Musik in Venedig Und Mailand Im Zeichen Napoleons

Musik in Venedig Und Mailand Im Zeichen Napoleons

Musik in Venedig und Mailand im Zeichen Napoleons Kompositionen von und um Giovanni Simone Mayr Musik- und Kulturleben im Spannungsfeld politischer Macht Habilitationsschrift zur Erlangung der Venia Legendi für das Fach Musikwissenschaft der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt vorgelegt von Iris Winkler aus Bochum Prof. Dr. Wolfgang Schönig Dekan der Philosophisch-Pädagogische Fakultät Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt Mitglieder des Fachmentorats: Prof. Dr. Peter Brünger, Vors. Musikpädagogik und Musikdidaktik Philosophisch-Pädagogische Fakultät Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt Prof. Dr. Heinz Hürten Geschichtswissenschaft Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt Prof. Dr. Christoph Louven Musikwissenschaft Fachgebiet Musik und Musikwissenschaften Universität Osnabrück Prof. Dr. Reinhard Wiesend Musikwissenschaft Universität Mainz Prof. Dr. Michael Zimmermann Kunstgeschichte Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt 2 In memoriam John Stewart Allitt 3 Inhalt Einleitung 6 I. Einführung in die Thematik 13 Napoleon-Rezeption und Napoleons Musikrezeption: Die Basis der Bewertung 13 Napoleon und die Kunst der Repräsentation 18 Napoleon und die Gewalt der Musik – Chantons du nouvel Alexandre 19 II. Facetten des kulturellen Lebens im „napoleonischen“Venedig 30 Politische Verhältnisse 38 Huldigungen, Huldigungsmusiken, Huldigungsprogramme 43 Huldigungskantaten in Venedig vor, nach und um Napoleon 48 Eine kleine „revolutionäre“ Anspielung: Die farsa Il secreto, 1797, Musik von Giovanni Simone Mayr, Text von Giuseppe Maria Foppa 77 Caesars Tod : Zur Rezeption eines vorrevolutionären französischen Tragödien- und Opernstoffes in Venedig während des Italienfeldzuges 107 Musik auf öffentlichen Plätzen 1797 113 Te Deum laudamus – Musik und Liturgie 118 III. Kultur und Politik - Kulturpolitik im „napoleonischen“ Mailand: Die Krönung zum König von Italien 124 Die Krönung Napoleons im Mailänder Dom am 26. Mai 1805 125 Die Kaiserkrönung zum Vergleich 126 Die Krönung in Mailand 127 Welche Musik erklang bei der Krönung in Mailand? 130 4 Zu den musikalischen Aufführungen anlässlich der Krönung in Mailand: Starbesetzung beim Te Deum im Mailänder Dom am Beispiel Paris? 134 Die Generalprobe in Santa Maria del Giardino – in der zerstörten Franziskanerkirche - in Mailand 138 220 professionelle Musiker und 50-60 Laienmusiker 139 Napoleons musikalische Unterhaltung in Mailand: Ein Hauskonzert im Palazzo – Kantaten und Opern in der Scala 141 Werke von Giovanni Simone Mayr an der Mailänder Scala: S. Napoleone – Trajano 150 Schluss 170 Abbildungsverzeichnis 172 Quellen-, Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 173 Zeitgenössische Periodika 175 Literaturverzeichnis 176 5 „Toute l’Italie sera soumise à ma loi. “1 Einleitung Wie und auf welche Weise sich Politik und Kultur begegnen, durchdringen und bestimmen, wird im folgenden an Zeugnissen aus dem Musikleben in Venedig und Mailand im Zeichen Napoleons dargelegt, was bisher trotz der sinflutartigen Literatur zu Napoleon immer noch ein Desiderat der Forschung geblieben ist. Mit „Napoleon und der Musik“ hat sich Théo Fleischman in einer grundlegenden Studie 1965 beschäftigt2. Fleischman beleuchtet das Verhältnis von Musik und Politik, Napoleons Musikpolitik sowie Napoleon und seine bevorzugten Komponisten. Die Gattung Oper hat einen zentralen Stellenwert. Sie wird gesondert behandelt in David Chaillous, Napoléon et l’Opéra. La politique sur la scene 1810- 1815, erschienen 2004. Michel Noray weist Napoleon „eine wichtige Rolle für die Entstehung des modernen musikalischen Europa“ 3 zu. Inwieweit Napoleons Eroberungspolitik das Musikleben Italiens bestimmt hat, kommt in diesen für das weit gefasste Thema „Napoleon und die Musik“ wesentlichsten Arbeiten jedoch nicht zur Sprache. Italien ist für die Musik des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts immer noch führend gewesen. Italienische Komponisten hat Napoleon favorisiert. Italienische Musik wird in diesem Zusammenhang zum Politikum. Wie bedeutsam für Napoleon die italienische Vokalmusik gewesen ist, wird im ersten Kapitel der vorliegenden Studie erörtet. Dass Musikgeschichte ein Teil der Geschichte ist, hat im 19. Jahrhundert schon Carl von Winterfeld betont: „Aber auf dem Gebiete des endlichen Schaffens und Wirkens ist selten, ja wohl nie, eine That das reine Erzeugnis freier Selbstbestimmung; ist ja der Handelnde selbst ein Kind seiner Zeit, durch die mannigfaltigen Bedingungen bestimmt, unter denen sie sich gestaltet, unter denen er allein ihr anzugehören, lebendig in sie einzugreifen vermag. So ist dem Geschichtsschreiber der Kunst auch die Aufgabe gestellt, jenen Bedingungen nachforschend, in das Gebiet der allgemeinen Geschichte hinüberzugreifen.