The Huns between Central Asia, the Near East, and Europe: The Archaeology of Nomadic Imperialism, circa 300 CE – 600 CE. Philipp von Rummel, Deutsches Archäologisches Institut, Berlin; Richard Payne, Oriental Institute Chicago, 01.12.2016–03.12.2016. Reviewed by Guido M. Berndt Published on H-Soz-u-Kult (January, 2017) Über die Geschichte der Hunnen – diverse seien gerade angesichts der mitunter spärlichen Gruppen, die in antiken Schriftquellen subsum‐ Schriftquellenüberlieferung Ausgangspunkt und mierend als Xwn (Sogdisch), Huna (Sanskrit), Basis der Forschung, die angesichts des gewalti‐ Ounnoi (Griechisch) oder Hunni (Latein) erschei‐ gen zeitlichen wie räumlichen Rahmens prinzipi‐ nen – wird in der modernen Forschung nach wie ell interdisziplinär auszurichten sei. Gleichzeit vor kontrovers debattiert. Bei den genannten Ter‐ stellte Payne aber heraus, dass es für einen einzel‐ mini handelt es sich zweifelsohne um subsum‐ nen Forscher heutzutage nicht möglich sei, den mierende Sammelbegriffe für Reitervölker mit archäologischen wie historischen Forschungs‐ nomadischer und halbnomadischer Lebensweise, stand vollständig im Blick zu behalten, weil die deren genaue Herkunft und Ethnizität nicht ge‐ Publikationsdichte außerordentlich hoch sei. Dem klärt ist. Ebenso wenig geklärt sind die histori‐ Austausch vieler neuer Erkenntnisse, vor allem schen und archäologischen Verbindungen zwi‐ der eurasischen Archäologie, wurde dementspre‐ schen den Xiongnu (Chinesisch) und den Trägern chend während der Berliner Tagung viel Raum des Hunnennamens. Die Berliner Tagung, so be‐ gegeben. Ein zentrales Ziel der Konferenz war, die tonten PHILIPP VON RUMMEL und RICHARD PAY‐ verschiedenen antiken und spätantiken Herr‐ NE in ihren einleitenden Bemerkungen, sollte schaftsbildungen, die mit dem Namen der Hun‐ durch ihren interdisziplinären Zugang eine mög‐ nen verbunden sind, zu analysieren und zu er‐ lichst weit gespannte Perspektive einnehmen. Als gründen, ob diese als Imperien zu klassifizieren eines der Ziele der Konferenz nannte von Rum‐ sind. mel die Stärkung des internationalen Dialogs in Im ersten Panel hielt MICHAEL MAAS ein Plä‐ schwierigen Zeiten und die Vermittlung der neu‐ doyer für die Einführung einer „Eurasischen Spät‐ en Erkenntnisse eurasischer Archäologie in den antike“ als historische Epoche, die zeitlich zwi‐ historischen Diskurs zu den westlichen Hunnen schen dem 3. und 8. Jahrhundert anzusiedeln sei. der Völkerwanderungszeit. Payne bezeichnete die Diese könnte gewissermaßen als geographische Hunnen als „nomadische Imperialisten“, deren Erweiterung der bislang gängigen Ausrichtung historische Bedeutung unter anderem darin zu se‐ der Spätantike verstanden werden, um deren hen sei, dass sie einen mitunter erheblichen Ein‐ nach wie vor eurozentristische Perspektive zu fluss auf die Geschicke dreier antiker Imperien, überwinden. Die Fokussierung der Forschung seit dem Römischen Reich, dem Perserreich und Chi‐ der „Erfindung“ der Epoche durch Peter Brown na, hatten. Ihre materiellen Hinterlassenschaften auf ein Later Roman Empire charakterisierte H-Net Reviews Maas als eine zu überwindende Limitierung. Pe‐ zum 1. Jahrhundert n.Chr.), das allerdings man‐ ter Brown, The