Glasfenster Mineralbad Berg, Stuttgart, 1959, (Detail) (ACK9007) vON vERSTECKTEN FENSTERN UND BUNTEN LICHTBLICKEN: MAX ACKERMANN IN STUTTGART Ein Rundgang durch die Stadt, die den Künstler so faszinierte – auf den Spuren seines gläser- nen vermächtnisses. Mühlbachhofschule Stuttgart (ACK9002) Linsenspätzle, der Status als Haupt- los. Und das wollte für den eigen- auf die weiten Hügel Stuttgarts geb- den wenigen Glücklichen, die sich in stadt des Königreichs Württem- willigen und durchsetzungsfähigen lickt haben, und im selben Windzug einer Stadt verewigen konnten. berg, Eduard Mörike, die Daimler Jungkünstler etwas heißen: bereits endgültig vom schwäbischen Flair Unsere Spurensuche beginnt früh Motorengesellschaft – eine dieser drei kunstakademischen Metropo- beseelt worden sein. In den drei- morgens in der Eingangshalle der Eigenschaften wird das entschei- len hatte der damals 25 jährige den ßiger Jahren erwarb er dort oben ein Mühlbachhofschule auf dem Killes- dende Argument gewesen sein. Rücken gekehrt. So sagte ihm auch Grundstück, welches er liebevoll berg. Schulranzen reihen sich den Sicherlich mögen der gute Trollin- die Stuttgarter Kunstakademie nicht „’s Wiesle“ taufte, und das darauf Flur entlang, erwartungsvolle Stille ger, das Cannstatter Volksfest und zu, aber im Gegensatz zu Weimar, erbaute Atelier „’s Häusle“. Sicher- liegt über den sorgfältig nebenei- das damals (noch) topmoderne Dresden und München, vermochte lich ein willkommener Ausgleich nander geordneten Kinderschuhen. Bahnhofsgebäude von Paul Bonatz es Stuttgart dennoch, ihn zu halten. zu seinem der konstruktivistischen Freundlich weist die Sekretärin auf das Ihrige dazu beigetragen haben, Er war aufgrund familiärer Bin- Theorielehre gewidmeten Atelier in das kleine Fenster gegenüber von und auch die von ihren postmoder- dungen in die württembergische der Urbanstraße 31b. Von letzterem ihrem Büro. Es ist eines von 6 in nen Tagen weit entfernte Staatsgale- Stadt gekommen (seine beiden ist seit einem Bombardement 1943 Stuttgart erhaltenen Glasfenster- rie dürfte eine Rolle gespielt haben: Brüder lebten dort, später kam auch leider nichts mehr zu sehen. Doch arbeiten, die Max Ackermann zwi- Nachdem Max Ackermann im Jahre ihre Mutter hinzu), doch musste er selbst wenn die meisten Spuren der schen 1952 und 1959 für die Stadt 1912 erstmals in Stuttgart Fuß eines frühherbstlichen Tages einmal Stuttgarter Zeit Max Ackermanns seiner Wahl anfertigte. Dieses eher fasste, ließ ihn die Stadt nicht mehr auf dem Frauenkopf gestanden und verwischt sind, zählt der Künstler zu kleine Werk ist dem mit „Straßen“ 10 – POOL POOL – 11 (Fluren) und „Häusern“ (Klassen- Weiter geht es, runter in die Stadt. Max Ackermann: Bau des Stuttgarter Tagblatt-Turmes, 1928, Radierung auf zimmern) konzipierte „Schuldorf“ Vom Hauptbahnhof aus etwas die Kupferdruck-Bütten (W VR 2801) eingebunden, das 1955 von Helmut Königsstraße entlang, von weitem Erdle als Wiederaufbau entworfen zum 1928 eingeweihten, von Acker- wurde – still und leise leuchtet es mann skizzierten, Tagblatt-Turm blau und rot in die Grundschule, an blickend, weiter Richtung Westen deren Flurwände einige gestaltete an der Marienstraße vorbei, in wel- Gedichte hängen. cher Ackermann ebenfalls 1928 mit keinem anderen als George Grosz À propos Gedichte: Eine U-Bahn und Wassily Kandinsky ausstellte. Haltestelle weiter würde uns Eduard An der Adresse des damaligen Mörike wieder begegnen. Im Herzen Kunsthauses Schaller steht heute des Pragfriedhofs nämlich, wo der eine