Herbert Grassl „Von Liebe Singen…“ (2018)

Herbert Grassl „Von Liebe Singen…“ (2018)

HERBERT GRASSL „VON LIEBE SINGEN…“ (2018) Ein Liederzyklus mit Texten von Francesco Petrarca und Rainer Maria Rilke für Alt-Solo, 5 Vokalstimmen, Schlagzeug-Solo und Ensemble (Kompositionsauftrag des Südtiroler Künstlerbundes, Uraufführung) Eine Veranstaltung des Institutes für Neue Musik in Kooperation mit der Internationalen Paul Hofhaymer Gesellschaft Freitag, 25. Mai 2018 19.30 Uhr Solitär Universität Mozarteum Mirabellplatz 1 Ausführende Zum Werk Die Kantate Von Liebe singen... beinhaltet drei Lieder für Altstimme und Ensemble, nach Texten Hofhaymer Vokalensemble von Rainer Maria Rilke (1975 Prag, 1926 Montreux), sowie eine Auswahl von fünf Sonetten aus dem Gedichte Zyklus Canzoniere von Francesco Petrarca in Originalsprache (italienisch – Bernadette Furch Alt solo florentinisch). Alexandra Raschké-Lampert Sopran Bernhard Landauer Countertenor Wie soll ich meine Seele halten Bernd Lambauer Tenor Das Liebeslied von Rainer Maria Rilke beinhaltet einen starken Bezug zur Musik: Alexander Voronov Bass Schwingen, anrühren, Bogenstrich, Saiten, Musikinstrument und zuletzt der Geiger. Das war aber nicht der Grund für die Auswahl dieses Textes. Es geht hier weniger um Musik, als um eine „physikalische“ Seelendarstellung, die als komplexes Beiwerk des süßen Liedes auch Angstgefühle Ensemble Chromoson zum Ausdruck bringt: Angst vor Bindung (Saiten, auf das Instrument gespannt) Angst vor Verlust von Kontrolle („und welcher Geiger hat uns in der Hand“) oder sogar Todessehnsucht? („an einer Carolin Ralser Flöte fremden, stillen Stelle die nicht weiterschwingt“). Aber das süße Lied steht im Vordergrund. Katharina Teufel Harfe Die Macht der Liebe, oder die Ohnmacht durch die Liebe wird auch im 2. Gedicht besungen: Elfa Rún Kristinsdóttir Violine Ich gleite, mich verlierend selbst mir aus der Hand... Der vorherige Zustand wie eines Steines, über Michele Marco Rossi Violoncello den der Bach mit Murmeln zieht... ist trotz Angst vor den Risken dieser stürmischen Veränderung David Fliri Horn nachrangig: jemand hat mein armes warmes Leben irgend einem in die Hand gegeben, der nicht Hannes Lugger Trompete weiß was ich noch gestern war. Philipp Lamprecht Schlagzeug Wie hab ich das gefühlt, was Abschied heißt steht am Anfang dieses Gedichts. Am Ende des ausschnittweise vertonten 3.Gedichts erinnert die Szene eines andauernden Winkens an einen Abschied. Nach und nach und dann endgültig vollzogen: ein leises Weiterwinkendes, schon kaum Dirigent: Kai Röhrig erklärbar mehr und dann: vielleicht ein Pflaumenbaum von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen. Diese Szene bildet den Abschluss dieses Liedes. Fünf Sonette aus dem Gedichte-Zyklus Canzoniere von Francesco Petrarca Petrarcas Canzoniere beinhaltet 366 Gedichte. Davon 317 Sonette (das Sonett wurde ca. 100 Jahre vor Petrarca vom Dichter Jacobo da Lentini entwickelt). 