Stand: 01.04.2021 Stand: 01.04.2021 Der Grenzlehrpfad in Wildeck-Obersuhl "Geschichte zum Anfassen", das bietet der Grenzlehrpfad dem Besucher in wohl einmaliger Weise. „Wir erinnern uns gemeinsam“, unter diesem Motto wurde 2009 im Rahmen einer Fest- und Gedenkwoche anlässlich 20 Jahre Öffnung der innerdeutschen Grenze durch die ehemaligen Grenzkommunen Berka/Werra – Gerstungen und Wildeck auch ein Grenzlehrpfad offiziell eröffnet. Es war die Idee von Mitgliedern des Geschichtsvereins Wildeck, durch einen Grenzlehrpfad die Erinnerung an die Situation an der Zonengrenze wach zu halten und für die, die sie selbst erlebt haben, vor allem für die Generation der jetzt Heranwachsenden. Aus Mitteln des EU LEADER-Programms und der Gemeinde Wildeck wurden entlang der ehemaligen Zonengrenze am Ortsende von Wildeck-Obersuhl in Richtung Gerstungen- Untersuhl 8 Schaukästen mit Zusatztafeln aufgestellt. Durch Texte, Datenübersichten und Fotos werden dem Betrachter die Stufen des Ausbaus der ehemaligen Grenze erläutert. Die Unmenschlichkeit dieser Grenze und deren Auswirkungen auf das Leben der Menschen auf beiden Seiten werden deutlich gemacht. Der ca. 1.200m lange Grenzlehrpfad beginnt am Ortsende von Wildeck-Obersuhl in Richtung Gerstungen und endet am Grenzmuseum auf der Wache. Stand: 01.04.2021 Erläuterungen zu den einzelnen Stationen: Station 1: Geschichtliche Entwicklung der Grenze - Erinnerungsstein Sondertafel: Zwangsumsiedlung in der DDR Am 8. Mai 1945 endete mit der bedingungslosen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht der Zweite Weltkrieg in Europa. Bereits vier Wochen später, am 5. Juni, gaben die Oberbefehlshaber der vier Siegermächte durch drei Proklamationen den Beginn der Besatzungsherrschaft über Deutschland förmlich bekannt. Deutschland wurde in vier Besatzungszonen eingeteilt, Berlin in 4 Sektoren. Zwischen der sowjetischen und den drei westlichen Besatzungszonen wurde noch im selben Jahr eine Demarkationslinie gezogen; die Grenzlinie kennzeichnete man mit gelb-weißen Holzpfählen und farbigen Markierungen an Bäumen. Fortan war über die Demarkationslinie nur noch ein kleiner Grenzverkehr für Arbeitspendler und Landwirte möglich. Im Sommer 1946 wurde auf Betreiben der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) die Zonengrenze/Demarkationslinie gesperrt, um angeblich eine Entvölkerung der sowjetischen Besatzungszone zu verhindern. Dafür sollte nun ein Interzonenpass das legale Passieren der Demarkationslinie in beschränktem Maße ermöglichen. Als nächstes folgte ab 1947 die Errichtung einfacher Stacheldrahthindernisse an besonders unübersichtlichen Stellen und Waldgebieten entlang der Demarkationslinie, und ab dem Jahr 1948 verhinderten Sperren an den grenzüberschreitenden Straßen und Wegen ein unkontrolliertes Überschreiten der Grenze. Zudem ordnete der SMAD im Juli 1948 an, dass bei der Einreise in die Sowjetische Besatzungszone eine Aufenthaltsgenehmigung erforderlich ist. Im Jahr der Staatsgründung der DDR (7.10.1949) tauchten an der Zonengrenze die ersten Wachtürme aus Holz nach sowjetischem Muster auf, und es begannen die ersten Massenfluchten in den Westen. In den Jahren 1950/1951 setzte ein stetiger Ausbau der Grenzsicherungsanlagen mit weiteren Wachtürmen, Stacheldrahtzäunen, Stacheldrahthindernissen usw. ein; und insgesamt 363436 Menschen kehrten der noch jungen DDR den Rücken und flüchteten in die Bundesrepublik Deutschland. Besonders schmerzlich war für die DDR der hohe Anteil der jüngeren Flüchtlinge; über 50 Prozent von ihnen waren unter 25 Jahren – Menschen, die für den dringenden Neuaufbau wertvoll gewesen wären. Stand: 01.04.2021 Am 26. Mai 1952 erließ der Ministerrat der DDR eine „Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie“. In der Verordnung war unter anderem zu lesen: „In Befolgung ihrer Kriegspolitik haben die Bonner Regierung und die westlichen Besatzungsmächte an der Demarkationslinie einen strengen Grenz- und Zolldienst eingeführt, um sich von der Deutschen Demokratischen Republik abzugrenzen und dadurch die Spaltung Deutschlands zu vertiefen. Das Fehlen eines entsprechenden Schutzes der Demarkationslinie seitens der Deutschen Demokratischen Republik wird von den Westmächten dazu ausgenutzt, um in immer größerem Umfange Spione, Diversanten, Terroristen und Schmuggler über die Demarkationslinie in das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zu schleusen. Diese haben nach Ausführung ihrer verbrecherischen Aufgaben bislang leicht die Möglichkeit, ungehindert über die Demarkationslinie nach Westdeutschland zurück zu kehren“. Kurz um, der Aufbau eines Sperrsystems an der innerdeutschen Grenze war beschlossene Sache, die Teilung Deutschlands trat in eine entscheidende Phase. Das Ministerium für Staatssicherheit wurde noch am gleichen Tage des Inkrafttretens der Verordnung aktiv und verfasste