Oktober · November · Ausgabe 4/2017 Deutschland 4,80 € · Ausland 5,50 €

VinylDas Schallplatten-Magazin 50 Plattenkritiken www.vinyl-magazine.com • 31 aktuelle LP-Neuerscheinungen im Heft • 19 Vinylklassiker, die in jede Sammlung gehörenren • Feature: Hidden Champion – Besuch bei den Bauer Studios • Test: MoFi – Plattenspieler vom Tonträger-Spezialisten • Szene: Vinyl-Enthusiasten – 33rpm Store in Berlin-Kreuzberg ^ Musik hören ist einfach

^ Musik fühlen ist einfach analog

Tauchen Sie ein in die ergreifende Welt der analogen Musikwiedergabe.

Jetzt im guten Zeitschriftenhandel ■ Editorial

Liebe Vinylliebhaberinnen und -liebhaber,

Vinyl boomt und die Nachfrage wächst weiter. Das ist gut für alle, die Schallplatten lieben, sammeln und hören, denn so kom- men genauso neue Alben wie Reissues alter Aufnahmen auf den Markt. Leider macht sich mittlerweile allerdings eine Schatten- seite des Booms bemerkbar: Es gibt kaum noch Produktionskapazitäten für Schall- platten. Die Anzahl der Presswerke ist überschaubar. Da sind zum einen die, die ihre Maschinen in den 1980er-Jahren trotz lassen. Die Anzahl der Platten, die deutlich des Siegeszuges der Audio-CD behalten verwellt in der Redaktion ankommen, ist Martin Mertens, Chefredakteur haben. Zum anderen gibt es einige kleine erschreckend hoch. Presswerke, bei denen mutige Freaks Press- Die Labels können wenig dafür. Der maschinen vor dem Schrott gerettet haben. Inhaber eines kleinen Labels erzählte mir Was damals ein wenig irrsinnig wirkte – kürzlich, dass er eine ganze Charge frisch schließlich galt die LP mit der Verbreitung gepresster Platten reklamieren wollte, da der CD als tot –, entpuppt sich heute als die Pressung nicht den vereinbarten Qua- grandiose Idee. Nichtsdestotrotz arbeiten litätsmerkmalen entsprach. Er bekam zur die vorhandenen Maschinen am Limit Antwort, dass er dann aber ein Jahr war- – und das hat leider Auswirkungen auf ten müsse, bis die Platten neu produziert die Pressqualität. Eine Qualitätskontrolle werden könnten. fi ndet nur noch selten statt, häufi g kom- Ich fi nde das ärgerlich. Die Maschinen men Platten ins Cover, die von 40 Jahren sind längst abgeschrieben, die Gewinn- Ausschuss gewesen wären. Dazu kommt, spannen bei der Plattenproduktion sind dass einige Presswerke den Platten offen- gut. Vor allem, weil wir Vinylliebhaber ja sichtlich kaum noch Zeit zum Abkühlen bereit sind, für gute Platten deutlich mehr Geld auszugeben als andere Menschen Jetzt einlösen: www.allyoucanread.de/los ✁ z.B. für einen Download. Da möchten wir auch ordentliche Produkte bekommen. Ich fi nde, wir sollten uns keine schlech- ten Pressungen gefallen lassen. Reklamie- Die Zeitschriften-Flatrate ren Sie verwellte Platten oder solche mit Pressfehlern. Leider müssen das zunächst los die Label auffangen, aber die müssen den GGlücksloslücks Gewinnen Sie: Ärger dann irgendwann an die Presswerke weitergeben. Das ist allemal besser, als dass Ihr Gewinncode lautet: Eine 3-Monats-All-you-can-read- wir die Freude an schönen, gut klingenden xowekeja39 Zeitschriften fl atrate mit Zugriff Schallplatten verlieren. Einen Lichtblick auf über 15 Zeitschriften gibt es immerhin: Vor Kurzem machte die Geben Sie hier Ihren Gewinncode Meldung die Runde, dass Sony Music den ein: www.allyoucanread.de/los Bau eines neuen Presswerkes plant. Extra- Gewinnchance: Viel Spaß beim Lesen der neuen VINYL wünscht Ihnen Ihr Gewinnen Sie zusätzlich das hochwertige eBook „Legendary Loudspeakers“ im Wert vom 39,80 Euro So funktioniert das Glückslos: Geben Sie Ihren Gewinncode auf www.allyoucanread.de/los ein. Der Gewinncode wird nun geprüft. Wenn Sie gewonnen haben, erscheint ein Hinweis und Sie können sich registrie- ren, um den Gewinn einzulösen. 3 ■ Inhalt

