Nyctalus (N.F.), Berlin 11 (2006), Heft 2-3, S. 119-169 Fledermausforschung und Fledermausschutz in Brandenburger Großschutzgebieten: Naturpark Märkische Schweiz* Erste Auswertung eines Artenhilfsprogramms „Fledermäuse" Von Joachim Haensel, Berlin unter Mitarbeit von Oliver Büxler, Batzlow, Peter Eichelkraut, Liebenhof und Ronald Wendorf, Berlin Mit 11 Abbildungen und 17 Karten 1 Vorbemerkung Roterle, Birke, Winterlinde, Pappel und Pap pelhybriden; doch die dominierende Baumart Wenn man in Deutschland nach einem Wald ist die Kiefer. fahndet, den man noch annähernd als „Urwald" bezeichnen könnte, dann ist diese Das von den Eiszeiten geprägte bergige Suche im Naturpark Märkische Schweiz auf Gelände mit vielen Tälern, Kehlen und jeden Fall erfolgreich - wenn auch nur auf Schluchten erinnert stellenweise an eine Mit sehr kleiner Fläche. Gleich unterhalb von telgebirgslandschaft - der Name „Märkische Julianenhof, dem Standort des Internationalen Schweiz" hat deshalb seine volle Berechtigung. Fledermausmuseums, gibt es eine solche Wegen dieses landschaftlichen Abwechslungs faszinierende Waldlandschaft - in einer wild- reichtums ist es kein Wunder, daß die roman- tischen Schlucht, die als „Hölle" Märkische Schweiz - nur ungefähr 50 km bezeichnet wird (s. Luftaufnahmen bei Luftlinie von Berlin entfernt! - auch eine Grützmacher in ds. Ausgabe)! Aber nicht nur sehr artenreiche Fledermausfauna aufzu Wälder, angefangen von eintönigsten Mono weisen hat. kulturen bis hin zu beeindruckend naturnahen Waldstrukturen prägen den Naturpark Mär Seit 1992 haben sich die Autoren und kische Schweiz, sondern auch Wasser, sogar weitere, meist aber nur zeitweilig beteiligte, ziemlich viel Wasser, vor allem als Stand-, Mitstreiter um die Erforschung der Fleder aber auch als Fließgewässer. Wälder und mäuse und um ihren Schutz im Naturpark Gewässer werden immer wieder unterbrochen Märkische Schweiz bemüht und bis zum Jahre von Feldfluren, Grünland, stellenweise auch 2004 ein unbefristetes - so schien es jedenfalls von südexponierten Trockenrasen sowie male - wissenschaftlich begleitetes Artenhilfs- rischen Siedlungen mit viel alter Bausubstanz. programm (AHP) „Fledermäuse" des Landes In nüchternen Zahlen ausgedrückt besteht die Brandenburg (anfangs bei der Landesanstalt Märkische Schweiz aus 37,0 % Wald, 44,0 % für Großschutzgebiete/LAGS angesiedelt) Grün- und Ackerland, 4,5 % Wasser, 10,6 % betreut. Sang- und klanglos kam aber zum Siedlungen und 9,3 % sonstigen Flächen, wie Jahreswechsel 2004/05 das Ende - eine weitere Verkehrswegen. Die Waldflächen werden von Errungenschaft der Nachwendezeit ist damit einerVielfalt an Holzarten bestimmt: Rotbuche, dahin... Hainbuche, Robinie, Trauben- und Stieleiche, : In Zusammenarbeit mit der Naturwacht im Naturpark Märkische Schweiz. 