ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Mitt(h)eilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde Jahr/Year: 1995 Band/Volume: 135 Autor(en)/Author(s): Rinnerthaler Alfred Artikel/Article: Nonnen unter dem Hakenkreuz. 273-308 © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 273 Nonnen unter dem Hakenkreuz* Ein Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Frauenorden im Reichsgau Salzburg Von Alfred Rinnerthaler ERSTE MASSNAHMEN GEGEN DIE KLÖSTER IM REICHSGAU SALZBURG Bereits wenige Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozia­ listen in Deutschland sah sich Papst Pius XL genötigt, mit der En­ zyklika »Mit brennender Sorge« in das Licht der Öffentlichkeit zu tre­ ten, um derart die im Deutschen Reich herrschenden Mißstände an­ zuprangern. Das Oberhaupt der Katholischen Kirche beklagte darin eine zunehmende staatliche Kampagne, die zum Austritt aus der Kir­ che aufrufe: »Mit verhüllten und sichtbaren Zwangsmaßnahmen, Ein­ schüchterungen, Inaussichtstellung wirtschaftlicher, beruflicher und sonstiger Nachteile wird die Glaubenstreue der Katholiken und ins­ besondere gewisser Klassen katholischer Beamten unter einen Druck gesetzt, der ebenso rechtswidrig wie menschlich unwürdig ist.« Zu­ gleich konstatierte der Papst einen »offenen Kampf gegen die konkor- datsgeschütze Bekenntnisschule« und die nur noch »formelle Auf­ rechterhaltung eines, zudem von Unberufenen kontrollierten und gefesselten Religionsunterrichts im Rahmen einer Schule, die in ande­ ren Gesinnungsfächern planmäßig und gehässig derselben Religion entgegenarbeitet. .«1 Von staatlicher Seite wurden die in der Enzyklika enthaltenen päpstlichen Aussagen als »hochverräterische Angriffe gegen den natio­ nalsozialistischen Staat« qualifiziert, weshalb Heydrich am 21. März 1937 alle Stapoleit- und Stapostellen anwies, »alle außerhalb der Kir­ chen und Pfarrhöfe greifbaren Exemplare zu beschlagnahmen. Soweit Personen außerhalb der Kirchen und Pfarrhöfe Druckschriften vertei­ len und es sich nicht um Geistliche handelt, sind diese sofort zu ver­ haften. Ihre Entfernung aus der Partei, deren Gliederungen und an­ geschlossenen Verbänden, wie DAF, ferner Handwerkskammer und dergl. ist sofort zu veranlassen. Sie sind sofort zur strafrechtlichen Aburteilung dem Gericht zu überstellen. Eine Veröffentlichung der * Unter diesem Titel erschien 1979 in Würzburg ein Buch von Benedicta Maria Kempner (»Nonnen unter dem Hakenkreuz. Leiden - Heldentum - Tod. Die erste Doku­ mentation über das Schicksal der Nonnen im 3. Reich«), in dem sie eindrucksvoll und berührend das Leiden, das Heldentum und den Tod von mehr als 400 Nonnen in Euro­ pa während der NS-Zeit schildert. © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 274 Kundgebung in kirchlichen Amtsblättern ist zunächst nicht zu unter­ binden. Bei ihrem Erscheinen mit der Kundgebung ist sie jedoch so­ fort zu beschlagnahmen und auf die Dauer von 3 Monaten zu verbie­ ten«2. Da trotz raschen Einschreitens der Behörden die Verbreitung der Enzyklika vielfach nicht verhindert werden konnte, sah sich Hit­ ler in einer Rede am 1 . Mai 1937 veranlaßt, auf die Vorwürfe eines Kampfes gegen die konkordatsgeschützte Bekenntnisschule und die nur noch formelle Aufrechterhaltung eines Religionsunterrichts wie folgt zu reagieren: »Es gibt nur ein deutsches Volk und es kann daher auch nur eine deutsche Jugend geben! Und es kann nur eine deutsche Jugendbewegung geben, weil es nur eine deutsche Jugenderziehung und Jugendbildung gibt! Und die wenigen, die vielleicht noch im In­ nern glauben, daß es doch noch einmal gelingen könnte, das deutsche Volk von der Jugend her beginnend wieder auseinander zu bringen sie werden sich täuschen. Diese Reich steht, und es baut sich weiter auf auf seiner Jugend! Und dieses neue Reich wird seine Jugend nie­ mandem geben, sondern sie selbst in seine Erziehung und in seine Bildung nehmen.«3 Diese programmatische Rede war ein frontaler Angriff Hitlers ge­ gen alle Religionslehrer und insbesondere gegen die Schulorden, die ja die Träger des kirchlichen Privatschulwesens waren. Nach dem An­ schluß Österreichs an das Deutsche Reich begann man auch hier die Kirchen und vor allem die Orden 4 aus allen Positionen im Bildungs­ wesen zu verdrängen. Erleichtert wurde die Umsetzung der Hitler- schen Zielvorgaben durch das Faktum, daß ein Führerentscheid vom Mai 1938 Österreich zu einem konkordatsfreien Raum 5 erklärt hatte. Der Bogen der von den Entkonfessionalisierungsmaßnahmen erfaßten Erziehungseinrichtungen spannte sich dabei von den Kindergärten über die Schulen bis hin zu den Universitäten. In Salzburg bestanden zum Zeitpunkt des Anschlusses 33 konfes­ sionell geführte Kindergärten, von denen 32 von der Katholischen