Dr. Klaus Reinhardt General Ad Im Gespräch Mit Dr. Thomas Rex

Dr. Klaus Reinhardt General Ad Im Gespräch Mit Dr. Thomas Rex

BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks Sendung vom 08.05.2002 Dr. Klaus Reinhardt General a.D. im Gespräch mit Dr. Thomas Rex Rex: Alpha-Forum, grüß Gott. Ich begrüße heute Klaus Reinhardt: Er ist promovierter Historiker und ein Mann, der eine beispiellose Karriere bei der Bundeswehr gemacht hat. Guten Abend, Herr Reinhardt. Reinhardt: Grüß Gott, Herr Rex. Rex: Herr Reinhardt, Sie waren ein Vier-Sterne-General und der Oberbefehlshaber der Alliierten Landstreitkräfte in Europa Mitte. Ganz bekannt wurden Sie vielen, vielen Leuten in Deutschland als Kommandant der KFOR-Truppe, die in einer großen Friedensmission 50000 Soldaten aus 39 Nationen dazu gebracht hat, wirklich Frieden auf dem Balkan einkehren zu lassen. Herr Reinhardt, Sie sind hoch gelobt und hoch dekoriert. Zeitungen schrieben von Ihnen, Sie seien der intellektuelle Vordenker der Generalität in Deutschland, Sie seien einer der brillantesten Köpfe der Streitkräfte. Wie gehen Sie denn mit einem solchen Lob um? Reinhardt: Ach, im Augenblick bin ich pensioniert, lasse das alles sich setzen und freue mich darüber, dass ich die Chance hatte, 41 Jahre lang diesen Dienst in den Streitkräften machen zu können. Ich hatte eine unglaublich spannende und interessante Karriere, für die ich dankbar bin. Jetzt versuche ich, es ein bisschen ruhiger angehen zu lassen und mich mehr aufs Skifahren und aufs Musikhören zu konzentrieren. Rex: Das sind nämlich Ihre großen Hobbys. Sie sind in Berlin geboren worden, aber in Bayern in Garmisch-Partenkirchen und in Mittenwald aufgewachsen. Sind Sie denn ein “waschechter” Bayer? Reinhardt: Ja, was ist ein “waschechter” Bayer? Ich kann natürlich keinen bayerischen Stammbaum aufweisen: Der Stammbaum meiner Familie kommt aus Thüringen und aus dem Rheinland. Mein Großvater war einer der Hugenotten, die einst aus Frankreich nach Deutschland gekommen waren. Wenn Sie aber meine Mentalität, meine Zugehörigkeit und meine Sprache meinen, dann bin ich eindeutig Bayern, bin ich eindeutig Werdenfelser. Ich war dort unten Skilehrer und in der Bergrettung tätig. Ich habe dort meine Freunde und fühle mich dort auch verwurzelt. Ich bin jetzt aus diesem Grund auch wieder nach Bayern zurückgekehrt. Rex: Wie oft sind Sie im Laufe Ihres Lebens umgezogen? Reinhardt: 20 Mal. Das war jetzt der 20. Umzug und wir hoffen, dass das auch der letzte Umzug war. Rex: Ihre Frau wird darüber recht dankbar sein, wie ich annehme. Sie haben in den Bergen und mit den Bergen gelebt und Sie wurden dann auch Gebirgsjäger, als Sie mit 19 Jahren zur Bundeswehr gingen. Warum gingen Sie zur Bundeswehr? Sie hatten ein humanistisches Abitur gemacht: Warum machten Sie nicht sofort Ihr Studium? Reinhardt: Ja, da hatte ich so gewisse Frustrationserlebnisse. Ich habe ja in Garmisch mein Abitur gemacht und hatte schon während meiner Schulzeit in München so ein wenig Musik studiert. Ich dachte nämlich eigentlich mehr an eine musikalische Karriere. Ich musste dann aber feststellen, dass es neben mir Jungs und Mädchen gab, die den Kontrapunkt und die Harmonielehre wesentlich besser drauf hatten als ich. Was ich erst lernen musste, hatten