Architektur Nationaler Tradition in Der Frühen DDR (1950-1955)

Architektur Nationaler Tradition in Der Frühen DDR (1950-1955)

Architektur nationaler Tradition in der frühen DDR (1950-1955). Zwischen ideologischen Vorgaben und künstlerischer Eigenständigkeit Dissertation zur Erlangung der Würde des Doktors der Philosophie der Universität Hamburg vorgelegt von Jörg Kirchner aus Buchholz / Nordheide Hamburg 2010 Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 7 2. Sozialistischer Realismus und Architektur 23 2.1 Architektur nationaler Tradition und sozialistischer Realismus 23 2.2 Die Architektur der Sowjetunion in der Ära Stalins und ihre nationale Ausrichtung 38 3. Die nationale Frage als ungelöstes Problem in der Theorie des Marxismus-Leninismus 55 3.1 „Was im Marxismus ungesagt geblieben ist“: die Nation als Lücke im System 55 3.2 Marxistische Theorien der Nation von Marx bis zum frühen Stalin 62 3.3 Die neue Qualität der Nationstheorie Stalins seit Mitte der 1920er Jahre: der primordialistische Ansatz 67 3.4 Nationalcharakter und Sprache: Stalins Aufsätze zur Sprachwissenschaft von 1950 und ihre Rezeption in der DDR 71 4. Die Herausbildung der Architektur nationaler Tradition – Hermann Henselmann und Karl Friedrich Schinkel 75 1. Gutachterin: Prof. Dr. Monika Wagner 2. Gutachter: Prof. Dr. Bruno Reudenbach Tag der Disputation: 8. Juli 2009 Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 7 2. Sozialistischer Realismus und Architektur 23 2.1 Architektur nationaler Tradition und sozialistischer Realismus 23 2.2 Die Architektur der Sowjetunion in der Ära Stalins und ihre nationale Ausrichtung 38 3. Die nationale Frage als ungelöstes Problem in der Theorie des Marxismus-Leninismus 55 3.1 „Was im Marxismus ungesagt geblieben ist“: die Nation als Lücke im System 55 3.2 Marxistische Theorien der Nation von Marx bis zum frühen Stalin 62 3.3 Die neue Qualität der Nationstheorie Stalins seit Mitte der 1920er Jahre: der primordialistische Ansatz 67 3.4 Nationalcharakter und Sprache: Stalins Aufsätze zur Sprachwissenschaft von 1950 und ihre Rezeption in der DDR 71 4. Die Herausbildung der Architektur nationaler Tradition – Hermann Henselmann und Karl Friedrich Schinkel 75 4.1 Schinkel als historischer Bezugspunkt der Architektur nationaler Tradition 75 4.2 Nation und nationale Kultur als Mittel staatlicher Legitimation in der frühen DDR 82 4.3 Nationale Tradition in Literatur und Musik 88 4.4 Wege und Umwege zur Architektur nationaler Tradition 92 3 Seite 4.5 Frühe Versuche Henselmanns einer Definition nationaler Tradition 104 4.6 Ideologische Vorgaben und Schlagworte 111 4.7 Henselmann als Interpret Schinkels: Theorie und Praxis für die Architektur nationaler Tradition 118 4.8 Mangelnde Professionalität: die Parallelen zwischen der Baugeschichts- und der Geschichtsschreibung in der frühen DDR 145 4.9 Von der Baukunst zum Bauwesen – Henselmann und das Ende der Architektur nationaler Tradition 150 5. Architektur nationaler Tradition: Ausprägungen in Theorie und Praxis 159 5.1 Richard Paulick und Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff – Historische Interpretation und Neugestaltung der Deutschen Staatsoper in Berlin 159 5.2 Backsteingotik als nationale Tradition – Karl Heinz Clasens Studie „Die Baukunst an der Ostseeküste zwischen Elbe und Oder“ 183 6. Traditionalismus in der Architektur der frühen DDR 203 6.1 Traditionalistische Architektur im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts 203 6.2 Paul Schmitthenner und der Konservativismus 213 6.3 Leistungen und innere Widersprüche des Traditionalismus 220 6.4 Das Kunst- und Geschichtsverständnis desTraditionalismus 223 4 Seite 6.5 Traditionalistische Architektur in der frühen DDR am Beispiel Rostock 232 6.6 Nationale Mythen und Architektur in der frühen DDR 245 7. Von der Tradition zum Erbe – Karl Friedrich Schinkel nach dem Ende der Architektur nationaler Tradition 261 7.1 Die Kehrtwende im Nationsverständnis der DDR und „Die zwei Gesichter Preußens“ 261 7.2 Schinkel als Protagonist sozialistischer Nationalkultur der DDR in den 1980er Jahren 269 8. Schluss 281 9. Anhang 285 9.1 Literaturverzeichnis 285 9.2 Archivalien 331 9.3 Abbildungen 333 9.4 Abbildungsnachweise 367 9.5 Danksagung 368 5 1. Einleitung Unter der Bezeichnung Architektur nationaler Tradition bildete sich von 1950 bis 1955 eine Baukunst heraus, die das offizielle Baugeschehen in der frühen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bestimmte. Bis zum Ende der 1950er Jahre wurden die in den Zentren der wichtigsten ostdeutschen Städte be- gonnenen repräsentativen Bauvorhaben fortgeführt und wirkten aufgrund ihrer hohen strukturellen Bedeutung auch auf die weitere städtebauliche Entwicklung ein. Bis heute sind die Bauten als charakteristische Zeugnisse ihrer Zeit erkenn- bar. Wenn hier von