Die Gemeinde Berg in Geschichte und Gegenwart Dr. Volker Schulze m Jahr 1993 feierte die Gemeinde Berg 1100 Vischel genannt, hat schon vor 1115 existiert. IJahre Geschichte ihres ältesten Ortsteils: Als nach dem Zusammenbruch der römischen Denn Vischel, das heute kleinste Dorf, im lieb- Herrschaft am Rhein die Franken ins Land lichen Tal des gleichnamigen Baches gelegen, strömten, entstanden auch im und um das Vi- war im Jahre 893 zum ersten Mal urkundlich scheltal die ersten Siedlungen. Mitte des 8. erwähnt worden. Das Prümer Urbar, ein Gü- Jahrhunderts vermachte Pippin der Jüngere terverzeichnis des Benediktinerklosters Prüm in weite Teile der Eifel und des Niederrheins dem der Eifel, hatte eine Reihe von Orten (darunter Kloster Prüm als Pfründe. Das in dem Prümer neben Vischel aus dem Kreisgebiet auch Ahr- Urbar aufgelistete Besitztum in Vischel, das weiler, Altenahr, Kalenborn, Kesseling, Kreuz- größte im gesamten Ahrgebiet, umfasste im berg, Lind und Pützfeld) aufgelistet, von denen Jahr 893 insgesamt 181 Morgen Ackerland und das Kloster Einnahmen erwartete. Wiesen mit einem Ertrag von 100 Fudern (Wa- genladungen) Heu sowie Wald für die Mast von „Keimzelle Vischel“ 300 Schweinen und eine Mühle. Alle in dieser Urkunde erwähnten Orte hatten Um die Wende zum 11. Jahrhundert trat das natürlich längst bestanden, bevor sie registriert Kloster Prüm seine Güter im Ahrgau und da- wurden. Auch Vischel, die „Keimzelle“ der mit auch seinen Besitz in Vischel - im Tausch Gemeinde Berg, und die Siedlungen auf den gegen Besitztümer im Eifelgau - an die Gra- Anhöhen ringsum, sind älter als 1100 Jahre, fen von Are ab, an eines der einflussreichs- möglicherweise sehr viel älter. In einem histo- ten Adelsgeschlechter in der Eifel, an der Ahr rischen Aufriss, der im Mai 2011 erschienen ist, und am Niederrhein. Das Nutzungsrecht (die habe ich versucht, Erkenntnisse der Vor- und „Gerechtsame“) von Vischel erhielten die Erzbi- Frühgeschichte zu sammeln, und damit in eine schöfe von Köln, die aber den „Neubruchzehn- „Biographie“ der Gemeinde Berg einzuleiten.1) ten“, die Abgabe auf – durch Rodung nutzbar Es wird vermutet, dass das Gebiet schon in gemachtes – Neuland in den Jahren 1086 und keltischer Zeit besiedelt wurde, doch eindeu- 1105 dem Kloster Münstereifel zukommen lie- tige Funde gibt es bislang nicht. Spuren haben ßen. Münstereifel erhielt auch das Patronats- aber in der gesamten Gemarkung die Römer recht der Kirche und damit den Kirchzehnten. hinterlassen. Von römischer Besiedlung zeugen Seit dem Gütertausch war Vischel Burglehen unter anderem die Trümmer mehrerer Stein- von Altenahr. Mit der Herrschaft belehnten hügel- und Brandgräber, die Archäologen be- die Grafen von Are einen „Freiherrn“, der reits im 19. Jahrhundert entdeckten, allerlei sich offenbar nach dem Gelände oberhalb des Scherben, Ziegelreste und der Fund einer rö- Bachtals „von Vischel“ nannte. Die Herren mischen Goldmünze auf einem Feld nahe der von Vischel sind erstmals 1133 mit Embrico Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen. Nach- de Phischle, einem Ministerialen des Grafen gewiesen wurde ferner das Fundament einer Theoderich von Are, bezeugt, verloren jedoch villa rustica am Rande des Ortsteils Häselingen. schon im 14. oder 15. Jahrhundert ihren Be- Wahrscheinlich hat auch an der Stelle oberhalb sitz. Zur „Herrlichkeit Vischel“ gehörten neben des Vischelbaches, wo sich heute Gut Vischel Schloss, 88 Morgen Ackerland und Wiesen befindet, eine römische Villa gestanden. Der sowie ausgedehnten Waldungen die Höfe der Gutshof selbst, zeitweise „Burg“ oder „Schloss“ erbuntertänigen Bauern. 