsgrünland u. a.) sollte die Auswahl auf jene oberfläche (Coleoptera: Barberfalle) ergänzt FFH-Habitat-Typen fokussiert werden, die aus durch die Erfassung ausgewählter Aculeata vegetationskundlicher und entomologischer (Hymenoptera) mittels Sichtbeobachtung/Ke- Sicht einen landestypischen Untersuchungs- scher und für die Krautschicht durch Wanzen schwerpunkt bilden sollten. Nach WACHLIN & (Heteroptera) und Heuschrecken (Saltatoria) MÜLLER-MOTZFELD (1999) sind dies: mittels spezieller Erfassungsmethoden. 1. Steilküsten Dieses Konzept bietet den Vorteil der Er- FFH-Habitat-Typ: 1230 weiterungsfähigkeit im Bedarfsfall um weitere 2. Salzwiesen der Ostseeküste spezifizierte Module, z. B. im Wald: Alt- und FFH-Habitat-Typ: 1330 Totholz (Coleoptera), Stamm- und Kronen- 3. Dünen der Ostseeküste schicht (Aves, Chiroptera, Aranea) u.a., so dass FFH-Habitat-Typ: 1210, 1220, 2110, 2120, durch Komplettierung der Module und Einbe- 2130, 2140, 2150, 2170, 2190 ziehung von Standort- und vegetationskund- 4. Subatlantische Zwergstrauchheiden lichen Erhebungen näherungsweise ein ökosys- FFH-Habitat-Typ: 2310, 2320, 4010, 4030 temarer Ansatz verfolgt werden kann. Welche 5. Natürliche Still- und Fließgewässer Gruppen dann als Indikatoren für das Biozöno- FFH-Habitat-Typ: 3130, 3140, 3150, 3160, se-Monitoring ausgewählt werden, hängt na- 3260 türlich ganz wesentlich davon ab, wo eine hohe 6. Braunmoos-Kopfbinsen-/Braunmoos-Seg- Aussagen-Effizienz erwartet wird und wieviel genriede Geld dem Land die erwarteten Entscheidungs- FFH-Habitat-Typ: 7210, 7230 hilfen wert sind. Die generelle Finanzknappheit 7. Torfmoos-Seggenriede erzeugt dabei einen stetigen Druck zur Reduzie- FFH-Habitat-Typ: 7110, 7120, 7140, 7150 rung des Umfangs der Erhebungen, so dass 8. Sandtrockenrasen/basophile Trockenrasen vom Untersuchungs-Design her methodische FFH-Habitat-Typ: 2330, 6120, 6210 Mindeststandards an der untersten Grenze der 9. Feuchtwiesen/Frischwiesen und -weiden statistischen Sicherheit favorisiert werden, wie FFH-Habitat-Typ: 6410, 6510 dies ja leider schon die generelle Praxis bei Er- 10. Natürliche und naturnahe Laubwälder hebungen unter naturschutzfachlichem Aspekt FFH-Habitat-Typ: 9110, 9130, 9160, ist (FINCK et al. 1992). 9190,91D0, 91E0 Unter den im Rahmen des Biozönose-Mo- 5.3 Methoden für das Laufkäfer-Monitoring nitorings zu bearbeitenden Insektengruppen wurden die Laufkäfer (Carabidae) als Repräsen- Bei Laufkäfern scheint die Entscheidung, tanten des Epedaphon ausgewählt. Dem Epeda- welche Methoden für ein Monitoring zu emp- phon kommt eine besondere Bedeutung für ge- fehlen sind, zunächst im Vergleich mit anderen neralisierende Vergleiche zu, da eine besied- Insektengruppen einfach zu sein. Ganz allge- lungsfähige Bodenoberfläche das in terrestri- mein gilt die sogenannte „Barberfalle“ (Boden- schen Ökosystemen am weitesten verbreitete falle nach BARBER 1931) als das geeignete Erfas- Stratum darstellt. So sind die Carabiden als mo- sungsinstrument, wenngleich die heutigen Fal- nitoringfähige Indikatorgruppe für fast alle der len (mit Dach, auswechselbarem Einsatz, pas- genannten Habitat-Typen vorgesehen, eine senden verschraubbaren Auswechsel-Proben- Ausnahme bildet die Habitatgruppe 5 (natürli- gefäßen, speziellen Fangflüssigkeiten, Abweis- che Still- und Fließgewässer). einrichtungen für Kleinsäuger, Schutzeinrich- Insgesamt wird mit dem Insekten-Monito- tungen gegen Weidevieh, Fahrstuhlanlagen ring ein Ansatz verfolgt, der stratumspezifische bzw. Schließeinrichtungen im Überflutungsbe- Untersuchungs-Module für ausgewählte Indi- reich, Leitblechen u. a.) oft nur sehr entfernt an katorgruppen festlegt und die Auswahl der die Barberschen Fangtöpfe erinnern. Doch hier Gruppen nach dem Habitat-Typ modifiziert. muss bereits einschränkend festgestellt werden, 44 Insecta, Heft 7, 2001 dass selbst bei ganzjährigem kontinuierlichen kierungs-Rückfang, Nachweis von Lebensspu- Fallenfang je nach Menge der eingesetzten Fal- ren u. a.) beschränkt bleiben. len und in spezifischer Abhängigkeit von der Von den zehn Laufkäferarten, die für ein strukturellen Vielfalt der untersuchten Fläche Arten-Monitoring in Mecklenburg-Vorpom- nur ein eingeschränkter Prozentsatz des Arten- mern vorgesehen sind, lassen sich sieben im Ge- Bestandes in den Barberfallen nachweisbar ist. lände vom Fachmann ansprechen und sind Bei relativ homogenen Strukturen (z. B. durch Handaufsammlungen und visuelle Suche Feuchtgrünland) können, wie Vergleiche mit gut nachweisbar. Determinationsschwierigkei- Handfängen, Fotoeklektoren u. a. zeigen, be- ten im Feld sind vor allem bei Carabus mene- stenfalls ca. 80 % der Artenzahl mit Barberfal- triesi, Agonum monachum und Europhilus mun- len erfasst werden. Die ergänzenden Vergleichs- steri zu erwarten. Sphodrus leucophthalmus fänge mit anderen Methoden weisen ein ande- könnte nur durch eine spezielle Erfassungs-Ak- res Artenspektrum auf, vor allem dämmerungs- tion aufgespürt werden. Außer Carabus mene- und nachtaktive Arten werden mit den Barber- triesi sind alle Arten eher durch spezielle Suche fallen besser erbeutet als tagaktive (KRAUSE nachzuweisen als durch Barberfallen, besonders 1974). Wiederum gibt es kaum Laufkäfer, die gilt dies für die tagaktiven Küstenarten Cicinde- überhaupt nie in Barberfallen gefangen wurden, la maritima und Bembidion pallidipenne. Von von jenen Arten abgesehen, denen aufgrund ih- den im Kapitel 5.1. genannten acht weiteren rer Lebensweise nicht mit Barberfallen nachge- raumbedeutsamen Laufkäferarten sind bisher stellt wird (z. B. arboricole Arten der Gattungen nur wenige (Dyschirius chalceus, Harpalus me- Dromius, Lebia, Calosoma u.a.). Auf den be- lancholicus) überhaupt mit Barberfallen belegt sonders artenreichen Trockenstandorten (Kie- worden. Für die Dünenarten Harpalus modestus fernheiden, Trockenhänge etc.) kann der Erfas- und Harpalus melancholicus könnten Lebend- sungsanteil der Barberfallen bezogen auf die fallen (August) zum Einsatz kommen, die ande- dort nachweisbaren Gesamtartenzahl bis auf ren Arten sind besser durch gezielte Suche im unter 60 % absinken. Gerade die selteneren Ar- entsprechenden Habitat nachzuweisen. ten (oft Zielarten des Naturschutz) sind es, die nur mit großer Fallenzahl oder überhaupt nicht Zur Abschätzung der „Monitoringfähigkeit“ mit der Barberfalle nachgewiesen werden kön- wurde vom Landesamt für Umwelt und Natur nen und für die dann spezielle Nachweismetho- (LAUN) ein mehrteiliger „Steckbrief“ entwi- den zum Einsatz kommen müssen. ckelt, der die wichtigsten Daten zu diesen Arten Die Bedeutung der Barberfalle als eine +/- zusammenfasst: automatisch arbeitende Datenquelle ist aber 1. Lebensraum/Bestand/Verbreitung unbestritten, nur darf nicht übersehen werden, 1.1 Lebensraum in M-V (Habitatansprüche, dass diese Daten ergänzungsbedürftig sind. Je spezielle Strukturen und Substrate) nach Zielstellung der Untersuchung kann diese 1.2 Biotop-Nr. (EU-, FFH-Code) Ergänzung unabdingbar sein (z. B. bei der In- 1.3 Bestandssituation (Erfassbarkeit, Erfas- ventarforschung in Naturschutzgebieten) oder sungsstand, Bestandsdichte, Bestandsent- eher als zusätzliche Kür angesehen werden. In wicklung, Verteilung) jedem Fall ergeben sich aus den methodisch be- 1.4 Areal (Gesamtverbreitung, Lage und Be- dingten Ergänzungen weitere zusätzliche Argu- deutung des Vorkommens in M-V in Rela- mente, die durch die Beschränkung auf die Bar- tion zum Gesamtareal) berfalle sonst verborgen bleiben würden. Für 2. Ökologische Besonderheiten und Gefähr- das Arten-Monitoring sind diese o. g. Gesichts- dung punkte weniger relevant, hier ist nur zu über- 2.1 Ökologische Bindung, Raumansprüche, prüfen, mit welcher Methode, in welchem Zei- Empfindlichkeit, Hemerobiegrad, Indika- traum und in welchem Untersuchungs-Ab- tions-Eignung stand die Bestandskontrollen durchzuführen 2.2 Gefährdung/Verantwortung des Landes sind. Dabei muss das Methodenspektrum in der (Ursachen, Chancen) Regel auf Lebendnachweise (Lebendfang, Mar- 3. Regenerierbarkeit, Ziele, Maßnahmen GERD MÜLLER-MOTZFELD: Laufkäfer-Monitoring am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns 45

Für das Biozönose-Monitoring hat auf- tete Vorgehen, die Fangzahlen auf „optimale grund der besseren Vergleichbarkeit und der Fangperioden“ zu konzentrieren, lieferten parallelen Miterfassung anderer Gruppen (z. B. DUELLI et al. (1990). Natürlich wurde dieser Aranea, Opiliones, Myriopoda, Isopoda, weite- deutlich reduzierte und daher wesentlich billi- re Gruppen der Coleoptera) die Barberfalle gro- gere Ansatz sofort von den geldgebenden Ein- ße Vorteile. Eine wichtige Voraussetzung wäre richtungen begeistert aufgegriffen und nun zur die Standardisierung der Falle, diese ist aber zu- Pflicht erhoben. In den Empfehlungen des BfN gleich eines der Hauptprobleme. Neben den (FINCK et al. 1992) wird dies zwar als Mindest- bautechnischen Eigenschaften der Falle selbst umfang bezeichnet, in Wirklichkeit wird es in- (Öffnungsweite und Einfallwinkel des Fangein- zwischen als oberste Bemessensgrenze gehan- satzes, Tiefe, Material, Farbe u. a.) sind es die delt. Eigenschaften der Fang- und Konservierungs- flüssigkeit (Lockwirkung, Flüchtigkeit, Oberflä- Hier ist ganz klar fachliche Kritik anzumel- chenspannung, Fixations- und Konservierungs- den (MÜLLER-M. et al. 1995, SCHULTZ 1995), da Eigenschaften) und die technischen Feinheiten eine der Hauptprämissen, die von DUELLI et al. der Fallenausbringung selbst, die das Fanger- (1990) angeführt werden, dass die Aussagekraft gebnis beeinflussen, z. B. ob die Fangöffnung des minimierten Ansatzes vom Maß der er- zum Boden hin durch einen schmalen, glatten, reichten prozentualen Artenmenge abhänge, so vorstehenden Glas-Rand begrenzt wird oder pauschal einfach nicht stimmt. Es ist im Gegen- durch eine breitere Kunststoff-Platte. Auch die teil eher so, dass gerade jene nur mit größerem Wahl des „Mikro-Standorts“ und die Beschaf- Fallenaufwand nachweisbaren selteneren Arten fenheit der unmittelbaren Fallenumgebung be- (bzw. Arten mit geringer Fanghäufigkeit) zu einflussen das Ergebnis. Hinzu kommen die den wertbestimmenden Elementen gehören. Wahl der Fangperiode und die Mindestanzahl Die Aussagenqualität wird sicher in den wenig- der für eine statistisch sichere Aussage benötig- sten Fällen von jenen 60% Ubiquisten be- ten Fallen. Hier schwanken die für Planungsbü- stimmt, die dann in jeder Falle auftreten. Insge- ros gegebenen Empfehlungen für einen Unter- samt sind solche von schon stark reduzierten suchungs-Minimal-Ansatz von vier parallelen Grunderhebungen ausgehenden Werte (wie bei Fallen mit drei Fangperioden (und 14 Tage DUELLI et al. 1990) nicht repräsentativ, wie ein Standzeit) bis zu 9-10 parallelen Fallen und fünf Vergleich der mitgeteilten Artenzahlen und Ar- Fangperioden pro Jahr (ZUCCHI 1994). ten-Sättigungs-Kurven mit anderen Erhebun- Zum Thema Barberfallenfang existiert eine gen zeigt. So liegen selbst die Werte aus dem umfangreiche Literatur (ADIS 1979, BAARS 1979, vergleichsweise artenarmen norddeutschen DUELLI et al. 1990, DUNGER 1963, GREENSLADE Tiefland (SCHULTZ 1995, MÜLLER-MOTZFELD et 1964, HEYDEMANN in BALOGH 1959, LUFF 1968, al. 1995), die gemäß der Mac Arthur/Wilson- MÜLLER, G. 1979, MÜLLER, J.K. 1984, OBRTL Gleichung bei 50% der Schweizer Artenzahlen 1971, RIEKEN 1992, SCHULTZ, W. 1995, TRAUT- zu erwarten wären, deutlich über den Werten NER 1992, u.a.), auf die hier nur auszugsweise von DUELLI et al. (1990). verwiesen werden kann. Während für Inventaruntersuchungen Die Relation zwischen der Anzahl der paral- möglichst ganzjährige Erhebungen (bzw. Erhe- lel zum Einsatz kommenden Fallen und der bungen über mehrere Vegetationsperioden) als Dauer der Fangperiode ist von grundsätzlicher notwendig erachtet werden (ZUCCHI 1990, Bedeutung für die Vollständigkeit der Erfas- KLEINSCHMIDT 1991, MÜLLER-MOTZFELD 1992) sung mittels Barberfalle. Die notwendige An- werden für ökofaunistische Beiträge im Rah- zahl der zum Einsatz kommenden parallelen men von naturschutzrelevanten Planungen Fallen lässt sich relativ einfach für jede Untersu- meist deutlich reduzierte Fangperioden als aus- chungsfläche mittels abgewandelter Artenmini- reichend erachtet (RIEKEN 1992, FINCK ET AL. mal-Areal-Kurven bestimmen. Bei ganzjähri- 1992, TRAUTNER 1992). Die analytischen gen Untersuchungen (bzw. in Abhängigkeit Grundlagen für dieses inzwischen weitverbrei- von der Länge der Untersuchungsperiode) er- 46 Insecta, Heft 7, 2001 geben sich geringere Mindestfallen-Anzahlen tätszeiten liegen im November. Diese Arten als bei Untersuchungen, wo jede einzelne Fang- würden durch die o. g. Beschränkung der Erfas- periode gesondert bewertet werden soll, wie z. sungsperiode auf die Hauptaktivitätszeit der B. bei Untersuchungen zur Wirkung von Bio- ubiquitären Arten nicht erfasst werden. Ein an- zid-Ausbringungen, wo auch der zeitliche Ver- deres konkretes Beispiel liefert Harpalus melan- lauf der Populations-Depressionen mit verfolgt cholicus, eine in Mecklenburg-Vorpommern werden soll. Auf sandig-lehmigen Ackerflächen exklusive Dünenart, deren wenige bisherige in Mecklenburg-Vorpommern wurde der Sätti- Nachweise alle in der Mitte des Monats August gungsbereich der Artenzahl bei ganzjährigen liegen, also genau in jener Zeit, die beim emp- Untersuchungen bereits mit fünf Barberfallen fohlenen 5-Perioden-Test (FINCK et al 1992) erreicht, während für eine einzelne 14tägliche nicht beprobt würde. Leerungsperiode 10 Fallen pro Fläche nötig wa- Weitere Argumente sollen zeigen, dass die o. ren, um die behandlungsbedingten Unterschie- g. Kurzperioden-Erhebungen nicht für das Bio- de zwischen Kontrolle und biozidbehandelter zönose-Monitoring geeignet sind: Fläche signifikant zu machen (MÜLLER 1972). x Alle an die möglichst vollständige Phänolo- Dass auch diese Zahlen eher nach oben zu kor- gie geknüpften Aussagen (lokale bzw. jährli- rigieren sind, zeigen Artenminimalareal-Kur- che Witterungsunterschiede; Klimatrends ven, die aus größeren Proben-Grundgesamthei- u. a) ten errechnet wurden (MÜLLER-MOTZFELD et al. x Generalisierende Vergleichbarkeit der Wer- 1995, SCHULTZ 1995). MÜHLENBERG (1963) te im landesweiten bzw. länderübergreifen- rechnet mit 8-20 Fallen pro Hektar in homoge- den Monitoring nen Strukturen, OBRTL (1971) fordert mindes- x Möglichkeit des Erfassens der Larven der tens 8 parallele Fallen pro Vegetationsperiode. Imago-Überwinterer zur Klassifizierung In Habitaten, die keine winteraktiven (hiemal- von „Quellstrukturen“ aktiven) Laufkäferarten aufweisen, kann die x Vergleichbarkeit mit anderen wissenschaft- Untersuchungsperiode auf 15 (14-tägliche) lichen Erhebungen (z. B. Klimafolgenpro- Leerungen von März bis Oktober (bzw. April jekt, Stadtlandschaftsentwicklungs-Projekt, bis November) eingeschränkt werden (BARNDT Effizienzkontrolle-Projekt u.a.) et al. 1991, MÜLLER 1984, OBRTL 1971 u. a.). Für all diese Projekte kam folgendes Barber- Rein quantitativ lässt sich das höchste durch- fallen-Programm zur Anwendung, auf das sich schnittliche Fangergebnis pro Einzelfalle erzie- die Universitäten Oldenburg, Bremen, Kiel und len, wenn nur in der „Hauptkopulationszeit“ Greifswald im Rahmen des Klimafolgenpro- Ende Mai bis Ende Juni und mit einer relativ jekts (VAGTS et al. 2000) geeinigt hatten und das hohen Zahl von parallelen Fallen beprobt wird. dann spezifisch ergänzt wurde (z. B. durch (DUELLI et al. 1990, TRAUTNER 1992). Damit überflutungssichere Fallen unterschiedlichen korreliert auch in der Regel die höchste Arten- Typs in der Gezeitenzone, Fotoeklektoren u. zahl pro Fangzeit. Dies hängt in erster Linie da- a.). Je Standort kamen 5 parallele Barberfallen mit zusammen, dass die Mehrzahl der Laufkäf- zum Einsatz, die in einem Mindestabstand von erarten Mitteleuropas „Frühlingsbrüter“ (Ima- 10m aufgestellt wurden. Die Fangperiode be- goüberwinterer) sind, der Anteil der „Herbst- stand aus 15 (14-täglichen) Leerungen zwi- brüter“ (Larvenüberwinterer) in der Laufkäfer- schen März und Oktober. Bei Ausdehnung der fauna von Mecklenburg-Vorpommern liegt bei Untersuchungsperiode auf das ganze Jahr wur- 25 %. den die sich anschließenden fünf Leerungen Hiemalaktive Laufkäferarten, wie Bembi- (Oktober bis März) in monatlichem (28-tägli- dion nigricorne, Amara infima und Amara mu- chem) Rhythmus durchgeführt. nicipalis, sind in Mecklenburg-Vorpommern Als Fallen dienten handelsübliche Honigglä- aber ganz wesentliche „wertbestimmende“ Ele- ser (10 cm Höhe) mit Schraubdeckel, die mit mente z. B. in Calluna-Heiden. Imagines dieser einer Ringblende versehen waren und bis zu Arten sind aus den Sommermonaten nur in dieser Blende in eine PVC-Röhre eingesenkt Einzelexemplaren bekannt, die Hauptaktivi- wurden, der Innendurchmesser der Fangöff- GERD MÜLLER-MOTZFELD: Laufkäfer-Monitoring am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns 47 nung betrug 6,5 cm; als Fangflüssigkeit diente Abstract 3,75%iges Formalin; vergleichbare Fangtech- nik: gleiches Honigglas mit Plastik-Einsatz Ground--monitoring using the exam- (z. B. Zott-Jogurtbecher) und Fangflüssigkeit ple of the federal state Mecklenburg-Vorpom- Äthylenglykol. mern. Long-term research in the field of nature Mittels dieser Technik erhobene (teilweise conservation is very important for the detection mehrjährige) Fangdaten liegen aus dem Über- of environmental changes, for concepts of na- flutungssalzgrünland der Küsten, von Feucht- ture conservation management and for the con- weiden, Trockenrasengebieten, Wäldern, Dü- trol of their efficiency. Such investigations nen, innerstädtischen Biotopen und diversen (called „ecological observation of the environ- Ackerflächen aus Mecklenburg-Vorpommern ment“) are included in the regulations of the bereits vor, sodass direkte Vergleiche möglich „Code of Nature Conservation“ of the federal sind. state of Mecklenburg-Vorpommern. Also the „Habitat-Convention of the EU“ obliges the 6. Zusammenfassung European governments to establish a monitor- ing for the habitats and species of the appendix- Naturschutzrelevante Dauererhebungen lists of these convention. On this basis it is pos- sind eine wichtige Voraussetzung für die Erfas- sible to determinate three different levels for the sung von Umweltveränderungen und damit nature-conservation-monitoring: species (pop- auch für die Planung und die Effizienz-Kon- ulations); biocenosis; landscape. Some method- trolle von Naturschutzmaßnahmen. Als „Öko- ical questions are discussed e.g. the suitability of logische Umweltbeobachtung“ sind solche Er- pitfall-traps for a monitoring of ground . hebungen im Landesnaturschutzgesetz von The ground beetles are a dominant group of the Mecklenburg-Vorpommern verankert. Des epedaphic and especially suitable weiteren sind die Länder verpflichtet, für die in for a biocenotic monitoring as representatives den Anhängen der FFH-Richtlinie aufgeführten ore indicator-group of the soil surface. A short schützenswerten Habitate und Organismenar- representative list of species for ten entsprechende Monitoring-Programme zur the species-monitoring is discussed regarding Zustands- und Bestands-Kontrolle zu etablie- their regional importance. ren. Dabei sind für das Arten-Monitoring oft nur ganz artspezifische Kontroll-Methoden an- 7. Danksagung wendbar, während für das Biozönose-Monito- ring unbedingt auf standardisierbare Methoden Für zahlreiche Anregungen und wertvolle zurückzugreifen ist, um die allgemeine Ver- Hinweise möchte ich mich besonders bei den gleichbarkeit der aus unterschiedlichen Unter- Herren DRÖSCHMEISTER (Bonn), GRUTTKE suchungs-Programmen gewonnenen Daten zu (Bonn) und HANDKE (Ganderkesee), IRMLER garantieren. Den Laufkäfern kommt als eine für (Kiel), PLACHTER (Marburg), RIEKEN (Bonn), ökofaunistische Untersuchungen bewährte In- SPIESS (Kratzeburg), TRAUTNER (Filderstadt) dikatorgruppe eine besondere Bedeutung zu, da und Wachlin (Greifswald), sowie bei Frau C. sie als eine der dominanten Gruppen des Epe- FENSKE (Greifswald) herzlich bedanken. daphons gerade jenes Stratum präferieren, das im terrestrischen Bereich die weiteste Verbrei- tung hat. Als Ergänzung für das Artenmonito- 8. Literatur ring werden neben der FFH-Art Carabus mene- ADIS, J. 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Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. GERD MÜLLER-MOTZFELD, Zoologisches Institut & Museum, Ernst-Moritz-Arndt-Universität, Bachstraße 11/12, D-17489 Greifswald Insecta, Heft 7, 2001, Seite 50-55

