Harald Mielsch DerWelcker-Ring eintraditionsobjekt der Bonner Archäologie Friedrich gottlieb Welcker (*, †) war seit Professor für Philologie und Altertums- wissenschaften der neu gegründeten Universität Bonn, Direktor des Akademischen Kunstmuse- ums sowie oberbibliothekar der Universität, seit auch Direktor des museums vaterländischer Altertümer.ergalt als einer der bedeutendsten Professoren der Universität, der in der Literatur- geschichte,der mythologie und Religion und in der Archäologie wichtige Arbeiten vorlegte1. Dazu gehören seine studien zur griechischen tragödie, vorallem zu den nur aus Fragmenten bekannten Werken des Aischylos, deren Zusammengehörigkeit in trilogien wie der bekannten orestie er zuerst erkannte, ferner religionsgeschichtliche und mythologische Werke, die in der von bis erschienenen ›griechischen götterlehre‹ gipfelte, und zahlreiche einzelunter- suchungen zu archäologischen Fragen, sowohl stilistischenals auch vorallem ikonographischen und mythologischen, die in den fünf von an herausgegebenen Bänden ›Alte Denkmäler‹ zusammengefasst sind. ohne politisch direkt aktiv zu sein, war er doch ein Vertreter demokra- tischer ideen, der beiden ›Demagogenverfolgungen‹ mit hausdurchsuchungen und Beschlag- nahme sämtlicher Papiereunter Druck gesetztund mehrfach vomAmt suspendiertwurde ( und ). Vonseinem Wirken zeugen noch heute die alten Bestände der Universitätsbibliothek Bonn und, besser sichtbar,große teile der Abgusssammlung des Akademischen Kunstmuseums, das er ebenso aufgebaut hat, wie er die Anfänge der originalsammlung betreute.Fastunbekannt blieb einkleines objekt, das seit seinem tode unter Altertumswissenschaftlern und Archäologen weitergereicht wird, der Welcker-Ring. es handelt sich um einen schön geformten, modernen goldring (Abb. )inabgerundeten Formen, auf den die glatte einfassung des steins aufgesetzt ist. es ist nicht sicher,obder Ring in dieser Form aus dem mittleren neunzehnten Jahrhundertstammt. eingraviertist die Feinge- haltsbezeichnung , die erst eingeführtwurde. Vielleicht ist sie später angebracht worden, 1 Zu Welcker s. R.Kekulé, DasLeben Friedrich gottlieb in Bonn.Ausstellungskatalog Universitätsbibliothek Bonn Welckers (Leipzig ); e.Langlotz in: Jahre / (Bonn ); W. Calder (hrsg.), Friedrich Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn gottlieb Welcker.Werkund Wirkung. Vorträge gehalten –, Bonner gelehrte, Philosophie und Altertums- auf der Welcker-tagung […] und zur eröffnung der wissenschaften (Bonn ) –; W. ehrhardt, Das Ausstellung [siehe zuvor]. hermes einzelschr.(stuttgart Akademische Kunstmuseum der Universität Bonn un- );W.geominy in: R.Lullies /W.schiering, (hrsg.), ter der Direktion vonFriedrich gottlieb Welcker und Archäologenbildnisse Porträts und Kurzbiographien von otto Jahn (opladen ); Friedrich gottlieb Welcker Klassischen Archäologen deutscher sprache (mainz ) –. Philologe, Archäologe und oberbibliothekar f. 2 harald mielsch etwabei einer Umänderung des stückes für einen späteren träger.Die gemme ist aus Karneol und nur , Zentimeter hoch. DieRückseite ist glatt und leicht konkav.esist also nicht zu entscheiden, ob sie aus einem skarabäus umgearbeitet ist. Dargestellt ist ein vorgebeugt