Albert Ballin und die Hapag Hapag-Lloyd Konzernkommunikation 10/2019 © Geboren in Hamburg, in der Welt zuhause Hapag-Lloyd AG · Ballindamm 25 · 20095 Hamburg · www.hapag-lloyd.com 1 2 2 3 Er gilt als Visionär, Innovator und erster deutscher Topmanager – Albert Ballin. Als Generaldirektor machte er die Hamburg- Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) zur weltweit größten Linienreederei. Ausgangspunkt der erstaunlichen Karriere: eine Auswandereragentur im Hamburger Hafen. Die Ballinhhalle im Ballin-Haus, Hamburg 4 5 Ballins Welt Die Reede von Hamburg, Gemälde von Robert Mols (Ausschnitt), ca. 1880 (Dauerleihgabe der Stadt Antwerpen, Historisches Museum, an die Hapag-Lloyd AG) 6 7 Albert Ballin entstammte einer alten jüdischen Familie. Er kam 1857 als jüngstes von 13 Kin- dern zur Welt. Der Vater, Joseph Ballin (eigent- lich Samuel Joel Ballin), war aus Dänemark nach Hamburg eingewandert und hatte 1852 die Aus- wandereragentur „Morris & Co.“ mitbegründet. Unabhängige „Agenten“ wie er organisierten die Anwerbung und Vermittlung von Auswanderern für die transatlantische Schifffahrt über Großbri- tannien nach Amerika. Albert Ballin wuchs in unmittelbarer Nähe des Hafens auf, Kontor und Wohnung waren unter einem Dach, bis zu den Schiffen waren es nur wenige Schritte. Diese Eindrücke prägten Ballin, der mit kaum 15 Jahren in das Geschäft des Vaters eintrat. Als der Vater 1874 starb, wurde Ballin Geschäftsführer. Damit begann eine der bemerkenswertesten Karrieren der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Die Zeiten für große Veränderungen waren günstig: mit Gründung des deutschen National- staates 1871 setzte ein rasanter wirtschaftlicher Aufschwung ein, befeuert durch eine aufstre- bende Industrie und technologischen Fortschritt. Damit einher ging ein starkes Anwachsen des Außenhandels, wovon die größten deutschen Reedereien Hapag und Norddeutscher Lloyd stark profitierten. Eine erste Globalisierung in den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg trieb die welt- weiten Verflechtungen auf allen Ebenen voran. 1910 schrieb Ballin an einen Freund: „Ich glaube, Sie und ich sind nie jung gewesen. Dazu gehört Sorglosigkeit – und in dieser Beziehung sind wir beide arg belastet.“ Albert Ballin, Gemälde von Wilhelm Graupenstein, 1882 Die Proklamierung des Deutschen Kaiserreiches, Gemälde von Anton Alexander von Werner, 1885 8 9 Zusammen mit seinem Geschäftspartner, dem Hamburger Reeder Edward Carr, mischte der geschäftstüchtige Albert Ballin das Auswan- Der Preiskampf zwischen Ballin/Carr und der derergeschäft auf. Seine Idee: Carr solle seine Hapag gewann mit der Zeit an Heftigkeit, Schiffe von klassischen Dampfern mit I. und II. aber es gelang der Hapag nicht, den deutlich Klasse sowie dem Zwischendeck vollständig kleineren Konkurrenten aus dem Markt zu nur für Zwischendecker umbauen lassen, um drängen oder feindlich zu übernehmen. Ballin noch mehr Passagiere befördern zu können. selbst soll diesen Kampf höchst emotional geführt haben. Laut einer Anekdote klebte er Das Zwischendeck war für Auswanderer die regelmäßig heimlich nachts Plakate seines günstigste Art der Überfahrt. Es war eng, laut Unternehmens an das damalige Bürohaus und man konnte nur