HELMUT KINKLER, Leverkusen

Der Mosel-Apollofalter (Parnassius apollo ssp. winningensis STICHEL 1899), Vorkommen, Gefährdung und heutiger Schutz

Einleitung sonders auf den Kronen dieser Weinbergsmau- ern wie auch in den natürlichen, bisher meist Der Apollofalter (Parnassius apollo L.) völlig unberührten Steilhängen, findet man in kommt heute in Deutschland nur noch an we- großen Mengen die Futterpflanze der Raupen nigen Lokalitäten vor. Die beste und größte Po- des Apollofalters, die Weiße Fetthenne (Sedum pulation existiert an der Mosel, während viele album). andere Vorkommen Deutschlands in den letz- Flugplätze des Moselapollofalters sind der ten 100 Jahren erloschen sind. Ein Beispiel ge- Winningener und Koberner Uhlen, Koberner ben EBERT & RENNWALD (1991) für Baden- Fahrberg, Koberner Weißenberg, Koberner Württemberg, wo von insgesamt 60 bekannt Schloßberg, Alkener Bleidenberg, Lehmener gewordenen Flugplätzen heute nur noch ein Würzlay, Ausoniussteinbruch b. Kattenes, Kar- einziger existiert. An der Mosel kommt dagegen dener Kompes-Kopf, Pommerner Sonnenuhr, zwischen Winningen an der unteren Mosel und Pommerner Rosenberg, Klottener Fahrberg, dem Calmond, einem großen Steilhang zwi- Fellerbachtal, Dortebachtal und Brauneberg, schen Bremm und Ediger-Eller etwa 70 km Mo- Cochemer Brauselay, Walwiger Herrenberg so- sel-aufwärts, die 1899 von STICHEL nach dem wie der Bremmer Calmond (18 sichere Vor- Ort Winningen als Parnassius apollo ssp. vinn- kommen). ingensis benannte Unterart vor. Winningen ist Die Hauptflugzeit des Falters ist Mitte Juni die dem locus typicus am nächsten gelegene bis Mitte Juli. In extrem warmen Jahren fliegen Gemeinde, heute bekannt durch die Moseltal– die ersten Falter schon Ende Mai. Die letzten Autobahnbrücke. Tiere sieht man noch im August. Die Eier wer- den schon ab Juni abgelegt, oft unter überhän- Vorkommen, Biologie genden Steinen oder an trockene Stängel, weni- ger an die Futterpflanze selbst. Die Hauptfut- Der Mosel-Apollofalter benutzt neben den terpflanze ist die Weiße Fetthenne (Sedum al- ursprünglichen hohen gegen Süden gelegenen bum). Es wird aber auch die Gelbe oder Felsen- Felshängen seit vielen Jahren auch die von Fetthenne (Tripmadam) angenommen (Sedum Menschenhand aufgeschichteten Weinbergs- reflexum, syn. Sedum rupestre). Die Raupe mauern als Lebensraum. Diese wurden von den schlüpft aus dem überwinterten Ei etwa Ende Winzern schon seit der Römerzeit errichtet, um Februar bis März, hält sich gerne unter Steinen größere Anbauflächen für den Weinbau zu ge- auf und kommt zum Fressen und zum Aufwär- winnen. Dadurch entstanden die typischen Ter- men ans Tageslicht, wo man sie dann auf den rassenlandschaften besonders entlang der Mo- Sedum-Polstern finden kann. Gegen Mitte Mai sel ab Bremm abwärts, die dieser herrlichen bis Mitte Juni, je nach Gunst des Frühjahrs, ver- Landschaft den speziellen Reiz verleihen. Be- puppt sich die Raupe in einem leichten Ge- HELMUT KINKLER: Der Mosel-Apollofalter 51

Abb. 1: Hang zwischen Cochem und Valwig an der Mosel. Steile Weinberghänge, verzahnt mit Felsklippen, auf denen der Apollofalter Flug- und Eiablageplätze hat. Insektizid-Spritzungen vom Hubschrauber aus würden den Tod der Falter be- deuten. Foto: KINKLER

Abb. 2: Weinbergs-Trockenmauer bei Pommern an der Mosel mit reichlich weißem Mauerpfeffer, der Futterpflanze des Apollofalters. Foto: KINKLER 52 Insecta, Heft 7, 2001 spinst, um nach etwa 2 bis 3 Wochen den Falter bereinigungen wurden aber oftmals die wär- zu entlassen. Die vom Mosel-Apollofalter spe- mespeichernden und landschaftsprägenden ziell benutzte Pflanzengesellschaft an der Mosel Weinbergsmauern entfernt, wobei man auch ist die Feldbeifuß-Wimperperlgrasgesellschaft die für den Apollofalter wichtige Raupenfutter- (Artemisio-Melicetum ciliatae KORNECK). Diese pflanze vernichtete. Großflächige Beispiele da- Gesellschaft findet man an allen Steilhängen der für findet man heute auf weiten Strecken an der Mosel. In dieser Gesellschaft findet man sehr Mosel von Zell bis nach Trier. häufig die Futterpflanze, die Weiße Fetthenne. c) Verbrachung: An der unteren Mosel in Ebenso in der Ersatzgesellschaft, den Wein- den steileren Lagen, von Bremm bis nach Win- bergsmauern, soweit sie nicht durch starke ningen, also im Fluggebiet des Apollofalters, Herbizide davon befreit werden. war unterdessen ein großer Teil der Weinberge aufgegeben. Besonders die höchstgelegenen Gefährdung des Mosel-Apollofalters und steilsten Terrassen wurden zunehmend sich selbst überlassen und wuchsen mit Ge- a) Meist sind auf den Flugplätzen ursprüng- büsch zu, man schätzt etwa 1000 Hektar Wein- liche unberührte Felshänge und Weinbergs- bergsbrachen allein an der Untermosel. Auch mauern miteinander verzahnt, wodurch sich in dabei verschwand die Futterpflanze des Apollo- den 70er Jahren und Anfang der 80er Jahre er- falters, hier durch Beschattung. hebliche Schwierigkeiten ergaben. „Damals d) Eine weitere Gefährdung muss man auch wurden neben den Fungiziden (Pilzbekämp- heute noch im zunehmenden Straßen- und fungsmitteln) auch Insektizide (Insektengifte) Bahnverkehr sehen. Da sowohl vielbefahrene mit dem Hubschrauber ab Mitte Mai bis An- Straßen wie auch Eisenbahnlinien am Fuße der fang Juli über den Weinbergen versprüht. In Flugplätze zu finden sind, kann man sich leicht den Terrassenweinbergen ist der Hubschrau- vorstellen, dass jährlich eine größere Zahl von bereinsatz die einzige Alternative zur sog. Apollofaltern direkt durch Autos wie auch Schlauchspritzung, was Schwerstarbeit im durch die Eisenbahn totgefahren werden. Bei Spritznebel bedeutet“ (nach Dr. BOURQUIN). Zählungen am Straßenrand werden tatsächlich Durch Untersuchungen der Universität Köln jährlich 200 bis 300 tote Apollofalter festgestellt. (Prof. NEUMANN mit seinem Studenten RICH- ARTZ) wurde aber festgestellt, dass Raupen so- Zum Schutz des Mosel-Apollofalters fort absterben, wenn sie mit Insektiziden in Be- rührung kommen. Fungizid-Spritzungen scha- Es war also wichtig, 1. eine Einschränkung den den Tieren dagegen überhaupt nicht. bzw. völligen Verzicht auf Insektizid-Spritzun- Bei Hubschrauberspritzungen wurden da- gen zu erreichen, 2. die Flurbereinigung der mals aber nicht nur die Weinstöcke selbst be- Weinbergsterrassen der Untermosel abzuwen- sprüht, sondern auch oftmals ziemlich weitab den und den Terrassenweinbau wieder anzu- liegende natürliche Flächen und besonders kurbeln und 3. die Verbrachung der steilen auch die Mauerkronen der Weinbergsmauern, Weinbergsterrassen mit ihren Trockenmauern wo sich die Raupen aufhalten. Bei Nachfor- zu verhindern sowie 4. unterhalb der Flugplätze schungen der Apollofalter-Freunde fanden die- eine Reduzierung des Straßen- und Eisenbahn- se Anfang der 80er Jahre gegen Ende Mai nach verkehrs zu erreichen. den ersten Spritzungen Mengen von toten Viele Naturfreunde fanden sich um 1980 Apollofalter-Raupen auf den Polstern der Fut- zusammen, um den Mosel-Apollo zu retten. terpflanze. Der Mosel-Apollofalter war damals U.a. wurde eine „Arbeitsgruppe rettet den Mo- kurz vor der Ausrottung! sel-Apollo“ gegründet, die sich aus Mitgliedern b) Erschwerend kam noch hinzu, dass da- der Arbeitsgemeinschaft rheinisch-westfäli- mals allgemein in Weinbaugebieten der Mosel scher Lepidopterologen e. V. rekrutierten. Sie Flurbereinigungen stattfanden, mit der zwar starteten eine Kampagne, um über die Zu- verständlichen Begründung, die Weinberge ra- sammenhänge des Weinbaus mit dem Apollo- tioneller bearbeiten zu können. Bei diesen Flur- falter aufzuklären. In zahlreichen Exkursionen HELMUT KINKLER: Der Mosel-Apollofalter 53 wurden die wichtigsten Daten wie Flugzeit, haben sich seither überzeugen lassen. Zum Flugplätze, Häufigkeit und die Biologie des Mo- Glück kommt hinzu, dass heute die wichtigsten sel-Apollos erforscht. Jährlich wurden ab 1986 Schädlinge, der einbindige und der bekreuzte und werden auch heute noch Führungen zum Traubenwickler, großflächig mit der sog. Phe- Mosel-Apollofalter angeboten, die auch sehr romon-Methode oder kleinflächig mit Bacillus gut angenommen werden. 50 und mehr Inter- thuringensis-Produkten umweltschonend be- essierte sind im Schnitt jährlich dabei. kämpft werden können. Die Traubenwickler Besonders Herr Dr. DIETER BOURQUIN von treten als sog. Heu- und Sauerwurm gemein- der Landes-Lehr- und Versuchsanstalt für sam im Juni und Juli als Schädlinge auf. Weinbau in Trier zeigte sich interessiert und Inzwischen erzielen nach Zeitungsberichten aufgeschlossen. Nach anfänglichen Widerstän- Öko-Winzer im Verhältnis zur Anbaufläche den aus der Winzerschaft konnte er bald ein höhere Preise gegenüber konventionellen Be- Verbot des Insektizid-Spritzens vom Hub- trieben. Besonders im französischen Burgund schrauber erreichen. Ohne diese Einschrän- sind große Top-Betriebe auf die Öko-Linie um- kung wäre heute evtl. der Mosel-Apollofalter geschwenkt und erzeugen inzwischen beste schon ausgestorben oder zumindest sehr stark Spitzenweine. Öko-Weine sind nicht nur ge- dezimiert worden. Mit dem Bodengerät, hier sünder, sie schmecken auch besser. meist mit der Schlauchspritzung von Hand Dr. BOURQUIN empfiehlt begrünte Weinber- dürfen allerdings auch heute noch die Schadin- ge, wo Herbizide nur gezielt in Ausnahmefällen sekten mit Insektiziden bekämpft werden. zum Einsatz kommen. Dies sind Mittel ohne Hierbei setzt man aber voraus, dass abseits der Dauerwirkung z. B. gegen Queckennester oder Weinstöcke keine Insektizide verspritzt werden. Brennesselhorste. Vor allem muss dabei auf sog. Seit Jahren setzt sich Herr Dr. BOURQUIN Dauerherbizide verzichtet werden, die den Bo- auch für den Weinbau ohne Insektizide ein, den für längere Zeit unkrautfrei halten. In den wobei er auf die Nützlinge setzt. Viele Winzer begrünten Weinbergen werden Nützlinge wie

Abb. 3: Raupe des Apollofalters an der Futterpflanze, dem Weißen Mauerpfeffer. Foto: KINKLER 54 Insecta, Heft 7, 2001

Schlupfwespen, Raubmilben, Florfliegen u. a. die freigestellten Weinbergsmauern kommt der Nützlinge angelockt, die den Schädlingen wie Erzeugung besserer Weinqualitäten zugute. Spinnmilben u.a. nachstellen. Den Erfolg sieht Nicht zuletzt wird auch der Fremdenverkehr man im August und September, wenn keine durch die gepflegte Landschaft angeregt und Spritzungen mehr stattfinden dürfen: die ohne trägt sicherlich auch zur Absatzförderung bei. Insektizide behandelten Weinstöcke sind inten- Auch die Verbandsgemeinde Cochem führt siv grün, weil die Raubmilben u. a. Nützlinge z. seit einigen Jahren Pflegemaßnahmen in den B. den saugenden Spinnmilben den Garaus ge- Weinbergsbrachen durch. Herr SCHAUSTEN hat macht haben. Dagegen erscheinen die noch im als Naturschutzbeauftragter in Zusammenar- Juli mit Insektiziden behandelten Weinstöcke beit mit dem Bürgermeister von Valwig, Herrn gelbgrau. Die wenigen nach den Insektizid- B. SCHNEEMANN und dem Kreis-Winzervorsit- Spritzungen überlebenden Spinnmilben haben zenden Herrn E. HEß im Jahre 1996 von Valwig sich stark vermehrt und saugen die Weinstöcke bis kurz vor Cochem den jetzt sogenannten aus, während die Nützlinge durch die Insekti- „Apolloweg“ geschaffen, wo der Apollofalter zid-Spritzungen meist restlos vernichtet wur- und andere Tiere und Pflanzen durch Pflege- den. maßnahmen erhalten und geschützt werden. Im Bereich der Verbandsgemeinde Unter- Dieser äußerst romantische, etwa 100 m ober- mosel von Winningen über Kobern, Alken, halb des Moseltals am Rande der Weinberge ge- Kattenes, Brodenbach, Hatzenport bis hin nach legene ökologische Lehrpfad ist inzwischen zu Burgen sind nach Aussage von Herrn FRANZ einer großen Attraktion geworden. Der als DÖTSCH, dem Bürgermeister der Verbandsge- Flugort für den Apollofalter bekannte ca. 2 km meinde, inzwischen 80 % der Rebflächen ohne lange Weg zieht inzwischen Naturfreunde aus Insektizid-Behandlung, ein ungeheurer Erfolg. ganz Deutschland an. Jährlich finden hier eini- Um die starke Verbrachung der Weinberg- ge Führungen zum Apollofalter und den ande- sterrassen an der Untermosel zu verhindern, ren Spezialitäten unter der Leitung von Herrn hat die oben erwähnte Arbeitsgruppe einen sehr SCHAUSTEN statt. Auch die Arbeitsgemeinschaft guten Verbündeten in Herrn DÖTSCH, der seit rheinisch-westfälischer Lepidopterologen e.V. dem Herbst 1987 ständig Arbeitskräfte (6 und macht jährlich ihre Apollofalter-Exkursion mehr z.B. ABM-Kräfte) einsetzt, um Gebüsche dorthin. und andere störende Wildstauden wie Brom- Die Entomologische Gesellschaft Düssel- beeren, Waldreben usw. von den brachgefalle- dorf v. 1866 e. V. beteiligt sich ebenfalls an der nen Weinbergsterrassen und den Mauerkronen Entbuschung von Weinbergsbrachen. In den zu entfernen. Hierbei wird zugleich Licht und Gemeinden Klotten und Pommern hat sie 3 Platz für die Futterpflanze des Apollofalters ge- Parzellen gepachtet und hält diese seit ca. 12 schaffen. Man erhält gleichzeitig aber auch Le- Jahren für den Apollofalter frei von Gebüschen bensraum für andere extreme Wärme liebende und Stauden. Tiere und Pflanzen. Zu diesen gehören z. B. Mit Vehemenz setzte sich Bürgermeister Zippammer, Mauer- und Smaragdeidechse, DÖTSCH gegen die Flurbereinigung im Bereich Sattelschrecke, Segelfalter und viele andere der Verbandsgemeinde Untermosel ein. Zu- mehr. Seit den ersten Pflegemaßnahmen im sammen mit anderen gleichgesinnten Winzern Jahre 1987 konnten rund 200 ha Weinbergsbra- begründete er die „Erzeugergemeinschaft Deut- chen auf diese Weise entbuscht werden. Die er- sches Eck“, die es sich zum Ziel gesetzt hat, un- heblichen finanziellen Aufwendungen (rund ter Ertragsbeschränkung nur qualitativ hoch- 400 – 500 000 DM pro Jahr) lohnen sich mit Si- wertige Weine zu erzeugen, wobei die seit Jahr- cherheit, wird ja nicht nur die Natur erhalten, hunderten gewachsene Kulturlandschaft mit sondern auch die herrliche seit Jahrhunderten den typischen Weinbergsterrassen erhalten gewachsene Terrassen-Kulturlandschaft. Zu- bleiben soll. Die steilen Lagen mit den wärmes- dem können eine Reihe der freigestellten Wein- peichernden Weinbergsmauern garantieren da- bergsbrachen wieder dem Weinbau zugeführt bei erste Qualitäten. Der Vorteil der Weinberg- werden. Die erhöhte Wärmespeicherung durch sterrassen gegenüber den steilen flurbereinigten HELMUT KINKLER: Der Mosel-Apollofalter 55

Weinbergen liegt auch besonders im besseren In den letzten Jahren seit Einstellung der In- Verkraften großer Regenereignisse. Während sektizid-Spritzungen vom Hubschrauber aus die Terrassen jede Regenmenge aufnehmen haben sich die Apollofalter-Vorkommen um können, sind die steilen flurbereinigten Wein- ein Vielfaches gesteigert. Sah man früher nur an berge dazu nicht in der Lage. den besten Flugplätzen 5 bis 10 Falter, kann Als wichtiges Hilfsmittel für die Bearbeitung man heute dort an sonnigen warmen Tagen En- der steilen Terrassen wurden Einschienenbah- de Juni bis Anfang Juli weit über 100 Falter be- nen gebaut, die heute als Transportmittel un- obachten. entbehrlich sind. Hierfür sowie auch für die Re- Zum Schluss bleibt zu hoffen, dass das jetzi- paratur der Weinbergsmauern gibt es staatliche ge Engagement aller Beteiligten weiter anhält, Zuschüsse, ohne die auf Dauer die Winzer die dann dürfte es um den Mosel-Apollofalter auch Bearbeitung der Weinberge nicht aufrechter- in den nächsten 100 Jahren gut bestellt sein. halten könnten. Der Wiederaufbau eingestürz- ter Trockenmauern hat Ende 1999 eine Größe Literatur von nicht weniger als 3692 Kubikmetern er- reicht, eine sehr beachtliche Leistung. SCHMIDT, Axel (1997): Zur aktuellen Situation des Mosel- Ob etwas gegen den Tod der Falter im Stra- Apollofalters Parnassius apollo vinningensis STICHEL, 1899. – MELANARGIA 9, 38-47, Leverkusen. ßen- und Eisenbahnverkehr unternommen In diesem Artikel sind zahlreiche weitere Literaturangaben werden kann, ist mehr als fraglich. zum Mosel-Apollofalter.

Anschrift des Verfassers: HELMUT KINKLER, Schellingstraße 2, D-51377 Leverkusen Insecta, Heft 7, 2001, Seite 56-69

HANS-REINER SIMON, Gernsheim

Monitoring von Collembolen in Apfelanlagen (1998-2000) – vorläufige Mitteilung

Einleitung Collembolen sind in allen Landbiotopen weltweit verbreitet. Der wichtigste Begren- Im Naturschutz spielen die sogenannten zungsfaktor für ihr Auftreten ist die Feuchtig- „flag-ship“ Spezies eine herausragende Rolle, keit. Sie kommen im Boden, in der Laub- und insbesondere als Anregung bzw. Aufforderung Nadelstreu oft massenhaft vor, so sind 500 Tie- zu Spenden für besondere Gruppen wie Panda, re in einem Liter Bodensubstanz nicht selten sibirischen Tiger usw. Diese Situation gilt auch (PALISSA, 2000). Bei der Zersetzung des Bestan- für den Bereich der Entomologie. „Schützt den desabfalls können sie eine wichtige Rolle spie- Apollo-Falter“ ist ein ehrenwertes Motto – len. In der Nahrungskette spielen sie in vielen wenn aber diese Art in Gegenden, wo sie even- Ökosystemen eine „große Rolle“ (Inst. f. angew. tuell einmal vorgekommen sein könnte, wieder Zoologie, Ludwig-Maximilians Universität angesiedelt werden soll, scheint das doch ein et- München; Bestimmungsübungen an Wirbello- was fragwürdiges Unterfangen zu sein. (Diese sen, 1998). Bemerkung basiert auf Diskussionen der „Im Beziehungsgefüge des Bodens nehmen HGON (Hessische Gesellschaft für Ornitholo- sie eine zentrale Stellung ein: Einerseits dienen gie und Naturschutz) im Bereich des Hessi- sie unzähligen Raubarthropoden als Nahrung, schen Odenwaldes/Bergstrasse, nördlich von andererseits ernähren sie sich teilweise selbst Heidelberg.) räuberisch oder nehmen als Saprophage am Meine Freiland-Beobachtungen aus den Abbau des Bestandesabfalls teil. Vielfach wirken Jahren 1998 (Mai) – 2000 (August) möchte ich sie als Mikrophytophage steuernd auf die Zer- einer etwas unauffälligen, vielleicht sogar weit- setzungsprozesse ein“. Auf diese knappe, präzi- gehend unbekannten Gruppe widmen, nämlich se Formel bringt BÖHLE (1994) die aktive Rolle den Collembolen oder Springschwänzen. Diese der Collembolen in einem ökologischen System Insektengruppe lässt sich charakterisieren als zum Ausdruck und betont gleichzeitig die Be- walzenförmige oder kugelige sehr kleine For- deutung dieser Gruppe für den Arten- und men (0,2 mm bis maximal 10 mm Körpergrö- Landschaftsschutz. ße) mit langen Antennen bei Formen der Bo- Zu fragen ist nun: Was bringt eigentlich ein denoberfläche und der Strauch- und Baum- Monitoring dieser Mikro- bis Makroformen in schicht. Die Augen bestehen aus maximal 8 Obstanlagen? Und hier wiederum im Kronen- Ozellen; Mundwerkzeuge in die Kopfkapsel raum von Apfelbäumen? eingesenkt (endognath); sie sind kauend-bei- ßend oder stechend-saugend. Das Abdomen Aufgabenstellung besteht aus sechs Segmenten. Am ersten Seg- ment inseriert der „Ventraltubus“, ein Haftor- Die Beantwortung dieser Fragen mündet in gan, das auch zur Atmung und Feuchtigkeits- folgende Aufgabenstellungen ein: aufnahme dient, am 4. Segment befindet sich 1. Durch kontinuierliches Monitoring (mit das Sprungorgan, die Furka. Aufsammlung) wird eine Zeitreihengenerie- HANS-REINER SIMON: Monitoring von Collembolen in Apfelanlagen 57 rung nach Arten und Individuenanteilen (Do- Ergebnisse minanz in einer Zeitreihe als Vorarbeit zu einer 1. Zeitreihen von Mai 1998 bis August 2000 Phänologie) durchgeführt. Den vorzustellenden Zeitreihen liegt ein 2. Die Relationen/Korrelationen der gefun- Material von 1598 Collembolen aus der Auf- denen Collembolen zu weiteren Gildenvertre- sammlung „Hausgarten“ zu Grunde, das sind tern der gleichen Gilden, nämlich den Detriti- 10,5 % der insgesamt vorliegenden 15166 Ar- voren/Mikrophytophagen i. w. S. werden des- thropoden eines Apfelbaumes (Berlepsch, un- kriptiv-statistisch bestimmt. behandelt seit 40 Jahren) – Ergänzend liegen 3. Desgleichen sind die Relationen/Korrela- vom Versuchobstgarten Darmstadt der BBA tionen zu Antagonisten der Collembolen, in der (Institut für biologischen Pflanzenschutz) 194 Hauptsache wohl Prädatoren, zu ermitteln. Collembolen-Individuen vor. Die Auswertung 4. Es soll der Versuch einer vorläufigen Ab- dieser Proben ist noch nicht abgeschlossen, sie schätzung der Collembolen im Nahrungsnetz kann daher in dieser Arbeit noch nicht bespro- des Biochorions „Kronenraum des Apfelbau- chen werden. mes“ vorgenommen werden. Alle Tiere wurden in einen Trichter (Kunst-

