OSTSCHWEIZER Oktober 2020 ENERGIEPRAXIS THURGAU MQS BAU: GUTE ERFAHRUNG Die Überbauung Solidus besticht mit zwei Innovationen: Sie ist das erste MQS Bau ausgezeichnete Grossprojekt und verfügt über ein kostenloses Carsharing mit Elektromobil. Die Wohnüberbauung Solidus mit sieben Mehrfamilienhäusern (MFH) am Rande von Diessenhofen erhielt 2019 als erstes Grosspro- jekt die Auszeichnung «Minergie-Qualitätssys- tem Bau» (MQS Bau). Was bei der Zertifizierung als ein Vorteil herausgestrichen wurde, hat sich in der Praxis bestätigt: die Prävention von Bau- mängeln. «Verglichen mit anderen Bauten zeigt sich, dass gerade bei den technischen Kompo- nenten wie der Heizung und der Lüftung nach- Der erfahrene Architekt Die Minergie-P-Überbauung (Foto: Patrick Moehrle, Stein a. Rhein). In seiner Verantwortung liegen die Be- reiche GEAK, Minergie Zertifizierungs- träglich keine Schwachstellen aufgetreten sind, stelle Thurgau und Schaffhausen sowie da Optimierungen dank des MQS-Prozesses Energieberatung von Gemeinden und bereits vor der Gebäudeabnahme erfolgten», Baufachleuten. Zudem nimmt er zusam- betont Michael Wenger, Geschäftsführer der men mit der kantonalen Denkmalpflege Einsitz in der Fachkommission Solaran- Wenger Automation & Engineering AG, welche lagen: Holger Zopf arbeitet seit rund ei- die Bauherrin von zwei der Solidus-MFH ist. nem halben Jahr bei der Abteilung Ener- Auch die saubere Dokumentation des Gebäu- gie des Kantons Thurgau. Er hat an der Universität Karlsruhe Ar- des bezeichnet er als grosses Plus. Sie belegt chitektur studiert und in der Folge in Dresden den Masterstudi- lückenlos wo, welche Komponente durch wel- engang Altbauinstandsetzung absolviert sowie im Vertiefungs- ches Unternehmen verbaut worden ist. fach Bauphysik mit dem Master of Engineering (M. Eng.) abge- schlossen. Vorbereitet auf Elektromobilität Seine berufliche Laufbahn startete Zopf in der Schweiz. Wäh- Neben der MQS Bau-Zertifizierung zeichnet rend 15 Jahren wirkte er in der Firma Schönenberger Architek- tur in Wil und Bottighofen – anfänglich als angestellter Projekt- sich die Minergie-P-Überbauung durch ein leiter, später als Mitinhaber in der Geschäftsleitung. In seiner Carsharing mit Elektromobil aus, das die Be- Doppel-Funktion konnte er Führungserfahrung erwerben und wohnerinnen und Bewohner für kürzere Fahr- sich breites praktisches Wissen in der Projektentwicklung und ten über eine App buchen und kostenlos nutzen -realisierung aneignen. Holger Zopf fokussierte sich bereits auf können. Damit sollen nach Wengers Ausführun- die Themen Energieeffizienz und erneuerbare Energien in Ge- gen Menschen, die bereit sind aufs Land zu zie- bäuden und begleitete umfassende energetische Sanierungen. hen, von einem nachhaltigen Mehrwert profitie- Sein grosses Interesse an Energiefragen war ein Grund, von der ren und sich kein Zweitauto anschaffen müssen. Privatwirtschaft in die öffentliche Verwaltung zu wechseln. «Ich «Wir sind von der unglaublichen Auslastung hatte den Wunsch, mich stärker auf Energieberatung auszurich- ten und dabei den Fokus auf die gesamtheitliche energetische überwältigt», ist Wenger begeistert. Betrachtung zu legen», erläutert Zopf seine Motivation. Darüber nimmt eine weitere Vision der Bauherr- Nach einem halben Jahr in der Abteilung Energie sieht er sich schaft Gestalt an. Bei ihren beiden MFH hat sie in seinem Wunsch bestätigt. «Die Beratung und Begleitung von die Infrastruktur für Schnellladestationen (Ka- Gemeinden und Baufachleuten als Mitarbeitender einer Verwal- bel, dynamisches Lastmanagement) bereits vor- tung hat eine andere Qualität, weil die Dienstleistung als neut- bereitet. Jetzt rüsten Mieter mit eigenem Elekt- ral und mit übergeordneten energetischen Zielen anerkannt und romobil nach und nach ihren Parkplatz mit einer wahrgenommen wird», lautet sein positives Fazit. Ladestation aus. ❚ Ostschweizer