eine »Polizeiverordnung über die Einführung einer besonderen Ordnung an der Demarkationslinie«. Sie war der Auslöser zur Errichtung einer fünf Kilometer breiten Sperrzone Entlang der Demarkationslinie, die sich wie folgt gliederte: ► Aussiedelung der innerhalb der 5-km-Sperrzone ansässigen Bewohner. Ausge- nommen sind "politisch zuverlässige" Personen, sie erhalten einen ent- sprechenden Stempelaufdruck in ihren Ausweis. Die Sperrzone dürfen Bewohner der DDR nur mit besonderer Genehmigung betreten. ► Anwohner der 500-Meter-Zone erhalten bei den örtlichen Polizeirevieren einen Stempel in ihren Ausweis, der sie zum dortigen Aufenthalt berechtigt. Die Grenz- polizei gestattet zusätzlich mit einer Berechtigungserlaubnis das Wohnen inner- halb dieser Zone („Wohnrecht in der Sperrzone und berechtigt, sich im Gebiet des Kreises ....... bis ...... aufzuhalten“). Alle öffentlichen Kinos, Gaststätten und Pensionen werden geschlossen, Versammlungen und Massenkundgebungen verboten. ► Abholzung und Umpflügung eines 10 Meter breiten Kontrollstreifens unmittelbar an der Grenze. Das Überschreiten des Streifens ist für alle Personen fortan verboten. Sollte versucht werden, den Kontrollstreifen in jedweder Richtung zu überschreiten, so werden diese Personen von der Grenzpolizei festgenommen; bei Nichtbefolgung der Anordnungen der Grenzstreifen wird von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. Stand: 01.04.2021 Sondertafel Zwangsaussiedlung aus dem Grenzgebiet der DDR Als nächstes holte die DDR-Führung zu einem großen Schlag gegen die für sie als „politisch unzuverlässig“ eingestuften Personen aus. In den Monaten Mai und Juni 1952 erfolgte unter dem Decknamen „Ungeziefer“ eine Zwangsumsiedlungsaktion. Etwa 11.000 Bewohner der Grenzregion der DDR wurden von den Behörden als „feindliche, verdächtige, kriminelle Elemente“ eingestuft. Davon wurden 8.371 Personen aus diesem Grund zwangsausgesiedelt in andere Regionen der DDR. Für die Durchsetzung der „Besonderen Ordnung“ an der Demarkationslinie sollten auch die Verbliebenen durch die willkürliche Maßnahme eingeschüchtert und zu angepassten Verhalten gezwungen werden. Die in den Begründungen für die Aussiedlung angeführten Straftaten waren in nahezu keinem Fall durch ein DDR-Gericht rechtsgültig bestätigt worden. 3.000 Menschen sind dabei in die Bundesrepublik Deutschland geflohen. In Thüringen wurden ca. 3.500 Menschen ausgesiedelt (Quelle: Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit). Von nun an zertrennte eine unmenschliche Grenze unser Land. Bis auf sechs Eisenbahnübergänge für den Interzonen- und Berlinverkehr wurden sämtliche Eisenbahnverbindungen entlang der Grenze gesperrt und teilweise demontiert. Auch der Straßenverkehr kam zum Erliegen; von den mehr als 30 Fernstrassen und Autobahnen, den etwa 140 Landstrassen sowie tausender öffentlicher Gemeindewege und private Wirtschaftswege wurden bis auf fünf kontrollierte Strassen- und Autobahnübergänge alle über die Demarkationslinie führende Verkehrsverbindungen durch Eisenträger, Balken und andere Sperranlagen blockiert. Für Hessen und Thüringen bedeutete dies, dass fortan nur noch die Straßenverbindung zwischen Herleshausen und Wartha/DDR genutzt werden konnte und der Schienenverkehr verblieb in der Region nur die Eisenbahnverbindung zwischen Bebra und Gerstungen. 1961 erfolgte die Aktion „Festigung“ Die Leitung dieser Aktion oblag neben Erich Honecker den Ministern für Staatssicherheit Erich Mielke, des Innern Karl Maron und der Nationalen Verteidigung Heinz Hoffmann. Im September 1961 wurden unterschiedliche Codenamen für Bezirke festgelegt: „Osten“ (Rostock/Schwerin), „Neues Leben (Magdeburg), „Kornblume“ (Erfurt), „Blümchen“ (Suhl), „Grenze“ (Gera) und „Frische Luft“ (Karl-Marx-Stadt). Am 1. Oktober 1961 um 23 Uhr lösten die Bezirkseinsatzleitungen die Aktion aus. Einheitlich um 06 Uhr wurden an die Türen der Opfer geklopft. Am Abend des 3. Oktobers war die Aktion abgeschlossen. Etwa 3.000 Menschen wurden zwangsausgesiedelt; davon waren in Thüringen ca. 1.7000 betroffen. Stand: 01.04.2021 Auch grenznahe Ortschaften im Kreis Eisenach, u.a. Großburschla, Ifta, Sallmannshausen und Gerstungen waren betroffen. 1961 war die innerdeutsche Grenze bereits so stark ausgebaut, dass es kaum zu Fluchten während der Aktion kam. Nach der Aktion fanden weitere Aussiedlungen bis hin in die 1980er Jahre statt, so dass die Einwohner der Sperrzone ständig in Angst vor einer möglichen Ausweisung gehalten wurden. Quelle: Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit. Flucht und Vertreibung aus Thüringen zwischen 1949 und 1989 Quelle: Der Landesbeauftragte des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (ThLA) Am Ende des Zweiten Weltkrieges flohen bereits viele Menschen vor den nahenden sowjetischen
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