Abb. 1: Übersicht zu den beobachteten Collembolen in den Jahren 1998 und 1999. Die signifikant dominierende Art ist immer Entomobrya nivalis (L.). 58 Insecta, Heft 7, 2001 stoff, 25 cm Durchmesser) mit anhängendem Arthropoden nicht an der Gaze festklammern, Sammelbehälter und Klopfen mit einem Klopf- so dass auch diese Mikroformen hinreichend stock auf Äste und Zweige aus einer Höhe von erfasst werden. bis zu 2 m täglich gesammelt; wenn das Wetter Apfelbaumanlagen wurden ausgewählt, weil entsprechend war (kein Niederschlag). Der ein- deren Arthropodenfauna zwar bereits seit Jah- gesetzte Kunststofftrichter mit sehr glatten ren intensiv untersucht wird, besonders die Wänden hat gegenüber dem im angewandten Collembolen aber noch nicht als integraler Be- Pflanzenschutz benutzten Gazetrichter den standteil dieser Zönose bekannt sind (vgl. SI- Vorteil, dass sich insbesondere die sehr kleinen MON, 2000). Dass diese primär flügellosen In-

Abb. 2: Rang-Korrelationsdiagramm der Collembolen-Synusie des Apfelbaumes im Hausgarten, Gernsheim, im Beobach- tungsjahr 1999. – Außer Orchesella cincta (L.) sind alle anderen Gruppen der Collembolen regelmäßig (Entomobrya niva- lis) bzw. weniger regelmäßig (Bourletiella hortensis FITCH und Hypogastruridae) aufgetreten. HANS-REINER SIMON: Monitoring von Collembolen in Apfelanlagen 59 sekten regelmäßig die Kronen von Apfelbäu- 1000 Tiere) Collembolen mit +- 10 % vertreten men besiedeln, konnte für zwei Standorte er- sind; während bei umfangreichen Proben (über mittelt werden: 5000 Tiere) ihr Anteil ca. 20 % beträgt. Diese a. Hausgarten mit Obstbäumen in Gerns- Relationen konnten für das Jahr 2000 bestätigt heim/Rhein in der Oberrheinischen Tiefebene; werden, jedoch mit starken Abweichungen Höhe des Baume: 4,5 m, Kronenraum: 53,2 m3. nach oben im Winter bzw. nach unten im Früh- b. Versuchsanlage des Institutes für biologi- jahr und Sommer. schen Pflanzenschutz der Biologischen Bundes- Dieser allgemeine Überblick muss erweitert anstalt für Land und Forstwirtschaft (BBA) in werden, und zwar dermaßen, dass die gesamte Darmstadt (Südhessen; Waldrandlage). Höhe Collembolen-Synusie des Apfelbaumes in die des Baumes: 2,1 m; Kronenraum: 29,8 m3. Untersuchung einbezogen wird. Diese Zu- Die generellen Beobachtungsergebnisse sind sammenfassung liegt vor als Rang-Korrela- in Abb. 1 dargestellt. Für 1998 und 1999 sind im tionsdiagramm nach Individuenanteilen und Sammelgebiet „Hausgarten“ bei insgesamt 6880 Arten- bzw. Familiengruppierungen (Abb. 2). aufgesammelten Arthropoden Collembolen mit Eindeutig ist der absolute Vorrang von Entomo- 12,7 bzw. 21 % Individuenanteil aufgetreten brya nivalis (L.), einer Art, die man als sog. (obere Balkenreihen). Im Versuchsgarten der „Baumcollembole“ bezeichnen kann, welche BBA mit 7,2 %. Diese Darstellung legt den von Nadel- und Laubbäumen bekannt ist und Schluss nahe, dass bei kleineren Proben (unter auch im Kronenraum der Apfelbäume ebenfalls

Abb. 4: Entomobrya nivalis dorsal gesehen (oben) als Hell- und Dunkelform. Beide Formen wurden im Beobach- tungszeitraum nachgewiesen. – Unten links: Antennen- Spitze (F4), unten rechts: Klaue mit abstehendem Spatel- Abb. 3: Die Hauptart im Monitoring-Projekt, Entomobrya haar, das ein Abstützen auf glattem Untergrund gestattet. nivalis in Lateralansicht. Verändert nach STACH. Verändert nach STACH. 60 Insecta, Heft 7, 2001 in Anzahl zu finden ist. Diese Funde sind stark 4, unten links). Halt und Verankerung auf von der Sammelmethode abhängig (vgl. oben). mehr oder minder glatten Blattober- und – Das Beispiel aus dem Jahre 1999 verdeutlicht unterseiten findet E. nivalis mit Hilfe starker ihre Position mit 91,5 % aller beobachteten In- Klauen und einer speziellen Borste an den Fuß- dividuen und zeigt augenfällig den weiten Ab- spitzen (Abb. 4, unten rechts). Diese morpholo- stand vor den anderen ermittelten Arten bzw. gische Ausstattung erlaubt den Tieren auch die der Familie der Hypogastruridae. Besiedlung von extrem dünnen Zweigen und Weil Entomobrya nivalis derart dominiert, kleinsten Blattflächen. soll sie kurz morphologisch vorgestellt werden Im Jahreslauf ist die Besiedlung der Baum- (Abb. 3 und 4). Die Tiere dieser Art sind maxi- krone merklichen Schwankungen unterworfen, mal 2 mm groß (Kopf-Rumpflänge; ohne die von Temperatur und Luftfeuchte gesteuert Sprunggabel und Antennen). Ihre Grundfär- werden. Die erste Zeitreihe für den Standort bung ist ein schattierendes gelb; Flecken und „Hausgarten“ zeigt eine angenäherte Phänolo- Streifenmuster sind bräunlich bis schwärzlich gie von Entomobrya nivalis für 1998 (Vorver- (Abb. 4, oben); auch ganz hellgefärbte Indivi- such) und 1999 von Januar bis Oktober (Abb. duen treten auf. Der Lebensraum im Untersu- 5). Bemerkenswert ist das anteilmäßig hohe chungsbereich „Blätter und Zweige“ im Kro- Vorkommen der Art im „Winter“ (Jan., Febr.), nenraum von Apfelbäumen wird erkundet dem ein stetiger Abwärtstrend bis Oktober durch Rundumbewegungen mit den Antennen, folgt. Dieses Bild setzt sich fort für alle gefunde- deren 4. Glied (F4) mit Sinnesbläschen besetzt nen Arten am gleichen Sammelort im Jahre sind, die als Chemorezeptoren fungieren (Abb. 2000 (Abb. 6), mit einem Maximum, das eben-

Abb. 5: Übersicht zum Monitoring von Entomobrya nivalis von Mai 1998 bis Oktober 1999. Im März 1999 konnte die Art nicht nachgewiesen werden. Hausgarten, Gernsheim. HANS-REINER SIMON: Monitoring von Collembolen in Apfelanlagen 61 falls deutlich konzentriert ist auf die Monate auf die Fortpflanzungszeit im zeitigen Frühjahr Februar und März. Die Tiere halten sich jedoch hingewiesen: Im April waren bereits 13,5 % al- während dieses Zeitraumes auf bzw. in unter- ler beobachteten Collembolen subadulte Indi- schiedlichen Mikrohabitaten auf, wie eine Aus- viduen (0,5 bis 0,9 mm Größe) von E. nivalis wertung nach gesammelten Individuen auf (Abb. 8). Dieser Anteil steigt dann auf 46,5 % oder in Rindenritzen bzw. auf Zweigen verdeut- im Mai (Beobachtungsjahr 2000). licht (Abb. 7). Collembolen sind in diesem Mo- nat noch weitgehend corticol, während andere 5. Collembolen als Gildenmitglieder der Detritophage und Mikrophage, wie Psocopte- Detritiphoren- und Mikrophagen-Gruppe ren, bereits Zweige sowie Blatt- und evtl. Blü- tenknospen besiedelt haben. Einen Überblick zur Nahrungsausschöp- Bezogen auf Entomobrya nivalis ist damit fung des Biochorions „Kronenraum von Apfel-

Abb. 6: Übersicht zum Monitoring von Entomobrya nivalis von Januar 2000 bis August 2000. Der Verlauf der Individuen- dominanz der Collembole (unterer Kurvenzug) ist ähnlich wie im Jahre 1999 ausgeprägt. Hausgarten, Gernsheim. 62 Insecta, Heft 7, 2001 bäumen“ lässt sich gewinnen, indem man Individuenanteil gestellt werden. – Anmer- Großgruppen der Arthropoden nach Nah- kung: minierende Formen wurden nicht be- rungspräferenzen aufstellt (Abb. 9, Beobach- rücksichtigt. tungsjahr 1999, Hausgarten). Drei umfangrei- x Zoophage Arthropoden (Spinnen, Milben che Gilden (Mega-Gilden) lassen sich feststel- Insekten, 25 % der Individuen) ernähren len: sich überwiegend von Phytophagen, aber x Phytophage ernähren sich von der Blatt- auch von Detritivoren und Mikrophagen substanz, von Knospen, Blüten sowie Rinde x Detritivore und Mikrophage schließlich und holzigen Teilen der Zweige. Dazu muss sind mit rund 19 % der Individuen zwar in der Hauptanteil der Arthropoden mit 55% der Minderzahl, bilden jedoch insbesondere

Abb. 7: Aufbau der Populationsdichte auf Zweigen und Blättern im Kronenraum im März 2000. Hausgarten, Gernsheim. – Acarina und Collembola sind mehrheitlich corticol nachzuweisen, während die speziell untersuchten übrigen Gruppen mit unterschiedlichen Individuenanteilen Rinde und Zweige besiedeln. Gesamter Individuenanteil: Rinde n = 231; Zweige n = 143. HANS-REINER SIMON: Monitoring von Collembolen in Apfelanlagen 63

Abb. 8: Relation von adulten zu subadulten Individuen von Entomobrya nivalis. Hausgarten, Gernsheim. Das Maxi- mum der subadulten Individuendichte ist Mai 2000, d. h. 46,5 % der beobachteten Individuen sind dem Größenbe- reich bis 0,9 mm zuzurechnen.

Abb. 9: Mega-Gilden des Apfelbaumes. Beobachtungsjahr 1999. Ort: Gernsheim, Oberrheinische Tiefebene. 64 Insecta, Heft 7, 2001

mit den Collembolen eine wichtige Nah- krophage eine Beute für etliche Raubarthropo- rungsergänzung für die Zoophagen. Die Re- den, für einige sogar eine bevorzugte Beute. lationen als Dominanzprozentwerte zu allen Abb. 11 (Hausgarten, Beobachtungsjahr 1999) gesammelten Individuen ist in Abb. 10 do- gibt einigen Aufschluss über diese Hypothese. kumentiert. Spezielle Collembolenräuber, wie subadulte Spinnen aller Stadien, Raubmilben und Weber- 2. Collembolen als Beute von Raubarth- knechte haben gemeinsam mit Collembolen ein ropoden Maximum des Auftretens. In der Ruhephase Wie oben angedeutet, sind Detritivore/Mi- des Winters sind Spinnen an allen Mikrohabita-

Abb. 10: Detritivore und Mikrophage im Vergleich mit allen aufgesammelten Arthropoden aus der Krone des Apfelbau- mes (n Individuen 1999). – Oberer Kurvenzug: Gesamtzahl der aufgesammelten Arthropoden; Mittlerer Kurvenzug: Ge- samtprozentanteile (von n) der Individuen je Monat der Detritivoren/Mikrophage (Psocopteren, Diplopoden (Polyxenus lagurus), Collembola. – Unterer Kurvenzug: Prozentanteile der Collembola (von n). Hausgarten, Gernsheim. HANS-REINER SIMON: Monitoring von Collembolen in Apfelanlagen 65

Abb. 11: Prädatoren (Antagonisten) der Collembolen im Kronenraum. Synchrones Maximum der Collembolen und Prä- datoren von Mai bis Juli 1999. Hausgarten, Gernsheim. 66 Insecta, Heft 7, 2001 ten der Collembolen zu finden, namentlich un- bar (Abb. 13), während die Weberknechte erst ter Rinde oder in Rindenspalten. An wärmeren ab April nachgewiesen werden konnten (Abb. Tagen (Temperaturen um + 5 ° C.) sind Rau- 12). barthropoden aktiv und durchaus auf Nahrung angewiesen. Dies ist durch eigene Freilandbe- 3. Collembolen in der Nahrungskette und im obachtungen gesichert und gilt für verschiede- Nahrungsnetz ne Gruppen der Prädatoren. STEINER et al. Wenn wir aus diesen vorläufigen Beobach- (1994) weisen darauf hin, dass Anthocoris ne- tungen und Ergebnissen versuchen, einige all- moralis (Anthocoridae) auch im Winter an gemeine Schlussfolgerungen zu ziehen, so lässt warmen Tagen Nahrung zu sich nehmen. sich folgende Hypothese über die Rolle der do- Andauernder Feinddruck wird ausgeübt minierenden Art Entomobrya nivalis in der durch Raubmilben, Araneida sowie durch Opi- Nahrungskette aufstellen (Einzelheiten vgl. lioniden (Abb. 11, unten). Das Auftreten der Abb. 14): Trombidiidae ist bereits ab Februar nachweis- Collembolen sind für kleine Wirbeltiere in

Abb. 12: „Spezielle“ Collembolenräuber sind Samtmilben (Trombidiidae). Sie sind bereits ab Februar zu beobachten. Hausgarten, Gernsheim. Daten von Februar bis August 2000. HANS-REINER SIMON: Monitoring von Collembolen in Apfelanlagen 67

Abb. 13: Weberknechte haben ihre höchste Individuenabundanz im Juli des Beobachtungsjahres 1999. Hausgarten, Gernsheim 68 Insecta, Heft 7, 2001

Abb. 14: Versuch einer Einordnung von Entomobrya nivalis in die Nahrungskette des Biochorions „Kronenraum des Ap- felbaumes“.– Greifvögel, wie z. B. der Sperlingskauz (Glaucidium passerinum (L.)) sind Greifer von Kleinvögeln, wie Win- tergoldhähnchen (Regulus regulus (L.)), die als Verzehrer von Entomobrya nivalis bekannt wurden, ebenso eine Vielzahl von Raubarthropoden. Entomobrya nivalis ernährt sich von Flechten, Algen und Pilzgeflecht. Die Exkremente von Mikro- arthropoden finden sich zahlreich auf Blättern der Apfelbäume und werden bei Laubfall im Herbst direkt in die Streu- schicht durch Bodenmikrophage eingearbeitet: Als Humuselemente werden sie für die Bäume zum Nahrungssubstrat. HANS-REINER SIMON: Monitoring von Collembolen in Apfelanlagen 69 der Baumkrone, wie Meisen und Wintergold- Diversität von Insekten in Kulturlandschaften hähnchen von Bedeutung als Nahrung ist ein Forschungsansatz, der auch im Bereich (SCHMIDT, 1968). Nach Beobachtungen von der Kronenraumforschung beachtet werden SCHMIDT (1968) liefen Entomobrya nivalis mas- muss (vgl. SIMON, 1999). Insbesondere die gro- senhaft auf Baumstämmen umher und dienten ße Bedeutung alter Hochstämme ist stets zu im April 1967 durchziehenden Winter- und verdeutlichen. Eine Kooperation mit einer Ar- Sommergoldhähnchen als Beute. Dass diese beitsgruppe „Streuobstwiesen“ in Darmstadt- kleinen Beutetierchen als Nahrung eine Rolle Eberstadt (nördliche Bergstrasse) soll dem- spielen, zeigen eigene Hochrechnungen, die et- nächst anlaufen. wa 15.000 Collembolen pro Baum ergeben, da- von sind etwa 13.500 Individuen zu Entomo- Summary brya nivalis zu stellen. Die Art ist besonders von Bedeutung für die Funktion eines Nahrungs- Collembola are widespread in many habi- netzes, wenn sie im Winter als Zwischennah- tats from arctic regions to tropical rain forests. rung zur Verfügung steht, wenn also das Nah- Normally, they live in soil and litter but are also rungsangebot der warmen Jahreszeiten, wie found in the canopy of European forests. In ap- Kleinzikaden, Blattläuse und Rindenläuse den ple orchards collembola, especially Entomobrya Raubarthropoden an warmen Tagen in der an- nivalis (L.) may be very common. Other sonsten kalten Jahreszeit fehlen. - An Biomasse collembola species are found not so often. From stellt diese Art pro Individuum etwa 300 a series of field observations lasting since 1998 Mikrogramm (Mitt. von W. DUNGER, Görlitz), (May) results are presented for 1999 and some so dass bei einigen tausend Tieren pro Baum im months of the year 2000 (January until August). Bereich der Kleinprädatoren durchaus verwert- Collembola predator relationships are demon- bare Energievorräte anzunehmen sind. Hier strated and peaks of occurrence of the different stehen die Untersuchungen noch ganz in der guilds are explained. Anfangsphase, sie sollen in den nächsten Jahren weiterverfolgt werden. Literatur

Schlussfolgerungen BÖHLE, W. (1994): Eine erste kritische Liste der Spring- schwänze (Insecta, Collembola) in Hessen und ihre Bewertung unter dem Aspekt des Arten- und Land- Diese Ergebnisse aus drei Beobachtungsjah- schaftsschutzes. – Faunistischer Artenschutz in ren haben m. E. gezeigt, dass ein Monitoring Hessen, 79 – 92. Wetzlar, Naturschutzzentrum von Collembolen ein naturschutzrelevantes, Hessen. PALISSA, A. (2000): Collembola – Springschwänze. S. 45 – 51 ökologisch interessantes und faunistisch ergie- in: Stresemann (Begr.) Hannemann H-J.; Klausnit- biges Projekt ist. Die Resultate sind zunächst le- zer, B; Senglaub, K. (Hrsg.): Exkursionsfauna von diglich visuell aufbereitet, eine statistische Aus- DEUTSCHLAND, 2, WIRBELLOSE: INSEKTEN. - HEIDEL- BERG, BERLING: SPEKTRUM. wertung soll vorgenommen werden, wenn die SCHMIDT, G. (1968): Springschwänze (Collembola) als Nah- Daten mindestens eines weiteren vollen Beob- rung der Goldhähnchen (Regulus). - Vogelwelt, achtungsjahres eingebracht werden können. Berlin, 89, 1-2. Eine Gefährdung der Collembolen in Ob- SIMON, H.-R. (1999): Diversität der Insekten in Kulturland- schaften. Eine ökologische Betrachtung. – Collurio, stanlagen liegt vor durch intensiven Pflanzen- Darmstadt, 17, 135 – 149. schutz, Entfernen von Totholz, Fällen alter SIMON, H.-R. (2000): Collembolen im Kronenraum des Ap- Obstbäume. Die Naturschutzarbeit in Projek- felbaumes: Freilandbeobachtungen in Süd-Hessen ten zum Umfeld „Streuobstwiesen“ muss daher (1999). – Entomologische Zeitschr., Stuttgart, 110, (6), 177 – 183. stärktens begrüßt und unterstützt werden. Ei- STEINER, H., ALBERT, R., GALLI, P., ADEL EL TITI (1994): gene Bemühungen gehen in diese Richtung. Die Nützlinge im Garten. - Stuttgart: Ulmer.

Anschrift des Verfassers: Visiting Prof. Dr. HANS-REINER SIMON, Römerstraße 44, D-64579 Gernsheim Insecta, Heft 7, 2001, Seite 70-74

REINER THEUNERT, Hohenhameln

Über die Verbreitung der Arten der Andrena minutula-Gruppe in Niedersachsen und Bremen (Hymenoptera: Apidae)

1. Einleitung gel- und Bergland gepunktet-schraffiert darge- stellt, während das Tiefland nicht hervorgeho- Die Andrena minutula-Gruppe ist schwierig ben ist. zu bestimmen. Insbesondere gilt dies für die Es wurden nur die Nachweise berücksich- Männchen. SCHMID-EGGER & SCHEUCHL (1997) tigt, die ab dem Jahr 1970 erbracht wurden. Die bekunden zutreffend, dass es ohne ausreichen- Karten geben folglich nur Hinweise auf die de Übung und in vielen Fällen auch ohne Ver- (mehr oder weniger) aktuelle Verbreitung der gleichsmaterial schwierig sein dürfte, alle Arten Arten. Auf den Eintrag älterer Nachweise wurde zuverlässig zu erkennen. Daher darf angenom- nicht nur deshalb verzichtet, weil die Angaben men werden, dass sich manche Wildbienen- in der Regel nicht mehr an Belegexemplaren kundler nicht weiter mit deren Verbreitung be- überprüfbar sind, sondern auch weil sie zumeist schäftigen. Für Niedersachsen und Bremen sol- für einen exakten Messtischblatteintrag nicht len die Karten in dieser Arbeit Anlass zu einer genügen. intensiveren Auseinandersetzung geben. Damit verbunden könnte die Frage sein, ob die Grup- 3. Ergebnisse pe für ein ökofaunistisches Monitoring geeignet ist. Dieser Aspekt wird nachfolgend diskutiert. Nach der Auflistung von WESTRICH & DA- THE (1997) sind in Deutschland 13 Arten der 2. Material und Methodik minutula-Gruppe nachgewiesen worden. Wird das Taxon anthrisci BLÜTHGEN als nicht zu An- Im Zusammenhang mit seiner Arbeit an der drena minutuloides PERKINS gehörend angese- ”Roten Liste der Wildbienen Niedersachsens hen, so sind es 14 Arten. Für Niedersachsen und Bremens” wurde dem Verfasser von ver- (einschließlich Bremen) sind 9 Arten bekannt: schiedener Seite umfangreiches Material aus x Andrena alfkenella PERKINS 1914 der minutula-Gruppe zur Nachbestimmung x Andrena falsifica PERKINS 1915 vorgelegt. Nach eingehender Überprüfung wur- x Andrena minutula (KIRBY 1802) den die Fundorte in einen Computer eingege- x Andrena minutuloides PERKINS 1914 (ein- ben. Die eigenen Nachweise und die verlässlich schließlich A. anthrisci BLÜTHGEN 1925) erscheinenden Angaben aus der Literatur wur- x Andrena nanula NYLANDER 1848 den hinzugefügt. Anschließend wurden alle x Andrena niveata FRIESE 1887 Nachweise auf der Grundlage von Messtisch- x Andrena semilaevis PEREZ 1903 blattquadranten auf Artkarten übertragen. In x Andrena strohmella STÖCKHERT 1928 den Abb. 1-7 ist das südniedersächsische Hü- x Andrena subopaca NYLANDER 1848 REINER THEUNERT: Verbreitung der Arten der Andrena minutula-Gruppe 71

