Die Sowjetische Militäradministration Und Die CDU in Sachsen 1945-1952

Die Sowjetische Militäradministration Und Die CDU in Sachsen 1945-1952

1 2 3 Die Sowjetische Militäradministration 4 und die CDU in Sachsen 1945–1952. 5 Eine bürgerliche Partei aus dem Blickwinkel der 6 Besatzungsmacht 7 8 Von Stefan Donth 9 10 Vorbemerkungen 11 12 Trotz zahlreicher neuerer Arbeiten steht die Forschung zur Politik der Sowjetischen 13 Militäradministration in Deutschland (SMAD) gegenüber der CDU nicht zuletzt 14 aufgrund der Situation in den russischen Archiven erst am Anfang.1 Erste Unter- 15 suchungen nach dem Wegfall der politischen Restriktionen nach 1989/90 haben 16 unseren Kenntnisstand zur Geschichte der CDU in Sachsen wesentlich erweitert.2 17 18 1 Bernd BONWETSCH u.a. (Hrsg.), Sowjetische Politik in der SBZ 1945–1949. Dokumente 19 zur Tätigkeit der Propagandaverwaltung (Informationsverwaltung) der SMAD unter Sergej 20 Tjulpanov (Archiv für Sozialgeschichte, Beiheft 20), Bonn 1998. Stefan CREUZBERGER, Die 21 sowjetische Besatzungsmacht und das politische System der SBZ (Schriften des Hannah- 22 Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Bd. 3), Weimar–Köln–Wien 1996. Jan FOITZIK, Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) 1945–1949. Struktur und Funktion 23 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 44), Berlin 1999. Norman NAIMARK, The 24 Russians in Germany. A History of the Soviet Zone of Occupation, Cambridge/London 1995. 25 Alexandr HARITONOW, Sowjetische Hochschulpolitik in Sachsen 1945–1949 (Dresdner Histo- 26 rische Studien, Bd. 2), Weimar 1995. Gerhard WETTIG, Bereitschaft zu Einheit in Freiheit? Die sowjetische Deutschland-Politik 1945–1955, München 1999. 27 2 Manfred AGETHEN, Die CDU in der SBZ/DDR 1945–1953, in: Jürgen FRÖLICH (Hrsg.), 28 »Bürgerliche Parteien« in der SBZ/DDR. Zur Geschichte von CDU, LDP(D), DBD und NDPD 29 1945 bis 1953, Köln 1994, S. 47–72. Ralf BAUS, Die Gründung der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands in Sachsen, in: Historisch-Politische Mitteilungen. Archiv für christlich- 30 demokratische Politik 2 (1995), S. 83–117. Ralf BAUS/Volkmar HÄNEL, »Wir gehören alle 31 zusammen ...«. Die Gründung der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands in Sachsen 32 1945, in: Das Forum der Sächsischen Union 7 (1998), S. 4–30. Günter BUCHSTAB (Hrsg.), 33 Verfolgt und entrechtet. Die Ausschaltung Christlicher Demokraten unter sowjetischer Besat- zung und SED-Herrschaft 1945–1961. Eine biographische Dokumentation, Düsseldorf 1998. 34 Michael RICHTER, Die Ost-CDU 1948–1952. Zwischen Widerstand und Gleichschaltung (For- 35 schungen und Quellen zur Zeitgeschichte, Bd. 19), Düsseldorf2 1991. Hermann WENTKER, Die 36 Anfänge der bürgerlichen Parteien unter den Bedingungen der sowjetischen Besatzung (1945/ 46), in: Hartmut MEHRINGER (Hrsg.), Erobert oder befreit? Deutschland im internationalen 37 Kräftefeld und die sowjetische Besatzungszone, München 1999, S. 189–214. Gerhard WETTIG, 38 Der Konflikt der Ost-CDU mit der Besatzungsmacht 1945 im Spiegel sowjetischer Akten, in: 39 Historisch-Politische Mitteilungen. Archiv für christlich-demokratische Politik 6 (1999), 40 S. 109–137. Manfred WILDE, Die SBZ-CDU 1945–1947. Zwischen Kriegsende und kaltem Krieg, München 1998. Stephan ZEIDLER, Auf dem Weg zur Kaderpartei? Zur Rolle der Ost- 41 CDU in der inneren Entwicklung der DDR 1952–1953, Hamburg 1996. 