begrenzte Mengen an Ge- der Hapag in der Deichstraße. päck mitnehmen. Für Carr und Ballin bedeutete der Umbau einen höheren Ertrag und für viele Menschen wurde eine Auswanderung dadurch erst erschwinglich. Das neue Konzept war sehr erfolgreich und 1882 war Albert Ballin finanziell ausreichend führte schnell zu einem direkten Wettbewerb abgesichert, um das Hamburger Bürgerrecht mit der Hapag. Es kam zu einem mit harten zu erwerben. Nur wenige Einwohner der Stadt Bandagen gefochtenen Preiskampf, denn die besaßen damals dieses Privileg. alteingesessene Hapag hatte Schwierigkeiten mit den niedrigen Preisen von Ballin und Carr Der Kampf zwischen David und Goliath ende- mitzuhalten. te 1886 mit einer Verständigung: Die Hapag übernahm die gemeinsame Leitung des Pas- sagedienstes für die ehemaligen Konkurrenten. Zugleich übernahm Albert Ballin am 31. Mai 1886 die Leitung dieser Abteilung und stellte fortan sein unternehmerisches Geschick in den Dienst der Hapag. Konzession für Albert Ballin zur Beförderung von Auswanderern in die USA, 1887 · Verwaltungsgebäude der Hapag in der Deichstraße, Hamburg 10 11 Der erste deutsche Topmanager Carl Laeisz und Albert Ballin an Bord des Segelschiffes „Potosi“ der Reederei F. Laeisz, ca. 1900 12 13 Sofort machte Ballin sich daran, die Hapag mit DER INNOVATOR Das Gelände war großzügig und umfasste neuen Ideen voranzubringen. In Carl Laeisz, 55.000 qm mit Schlafsälen, einer christlichen Reeder und Hapag-Aktionär, fand Ballin seinen In den Wintermonaten waren Überfahrten auf Kirche, einer Synagoge sowie zwei Großkü- wichtigsten Mentor und Förderer. Dank dessen dem Nordatlantik weniger nachgefragt. Viele chen, eine davon für koscheres Essen. Fürsprache rückte Ballin nach nur zwei Jahren in Oceanliner lagen dann für längere Zeit im Ha- den Vorstand auf. fen, so auch die „Augusta Victoria“, verursach- ten aber weiter laufende Kosten. 1891 handelte Ballin war mit 31 Jahren nicht nur das jüngs- Ballin und setzte den Luxusdampfer erstmals te Vorstandsmitglied, sondern auch der erste für eine „Vergnügungsreise“ in den Süden ein. Topmanager Deutschlands. Die Beschäftigung Die Idee der modernen Kreuzfahrt war geboren angestellter Vorstände ohne Besitzanteil am und ein neuer lukrativer Geschäftszweig eröff- Unternehmen war damals revolutionär. Ballin fiel net. 1901 stach mit der „Prinzessin Victoria Lu- auch durch seinen Arbeitseifer auf: Mit 16 Ar- ise“ das erste speziell für Kreuzfahrten gebaute „Ohne Zwischendeckpassagiere wäre beitsstunden an sieben Tagen die Woche ging er Schiff der Welt in See. ich innerhalb weniger Wochen bankrott“. an die Grenzen seiner Belastbarkeit. Höhepunkt seiner Karriere war 1899 die Ernennung zum Das Kerngeschäft und Hauptaugenmerk galten Generaldirektor, eine eigens auf ihn zugeschnit- aber weiterhin den Auswanderern, deren Zah- tene Funktion, die es zuvor bei der Hapag nicht len Jahr um Jahr stiegen und die in den 1880er gegeben hatte. Jahren überwiegend aus den osteuropäischen Staaten kamen. Ein außergewöhnlich heißer Sommer, Niedrigwasser und katastrophale hygienische Zustände vor allem in den ärmeren Stadtvierteln Hamburgs verursachten im Au- gust 1892 den Ausbruch der Cholera mit über Bernhard Huldermann, Ballins ehemaliger achttausend Todesopfern. Es war der letzte Sekretär und Biograf: „Er war die Packetfahrt, große Ausbruch dieser Krankheit in Deutsch- und die Packetfahrt war er.