Davon sind zwei offenbar seit mindestens Erforschung der Wildbienenfauna von Halb- 60 Jahren nicht mehr nachgewiesen worden: A. trockenrasen und weiteren Offenlandbiotopen. nanula und A. niveata. Im Tiefland ist die Art in neuerer Zeit nur bei Für erstere nennt KLUG (1984) zwar noch ei- Vechta gefunden worden. WAGNER (1938) nen späteren Fund, doch das angeblich nachbe- nennt sieben Tieflandfundorte. A. minutuloides stimmte Material hat der angeführten Vertrau- wird allerdings auch damals nördlich der ensperson nicht vorgelegen (WESTRICH & DA- Mittelgebirgsschwelle nur spärlich vorhanden THE 1997). Die Angabe ist sehr zweifelhaft. Zu- gewesen sein. vor hat ALFKEN (1939, 1940) zwei Fundorte ge- nannt. Die Angabe von WAGNER (1938) ist zu 3.5. Andrena semilaevis PEREZ streichen (ALFKEN 1939). Zu A. niveata liegen Wie bei A. minutula und A. subopaca liegen zwei Fundortangaben vor, die von WAGNER neuere Nachweise aus dem Norden Nieder- (1938) und ALFKEN (1939) stammen. sachsens vor. Interessant ist das nahezu voll- ständige Fehlen im Raum Hildesheim-Peine- 3.1. Andrena alfkenella PERKINS Braunschweig auf, wo die Art trotz intensiver Von den sieben in neuerer Zeit noch nach- Suche nur einmal gefunden wurde. gewiesenen Arten ist Andrena alfkenella wahr- scheinlich die seltenste. Sie wurde 1996 in Celle 3.6. Andrena strohmella STÖCKHERT und 2000 zwischen Hildesheim und Salzgitter WESTRICH (1989) erwähnt zwar, dass die Art gefangen. Früher war die Art offenbar gleich- in West-Deutschland keine Verbreitungsgrenze falls eine seltene Erscheinung. WAGNER (1938) hat, doch dürfte diese Angabe unzutreffend nennt für Niedersachsen und Bremen vier sein. Darauf deutet auch die Karte von PEETERS Fundorte. et al. (1999) für die Niederlande hin, von wo es Nachweise nur aus dem südlichsten Landesteil 3.2. Andrena falsifica PERKINS gibt. In Niedersachsen ist A. strohmella in den Während WAGNER (1938) für das Tiefland letzten Jahrzehnten nur im Hügel- und Berg- der heutigen Bundesländer Niedersachsen und land nachgewiesen worden. Dabei handelt es Bremen 15 Fundorte anführt, scheint die Art sich fast ausschließlich um Halbtrockenrasen. dort heute weitgehend zu fehlen. Lediglich HEI- Die Fundortangabe „Heiligenberg“ von WAG- DE & WITT (1990) haben sie noch in Sandhei- NER (1938) und ALFKEN (1939) konnte nicht lo- den entdeckt. Hingegen ist A. falsifica im süd- kalisiert werden. Möglicherweise beruht sie auf lichen Niedersachsen eine zerstreut auftretende einem Nachweis aus dem niedersächsischen Art, die insbesondere auf Halbtrockenrasen Tiefland. Im südlichen Niedersachsen gibt es nachgewiesen wurde. Im nördlichen Teil des allerdings mehrere Erhebungen mit dem Na- Hügel- und Berglandes ist sie in den letzten men „Heiligenberg“, so im Raum Holzminden. Jahrzehnten trotz zum Teil intensiver Suche Im Nieders. Landesmuseum Hannover befindet nur einmal nachgewiesen worden. sich ein Männchen, dass vor über einhundert Jahren in Hannover-Ricklingen und somit an 3.3. Andrena minutula (KIRBY) der Grenze des Hügel- und Berglandes zum Im Hügel- und Bergland Niedersachsens Tiefland gefangen wurde. wird die Art wahrscheinlich verbreitet sein. Im Tiefland jedoch scheint sie über weite Strecken 3.7. Andrena subopaca NYLANDER zu fehlen. So ist sie in den Veröffentlichungen Den Angaben von WAGNER (1938) nach der wildbienenkundlichen Arbeitsgruppe an müsste A. subopaca deutlich zugenommen ha- der Universität Oldenburg kaum enthalten. ben. Während er für Niedersachsen und Bre- men nur sieben Fundorte nennt, ist sie in den 3.4. Andrena minutuloides PERKINS letzten Jahrzehnten an über 80 Orten in 60 Die in der Abb. 4 dargestellte Nachweishäu- Messtischblattquadranten nachgewiesen wor- fung im Göttinger Raum steht sicherlich im Zu- den. sammenhang mit der dort besonders intensiven 72 Insecta, Heft 7, 2001

4. Diskussion sichts der eingangs erwähnten Bestimmungs- schwierigkeiten besonders bei männlichen Tie- Für ein ökofaunistisches Monitoring ist die ren müsste viel Material nachbestimmt werden, Andrena minutula-Gruppe aus mehreren was angesichts der sehr begrenzten personellen Gründen nicht geeignet: und finanziellen Möglichkeiten im Wildbienen- x Eine Voraussetzung für die Aufnahme von schutz ungünstig wäre. Arten in ein ökofaunistisches Monitoring muss x Kontinuität in der Bestandserfassung ist deren zumindest verhältnismäßig einfache Be- Voraussetzung für jedes Monitoring. Dabei stimmbarkeit sein. Die Wahrscheinlichkeit von muss eine mehr oder weniger große Zahl von Fehlbestimmungen darf nur gering sein. Ange- Probestellen in festen Abständen über einen

Abb. 1: Verbreitung von Andrena alfkenella PERKINS in Abb. 2: Verbreitung von Andrena falsifica PERKINS in Niedersachsen und Bremen. Niedersachsen und Bremen. Quadrate: Funde ab 1970 dargestellt auf der Basis von Quadrate: Funde ab 1970 dargestellt auf der Basis von Messstischblattquadranten. Messstischblattquadranten.

Abb. 5: Verbreitung von Andrena semilaevis PEREZ in Abb. 6: Verbreitung von Andrena strohmella STÖCKHERT in Niedersachsen und Bremen. Niedersachsen und Bremen. Quadrate: Funde ab 1970 dargestellt auf der Basis von Quadrate: Funde ab 1970 dargestellt auf der Basis von Messstischblattquadranten. Messstischblattquadranten. REINER THEUNERT: Verbreitung der Arten der Andrena minutula-Gruppe 73 längeren Zeitraum auf das Vorkommen der be- bindung kommt bei Bienen vornehmlich da- treffenden Arten in qualitativer und in quanti- durch zum Ausdruck, dass besondere Ansprü- tativer Hinsicht untersucht werden. Dazu feh- che an den Nistplatz oder in der Spezialisierung len gegenwärtig die notwendigen Mitarbeiter. auf eine oder wenige Futterpflanzenarten beste- x Besonders geeignet sind Arten, die eine enge hen. Über die Nistplatzansprüche der Arten der Lebensraumbindung haben, können doch dann A. minutula-Gruppe ist nur wenig bekannt (vgl. am ehesten Veränderungen in der Populations- WESTRICH 1989). Gezielt ausgerichtete Untersu- größe (Anzahl der Individuen einer Fortpflan- chungen wie die von THEUNERT (1996) zu ein- zungsgemeinschaft) auf Lebensraumfaktoren zelnen Wespen stehen aus. Hinsichtlich der zurückgeführt werden. Eine enge Lebensraum- Futterpflanzenbindung sind die meisten Arten

Abb. 3: Verbreitung von Andrena minutula KIRBY in Abb. 4: Verbreitung von Andrena minutuloides PERKINS in Niedersachsen und Bremen. Niedersachsen und Bremen. Quadrate: Funde ab 1970 dargestellt auf der Basis von Quadrate: Funde ab 1970 dargestellt auf der Basis von Messstischblattquadranten. Messstischblattquadranten.

Abb. 7: Verbreitung von Andrena subopaca NYLANDER in Niedersachsen und Bremen. Quadrate: Funde ab 1970 dargestellt auf der Basis von Messstischblattquadranten. 74 Insecta, Heft 7, 2001 wenig spezialisiert. Die Ausnahme scheint An- bung der Kernobstblüten in Südhannover. - Disser- tation Univ. Hannover. 110 S. drena niveata zu sein, die Pollen nur auf Kreuz- PEETERS, T. M. J., RAEMAKERS, I. P., & SMIT, J. (1999): Voor- blütlern (Brassicaceae) sammelt (WESTRICH lopige atlas van de Nederlandse bijen (Apidae). – 1989). Insgesamt ist zur Lebensraumbindung Leiden (EIS-Nederland), 225 S. festzuhalten, dass gewichtige Gesichtspunkte SCHMID-EGGER, C., & SCHEUCHL, E. (1997): Illustrierte Be- stimmungstabellen der Wildbienen Deutschlands bestehen, davon Abstand zu nehmen, die A. mi- und Österreichs unter Berücksichtigung der Arten nutula-Gruppe für ein ökofaunistisches Moni- der Schweiz. Band III: Andrenidae. – Velden/Vils toring zu berücksichtigen. (Eigenverlag), 180 S. THEUNERT, R. (1996): Untersuchungen zur Nistökologie der holzbesiedelnden Stechimmen Ancistrocerus nigri- cornis (CURTIS), Psenulus fuscipennis (DAHLBOM) 5. Literatur und Chrysis ignita LINNAEUS (Insecta: Hymenopt- era). – Ökologieconsult-Schr. 3, 1-103. ALFKEN, J. D. (1939): Die Bienenfauna von Bremen. 2. Auf- WAGNER, A. C. W. (1938): Die Stechimmen (Aculeaten) lage. - Jb. Ent. Ver. Bremen 26, 6-30. und Goldwespen (Chrysididen s. l.) des westlichen ALFKEN, J. D. (1940): Die Insekten des Naturschutzparkes Norddeutschlands. - Verh. Ver. naturw. Heimatf. der Lüneburger Heide. I. Die Bienen (Apidae). - 26, 94-153. Abh. Naturw. Ver. Bremen 31, 750-762. WESTRICH, P. (1989): Die Wildbienen Baden-Württem- HEIDE, A. VON DER, & WITT, R. (1990): Zur Stechimmenbe- bergs. Spezieller Teil. – Stuttgart (Ulmer), 441 S. siedlung von Sandheiden und verwandten Bioto- WESTRICH, P., & DATHE, H. H. (1997): Die Bienenarten pen am Beispiel des Pestruper Gräberfeldes in Deutschlands (Hymenoptera, Apidae). Ein aktuali- Nordwest-Niedersachsen (Hymenoptera Aculeata). siertes Verzeichnis mit kritischen Anmerkungen. – - Drosera ‘90, 55-76. Mitt. Ent. Ver. Stuttgart 32, 3-34. KLUG, M. (1984): Der Beitrag solitärer Bienen zur Bestäu-

Anschrift des Verfassers: Dr. REINER THEUNERT, Fachbüro für Umweltplanung, Allensteiner Weg 6, D-31249 Hohenhameln Insecta, Heft 7, 2001, Seite 75-87

BERNHARD KLAUSNITZER, Dresden

Möglichkeiten und Grenzen der Bioindikation mittels Käferlarven (Coleoptera)

Die zoologische Systematik befindet sich be- Kenntnis der Larven lückenhaft ist und man die kanntermaßen insgesamt in einer schwierigen Entwicklungsstadien aus diesen Gründen nicht Lage (MALICKY 1980, WILSON 1985, HASKELL & verwenden kann. Dies trifft ganz sicher auf MORGAN 1988, OLIVER 1988, FELDMAN & MAN- manche Käferfamilien zu. Einige ökologische NING 1992, STEVCIC 1993, SCHMINKE 1994, VOGT und taxonomische Gruppen sind aber ausge- 1994), wie schlimm muss es also um die Stief- sprochen gut erforscht, und sehr viele Arten kinder innerhalb der Systematik aussehen, zu können im Larvenstadium erkannt werden (z. denen die Larven der Insekten zweifellos gehö- B. Wasserkäfer – Tab. 3, xylobionte Coleoptera ren (SCHIEMENZ 1960, RICHTER 1961, KLAUSNIT- – Tab. 4 und auch größtenteils die Carabidae ZER 1975, 1980). Andererseits ist die Bedeutung (87,2 % der Gattungen; 41,4 % der Arten; nach der Kenntnis der Jugendstadien für Faunistik ARNDT 1991) und Chrysomelidae (92,2 % der und Ökosystemforschung unumstritten Gattungen; 50,6 % der Arten; nach STEINHAU- (KLAUSNITZER 1969, 1970, 1991b, 1996b). Doch SEN 1994)). Dennoch werden diese Kenntnisse was nützt die theoretische Klarheit, wenn zu ge- nur selten verwendet. ringe Voraussetzungen für die Anwendung des Der Aufwand, sich in die Bestimmung der vorhandenen Wissens um präimaginale Stadien Larven einzuarbeiten, ist sicher groß, grund- (Eier, Larven, Puppen) bestehen bzw. dieses sätzlich aber nicht größer als eine zuverlässige Wissen zu lückenhaft ist oder streckenweise so- Kenntnis der Imagines zu erlangen. Die vielen gar völlig fehlt. Andererseits erschließen uns Personen, die faunistische und ökologische Ar- insbesondere die Larven eine neue, eine unbe- beiten, auch Gutachten, verfassen, in denen die kannte Welt voller ungeahnter Schönheit und eben erwähnten Käfergruppen Berücksichti- Vielfalt (Abb. 1-4). gung finden, sollten dringend überdenken, ob Es ist eine eigentümliche Erscheinung, dass sie ihre Skepsis gegenüber den Larven nicht sich die Verwendung der Larven für faunisti- über Bord werfen wollen. Der wirksamere Weg sche und ökologische Fragestellungen, die alle wäre natürlich der, dass in solchen Fällen, wo es Formen einer Bioindikation einbeziehen kön- einen öffentlichen Auftraggeber für derartige nen, nur schwer durchzusetzen scheint. Mögli- Untersuchungen gibt, die Berücksichtigung der cherweise gibt es innere Widerstände, anzuer- Larven einfach abgefordert wird. Dies wäre kennen, dass die Larven zur Lösung einschlägi- auch ein guter Weg, die Kenntnisse zur Larval- ger Fragestellungen ebenso gut geeignet sein systematik zu fördern. Man vergleiche nur die können wie die Imagines. Gern wird in diesem geringe Zahl von Entomologen, die sich in frü- Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die heren Jahren (Jahrzehnten) mit den Odonata 76 Insecta, Heft 7, 2001

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Abb. 1: Larven von aquatischen (Coleoptera). Nach KLAUSNITZER (1991a; nähere Quellen dort). a Peltodytes caesus (Haliplidae); b Haliplus confinis (Haliplidae); c hermanni (Hygrobiidae); d Noterus clavicornis (Noteridae); e Gyrinus minutus (Gyrinidae); f Hyphydrus ovatus (Dytiscidae); g Laccophilus hyalinus (Dytiscidae); h Aga- bus bipustulatus (Dytiscidae); i Cybister lateralimarginalis (Dytiscidae); k Dytiscus marginalis (Dytiscidae). BERNHARD KLAUSNITZER: Möglichkeiten und Grenzen der Bioindikation mittels Käferlarven 77 oder den Ensifera + Caelifera befasst haben, mit ökologische Arbeiten entsprechender Thema- dem ungeheuren Aufschwung auf beiden Ge- tik, die ausschließlich auf der Basis der Erfas- bieten, seit diese Ordnungen als Modellgrup- sung von Imagines angelegt wurden, ohne Be- pen für Begutachtungen vieler Art vorgeschrie- rücksichtigung der Larven nur begrenzt seriös ben wurden. Dies führte sogar dazu, dass je eine sind. Es kann nicht sein, dass in umfangreichen eigenständige Fachesellschaft gegründet werden Arbeiten über Wasserkäfer zwar die Imagines konnte, die eine große Zahl von Mitgliedern ihr sorgfältig erfasst, die Larven aber bei einer Pu- eigen nennen. Andererseits hat die Situation blikation bestenfalls summarisch erwähnt wer- auch bewirkt, dass die Kenntnisse über Libel- den. Das gleiche gilt für holz- und pilzbewoh- lenlarven bzw. Exuvien erheblich verbessert nende Coleoptera. worden sind, wie die Herausgabe wichtiger Nochmals zur oft geäußerten Behauptung, Werke (HEIDEMANN & SEIDENBUSCH 1993; GER- man könne die Larven nicht bestimmen, weil KEN & STERNBERG 1999) zeigt. entsprechende Grundlagen fehlen. Solche An- Die Koleopterologen können von diesen Er- schauung ist sehr ungenau und lässt den Ver- fahrungen und Erfolgen nur lernen. Im glei- dacht aufkommen, dass die Scheu vor entspre- chen Maße wären natürlich Hochschullehrer chender Einarbeitung der wirkliche Grund ist. gefordert, bei Graduierungsarbeiten, die sie Eine allgemeine Einschätzung zum Kenntnis- vergeben und betreuen und in deren Bereich stand über kann nicht gegeben werden. Es gibt die betreffenden Käfergruppen erfasst werden, Gruppen mit einem hohen Bekanntheitsgrad auch die Bearbeitung der Larven abzufordern. (z. B. Odonata und einige andere Ordnungen Es muß sich die Erkenntnis durchsetzen, dass wasserbewohnender Insekten, einige Teilgrup-

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Abb. 2: Larven von Schnellkäfern, Unterfamilien (Col., Elateridae). Nach KLAUSNITZER (1994a; nähere Quellen dort). a Elaterinae; b Agrypninae; c Negastriinae; d Athoinae; e Agrypninae; f Ctenicerinae; g Ampedinae; h Agriotinae; i Melanotinae; k Ampedinae; l Cardiophorinae. 78 Insecta, Heft 7, 2001

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Abb. 3: Larven verschiedener xylobionter (Coleoptera). Nach KLAUSNITZER (2001; nähere Quellen dort). a Cryptarcha strigata (Nitidulidae); b Rhizophagus sp. (Monotomidae); c Sphindus dubius (Sphindidae); d Cucujus haematodes (Cucujidae); e Uleiota planata (Silvanidae); f Orthoperus sp. (Corylophidae); g Cerylon crassipes (Cerylonidae). BERNHARD KLAUSNITZER: Möglichkeiten und Grenzen der Bioindikation mittels Käferlarven 79

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Abb. 4: Larven von Wollhaar-Käfern (Col., Melyridae) und Malachiten-Käfern (Col., Malachiidae). Nach KLAUSNITZER (1996a; nähere Quellen dort). a Enicopus pyrenaeus; b Dasytes coerulans; c Psilothrix viridicaeruleus; d Danacaea pallipes; e Aplocnemus virens; f Malachius aeneus; g Anthocomus coccineus; h Paratinus femoralis; i Attalus japonicus; k Trichoceble sp. 80 Insecta, Heft 7, 2001 pen der Coleoptera und Lepidoptera) und sol- de zwischen den einzelnen Stadien (es gibt viel- che, wo unser Wissen äußerst gering ist (z. B. fältige Unterschiede, nicht nur die relativ selte- die meisten Teilgruppen der Hymenoptera und ne Hypermetamorphose), der Lückenhaftigkeit Diptera). Als Beispiele werden hier die aquati- vieler Bestimmungstabellen und nicht erkann- schen und xylo-mycetobionten Coleoptera nä- ter bzw. nicht aufgelöster paraphyletischer her eingeschätzt (Tab. 3, 4; Abb. 1-5). Bei die- Gruppen (KLAUSNITZER 1975, 1988, 1991b, sen Gruppen gestatten die Bestimmungstabel- 1993). Dennoch ist viel mehr an Bestimmung in len eine Determination von etwa 80-90 % der diesen Familien möglich als gemeinhin ange- Gattungen und 40-50 % der Arten (KLAUSNIT- wandt wird. In vielen Bereichen (Bioindikation, ZER 1977, 1978, 1991a, 1994a, 1996a, 1997, ökologische Fragestellungen, Umweltgutach- 1999, 2001). Dieses an sich optimistische Bild ten) muss es wirklich zur Pflicht werden, die wird getrübt durch Probleme der primären De- Larven einzubeziehen. termination, der morphologischen Unterschie- Bei der Bioindikation und zur Begutach-

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Abb. 5: Larven der mitteleuropäischen Arten der Feuerkäfer (Col., Pyrochroidae). Nach KLAUSNITZER (1990; nähere Quel- len dort). 8. / 9. Abdominalsegment, dorsal (b-d), ventral (e-g). a Pyrochroa coccinea, Habitus, dorsal; b Pyrochroa coccinea; c Pyrochroa serraticornis; d Schizotus pectinicornis; e Pyrochroa coccinea; f Pyrochroa serraticornis; g Schizotus pectinicornis. BERNHARD KLAUSNITZER: Möglichkeiten und Grenzen der Bioindikation mittels Käferlarven 81 tung von Landschaftsteilen spielen sogenannte sung der xylo-mycetobionten Coleoptera in Indikatorgruppen (Modellgruppen) eine große mehreren Gebieten der Oberlausitz basierten Rolle, zu denen auch einige Insektentaxa gehö- mehr als die Hälfte aller Artnachweise aus- ren, unter den Käfern vorwiegend die Carabi- schließlich auf dem Studium der Larven. Und dae und Cerambycidae (sowie einige andere xy- drittens: Prionocyphon serricornis (Col., Scirti- lobionte Coleoptera), zunehmend die Dytisci- dae) gilt als seltene Art, ein Fund des Käfers ist dae, Cantharidae, Elateridae, Coccinellidae, immer etwas Besonderes. Die Larven entwi- Scarabaeidae und Chrysomelidae (GERKEN et al. ckeln sich in Phytotelmen, wo sie, sofern derar- 1990, RECK 1990, RIECKEN 1990, 1992, ZUCCHI tige Habitate überhaupt vorhanden sind, leicht 1990, KLEINSCHMIDT 1991, FINCK et al. 1992, nachgewiesen werden können. Aus der Ober- TRAUTNER 1992, KLAUSNITZER 1994b, 1995) lausitz kennt der Verfasser 8 Fundorte durch (Tab. 2). Eine weitreichende Aussagekraft ent- Nachweis der Imagines, aber 35 durch Larven- sprechender Erhebungen ist im allgemeinen funde. Für die Einbeziehung der Larven spricht erst durch die Einbeziehung der Larven gege- auch die Binsenweisheit, dass die Erscheinungs- ben. Auswahlprinzipien und Anwendungsbei- zeit der Imagines fast immer bedeutend kürzer spiele des Modellgruppenkonzepts werden im ist als die Lebenszeit der Entwicklungsstadien. Hinblick auf die präimaginalen Stadien jedoch Im folgenden wird auf die Situation bei den meist nur andeutungsweise diskutiert. Wasserkäfern etwas näher eingegangen. Die ho- Für viele Zweige der Ökosystemforschung he Mobilität (Dispersionsfähigkeit) sehr vieler ist die Berücksichtigung der Larven geradezu wasserbewohnender Käferarten ist mitunter als unumgänglich, obwohl sie bei entsprechenden begrenzend für ihre Eignung im Rahmen bioin- Untersuchungen vielfach ganz zu Unrecht nur dikatorischer u. a. angewandter Fragestellungen summarisch abgetan werden. Qualitative und bezeichnet worden. Tatsächlich können die quantitative Auswertungen von Erhebungen al- meisten Arten gut fliegen, wovon u. a. das Auf- lein auf der Basis der Imagines bergen den Keim treten an künstlichem Licht (auch in ungeeig- der Ungenauigkeit schon im Ansatz in sich. neten Habitaten: z. B. glänzende Dächer von Larven können die Bodenständigkeit, wenig- Gebäuden, Autodächer) Zeugnis ablegt (be- stens den Ansiedlungsversuch, wesentlich si- sonders Dytiscidae, Hydrophilidae, , cherer beweisen. Quantitative Analysen von Heteroceridae). Flugphasen gehören obligato- Biozönosen oder Teilen derselben, Studien an risch zum Lebenszyklus wahrscheinlich nahezu Nahrungsketten, zur Habitatwahl, zum Habi- aller Wasserkäferarten. Die insuläre Lage der tatwechsel und viele andere oft mit großem ma- meisten stehenden Gewässer bedingt bereits die teriellen und personellen Aufwand bearbeiteten Notwendigkeit des Fluges. Ökologische Gründe Fragestellungen müssen ebenfalls die Entwick- sind die Besiedlung neuer Habitate im Zu- lungsstadien einbeziehen. Die allbekannten sammenhang mit der Ausbreitungstendenz, die Unzulänglichkeiten der viel praktizierten Bar- Möglichkeit ungeeignete Gewässer verlassen zu berfallenmethodik werden nicht dadurch aus- können, die Partnersuche, das Auffinden von geglichen, dass man die gefundenen Larven aus Nahrung und geeigneten Eiablageplätzen und der Auswertung ausschließt, wie an einem Bei- schließlich das Aufsuchen der Winterquartiere spiel über Coccinellidae (Tab. 1) (Larven dieser bei jenen Arten, die an Land nach einer aquati- Familie wurden in allen Stadien mit einem An- schen Aktivitätsphase im Anschluß an das teil von fast 20 % aller Käferlarven gefunden) Schlüpfen aus der Puppe überwintern. Schließ- gezeigt werden soll (KLAUSNITZER & BELLMANN lich wäre die Rückkehr in das Wasser nach der 1969). Überwinterung zu erwähnen, der Dehiberna- Es ist zwar noch keineswegs üblich, Faunis- tionsflug. Die Überwindung einer Entfernung tik auf der Grundlage von Larvenfunden zu be- bis zu 10 km wird in diesem Zusammenhang treiben, doch sind die Zeichen der Zeit unüber- für möglich gehalten, längere Strecken können sehbar. Odonatenfaunistik ohne die Bearbei- jedoch durch Verfrachtung mit Luftströmun- tung der Exuvien ist überhaupt nicht mehr gen oder den passiven Transport mit Vögeln denkbar. Ein weiteres Beispiel: bei der Erfas- (Ornithophoresie) ebenfalls überwunden wer- 82 Insecta, Heft 7, 2001 den. Auch an eine nicht beabsichtigte Verbrei- menden Arten bisher nicht oder nicht ausrei- tung durch den Menschen ist zu denken. chend bekannt sind. Schlecht bekannt sind die Bei den Wasserkäfern können - mehr als bei Larven der Cryptophagidae, Bothrideridae, Ce- vielen anderen Insektengruppen - die Larven rylonidae, Endomychidae, Corylophidae und einbezogen werden. Die Bestimmungstabellen Latridiidae. Einen mittleren Bekanntheitsgrad gestatten eine Determination von allen Gattun- zeigen die Larven der Histeridae, Cantharidae, gen, bei den Arten ist der Kenntnisstand sehr Melyridae, Nitidulidae, Monotomidae, Erotyli- unterschiedlich (Tab. 3). Neben gut bekannten dae, Mycetophagidae und Oedemeridae. Sehr Familien (Haliplidae, Dytiscidae, Hydrophil- gut bekannt sind die Larven der Lucanidae, idae, Elmidae) gibt es auch ausgesprochen Scarabaeidae, Buprestidae, Eucnemidae, Ela- schlecht erforschte (Gyrinidae, Hydrochidae, teridae, Lycidae, Cleridae, Silvanidae, Lae- ). Larven können die an den Ima- mophloeidae, Cisidae, Melandryidae, Colydii- gines gewonnen Befunde in geradezu idealer dae, Tenebrionidae, Alleculidae, Salpingidae Weise ergänzen bzw. verifizieren oder korrigie- und Cerambycidae. Hinzu kommen eine An- ren. zahl kleiner Familien, deren Larven vollständig Für die Larven existiert eine ausreichende oder annähernd vollständig bekannt sind. Bestimmungsliteratur, von der hier nur auf die Der Verfasser ist sich natürlich im klaren, zusammenfassenden Darstellungen von BERT- dass er mit diesem Beitrag keinen grundsätz- RAND (1928, 1939, 1940, 1966, 1972), BÖVING & lichen Wandel erzwingen kann, zumal dies HENRIKSEN (1938), KLAUSNITZER (1977, 1991a, nicht die erste Publikation in diese Richtung ist. 1994a, 1996a, 1997), BERTHÉLEMY (1979), NILS- Andererseits darf man aber auch nicht den Mut SON (1982), RICHOUX (1982), VAN VONDEL & sinken lassen und aufhören, auf Missstände DETTNER (1997), HEBAUER & KLAUSNITZER hinzuweisen. Schließlich hat CATO (234-149 v. (1998) hingewiesen sei. u. Z.) mit seinem Spruch „Ceterum censeo, Sehr differenzierte Verhältnisse liegen bei Carthaginem esse delendam“ auch etwas er- den xylo- mycetobionten Coleoptera vor (Tab. reicht, und steter Tropfen höhlt den Stein. 4). Direkte Kenntnislücken auf Familienebene Selbstverständlich geht es hier nicht um einen bestehen bei den Aderidae und Phloeostichidae, Krieg wie bei CATO, es geht aber um wissen- wo die Larven der in Mitteleuropa vorkom- schaftliche Seriosität von entomologischen Ar-

Tabelle 1: Nachweise von Coccinelliden-Larven und Imagines in Barberfallen auf Fichten- standorten bei Tharandt (Sachsen). Nach KLAUSNITZER & BELLMANN (1969).

