Rote Liste der Kurzflügelkäfer (Insecta: Coleoptera: Staphylinidae) Thüringens 2. Fassung, Stand: 09/2010 WolFgang aPFel Einleitung Die artenreiche Familie der Kurzflügelkäfer be- Leptusa simoni zu finden, wenn man die kalt- siedelt alle terrestrischen und semiaquatischen luftdurchströmten Spalten absucht. Viele Ar- Lebensräume. Eine große Anzahl von ihnen ten unter den Kurzflügelkäfern sind sehr selten sind ökologische Spezialisten mit einer engen und nur dann zu finden, wenn man diese Habi- Bindung an oft sehr kleine spezifische Struktu- tatansprüche kennt. Die meisten Kurzflügelkä- ren. So leben diese Arten oft in sehr kleinräumi- fer sind Räuber, auch wenn sie auf Dung, Pilzen gen Habitaten wie zum Beispiel in Nestern von oder verschiedenen Faulstoffen anzutreffen Vögeln, Nagetieren, Wespen, Hummeln und sind. Einige Arten fressen aber auch Algen, Pilze Ameisen. Manche Arten bevorzugen zusätzlich und Pflanzenteile. Die Anzahl der in Thüringen noch einen bestimmten Wirt bei dem sie le- lebenden und der Familie Staphylinidae zuge- ben. Auch Blockhalden und tiefgründige Laub- hörigen Arten hat sich seit der 1. Fassung der schichten sind spezielle Habitate von Kurzflü- Roten Liste (aPFel 2001) stark erhöht. Aufgrund gelkäfern. In den Blockhalden ist die seltene phylogenetischer Untersuchungen wurden die Blockhalde bei Reichenhausen/Rhön – typischer Fundort von Leptusa simoni, 06.09.2011. (Aufn. W. APFel) 189 in der letzten Liste nicht behandelten Arten der sich von 1.056 (2001) auf 1.150 erhöht. Aus Scaphidiinae (Kahnkäfer), Dasycerinae (Moos- Deutschland werden ca. 1.620 Kurzflüglerar- schimmelkäfer) und Pselaphinae (Palpenkäfer) ten gemeldet. Der Katalog von löBl & sMetana in die Familie eingegliedert. Weiterhin haben in (2004) dient als nomenklatorische Grundlage. den letzten Jahren intensive Erfassungen, eine Erhöhung der Beprobungsintensität und die Die Faktoren, die zum Rückgang einer Art ge- konsequente Auswertung von Beifängen eine führt haben, sind oft nicht bekannt. Festzustel- große Anzahl an neuen Daten gebracht. Eben- len ist dann nur die Tatsache, dass diese Arten falls wurden seit der letzten Fassung durch auf- in alten Sammlungen häufig vertreten sind, wändige Sammelmethoden viele Neu- und aber aktuell kaum noch gefunden werden. Wiederfunde für Thüringen erzielt. Da die Be- Auffällig ist dabei, dass bei Arten, die eine na- stimmung bei vielen Arten schwierig ist, sind türliche Flussdynamik benötigen, ein großer Meldungen von Staphyliniden oft nur dann zu Rückgang zu erkennen ist. Vor allem Tiere, die verwerten, wenn die Arten von Spezialisten ge- frische, schlickfreie und vom Wasser durchrie- prüft wurden oder die Meldungen aus zuver- selte Kies- oder Sandbänke besiedeln, werden lässiger Quelle stammen. nur noch selten oder nicht mehr gefunden. Bei den Bewohnern von Halb- und Trockenra- Datengrundlage für Thüringen bilden die Ar- sen sieht die Situation ähnlich aus, da die Flä- beiten von kellner (1876) und raPP (1933, 1953). chen aus verschiedenen Gründen kleiner wer- kellner publizierte als Erster, neben einer Auflis- den oder die Lebensraumqualität schlechter tung der Arten, auch Fangumstände und mach- wird. Obwohl beim Totholz im Wald ein