stehen- der,kurzhaariger,bartloser mann mit mantel über dem Rücken. er schreibt in ein geöffnetes Diptychon. Am Boden befindet sich ein langhaariger,bärtiger Kopf,der nach oben blickt. Das Bild ist eingefasst durch ein strichband. Diegemme gehörtzueinem typus vonetruskischen und italischen steinen des vierten und dritten vorchristlichen Jahrhunderts, vondem schon Adolf Furtwängler² zahlreiche exemplare aufzählt. Dazu kommt noch das stück in der sammlung Arthur BernardCook3.Die Datierung dieses typs hat Wolfram martini untersucht4.Unser stein gehörtinden sogenannten Über- gangsstil,also in die erste hälfte des dritten Jahrhunderts5. es gibt mehrereVarianten dieses typus. Dermann beziehungsweise der Kopf können bärtig oder bartlos sein, das haupt kann auf erdschollen liegen oder auf einem kurzenPfeiler.Der mann kann wie hier vorgebeugt stehen oder sitzen. Themen dieser Artwaren anscheinend in mittelitalien beliebt. siesind mit unserem typus zusammengeworfen worden, müssen aber wohl anders gedeutet werden als der Welcker-Ring, dessen Thema, wie sich zeigen wird, aus der griechischen mythologie stammt. eintypus zeigt den mann stehend. er deutet mit einem stäbchen auf den Kopf.inmehreren exemplaren stehen daneben Zuschauer6.Bei einem weiteren typus ist es ein totenschädel, um den die männer stehen, darunter hirten7.Wieder einen anderen typus vertritt eine gemme in Berlin, wo der jugendliche hermes einen toten beschwört8. Diese verwandten steinemit wahrscheinlich unterschiedlicher Bedeutungkönnen hierbeisei- tegelassen werden. Dertypus des Welcker-Rings wirdunterschiedlich gedeutet. Winckelmann in seiner Beschreibung der gemmen des Barons stosch sieht darin einen schreibenden Philo- sophen voreiner halb in die erde gelassenen herme9.ernst heinrich toelken10 deutet den Kopf als tages, der,von Bauern ausgepflügt, den Lukumonen die Disciplina etrusca diktiert, die grundlage für die Wahrsagekunst der etrusker11.Die Quellen sprechen allerdings voneinem ² A.Furtwängler,Die antiken gemmen iii (Leipzig und 11 Cicero, div.,; ovid met. , –; Festus s.v. Berlin ) ff. tages. 3 W. K.C. guthrie, orpheus and greek Religion (London 1² R.enking, Jahrb.DAi /, /, . ) f.Abb.. 13 o.v. Vacano, Dieetrusker in der Welt der Antike 4 W. martini, Dieetruskische Ringsteinglyptik. ergh. mitt (hamburg ) f. mitmehr Plausibilität wirdein DAi Rom (heidelberg )Kat. ; ; taf. , –; anderer typus vongemme auf tages gedeutet, s. e. taf. ,; taf. ,;Kat. taf. ,;Kat.taf., –. Zwierlein-Diehl in:tainia. Festschrift für Roland hampe 5 hierzu e. Zwierlein-Diehl, Antike gemmen und ihr nach- (mainz ) f. leben (Berlin und newYork) . Frau erika Zwier- 14 Furtwängler (Anm.)ff. lein-Diehl danke ich für hinweise zu den gemmen. 15 J.D. Beazley,Attic Red-FigureVase-Painters (²) , 6 P. Zazoff, Dieantiken gemmen (münchen )f.taf. Painter of Ruvo ; m.schmidt, Ant. Kunst , , ,;, – mit Deutung auf Caput oli, ein Prodigium taf. ,. bei der gründung des tempels für Jupiter Capitolinus. 16 Beazley (vorherige Anm.) ; guthrie (Anm.)taf.; 7 Zazoff(vorherige Anm.); s. auch n.himmelmann, schmidt (vorherige Anm.) Anm.. Pantheon /, ,–; ders. Über hirtengenrein 17 Kern, orphicorum fragmenta test. –; p. –. der antiken Kunst (opladen ) ff.; g. sena Chiesa, 18 guthrie (Anm.) f.; m.nilsson, geschichte der grie- gemme di Luni (Rom ) f. nr.. chischen Religion (münchen ) . 