Art Larven % Imagines Scymnus sp. 2 0,2 - Exochomus quadripustulatus 30 2,8 - Aphidecta obliterata 60 5,6 - Adalia conglomerata 245 22,7 7 Coccinella septempunctata 4 0,4 10 Harmonia quadripunctata 5 0,5 - Propylea - 3 quatuordecimpunctata Myzia oblongoguttata 140 13,0 10 Anatis ocellata 594 55,0 36 Summe 1080 66 BERNHARD KLAUSNITZER: Möglichkeiten und Grenzen der Bioindikation mittels Käferlarven 83

Tabelle 2: Modellgruppen und potentielle Modellgruppen (unterer Teil) (summarische Einordnung ohne Berücksichtigung von Ausnahmen). Nach KLAUSNITZER (1994b, 1995).

K 1 = Konsument 1. Ordnung (entspr. K 2), D = Destruenten; E = Bodenoberfläche, K = Krautschicht, S = Strauchschicht, B = Baumschicht; A = aquatisch, T = terrestrisch.

Gruppe Arten- Trophische Trophi- Trophi- Stratum Medium Medium zahl Ebene sche sche Ebene Ebene Odonata 80 K 2 K S B A T Ensifera, Caelifera 84 K 1 K 2 E K S B T Carabidae 547 K 1 K 2 E T Cerambycidae 183 K 1 S B T Papilionoidea, 213 K 1 K S T Hesperiidae, Zygaenidae Apidae 550 K 1 K 2 K S T Formicidae 111 K 1 K 2 E K S B T Syrphidae 440 K 1 K 2 D K S B A T Summe 2208 Gruppe Arten- Trophische Trophi- Trophi- Stratum Medium Medium zahl Ebene sche sche Ebene Ebene Nepomorpha 46 K 1 K 2 A Gerromorpha 20 K 2 A Plataspidae, Cydnidae, 93 K 1 K 2 E K S B T Scutelleridae, Pentatomidae, Acanthosomatidae Neuroptera 98 K 2 S B A T Dytiscidae 143 K 2 A Cantharidae 85 K 2 E K S T Elateridae 143 K 1 K 2 E K S B T Coccinellidae 78 K 1 K 2 K S B T 176 K 1 E K S B T Chrysomelidae 508 K 1 K S T Tenthredininae 109 K 1 K S B T Sphecidae 247 K 2 K S T Summe 1746 Gesamtsumme 3954 84 Insecta, Heft 7, 2001 beiten. Wir wollen uns doch glücklich schätzen, dass die Insekten überhaupt über Larven verfü- gen, die man separat bearbeiten kann und die spezielle Aussagen gestatten. Die Wirbeltierleu- te schauen sicher mit gewissem Neid auf uns, aber auch hier können wir uns ein Beispiel neh- men, weil die Herpetologen selbstverständlich die Larven der Amphibien erfassen und es her- vorragende Bestimmungstabellen gibt.

Tabelle 3: Larvenkenntnis bei den Familien Imagines Larven

der aquatischen Coleoptera ein- Familie G A G %A % schließlich einiger uferbewohnen- Adephaga der Familien. Zahlen nach KLAUS- Haliplidae 3 21 3 100,0 21 100,0 NITZER (1991a, 1994a, 1996a, 1997; Hygrobiidae 1 1 1 100,0 1 100,0 unter Einschluß der Bearbeitun- Noteridae 1 2 1 100,0 2 100,0 gen durch ANGUS, DETTNER, HAN- Dytiscidae 33 158 33 100,0 133 84,2 NAPPEL & PAULUS, NILSSON, RI- Gyrinidae 3 13 3 100,0 3 23,1 CHOUX). Die Tabelle gibt eine Übersicht über den gegenwärtigen Kenntnis- Spercheidae 1 1 1 100,0 1 100,0 stand der Larven. Die Zahlen für Hydrochidae 1 8 1 100,0 1 12,5 die Imagines beziehen sich auf die Hydrophilidae 20 123 20 100,0 51 41,5 entsprechenden Bände des FREU- Georissidae 1 5 1 100,0 1 20,0 DE-HARDE-LOHSE (1964-1989) ein- schließlich der Supplementbände Hydraenidae 3 65 3 100,0 5 7,7 von LOHSE & LUCHT (1989-1994) sowie LUCHT & KLAUSNITZER Scirtidae 7 27 7 100,0 10 37,0 (1998). G = Gattung, A = Art. Elmidae 10 27 10 100,0 21 77,8 Dryopidae 2 15 2 100,0 4 26,7 Limnichidae 3 5 2 66,7 2 40,0 Heteroceridae 2 14 1 50,0 5 35,7 Psephenidae 1 1 1 100,0 1 100,0 Summe 92 486 90 97,8 262 53,9 BERNHARD KLAUSNITZER: Möglichkeiten und Grenzen der Bioindikation mittels Käferlarven 85

Tabelle 4: Larvenkenntnis bei ausgewählten Familien xylo-mycetobionter Coleoptera. Zahlen nach KLAUSNITZER (1991a, 1994a, 1996a, 1997, 1999, 2001; unter Einschluss der Bearbeitungen durch BILÝ, CONSTANTIN, HOLTER, KAUPP, MILEWSKI, REIBNITZ, SVÁCHA, WURST). Die Tabelle gibt eine Übersicht über den gegenwärtigen Kenntnisstand der Larven. Die Zahlen für die Imagines beziehen sich auf die entsprechenden Bände des FREU- DE-HARDE-LOHSE (1964-1989) einschließlich der Supplementbände von LOHSE & LUCHT (1989-1994) sowie LUCHT & KLAUSNITZER (1998). G = Gattung, A = Art, * = teilweise xylo-mycetobiont (es werden aber alle Arten aufgeführt), ** = nur die xylo- mycetobionten Arten.

Imagines Larven Imagines Larven

Familie G A G % A % Nitidulidae* 18 154 15 83,3 41 26,6 Adephaga Monotomidae* 3 25 3 100,0 12 48,0 Rhysodidae 2 2 1 50,0 1 50,0 Phloeostichidae 1 1 - - Hydrophiloidea Silvanidae* 12 14 10 83,3 12 85,7 Sphaeritidae 1 1 1 100,0 1 100,0 Cucujidae 2 5 2 100,0 5 100,0 Histeridae* 35 110 19 54,3 30 27,3 Laemophloeidae* 6 23 6 100,0 15 65,2 Scarabaeoidea Cryptophagidae* 16 160 8 50,0 15 9,4 Lucanidae 6 7 6 100,0 7 100,0 Languriidae* 4 4 3 75,0 3 75,0 Trogidae 2 8 1 50,0 5 62,5 Erotylidae 4 19 3 75,0 5 26,3 Scarabaeidae** 9 19 9 100,0 16 84,2 Biphyllidae 2 3 2 100,0 2 66,7 Bothrideridae 4 10 2 50,0 2 20,0 Buprestidae* 28 132 27 96,4 73 55,3 Cerylonidae 3 10 3 100,0 3 30,0 Endomychidae* 13 20 7 53,8 5 25,0 Cerophytidae 1 1 1 100,0 1 100,0 Corylophidae* 7 20 5 71,4 6 30,0 Eucnemidae 14 25 14 100,0 21 84,0 Latridiidae* 13 79 11 84,6 14 17,7 Elateridae* 49 181 48 98,0 128 70,7 Lissomidae 1 1 1 100,0 1 100,0 Mycetophagidae* 6 17 6 100,0 7 41,2 Cantharoidea Cisidae 9 49 6 66,7 31 63,3 Lycidae 7 9 5 71,4 5 55,6 Tetratomidae 1 3 1 100,0 3 100,0 Cantharidae* 11 106 7 63,3 29 27,4 Melandryidae 18 40 17 94,4 20 50,0 Derodontoidea Colydiidae* 17 26 13 76,5 16 61,5 * 2 2 2 100,0 2 100,0 Tenebrionidae* 42 76 37 88,1 54 71,1 Alleculidae* 11 33 10 90,9 15 45,5 Nosodendridae 1 1 1 100,0 1 100,0 Prostomidae 1 1 1 100,0 1 100,0 Lymexyloidea Oedemeridae* 9 33 6 66,7 9 27,3 2 3 2 100,0 3 100,0 Mycteridae 1 2 1 100,0 1 50,0 Boridae 1 1 1 100,0 1 100,0 Phloiophilidae 1 1 1 100,0 1 100,0 Pythidae 1 2 1 100,0 2 100,0 Trogossitidae* 3 4 3 100,0 4 100,0 Cononotidae 1 1 1 100,0 1 100,0 Lophocateridae 2 2 2 100,0 2 100,0 Pyrochroidae 2 3 2 100,0 3 100,0 Peltidae 4 4 4 100,0 4 100,0 Salpingidae 6 14 6 100,0 7 50,0 Cleridae* 15 27 12 80,0 17 63,0 Aderidae 7 10 - - Melyridae* 9 39 7 77,8 10 25,6 Cucujoidea Cerambycidae* 105 249 103 98,1 232 93,2 Sphindidae 2 4 2 100,0 4 100,0 Summe 553 1796 468 84,6 909 50,6 86 Insecta, Heft 7, 2001

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Tag Düss eldorf 1991, 1 - 6. u. Landschaft 67, 329-340. KLAUSNITZER, B. (1994a): Die Larven der Käfer Mitteleuro- FREUDE, H , HARDE, K. W., & LOHSE, G. A. (1964 - 1989): Die pas. 2. Band , Polyphaga, Teil 1. - Goe- Käfer Mitteleuropas. Bände 1 - 11. - Krefeld; Goe- cke & Evers, Krefeld, 325 S. (mit Beiträgen von R. cke & Evers. ANGUS (Gattung ), S. BILÝ (Buprestidae), U. HANNAPPEL & H. F. PAULUS (Scirtidae) und W. GERKEN, B., BÖWINGLOH, F., & WILKE, J. (1990): Zur Bemes- sung des tierökologischen Beitrags bei Umweltver- STEINHAUSEN (Chrysomelidae)). träglichkeitsstudien (UVS) nach dem UVP-Gesetz. KLAUSNITZER, B. (1994b): Vor- und Nachteile eines Modell- gruppenkonzeptes aus entomologischer Sicht. - In- - UVP-report 4, 23-26. secta 3, 32 - 50. GERKEN, B., & STERNBERG, K. (1999): Die Exuvien der Euro- KLAUSNITZER, B. (1995): Über die Eignung von Insekten als päischen Libellen. - Höxter, 358 S. Indikatoren für Landschaftsplanung und UVP. - HASKELL, P. T., & MORGAN, P. J. 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A. KAUPP (Ptiliidae, Pselaphidae, Elateridae, Thros- Eingriffsplanungen. - Schriften-R. f. Landschafts- cidae, Lissomidae), P. ZWICK (Agyrtidae, partim), pflege u. Naturschutz 32, 99-119. F.-T. KRELL (Aphodius, Scarabaeidae partim), P. RICHOUX, PH. (1982): Coléoptères aquatiques (Genres: SVÁCHA (Lamiinae, Gattungen), E. ARNDT (Carabi- adultes et larves). - Bull. mens. Soc. Linn. Lyon 51, dae), K. DETTNER (Haliplidae, Hygrobiidae, Noteri- 105 - 128, 257 - 272, 289 - 304. dae, Dytiscidae, Gyrinidae) und W. STEINHAUSEN RICHTER, D. (1961): „Vergessene“ Insektenordnungen. - (Chrysomelidae)). Ent. Nachr. 5, 28 - 31, 33 - 36. KLAUSNITZER, B. (1999): Die Larven der Käfer Mitteleuro- RIECKEN, U. (1990): Ziele und mögliche Anwendungen der pas. 5. Band. Polyphaga Teil 4. - Goecke & Evers, Bioindikation durch Tierarten und Tierartengrup- Krefeld im Gustav Fischer Verlag Jena, Stuttgart, pen im Rahmen raum- und umweltrelevanter Pla- Lübeck, Ulm. 336 Seiten, 1344 Abbildungen. (mit nungen. - Eine Einführung. - Schriften-R. f. Land- Beiträgen von U. HOLTER, I. MILEWSKI & J. REIBNITZ schaftspflege u. Naturschutz 32, 9-26. (Cisidae) und J. LÜCKMANN (Meloidae)). RIECKEN, U. (1992): Planungsbezogene Bioindikation durch KLAUSNITZER, B. (2001): Die Larven der Käfer Mitteleuro- Tierarten und Tiergruppen - Grundlagen und An- pas. 6. Band. Polyphaga Teil 5. - Spektrum Akade- wendung. - Schriften-R. f. Landschaftspflege u. Na- mischer Verlag Heidelberg, Berlin. 309 Seiten, 1175 turschutz 36, 201-209. Abbildungen. (mit einem Beitrag von P. SVÁCHA SCHIEMENZ, H. (1960): Stiefkinder der Entomologie. - (Lamiinae)). Mitt.bl. f. Insektenkunde 4, 89 - 95. KLAUSNITZER, B., & BELLMANN, C. (1969): Zum Vorkommen SCHMINKE, H. K. (1994): Systematik - die vernachlässigte von Coccinellidenlarven (Col.) in Bodenfallen auf Grundlagenwissenschaft des Naturschutzes. - Na- Fichtenstandorten. - Ent. Nachr. 13, 128 -132. tur und Museum 124, 37 - 45. KLEINSCHMIDT, V. (1991): Einbeziehung tierökologischer STEINHAUSEN, W. (1994): Familie Chrysomelidae. In: Inhalte im Gutachten zur Eingriffsregelung und KLAUSNITZER, B.: Die Larven der Käfer Mitteleuro- UVP in NRW. - LÖLF-Mitteilungen 3, 46-49. pas. 2. Band Myxophaga, Polyphaga, Teil 1. - Goe- LOHSE, G. A., & LUCHT, W. (1989 - 1994): Die Käfer Mittel- cke & Evers. europas. Supplementbände 1 - 3. - Krefeld; Goecke STEVCIC, Z. (1993): Postoji li kriza sistematike?. - Natura & Evers. Croatica 2, 165 - 171. LUCHT, W., & KLAUSNITZER, B. (Hrsg.) (1998): Die Käfer TRAUTNER, J. (Hrsg.) (1992): Methodische Standards zur Mitteleuropas. 4. Supplementband. - Goecke & Erfassung von Tierartengruppen. - Verlag Josef Evers, Krefeld im Gustav Fischer Verlag Jena, Stutt- Margraf Weikersheim. gart, Lübeck, Ulm. 398 Seiten, 110 Abbildungen. VOGT, H.-H. (1994): Förderung taxonomischer Arbeiten. - MALICKY, H. (1980): Betrachtungen über die Lage der Zoo- Naturwiss. Rundschau 47, 67 - 68. taxonomie. - Naturwiss. Rundschau 33, 179 - 182. VONDEL, B. J. VAN & DETTNER, K. (1997): Insecta: Coleo- NILSSON, A. N. (1982): A key to the larvae of the fennoscan- ptera: Haliplidae und Noteridae, Hygrobiidae. In: dian Dytiscidae (Coleoptera). - Fauna Norrlandica BRAUER, A., SCHWOERBEL, J. & P. ZWICK: Süßwasser- 2, 1 - 45. fauna von Mitteleuropa. Band 20/2, 3 und 4. - Gus- OLIVER, J. H. Jr. (1988): Crisis in biosystematics of arthro- tav Fischer Jena, Lübeck, Ulm. pods. - Science 240, 967. WILSON, E. O. (1985): Time to revive systematics. - Science. RECK, H. (1990): Zur Auswahl von Tiergruppen als Biode- ZUCCHI, H. (1990): Gedanken zur Erstellung faunistisch- skriptoren für den zooökologischen Fachbeitrag zu ökologischer Gutachten. - LÖLF-Mitt. 3, 13-21.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. BERNHARD KLAUSNITZER, Lannerstraße 5, D-01219 Dresden Insecta, Heft 7, 2001, Seite 88-89

WOLFGANG BEIER, Potsdam und CLEMENS BRÜGGEMANN, Berlin

Wiederfund des Laufkäfers Amara praetermissa (C. R. SAHLBERG, 1827) (Col., Carabidae) für das Land Mecklenburg-Vorpommern

Im Rahmen einer entomofaunistischen Un- denentnahme entstand im nach Norden abfal- tersuchung zur geplanten Ortsumgehung der lenden Böschungsbereich eine mehrere Qua- Bundesstraße 96 für die Stadt Neubrandenburg dratmeter große, vegetationslose Stelle. In den fand im Jahre 2000 eine Erfassung der Laufkä- im Böschungsbereich entlang der Abbruchkan- ferfauna ausgewählter Probeflächen statt. Dabei te positionierten Barberfallen konnten vom wurden u. a. drei ruderalisierte Trockenflächen 28.08.-15.09. 4 Expl. sowie vom 15.09.- mit je fünf Barberfallen von Ende August bis 02.10.2000 10 Expl. von A. praetermissa gefan- Anfang Oktober 2000 beprobt. Als Fang- und gen werden, die sich auf 6 Weibchen und 8 Konservierungsflüssigkeit kam ein Gemisch aus Männchen verteilen (davon 1 Männchen, Essigsäure und Ethanol zur Anwendung, dass 28.08.-15.09.2000, in coll. G. Müller-Motzfeld; mit einigen Tropfen Spülmittel als Detergenz restliche Tiere in coll. der Autoren). Alle Indivi- versetzt war. duen sind vollständig geflügelt. Amara praetermissa (SHBG.) wurde aus- Als Begleitarten traten in den Bodenfallen schließlich auf der im südlichen Stadtgebiet von u.a. Amara bifrons (GYLL.), Amara equestris Neubrandenburg, ca. 1 km südwestlich der Tol- (DFT.), Calathus erratus (SHBG.), Calathus fusci- lense-Kaserne befindlichen ruderalen Trocken- pes (GZE.), Harpalus anxius (DFT.), Licinus de- flur gefangen. Dabei handelt es sich um eine et- pressus (PAYK.) und Nebria brevicollis (F.) auf wa 15 Jahre alte, ca. 1 ha große Aufschüttung (Nomenklatur nach TRAUTNER et al. 1997). aus sandig-lehmigem Substrat mit hohem Kies- Eine intensive Nachsuche am 10. November anteil und bis zu faustgroßen Steinen im Ober- 2000 am Barberfallenstandort sowie an mehre- boden. Dieser mehrere Meter hohe Hügel ist ren ähnlichen Stellen in einer nur wenige hun- mit Ausnahme einer nördlich gelegenen, nur dert Meter entfernten Kiesgrube blieb ergebnis- ca. 15 x 20 Meter großen Fläche mit dichter los. Auf der Untersuchungsfläche wurden zu- Grasvegetation bewachsen und insbesondere sätzlich Amara aenea (DEG.) und Ophonus im Randbereich stark verbuscht (u. a. Cratae- puncticeps STEPH., im Bereich der Kiesgrube gus, Rosa, Cotoneaster, Hippophaë, Salix). Der u. a. Amara aulica (PANZ.) sowie Amara fusca Deckungsgrad der Bodenvegetation auf der et- DEJ. gefangen. wa 300 m² großen Untersuchungsfläche liegt Nach HORION (1941) ist die paläarktische A. hingegen unter 50 %. Eingestreut sind bis zu praetermissa aus Deutschland bisher nur sehr handtellergroße Betonbruchstücke in geringer sporadisch gemeldet und besonders in den hö- Mächtigkeit, die hier wahrscheinlich unkon- heren Gebirgen zu finden. Die Angaben von trolliert lokal abgeschüttet wurden. Durch Bo- LINDROTH (1945) zum fennoskandischen Ge- WOLFGANG BEIER und CLEMENS BRÜGGEMANN: Wiederfund des Laufkäfers Amara praetermissa 89 biet, dass die Art Kiesboden bevorzugt und in Die überregionale Bedeutung des Wiederfundes Abhängigkeit von der Verbreitung u. a. in lich- von A. praetermissa wird durch die Einstufung ten Waldbeständen bzw. auf trockenen und ve- in der Roten Liste der gefährdeten Tiere getationsarmen Offenflächen vorkommt, de- Deutschlands als „stark gefährdet“ deutlich cken sich weitgehend mit nordostdeutschen Be- (TRAUTNER et al. 1997). funden. Bisherige Belege für Mecklenburg-Vor- Für die Fundmitteilungen zu A. praetermis- pommern waren die beiden von G. Naef (ge- sa sowie für die Durchsicht des Manuskripts storben 1950) im Juni 1944 ebenfalls in Neu- danken wir den Herren Dr. F. HIEKE (Berlin) brandenburg (MTB 24450) gesammelten Tiere und Prof. G. MÜLLER-MOTZFELD (Greifswald). (briefl. Mitt. G. Müller-Motzfeld, Greifswald). Diese befinden sich im Müritz-Museum in Wa- ren und wurden von F. Hieke (Berlin) nachbe- Literatur stimmt, galten aber bisher als „unsichere Nach- weise“ (MÜLLER-MOTZFELD 1992). Auf Anfrage HORION, A. (1941): Faunistik der deutschen Käfer. Bd. I, Adephaga - Caraboidea. – H. Goecke Verlag, Kre- teilte uns Herr Hieke freundlicherweise einen feld, 464 S. weiteren Beleg von Amara praetermissa (SHBG.) KÖHLER, F., & KLAUSNITZER, B. (Hrsg.) (1998): Entomofau- aus seiner Laufkäferkartei mit: 1 Expl., Neu- na Germanica. Verzeichnis der Käfer Deutschlands. brandenburg Süd-Ost, Mecklenburg, – Entomol. Nachr. Ber., Beiheft 4, 185 S. LINDROTH, C. H. (1945): Die Fennoskandischen Carabidae. 16.08.1936, leg. E. Gersdorf, det. F. Hieke Eine tiergeographische Studie. Bd. IV.1, Spezieller (1971). Dabei handelt es sich vermutlich um Teil. – Elanders Boktryckeri Aktiebolas, Göteborg, das gleiche Sammelgebiet, wie bei der Laufkä- 695 S. ferkartierung im Jahre 2000. MÜLLER-MOTZFELD, G. (1992): Rote Liste der gefährdeten Laufkäfer Mecklenburg-Vorpommerns. 1. Fassung, Somit kann von einem autochthonen Vor- Stand: Oktober 1992. – Umweltministerium des kommen von A. praetermissa für das Land Landes Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.), Mecklenburg-Vorpommern ausgegangen wer- Schwerin, 20 S. TRAUTNER, J., MÜLLER-MOTZFELD, G., & BRÄUNICKE, M. den. Nach KÖHLER & KLAUSNITZER (1998) liegen (1997): Rote Liste der Sandlaufkäfer und Laufkäfer inzwischen für nahezu alle Bundesländer bzw. Deutschlands. – Naturschutz u. Landschaftspla- Regionen gesicherte, aktuelle Nachweise vor. nung 29(9), 261-273.