104 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2012 Nach dem Aussterben der älteren Linie von Are Prümer Urbars – 181 Morgen als Acker- und gelangten Vischel und die übrigen Gebiete der Weideland erschlossen, betrug um 1750 die Grafschaft an die Linien von Are-Hochstaden landwirtschaftliche Nutzfläche (einschließlich und Are-Nürburg. Als im Jahre 1246 die Grafen Obstgärten) schon gut das Dreieinhalbfache: von Are-Hochstaden ohne männliche Nach- rund 700 Morgen, die von 45 bis 50 Bau- kommen verstorben waren, fiel mit der ganzen ernfamilien bearbeitet wurden. Doch die ein- Grafschaft auch Vischel an das Erzstift Köln, zelnen Parzellen waren klein, und die Böden den weltlichen Herrschaftsbereich der Kölner gaben nicht viel her. Nur etwa ein Drittel der Erzbischöfe. Burg Are wurde von nun an Ver- Bewohner waren eigenständige Bauern. Mehr waltungsmittelpunkt des kurkölnischen Amtes als die Hälfte musste sich als Tagelöhner mit Are (Altenahr), zu dem aus dem Bezirk der heu- Wald- und Feldarbeiten durchschlagen. Für die tigen Gemeinde Berg die Burg Vischel sowie Kinder der – durchweg armen – Bevölkerung die Siedlungen Berg, Häselingen, Krälingen, stiftete 1786 Carl Otto Theodat von Gymnich Vellen, und Freisheim gehörten, das damals eine Schule, die fortan „sommers wie winters“ Besitztum von Burgsahr war. Unterricht in Religion, Lesen, Schreiben und 1364 belehnte Kurfürst Adolf von Köln den Rechnen erteilen sollte. Ein Bild vom Leben „Ritter und Vasall“ Heinrich von Gymnich mit der bäuerlichen Bevölkerung in der Herrlich- dem Burglehen Are in Altenahr und mit dem keit Vischel vermitteln die Urkunden- und Ak- Haus Vischel einschließlich der Gerichtsbarkeit. tenbestände des Archivs Schloss Gymnich, die Bis napoleonische Truppen 1794 in die Lande einzusehen mir freundlicherweise Wolf Freiherr links des Rheins einrückten, verblieb die Herr- von Holzschuher gestattet hatte. lichkeit Vischel bei den Gymnichern. Erwerbsquelle Landwirtschaft Durchweg arme Bevölkerung Der Schwerpunkt der „Biographie“ bildet das Das Gebiet der heutigen Gemeinde Berg war Geschehen in den letzten 200 Jahren, also nach noch bis in die Neuzeit hinein schwach besie- der Franzosenzeit, als die Gemeinde Berg „un- delt und bestand überwiegend aus dichtem ter dem würksamen Schutz“ der Preußen neu Wald. Waren im Jahr 893 – bei Anlage des geordnet, der Bürgermeisterei Altenahr zuge- Luftaufnahme von Vischel, „Keimzelle“ der Gemeinde Berg Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2012 u 105 schlagen wurde, zugleich aber eine größere Aufschwung nach dem II. Weltkrieg Selbständigkeit als unter der fremden Herr- Das änderte sich nach dem Zweiten Weltkrieg. schaft erlangte. Die Gemeinde konnte Grund-, Väter, soweit sie überlebt hatten, und Mütter Gebäude-, Gewerbe- und Haustiersteuern erhe- legten Wert darauf, dass die Kinder eine