8 Zwierlein-Diehl (Anm.) taf. Abb. 19 schmidt (Anm.) –; s. auch LimC Vii () ; 9 J.J. Winckelmann, Déscription des pierres gravées du feu s.v. orpheus (m.Z. garizoupi). Barondestosch (Florenz ) iV ;ders., sämtliche ²0 R. Bianchi Bandinelli, mon. Ant. , , nr.; Werke, hrsg. J.eiselein, Bd.iX (Donaueschingen ) m.Pallottino,testimonia linguae etruscae (Florenz ) . nr.; h.Rix, etruskischetexte ii (tübingen )CL 10 e.h. toelken, erklärendes Verzeichnis der antiken ge- s.;LimC i()– s.v. Aliunea (i.Krauskopf). schnittenen steine der Königlich Preußischen gemmen- sammlung (Berlin ) nr. – und s. ff. DerWelcker-Ring 2 Abb. Der Ring Friedrich gottlieb Welckers. Knaben,der erscheint, nicht voneinem Kopf.Ragna enking 1² vertrat diese Deutung dennoch wieder,ebenso otto-Wilhelm vonVacano mit dem Argument, bei den etruskern könne das haupt die Person vertreten13. schon Furtwängler14 erörtertund klärtdie Deutung ausführlich. Dietypologische Über- einstimmung der gemmenbilder mit der Darstellung auf einer attisch rotfigurigen schale in Cambridge, Corpus Christi College15,auf der neben dem sitzenden mit Diptychon und dem haupt des orpheus noch Apoll an einem Lorbeerbaum gezeigt sind, ist eindeutig. Ähnlich ist eine rotfigurige hydria in Dunedin, ehemals sammlung Cook16.Die Deutung auch für die gemmen muss entsprechend sein. nach den griechischen Fassungen der sage vomtod des or- pheus17 treibt der Kopf des vonden mänaden zerrissenen orpheus über das meer nach Lesbos in eine höhle, wo er orakelsprüche gibt. DieVasenbilder wurden vonFurtwängler als Befehl des Apoll an musaios gedeutet, die gesänge des orpheus aufzuzeichnen, was aber nicht in den Quellen belegt ist. William guthrie und martin nilsson18 sprechen mit besseren gründen von der Aufzeichnung der Wortedes orpheus, also der orakelsprüche. Aufdie Befragung des orakels durch einen mann, der sich mit einem seil zum haupt desorpheus herabgelassen hat, deutet margot schmidt auch die Darstellung einer rotfigurigen Kalpis in Baselaus dem Umkreis des Polygnot19.Die szene ist umgeben vonFrauen mit musikinstrumenten, wohl musen. Dieorphische Deutung der gemmen wurde schon bestätigt durch die Publikation eines etruskischen spiegels des vierten bisdritten Jahrhunderts mit Beischriften, früher in einer Privat- sammlung in Chiusi, heute im Archäologischen museum vonsiena. er zeigt neben dem haupt des orpheus (»Urfe«) einen sitzenden Jüngling (»Aliunea«) mit Diptychon. neben ihm stehen verschiedene Personen ²0.Von den Personen neben orpheus ist eine als euterpe bezeichnet, also ähnlich der Vase in Basel, die übrigen gehören verschiedenen sagenkreisen an und sind nicht genauer einzuordnen. DieRezeption des mythos vomorpheusorakel in etrurien ist also sicher, aber nicht in allen einzelheiten verständlich. 2 harald mielsch Über den Ankauf der gemme durch Welcker haben wir keine nachricht. Wahrscheinlich hat er sie nicht bei seinem ersten längeren Aufenthalt in Rom – erworben, wo er hauslehrer bei Wilhelm vonhumboldt war,wohin er aber noch zu Fußgewandertwar.erwar
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