Anschrift der Verfasser: WOLFGANG BEIER, Universität Potsdam, Institut für Biochemie und Biologie/Ökoethologie PF 60 15 53, D-14415 Potsdam CLEMENS BRÜGGEMANN, Kurfürstendamm 155, D-10709 Berlin Insecta, Heft 7, 2001, Seite 90-102

JÜRGEN DANIELZIK, Bottrop

Natura 2000 in Nordrhein-Westfalen

Die Meldungen des Landes Nordrhein- Gebietsmeldungen von Nordrhein-Westfalen Westfalen zum Europäischen Schutzgebietssys- aus entomofaunistischer Sicht und stellt damit tem „Natura 2000“ umfassen 490 FFH- und 15 die Insektenarten des Anhangs II der FFH-RL Vogelschutzgebiete. Nach der Meldephase sind in den Mittelpunkt der Betrachtungen: 1. stel- jetzt die Landschaftsbehörden mit neuen Auf- len sie in NW 35% aller FFH-relevanten Tierar- gaben am Zuge. Entomologische Fragestellun- ten und 2. sind die prioritären Tierarten, für de- gen zu Verbreitung und Habitatansprüchen der ren Erhaltung der europäischen Staatenge- FFH-relevanten Insektenarten sind bei Schutz- meinschaft besondere Verantwortung zu- gebietsausweisungen und bei der FFH-Verträg- kommt (FFH-RL, Artikel 1, lit. h u. Artikel 6, lichkeitsprüfung zu beachten. Abs. 4, UAbs. 2), in NW ausschließlich Insek- tenarten. Auf Grund des in NW angewandten Kurzfassung Verfahrens zur Ermittlung der FFH-Gebiete (s. Kapitel 2) ist davon auszugehen, dass für die In- Zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat- sekten des Anhangs II eine unvollständige Liste Richtlinie (FFH-RL) in der Bundesrepublik erstellt wurde. Deutschland und in den einzelnen Bundeslän- Im Verfahren zur Durchführung der FFH- dern sind einige grundsätzliche (z. B. BROCKSIE- Verträglichkeitsprüfung gem. Landschaftsge- PER & WOIKE 1999, DAHL & DRACHENFELS 1999, setz NW (§ 48d LG, MUNLV 2000) und der GELLERMANN 2001, SSYMANK et al. 1998) und Verwaltungsvorschrift zur Umsetzung der zahlreiche kritische Arbeiten erschienen. Im FFH- RL (VV-FFH, Ziff. 10, MURL 2000) Vordergrund der Untersuchungen stehen die kommt den Landschaftsbehörden eine zentrale Gebietsmeldungen der Länder (HAAFKE & Rolle zu. Soweit von Projekten und Plänen in SPITTLER 1999, LOITSCH 1999, NIEDERSTADT & FFH-Gebieten Insekten des Anhangs II betrof- EBERHARDT 2000, SCHREIBER & SPILLING 1999) fen sind, müssen sie sich stärker als bisher mit und das Meldeverfahren mit seinen rechtlichen entomologischen Fragestellungen auseinander- Auswirkungen für private Grundstückseigentü- setzen und dabei die Herkunft und die Qualität mer (KOLODZIEJCOK 2000) sowie die planungs- der Daten (z. B. des Biotopkatasters NW) kriti- rechtlichen und naturschutzfachlichen Anfor- scher betrachten. Besonderes Ziel der Kapitel 5 derungen bei der Verträglichkeitsprüfung gem. und 6 ist es, die Landschaftsbehörden bei dieser Artikel 6, Abs. 3 u. 4 der FFH-RL (BAUMANN et neuen Aufgabe zu unterstützen und hier einen al. 1999, RAMSAUER 2000, SCHINK 1999). Einblick in die Entomofaunistik und Habitat- Der folgende Beitrag untersucht die FFH- ansprüche der Arten zu geben. JÜRGEN DANIELZIK: Natura 2000 Nordrhein-Westfalen 91

Die Gebietsmeldungen nach der Vogel- Erhaltungsziele und Schutzzwecke maßgeb- schutz-Richtlinie und die nach der FFH-RL zu lichen Bestandteile der besonderen Schutzge- meldenden Lebensraumtypen (Anhang I der biete mit sich bringen, prinzipiell unzulässig FFH-RL) werden hier nicht behandelt (s. hierzu sind (s. RAMSAUER 2000, SCHINK 1999). In quan- BROCKSIEPER & WOIKE 1999, ELLWANGER et al. titativer Hinsicht ist zu beachten, dass allein 2000, SSYMANK 1995, SSYMANK et al. 1998). Dar- von der Flächengröße der zu schützenden Ge- auf hinzuweisen ist, dass wesentliche Vorschrif- biete in der BRD eine neue Dimension beschrit- ten der FFH-RL auch für die Gebiete nach der ten wird (SCHINK 1999). In Nordrhein-Westfa- Vogelschutz-Richtlinie gelten (VV-FFH, Ziff. len werden durch die Gebietsmeldungen des 5.1 i.V.m. § 48d, Abs. 1 LG). Landes an die EU die Schutzgebietsflächen von ca. 4 % (nur rechtskräftige Naturschutzgebiete) 1. Einleitung auf ca. 8 % der Landesfläche (ca. 230.000 ha) verdoppelt. Auf der Grundlage der Fauna-Flora-Habi- An die Gebietsabgrenzungen der besonde- tat-Richtlinie (FFH-RL, Richtlinie 92/43/EWG ren Schutzgebiete werden, z. B. auch um recht- des Rates vom 21.5.1992, zit. in SSYMANK et al. lich relevante Fehleinschätzungen zu vermei- 1998, S. 431-450) soll unter Einschluß der Ge- den, in der FFH-RL (Artikel 4, Abs. 1 i.V.m. biete der Vogelschutz-Richtlinie (Richtlinie Anhang III, Phase 1) hohe Anforderungen an 79/409/EWG des Rates vom 2.4.1979, zit. ebd. die Qualität der für die Gebietsmeldungen ein- S. 451-461) in der Europäischen Union ein ko- zugebenden Daten gestellt (SSYMANK et al. 1998, härentes ökologisches Netz besonderer Schutz- S. 407). Die Datenqualität ist auch hinsichtlich gebiete mit der Bezeichnung „Natura 2000“ er- der Benennung eines Gebietes als FFH-Gebiet richtet werden (FFH-RL Artikel 3, Abs. 1). Der von großer Bedeutung, denn eine Rücknahme Aufbau (Artikel 4), die Durchführung der nöti- ist in der FFH-RL nicht vorgesehen und nach gen Erhaltungsmaßnahmen (Artikel 6) und die KOLODZIEJCOK (2000) nur denkbar, wenn der Überwachung des Erhaltungszustandes dieses Gebietsmeldung falsche Tatsachenermittlungen Schutzgebietssystems (Artikel 11 der FFH-RL) zu Grunde liegen. Der Zeitaufwand für die Be- stellen die Mitgliedsstaaten und die Länder vor schaffung und Auswertung dieser Daten, die in eine schwierige Aufgabe, die nur im Zu- NW die Landesanstalt für Ökologie, Bodenord- sammenwirken der Fachleute in den Behörden, nung und Forsten/Landesamt für Agrarord- Institutionen (z. B. Biologische Stationen) und nung (LÖBF/LAfAO) erhebt, ist erheblich und Verbänden (insbesondere Naturschutzverbän- wird oft unterschätzt. de) und der Betroffenen (Landwirte, Waldbau- Während die Ermittlung und damit der ern, Industrie, Gewerbe) gelingen kann. Für Aufbau des ökologischen Netzes ”Natura 2000” den Aufbau und den Schutz von ”Natura 2000” in NW weitestgehend abgeschlossen ist, letzte sind in der BRD die Länder zuständig Meldungen an die EU erfolgten im Frühjahr (BNatSchG §§ 19a-f, BMU 1998). Grundlage 2001, sollten beim Schutz der Gebiete (Überwa- für die Erfüllung der sich aus der FFH- und der chung des Erhaltungszustandes einschließlich Vogelschutz-RL ergebenden Verpflichtungen der Erstellung des Berichts über die durchge- ist in NW das Landschaftsgesetz in der Be- führten Erhaltungsmaßnahmen gem. Artikel 11 kanntmachung der Neufassung vom 21.07.2000 u. 17 der RL) die Fachleute der biologischen (§§ 48a-e LG, MUNLV 2000) und die Verwal- Stationen, der Naturschutzverbände und die tungsvorschrift zur Umsetzung der FFH-RL Entomologen stärker mitwirken (s. a. SSYMANK (VV-FFH, MURL 2000). 2000). Der Naturschutz bekommt in den Mit- gliedsstaaten eine neue Dimension, und zwar in 2. Meldeverfahren und Gebietsmeldungen qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht. Qualitativ wirkt das Naturschutzrecht über die Die FFH-RL führt im Anhang II die Tier- FFH-RL stärker, weil alle Projekte und Pläne, und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem die erhebliche Beeinträchtigungen der für die Interesse auf (Auszug für Deutschland in SSY- 92 Insecta, Heft 7, 2001

MANK et al. 1998, S. 388-397), für die jeder Mit- naue Abprüfung nach den Vorschriften der gliedsstaat eine Liste von Gebieten zu erstellen FFH-RL (Artikel 4, Abs. 1) nach SSYMANK et al. bzw. an die Kommission zu melden hat (Frist 3 (1998, BfN-Handbuch S. 36) nicht vorgesehen, Jahre nach Bekanntgabe der FFH-RL, verstri- da so nur eine unvollständige Gebietsliste ent- chen 1995), in der die in diesen Gebieten vor- stehen kann. Dieser Verfahrensvorschlag sollte kommenden einheimischen Arten des Anhangs nur einer möglichst schnellen Erarbeitung einer II aufgeführt sind (Artikel 4, Abs. 1 u. 3 der RL). Vorschlagsliste für geeignete FFH-Gebiete die- Der Anhang II enthält nach Angaben von nen und entbindet die Länder nicht, eine voll- BROCKSIEPER & WOIKE (1999) für Nordrhein- ständige Gebietsliste nach den Kriterien der Westfalen 31 Tierarten, davon gehören 11 Ar- FFH-RL einzureichen (ebenda). Diese Haltung ten zu den Insekten, der artenreichsten Tier- des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) ist ver- klasse in NW (s. Kapitel 5). ständlich, und entspricht auch der fachrecht- Die Arten des Anhangs II sind von gemein- lichen Interpretation der Vorschriften der RL schaftlichem Interesse, d. h. sie sind in ihrem (siehe hierzu insbesondere GELLERMANN 2001, Bestand bedroht, potentiell bedroht oder selten S. 50ff), werden doch bei dieser Vorgehensweise (Artikel 1, lit. g, FFH-RL). Zwei der 11 Arten zahlreiche Gebiete a priori und auf der Grund- sind zusätzlich als prioritäre Arten eingestuft, lage vorhandener Daten, insbesondere aus dem die Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria, Biotopkataster der Länder, gemeldet. In Nord- Lepidoptera, Arctiidae) und der Eremit (Osmo- rhein-Westfalen sollte bei der Kartierung für derma eremita, Coleoptera, Scarabaeidae), d. h. das Kataster der schutzwürdigen Biotope (Bio- für ihre Erhaltung kommt der Gemeinschaft ei- topkataster NW) der faunistische Aspekt „best- ne besondere Verantwortung zu (Artikel 1, lit. möglichst“ erfasst werden (LÖLF 1982, S. 6ff), h). Dieser besonderen Verantwortung wird im d.h. zoologische Fundortangaben stammen von Landschaftsgesetz NW i. V. m. der VV-FFH Zufallsbeobachtungen der Kartierer, von Ge- durch eine materielle Verschärfung des Prü- bietskennern oder sonstigen Quellen. Derartige fungsmaßstabes bei der Verträglichkeitsprü- Erhebungen weisen, auch auf Grund weiterer fung Rechnung getragen (§ 48d, Abs. 6 LG u. grundsätzlicher Probleme (große Flächen ein- VV-FFH, Ziff. 5.6.3, s. a. RAMSAUER 2000). An- zelner Bundesländer, fehlende Finanzausstat- dere prioritäre Tierarten als die o.g. Insektenar- tung der Naturschutzverwaltungen), oftmals ten kommen in NW nicht vor. Lücken bei seltenen, unauffälligen oder nur Für die Ermittlung und den Vorschlag der kurzzeitig feststellbaren Arten auf (HÖLL 1995, Gebiete, entspricht Phase 1 des Aufbaus von S. 25). Da allgemein eine Interpretation der Da- Natura 2000 (Artikel 4, Abs.1 i.V.m. Anhang III ten aus dem Biotopkataster für populationsbe- der RL), ist nach Landschaftsgesetz NW die zogene Fragestellungen schwierig ist (siehe ERZ LÖBF/LAfAO zuständig (§ 48b, Abs.1 LG). Für 1994, S. 151, PLACHTER 1991, S. 193ff) ist das die Ermittlung der Gebiete hat die LÖBF/LA- Biotopkataster NW ist für Fragestellungen, die fAO ein Verfahren vorgeschlagen, das sich im Zusammenhang mit der Verbreitung und „nicht eng an den Anforderungen der FFH-RL dem Vorkommen von FFH-relevanten Insek- orientiert“ (BROCKSIEPER & WOIKE 1999 und tenarten stehen, keine geeignete Quelle. VV-FFH, Anlage, Kapitel Auswahlverfahren, In Folge der Kritik der Verbände (insbeson- letzter und drittletzter Abs.). Die vom Land dere vom Landwirtschafts-Verband, HAAFKE & NW, zuletzt durch Kabinettsbeschluß vom SPITTLER 1999, und dem Naturschutzbund 21.11.2000 (Tranche 2), in den Trachen 1a, b Deutschland, LOITSCH 1999) an der Umsetzung und 2 gemeldeten 490 FFH- und 15 Vogel- der FFH-RL in NW, HAAFKE & SPITTLER (S. 57) schutzgebiete wurden abschließend nach der in sprechen von einem Wunschkatalog statt be- der VV-FFH genannten „pragmatischen“ Vor- gründeter Gebietsvorschläge, LOITSCH (S. 22) gehensweise nach einem operationalisierten Be- bezeichnet das Auswahlverfahren als einseitig wertungsrahmen ermittelt. Allerdings ist ein mit eindeutig falscher Schwerpunktsetzung, Abschluß der Meldungen ausschließlich nach sind in 2000 alle Gebiete von der LÖBF/LAfAO dem pragmatischen Verfahren, d. h. ohne ge- fachlich überprüft worden. Bei dieser Überprü- JÜRGEN DANIELZIK: Natura 2000 Nordrhein-Westfalen 93 fung und bei den Felderhebungen zur Tranche heit über die Verbreitung der FFH-Arten in den 2 in 1999/2000 standen, wie bei den Meldungen gemeldeten Gebieten zu bekommen, z. B. kön- insgesamt (s. BROCKSIEPER & WOIKE 1999), die nen monophage Arten, deren Futterpflanzen in Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-RL dem Gebiet nicht mehr vorkommen, ausgestor- im Vordergrund. Bei der Entomofauna konnte ben (Maculinea, siehe Abschnitt 5) jedoch im jedoch auf Grund der bekannten Schwierigkei- Standarddatenbogen (Artenliste für jedes FFH- ten bei der Erfassung (siehe Abschnitt 5) vor- Gebiet) aufgeführt sein, ist im Rahmen der Be- wiegend nur auf vorhandene Daten und die da- richtspflicht (Artikel 17 FFH-RL) eine entomo- mit verbundenen Schwächen (z. B. selektiver faunistische Untersuchung von großer Bedeu- Ansatz des Biotopkatasters, populationsbezoge- tung (s.a. BAUMANN et al. 1999). Da die FFH- ner bzw. flächendeckender Ansatz der FFH-RL) RL im Artenschutz populationsbezogene Be- zurückgegriffen werden. Neufunde oder Bestä- trachtungsweisen verfolgt (SSYMANK et al. tigungen von Insektenarten des Anhangs II der 1998, S. 407), ist eine Erfassung der Individuen FFH-RL in NW und damit deren Nachweis in im Freiland erforderlich (MÜHLENBERG 1993, den gemeldeten FFH-Gebieten bleiben bei die- S. 15, zur Methodik s. LÖBF/LAfAO 1997, ser Vorgehensweise auf Ausnahmen be- ZUCCHI 1990). Hiervon würde ein entschei- schränkt. dender Impuls für die landesfaunistische Erfor- Das Ministerium für Umwelt und Natur- schung Nordrhein-Westfalens ausgehen. schutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Auch aus Sicht der in NW nach § 29 (MUNLV) hat eine Liste aller Gebietsmeldun- BNatSchG anerkannten Naturschutzverbände gen des Landes mit Angabe der dort vorkom- (NABU, BUND, LNU) sind nicht alle geeigne- menden Arten ins Internet gestellt (www.natu- ten Gebiete gemeldet worden (LOITSCH 1999). ra2000.munlv.nrw.de). Auffällig ist die geringe Die Verbände haben eine FFH-Schattenliste er- Zahl der Meldungen bei den FFH-relevanten stellt (dort FFH- u. Vogelschutzgebiete = ca. Insektenarten. Zwei Arten (Dytiscus latissimus 14 % der Landesfläche) und werden im Früh- und Euphydryas maturna), die in der VV-FFH jahr 2001 die europäische Kommission über die aufgeführt sind, konnten nicht, andere (Ceram- aus ihrer Sicht unzureichenden Meldungen des byx cerdo und Osmoderma eremita) nur einmal Landes in Kenntnis setzen. Bis zur Gebietsaus- gemeldet werden. 37 signifikante Meldungen wahl gem. Artikel 4, Abs. 2 der FFH-RL durch verteilen sich auf 9 Arten in 34 Gebieten die Kommission empfiehlt daher das MUNLV (LÖBF/LAfAO 2000, Manuskript). Somit kom- (Rundschr. 12/2000) den Behörden, bei Geneh- men nur in ca. 7 % der 505 gemeldeten Gebiete migungen von Projekten und Plänen die Schat- Insekten des Anhangs II vor. Zu Grunde liegen tenliste als potenzielle FFH- und Vogelschutz- hier nicht Untersuchungen über die Verbrei- gebiete zu berücksichtigen und ggf. Verträglich- tung einzelner Arten in NW, sondern die lü- keitsprüfungen von den Vorhabenträgern zu ckenhaften Kenntnisse der LÖBF/LAFAO fordern. (BROCKSIEPER & WOIKE 1999), die auf verschie- dene Quellen (Werkverträge, Befragungen von 3. Schutzgebietsausweisungen Fachleuten, Auswertung vorhandener Daten) zurückgehen. Gemäß der FFH-RL (Artikel 4, Abs. 4) müs- Da NW im Unterschied zu anderen Bundes- sen die FFH-Gebiete, sobald sie als „Gebiete ländern (z. B. hat Thüringen das Meldeverfah- von gemeinschaftlicher Bedeutung“ bezeichnet ren nicht formell festgelegt, THÜRINGER wurden, als besondere Schutzgebiete ausgewie- LANDESANSTALT FÜR UMWELT in litt. sen werden. Diese Bezeichnung erfolgt in der 2001) die gemeldeten FFH-Gebiete ausschließ- Phase 2, in welcher die Kommission im Einver- lich und abschließend auf der Grundlage des nehmen mit den Mitgliedsstaaten den Entwurf pragmatischen Verfahren ermittelt hat, ist da- einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher von auszugehen, dass von der LÖBF/LAfAO für Bedeutung erstellt (Artikel 4, Abs. 2 und 3 der die Insekten des Anhangs II eine unvollständige FFH-RL, Frist sechs Jahre nach Bekanntma- Liste erstellt wurde. Um die notwendige Klar- chung, verstrichen 1998). 94 Insecta, Heft 7, 2001