Um- te Angaben zur Häufigkeit. Leider gibt kellner denken stattfindet, werden außerhalb des Wal- keine Daten zu Funden an. Auch die Belege in des freistehende, alte Bäume zu schnell der Ver- seiner Sammlung besitzen keine Fundorteti- kehrssicherheit geopfert. Gerade die großen, ketten. Bei den ausgestorbenen Arten, die im totholzreichen Bäume sind oft die einzigen Verzeichnis von kellner stehen, kann daher nur Brutstätten vieler spezialisierter Arten. Bei den die Zeit vor 1873 (dem Jahr der ersten Auflage Bewohnern der primären Binnensalzstellen ist seines Verzeichnisses) angenommen werden. ebenfalls ein Rückgang festzustellen. Dies be- Nach raPP, der alle verfügbaren Funde für Thü- trifft sowohl die Arten- und Individuenzahl als ringen aufführt, publizierten lieBMann (1955), auch die Größe der besiedelbaren Flächen. Ein Mohr (1963, 1966), schieMenz (1973), kliMa (1984, markantes Beispiel ist die Salzstelle Louisenhall 1985) und vogel (1988, 2000) weitere Beiträ- bei Stotternheim, die früher wegen ihrer guten ge, besonders zu Lokalfaunen. Seit mehr als 20 Ausbildung ein beliebtes Sammelziel der Thü- Jahren werden alle verwertbaren Funddaten ringer Entomologen war und heute kaum noch im Naturkundemuseum Erfurt in einer Daten- als solche zu erkennen ist. Hier wirkt sich wohl bank gesammelt. Zurzeit liegen zu den Staphy- auch der sinkende Grundwasserspiegel nega- liniden über 70.000 Datensätze aus Thüringen tiv aus. Da viele Kürzflügelkäfer oft nur kleine vor. Die wichtigsten Sammlungen im Museum Habitate besiedeln, sind diese Strukturen in der der Natur Gotha und dem Naturkundemuse- Landschaft leicht zu zerstören. Das führt oft zur um Erfurt konnten ausgewertet werden. Da die Vernichtung ganzer Populationen. Sammlung raPP seit 2008 vom Museum der Na- tur Gotha wieder ins Naturkundemuseum Er- Ein direkter Vergleich mit der Roten Liste 2001 furt zurückgeführt wurde, konnten bei dieser kann nicht erfolgen, da in der aktuellen Liste Gelegenheit die Staphyliniden genauer über- weitere Unterfamilien aufgenommen wurden, prüft werden. Dabei wurden einige Arten ent- die in der alten Liste noch nicht enthalten wa- deckt, die bisher für Thüringen nicht bekannt ren. Von den 1.150 aus Thüringen gemeldeten waren, weil sie entweder falsch bestimmt oder Arten wurden 1.113 bewertet. Von vorn herein übersehen worden sind. Weiterhin konnten ei- aus der Bewertung ausgeschlossen wurden 18 nige alte bei raPP (1933) aufgeführte Fundmel- Neobiota und 19 weitere Arten, meist solche, dungen bestätigt werden. Die Artenzahl hat bei denen taxonomische Änderungen einge- 190 treten sind. Dies betrifft vor allem Kurzflügler- arten, wie die der Stenus aterrimus-Gruppe, der Dinarda dentata-Gruppe und der Thiasophilus angulatus-Gruppe, die bei Ameisen leben und erst kürzlich als Komplex mehrerer Arten er- kannt worden sind. Insgesamt 127 Arten sind ausgestorben oder verschollen, weitere 309 sind mehr oder weni- ger gefährdet und 609 nicht gefährdet. Als ext- rem selten werden 43 Arten eingestuft. Sie sind wegen ihrer Seltenheit auch potenziell gefähr- det und hoch schutzwürdig. Für die Einstufung weiterer 22 Arten waren die Daten defizitär. Als ausgestorben wurden Arten bewertet, deren Kurzflügelkäfer