Festrede Zum Festakt Anlässlich Des 175- Jährigen Bestehens Des Bezirks Unterfranken

Festrede Zum Festakt Anlässlich Des 175- Jährigen Bestehens Des Bezirks Unterfranken

Norbert Richard Wolf Festrede zum Festakt anlässlich des 175- jährigen Bestehens des Bezirks Unterfranken Dass es nicht müßig ist, ein Jubiläum wie Doch wir wollen zunächst mit dem Anfang das heutige zu feiern, das belegt uns, dass beginnen. Und der Anfang liegt nicht, wie es der Bezirk Unterfranken bzw. seine gerade heute vielleicht scheinen mag, im Bewohner bereits Gegenstand auch Jahre 1829, sondern 26 Jahre früher. fremdsprachiger Preislyrik geworden ist: Spätestens zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das Alte Reich am Ende. Die It's nice to be a Preuß', Französische Revolution und der it's higher to be a Bayer, Imperialismus Napoleons wirkten but it's the highest rank gewissermaßen als Katalysator und to be an Underfrank. beschleunigten auf diese Weise das Ende. Im Frieden von Lunéville wurde im Jahre Dieser Vierzeiler, der ja nicht gerade 1801 der Rhein als durchgehende Grenze unbekannt ist, geht in seinen Werturteilen zwischen Deutschland und Frankreich sehr systematisch vor: Der Dichter des festgelegt, wodurch eine Reihe von Vierzeilers stellt fest, dass es durchaus deutschen Fürstentümern linksrheinische angenehm ist, ein Preuße zu sein; ein Bayer Gebiete verlor und auf rechtsrheinische zu sein ist indes ein weitaus größeres Entschädigung drängte. In Paris und St. Hochgefühl. Und dann kommt die Petersburg wurden Pläne zu Umgestaltung überraschende Wende: Dass es das höchste Europas entworfen, wobei für Frankreich Wonnegefühl auslöst, ein Bewohner des wichtig war, dass den beiden großen jubilierenden Bezirks zu sein, überrascht mitteleuropäischen Staaten eine weitere nicht; vielmehr überrascht es, dass unser Gruppe von Staaten an die Seite gestellt Dichter den Eindruck vermittelt, dass wurde, die auf die Gunst Frankreichs Unterfranken keine Bayern seien. Darüber angewiesen und gleichzeitig allein zu werden wir noch zu sprechen haben. schwach waren, nach Westen hin gefährlich zu werden. Das Ergebnis alles dessen war der ‚Reichsdeputations-Hauptschluss‘ vom 24. Februar 1803, dessen Artikel 2 festlegte Damit aber war der Anfang, mit dem ich (nach Rudolf Endres): soeben beginnen wollte, noch nicht erreicht: Der Friedensvertrag von Pressburg vom 26. Der Kurfürst von Pfalzbayern Dezember 1805 legte fest, dass Würzburg an erhielt das Bistum Würzburg mit den Großherzog Ferdinand von Toscana einigen Ausnahmen, das Bistum abzutreten sei. Auch diese Herrschaft Bamberg, die Abtei Ebrach, die währte nicht lang. Im selben Jahr, in dem Reichstädte Rothenburg, Würzburg gewissermaßen toscanisch wurde, Windsheim, Weißenburg und im Jahre 1806, gründete sich der Rheinbund, Schweinfurt sowie Nördlingen und der seine Mitglieder ermächtigte, die Bopfingen und die Reichsdörfer Herrschaften des reichständischen Adels in Sennfeld und Gochsheim und die ihrem Gebiet zu mediatisieren (d.i. eine Teile des Fürstbistums Eichstätt, die Herrschaft der Landeshoheit unterwerfen). dem Großherzog von Toscana nicht Auf diese Weise kamen u.a. die zugesprochen waren. Grafschaften Castell und Rieneck unter bayerische Landeshoheit. Der Artikel 25 regelt: Die erste bayerische