In NW soll nicht die Phase 2 abgewartet Die Datenbasis, die meist zu unkritisch be- werden, sondern schon jetzt in der Phase 1 sol- trachtet wird (MÜHLENBERG 1993, S. 15), muss len die Landschaftsbehörden die Schutzzwecke in Einzelfällen bei der Verträglichkeitsprüfung und die Gebietsabgrenzungen der besonderen hinterfragt werden, damit hier nicht von den Schutzgebiete über eine Änderung der Land- Landschaftsbehörden Untersuchungen für Ar- schaftspläne oder in Naturschutzverordnungen ten und ihre Habitate gefordert bzw. vom Pro- festsetzen. Frist ist der 10.6.2004, 12 Jahre nach jektträger erbracht werden, die in dem FFH- Verabschiedung der FFH-RL durch den Rat der Gebiet, obwohl im Standarddatenbogen aufge- Europäischen Gemeinschaft. Diese Frist ent- führt, tatsächlich nicht mehr vorhanden sind. spricht den Vorschriften der FFH-RL (Artikel 4, Die Daten und die Datenquellen müssen im Abs. 3 u. 4). Die Vorgehensweise ist von der Licht der planungsrechtlichen Auswirkungen Zeitschiene her konsequent, konfrontiert aber der Verträglichkeitsprüfung (Unzulässigkeit die Naturschutzverwaltungen, insbesondere die von Projekten und Ausnahmen, siehe hierzu Landschaftsbehörden, bei der Schutzauswei- insbesondere RAMSAUER 2000, SCHINK 1999), zu sung mit bisher nicht gekannten Größenord- mindestens auf ihre Plausibilität hin überprüft nungen von Schutzgebieten (z.B. Arnsberger werden (s. Kapitel 6). Liegen bei der LÖBF/LA- Wald ca. 7.800 ha, Siebengebirge ca. 4.700 ha). fAO keine Angaben zu den Datenquellen vor Insgesamt erfolgt über die FFH-Meldungen ei- oder die Erhebung liegt mehr als 10 Jahre zu- ne Verdoppelung der Schutzgebietsflächen in rück, setzt die Beurteilung der Erheblichkeit der NW (s. o.). Beeinträchtigung einen aktuellen Nachweis die- ser FFH-Art voraus. Dabei gibt es in einem Ge- 4. Verträglichkeitsprüfung biet keine Möglichkeit der Festsetzung eines Schwellenwertes für die Populationsgröße einer Nach den Vorschriften des Landschaftsge- Art, d. h. ob einzelne Beobachtungen oder eine setzes (§ 48d LG) i.V.m. der VV-FFH (Ziff. 5ff) große Zahl von Individuen festgestellt wurden, müssen Projekte und Pläne vor ihrer Durchfüh- ist für die Beurteilung der Erheblichkeit nicht rung oder Zulassung auf ihre Verträglichkeit relevant (s. MÜHLENBERG & SLOWIK 1997, S. 34). mit den Erhaltungszielen eines FFH-Gebietes Die Arten- und auch die Individuenzahl ist überprüft werden (zur Begriffsbestimmung, stark abhängig vom Erfassungsaufwand und Beeinträchtigungsintensität und Inhalt der Prü- kann in einer faunistischen Untersuchung stark fung s. VV-FFH und GELLERMANN 2001, S. schwanken. DISNEY (in USHER & ERZ 1994, S. 76ff). Die Verträglichkeit wird von der verfah- 246) hat in einem Naturschutzgebiet 1.000 Dip- rensführenden Behörde im Benehmen mit der terenarten festgestellt, während ein anderer Be- Landschaftsbehörde ihrer Verwaltungsebene arbeiter nur 463 Arten fand. geprüft (VV-FFH, Ziff. 10.1.1). Bei der Beurteilung der Erheblichkeit von Entgegen den Auffassungen von BAUMANN Plänen und Projekten in einem FFH- oder Vo- et al. (1999) und SCHINK (1999), eignen sich gelschutzschutzgebiet steht bei den Insektenar- die Daten aus dem Biotopkataster, soweit die ten die Erhaltung der Wuchsorte der Futter- Insekten des Anhangs II betroffen sind, nicht pflanzen (Schmetterlinge, z. B. durch angepas- als Grundlage für eine FFH-Verträglichkeits- ste Mahdtermine), der Vegetation der Eiablage- prüfung (siehe Abschnitt 2). Dies trifft bei den plätze (Libellen) und die naturschutzgerechte Insekten auch für die Daten aus Schutzgebiets- Waldbewirtschaftung (Käfer, Erhaltung von festsetzungen und Landschaftsplänen zu. Da Totholz) im Vordergrund (siehe Abschnitt 5 die Entomofauna wegen der allgemein be- und 6). kannten Schwierigkeiten (siehe Abschnitt 5) nicht vollständig erfasst werden kann, spiegeln 5. Insektenarten der FFH-RL in NW die Angaben im Biotopkataster NW nur den lückenhaften und mehr zufälligen Kenntnis- Die Insekten nehmen mit ca. 20.000 Arten stand über die Verbreitung der Insektenarten mit Abstand die artenreichste Gruppe der in wider. NW vorkommenden wildlebenden Tierarten JÜRGEN DANIELZIK: Natura 2000 Nordrhein-Westfalen 95 ein (siehe Tab. 1). Allein die Zahl der in einer 1986ff) entnommen. Rasterkarten zur histori- Großstadt vorkommenden Insekten schätzen schen und aktuellen Verbreitung der FFH-rele- HOFFMANN & WIPKING (1992) nach Untersu- vanten Insektenarten in NW enthalten die Info- chungen in Köln auf weit mehr als 10.000 Ar- blätter für FFH-Arten (LBN 2000). ten. Ihnen standen weniger als 200 Wirbeltier- Da in der VV-FFH nur die z. T. unge- arten gegenüber. Selbst bei gut untersuchten bräuchlichen deutschen Namen aufgeführt Gruppen wie den Schmetterlingen kann erst sind, werden hier die Arten zusätzlich mit ihren nach vieljähriger Bearbeitung eine Erfassung als wissenschaftlichen Namen genannt. fast komplett bezeichnet werden (ebenda). Die komplette Erfassung der Insektenfauna Käfer (Coleoptera) eines Biotops oder von Biotoptypen (z. B. eines In NW kommen 4.951 Käferarten vor Lebensraumtypes des Anhangs I der FFH-RL) (KÖHLER in litt. 2000). Davon sind nur 4 Kä- ist auf Grund der bekannten Problematik (hohe ferarten in NW FFH-relevant: Individuen- u. Artenzahlen, fehlende Spezialis- x Breitrand (Dytiscus latissimus L.) ten, s. hierzu BASTIAN in BASTIAN & SCHREIBER x Eremit (Osmoderma eremita SCOP.) 1994, S. 143, PLACHTER 1991, S. 214) ein uner- (prioritäre Art des Anhang II der FFH-RL) reichbares Ideal (DISNEY in USHER & ERZ 1994, x Heldbock (Cerambyx cerdo L.) S. 245). Allerdings wurden in jüngster Zeit in x Hirschkäfer (Lucanus cervus L.) NW Versuche unternommen, das Arteninven- Bei den Käfern handelt es sich um drei tar einzelner Gebiete zu erforschen (HOFFMANN Waldarten (Eremit, Heldbock, Hirschkäfer), & WIPKING 1992, KOLBE & BRUNS 1988). Rezen- deren Larven an Totholz von Laubbäumen te Vorkommen FFH-relevanter Insektenarten (insbesondere Eichenstöcke und anbrüchige wurden dabei nicht festgestellt. Stämme) gebunden sind und um einen Auf die Biologie und Ökologie der für NW Schwimmkäfer (Breitrand), der in größeren FFH-relevanten Insektenarten (2 Libellen, 4 Fischteichen, schlammigen Seen und in Altwäs- Käfer, 5 Schmetterlinge) und ihre Verbreitung sern großer Auenflüsse lebt (Larven und Käfer). in NW kann hier nur kurz eingegangen werden. Ihre Larve ernährt sich nach SCHULZE (in SED- Alle Angaben sind der Roten Liste der gefährde- LAG 1986) von allen kleinen Tieren, deren sie ten Pflanzen und Tiere in NW (LÖBF/LAfAO habhaft werden kann, aber nur in Ausnahme- 1999) und den einschlägigen Standardwerken fällen von Fischen. und Veröffentlichungen (BELLMANN 1987, Der Hirschkäfer ist sicherlich die auffälligste BRAUNS 1991, BRANDT 1960ff, BÍLÝ & CEPICK Art unserer Käferfauna. Nur die Männchen tra- 1990, EBERT 1991ff, FREUDE et al. 1966ff, GÜNT- gen geweihartig verzweigte Oberkiefer. Die ein- HER et al. 1989, HARDE & SEVERA 1988, HOCK et zelnen Tiere können in der Körper- und Ober- al. 1997, JACOBS 1998, KOCH 1984, PRETSCHER kiefernlänge sehr stark variieren (25-75 mm). 2000a,b, SEDLAG 1986, STERNBERG & BUCHWALD An derselben Lokalität kommen Riesenmänn- 1999ff, TRAUTNER et al. 1989, WEIDEMANN chen mit stark entwickelten Kiefern neben klei-

Tabelle 1. Artenzahl wichtiger Insektenordnungen in NW

Hautflügler (Hymenoptera) 8.000 (geschätzt; BRD ca. 10.000, SCHAEFER 2000)

Käfer (Coleoptera) 4.951 (KÖHLER in litt. 2000)

Fliegen und Mücken (Diptera) 3.000 bis 4.000 (DANIELZIK 1993)

Großschmetterlinge (Macrolepidoptera) 944 (DUDLER et al. in LÖBF/LAfAO 1999)

Libellen (Odonata) 72 (SCHMIDT & WOIKE in LÖBF/LAfAO 1999) 96 Insecta, Heft 7, 2001 nen Männchen mit nur schwach entwickelten den Eremiten und den Breitrand gibt es nur we- Kiefern vor (siehe Abbildung in BÍLÝ & CEPICK nige Fundorte. Für den Hirschkäfer liegt eine 1990, S. 77). Unter alten Eichen kann man Köp- Untersuchung von KRETSCHMER (1998) vor, die fe und Geweihe vom Hirschkäfer als Überbleib- in einer Karte die herausragenden Fundorte in sel von Vogelmahlzeiten finden. NW 1998 wiedergibt. Forstwirtschaftlichen Schaden kann bei ei- nem Massenauftreten nur der Heldbock an- Großschmetterlinge (Macrolepidoptera) richten, da im Gegensatz zu den Mulm verzeh- In NW kommen 944 Großschmetterlingsar- renden Larven des Eremiten und Hirschkäfers, ten vor (DUDLER et al. in LÖBF/LAfAO 1999). seine Larven auch im gesunden Holz tiefe Gän- In einer neueren Checkliste der Großschmet- ge bohren. Derartige von Larvengängen durch- terlinge des Niederrheinischen Tieflandes be- zogene Stämme sind als Nutzholz restlos un- zeichnen HEMMERSBACH & BOSCH (1996) den brauchbar, so dass der Heldbock als technischer Wissensstand über die Verbreitung, Häufigkeit Holzschädling anzusprechen ist (BRAUNS 1991). und Populationsdynamik unserer Falterarten Am häufigsten befällt der Heldbock alte, son- als „noch sehr lückenhaft“. Eine objektive Ein- nenbeschienene Eichen am Fuß des Stammes schätzung der Gefährdung für eine Rote Liste (auf einzeln stehende Bäume am Waldrand sei daher in vielen Fällen kaum möglich. In die- achten). ser Checkliste sind nur die ersten drei von den Während man den Heldbock und den nachstehenden fünf in NW FFH-relevanten Ar- Hirschkäfer auch zusammen in der Nähe ihrer ten aufgeführt (Jahreszahl = letzter Nachweis Brutbäume (Artenspektrum siehe BRAUNS 1991, im Niederrheinischen Tiefland): S. 204 u. 245, FREUDE et al. 1969, S. 368), insbe- x Spanische Flagge, Euplagia [Callimorpha] sondere an ausfließendem Baumsaft, beobach- quadripunctaria (PODA) (vor 1854) ten kann (schwärmen im Juni bis August in der x Großer Moorbläuling, Maculinea teleius Abenddämmerung), findet man den seltenen (BERGSTR.) (um 1970) Eremiten in waldreichen Gegenden (Laubwald) x Schwarzblauer Bläuling, Maculinea nausi- auch am Tage (Juni bis September) auf Blüten. thous (BERGSTR.) (1995) Die Arten können als Adulte auf Grund ihrer x Skabiosen-Scheckenfalter, Euphydryas [Eu- mehrjährigen Entwicklungszeit (Larvenent- rodryas] aurinia (ROTT.) wicklung beim Hirschkäfer mindestens 5 Jahre, x Kleiner Maivogel, Euphydryas [Hypodryas] beim Heldbock 3 bis 5 Jahre) in ihren Habitaten maturna L. zyklisch auftreten und somit nicht in jedem Für die Erhaltung der Spanischen Flagge Jahr nachgewiesen werden. Der Nachweis des (Lepidoptera, Arctiidae) und des Eremiten (Co- Breitrandes in seinem Laichgewässer gelingt leoptera, Scarabaeidae) kommt der Europäi- nur mit Reusen (FREUDE et al. 1971). schen Gemeinschaft, da sie im Anhang II der RL Über die Verbreitung und Gefährdung der als prioritäre Arten aufgeführt sind, eine beson- relevanten Käferfamilien (Dytiscidae, Scarabae- dere Verantwortung zu (FFH-RL, Artikel 1, lit. idae, Cerambycidae, Lucanidae) liegen keine h). Diese besondere Verantwortung findet ih- Angaben in der Roten Liste NW vor. Bearbeitet ren Niederschlag in den Vorschriften des Land- wurden nur die Laufkäfer (Carabidae) und die schaftsgesetzes NW (§ 48d, Abs. 6 LG) und in Sandlaufkäfer (Cicindelidae) (SCHÜLE & TER- der VV-FFH (Ziff. 5.6.3 u. 10.1.4). LUTTER in LÖBF/LAfAO 1999). Eine Gefähr- Für die Spanische Flagge liegen nur Einzel- dungseinschätzung in der Roten Liste liegt so- funde aus der Niederrheinischen Bucht, dem mit erst von ca. 8 % (381 Arten) unserer Käfer- Weser Bergland, der Eifel und dem Bergischen fauna vor. In der Liste der gemeldeten Gebiete Land vor (s. DUDLER et al. in LÖBF/LAfAO (www.natura2000.munlv.nrw.de) werden nur 1999, PRETSCHER 2000a). Für das Niederrheini- der Hirschkäfer mehrfach, der Eremit und der schen Tiefland wurde die Art, die vornehmlich Heldbock jeweils einmal genannt. Nach KÖHLER in Mittel- und Südeuropa verbreitet ist und in (in litt. 2000) ist die Verbreitung des Heldbo- den Weinbauregionen Deutschlands regional ckes in NW gut bekannt (zwei Fundorte). Für noch häufig vorkommt, vor 150 Jahren zum JÜRGEN DANIELZIK: Natura 2000 Nordrhein-Westfalen 97 letzten Mal gemeldet (HEMMERSBACH & BOSCH Libellen (Odonata) 1996). In NW kommen nach Untersuchungen von Bei den beiden Bläulingsarten (Lycanidae) SCHMIDT & WOIKE (in LÖBF/LAfAO 1999) 72 ist die Kenntnis ihrer Biologie (leben mit Amei- Libellenarten, davon 66 bodenständige Arten, sen zusammen) von besonderer Bedeutung. vor. Im Anhang II der FFH-RL werden 10 Li- Die Falter fliegen Ende Juli/Anfang August und bellenarten genannt. Zwei davon, die legen ihre Eier an die Blütenköpfe des Großen x Große Moorjungfer (Leucorrhinia pectoralis Wiesenknopfes (Sanguisorba officinalis) am CHARPENTIER) und die Rand (Säume) von feuchten bis sumpfigen x Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale Wiesen (Flussauen) ab. Andere Blüten werden CHARPENTIER) nicht besucht. Die Wiesen sollten erst Ende Au- kommen nach (BROCKSIEPER & WOIKE 1999) gust/Anfang September gemäht werden, da erst in NW vor. kurz vor diesem Zeitpunkt die Raupen von den L. pectoralis ist eine Groß-Libelle (Anisop- Blütenköpfen von Ameisen eingesammelt wer- tera oder Ungleichflügler) mit eurosibirischer den. Im Ameisennest werden die Raupen bis Verbreitung. Sie kommt in ganz Mitteleuropa zur Verpuppung im nächsten Frühjahr von den vor, ist aber insgesamt selten und fast immer Ameisen, an die sie ein süßes Sekret abgeben, nur in geringer Individuenzahl an Torfweihern ernährt. In NW sind in den letzten Jahren be- der Ebene anzutreffen. Die Larve (zweijährige deutende Einzelvorkommen dieser Bläulinge Entwicklungszeit), die an einen Säuregrad des (mehrere 100 Falter) durch Abmähen der Fut- Wassers von pH <6 gebunden ist, lebt dort auf terpflanzen zerstört worden (HEMMERSBACH, Torfmoospolstern (deutscher Name daher auch mündl. Mitt. 2001). Beide Arten sind in NW Große Moosjungfer). Außer an Moorgewässern vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet (Übergangs- und Waldmoore) kommt die Art und nur noch auf wenige Standorte beschränkt. auch in Niedermooren und Erlenbruchwäldern Die beiden Fleckenfalter (Nymphalidae) vor. Sie bevorzugt locker bewachsene Gewässer sind in NW ebenfalls vom Aussterben bedroht und meidet überwiegend vegetationslose sowie (Skabiosen-Scheckenfalter) bzw. ausgestorben stark verlandete und verwachsene Habitate. Die (Kleiner Maivogel, letzter Nachweis in NW Fortpflanzungshabitate sind meist von Wald 1901, DUDLER et al. in LÖBF/LAfAO 1999, aus- umgeben oder Büsche, Gehölzgruppen oder führliche Darstellung zur Verbreitung, Biologie Wald finden sich in unmittelbarer Nähe und Gefährdung in PRETSCHER 2000b). Die Ar- (STERNBERG & BUCHWALD 1999). In NW ist die ten brauchen für ihre Entwicklung feuchte bis Große Moorjungfer, die in der Roten Liste als moorige Wiesen mit randständigen Gehölzen vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet (Eschen, Weiden, Pappeln). Typische Habitate eingestuft ist (SCHMIDT & WOIKE in LÖBF/LA- für den Skabiosen-Scheckenfalter sind moorige fAO 1999), nur noch an wenigen Standorten Wiesen und Sümpfe mit Teufelsabbiß (Succisa (Heideweiher und Waldmoore) anzutreffen. pratensis) und buschige sonnige Standorte mit C. mercuriale ist eine Klein-Libelle (Zygopt- Tauben-Skabiose (Scabiosa columbaria). Der era oder Gleichflügler) mit atlanto-mediterra- Skabiosen-Scheckenfalter kommt in NW nur nem Verbreitungsschwerpunkt auf der Iberi- im Weserbergland, in der Eifel und im Sieben- schen Halbinsel (STERNBERG & BUCHWALD gebirge vor. In allen anderen Großlandschaften 1999). Die Ursache der Seltenheit in NW dürfte Nordrhein-Westfalens (z. B. Niederrheinische an dem hohen Wärmeanspruch der Art und an Bucht, Westfälisches Tiefland) ist die Art ausge- den fehlenden ursprünglichen Lebensräumen storben (s. DUDLER et al. in LÖBF/LAfAO (Kalkquellmoore) liegen. Sie ist eine reine 1999). Fließwasserart und kommt in der Kulturland- Eine Aufnahme des Kleinen Maivogels in schaft vor allem an sommerwarmen Wiesenbä- die Liste der FFH-relevanten Tierarten für NW chen und –gräben vor. Typische Wiesenbach- (BROCKSIEPER & WOIKE 1999) ist als rein speku- Habitate werden gesäumt von Rohr-Glanzgras lativ zu bewerten und kann durch neue faunis- (Typhoides arundinacea) und Mädesüß (Fili- tische Daten nicht belegt werden. pendula ulmaria), submers wachsen Brunnen- 98 Insecta, Heft 7, 2001 kresse (Nasturtium officinale) und Wasserhah- ansprüche der FFH-relevanten Insektenarten nenfuss (Ranunculus trichophyllus) (STERNBERG versucht werden, den Landschaftsbehörden er- & BUCHWALD 1999). Die Larven halten sich in ste Hinweise zu geben für eine Einschätzung ihrer ein- bis zweijährigen Entwicklungszeit der Auswirkungen von Plänen und Projekten in insbesondere zwischen der Submersvegetation FFH- und Vogelschutzgebieten. Gleichzeitig auf. Die durchschnittliche Lebensdauer der kann bei unzureichender Datengrundlage (kei- Imago beträgt nur 7 bis 8 Tage. Ursache des Be- ne Bestätigung durch neue Freilanduntersu- standrückgangs in der Kulturlandschaft sind er- chung, da Auftreten der Art zyklisch) mit die- höhter Nährstoffeintrag in die Gewässer, Ver- sen Angaben eine Plausibilitätsprüfung vorge- änderung des Mikroklimas z. B. durch Gehölz- nommen werden, ob die Art in dem Natura- anpflanzungen auf Grabenböschungen und 2000-Gebiet noch vorkommen kann. Vorhan- Sohleräumungen. Bereits mehrere Räumungen den sein müssen die Larvalhabitate (Brutbäu- jeweils im Abstand von zwei Jahren (Entwick- me, Futterpflanzen, Entwicklungsbiotope). lungszyklus der Larven), kann die Auslöschung Des weiteren werden nachfolgend Angaben eines Vorkommens zur Folge haben. In NW ist zu Biotopen (B) und Gefährdungsursachen (G) die Art ausgestorben oder vom Aussterben be- gemacht, um bei einer Schutzgebietsauswei- droht (Niederrheinische Bucht, Westfälische sung Schutzzwecke und Pflegemaßnahmen ab- Bucht und Westfälisches Tiefland) und kommt leiten zu können. dort fast nur noch an Sekundärstandorten wie grundwassergeprägte Wiesengräben vor Käfer (BRAASCH et al. in Rote Liste Branden- (SCHMIDT & WOIKE in LÖBF/LAfAO 1999). burg, Landesumweltamt 1992): Beide Arten können durch gezielte Pflege- Breitrand (Dytiscus latissimus), B: stehende maßnahmen gefördert werden (s. Kapitel 6). Gewässer, G: Melioration, Eutrophierung. Alle hier genannten Insektenarten können Eremit (Osmoderma eremita), B: Laub- und nur von Spezialisten erkannt bzw. bestimmt Nadelwälder, Totholz; Flugzeit (F): Juni bis werden. Eine Liste der in NW bekannten Spezi- September, G: Alt- und Totholzbeseitigung. alisten (verschiedene Taxa) findet sich bei FELD- Heldbock (Cerambyx cerdo), Hauptbrut- MANN & KRONSHAGE (1998) und bei HOCK et al. baum Eiche (versch. Quercus-Arten), vereinzelt 1997 (Schmetterlinge). Dies trifft auch für den andere Laubbäume (Esche, Ulme, Schwarzpap- Hirschkäfer zu, der in seiner Größe sehr stark pel), B: Eichenlaubwälder, Waldschneisen, variieren kann (25-75 mm), so dass kleine Waldränder, F: Mai bis August, G: Entfernen Hirschkäfer (sog. Rehkäfer, L. c. f. capreolus von Alleen, großflächige Abholzungen. FUESSLY) mit dem Zwerghirschkäfer (Dorcus pa- Hirschkäfer (Lucanus cervus), bevorzugt Ei- rallelopipedus L.) verwechselt werden können chen, kann sich aber auch in anderen Bäumen (KÖHLER in litt. 2000). (Buche, Roßkastanie, Ulme, Weide) entwi- Gute Abbildungen der genannten Arten fin- ckeln. B: trockene Laub- und Nadelwälder, Tot- den sich in EBERT 1991ff, FREUDE & SEVERA holz; F: Juni bis August, Larve entwickelt sich in 1988, HOCK et al. 1997, PRETSCHER 2000a,b, Baumstubben, Stubben von gefällten Eichen im STERNBERG & BUCHWALD 1999ff und WEIDE- Waldboden belassen (nicht roden), G: Alt- und MANN 1986ff. Totholzbeseitigung.