World of Late Antiquity. From Ma‐ gels eigener Schriftquellenproduktion vor allem rcus Aurelius to Muhammad, London 1971. Einen auf Grundlage seiner archäologischen Hinterlas‐ weiteren Vorteil sieht er in den sich daraus erge‐ senschaften zu rekonstruieren sei. Hierbei sei ins‐ benden Verschiebungen der zu betrachtenden besondere ein starker Einfluss durch das benach‐ Zentren vom Westen in den Osten, die den Blick barte chinesische Imperium festzustellen, dessen auf die verschiedenen Steppenreiche zwischen Eingreifen in einer Krisenphase der Xiongnu un‐ Rom, Iran und China freigeben könnten. mittelbare Auswirkungen auf deren Prestige-Kul‐ MICHAEL KULIKOWSKI fragte in seinem Vor‐ tur gehabt habe, wie sich in der Folgezeit etwa an‐ trag nach Verfahrensweisen, auf denen der Dialog hand neuer monumentaler Grabformen nachvoll‐ zwischen Historikern und Archäologen verbessert ziehen lasse. werden könnte, denn nach wie vor würden zu Zwei Beiträge in der dritten Sektion versuch‐ häufig Mischargumentationen angewandt und zu ten den Verbindungen zwischen den Xiongnu, selten die fachimmanenten Methoden nachvoll‐ den Xwn und den Hunnen nachzuspüren. In ei‐ ziehbar gemacht, mit denen Einzeldisziplinen zu nem gemeinschaftlich erarbeiten Vortrag zeigten ihren Ergebnissen kommen. Am Beispiel der JAN BEMANN, URSULA BROSEDER, BRYAN MIL‐ Chronica Minora, die Theodor Mommsen am LER und MICHAEL SCHMAUDER, dass die Grund‐ Ende des 19. Jahrhunderts edierte und die bis linien der Deutung hunnischer Geschichte bereits heute als zentrales Instrumentarium zur Datie‐ Mitte des 18. Jahrhunderts von dem französischen rung historischer Ereignisse herangezogen wer‐ Orientalisten Joseph de Guignes in seiner den, legte Kulikowski dar, dass die dort gebotenen L’Histoire des Huns, des Turcs, des Mogols et au‐ Informationen keineswegs so gewiss seien, wie tres Tartares (1756–1758 in 5 Bänden) gezogen man üblicherweise annimmt. Daher seien Histori‐ wurden und der Einfluss dieses Werkes bis heute ker gehalten, diese Unsicherheiten offen zu legen, in historischen Darstellungen entdeckt werden um dem Archäologen nicht vermeintlich feste Da‐ kann. Eine Verbindung zwischen den Xiongnu tierungsangebote zu geben. Umgekehrt sollten Ar‐ und den europäischen Hunnen, wie sie jüngst chäologen klarer aufzeigen, auf welchen Wegen wieder in der Forschung postuliert wurde So etwa sie von den zunächst typologisch gewonnenen Da‐ Étienne de La Vaissière, The Steppe World and the ten zu absolutchronologischen Aussagen gelangen Rise of the Huns, in: Michael Maas (Hrsg.), The können, ohne sich der kritisierten Mischargumen‐ Cambridge Companion to the Age of Attila, Cam‐ tation zu bedienen. bridge 2014, S. 175–192. , sehen die vier Archäolo‐ In der zweiten Sektion argumentierte SABINE gen als nicht gegeben an, was sie anhand unter‐ REINHOLD zunächst, dass die seitens der Archäo‐ schiedlicher Fundgattungen (Bronzekessel, Bestat‐ logie schon für die Bronzezeit entwickelten Mo‐ tungsformen und -sitten) detailliert ausführten. delle von Mobilität und Migration in Eurasien als Als einzig verbindendes Element, so stellte Brose‐ kulturelle Prinzipien grundlegend für das Ver‐ der fest, bliebe dann der Name. Über diesen hatte ständnis reiternomadischer Reiche seien, und allerdings schon Otto Maenchen-Helfen, Archai‐ zeigte dann detailliert, inwieweit die Nutzung der stic Names of the Hiung-nu, in: Central Asiatic Kommunikationsrouten bzw. -korridore durch Journal 6 (1961), S. 249–261, hier S. 249 gesagt: den eurasischen Raum vom Wechsel der Jahres‐ „the equation of Hun = Hiung-nu is phonetically zeiten geprägt war. BRYAN MILLER beschrieb die unsound.