4 Singer-Songwriter, Contemporary Folk, About Vinyl Blues & A vant-garde 3 Editorial the 14 News music. Some of 50 Markt 82 Vorschau, Impressum best brought to you

Fresh Vinyl – Neuerscheinungen by

6 – The Source Rough Trade Distribution • Sales & services 7 – Hug of Thunder provided by GoodToGo GmbH 8 Cristobal and the Sea – Exitoca 9 Thy Art Is Murder – Dear Desolation 10 Doing Our Thing – More Soul From Jamdown On the road again... 11 EMA – Exile in the Outer Ring 12 Flogging Molly – Life Is Good 13 Fräulein Brecheisen – Supergrattler 16 Goldlink – At What Cost 17 Gov’t Mule – Revolution Come … Revolution Go 18 Joo Kraus and SWR Big Band – Public Jazz Lounge 19 Kaiser Franz Josef – Make Rock Great Again 24 Meyers Nachtcafé – Studio Konzert 25 Moses Pelham – Herz 26 Myrkur – Mareridt 27 Paradise Lost – Medusa 28 Pauline Ganty – Après 29 Reema – The LowSwing Sessions 30 Restless Bones – Rocks, Frogs & Snails 31 The Riptide Movement – Ghosts 34 Sivan Talmor – Fire Live 35 Styx – The Mission 36 Tau Cross – Pillar of Fire 37 The Isley Brothers + Santana – Power of Peace 38 The Lesser Men – Bedrooms 39 Tingvall Trio – Cirklar 40 The Verve – Hymns (Super Deluxe Re-Issue) 42 Wage War – Deadweight 43 Wellbad – The Rotten 44 White Moth Black Butterfl y – Atone 45 Wintersun – The Forest Seasons 46 Wolfgang Haffner – Zooming

Living Vinyl – Klassiker 53 Aretha Franklin with the Ray Bryant Combo 54 Herbert Kegel/Rundfunk Symphonie-Orchester Leipzig – Carl Orff: Die Kluge 55 Bruno Walter/Columbia Symphony Orchestra – Beethoven Symphony No. 3 E Flat Major, Op. 55 „Eroica“ 56 Miles Davis – Jack Johnson 57 Lou Reed – Transformer 58 Nena – ? (Fragezeichen) 59 Oscar Peterson – The Trio 60 Portishead – Portishead 61 Radiohead – Amnesiac 62 Smith & Mighty – Big World Small World 63 Al Cohn – The Jazz Workshop Four Brass One Tenor 64 The National – Alligator 65 Percy Sledge – The Percy Sledge Way 66 The Smashing Pumpkins – Adore 67 Tool – Undertow 68 Yello – Flag 69 Yo La Tengo – And Then Nothing Turned Itself Inside-Out 70 Yonderboi – Shallow and Profound 71 ZZ Top – Live from Texas

Inside Vinyl – Unter der Oberfl äche ...better things come to those 32 Klein, aber fein – Plattenladen-Porträt 33rpm Store who go out and get them. 72 Neben der Schneidemaschine aufgewachsen – Zu Besuch bei den Bauer Studios