120 Joachim Haensel: Fledermausforschung und Fledermausschutz 2 Allgemeines zur Fledermausfauna kung einer sehr großen Wochenstube des im Naturpark Märkische Schweiz Kleinabendseglers (Nyctalus leisleri). Über die Fledermausfauna des Naturparks 2. Eine Reihe von Fledermausquartieren, vor Märkische Schweiz war vor der Aufnahme des allem Winterquartiere, ist durch den Einsatz Artenhilfsprogramms (AHP) „Fledermäuse" der Naturwacht hergerichtet, mit Hilfsmaß so gut wie nichts bekannt. Diese „Lücke" fällt nahmen (= künstliche Hangplatzangebote) auf, wenn man die für die letzte DDR-Kartie ausgestattet und gesichert worden. Unsere rung angefertigten Verbreitungskarten betrach langen Listen der betreuten Quartiere enthal tet (Hiebsch & Heidecke 1983,1987), ebenso ten entsprechende Hinweise hierzu (s. u.). Es einige Daten nach Schmidt (1980). Aus dem gibt aber noch zahlreiche weitere Objekte, landschaftsplanerischen Entwicklungskonzept die in ähnlicher Weise gestaltet und betreut (Herberg & Uehlein 1992, Uehlein & Her werden müßten. berg 1993) geht hervor, daß die faunistische Erfassung nicht nur der Fledermäuse, sondern 3.Unmittelbar nach Aufnahme der intensiven auch anderer Tiergruppen (ausgenommen die Fledermaus-Untersuchungen und -Schutz Vögel und neuerdings die Libellen) vernach maßnahmen entwickelte Dr. Joachim Haen- lässigt wurde, obwohl die Märkische Schweiz SEL/Berlin die Ideen für die Gründung eines seit altersher als Ausflugs- und Feriengebiet Internationalen Fledermausmuseums, das es ein touristisch bevorzugtes Ziel, besonders für - im Gegensatz zu den mancherorts existie die Berliner, war und ist. renden Informationszentren - weltweit noch nicht gibt. Im Naturpark Märkische Schweiz Lediglich ein paar Wiederfundmeldungen, boten sich dafür günstige Voraussetzungen, vor allem in Rüdersdorf beringter Fledermäu zumal es dem NABU-Regionalverband se, lagen für die Zeit vor 1992 vor (s. u.). Um Strausberg/Märkische Schweiz e.V gelang, so erfreulicher war die Möglichkeit, die sich in Julianenhof (wenige Kilometer von Buk- damals aufInitiative der Naturparkverwaltung kow entfernt) ein ideales Grundstück mit und der Leitung der Brandenburger Groß einem 70 m langen Stallgebäude und einem schutzgebiete auftat, nicht nur das Vorkommen Eiskeller zu erwerben (1998) und nach zähen der Fledermäuse zu analysieren, sondern Verhandlungen auch die finanziellen Mittel zugleich auch Maßnahmen zum Schutz dieser für den Ausbau in mehreren Etappen einzu- spezialisierten und gefährdeten Säugetiergrup werben. Mit den eigentlichen Arbeiten konn pe veranlassen zu können. Eine Art Vorbild te bereits 1999 begonnen werden (Grützma war das AHP „Fledermäuse" für Westberlin cher 1999, 2000a), zuerst mit der Herrich (Klawitter & Palluch 1987) mit seiner tung des Eiskellers (2000; Grützmacher Erweiterung nach der Wiedervereinigung auf 2000b), danach mit dem Dachboden (2002) Ostberlin (Haensel 1991). Danach wurde ein und schließlich ab 2004 mit dem 1. Bauab „Paket" von Initiativen und Leistungen für den schnitt der eigentlichen Museumsetage. Naturpark Märkische Schweiz entwickelt, das nicht zuletzt dank der langjährigen Anlage des 3 Naturpark Märkische Schweiz - AHPs in zunehmendem Umfang griff, und Landschaft, Pflanzen, Tiere zwar in folgenden Punkten: Der Naturpark Märkische Schweiz verdankt 1.Die Fledermausfauna des Großschutzgebie seine Gründung der „Verordnung über die Fest tes „Naturpark Märkische Schweiz" ist nach setzung von Naturschutzgebieten und einem rund 14 Jahren intensiver Untersuchungen Landschaftsschutzgebiet von zentraler Bedeu relativ gut bekannt. Trotzdem kommen tung als Naturpark Märkische