PRAXIS Notensatz © Francis Valadj, sxc.hu Valadj, Francis © Wer die Linux-Welt Komponisten, Musiklehrer und Frescobaldi [2] geht den steinigen Lilypond Hobbymusiker verband bisher Weg über das Erlernen einer eige- Unser Streifzug durch die musika- nach freien Pro- unter Linux das gleiche Problem: nen Markup-Sprache. Die Kon- lische Linux-Welt beginnt mit ei- Zwar gab sich das Lieblingsbe- kurrenten Noteedit [3] und Muse- nem Linux-typischen Programm: grammen für den triebssystem in den letzten Jah- score [4] versuchen mit WYSI- einem reinen Konsolentool. Öff- Notensatz durch- ren zunehmend multimedialer, WYG-Editoren mehr Anwender- nen Sie einen Texteditor Ihrer aber bei Spezialsoftware für einen freundlichkeit in das Thema zu Wahl und tippen Sie die Zeilen forstet, stößt kleinen Interessentenkreis sah es bringen. Außen vor bleiben Se- aus Listing 1 ein. eher mau aus. quenzerprogramme wie Rosegar- Musiker erkennen an dem Lis- schnell auf die Bei der proprietären Konkur- den, die auch rudimentäre Satzfä- ting zumindest, dass es sich of- renz finden Softwarehersteller higkeiten besitzen: Sie sprechen fenbar um eine Notenzeile im G- drei Programme solche Nischen und füllen Sie mit eine andere Zielgruppe an. Schlüssel, der Tonart F-Dur, mit hochprofessionalisierten Produk- Alle Programme installieren Sie einem 3/ 4-Takt und ein paar No- Lilypond, Noteedit ten zu meist unerschwinglichen kinderleicht und bequem über ten handelt. Allerdings benutzt und Musescore. Preisen. Der für Musiker so wich- den Paketmanager Ihrer Distribu- dieses simple Beispiel bereits ei- tige Notensatz (Kasten Noten- tion. Kleine Besonderheiten und nige Akkorde und Striche als Arti- Mirko Albrecht satz) beschränkte sich daher im spezielle Depots dazu verrät der kulationszeichen (Abbildung A). Wesentlichen auf die beiden Kasten Installation. Speichern Sie den Code in einer Platzhirsche Finale und Sibelius. Wer die Linux-Welt nach ähnli- NOTENSATZ chen, aber freien Programmen Weil Noten, vereinfacht dargestellt, die genaue Position der Noten und Ar- durchforstet, stößt auf drei Pro- nichts anderes sind als eine grafische tikulationen an. Die Klangwiedergabe gramme, die derzeit dem ambitio- Darstellung der „Sprache“ Musik, ar- gilt als sekundär: Hier springen oft ex- beiten Notensatzprogramme ähnlich terne Programme ein. README nierten Hobbymusiker den No- wie Textverarbeitungen. Die Komplexi- Wie bei einem Editor gibt es im No- Wir stellen drei Linux- tensatz unter Linux schmackhaft tät der Darstellung und die klangliche tensatz den WYSIWYG-Ansatz und die Applikationen für den zu machen versuchen. Wiedergabe stellt die Entwickler aber beschreibende Programmiersprache Notensatz vor: das Kon- vor viel höhere Herausforderungen. Bei einem davon handelt es sich (LaTeX). WYSIWYG-Editoren bedienen solentool Lilypond nebst um ein Kommandozeilenpro- Das Ziel der Notensatzprogramme liegt Sie zwar intuitiver über deren gra- seinem grafischen Auf- gramm, für das es jedoch ein in einem ansehnlichen, druckbaren Do- fische Menüoberflächen, allerdings satz Frescobaldi sowie Frontend gibt, das den Umgang kument. Dabei kommt es neben der gilt es, den Leitspruch „What You See die WYSIWYG-Editoren mit der Software etwas verein- Möglichkeit, viele Zusatzelemente zu Is What You Get“ nicht zu eng sehen. nutzen (wie Fermaten, Haltebögen, Sie bekommen eben nicht immer, Noteedit und Muse- facht: Das Konsolentool Lilypond