Playing Vinyl 78 Wer kann, der kann – Plattenspieler MoFi Studio Deck Plus ■

Ayreons Debütalbum „“ ist bis heute eines meiner Top-30-Alben überhaupt. Was Arjen Lucassen im Jahr 1995 an Kreativität bewies und musikalisch sowie logistisch in seiner Metal-Oper um- setzen konnte, ist noch heute maßstabsetzend. Dass der Nieder- länder nebenbei noch etliche andere Projekte laufen hat, ist (wie beim in derselben Liga spielenden Devin Townsend) fast schon unglaublich: Arjen Lucassen’s Star One, The , Gentle Storm … Auch auf „The Source“ hat Lucassen wieder eine feine Se- lektion des Metal-Personals versammelt, um eine akribisch ausge- arbeitete Geschichte zu erzählen. Unverkennbar zu erhören sind zum Beispiel Blind-Guardian-Stimmbandakrobat Hansi Kürsch, James LaBrie (Dream Theater), Simone Simons (Epica) und Lucas- sens Landsfrau (). An den Drums sitzt kein anderer als der ehemalige -Drummer Ed Warby. Jeder Sänger und jede Sängerin spielen dabei eine fest zugeteilte Rol- le. „The Source“ ist übrigens als Prequel zur Ayreon-Geschichte der „Forever“ vom Planeten Y zu verstehen, deren Geschichte eigentlich mit dem 2008er- „01011001“ bereits zu Ende gegangen war. Musikalisch besinnt sich Lucassen auf weniger Ayreon komplexe, dabei immer noch progressive und anspruchsvoll- epische Strukturen als auf dem direkten Vorgänger „The The Source Theory of Everything“. Jeder einzelne Track ist direkt zu- A1 The Day that the World Breaks Down gänglich, reißt mit und verschlingt den geneigten Zuhörer A2 Sea of Machines mit einer extrem durchdachten Fülle an Details. Einzel- A3 Everybody Dies ne Tracks herauszustellen, wäre zwischen Pizza B1 Star of Sirrah Diavola und Pasta Arrabiata bei Mamma B2 All that Was B3 Run! Apocalypse! Run! Italiana auf Sizilien zu wählen. Leider B4 Condemned to Live ist das Vinylmastering im Ver- C1 Aquatic Race gleich etwas fl ach und C2 The Dream Dissolves bedeckt. C3 Deathcry of a Race (mb) C4 Into the Ocean D1 Bay of Dreams D2 Planet Y Is Alive! D3 The Source Will Flow D4 Journey to Forever D5 The Human Compulsion D6 March of the Machines

VÖ-Datum 28.04.2017 Anzahl der Platten 2 Format 12" Label Mascot Label Group ■ Gnadenlos gut durcharrangiert und umgesetzt, eine Prog-Metal-Oper vom Feinsten! Bestellnr./Katalognr. MTR 7515 1 Recorded, mixed and produced at The Electric Castle Mastered at Tower Studio Pressed by MPO Specials Gatefold, Download-Code, A2-Poster und 16-seitiges Booklet Pressqualität (0–10) 7

6 Indie Rock ■

Broken Social Scene aus Ontario sind mir zum ersten Mal im Jahr 2007 über den Weg gelaufen. Damals fi ng gerade das Thema Musikdownloads an, an Traktion zu gewinnen, und das selbstbetitelte vierte Album der Kanadier aus dem Jahr 2005 war eines der, wenn nicht das erste Album, das ich bei iTunes runtergeladen hatte. Mein 2007er-Sommer in Wien war maßgeblich geprägt vom optimistischen Sound des Musikerkollek- tivs (mehr als zehn Mitglieder zeichnen für die Musik von Broken Social Scene verantwortlich, darunter auch die solo sehr erfolgreiche Leslie Feist). Mit „Hug of Thunder“ liegt nun der sechste BST-Longplayer vor. Die fünf beziehungsweise sieben Jahre langen Pausen zwischen den Releases sprechen für gereifte Musik, und das schlägt sich hier un- überhörbar nieder. Von der mir persönlich teilweise etwas zu schram- meligen Produktion abgesehen, die ab und an hart am gewollten Übersteuern vorbeinavigiert, ist „Hug of Thunder“ ein rundes Ding geworden, das die musikalische Perfektion aller Beteiligten bei- läufi g und unangestrengt in den treibenden, groovigen Songs im Broken Social Scene ersten Viertel des zum Ausdruck bringt. „Skyline“ bricht Hug of Thunder mit Synthieschwaden und dem träumerischen, leichten Refrain als erster Track ein wenig aus dem gitarrengeprägten Indie-Rock- A1 Sol Luna Schema aus und darf sich vielleicht als Wendepunkt des Albums A2 Halfway Home verstehen. Dass die Kanadier nämlich Musik mit Message A3 Protest Song machen, dürfte nach dem Studium der Texte auch dem letzten A4 Skyline Hörer klar werden – gegen die Gleichgültigkeit, gegen Gewalt B1 Stay Happy als Mittel zum Zweck, für ein philanthropisches Menschenbild B2 Vanity Pail Kids in einer freien Gesellschaft. Utopie? Vielleicht, und in Songs wie B3 Hug of Thunder „Gonna Get Better“ bricht sich zumindest ein leichter Zynismus Bahn. Dennoch: Die positive Attitüde, so das Credo, ist das Letz- C1 Towers and Masons C2 Victim Lover te, was uns verloren gehen darf. C3 Please Take Me with You (mb)

