Projektland: Rumänien

ONLINE-BERICHT Quartalsbericht: Januar bis März 2009

Schlagzeilen:

- PSD verschleißt bei Regierungsbildung zwei Innenminister - Wirtschaftskrise zwingt zur Revidierung der Wahlversprechen - National-Liberalen wählen Crin Antonescu zum neuen Parteivorsitzenden - Rumänien will Wirtschaftskrise mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU überwinden

POLITIK

Innenpolitik

Die neue Regierung Rumäniens unter war von Anbeginn an mit Schwierigkeiten befrachtet. So zwang das Wahlergebnis die Liberal-Demokratische Partei (PD-L) und die Sozial-Demokratische Partei (PSD) eine Koalition einzugehen, die von beiden Seiten so nicht gewünscht wurde. Hinzu kommt die Wirtschaftskrise, die auch Rumänien nicht schont, und die neue Regierung zu unpopulären Maßnahmen zwingt. Bereits die Regierungsbildung entbehrte nicht einer gewissen Brisanz. So hatte der Koalitionspartner, die PSD, einige Probleme ihren Innenminister zu benennen. Der erste Kandidat, Gabriel Oprea, stolperte über die Ernennung seines Geheimdienstchefs, den er ohne den Segen und zum Unmut seiner Parteispitze ins Amt hievte. Die Tage seines Nachfolgers im Amt waren gezählt. Bereits nach nur 12 Tagen trat von seinem Amt zurück. Der sozialistische Politiker gab an aufgrund fehlender Haushaltsmittel die Ziele seines Ressorts nicht erreichen zu können. PSD-Quellen zufolge soll die Ernennung der Staatssekretäre und des Chefs des Geheimdienstes des Innenministeriums der wahre Grund gewesen sein. Dragnea habe sich gegen etliche Proteges seiner Parteileitung gestemmt, worauf man ihm nahe legte, seinen Hut zu nehmen. Seither bekleidet das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten und Innenministers in Personalunion. Sowohl diese Querelen wie auch die Wirtschaftskrise und die damit verbundenen Einsparmaßnahmen im öffentlichen Bereich zwangen letztlich zu einem umfassenden Umbau des Ministeriums für Inneres und Verwaltung. Die Regierung hat nun die 22 bisherigen Generaldirektionen auf acht reduziert und auch die entsprechenden Änderungen beim Personal vorgenommen. So wurden 700 der 2000 Bediensteten des Ministeriums auf andere Dienststellen versetzt. 35 % des Führungspersonals wurde freigestellt. Aufgrund der Wirtschaftskrise ist die Regierung gezwungen, sämtliche Wahlversprechen aus 2008 zu vertagen. Die 50%ige Erhöhung der Lehrergehälter sowie der Renten wurde zurückgenommen. Die PD-L möchte nun wesentlich kleinere Einkommenssteigerungen oder sogar das jetzige Lohn- und Rentenniveau gegen den Widerstand der Sozialisten einfrieren. Auch bei der Hilfe durch den Internationalen Währungsfond sind sich die Koalitionspartner uneins. Die PD-L will Kredite des IWF und der EU zur Überwindung des Haushaltsdefizits

1 und zur Ankurbelung der Konjunktur. PDS und Gewerkschaften stehen dem ablehnend gegenüber. Auch in der Bevölkerung wächst die Unsicherheit. Im Oktober 2008 waren nur 30 % der Rumänen der Ansicht, dass es ihnen schlechter geht als zuvor. Jetzt im Januar 2009 stieg deren Anteil bereits auf 44 %. PD-L und PSD verfügen zwar über eine sichere Mehrheit im Parlament, die es ihnen erlaubt alle Gesetzesvorhaben bequem durchzubringen, aber die anstehenden Wahlen werfen ihre Schatten voraus. Innerhalb der Koalition wachsen die Spannungen nicht nur hinter den ONLINE-BERICHT Kulissen, sondern werden auch zunehmend öffentlich ausgetragen. Denn sowohl die Demokrat-Liberalen wie auch die Sozialisten müssen bei den Europa- und vor allem bei den Präsidentschaftswahlen Siege einfahren. Hauptangriffsziel der PSD ist der Präsident, Traian Băsescu, der sich in sämtliche Angelegenheiten des Kabinetts, sei es Budget, Wirtschaftskrise, IWF-Kredit, Justiz- und Gesundheitsreform einmischt und den sozialistischen Flügel damit irritiert. Vor allem aber gilt er auch als der Kandidat mit den besten Chancen für die Präsidentschaftswahl im Spätherbst 2009. Für die PSD will ihr Vorsitzender und Senatspräsident, Mircea Geoană, als Gegenkandidat antreten.

