Beispiellose Herausforderungen Deutsche Archäologie Zwischen Weltkriegsende Und Kaltem Krieg

Beispiellose Herausforderungen Deutsche Archäologie Zwischen Weltkriegsende Und Kaltem Krieg

MF Beispiellose Herausforderungen Deutsche Archäologie zwischen Weltkriegsende und Kaltem Krieg Von Susanne Grunwald Schlagwörter: Deutschland / Römisch-Germanische Kommission / Akademie der Wissenschaften zu Berlin / Wissenschaftsgeschichte Keywords: Germany / Romano-Germanic Commission / Academy of Sciences in Berlin / History of Sciences Mots-clés: Allemange / Commission romano-germanique / Académie des sciences de Berlin / Histoire des sciences Inhalt Einleitung . 228 Forschungsstand und Fragestellungen . 229 Großforschung und Diktatur . 233 1945 . 242 Ostorientierung . 244 „Reine Forschungsarbeit“ als Auflage . 249 1946 . 251 Deutsche Ostforschung und ostdeutsche Archäologie . 252 Masterplan vs . Chaos . 254 Archäologen als Mitläufer . 258 „die Akademie als die erstrebenswerteste Lösung“ . 265 Archäologen als Separatisten . 268 „Eine RGK des Ostens“ . 271 Archäologen als Schachfiguren . 275 1947 . 279 Raum und Geld . 280 „Notgemeinschaft der deutschen Archäologie“ . 282 „Der geschlossene Süden muss der RGK bleiben“ . 283 „Der alte unselige Streit“ . 284 1948 . 288 Weickerts Appell . 288 Neue Arbeitsgemeinschaften . 290 Bersus Deutschlandbesuch . 292 1949 . 295 Bonner Republik und Archäologie . 296 1950 . 300 Bittels Diagnose . 302 Bersus Rückkehr . 305 Arbeitsgemeinschaft für archäologische Stadtkernforschung . 308 Congréss International des Sciences Préhistoriques et Protohistoriques (CISPP) . 310 BERICHT RGK 97, 2016 <<KT links:>>Siegmar von Schnurbein <<KT rechts:>>HEDEMÜNDEN – Ein Römerlager? 228 Susanne Grunwald · Beispiellose Herausforderungen Bersus Memorandum . 312 Wer darf forschen und wer wird gefördert? . 315 1951 . 318 „Ein zweitklassiges Institut“ . 320 Die „leidige Frage der Illegalität der gegenwärtigen Kommission“ . 323 „Zuspitzung der Lage“ . 324 Archäologen als Parteimitglieder . 327 Herbst der Entscheidung . .. 330 1952 . 331 Wer baut den Sozialismus auf? . 332 1953 . 335 Die Justiziabilität von Forschung . .. 335 „Das ewige Katz und Maus-Spiel“ . 337 Archäologen als Verdächtige . 339 Ein „unvoreingenommener Einblick in unsere Forschungsarbeit“ . 342 1954 . 343 „Das Chaos in der Institutsangelegenheit“ . 344 „Intensivierung der Slawenforschung“ . 346 Tagungskonjunktur . 348 1955 . 349 „Ich sehe Schwierigkeiten kommen“ . 350 „die noch nicht völlig beendete Reorganisation der RGK“ . 352 Ausblicke . 353 Zentralisierung . 355 Interdisziplinarität . 357 Internationalität . 358 Abkürzungsverzeichnis . 360 Zitierte Literatur . 360 Zusammenfassung · Summary · Resumé . 373 Einleitung In seinem Festvortrag anlässlich des 75 . Gründungsjubiläums der Römisch-Germanischen Kommission (RGK) bezeichnete Werner Krämer 1977 die Jahre seit dem Ende des Zwei- ten Weltkrieges als die dritte „Periode der Institutsgeschichte“ . Sie waren seiner Meinung nach eine glückliche Zeit, deren Akteure ja anwesend seien und „da ihnen Selbstkritik noch weniger liegt als Selbstlob und da die Dinge noch in lebendigem Fluß sind, soll diese Periode nicht Gegenstand historischer Betrachtungen sein“1 . Tatsächlich waren aber die Protagonisten der unmittelbaren