6. Empfehlungen für die Landschaftsbehör- Schmetterlinge (EBERT 1991ff, GELBRECHT & den aus Sicht der Entomofaunistik WEIDLICH in Landesumweltamt 1992, KOCH 1984, WEIDEMANN 1986ff): Die Aufgaben der Landschaftsbehörden Kleiner Maivogel (Hypodryas maturna), Be- bzw. der Landschaftsplanung mit der Entomo- wohner der inneren Waldmäntel (Lichtungen), faunistik zu verbinden, hat als einer der weni- Futterpflanze (Raupen): im Herbst an Esche, gen GERSTENBERGER (1989) für die Schmetter- im Frühjahr an Veronica, Plantago, Oxalis, Wei- lingsfauna von Berlin vorgeschlagen. Hier soll de und Pappel, B: Waldwiesen (Auwälder), an Hand der Entomofaunistik und der Habitat- eschenreiche Wiesentäler und Auen (Bach- JÜRGEN DANIELZIK: Natura 2000 Nordrhein-Westfalen 99

Eschenwald); offene Standorte (nur in der Ebe- Wiesenknopf-Vorkommen keine geeigneten ne) entlang von Bächen und Gräben (Erlen- Habitate. Futterpflanzen der Raupen, Flugzeit Eschen-Aue), Flugzeit des Falters (F): Ende Mai des Falters (F), Gefährdung, nördliche Ver- bis Anfang Juli. In NW ausgestorben (DUDLER breitungsgrenze und Besonderheit wie M. te- et al. in LÖBF/LAfAO 1999). leius. Skabiosen-Scheckenfalter (Euphydryas auri- Spanische Flagge (Euplagia quadripuncta- nia), Futterpflanze Teufelsabbiß (Succisa pra- ria), Futterpflanzen der Raupen sind Taubnes- tensis) und Tauben-Skabiose (Scabiosa colum- sel, Brennessel, Weidenröschen; Falter er- baria), B: zwei recht unterschiedliche Standor- scheint erst im Hochsommer (F Mitte Juli bis te: 1. Feuchtwiesen (Molinion-Gesellschaften) Ende August) und sitzt besonders gern auf am Rand von Hoch- und Niedermooren, 2. xe- Wasserdost (Eupatorium cannabinum), an des- rotherme Hänge mit offenen oder gebüschrei- sen Blüten er saugt (Nektarquelle), fliegt aber chen Halbtrockenrasen, F: Ende Mai bis Anfang auch in waldnahe Gärten mit Sommerflieder Juli; G: Melioration, in NW ausgestorben (Aus- (Buddleja) (EBERT 1997). Die Imagines vertei- nahme Weserbergland, Eifel und Siebengebirge: len sich nach SCHÖNBORN & FRIEDRICH (1995) vom Aussterben bedroht, DUDLER et al. in stets entlang linearer Geländestrukturen in LÖBF/LAfAO 1999). Die Erhaltung der Feucht- räumlicher Nähe zu geeigneten Larvalhabita- wiesen sowie die Erhaltung und sachkundige ten. B: felsige Täler und Hänge, Lichtungen, Pflege der Halbtrockenrasen ist als vordringli- Schlagfluren, Waldwege, Fluß- und Bachrän- che Schutzmaßnahme zu empfehlen (EBERT der mit Wildem Dost (Origanum) und Wasser- 1991b). dost, G: Mahd von blühenden Hochstauden, Großer Moorbläuling (Maculinea teleius), Straßen- und Wegränder mit Wasserdost im Futterpflanze: Wiesenknopf (Sanguisorba offici- Hochsommer nicht ausmähen; südlich verbrei- nalis) und Hornklee (Lotus). B: Saumstandorte tete Art (z.B. Weinbauregionen Deutschlands), auf Sumpfwiesen (Auen), Quellwiesen (Täler in NW faunistische Besonderheit (Arealgren- und Berghänge) sowie an Bächen und Gräben ze). (Kohldistelwiesen, Binsenwiesen) oder am Rande von Mooren (ungedüngte Flachmoor- Libellen Entwicklungsbiotope (E) nach BEUT- wiesen und Pfeifengraswiesen), F: Juli bis Au- LER (in Landesumweltamt 1992), Pflegemaß- gust; G: Melioration, Stilllegung von extensi- nahmen (P) nach STERNBERG & BUCHWALD vem Grünland mit anschließender Bewaldung. (1999ff): Nördliche Verbreitungsgrenze Berlin-Krefeld. Große Moorjungfer (Leucorrhinia pectora- Besonderheit: obligatorische Beziehung zu lis), E: Flußauen, insb. eutrophe, vegetationsrei- Ameisen (Myrmekophilie). Die Wiesen sollten che Altwässer, periodisch überflutete Großseg- erst Ende August/Anfang September gemäht genriede und Röhrichte, vegetationsarme werden. Die Falter können somit durch ent- Kleingewässer mit periodischer Wasserführung; sprechend angepasste Mahdtermine gefördert Seen, insbesondere eutroph mit vielgestaltiger werden. Wasservegetation; Moosmoore insbesondere Schwarzblauer Bläuling (Maculinea nausi- Torfstiche, Torfgräben in Übergangs- und thous), B: bewohnt die gleichen Feuchtwiesen- Waldmooren, Niedermoore, Erlenbruchwäl- komplexe wie M. teleius. Die Falter finden sich der. In NW bodenständig in Heideweihern und jedoch auch in offenen Mähwiesen und Brach- Waldmooren (SCHMIDT & WOIKE in flächen (Molinion und Arrhenatherion). Na- LÖBF/LAfAO 1999). Flugzeit: Mai bis Juni. P: türliche Sukzession, zu tiefer Grasschnitt, Ein- Die Entwicklungsgewässer müssen vor Eutro- satz schwerer Maschinen wirken sich jedoch phierung geschützt (Pufferstreifen zu Wirt- negativ aus (verdrängen den Wiesenknopf und schaftsflächen einrichten) und vor Verlandung gefährden die Wirtsameise). Beide Arten (M. bewahrt werden (Schilf und Seggen mähen, Ge- n. und M. t.) können zusammen im einschüri- hölze z. T. entfernen). Ein Entfernen der Vege- gen Molinion (Mahd im Herbst) vorkommen. tation in der Flugsaison sollte jedoch unterblei- Beweidete Feuchtwiesen (Calthion) sind trotz ben. 100 Insecta, Heft 7, 2001

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ischer Schutzgebiete unter dem Gesichtspunkt TRAUTNER, J., GEIGENMÜLLER, K., & BENSE, U. (1989): Käfer, Schutz der Insekten. - Insecta 6, 6-24, Berlin. Bd. 1, 417 S., Melsungen. SSYMANK, A., HAUKE, U., RÜCKRIEM, C., & SCHRÖDER, E. USHER, M., & ERZ, W. (1994) (Hrsg.): Erfassen und Bewer- (1998) : Das europäische Schutzgebietssystem NA- ten im Naturschutz. - 340 S., Heidelberg und Wies- TURA 2000.- BfN-Handbuch zur Umsetzung der baden. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG) und WEIDEMANN, H.-J. (1986): Tagfalter.- Bd. 1 Entwicklung – Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG).- Schriftenrei- Lebensweise, 282 S., Bd. 2 (1988) Biologie – Ökolo- he für Landschaftspflege und Naturschutz, H. 53, gie – Biotopschutz, 372 S., Melsungen. 560 S., Bonn-Bad Godesberg. ZUCCHI, H. (1990): Gedanken zur Erstellung faunistisch- STERNBERG, K., & BUCHWALD, R. (Bearb. u. Hrsg.) (1999): ökologischer Gutachten.- LÖLF-Mitt. 3/90: 13-21; Die Libellen Baden-Württembergs.- Bd. 1 (1999), Recklinghausen. 468 S., Bd. 2 (2000), 712 S., Stuttgart.

Anschrift des Verfasser: Dipl.-Ing. Landespflege JÜRGEN DANIELZIK, Auf der Kämpe 11, D-46244 Bottrop, E-Mail: [email protected]. Insecta, Heft 7, 2001, Seite 103-106

HERBERT WINKELMANN, Berlin

Neue und bemerkenswerte Wanzenfunde (Heteroptera) für Berlin und Brandenburg

Einleitung ist mehr aus den südlichen Teil Deutschlands bekannt. Dort wird sie meist unter Ballota nigra Bei dem vor rund 10 Jahren durchgeführten gesammelt. Zufällig konnte in Mangelshorst Monitoring-Programm zur Erfassung ausge- (bei Königshorst) ein Exemplar (7.-11.6.1999, wählter Organismengruppen in Westberliner leg. WINKELMANN) dieser Art - ebenfalls unter Naturschutzgebieten gab es leider keine syste- Ballota nigra - neben einer Pferdekoppel aufge- matische Erfassung des Wanzenbestandes. Die funden werden. einmalige Gelegenheit in einigen sonst nicht zugänglichen Gebieten das Arteninventar be- Neu für Berlin: stimmter Insektengruppen zu dokumentieren Saldidae hat als Nebenprodukt auch zahlreiche Wanzen Salda muelleri (GMELIN, 1788) als Beifänge erbracht. Bisher war diese große Uferwanze nicht aus Mit Hilfe der aktuellen Arbeiten von GLAU- Berlin bekannt und fehlt somit noch bei GLAU- CHE et al. (1991) und DECKERT (1996a, b) zeigen CHE et al. (1991). Erste Nachweise gelangen erste Auswertungen der Wanzenfänge einige während der Untersuchungen zum Monito- bemerkenswerte Funde, die hier mit einzelnen ring-Programm auf der Pfaueninsel (1.7.92 BF. anderen erwähnenswerten Funden (Berlin und 2 Expl., leg. WINKELMANN, det. DECKERT 1993). Brandenburg) mitgeteilt werden sollen. Bemerkenswert ist das bisherige Fehlen dieser Die Abkürzung BF bezieht sich immer nur Art bei den mehrfach auf der Pfaueninsel auf Beifänge aus Bodenfallen, die während des durchgeführten Wanzenaufsammlungen. Westberliner Monitoring-Programms einge- setzt wurden. Die mehrfach verwendete Fund- ortbezeichnung: „Spandau Halu Mol“ bezieht Acalypta platycheila (FIEBER, 1844) sich auf eine offene Untersuchungsfläche in Eis- Aus Berlin lagen bisher keine Nachweise keller, am Rande des Spandauer Forstes. dieser Gitterwanze vor (GLAUCHE et al. 1991). In der sehr ausführlichen Tingidenarbeit von PÉRI- Artenliste CART (1983) wird die Art für Brandenburg als selten bezeichnet. GÜNTHER et al. (1998) stufen Neu für Brandenburg: die Art in der Roten Liste für Deutschland in Cydnidae der Kategorie 1 („vom Aussterben bedroht“) Tritomegas sexmaculatus (RAMBUR, 1842) ein. Nun liegt ein Nachweis aus Berlin-Lübars Die Art fehlt noch bei DECKERT (1996b) und vor (BF. 1.6.1994, leg. WINKELMANN). 104 Insecta, Heft 7, 2001

Miridae der Untersuchungen zum Monitoring-Pro- Macrolophus pygmaeus (RAMBUR, 1839) gramm auf einer Fläche mit vielen wärmelie- In älterer Literatur wird die Art noch unter benden Pflanzen- und Tierarten (Spandau: Ha- dem Namen: Macrolophus nubilus (HERRICH- lu Mol. BF. 3.5.93 1 Expl., leg. WINKELMANN SCHÄFFER, 1835) geführt. Bei GLAUCHE et al. /vid. GÜNTHER 95). Auch diese Art stufen (1991) wird diese knapp 4mm kleine Weich- GÜNTHER et al. (1998) in der Roten Liste für wanzenart noch nicht für Berlin angegeben. Deutschland in der Kategorie 2/3 (Stark gefähr- DECKERT (1996a) nennt einen Lichtfang von det oder gefährdet) ein. 1984 für Berlin und gibt als bekannte Fund- pflanze Stachys sylvatica an. Bemerkenswerte Funde An einer über 2m hohen Kugeldistel (Echi- Tingidae nops sphaerocephalus) fielen die zahlreichen, Dictyonota fuliginosa COSTA, 1853 zarten Wanzen durch ihre Fähigkeit auf, über Als Fundpflanze dieser Gitterwanze wird die klebrige Oberfläche der Pflanze laufen zu immer wieder Besenginster angegeben. Obwohl können. Andere kleine, dort festgeklebte Insek- in Berlin Besenginster in vielen Bezirken vor- ten (Blattläuse, Fliegen usw.) wurden offen- kommt und auch besammelt wird, existierte bei sichtlich von den Wanzen ausgesaugt (Tegel- GLAUCHE et al. (1991) nur eine Altmeldung von Garten 7.7.99 9 Expl. und Larven, leg. WINKEL- 1926 (Pfaueninsel) und keine Neunachweise. MANN). Bei den Untersuchungen zum Monitoring-Pro- gramm gelang nun der erneute Nachweis auf Megalocoleus pilosus (SCHRANK, 1801) der Pfaueninsel (Heidefläche an Besenginster, Diese sonst verbreitete Weichwanze konnte 20.7.1994 1 Expl., leg. WINKELMANN). Wahr- nun auch für Berlin sicher nachgewiesen wer- scheinlich ist die kleine Heidefläche mit den Be- den (Blankenfelde 20.7.90 1 Expl., Marienfelde- senginstersträuchern auf der Pfaueninsel auch Kippe 6.9.91 3 Expl., alle Expl. leg. WINKEL- der historische Fundort dieser seltenen Wan- MANN /det. RIEGER 1993). zenart.

Lygaeidae affinis (HERRICH-SCHÄFFER, 1835) Megalonotus antennatus (SCHILLING, 1829) Die Art fehlt bei DECKERT (1996b), wird aber Für Berlin konnte diese neu nachgewiesene bei PÉRICART (1983) für Brandenburg als sehr Art bisher nur an einem Fundort, dort aber in selten aufgeführt. GLAUCHE et al. (1991) nennen mehreren Exemplaren, angetroffen werden aus Berlin den letzten Fund von 1988 (Ruhle- (Spandau Halu Mol. BF. 1.7.94 2 Expl., 1.8.94 1 ben Murellenschlucht IV.88, leg. MÖLLER). Expl., leg. WINKELMANN /vid. GÜNTHER 1995) Neue Funde aus Berlin stammen aus Heiligen- see, wo diese Gitterwanze an Artemisia campes- Peritrechus angusticollis (F. SAHLBERG, 1848) tris zu finden ist (Baumberge 3.9.91 1 Expl. bra- Von dieser als selten geltenden Bodenwanze chypter, 22.7.99 3 Expl., leg. WINKELMANN). Die gelang ein erster Nachweis während des Moni- Art wird bei GÜNTHER et al. (1998) in der Roten toring-Programms (NSG Hundekehlefenn, BF Liste für Deutschland in der Kategorie 2/3 16.6.93 1 Expl., leg. WINKELMANN /vid. GÜNT- (Stark gefährdet oder gefährdet) eingestuft. HER 95). GÜNTHER et al. (1998) stufen die Art in der Roten Liste für Deutschland in der Katego- Miridae rie 2/3 (Stark gefährdet oder gefährdet) ein. Alloeotomus germanicus E. WAGNER, 1939 Von dieser Weichwanze nennen GLAUCHE et Peritrechus gracilicornis PUTON, 1877 al. (1991) nur einen Altfund von 1934 (Froh- Ein vermutlich wärmeliebende Bodenwan- nau). Ein neuerer Berliner Nachweis stammt zenart, die aus Südeuropa und Süddeutschland aus Rudow (21.10.90, leg. WINKELMANN). Das bekannt ist. Aus Brandenburg sind bisher keine Tier wurde in einem Garten von Kiefer (Pinus Funde gemeldet worden (DECKERT 1996b). nigra) geklopft. Dieser Nachweis gelang ebenfalls während HERBERT WINKELMANN: Neue und bemerkenswerte Wanzenfunde für Berlin und Brandenburg 105

Reduviidae Sehirus morio (LINNAEUS, 1761) Rhinocoris iracundus (PODA, 1761) Auch von dieser Art wird in der Berliner Diese schon im Gelände auffällige Raub- Wanzenliste (GLAUCHE et al. 1991) nur ein Alt- wanze ist bei GLAUCHE et al. (1991) nur als Alt- fund aus Wannsee (1922) genannt. Aktuell ge- fund aus dem Grunewald gemeldet. DECKERT lang ein Neunachweis in Tegel (Garten 25.5.98 (1996a) macht ausführlichere Angaben zum 1 Expl., leg. WINKELMANN). zeitweisen Erscheinen dieser Art in Berlin – Brandenburg und nennt auch zwei aktuelle Scutelleridae Nachweise aus Berlin (Köpenick 1992/93). Ein Phimodera flori FIEBER, 1863 weiterer aktueller Fund aus Berlin stammt von Phimodera- Arten sollen im Sandboden ver- einem sonnenexponierten Hang der ehemali- steckt an Wurzeln leben, sodass Nachweise gen Mülldeponie Marienfelde (2.6.93 1 Expl., recht schwer gelingen. GLAUCHE et al. (1991) ge- leg. WINKELMANN). ben für Berlin den letzten Fund für 1920 (Wannsee) an, DECKERT (1996a, b) nennt für Lygaeidae Brandenburg 1942 als letztes Nachweisjahr. Bei Trapezonotus anorus (FLOR, 1860), der Untersuchung einer ehemaligen Sendeanla- Für Brandenburg nennt DECKERT (1996b) ge im Forst Grunewald (Jg.87) wurde ein Exem- als letztes Nachweisjahr 1937. GLAUCHE et al. plar zwischen Calamagrostis epigeios- und Carex (1991) geben den letzten Berliner Fund von arenaria-Wurzeln gesiebt (22.9.92, leg. WINKEL- 1988 (Spandau Eiskeller, leg. GLAUCHE) an. Von MANN). GÜNTHER et al. (1998) stufen die Art in den Berliner Monitoring-Untersuchungen exis- der Roten Liste für Deutschland in der Katego- tiert ein weiterer Beleg (Spandau Halu Mol BF rie 1 („vom Aussterben bedroht“) ein. 30.6.93 1 Expl., leg. WINKELMANN). Die Art wird bei GÜNTHER et al. (1998) in der Roten Liste für Pentatomidae Deutschland in der Kategorie 2/3 („stark ge- Aelia klugi HAHN, 1831, fährdet oder gefährdet“) eingestuft. DECKERT (1996a) weist auf den deutlichen Rückgang dieser Art hin und nennt für Bran- Cydnidae denburg nur einen jüngeren Fund von 1994 Legnotus picipes (FALLÉN, 1807) (Uckermark bei Prenzlau, NSG “Charlottenhö- In der Berliner Wanzenliste (GLAUCHE et al., he”, leg. DECKERT). Für Berlin meldete GLAUCHE 1991) wird nur ein Altfund aus Wannsee et al. (1991) die Art mit einen aktuellen Fund (VII.20) genannt. Auch von dieser Art gelang vom Windmühlenberg (V.87, leg. GLAUCHE). ein Neunachweis bei den Untersuchungen zum Während der Monitoring-Untersuchungen ließ Monitoring-Programm (Spandau Halu Mol BF sich Aelia klugi in Berlin noch an einer weiteren 3.8.93 1 Expl., leg. WINKELMANN). Stelle zusätzlich nachweisen (Spandau Halu Mol BF, 2.6.1993 1 Expl., leg. WINKELMANN). Ochetostethus opacus (SCHOLTZ, 1847) GÜNTHER et al. (1998) stufen die Art in der Ro- Von dieser vermutlich sehr thermophilen ten Liste für Deutschland in der Kategorie R Wanzenart existieren nur einzelne Nachweise. („Arten mit geographischer Restriktion“) ein. Für Berlin wird bei GLAUCHE et al. (1991) ein aktueller Fund aus Heiligensee (VI.87, leg. Acanthosomatidae GLAUCHE) angegeben. In den Roten Listen für Cyphostethus tristriatus (FABRICIUS, 1787) Berlin, Brandenburg und Deutschland ist die Auf den Rückgang der Wacholderheiden, Art jeweils in der Kategorie 1 („vom Aussterben den ursprünglichen Lebensort dieser Stachel- bedroht“) eingestuft. Inzwischen liegen aus wanze, macht DECKERT (1996a) aufmerksam. Berlin zwei weitere Einzelfunde vor (Heiligen- Der letzte bekannte Nachweis für Berlin see-Baumberge 25.6.91, Rudow-Grenzstreifen stammt von 1914 aus Charlottenburg (GLAU- 16.8.92, leg. WINKELMANN). CHE et al. 1991). Die auffällig bunt gefärbte Sta- chelwanze scheint sich aber auch in Gärten fortpflanzen zu können, wie ein aktuelles Vor- 106 Insecta, Heft 7, 2001 kommen zeigt (Rudow-Garten, 17.9.95 3 Expl. DECKERT, J. (1996b): Verzeichnis der Wanzen von Berlin und Brandenburg (Heteroptera). - Insecta, Berlin 4 und zahlreiche Larven, leg. WINKELMANN). Hier (1996), 150 – 167. lebt die Wanzenart an großen, samentragenden DECKERT, J., & GÖLLNER-SCHEIDING, U. (1992): Rote Liste – Koniferen. Wanzen (Heteroptera ohne Nepomorpha und Ger- romorpha). In: Gefährdete Tiere im Land Branden- Zusammenfassung burg – Rote Liste. Ministerium für Umwelt Natur- schutz und Raumordnung des Landes Branden- burg, 49-60. Neue Funddaten von 19 Wanzenarten wer- GLAUCHE, M., JAHN, P., THOMASIUS, E., WACHMANN, E., & den gemeldet. Tritomegas sexmaculatus ist neu WINKELMANN, H. (1991): Liste der Wanzen für Brandenburg, 11 weitere Arten sind neu für (Heteroptera) von Berlin (West) mit Gefährdungs- einschätzung (Rote Liste). – In: AUHAGEN, A., PLA- Berlin. TEN, R. & SUKOPP, H. (Hrsg.): Rote Liste der gefähr- deten Pflanzen und Tiere in Berlin. – Landschafts- Summary entwicklung und Umweltforschung, S 6, 439-465. GÜNTHER, H., HOFFMANN, H.-J., MELBER, A., REMANE, R. SI- MON, H., & WINKELMANN, H. (1998): Rote Liste der New distributional data of 19 true bugs-spe- Wanzen (Heteroptera). – In: Bundesamt für Natur- cies are reported. Tritomegas sexmaculatus is schutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere new for Brandenburg , 11 further species are Deutschlands. – Schriftenreihe für Landschaftspfle- ge und Naturschutz, Heft 55, 235-242. new for Berlin. GÜNTHER, H., & SCHUSTER, G. (1990): Verzeichnis der Wan- zen Mitteleuropas (Heteroptera). - Dtsch. ent. Z., N. F. 37: 4-5, 361-396. Literatur PÉRICART, J. (1983): Faune de (France et regions li- mitrophes) 69. Hemiptères. Tingidae Euro-Médi- DECKERT, J. (1989): Zur Kenntnis seltener Heteropteren der terranéens. – Federation francaise des Sociétés de Mark Brandenburg (Insecta). - Faun. Abh. Mus. Sciences naturelles, Paris, i-x, 1-620. Tierkd. Dresden 17 (4), 27-30. WAGNER, E. (1959): Heteroptera . In: BROHMER, DECKERT, J. (1996a): Wanzen (Heteroptera) aus Berlin und P., EHRMANN, P. & ULMER, G.: Die Tierwelt Mittel- Brandenburg: Wiederfunde, Neufunde und selten europas, 173. festgestellte Arten. - Insecta, Berlin 4 (1996), 126 – 149.

Anschrift des Verfassers: HERBERT WINKELMANN, Attendorner Weg 39 A, D-13507 Berlin E-Mail: [email protected] Insecta, Heft 7, 2001, Seite 107

Buchbesprechung

KLAUS STERNBERG & REINER BUCHWALD 75 auch in Baden-Württemberg registriert wur- (Hrsg.): Die Libellen Baden-Württembergs. Bd. den, dem Gesamtwerk die Perspektive zu einem I: Allgemeiner Teil, Kleinlibellen (Zygoptera). Handbuch der Odonata Deutschlands. Die 5 zu 468 Seiten, 241 Abbildungen (Farbfotos, Dia- ergänzenden Arten könnten zunächst im zwei- gramme, Tabellen, Verbreitungskarten). Verlag ten Band in einem Anhang vorgestellt werden. Ulmer Stuttgart 1999. ISBN 3-8001-35086. Bei aller Freude über das gelungene Buch Preis: DM 98.-. müssen auch ein paar kritische Anmerkungen gemacht werden. Im 2. Kapitel, betitelt „Syste- Unter den in den letzten Jahren erschiene- matik, Taxonomie und Nomenklatur“ geht es nen Büchern über Libellen gehört das vorlie- eigentlich nur um die Namen der Libellen. gende zu den besten. Seine Vorzüge: eine Über deren Systematik und Stammesgeschichte durchdachte und überzeugende Gliederung des wird erst in einem kurzen Kapitel auf den Seiten Textes (24 Kapitel im „Allgemeinen Teil“, dazu 77-79 referiert. Dieser Abschnitt ist der einzige 26 Artkapitel im „Speziellen Teil“), der Reich- wirkliche Schwachpunkt des ganzen Buches, da tum der anschaulich präsentierten Information, er in einem längst überholten typologischen die viel Neues enthält, die ausgezeichnete Duktus verfasst ist. drucktechnische Gestaltung und die hervorra- Nicht die Libellen bilden „Ordnungen“ und gende Qualität der Abbildungen, insbesondere „Unterordnungen“, sondern es sind die Taxo- die der exzellenten Farbfotos. Das ganze Werk nomen, die sie so klassifizieren. Libellen und macht einen sorgfältig redigierten Eindruck - Eintagsfliegen „stehen“ auch nicht „an der Ba- sicherlich ein Verdienst der beiden Herausge- sis“ der , sondern sind als Abstamm- ber, die sich auf die Mitarbeit von 10 weiteren ungsgemeinschaft wahrscheinlich die Schwes- versierten Odonatologen stützen konnten. tergruppe der , also aller übrigen ge- Die gehaltvollen Abschnitte über Gestalt, flügelten Insekten und somit keineswegs älter Bau, Ontogenese, Lebensweise, Daseinsverhält- als letztere. Eine typologische Interpretation der nisse, Fortpflanzung und Parasiten der Libellen Libellen-Taxa ist nicht nur in der Systematik dürften für jeden Entomologen und Faunisten unhaltbar. Sie bedeutet auch eine wesentliche eine interessante Lektüre sein. Die hohe Qua- Behinderung für die Beurteilung der biozönoti- lität, die auch für den 2. Band (Großlibellen) zu schen Situation der Libellen in den diversen erwarten ist, eröffnet im Verein mit dem Um- Ökosystemen, denen sie als Larven und Imagi- stand, dass von den insgesamt 80 je auf deut- nes angehören. schem Territorium festgestellten Libellenarten GÜNTHER PETERS (Berlin) 108 Insecta, Heft 7, 2001