Kreuznoten oder Halsrichtungen), auf was Sie sehen. score. [1] mit dem grafischen Aufsatz 46 10 | 09 Notensatz PRAXIS Textdatei mit der Endung .ly. Li- lypond kompiliert als echtes Kon- solentool den Code mit der Einga- be lilypond Datei.ly und erzeugt daraus ein Postscript-File. An- schließend erstellt das Werkzeug noch das gängigere PDF-Format (Abbildung B, nächste Seite). A Aus dem verwirren- Die ersten vier Code-Zeilen sind 2 steht, für eine Achtel eine 8. Die glänzt mit einem feinen systema- den Code von Listing 1 schnell erklärt: Zeile 1 bestimmt Taktstriche dürfen Sie weglassen. tischen Aufbau und einer guten erstellen Sie diese ein- das eingestrichene C zum Grund- Sie dienen nur der Übersichtlich- Verständlichkeit – vorausgesetzt, fache Notenzeile. ton der folgenden Noten. Entfer- keit im Text. Die Zeile \time 3/4 Sie wissen was Noten sind. nen Sie dieses Merkmal, erschei- bestimmt bereits die Taktart. Wen dieser kleine Exkurs in die nen alle Noten sehr tief – also mit Der deutschen Besonderheit des kryptische Notensatzwelt eher vielen Hilfslinien. Der Eintrag Tones h begegnet Lilypond mit ei- verschreckt hat, dem sei gesagt, \ clef bestimmt den Notenschlüs- nem b für h und einem bes für b. dass der Lernaufwand sicher sel. Musiker wissen, dass der all- Mit den spitzen Klammern fassen recht hoch ist. Dafür kennt Lily- gemein bekannte Notenschlüssel Sie mehrere Noten zu einem Ak- pond kaum Grenzen und belohnt auch G-Schlüssel heißt und nur kord zusammen. Als erstes Arti- Sie mit einem Augenschmaus- für hohe Melodiestimmen steht. kulationzeichen sehen Sie in die- Satz, der einem Verlagsdruck in Wer eine Basslinie komponieren sem Beispiel einen Strich über be- nichts nachsteht. Frescobaldi 0.7.13 will, der schreibt zum Beispiel ziehungsweise unter der Note, LinuxUser/frescobaldi \ clef F in diese Zeile. was Sie mit –- nach dem Noten- Frescobaldi Lilypond 2.12.2 und Die zweiteilige dritte Zeile weist buchstaben realisieren. Wer unter Linux gerne LaTeX ver- Doku, Lily4jedit 2.12.869 der Musik eine Tonart zu, wobei Der Übersichtlichkeit halber wendet, weiß die Vorzüge des gra- LinuxUser/lilypond das englische „major“ für Dur empfiehlt es sich, bei Lilypond fischen Frontends Kile zu schät- Musescore 0.9.5 und „minor“ für Moll steht. Lily- stets mit Kommentaren zu arbei- zen. Über Menüs klicken Sie sich LinuxUser/musescore pond passt die Vorzeichen bei ei- ten. Diese beginnen mit % und die Syntax des LaTeX-Codes zu- Noteedit 2.8.1 ner Änderung entsprechend an. weisen in unserem Beispiel auf sammen. So brauchen Sie sich LinuxUser/noteedit Die Noten selbst tippen Sie, de- die Taktzahlen hin. nicht jeden Befehl zu merken. ren Namen entsprechend, mit Alle Funktionen und Artikulati- Über Schaltflächen aktualisieren Leerzeichen getrennt als Buchsta- onen aufzuzeigen würde ein wirk- Sie bequem eine PDF-Ausgabe für ben ein. Die Zahl 4 nach dem ers- lich dickes Buch füllen. Glückli- die optische Kontrolle. Dieses GLOSSAR ten Ton d' sagt der Software, dass cherweise lässt die Community Vorbild schwebte wohl den Ent- WYSIWYG: Abkürzung es sich bei dieser und allen fol- um das Lilypond-Projekt Sie nicht wicklern der grafischen Oberflä- für „What You See Is genden Noten um Viertelnoten im Regen stehen: Im Web finden che Frescobaldi vor. What You Get“; be- handelt. Der Musiker leitet also Sie eine sehr umfassende deutsch- Nach dem berühmten italieni- schreibt Programme, die bereits