beeindruckende McDonalds- viel gerühmte Lyriker begraben liegt, Filiale, doch das soll uns nicht weiter sollte das nächste Fenster sein. Doch stören: Unser nächstes Ziel ist weit das 1952 an der alten Leichenhalle sakraler. Auf dem Rosenberg, ent- angebrachte Werk wurde im letzten fernt von Innenstadttrubel und Jahrzehnt vor dem Abriss seines Fastfood-Geruch, steht die 1957 neu Standorts ausgebaut und liegt nun eingeweihte evangelische Gedächt- irgendwo demontiert in einem Sei- niskirche mit ihrem backsteinroten tenarm des Friedhofsverwaltungs- Kirchturm. Hinein geht es durch die labyrinths. Schade, aber der kurze Seitenpforte in das leuchtend weiße Ausflug in die große Grünanlage Treppenhaus. In diesem Inneren wird des Stuttgarter Nordens ist dennoch man sich einer eigentümlichen Prä- lohnenswert. Beim Verlassen der senz wundern: Des Lichts. Tatsäch- Friedhofsmauern sollte übrigens kurz lich lässt das hier in Beton gefasste an Willi Baumeister gedacht werden, Fenster von Max Ackermann schon welcher mit Max Ackermann und über die untersten Treppenstufen Oskar Schlemmer das sogenannte einen weichen Schimmer huschen, „Stuttgarter Dreigestirn“ konstituiert der mit jedem Schritt nach oben zu und auf dem Pragfriedhof ruht. mehr Intensivität anwächst. Es trägt seine eindeutige Handschrift: Linien und Kreise, Grund- und Freiformen in komponierten Farben, ganz nach seiner von Mentor Adolf Hölzel inspi- Pragfriedhof Stuttgart, Alte Leichenhalle, 1952 (ACK9013) rierten Farbtheorie. unten: Gedächtniskirche, Stuttgart, rechts: Treppenhaus im Turm 12 – POOL POOL – 13 Glasfenster, Mineralbad Berg, Stuttgart, 1959 (ACK9007) Man kann sich ruhig eine ausgedehnte Weile am Licht der Wendeltreppe laben. Ähnlich kurierend geht es dann auch weiter, aber: Tapetenwechsel. Kirchenakustik wird zu hoher Luft- feuchtigkeit, Steinboden zu weißen Kacheln, Jeans und Jacke zu ent- spannenden Bademänteln. Hinter der Wilhelma befindet sich das oft vergessene Mineralbad Berg. Dessen reine Quelle ist durch den Streit um den heute nicht mehr so topmo- dernen Bahnhof ebenfalls gefährdet, wie wir von einem alteingesessenen Mineralbad-Berg-Duschpolitiker erfahren. Stammgäste des Mine- ralbads wie er kennen das Fenster. In hübscher Handschrift steht Max Ackermann auf einem blauen Glasteil des kreisrunden Deckenfensters im Mineralbad. Erhaben erhellt es die Eingangshalle, leicht beschlagen von Max Ackermann: Bauplatz Stuttgart, 1925, Radierung auf Kupferdruck-Bütten (W VR 2501) den aus den Duschen aufsteigenden Zur Abrundung unserer Tour wollen lassen, die Ackermann 1929 anferti- Dämpfen. Zwei weitere Ackermann- wir, vielleicht nach einem beleben- gte. Wer danach keine Energie mehr fenster im Fanny-Leicht-Gymnasium den Bade, noch ein weiteres, fast hat, die 20 Werke Adolf Hölzels in sowie im Königin Olga Stift, sind unbekanntes Erbe besichtigen, das der Dauerausstellung zu betrachten, in den jeweiligen Musiksälen in der Max Ackermann Stuttgart hinter- sollte sich etwas stärken – nach einer erquickenden Gesellschaft von Flü- ließ. Im Depot der Staatsgalerie solchen Tagestour empfehlen wir geln, Musikheften und Verstärkern kann man sich jeden Donnerstag Linsenspätzle, mit einem Glas vom untergebracht und der Öffentlichkeit zwischen 15 und 20 Uhr die Graphik guten Trollinger. Barbara Kiolbassa leider nicht ganz so leicht zugänglich. Bildnis Heinrich Altherr vorlegen 14 – POOL POOL – 15.
Details
-
File Typepdf
-
Upload Time-
-
Content LanguagesEnglish
-
Upload UserAnonymous/Not logged-in
-
File Pages3 Page
-
File Size-