und nur einer von der Evangelischen Kirche geführt wurden6. Im Sep­ tember 1938 reklamierte der Salzburger Landesschulrat die Kompe­ tenz zur pädagogischen Leitung aller kirchlichen und privaten Kin­ dergärten für sich und ordnete an, daß »die Arbeit in allen Kindergär­ ten eindeutig und vorbehaltlos im Sinne einer nationalsozialistischen Erziehung« auszurichten sei. In den Kindergartenräumen mußte dem Führerbild ein Ehrenplatz eingeräumt werden, alle Kindergärtnerin­ nen hatten sich beim Gauamt für Erzieher anzumelden und galten damit als Mitglieder des NS-Lehrerbundes. Auch der Bezug der Zeit­ schrift »Kindergarten« des NS-Lehrerbundes war für alle Kindergärt­ nerinnen verpflichtend7. Gleichzeitig entzog man der einzigen Bil­ dungsanstalt für Kindergärtnerinnen, die vom Orden der Vöcklabruk- ker Schwestern geführt wurde, das Öffentlichkeitsrecht8. Ein Erlaß vom 17. Oktober 1938 über die Schließung sämtlicher konfessioneller Privatschulen bedeutete schließlich das völlige Ende für diese Bil- © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 275 dungsanstalt9. Dieser Erlaß gab dem Landesschulrat aber auch eine rechtliche Handhabe - obwohl darin mit keiner Silbe die Kindergär­ ten erwähnt wurden die Übernahme der konfessionellen Kindergär­ ten durch die NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) bzw. durch die Gemeinden anzuordnen10. Wo es nicht möglich war, den bisheri­ gen kirchlichen Trägern die Kindergartenlokale im Weg der Miete oder des Kaufs abzunehmen, ergriff man das Mittel der Zuweisung gemäß dem Gesetz vom 27. Juli 1938, GB1Ö 278/38. Ein ähnliches Vorgehen der NS-Behörden kann man auch gegen­ über den kirchlichen Privatschulen feststellen. Die Maßnahmen des Staates in diesem Bereich wurden bereits im April 1938 eingeleitet, indem diesen Anstalten, ebenso wie den Schülerheimen im Land Salz­ burg, ehrenamtliche Lehrkräfte zur Seite gestellt wurden, die die Auf­ gabe hatten, »die Leitungen dieser Schulen und Heime bei der Durch­ führung der nationalsozialistischen Erziehung und der Bildung von Gruppen der Hitlerjugend zu unterstützen«11. In einem zweiten Schritt wurde im Juli 1938 allen Privatschulen, privaten Lehranstal­ ten und von Kongregationen geleiteten Fachschulen das Öffentlich­ keitsrecht entzogen12. Der Verlust des Öffentlichkeitsrechts hatte für die Privatschulen die Unmöglichkeit zur Folge, staatsgültige Zeugnis­ se auszustellen. Demnach mußten nunmehr alle im schulfplichtigen Alter stehenden Kinder, die eine private Volks- oder Hauptschule be­ suchten, am Ende des Schuljahrs an einer öffentlichen Schule eine Prüfung ablegen, um ein staatsgültiges Zeugnis zu erhalten. Für die­ ses Examen mußte eine eigene Gebühr entrichtet werden. Für die Schüler von privaten Mittelschulen bestand zudem die Vorschrift, daß sie als Privatisten an einer öffentlichen höheren Schule eingeschrie­ ben sein mußten; selbstverständlich hatten sie hierfür das vorge­ schriebene Schulgeld zu entrichten. Nur unter dieser Voraussetzung sollte ihnen die Ablegung von Semester- und Jahresprüfungen - wie­ derum erst nach Erlag der hierfür anfallenden Gebühren - an den öf­ fentlichen Mittelschulen möglich sein13. Effektive Bedeutung erlangte jedoch der Entzug des Öffentlichkeitsrechts nicht mehr, da im Okto­ ber 1938 unter Berufung auf »verschiedene Vorkommnisse der letzten Zeit und im Hinblick auf die Notwendigkeit der Erziehung der gesam­ ten Jugend im nationalsozialistischen Geiste« die Schließung sämtli­ cher konfessioneller Privatschulen verfügt wurde14, nachdem man diesen schon vorher alle Schulerhaltungsbeiträge und Subventionen gestrichen hatte15. Die Gebäude der bisherigen konfessionellen Schu­ len sowie deren Inventar wurden vom Staat - meist von den Gemein­ den - für eigene Zwecke beansprucht. Als Rechtsgrundlage für den Vermögensübergang dienten privatrechtliche Mietverträge, Zwangs­ miete gemäß dem »Gesetz über die Unterbringung von öffentlichen Dienststellen«16 und Enteignungen gemäß der »Verordnung über Ein­ ziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens im Lande Öster­ reich«1^ © Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg, Austria; download unter www.zobodat.at 276 In Salzburg gab es auch 23 katholische Internate, elf für Knaben und zwölf für Mädchen. Nach der Ernennung von staatlichen Kom­ missären im April 193818 unterstellte der Salzburger Landesschulrat alle Schülerheime der eigenen Aufsicht und ordnete an, daß die be­ reits bestehenden Einrichtungen um eine Bewilligung anzusuchen hätten: »Schülerheime, die bis zum 1 . Oktober diese Bewilligung nicht ausdrücklich verliehen erhalten haben, verlieren die Bewilligung, weitere Schüler aufzunehmen.« Obwohl von der
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