beim Erstel- ab, dass für eine halbe Note eine sprachige Dokumentation [7]. Sie schen Renaissance-Künstler ge- len die Dokumente so tauft, schickt sich das sehr junge anzeigen, wie Sie INSTALLATION Projekt an, Lilypond eine grafi- später im Druck er- Das Konsolenprogramm Lilypond liegt geschnürte, nicht mehr ganz taufri- sche Oberfläche zu spendieren. scheinen. jeder großen Distribution bei. Findet sche Version 0.7.8 vor [6]. Für Die Software entstand aus dem es sich nicht auf der Festplatte, ins- Ubuntu, Gentoo und Arch Linux bietet ehemals als LilyKDE bekannten tallieren Sie es über das Paketma- der Download-Bereich der Projektseite Plugin für den Editor Kate. Aber nagement nach. Die derzeit aktuelle [2] Links zu den entsprechenden Pa- Version 2.12.2 gibt es für OpenSuse keten. Nutzer des etwas älteren KDE um es gleich vorwegzunehmen: allerdings nur im Factory-Zweig [5]. 4.1 benötigen weiterhin das Paket Ubuntu und Fedora geben sich mit lilypond-kde4 – ab KDE 4.2 ist es LISTING 1 den älteren Ausgaben 2.12.1, respek- nicht mehr notwendig. 01 \relative c' { tive 2.12.0 zufrieden. Für alle ande- Musescore und Noteedit geistern 02 \clef G ren Distributionen existiert ein Instal- schon seit Längerem durch die freie 03 \key f \major lationsskript in Versionen für 32- und Softwarewelt und tummeln sich in 04 \time 3/4 64-Bit-Systeme, das Sie herunterla- den aktuellen Versionen 2.8.1 (Note- 05 d'4 bes c | a bes g | % 3 den und in einer Konsole starten. edit) und 0.9.4 (Musescore) in den 06 a bes d | bes-- g-- d-- | % 5 Der grafische KDE-Aufsatz Frescobaldi Softwarepools. Für Musescore geben 07 c-- g'-- c-- | d-- g,-- f-- | % 7 schaffte es als junges Projekt noch Sie in der Paketsuche mscore ein. 08 e-- g-- a-- | a-- f'-- d-- | % 9 nicht in die Depots der großen Distri- Gnome-Nutzer holen sich über Abhän- 09 < f,-- a > e-- e-- | bes'-- e-- c-- | % 11 butoren. Für OpenSuse liegt eine von gigkeiten manches KDE-Werkzeug und 10 < g-- bes > f-- g-- | a-- g'-- bes,-- | % 13 einem Paketmaintainer namens Engel etliche Qt-Bibliotheken mit an Bord. 11 a-- f-- f-- | bes-- < g-- bes d > } 10 | 09 47 PRAXIS Notensatz B Bei einem fehler- schnörkelte Triller- Im letzten Reiter stellen Sie Ton- freien Markup erzeugt Symbol über der ent- art, Taktart, einen eventuellen Lilypond in zwei Schrit- sprechenden Note – Auftakt sowie eine Tempo-Anga- ten ein PDF mit dem bestens ausgerichtet be (für die mögliche MIDI-Ausga- fertigen Notensatz. und sauber gerendert. be) für Ihr neuestes Meisterwerk Wirklich Zeit sparen ein. Ein Klick auf Ok schreibt eine Sie aber, wenn Sie bei- Menge Text in den Editor. Aller- spielsweise eine ganze dings ist dieser bestens geglie- Reihe Noten immer dert. Über den Kommentar % Mu- mit einem Staccato- sik folgt hier (siehe Abbildung E) Auch Frescobaldi erspart Ihnen Punkt versehen möchten. Sie mar- finden Sie sehr schnell die ver- nicht das mühsame Erlernen der kieren einfach im Texteditor alle schiedenen Notenzeilenanfänge Lilypond-Syntax. diese Töne und klicken auf den und beginnen mit der Eingabe Das dreiteilige Hauptfenster Punkt in der Rubrik Artikulation. der Notennamen. (Abbildung C) zeigt im linken Be- Frescobaldi fügt nun jeder mar- Um das korrekte Aufteilen der reich den Texteditor, der auf die kierten Note die Syntax -. hinzu. Noten im System und ein saube- Eingabe von Lilypond-Code war- Das ganze Drumherum um eine res Positionieren der Spielanwei- tet.