“4 Der Historiker Heinrich Luden folgert 1808: „Der Geist der Zeit und Nationalität verursacht, dass ein Kunstwerk nicht verstanden werden kann ohne genaue Kenntnis der Geschichte in aller Beziehung.“5 Nun ist und wird ein „Kunstwerk“ ein geschichtliches Zeugnis. Dem Kulturleben in der Lagunenstadt, das chronologisch schon am Anfang von der Eroberung betroffen ist, kommt eine zentrale Rolle zu. Daher wird zunächst an konkreten Fallbeispielen im zweiten Kapitel dargelegt, wie Napoleon Venedig nicht zuletzt 1 Napoleon an den Papst, 13. Februar 1806, zit. in: Giuseppe Galasso, Das italienische Staatensystem in der Politik Napoleons, in: Armgard von Reden-Dohna (Hg.), Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons. Deutsch-italienisches Historikertreffen in Mainz, 29. Mai – 1. Juni 1975, Wiesbaden 1979 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte, Beiheft 5), S.81-89, hier S.88. 2 Théo Fleischman, Napoléon et la musique, Brüssel, Paris 1965. 3 Michel Noray, Art. Napoleon I., in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite, neubearbeitete Ausgabe, hg. v. Ludwig Finscher, Personenteil Bd.12, Kassel, Basel, etc. 2004, Sp.905-908, zit. Sp.908. 4 Carl von Winterfeld, Johannes Pierluigi von Palestrina. Seine Werke und seine Bedeutung für die Geschichte der Tonkunst, Breslau 1832, S.1, zit. in: Werner Friedrich Kümmel, Geschichte und Musikgeschichte, Marburg 1967 (Marburger Beiträge zur Musikforschung, 1), S.106. 5 Heinrich Luden, Grundzüge ästhetischer Vorlesungen zum akademischen Gebrauche, Göttingen 1808, S. 4, zit. in : Werner Friedrich Kümmel, Geschichte und Musikgeschichte, op.cit., S.122. 6 kulturpolitisch für sich einzunehmen weiß und wie seine Person, Botschaft und Fremdherrschaft in den Kulturbereich - Musik, Theater, Literatur und bildendene Kunst - Venedigs eingeht, wie Napoleon wahrgenommen und zur Kunst- und Kultfigur stilisiert wird. Kunst, Kultur, Musik gehören zur Geschichte Venedigs – und nun betritt Napoleon diese Bühne. Schon Jacques Godechot hat Napoleon als „den ersten modernen Diktator“ bezeichnet, der „mit großem Ausmaß“ und „permanent“ sich der Propaganda bediente6. In Mailand – auch einer italienischen Musikmetropole - lässt sich der Kaiser Napoleon zum König von Italien krönen. Mit welchem Musikaufwand diese Inszenierung rein organisatorisch begleitet wird, wird anhand von Archivmaterial im dritten Kapitel dargestellt. Welche Bedeutung dem Theater La Scala in musikalischer wie politischer Hinsicht zukommt, wird anhand des dort zu dieser Zeit gespielten Programms, das als Huldigungsprogramm zu verstehen ist, offenbar. So ließen sich zur gewaltigen Historienleinwand - beziehungsweise Propagandaleinwand – vielleicht noch gar archivalisch dokumentierbare Tonaufnahmen gewinnen? Die Musik, die am 2. Dezember 1804 in der Kirche Notre Dame in Paris erklungen ist, wurde während des Festivals La Chaise-Dieu 1995 wiederaufgeführt und auch auf CD eingespielt. Guy Ramona, Generaldirektor des Festivals, schwärmt: „Wir haben das berühmte Ölgemälde von Louis David, eine interessante und pittoreske Ikonographie; wir haben die zeitgenössische Chronik, allerlei Berichte auch aus späteren Zeiten, und doch fehlt etwas Entscheidendes: wir haben einen hervorragenden und gut dokumentierten Film, aber es ist ein Stummfilm; wir haben Bilder, aber keinen Ton. Und jetzt ist der Ton wieder da! Er bringt mehr Informationen als man bisher dachte. Das Hauptwerk überrascht durch die Auffächerung im großen Kirchenraum (von Notre-Dame) und das Aufgebot an Interpreten. Eine angemessene Wiedergabe verlangt zwei große Chöre, zwei Orchester, ein Blechbläser- Ensemble mit neun Solisten. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts war ein solches Werk eine echte Revolution.“7 Das „berühmte Ölgemälde von Louis David“ hat keineswegs die historische Wirklichkeit im Bild festgehalten, sondern ist eine Illusion, eine perfekte Täuschung. Manfred Heinrich Brunner, der Napoleons Kunstpolitik weitgehend eher als „herrscherliches Mäzenatentum“ begreift, bezeichnet das Krönungsbild „als eine Manifestation ideologischer Kunstpolitik“8, worin er auch die separate Ausstellung dieses Monumentalgemäldes für die Öffentlichkeit im Salon carré des Louvre einschloss. „Historienmalerei als Gattung wurde wohl nicht von ungefähr zur höchsten Gattung in der akademischen Kunsttheorie: in der Historienmalerei ist der Bezug zum Menschen und seinem Handeln, die Reflexion seiner Stellung im Weltganzen am ausgeprägtesten.“9 Der vorliegenden Studie geht es zudem nicht allein um die Aufarbeitung und Aufbereitung historischen Notenmaterials, um dem wachsenden CD-Museum, einer Nische der „ernsten“ Musikkultur unserer Tage, neue wiederentdeckte Musik, neue alte Noten für weitere Exponate offerieren

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