Nachkriegszeit gar nicht unter den Anwesenden . Dass nicht nur Krämer das Jahrzehnt zwischen 1945 und 1955 in den beiden eng verflochtenen Fächern Prähistorische und Provinzialrömische Archäologie beschwieg, entsprach ganz dem Geschichtsverständnis in der Bundesrepublik, das wenig Bedarf für eine Auseinan- dersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg sah und die Jahre danach, zwischen Kriegsende und Wirtschaftswunder, gänzlich ignorierte2 . Es sollte bis zum Beginn des 21 . Jahrhunderts dauern, bis damit begonnen wurde, auch die jüngere Geschichte der RGK umfänglich darzustellen . In der Festschrift zum 100 . 1 Krämer 1977 . 2 Frei 2012 . <<KT links:>>Siegmar von Schnurbein <<KT rechts:>>HEDEMÜNDEN – Ein Römerlager? MF Einleitung 229 Gründungsjubiläum der RGK wurden vor allem die institutionellen Schwierigkeiten des Neubeginns nach 1945 ausführlich beschrieben3, wobei die umfangreiche biografische Würdigung des zweimaligen Direktors der RGK Gerhard Bersu gleichsam den Rahmen bot für die wechselvolle Geschichte der RGK wie der beiden Fächer Prähistorische und Provinzialrömische Archäologie in Deutschland4 . Man lieferte damit wichtige Beiträge zu einer allgemeinen wissenschaftsgeschichtlichen Konjunktur, in deren Mittelpunkt seit den späten 1980er Jahren vor allem die Aufarbeitung der Archäologiegeschichte während des Nationalsozialismus steht . Seit dem wurden aber auch Studien erarbeitet, die sich mit der Methoden- und Ideengeschichte der deutschen Prähistorischen Archäologie aus- einandersetzten und die, neben einzelnen biografischen Studien, vor allem auf die vielen personellen und inhaltlichen Kontinuitäten verweisen, welche die verschiedenen, eben nur scheinbar voneinander getrennten Phasen der Fachgeschichte, untrennbar miteinander verbinden5 . Demgegenüber ist der Grad der quellenmäßigen Erschließung der jüngeren Personen- wie Institutionengeschichte des Faches und deren wissenssoziologische wie ide- engeschichtliche Analyse immer noch auffällig gering – obwohl die erwähnten Kontinui- täten sowie die einflussreichen fachpolitischen Weichenstellungen in der Nachkriegszeit selbst eine Aufarbeitung gebieten . Forschungsstand und Fragestellungen Die Bedingungen für eine solche Aufarbeitung sind inzwischen sowohl durch die fort- schreitende Erschließung und Modernisierung der Archive archäologischer Institutionen als auch durch korrespondierende Forschungen zur deutsch-deutschen Verflechtungsge- schichte außerordentlich günstig6 . Denn das, was die deutsche Nachkriegsarchäologie ganz wesentlich prägte, die Teilung Deutschlands erst in Sektoren und dann in zwei Staa- ten, prägte lange auch die Zugänglichkeit der Quellen und damit auch die historische Forschung . Auch deshalb wird nun, nach einer ersten Konjunktur eines solchen Perspek- tivwechsels nach 1989/1990, dazu aufgerufen, statt zwei paralleler historischer Narrative besser Beiträge für eine vielschichtige deutsch-deutsche Verflechtungsgeschichte zu erarbei- ten7 . Aus Sicht überregionaler wissenschaftlicher Institutionen wie den Akademien wur- den dazu bereits Beiträge geliefert8, aber bislang fehlt es an fachspezifischen Darstellungen . Die RGK des Deutschen Archäologischen Institutes (DAI) hat diesen günstigen Bedin- gungen Rechnung getragen mit der Förderung eines wissenschaftsgeschichtlichen Projek- tes, das zwischen 2017 und 2018 von der Verfasserin durchgeführt wurde . Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Frage nach der Reorganisation der Prähistorischen Archäo- logie in ganz Deutschland nach 1945, die vor allem anhand der reichen Archivbestände der RGK bearbeitet wurde . Anders als nach dem Ersten Weltkrieg war nicht nur das internationale Ansehen Deutschlands durch die nationalsozialistische Diktatur und den aggressiven Expansionskrieg zerstört, sondern das Land selbst zu weiten Teilen . Millionen Deutsche waren im Krieg umgekommen oder hatten ihre Heimat verloren und waren auf der Flucht . Das Land wurde von alliierten Besatzungsmächten kontrolliert und ab 1949 in zwei deutsche Staaten geteilt, die im Kalten Krieg zu Brückenköpfen der sich gegenüberste- henden politischen Systeme wurden . Für die (Re-)Organisation der archäologischen For- 3 von Schnurbein 2001 . 6 Junker 2015; Eickhoff 2015 . 4 Krämer 2001 . 7 Maubach / Morina 2016; Mählert 2016 . 5 Als jüngster Überblick: Hofmann / Stockham- 8 vom Bruch / Kadera 2002; Kocka u . a . 2002; mer 2017, 5–7 . vom Bruch 2006 . BERICHT RGK 97, 2016 <<KT links:>>Siegmar von Schnurbein <<KT rechts:>>HEDEMÜNDEN – Ein Römerlager? 230 Susanne Grunwald · Beispiellose Herausforderungen schung und Denkmalpflege ergaben sich daraus beispiellose Herausforderungen . Nicht nur mussten zerstörte Arbeitsräume, Museen und Depots instandgesetzt und wiedereröffnet sowie vakante Stellen neu besetzt werden . Es musste auch das internationale und nationale wissenschaftliche und kulturpolitische Vertrauen in Fächer zurückgewonnen werden, die sich in weiten Teilen seit dem Ersten Weltkrieg politisch opportun den Themen und Stra- tegien der völkischen Bewegung und später des Nationalsozialismus geöffnet hatten . Vor diesem Hintergrund wurden im Projekt mit der Rekonstruktion der Entscheidungsprozes- se hin zur Reorganisation des Faches die wechselvollen Beziehungen zwischen nationalem Selbstverständnis, Kulturpolitik und den Archäologien in Deutschland zwischen 1945 und dem Mauerbau analysiert und gleichzeitig die deutsch-deutsche Archäologiegeschichte als miteinander verflochten rekonstruiert9 . Im vorliegenden Beitrag wird ein Teil der umfangreichen Forschungsergebnisse für die ersten zehn Nachkriegsjahre aus der Perspektive zweier einflussreicher Forschungseinrich- tungen vorgelegt . Ab 1945 musste auch der raumpolitische Bezugsrahmen des Faches neu verhandelt werden und dieser Aspekt findet im vorliegenden Text besondere Berücksichti- gung . Hatten für das archäologische Forschen im 19 . Jahrhundert noch die Kulturnation und spätestens seit dem Kaiserreich sowohl das Staatsterritorium als auch die Verbreitungs- gebiete einzelner archäologischer Kulturen als Bezugsgrößen gegolten, waren sie alle nach 1945 aus verschiedenen ideologischen und realpolitischen Gründen fragwürdig und hin- fällig geworden und mussten ersetzt werden . Der aufkommende Kalte Krieg schuf schließ- lich gänzlich neue Raumordnungen . Das Ende des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges markieren den Beginn meines Untersuchungszeitraumes . Diese Zeit wurde von Deutschen wie Alliierten

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