or- ben, die Hebesätze selbst beschließen, war für dentliche Ausbildung erhielten, die bessere Be- den innerörtlichen Wegebau, die Wasserversor- rufschancen eröffnen würde. Diese Kalkulation gung und für die Schule – aber weisungsgebun- ging auf: Vom Boom der ersten Jahre nach der den an die Entscheidungen der Schulbehörde Währungsreform konnten auch die Bewohner des Landkreises - zuständig. Ihre wichtigste der Gemeinde profitieren. Reiche Arbeitsmög- Einnahmequelle war das kommunale Waldge- lichkeiten bot Bonn, das im November 1949 biet, dessen Erträgnisse aus Holzverkauf direkt zur vorläufigen Bundeshauptstadt bestimmt in die Gemeindekasse flossen. worden war und für Parlament und Regierung Seit der Neuordnung gehören zur Gemeinde neue Gebäude benötigte. Maurer, Zimmerleute Berg die Dörfer Berg, Freisheim, Häselingen, und Maler aus der Stadt und dem gesamten Krälingen, Vellen und Vischel. Ab 1858 hatte Umfeld waren gefragt. Zahlreiche Handwerker jede Gemeinde „auf Befehl der königlichen Re- aus der Gemeinde wurden herangezogen oder gierung zu Coblenz“ ihre wichtigsten Ereignisse arbeiteten beim privaten Wohnungsbau mit. Die und Vorgänge schriftlich zu dokumentieren. Un- Verwaltungen brauchten Personal und boten verzüglich legte auch Gemeindevorsteher Anton gerade auch Frauen neue Berufschancen. Für Frings aus Krälingen ein solches „Urkunden- viele Berger Familien bedeuteten die „neuen buch“ an, die später so benannte „Dorfchronik“, Tätigkeitsfelder“ Abschied vom Bauernberuf. die sich für die nun vorliegende Biographie der So nahm allmählich, dann immer rasanter, die Gemeinde als wichtige Quelle erweisen sollte. Zahl der bäuerlichen Kleinbetriebe ab, die zu er- Sie wurde um die Wende zum 20. Jahrhundert tragreichen landwirtschaftlichen Einheiten ver- eingestellt, doch übernahmen nun fleißige Leh- schmolzen. Im Jahr 2007 bearbeiteten 18 land- rer an den Schulen Vischel/ Berg, Krälingen und wirtschaftliche Betriebe 391 Hektar Nutzfläche. Freisheim die Rolle der Ortschronisten. Der Wirtschaftsaufschwung und das damit Die Bewohner der sechs Dörfer waren durch- verbundene höhere Steueraufkommen mach- weg Bauern, „Ackerer“, wie sie damals ge- ten es endlich möglich, die Infrastruktur der nannt wurden, und deren Angehörige, einige Kommunen zu verbessern. Für die Gemeinde wenige Handwerker, Gastwirte und Händler, Berg hieß dies vor allem, das Dauerproblem die im Nebenerwerb Ackerland bestellten und „ausreichende Wasserversorgung“ zu lösen, in- ein paar Schafe oder Ziegen hielten. Ende des nerörtlich die Straßen auszubauen und damit 19. Jahrhunderts lebten von den 125 Haus- auch die Voraussetzungen für eine günstige halten der Gemeinde 95 vorwiegend von der Verkehrsanbindung nach außen (nach Bonn, Landwirtschaft. Rechnet man Hirten, Neben- Münstereifel und ins Ahrtal) zu schaffen, die erwerbsbauern und Tagelöhner hinzu, waren Ortschaften zu kanalisieren und für zeitgemäße es sogar 106 Haushalte. Und auch noch nach praktikable Schulverhältnisse zu sorgen. Viele dem Ersten Weltkrieg, der vielen Familien den Aufgaben, die aus der Gemeindekasse nicht zu Ernährer genommen hatte, blieben Ackerbau finanzieren waren, vor allem Maßnahmen zur und
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