diese Leute ganz intuitiv drauf. Ich musste also feststellen, dass das wohl nicht so werden würde, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich machte dann meinen Wehrdienst und stellte dabei wiederum fest, dass ich meine sportlichen Ambitionen dort in Mittenwald glänzend umsetzen konnte. Ich habe aber noch etwas festgestellt, was meiner Meinung nach in diesem Beruf ganz wichtig ist: Ich kann auf andere Menschen so einwirken, dass sie mir folgen. Ich konnte also führen. Das alles hat dann dazu geführt, dass ich mir sagte, "Gut, dann bleibe ich doch ein bisschen hier". Langfristig hat sich das dann auch ausgezahlt für mich. Rex: Hatten Sie zu dem Zeitpunkt wirklich vor, in der Bundeswehr Karriere zu machen, oder hat sich das einfach so ergeben, als Sie sich für vier oder acht Jahre verpflichteten? Reinhardt: Ich hatte mich erst einmal auf sechs Jahre verpflichtet. Diese Verpflichtung habe ich dann aber sehr schnell wieder zurückgezogen, weil mir manche Dinge so sehr missfallen haben, dass ich gesagt habe: "In der Armee bleibe ich nicht! Das passt mir nicht!" Rex: Haben Sie denn als General diese Dinge später verändert? Reinhardt: Man weiß eigentlich nicht so genau, ob man das verändern konnte, denn das waren ja viele Kleinigkeiten, die einen in jungen Jahren ärgerten. Aber ich hatte damals schon einen sehr guten Vorgesetzten, der im Grunde genommen eigentlich nur Ihr Argument angebracht hat. Er sagte mir nämlich: "Lass dich doch nicht von irgendwelchen Leuten aus deiner Laufbahn 'rausschmeißen, mach es besser, mach es anders!" Ob ich es besser und anders gemacht habe, müssen andere beurteilen, die ich geführt habe. Aber ich bin im Nachhinein eigentlich ganz dankbar dafür, dass ich immer wieder jemanden gefunden habe, der mich quasi geradegestellt hat und zu mir sagte: "Junge, mach weiter!" Diese Menschen haben mich so überzeugen können, dass ich dann auch wirklich dabei geblieben bin. Rex: Sie haben dann aber doch zu irgendeinem Zeitpunkt gesagt, dass die Bundeswehr nicht alles sein kann in Ihrem Leben: Sie gingen nämlich nach Freiburg und studierten dort politische Wissenschaften. Das war gegen Ende der sechziger Jahre, also in einer Zeit, in der die Studentenrevolte die Republik erschütterte. Wie standen Sie denn zu den 68ern? Reinhardt: Das war für mich eine ganz wichtige Erfahrung, denn ich habe 1967 in Freiburg als Soldat mit dem Studium begonnen: mit Geschichte, politische Wissenschaften und Staatsrecht. Ich bin also für mein Studium nicht aus der Bundeswehr ausgetreten. Stattdessen habe ich während der Semesterferien, als die Kommilitonen jobbten, zu Hause als Kompaniechef "gejobbt". Das erste Dreivierteljahr habe ich dort alleine auf einer Bude gewohnt, weil meine Frau unseren Sohn erwartete und die beiden in Garmisch geblieben waren. Ich war damals wirklich in jeder SHB- und SDS- Veranstaltung. Ich habe Rudi Dutschke in Freiburg erlebt und ich wurde einmal voll von einem C-Rohr eines Wasserwerfers erwischt: Das hat mich komplett übers Kopfsteinpflaster getrieben. Für mich war es eine ganz, ganz wichtige Erfahrung zu sehen, dass andere Menschen anders denken als ich, anders argumentieren und auch hinsichtlich ihrer Wertevorstellung, ihres Wertekanons ganz anders sind. Ich wurde damals von