Staphylinus spec. (Aufn. F. leo, fokus-natur) letzter Nachweis mehr als 50 Jahre zurückliegt. Thüringen: 1.113 bewertete Arten Gefährdungs- 0 1 2 3 R G V D * kategorie Anzahl Arten 127 61 127 121 43 0 0 25 609 Anteil (%) 11,4 5,5 11,4 10,9 3,9 0 0 2,2 54,7 Summe (Anteil) Gefährdet: 479 (=43,0 %) Ungefährdet: 609 (=54,7 %) Bei einer Reihe von Arten musste eine Umbe- niszuwachs haben sich 183 und durch die ge- wertung erfolgen. Bei solchen, die herabgestuft änderte Methodik 26 Veränderungen ergeben. wurden, hat sich meist die Datengrundlage Aus taxonomischen Gründen kam es zu einer verbessert oder die neue Bewertungsmetho- Veränderung. Insgesamt konnten 78 Arten aus de lässt eine andere Einstufung nicht zu. Bei der Liste der gefährdeten Arten gestrichen neu nachgewiesenen Arten ist eine Aussage werden und weitere 14 Arten wurden von der zum Bestandstrend generell noch nicht mög- Kategorie „1“ in die Kategorie „R“ versetzt. Bei lich. Auf eine Bewertung der Neobiota wurde 19 Arten hat sich die Einstufung durch Kennt- einheitlich verzichtet, auch wenn bei einigen niszuwachs negativ verändert. Davon wurden Arten eine Etablierung festzustellen ist. Eine in der neuen Liste 10 Arten nun als „verschollen kurzfristige Abnahme im Bestandstrend ist nur oder ausgestorben“ eingestuft. Verschlechtert bei einigen Arten sicher nachzuweisen. Neben hat sich die Situation unter anderem bei den den Ergebnissen der Datenauswertung flossen Arten: Geodromicus nigrita, Achenium humile auch die persönlichen Erfahrungen des Autors und Megalinus glabratus. Diese Arten wurden in die Bewertung ein, die aus einer 40-jährigen in den letzten Jahren kaum noch nachgewie- Sammeltätigkeit resultieren. sen. Der Grund dafür ist aber nicht ersichtlich, Bei der Bewertung der Staphyliniden ergaben zumal die Arten in unterschiedlichen Habita- sich 210 positive Veränderungen. Durch Kennt- ten leben. 191 Rote Liste Art Gefährdung Bemerkungen Achenium humile (nicolai, 1822) 3 (1933) Acidota crenata (FaBricius, 1793) 3 Acrolocha amabilis (heer, 1841) 1 Acrotona exigua (erichson, 1837) 0 Acrotona troglodytes (Motschulsky, 1858) 2 Acrulia inflata( gylllenhal, 1813) 3 Acylophorus glaberrimus (herBst, 1784) 0 1930 Acylophorus wagenschieberi kiesenWetter, 1850 2 Alaobia scapularis (c. r. sahlBerg, 1831) 3 Aleochara cuniculorum kraatz, 1858 1 Aleochara erythroptera gravenhorst, 1806 3 Aleochara fumata gravenhorst, 1802 1 Aleochara haemoptera kraatz, 1856 0 1904 Aleochara irmgardis vogt, 1954 R Aleochara kamila likovský, 1984 0 (1933) Aleochara laticornis kraatz, 1856 0 (1933) Aleochara lygaea kraatz, 1862 2 Aleochara maculata Brisout De Barneville, 1863 R Aleochara major FairMaire, 1857 3 Aleochara moerens gyllenhal, 1827 1 Aleochara moesta gravenhorst, 1802 0 1959 Aleochara puberula klug, 1832 R Aleochara spissicornis erichson, 1839 1 Aleochara villosa MannerheiM, 1830 3 Alevonota egregia (rye, 1876) 2 Alevonota gracilenta (erichson, 1839) 3 Alevonota rufotestacea (kraatz, 1856) 3 Aloconota appulsa (scriBa, 1867) 0 1902 Aloconota coulsoni (last, 1952) R Aloconota currax (kraatz, 1856) 3 Aloconota eichhoffi( scriBa, 1868) 0 1926 Aloconota languida (erichson,
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