Die bisherige Regierungspartei, die National-Liberale Partei (PNL) ist dabei, sich personell neu aufzustellen. Auf einem außerordentlichen Parteitag wurde Crin Antonescu zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Seinem Vorgänger Tariceanu wurde seine starre Haltung gegenüber Basescu und seine nur halbherzig geführten Koalitionsverhandlungen mit der PD-L zum Verhängnis. Für ihn war das Amt des Ministerpräsidenten nicht verhandelbar und er hatte es vorgezogen, seine Partei in die Opposition zu führen. Crin Antonescu gilt nun als neuer Hoffnungsträger und soll so auch dazu beitragen innerparteiliche Gräben zu überwinden. Der 50-jährige Historiker ist seit 1992 Mitglied des Parlaments. Er war 1997 – 2000 bereits einmal Minister im Kabinett der Demokratischen Konvention. Seine Parteifreunde halten in für einen charismatischen und nicht korrupten Politiker. Manche seiner Anhänger sehen in ihm schon den kommenden Präsidenten. Doch sich zu diesem Zeitpunkt auf Spekulationen einzulassen, wäre noch sehr verfrüht. Zurzeit bereiten sich alle Parteien für die Europawahlen am 7. Juni 2009 vor. Die Listenaufstellungen führten bei allen Parteien zu heftigen internen Querelen und Diskussionen um die sicheren Spitzenplätze. Derzeit befürchtet man eine geringe Wahlbeteiligung von nur 20%. PD-L und PSD rechnen mit je zwölf Mandaten, die National- Liberalen mit acht. Der Ungarnverband UDMR und der Nationalrat der Ungarn in Siebenbürgen (CNMT) treten gemeinsam mit einer Liste an. Ihr Spitzenkandidat ist Bischof Tökes. Sie hoffen gemeinsam auf vier Plätze. Die Ankündigung der Präsidententochter für Europa auf der PD-L Liste antreten zu wollen, führte zu heftigen Reaktionen in der Partei. Renommierte Kandidaten der PD-L weigerten sich gemeinsam auf einer Liste mit Elena Basescu anzutreten und drohten offen mit dem Parteiaustritt. Inzwischen hat Elena Băsescu die Partei verlassen und will als unabhängige Kandidatin bei den Europawahlen antreten. Es kursieren bereits Gerüchte, dass der Präsident von den PD-L Mitgliedern im ausreichenden Ausmaß Loyalität mit seiner Tochter erwartet.

Außenpolitik

Nach den Parlamentswahlen in der Republik Moldau und dem Sieg der Kommunisten kam es in der Hauptstadt des Nachbarlandes zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei. Tausende von Demonstranten forderten die Wiederholung der Wahlen und die Demokratisierung des Landes. Für Präsident Woronin gibt es nur einen Schuldigen für die Unruhen. Für ihn ist klar, Rumänien ist der Brandstifter. Angeblich stecken serbische und rumänische Agenten hinter den gewaltsamen Protesten am. 07. April. Die Grenzen zu Rumänien wurden geschlossen, der rumänische Botschafter zur Persona non Grata erklärt und des Landes verwiesen. Seit ein paar Tagen gilt wieder Visumspflicht für