Schweiz", die immer wieder Überraschungen vor - wie mit ihrer Verkündung am 1. Okt. 1990 im zuletzt im Sommer 2005 durch die Entdek- Gesetzblatt der DDR in Kraft trat. Der Natur- Joachim Haensel: Fledermausforschung und Fledermausschutz 121 park Märkische Schweiz ist damit Teil des Begleittexte der gemeldeten FFH-Gebiete Nationalparkprogramms, das kurz vor dem umfassen nach Nennung der Kennziffer: Ende der DDR noch verabschiedet werden Größe, Status, Kurzbeschreibung/Bedeutung konnte, und gehört zum oft zitierten „Tafelsil als FFH-Gebiet, Biotope nach Anhang I und ber", das die DDR in den wiedervereinigten Tierarten nach Anhang II der FFH-Richtlinie. deutschen Staat eingebracht hat. Bemerkenswert: Als einzige Chiropterenart Der Naturpark Märkische Schweiz ist nach wird für diese 10 Gebiete die Mopsfledermaus dem Nationalpark Unteres Odertal das kleinste {Barbastella barbastellus) aufgeführt, und Großschutzgebiet des Landes Brandenburg. zwar für das FFH-Gebiet 326 Tornow- Seine Gesamtfläche beträgt nur 205 km2. Er ist Seen/Pritzhagener Berge, doch diese Art ist aus einem 40 km2 großen Landschaftsschutz dort bisher noch gar nicht nachgewiesen wor gebiet und 6 seinerzeit nach DDR-Recht bestä den! Stattdessen fehlt die Mopsfledermaus als tigten Naturschutzgebieten (Stobbertal, Klo- FFH-Anhang-II-Art in der Aufzählung für das bichsee, Ruhlsdorfer Bruch, Gumnitz und FFH-Gebiet 144 Stobbertal. Ganz offensicht Großer Schlagenthinsee, Gartzsee und Tiergar lich hat bei Ausweisung der FFH-Gebiete keine ten) hervorgegangen. Mit der „Verordnung", ordnungsgemäße Prüfung bezüglich des Vor die zur Gründung des Naturparks Märkische kommens von Fledermäusen, die dem FFH- Schweiz führte, wurde gleichzeitig sein gesam Anhang II zugerechnet werden, stattgefunden. tes Territorium zum Landschaftsschutzgebiet Die regelmäßig angefertigten AHP-Berichte erklärt. (Haensel 1992a, 1994, 1993-2004), die der Naturparkverwaltung vorliegen, sind von den In einer ersten „Information der Naturpark Bearbeitern offensichtlich nicht hinzugezogen verwaltung" und in einem Faltblatt (1992) wer worden. Fehlerhafte und unvollständige Aus den die folgenden nachgewiesenen und beson weisungen von FFH-Gebieten sind aber keine ders schutzwürdigen Tiere und Pflanzen sum Einzelfälle, wie Haensel & Bartel (2004) marisch aufgeführt: allgemein für das Land Brandenburg feststel len mußten. Die Ursachen sind bekannt: Fach 800 Arten Farne und Blutenpflanzen leute fehlen oder werden nicht konsultiert. 229 Vogelarten 49 Tagfalterarten Überden Naturpark MärkischeSchweizgibt 129 Schnecken- und Muschelarten 31 Libellenarten es eine Vielzahl an Reise- und Erlebnisfüh Fischotter rern, wie kulturhistorische, touristische und Biber naturkundliche Schriften (Rasmus & Klaeh- Europäische Sumpfschildkröte ne 2000, Reiseführer 1993, Schubert 1994). Wird darin auch aufdie reiche Fledermausfau Von Fledermäusen war also noch na des Gebietes aufmerksam gemacht? Erst keine Rede!! neuerdings läßt sich diese Frage bejahen. In Bereits Anfang der 1990er Jahre trat ein EU- einer Broschüre zum fünfjährigen Bestehen Programm zur Einrichtung von FFH-Gebieten des Naturparks Märkische Schweiz
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