“ Herrschaft der Xiongnu als ein typisches Steppen‐ Aus der Perspektive der Sozialanthropologie imperium (etwa vom 2. Jahrhundert v.Chr. bis stellte DAVID SNEATH nach einer Dekonstruktion 2 H-Net Reviews älterer, von ihm als evolutionistisch klassifizierter len über die byzantinisch-iranischen Verträge im Gesellschaftsmodelle der Steppennomaden neue Hinblick auf die Herrschaft über den Kaukasus Interpretationsmuster vor. Er argumentierte für bekannt ist, um dann die Festung von Derbent in die Aufgabe von Begriffen wie „tribe“ (Stamm) der russischen Republik Dagestan ausführlicher oder „clan“, da diese – basierend auf Ideen, die in vorzustellen. Bei dieser dürfte es sich um einen Kolonialzeiten zurückreichen – stets Assoziatio‐ strategisch bedeutenden Teil der Fortifikationsan‐ nen der Primitivität implizierten, und möchte die lagen zum Schutz der Pässe gegen Eindringlinge herrschenden Elitegruppen innerhalb der Step‐ aus den Steppen Zentralasiens gehandelt haben, penimperien eher als „houses“ (Häuser) verste‐ zu denen seit dem späten 4. Jahrhundert auch die hen. Zudem fragte Sneath, ob der Xiongnu-Name Hunnen zählten. Die Interpretation der archäolo‐ überhaupt als ein Ethnonym aufzufassen sei und gischen Befunde hänge aber, so konstatierte Gad‐ ob nicht besser von einem Dynastonym zu spre‐ jiev, noch immer stark an den Aussagen der chen wäre. So auch Christopher P. Atwood, The schriftlichen Zeugnisse. Ähnliches gilt auch für Qai, the Khongai, and the Names of the Xiōngnú, die Geschichte der Alanen im Kaukasus, über die in: International Journal of Eurasian Studies 2 DIMITRI KOROBOV sprach. Er stellte seine aktuel‐ (2015), S. 35–63. len Forschungen in der Siedlungskammer des Kis‐ In der vierten Sektion stellte NICOLAUS BO‐ lovodsk Basin im nördlichen Kaukasus vor, wobei ROFFKA in einem gemeinsam mit LEONID SVER‐ er vor allem die Hunnenzeit in den Fokus rückte. CHKOV entworfenen Vortrag den archäologischen Bemerkenswerterweise datieren hier die den rei‐ Fundplatz von Kakhramon Tepa in einer Sied‐ ternomadischen Neuankömmlingen zuzuweisen‐ lungskammer im südlichen Usbekistan vor. Bei den archäologischen Befunde später, als es durch den aktuellen Forschungen in dieser Mikroregion die Schriftquellen zu erwarten wäre. konnten zahlreiche Befunde erfasst werden, die Im sechsten und siebten Panel der Tagung in das 4. bis 5. Jahrhundert zu datieren sind, de‐ wurden die hunnischen Reichsbildungen im östli‐ ren Zusammenhang mit den Hunnen allerdings chen Europa in den Blick genommen. IGOR GA‐ bislang noch nicht zu klären gewesen sei. SÖREN VRITUKHIN fragte zunächst grundsätzlich, ob es STARK wandte sich den archäologischen Spuren sich bei den Herrschaftsbildungen im östlichen der Hunnen in Sogdien zu. Diese
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