einigen meiner Kommilitonen als "bourgeoiser Scheißer" beschimpft: Damit konnte ich aber gut leben. Dieses größere und breitere Feld, diese Auseinandersetzung mit den Problemen in unserem Land waren für mich jedenfalls eine ganz wichtige Bereicherung. Rex: Sie haben politische Wissenschaft studiert und 1972 dann auch promoviert. Sie gingen dann gleich wieder zurück zur Truppe: Wie ging es da dann weiter? Reinhardt: Ich war dann Kompaniechef und kam zurück nach Mittenwald, wo ich meine Kompanie führte. Zu der Zeit wurde die Grundausbildungszeit von sechs Monaten auf drei Monate gestutzt: Ich habe das damals für die Bundeswehr ausprobiert – mit all den Wenns und Abers, die es dabei gegeben hat. Ich bin also nach der Rückkehr aus Freiburg sofort wieder ins Wasser gesprungen. Ich hatte ja schon gesagt, dass ich während der Semesterferien immer bei der Truppe gewesen bin. Aus diesem Grund war der Abstand auch nie wirklich groß und so ist das alles dann auch ganz gut gelaufen. Rex: Hat es denn damals so etwas wie die heutige Bundeswehrhochschule noch nicht gegeben, sodass Sie nach Freiburg hatten gehen müssen? Reinhardt: Das Ellwein-Konzept ist ja erst in den siebziger Jahren umgesetzt worden. Ich war einer von den wenigen, die man schon vorher an die Universitäten geschickt hat. Das Ziel bestand eigentlich darin, dass wir Militärgeschichtslehrer werden. Das wäre für mich jedoch der absolute Horror gewesen. Ich hatte gehofft, dass ich das nicht werden müsste, weil ich viel lieber die Dinge selbst aktiv gestaltete, als nur das nachzuempfinden, was andere vor mir gemacht hatten. Das hat dann ja auch Gott sei Dank ganz gut hingehauen. Rex: Es ging dann in ganz schnellen Schritten weiter. Sie wurden Adjutant beim stellvertretenden Generalinspekteur der Bundeswehr, danach wurden Sie Kommandeur beim Gebirgsjägerbatallion 231 in Bad Reichenhall. Im Anschluss daran wurden Sie Abteilungsleiter für Einsatzführung im Stab der ersten Gebirgsjägerdivision. Schließlich wurden Sie Adjutant beim Verteidigungsminister Manfred Wörner. Was war denn in dieser Zeit ganz besonders wichtig für Sie? Reinhardt: Mit Sicherheit war die Zeit mit Manfred Wörner eine der prägenden Zeiten für mich gewesen: dies aber nicht nur, weil wir täglich um sieben Uhr morgens mit der Arbeit anfingen und jeden Abend nicht vor elf Uhr nachts aus dem Büro wieder herauskamen. Nein, ich habe dabei nämlich die Welt kennen gelernt. Manfred Wörner hat die damalige Welt wirklich bereist, einschließlich des Fernen Ostens. Ich bekam dadurch andere Perspektiven und wurde auch sehr eng mit dem Bereich der Militärpolitik, der NATO- Politik konfrontiert. Bis dato hatte ich das alles ja mehr oder weniger nur aus der Theorie kennen gelernt. Dies alles umzusetzen und dabei auch die wichtigsten Führer dieser Welt wie Ministerpräsidenten, Außenminister usw. hautnah kennen zu lernen, war schon sehr interessant. Ich lernte die Interdependenz von Militär und Politik kennen. Diese Interdependenz auch im eigenen Bereich zu Hause erleben zu können, war eine Erfahrung, die für meine weitere Laufbahn mit Sicherheit sehr wichtig gewesen ist. Rex: War es denn zu der Zeit so, dass Sie noch schwankten, ob Ihre Karriere wirklich eine

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