“ land. In der Folge wurden neue Hygienevor- schriften und vor allem für die Auswanderer strengere medizinische Kontrollen eingeführt. Ballin ging einen Schritt weiter und entwarf die Auswandererhallen auf der Veddel, die im De- zember 1901 eröffnet wurden. Die „Augusta Victoria“ vor New York Menükarte von Bord der „Augusta Victoria“, 1891 · Annonce für die erste Kreuzfahrt der „Augusta Victoria“, 1891 Das Kirchengebäude auf dem Gelände der Auswandererhallen der Hapag, Hamburg 14 15 Die Choleraepidemie hatte die Krisenanfälligkeit Ballin war Unternehmer durch und durch, er INSZENIERUNG UND KOMMUNIKATION des Passagierverkehrs offenbart, woraufhin achtete auf kleinste Details und konnte toben, Ballin den Schwerpunkt der Hapag auf den wenn sie nicht seinen Vorstellungen entspra- Neue Akzente setzte Ballin auch beim Erschei- Frachtverkehr verlagerte. Ab 1893 wurden chen. Er sorgte persönlich dafür, dass neue nungsbild der Reederei. Auf sein Betreiben Dampfer bestellt, die zahlreiche Passagiere innovative Techniken genutzt wurden. Auch hin wurde 1889/90 ein Verwaltungsgebäude wie auch viel Ladung befördern konnten. Groß die Hinwendung zur Luftfahrt war Ausdruck am Dovenfleth gebaut, das Martin Haller, einer und für niedrige Geschwindigkeiten konzi- dessen. Die Hapag verkaufte ab 1910 exklusiv der renommiertesten Baumeister Hamburgs, piert, waren sie sehr ökonomisch – anders als die Karten für die Zeppelin-Luftschiffe und war entwarf. Da das Unternehmen rasch wuchs, Schnelldampfer, die das Renommee der Hapag 1917 Mitbegründerin der Deutschen Luft-Ree- errichtete Haller einen zweiten Neubau an der steigerten, jedoch hohe Treibstoffkosten verur- derei, ein Vorgänger der Deutschen Lufthansa. Binnenalster – 1913 von Fritz Höger erweitert sachten. So gewann die 1900 in Dienst gestell- dient er bis heute der Hapag-Lloyd AG als Un- te „Deutschland“ das Blaue Band des Nord- Ein weiteres Geschäftsfeld übergab Albert ternehmenssitz. atlantiks, blieb jedoch eine Ausnahme. Ballin Ballin der Hapag aus eigener Hand: die Seebä- setzte vor allem auf Wirtschaftlichkeit. Erst mit derdienste. Er hatte sie 1889 privat gegründet. Mit der Gründung des „Literarischen Büros“ den Riesenschiffen der „Imperator“-Klasse, die Doch Passagen und Kreuzfahrten anzubieten gegen Ende des 19. Jahrhunderts verfügte Antwort der Hapag auf die „Titanic“-Serie der genügte dem wachsenden Unternehmen jetzt das Unternehmen über eine Kommunikations- White Star Line, wandten sich Ballin und die nicht mehr. Mit der Übernahme von Carl Stan- abteilung – eine grundlegende Neuerung. Die Hapag wieder Schnelldampfern zu. gen‘s Reisebureau entwickelte sich die Hapag Hinwendung zu Presse und Öffentlichkeit war zum bedeutenden Touristikanbieter. untypisch für damalige Unternehmen, gleiches gilt für die persönlichen Kontakte, die Ballin zu Journalisten unterhielt. Als Ballin von einem lokalen Mitarbeiter kurz nach der Jahrhundertwende empört mit- geteilt wurde, dass in einem Düsseldorfer Nobelrestaurant ein Plakat des Rekord-
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