42 110 Stefan Donth 1 Ein Forschungsdesiderat blieb dabei jedoch die Politik der sowjetischen Besat- 2 zungsmacht gegenüber der sächsischen Union, ohne deren Berücksichtigung die 3 Geschichte der Partei von 1945 bis 1952 nur lückenhaft dargestellt werden kann. 4 Ziel dieser Studie ist es deshalb, anhand sowjetischer Archivalien den spe- 5 zifischen Anteil der Besatzungsmacht an der Gleichschaltung der sächsischen 6 Union herauszuarbeiten. Dabei ist zu klären, welche Ziele verfolgt und mit 7 welchen Instrumentarien diese durchgesetzt wurden. Wesentlich ist dabei die 8 Sicht der Akteure auf sowjetischer Seite. Auf die Politik der SED gegenüber 9 der CDU – insbesondere im Landesblock – kann hier nur am Rande einge- 10 gangen werden. Die Studie stützt sich auf Unterlagen der SMAD-Propagan- 11 da-/Informationsverwaltung sowie der entsprechenden Abteilung der Sowje- 12 tischen Militäradministration in Sachsen (SMAS), die im Staatsarchiv der Rus- 13 sischen Föderation (GARF), im Russischen Zentrum für die Aufbewahrung 14 und Erforschung von Dokumenten der neuesten Geschichte (RCChIDNI) und 15 im Archiv der Außenpolitik der Russischen Föderation (AVP RF) eingesehen 16 werden konnten.3 Außerdem wurden Aktenbestände der Stiftung Archiv der 17 Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR im Bundesarchiv 18 (SAPMO-BA), des Sächsischen Hauptstaatsarchives (SächsHStA) und des 19 Archives für Christlich-Demokratische Politik (ACDP) herangezogen. 20 Der erste Teil befasst sich mit dem Apparat und der Strategie der sowjeti- 21 schen Besatzungsmacht zur Kontrolle und Lenkung der CDU. Vor diesem Hin- 22 tergrund geht die Untersuchung im zweiten Teil auf die Politik der SMAD 23 während der Gründungs- und Aufbauphase der sächsischen Union bis zu den 24 Wahlen 1946 ein. Im dritten Teil verlagert sich der Schwerpunkt auf die mit 25 der Absetzung Jakob Kaisers Ende 1947 verbundenen Säuberungsaktionen in 26 Sachsen. Mit dem Abschluss der Gleichschaltung der sächsischen Union zwi- 27 schen 1949 und 1952 beschäftigt sich der vierte Teil. 28 29 Apparat und Strategie der Besatzungsmacht zur Kontrolle und Steuerung 30 der CDU 31 32 Die am 6. Juni 1945 gegründete SMAD war die zentrale Vertreterin sowje- 33 tischer Interessen in Deutschland und verfügte über eine große Machtfülle 34 zur Steuerung und Kontrolle des politischen, wirtschaftlichen und gesell- 35 schaftlichen Lebens in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Neben der 36 Dienststelle des Politischen Beraters, der das Außenministerium in der SMAD 37 vertrat, rückte die SMAD-Propagandaverwaltung (seit 1947 Informationsver- 38 waltung) als zentrale Behörde der SMAD zur Kontrolle und Lenkung der CDU 39 40 41 3 Zum besseren Verständnis der für die Untersuchung herangezogenen Quellen werden 42 die Titel der Dokumente in deutscher Übersetzung widergegeben. Sowjetische Militäradministration und CDU in Sachsen 111 auf.4 Der Politische Berater Wladimir Semenov und der Leiter der Propa- 1 gandaabteilung Oberst Sergej Tjulpanov trugen maßgeblich dazu bei, die 2 Gleichschaltung der Union voranzutreiben und sie in die entstehende sozia- 3 listische