D1 Gonna Get Better D2 Mouth Guards of the Apocalypse ■ Broken Social Scene sind mit einem Album D3 Old Dead Young zurück, das die vielen Facetten der Band zu einem die Band defi nierenden Opus vereint. VÖ-Datum 07.07.2017 Anzahl Platten 2 Format 12" Label City Slang

Bestellnr./Katalognr. SLANG50120LTD Engineered by Nyles Spencer, , Joe Chiccarelli, Shawn Everett, Alex Gamble Mastered by Emily Lazar Mixed by Shawn Everett Specials Limited Edition, Clear Vinyl, LP mit Bonustrack „Old Dead Young“, Download Card, 28-seitiges Booklet Pressqualität (0–10) 9

7 ■ Alternative Latin Dance Pop

Man könnte beim ersten Reinhören den Eindruck bekommen, dass „Exitoca“ ein oberfl ächlich vor sich hin träl- lerndes Pop-Album ist, so beschwingt und fast schon naiv legt die Multi- kulti-Band mit Wohnsitz in UK nach dem kurzen Intro mit „Goat Flokk“ und einem wunderbaren Mitsing- Refrain los. Wenn man sich allerdings die Texte mal genauer anschaut, fi ndet man schnell heraus, dass sie durchaus Tiefgang besitzen und sich um sehr reale und auch bedrohliche Themen drehen. Was macht eigentlich ein so internationales Künstlerkollektiv (Ägypten, Portugal, Spanien, Frankreich, USA) in Zeiten des Brexits in UK? Wie geht es weiter mit ihnen und der Welt ganz im Allge- meinen? Aufgenommen wurde „Exitoca“ (ein Verweis auf das „Exotica“-Genre, das in den 50er- und 60er-Jahren Cristobal and the Sea die eskapistischen Träume einer ganzen Generation amerika- nischer Angestellter und Hausfrauen verkörperte. Deren größ- Exitoca ter Wunsch war es, in ein unkompliziertes pazifi sches Paradies A1 – Porcelanosa zu ziehen, das ihre eigenen kreativen Bedürfnisse und nicht die A2 – Goat Flokk physische Umgebung, in der sie sich befanden, einfangen sollte) A3 – Totem Tennis im Heimstudio von Yehan Jehan, Sohn bosnischer Einwanderer, A4 – Steal My Phone in einem Vorort von Paris. Musikalisch bewegen sich Cristobal A5 – Father and Producer A6 – Salsa Dude and the Sea im Spannungsfeld von lockerem Dance-Pop und A7 – The Seed salsageschwängerter Latin-Harmonie, würzen das Ganze aber mit einer Prise Britpop aus den 1990er-Jahren und B1 – Brother Flower-Power aus den 1960ern – dazu passt B2 – Smadness auch die... sagen wir mal, grundsätzlich B3 – The Leaf Isn’t Turning Red B4 – Before Nine den körperlichen Freuden in freier Aus- B5 – Uma Voz gestaltung zugetane Grundhaltung der B6 – Sa Ou Che Band (akustisch fi ebrig-schwül umge- B7 - Take a Look at My Mind setzt in „The Seed“). Spannend, sehr gut produziert und alles andere als VÖ-Datum 22.09.2017 gewöhnlich. Anzahl Platten 1 (mb) Format 12" Label City Slang Records

Bestellnr./Katalognr. SLANG50118LP Produced and Mixed by Yehan Jehan Mastered by Vlado Dzihan at Milkshop Mastering Specials Limitiert, blaues Vinyl Pressqualität (0–10) 9

■ Gute Laune mit außergewöhnlicher Musik sowie relevanten Texten und Ideen.

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