Verfassung von 1808 Der Kurfürst-Erzkanzler Karl teilte das Land, das nunmehr ein Königreich Theodor von Dalberg erhielt die geworden war, in fünfzehn Kreise ein; Fürstentümer Regensburg und darunter gab es auch einen ‚Mainkreis‘, Aschaffenburg. Aschaffenburg dessen Regierungssitz Bamberg war. umfasste das bisherige Oberamt Aschaffenburg sowie die Nach dem Sieg der Alliierten und der mainzischen Ämter Aufenau, Lohr, Abdankung Napoleons kam es am 3. Juni Orb, Stadtprozelten, Klingenberg 1814 zur Pariser Konvention, in der und das würzburgische Amt Aura. Österreich und Bayern sich auf einen Gebietsaustausch einigten. Bayern wurden Die weiteren Bestimmungen, auch die, die das Großherzogtum Würzburg und das Franken betreffen, sind in unserem Fürstentum Aschaffenburg überlassen, Zusammenhang etwas zu kompliziert. später auch noch weitere kleinere Teile des Bayern hatte sich also die beiden wichtigen heutigen Regierungsbezirks Unterfranken. Hochstifte Würzburg und Bamberg Besonders die Würzburger erinnerten sich einverleibt, in voraus eilendem Eifer hatte noch der ersten bayerischen Herrschaft und der bayerische Kurfürst schon am 22. empfanden daher höchstens gemischte November 1802 ein Gefühle für die neuerliche Herrschaft. Diese „Besitzergreifungspatent für die tat auch, was sie bis heute am liebsten tat ‚Indemnisationslande in Franken‘ erlassen und tut: Sie verwaltete, verwaltete noch (Indemnisation bedeutet ‚Schadloshaltung‘). einmal, änderte die Verwaltung, erfand neue Der Drang ‚Churbaierns‘ nach Franken war Verwaltungsstrukturen, und jedesmal wurde sehr stark, und in den beiden neuen es besser, wobei die Verwalteten nicht ‚churbairischen‘ Fürstentümer wurde alsbald immer viel von den Verbesserungen zu eine Verwaltung aufgebaut. Allerdings war spüren bekamen. 1817 etwa wurde das die bayerische Herrschaft nicht sehr beliebt, Königreich in sieben rechtsrheinische und da die bayerischen Beamten vor allem bei einen linksrheinischen Kreis gegliedert. der Säkularisierung ziemlich rücksichtslos Auch hier war ein wichtiges Prinzip: „Die vorgingen. Bildung dieser Kreise erfolgte nach administrativen Kriterien, traditionelle geschichtliche und kulturelle Franken, sondern eher Thüringer und Zusammenhänge wurde bewußt ignoriert, Alemannen; die Franken siedelten den denn die Menschen gerade auch der neu an Rhein entlang, und von daher her dürften Bayern gekommenen Regionen sollten sich sich zuvörderst die Menschen westlich des als bayerische Staatsbürger fühlen und ein Spessarts mit Fug und Recht ‚Franken‘ bayerisches Staatsbewußtsein entwickeln. nennen. Vor wenigen Tagen beklagte sich Deshalb wurden die Kreise weiterhin nach ein Student aus Aschaffenburg bei mir, dass ihren Hauptflüssen und damit er beim jüngsten Wettbewerb des gewissermaßen politisch neutral benannt.