5 Sonette wurden für diese Kantate ausgewählt. Im Inhalt dreht sich alles um die Liebe zu Laura. Laura soll es – nach Angaben des Dichters – wirklich gegeben haben. Sie war wohl real nicht erreichbar, jedoch Quelle seiner Inspiration. Umso leidenschaftlicher wird seine Liebe in den kunstvollen Sonetten beschrieben. Nach ihrem Tod (angeblich 1348) paart sich diese Liebe mit tiefer Trauer und so werden fiktive Dialoge und Begegnungen eingeflochten. Im letzten der 5 ausgewählten Gedichte werden noch einmal die körperlichen Schönheiten Lauras, so wie ihr Sprechen und Lächeln gepriesen. Seine leidenschaftliche Eifersucht endet nicht im Diesseits: ...or n’à diletto il Re celeste, i Suoi alati corrieri; et io sono qui rimaso ignudo et cieco... (Nun findet an ihnen sein Entzücken der himmlische König und Seine geflügelten Booten; und ich bleibe hier zurück, nackt und blind). Herbert Grassl Drei Gedichte von Rainer Maria Rilke Fünf Sonette aus dem Gedichte-Zyklus „Canzoniere“ von Francesco Petrarca I. Wie soll ich meine Seele halten, daß sie nicht an deine rührt? I. I. Wie soll ich sie hinheben über dich zu andern Dingen? Alma felice che sovente torni Glückliche Seele, die du oft zurückkehrst, Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas Verlorenem a consolar le mie noni dolenti um meine schmerzensreichen Nächte zu trösten im Dunkel unterbringen an einer fremden stillen Stelle, con gli occhi tuoi che Morte non à spenti, mit deinen Augen, die der Tod nicht ausgelöscht, die nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen. ma sovra ’l mortai modo fatti adorni: sondern über sterbliches Maß verschönt hat: Doch alles, was uns anrührt, dich und mich, nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, quanto gradisco che’ miei tristi giorni Wie teuer ist es mir, dass du einwilligst, meine der aus zwei Saiten eine Stimme zieht. a rallegrar de tua vista consenti! traurigen Tage mit deinem Anblick zu erfreuen! Auf welches Instrument sind wir gespannt? Così comincio a ritrovar presenti So beginne ich, deine Schönheit an ihren Und welcher Geiger hat uns in der Hand? le tue bellezze a‘ suoi usati soggiorni, gewohnten Stätten gegenwärtig zu finden, O süßes Lied. là ’ve cantando andai di te molt’anni, dort, wo ich von dir singend viele Jahre einher ging, II. or, come vedi, vo di te piangendo: [und] heute, wie du siehst, dich beweine - Ja ich sehne mich nach dir. Ich gleite di te piangendo no, ma de’ miei danni. nein, nicht dich beweine, sondern meinen Schaden. mich verlierend selbst mir aus der Hand, ohne Hoffnung, daß ich Das bestreite, Sol un riposo trovo in molti affanni, Nur einen Trost finde ich in vielen Leiden, dass, was zu mir kommt wie aus deiner Seite che, quando torni, te conosco e ’ntendo wenn du zurückkehrst, ich dich erkenne und ernst und unbeirrt und unverwandt. a l’andar, a la voce, al volto, a’ panni verstehe am Gang, an der Stimme, am Antlitz, an den Gewändern. ... jene Zeiten: O wie war ich Eines, nichts was rief und nichts was mich verriet; II. II. meine Stille war wie eines Steines, Se lamentar augelli, o verdi fronde Wenn die Klage der Vögel oder des grünen Laubs über den der Bach sein Murmeln zieht. mover soavemente a l’aura estiva, sanftes Rauschen im Sommer-Wind oder o roco mormorar di lucide onde das heisere Murmeln heller Wellen an einem Aber jetzt in diesen Frühlingswochen s’ode d’una fiorita et fresca riva, blumenreichen, kühlen Ufer zu hören sind, hat mich etwas langsam abgebrochen von dem unbewußten dunkeln Jahr. là ‘v’io seggia d’amor pensoso et scriva; dort, wo ich über die Liebe sinnend sitze und Etwas hat mein armes warmes Leben lei che ’l ciel ne mostrò, terra n’asconde, schreibe, [dann] sehe ich sie, die der Himmel uns irgendeinem in die Hand gegeben, veggio et odo et intendo ch’anchor viva zeigte, die Erde uns verbirgt, und höre sie und der nicht weiß was ich noch gestern war. di sì lontano a’ sospir’ miei risponde: meine, dass sie noch lebend aus der Ferne auf meine Klagen antwortet. III. (Ausschnitt) Wie hab ich das gefühlt, was Abschied heißt. »Deh, perché inanzi ’l tempo ti consume? »Ach, warum verzehrst du dich vor deiner Zeit?