2 rumänische Staatsbürger. Der Einreise rumänischer Staatsbürger in die Republik Moldau war allerdings bereits in der Zeit unmittelbar vor den Wahlen fast unmöglich. Rumänien weist alle Anschuldigungen zurück und versucht den Dialog mit dem kommunistischen „Bruder“ auf „europäischem“ Niveau zu erhalten. Nach 42 Jahren Streit um Ölvorkommen im Schwarzen Meer hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag im Februar die Seegrenze zwischen Rumänien und der Ukraine gezogen. Demnach bekommt Rumänien das Recht 80% des von beiden Seiten ONLINE-BERICHT beanspruchten ca. 12 000 Quadratkilometer großen Festlandsockels zu nutzen samt Gas- und Ölvorkommen, die auf 70 Milliarden Kubikmeter bzw. zehn Millionen Tonnen geschätzt werden. Der Ukraine wurden die Schlangeninsel und ein Umkreis von zwölf Seemeilen zugesprochen. Beide Staaten erklärten sich zufrieden mit dem Urteil. Laut Zwischenbericht der EU-Kommission, der Mitte Februar veröffentlicht wurde, kommt Rumänien bei der Justizreform und im Kampf gegen die Korruption nicht voran – im Gegenteil die letzten sechs Monate hätten einen klaren Rückschritt gebracht. Zudem scheine die Justiz politisierter anstatt unabhängiger zu werden. Sollte sich die Lage bis zum Sommer nicht erheblich verbessern, so drohe Rumänien eine Sperre von EU-Fördergeldern, warnte Brüssel. Präsident Traian Băsescu nahm an dem Sondergipfel Anfang März in Brüssel teil und wünschte wie die Ungarn pauschale Finanzhilfen für Osteuropa. Traian Băsescu und Ministerpräsident Emil Boc reisten auch zum Frühjahrs EU-Gipfel, dessen Hauptthema die Wirtschafts- und Finanzlage der EU-Mitgliedsstaaten war. Am Rande des Gipfels traf der rumänische Präsident die Führung der Europäischen Investitionsbank (EIB) und versprach die Bürgschaft für die zwei EIB-Kredite, die den in Rumänien ansässigen Automobilherstellern Ford und Renault gewährt wurden, zu übernehmen. Traian Băsescu war auch in Wien zu Gast, wo er u.a. den Bundespräsidenten Heinz Fischer traf.

Außenminister besuchte Moskau, Rom und die Bundesrepublik Deutschland, wo er Gespräche mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier führte. Bei seinem Aufenthalt traf er auch den Vorsitzenden des Europaausschusses des Bundestags, Gunther Krichbaum, die Ministerpräsidenten von Hessen und Rheinland-Pfalz, Roland Koch bzw. Kurt Beck. Auf der Agenda der bilateralen deutsch-rumänischen Beziehungen standen auch verschiedene Gespräche in Bukarest zwischen deutschen und rumänischen Politikern. So traf der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestags den rumänischen Präsidenten, Traian Băsescu, den Ministerpräsidenten, Emil Boc und die Vorsitzende der Abgeordnetenkammer, Roberta Anastase. Weitere Besucher im Berichtszeitraum waren der hessische Landtagspräsident, Norbert Kartmann, sowie der Vorsitzende der Konrad- Adenauer-Stiftung, Ministerpräsident a.D. Bernhard Vogel. Der neue Botschafter Rumäniens in Berlin ist Lazăr Comănescu (von 1998 – 2001 Botschafter Rumäniens bei der NATO in Brüssel, von 2001 – 2008 Botschafter bei der EU, seit Dezember 2008 Außenminister).

WIRTSCHAFT

Die weltweite Wirtschaftskrise zwingt auch die rumänische Regierung zum Handeln. Im Februar legte die Regierung ihren Haushaltsplan mit 10 Krisenmaßnahmen vor und erhofft sich so eine Verbesserung der prekären Wirtschaftslage. Sie verabschiedete ein Konjunkturpaket in Höhe von 13 Milliarden Euro. An erster Stelle stehen Investitionen in die Verbesserung der Infrastruktur. Insgesamt 7% des Bruttoinlandproduktes, nämlich 10,2 Milliarden Euro sollen der Verbesserung der Transportinfrastruktur, des Umweltschutzes, der Wasserversorgung, des Gesundheits- sowie des Unterrichtswesen dienen. Weitere Punkte sind die Tilgung der Auslandsschulden und die Abrufung der Strukturfonds. Mit der Steuerfreistellung nicht entnommener Gewinne und dem Mehrwertsteuerausgleich innerhalb