“ Bayerischen Rundfunks, das beliebteste (Dirk Götschmann). Würzburg wurde so bayerische Wort zu finden, als seine der Regierungssitz des neuen Dialektgruppe ‚Fränkisch‘ haben ankreuzen ‚Untermainkreises‘. müssen. Ich konnte ihn nicht nur beruhigen, ich konnte ihn mit dem Hinweis, dass die 21 Jahre später wurde diese Kreiseinteilung Aschaffenburger die wahren Franken in grundlegend und grundsätzlich geändert. Unterfranken seien, geradezu aufbauen. Der Ludwig I. vertrat die Auffassung, dass heutige Regierungsbezirk verdankt es seinen geschichtliche Zusammenhänge besser zu Gebieten westlich des Spessarts, also einem Staatsbewusstsein führten als rein besonders den Landkreisen Aschaffenburg administrativ-rationale Prinzipien. Auch und Miltenberg, dass er sich ‚Franken‘ wenn sich territorial nichts änderte, es hatte nennen darf, dies in starkem Gegensatz zu doch einige Bedeutung, dass der den anderen fränkischen Untermainkreis in ‚Kreis Unterfranken und Regierungsbezirken. Und ich halte es für Aschaffenburg‘ umbenannt wurde. Nach mehr als eine glückliche Fügung, dass der dem zweiten Weltkrieg wurde der Zusatz derzeitige Präsident des Bezirkstages aus ‚und Aschaffenburg‘ weggelassen, was zur Mespelbrunn im Landkreis Aschaffenburg Folge hat, dass sich auch die Menschen kommt, somit aus dem ursprünglichen westlich des Spessarts als Unterfranken Franken. bezeichnen dürfen, wobei ich nicht weiß, ob sie das überhaupt tun; von unseren Allerdings, wir sind bislang auf das Jahr Dialekterhebungen für die Sprachatlas von 1817 und auf das Jahr 1838 gestoßen; das Unterfranken habe ich den Eindruck, dass Jahr, das der Anlass zum heutigen Jubiläum sie sich nur selten ‚Franken‘ nennen. gegeben hat, wurde noch nicht erwähnt. Dies hat seinen besonderen Grund, der in Möglicherweise wirkt hier noch Ludwigs I. der Geschichte des Bezirkes, in der Begründung für die Neubenennung des Geschichte seines Entstehens liegt: Alles, Untermainkreises nach: Die Bezeichnung was wir bis jetzt gehört haben, ging von „‚Unterfranken‘ verwies darauf, daß hier irgendwelchen Obrigkeiten aus. Zum Einen Franken siedelten, einer der edelsten teutschen ging es um die Bedürfnisse der Fürsten, die Volksstämme, [... die Bezeichnung] durch Gebietstausche ruhig gestellt werden ‚Aschaffenburg‘ [verwies] darauf, daß der sollten; zum Andern mussten die westliche Teil dieses Kreises eine vom Großmächte noch größer gemacht werden, Hochstift Würzburg unabhängige damit sie sich weiterhin als Großmächte historische Entwicklung durchlaufen hatte“ fühlen konnten. Das Volk befand sich (Dirk Götschmann). Diese Begründung hat außerhalb des Gesichtskreises der Großen sich in der Zwischenzeit als zumindest und der Fürsten. teilweise falsch erwiesen. Denn stammesgeschichtlich gesehen, sind die Spätestens von Beginn des 19. Jahrhunderts Franken östlich des Spessarts kaum war es eine immer häufiger geäußerte Meinung von Staatstheoretikern, dass die ‚Kreisumlage‘, die alle drei Jahre per Gesetz Bürger stärker an den öffentlichen festgelegt wurde, genug Geld in die Kassen Angelegenheiten beteiligt werden müssten. brachte, dann konnte der Bezirk weitere Die Obrigkeiten wehrten sich längere Zeit freiwillige Aufgaben übernehmen; aber der dagegen, letztlich jedoch vergebens, wie sich Gesetzgeber bestimmte eben durch die heraus stellen sollte. Am 15. August 1828 Höhe der Kreisumlage, welche zusätzlichen wurde nach langem Hin und Her in Bayern Aufgaben wahrgenommen werden konnten. ein Gesetz verabschiedet, das eine Dazu gehörte um die Mitte des 19. parlamentarische Vertretung der Bürger Jahrhunderts die Einrichtung einer auch auf der Ebene der Bezirke einrichtete ‚Höheren Fachschule für Maschinenbau und und -

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