Gesellschaftsordnung einzufügen. Dabei war die von Oberst Pro- 4 kofij Nazarov geleitete »Abteilung für die Arbeit in den antifaschistischen 5 Parteien« der SMAD-Propagandaverwaltung besonders wichtig.5 Die Mit- 6 arbeiter nahmen an allen wichtigen Zusammenkünften der Parteien teil, un- 7 terzogen alle Reden und Verlautbarungen der Zensur, trafen personalpoliti- 8 sche Entscheidungen und bestimmten mit Befehlen, Anweisungen, Anord- 9 nungen, »Hinweisen« und »Ratschlägen« in hohem Maße das politische 10 Leben der SBZ6. Jede Partei wurde von einem speziellen Referenten »be- 11 treut«. Für die CDU war bis 1950 der Hauptmann und später Major Juri 12 Kratin zuständig.7 13 In Sachsen entstand Anfang Juli 1945 die »Sowjetische Militärverwaltung des 14 föderalen Landes Sachsen« (SMAS), die seit November 1945 über eine eigene 15 Propagandaabteilung verfügte.8 Zum ersten Leiter wurde Oberstleutnant Vat- 16 nik ernannt, dem 1947 Oberst Kuzminov und 1948 Oberst Krjukov nachfolg- 17 ten. Bereits Ende 1945 ist in der SMAS-Propagandaabteilung eine »Abteilung 18 Parteien« nachgewiesen, in der ein Referent alle Parteien »bearbeitete«. Erst 19 nach den Wahlen 1946 baute die SMAD diese Abteilung aus. Nun war jeweils 20 ein Referent für die einzelnen Parteien zuständig.9 21 In den Bezirkskommandanturen und großen Städten richtete die SMAS 1945 22 ebenfalls Propagandaabteilungen ein, während die Kreiskommandanturen die- 23 se erst im Oktober 1946 erhielten.10 Eine Sonderstellung innerhalb dieses Ap- 24 25 26 27 4 Anordnung für die Sowjetische Militäradministration über die Verwaltung der Sowje- 28 tischen Besatzungszone in Deutschland vom 6. Juni 1945. Um ein antifaschistisch-demokra- 29 tisches Deutschland. Dokumente aus den Jahren 1945–1949, Berlin (Ost) 1968, S. 51–53. B. BONWETSCH (wie Anm. 1), S. XXIX. 30 5 1946 arbeiteten im Apparat der SMAD-Propagandaverwaltung etwa 1.000 Mitarbeiter. 31 B. BONWETSCH (wie Anm. 1), S. XXXI. S. CREUZBERGER (wie Anm. 1), S. 38. Übersicht der 32 SMAD-Finanzabteilung vom 9. August 1946. Staatsarchiv der Russischen Förderation 33 (GARF); fond (f.) 7317, opis (op.) 8, delo (d.) 36a, Bl. 444–446. 6 »Die dreijährige Arbeitserfahrung der SMAD-Informationsverwaltung (Oktober 1945– 34 Oktober 1948)« GARF f. 7317, op. 19, d. 1. J. FOITZIK (wie Anm. 1). N. NAIMARK (wie Anm.1). 35 7 J. FOITZIK (wie Anm. 1), S. 466. 36 8 SMAD-Befehl Nr. 5 vom 9. Juli 1945. Befehle des Obersten Chefs der Sowjetischen Mi- litärverwaltung in Deutschland. Aus dem Stab der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutsch- 37 land, Sammelheft 1945, Berlin 1946, S. 13 f. Materialsammlung zur Geschichte der SMAS 1945– 38 1948, Teil 2. GARF, f. 7212, op. 1, d. 2, Bl. 6. A. HARITONOW (wie Anm. 1), S. 50–54. 39 9 Materialsammlung zur Geschichte der SMAS 1945–1948, Teil 2. GARF f. 7212, op. 1, 40 d. 2, Bl. 9 f. Anlage zur Anweisung der SMAD Nr. 015 vom 20. März 1946. GARF, f. 7317, op. 8, d. 36a, Bl. 93–106. 41 10 Vgl. die entsprechenden Stellenpläne in GARF f. 7317, op. 8, d. 38a. 42 112 Stefan Donth 1 parates nahm die Dresdner Stadtkommandantur ein, die einen großen Teil des 2 politischen Lebens der Landeshauptstadt steuerte.11 3 Parallel und relativ unabhängig von diesen »offiziellen« Strukturen

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