3 einer 45 Tage Frist erhofft man sich weitere Impulse für die Wirtschaft. Die Sonderfonds für Exportförderung und die Abwrackprämie von ca. 900 Euro soll die heimische Industrie stützen. Für die angeschlagenen Banken, die CEC und die Exim Bank, wurden für die Rekapitalisierung über eine Milliarde Lei zur Verfügung gestellt. Ebenso wird ein Garantiefond von rund 100 Millionen Euro eingerichtet, der die Geldanleihen der beiden Banken absichert. Als letztes erhofft man sich Einnahmen aus staatlichen Institutionen und Agenturen, die in den Haushalt einfliessen. ONLINE-BERICHT Der Internationale Währungsfond, dessen Mission Anfang Februar in Rumänien weilte, sieht Rumänien in der Rezession. Für 2009 erwartet der IWF hierzulande ein Negativwachstum – bedingt durch den Rückgang der Investitionen, der Exporte und des Konsums sowie die allgemein verschärften Kreditbedingungen für Unternehmen. Man rechnet mit einem einprozentigen Negativwachstum in den ersten drei Quartalen. Aufgrund früherer politischer Versäumnisse leidet Rumänien erheblich unter der globalen Rezession. Das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen ist dahin. Diese düstere Prognose beruht zwar auf einer Fülle von recht unsicheren, weil schwankenden Indikatoren, jedoch ist eine moderate Verbesserung der allgemeinen Lage erst gegen Jahresende oder gar Anfang 2010 denkbar. Im Übrigen wird mit Bezug auf ganz Osteuropa davon ausgegangen, dass das BIP der Region keineswegs wachsen, sondern um 0,4% schrumpfen wird. Der IWF empfiehlt Rumänien endlich strukturelle Reformen zur Steigerung der Wirtschaftsprodutivität anzugehen. Er empfiehlt eine glaubwürdige Kombination aus Fiskal-, währungspolitischen und Entlohnungsmaßnahmen. Steueranreize kämen für Rumänien aufgrund des hohen Ausgabenniveaus des Landes nicht in Frage, die Möglichkeiten zur Finanzierung der Defizit seien beschränkt. Das von der Regierung vorgegebene Ziel eines 2%igen Defizits wird als zu optimistisch erachtet und glit als nicht realistisch. Der Notenbank wurde nahe gelegt, das gesteckte Inflationsziel von maximal 3,5% einzuhalten, die Ungleichgewichte des enheimischen Bankensystems auszutarieren und den Zugang zur Liquidät sicherzustellen. Ganz so düster will die rumänische Zentralbank die hiesige Wirtschaftslage jedoch nicht sehen. Nach ihrer eigenen Schätzung geht sie von einem 2,3%igen Wirtschaftswachstum aus und liegt damit nur knapp unter den Erwartungen der Regierung, die mit 2,5% rechnet.

GESELLSCHAFTS- UND SOZIALPOLITIK

Mit einer Konsumpreissteigerung von 6,9% im Vorjahresvergleich, hat Rumänien im Februar 2009 die dritthöchste Inflationsrate unter den 27 Mitgliedsstaaten der EU nach Lettland und Litauen verzeichnet. 6% ist die Prognose für die Inflation am Ende des ersten Quartals 2009. Die durchschnittliche Arbeitslosenrate wuchs im Monat Februar 2009 auf 5,3%. Laut Arbeitsamt haben die Unternehmen für die Zeitspanne Februar bis Mai 33.837 Entlassungen angemeldet. Das enspricht 1.100 Arbeitsplatzverlusten pro Tag. Das Arbeitsamt rechnet mit dem Abbau von weiteren 10.510 Stellen in dn nächsten Monaten. Ab 1. April 2009 wird der Wert des Rentenpunkts um 3% angehoben, weitere 2% sollen im Oktober l.J. folgen, so dass der Rentenpunkt 43,2% des Bruttodurchschnittslohns beträgt (die Regierung hatte 45% versprochen). Die Durchschnittsrente liegt damit bei 678 Lei. Ebenfalls ab April gilt die soziale Mindestrente im Wert von 300 Lei (ab Oktober 350 Lei).

9. April 2009

Luise Schifter-Popescu Klaus Sollfrank

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