« Wie weiß ich‘s noch: ein dunkles, unverwund‘nes, - mi dice con pietate - a che pur versi sagt sie zu mir voll Mitleid - »warum vergießt du grausames Etwas, das ein schön verbund‘nes degli occhi tristi un doloroso fiume? aus den traurigen Augen einen Strom des noch einmal zeigt und hinhält und - zerreißt. Schmerzes? Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen, Das, da es mich, mich rufend, gehen ließ, Di me non piangere tu, ché’ miei dì fersi, Über mich sollst du nicht weinen, denn meine Zurückblieb, so als wären‘s alle Frauen morendo, eterni, et ne l’interno lume, Tage wurden, als ich starb, zu ewigen; und im Und dennoch klein und weiß und nichts als dies: quando mostrai de chiuder, gli occhi apersi«. innern Licht öffnete ich, als ich scheinbar sie Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen, schloss, die Augen!« Ein leise Weiterwinkendes -, schon kaum Erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum, Von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen. III. III. V. V. Aura che quelle chiome bionde et crespe Lufthauch, der du jene blonden und gekräuselten Da più belli occhi, et dal più chiaro viso Aus den schönsten Augen und dem hellsten cercondi et movi, et se’ mossa da loro, Haare umgibst und bewegst und von ihnen che mai splendesse, et da‘ più bei capelli, Antlitz, das je leuchtete, von den schönsten soavemente, et spargi quel dolce oro, bewegt wirst, auf sanfte Art, und jenes süße che facean l’ oro e ’l sol parer men belli, Haaren, die das Gold und die Sonne weniger schön et poi ’l raccogli, e ’n bei nodi il rincrespe, Gold ausstreust und es dann einsammelst und es dal più dolce parlare et dolce riso, erscheinen ließen, aus der süßesten Rede und wieder in schönen Knoten kräuselst, dem süßen Lächeln, tu stai nelli occhi ond’amorose vespe du wehst um die Augen, aus denen verliebte da le man’, da le braccia che conquiso von den Händen, von den Armen, welche, mi pungon sì, che ’nfìn qua il sento et ploro, Wespen mich so stechen, dass ich es bis hierher senza moversi avrian quai più rebelli ohne sich zu rühren, die, die Amor am meisten et vacillando cerco il mio thesoro spüre und weine und taumelnd meinen Schatz fur d’Amor mai, da’ più bei piedi snelli, widerstanden, erobert hätten, von den come animai che spesso adombre e ’ncespe: suche, wie ein Tier, das sich häufig ängstigt und da la persona fatta in paradiso, schönsten behenden Füßen, von der im Paradies strauchelt: geschaffenen Person, eh‘ or me ’l par ritrovar, et or m’accorgo Nun glaube ich ihn wiederzufinden und bemerke, prendean vita i miei spirti: or n a diletto erhielten meine Geister [ihr] Leben: Nun findet ch’i’ ne son lunge, or mi sollievo or caggio, dass ich weit entfernt bin, nun bin ich erleichtert, il Re celeste, i Suoi alati corrieri; an ihnen sein Entzücken der himmlische König ch’or quel ch’i’ bramo, or quel ch’è vero scorgo. nun stürze ich, weil ich einmal das, was ich et io son qui rimaso ignudo et cieco.

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