Energiepraxis Oktober 2020 Thurgau ELEKTRISCH UNTERWEGS Dass heute auch «schwere» Fahrzeuge mit Strom als Antrieb funktionieren, zeigt die TIT Imhof Gruppe. Sie setzt auf Elek- tromobilität im Bau- und Transportwesen und produziert auch gleich selber den sauberen Strom. den Vorteilen der Elektrofahrzeuge. Da sie lokal keinerlei Emissionen verursachen und geräu- scharm sind, verringern sie die Lärm- und Luft- belastung merklich. Seit Mitte August steht ferner ein elektrischer Industriebagger mit einem Einsatzgewicht von 24 Tonnen und einer Motorenleistung von 40 kW mit kinetischem Energierückgewinnungs- und Energiesparladesystem im Entsorgungs- zentrum in Kreuzlingen im Einsatz. Vorbild für Transportbranche Für Thomas Imhof ist das nachhaltige Wirt- schaften Teil der Strategie im Familienunter- Der elektrisch betriebene Hakenabrollkipper. nehmen. Zum Einsatz von Elektrofahrzeugen gehört deshalb auch die Nutzung erneuerba- Die TIT Imhof Gruppe ist im deutschsprachigen ren Stroms. Um den Verbrauch selber CO2-neu- Raum der Schweiz in den Bereichen Bau, Trans- tral abzudecken, realisierte die TIT Imhof Grup- port, Entsorgung und Recycling tätig mit Stand- pe zusammen mit der EKT AG (Elektrizitätswerk orten in Stein am Rhein und Hörhausen sowie des Kantons Thurgau) eine 270 kWp-Photovol- dem Hauptsitz in Kreuzlingen. Für ein Trans- taikanlage auf dem Dach der neuen Entsor- portunternehmen eher überraschend, achtet gungshalle in Kreuzlingen. Die Anlage ist seit die Firma schon seit Jahren auf Nachhaltigkeit. August in Betrieb, soll rund 237 000 kWh im Neben der Aufbereitung von Recyclingmate- Jahr produzieren und versorgt über den firme- rial für das Baugewerbe sowie dem Einsatz von neigenen ZEV (Zusammenschluss zum Eigen- Bio-Treibstoff und Hybrid-Baggern steht heute verbrauch) alle Gebäude des Firmenareals so- die Elektromobilität im Vordergrund. «Die Tech- wie sämtliche Elektro-Fahrzeuge mit Strom. nik bei der Emissionsreduktion von Verbren- «Es müssen mehr Unternehmen das Risiko nungsmotoren ist ausgeschöpft, so dass wir von Pionier-Investitionen eingehen», ist Imhof mit dem Festhalten an einer einzelnen Trans- überzeugt. Er möchte mit der Firmen-Grup- portmethode nicht weiter kommen», nennt Ge- pe ein gutes Beispiel für die Transportbranche schäftsführer Thomas Imhof einen Grund für sein und geht den eingeschlagenen Weg wei- das Unternehmen, in Elektro-Motoren zu inves- ter. In den nächsten Jahren ist der kontinuier- tieren. liche Ausbau der elektrisch angetriebenen Fahrzeug- und Umschlaggeräteflotten geplant. Entlastung des Siedlungsgebiets 2021 wird für die Grüngut-Sammlung in Kreuz- Bevor Serienfahrzeuge grosser Anbieter auf lingen, Bottighofen, Gottlieben und Tägerwilen dem Markt sind, nimmt die TIT Imhof Grup- ein neues elektrisches Niederflur-Sammelfahr- pe den ersten voll-elektrischen Hakenabroll- zeug – wieder eine Spezialanfertigung – in Be- kipper in Betrieb – ein Umbau der Volvo-Basis trieb genommen. mit vier Motoren für eine Gesamtleistung von Auch die Photovoltaik-Anlage soll erweitert 720 kW. Die beiden Batterien erlauben mit ih- werden, sobald technisch und wirtschaftlich rer Kapazität von 340 kWh eine Reichweite von sinnvoll einsetzbare lokale Energiespeicher zur bis zu 380 km. Mittels Rekuperation der Brem- Verfügung stehen. ❚ senergie erreicht der Antrieb einen Wirkungs- grad von bis zu 92 %. Das Gefährt mit 40 Ton- Impressum Thurgauer Einlage der Energiepraxis nen Gesamtzugleistung ist seit einem Jahr im Kanton Thurgau, Abteilung Energie, 8510 Frauenfeld Thurgau, hauptsächlich in den Bereichen Ent- Tel. 058 345 54 80, [email protected], www.energie.tg.ch sorgung und Baustellenlogistik, unterwegs. Gaby Roost, Nova Energie, 8370 Sirnach So profitieren vor allem Siedlungsgebiete von [email protected] Ostschweizer Energiepraxis Oktober 2020 Thurgau.
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