offiziellem Baugeschehen die Rede ist, sind darunter dieje- nigen baulichen Maßnahmen und bautheoretischen Einlassungen zu verstehen, die von den führenden Vertretern der Sozialistischen Einheitspartei Deutsch- lands (SED) und der Regierung der DDR als Umsetzung des Marxismus-Leni- nismus auf dem Gebiet der Baukunst propagiert wurden. Im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung steht, wie sich in einem auf ver- schiedenen Ebenen vollziehenden Prozess ein Kanon von sowohl städtebauli- chen und architektonischen Formen als auch baugeschichtlichen und bautheore- tischen Begründungen herausgebildet hat. Die verschiedenen sich gegenseitig beeinflussenden Ebenen des Diskurses, von der ideologischen über die kultur- politische bis zur kunsttheoretischen und künstlerischen Ebene, werden in ihrer Entstehung und Wirkung nachgezeichnet. Die ideologischen Vorgaben und ihre inneren Widersprüche – hier vor allem hinsichtlich der Bedeutung von Nation und Tradition – werden ebenso verfolgt wie die künstlerischen und kunsttheore- tischen Fragen, die die Entwicklung der Architektur nationaler Tradition be- stimmten. Den Ausgangspunkt für die Untersuchung bildeten Fragen, auf die ich während meiner beruflichen Arbeit als Denkmalpfleger bei der Beschäftigung mit der Architektur der Langen Straße in Rostock stieß. Die Freiflächen der in den Jahren 1953 bis 1957 errichteten Magistrale im Herzen der Hansestadt sollten Mitte der 1990er Jahre, nachdem die Instandsetzung der einzelnen Wohn- und Geschäftsbauten bereits in Angriff genommen worden war, im Rahmen der Alt- stadtsanierung neu gestaltet werden. Als zuständiger Konservator im Landesamt für Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern hatte ich dazu Stellung zu neh- men. Doch gab es keineswegs die Probleme, die üblicher Weise bei den vielfach ungeliebten Denkmalen der Nachkriegszeit auftreten. Schon zu Zeiten der DDR war der gesamte Straßenzug als ein erhaltenswertes Baudenkmal ausgewiesen worden. Nicht nur aufgrund dieser administrativen Einordnung, die nach der politischen Wende ohne Diskussionen fortgeschrieben wurde, stand es außer Frage, dass die Planungen eingehend den historischen Be- 7 stand zu berücksichtigen hätten. Die Einwohner der Stadt, die während der Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg große Teile des Zentrums und ihrer alt vertrauten Umgebung eingebüßt hatten, sind in der Mehrzahl stolz auf die groß- zügige und schmuckreiche Gestaltung der Langen Straße und sehen sie als Teil ihrer lokalen, regionalen und letztlich nationalen Tradition an. Die mittlerweile ausgeführte neue Gestaltung der Freiflächen nimmt sensibel Bezug auf den Bestand und setzt vereinzelt durch skulpturale Elemente neue Akzente. Sie bringt bewusst auch helle Bodenmaterialien im Fußgängerbereich zum Einsatz, um den in der backsteinernen Fassadengestaltung hervorgeho- benen, an Sandstein erinnernden Architekturelementen einen Widerhall zu ge- ben. Sowohl Fachleute als auch Laien erkennen in der Langen Straße in erster Linie ein die Formensprache der mittelalterlichen Backsteingotik aufgreifendes Ensemble. Je nach Vorbildung nennt man es qualitätvoll oder eben einfach schön. Bei der Errichtung dieser Bauten in den 1950er Jahren wurde der Anspruch er- hoben, eine Architektur nationaler Tradition zu schaffen. Dieser Anspruch scheint auf den ersten Blick eingelöst worden zu sein. Die öffentliche Wert- schätzung, die vor der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten bereits hoch war, setzte sich auch danach fort. Sind damit die Bauten der Rostocker Langen Straße – und mit ihr die kaum weniger beliebten und fachlich aner- kannten des Dresdner Altmarkts oder der Berliner Karl-Marx-Allee – der Kritik und der Anfeindung hinsichtlich ihrer ideologischen Grundlagen entzogen? Sind diese schmuckreichen Ensembles, deren Fertigstellung trotz der Mangelwirt- schaft der Nachkriegszeit von den Spitzen der SED und der Regierung der DDR vorangetrieben wurde und die jedem Betrachter vor Augen führen sollten, dass der ostdeutsche Staat auch auf dem Gebiet der Baukunst dem Vorbild der Sow- jetunion nacheiferte, sind diese Ensembles nunmehr Werke einer vermeintlich reinen Kunst und als solche transzendiert, den Bedingungen ihrer Entstehung enthoben und den weltlichen Debatten entzogen? Was mich bei der genaueren Betrachtung der Architektur der Langen Straße irritierte und was mich dann zu weiteren Fragen führte, war, dass neben den ein- deutig der mittelalterlichen Backsteingotik entliehenen Gestaltungsmerkmalen zahlreiche architektonische und städtebauliche Elemente zur Anwendung ge- kommen waren, die eben nicht aus der Backsteingotik stammen und keinen historischen Bezug zur Region aufweisen. Nichtsdestotrotz sind es auch diese Elemente, die den Gesamtcharakter des Ensembles prägen und es als heimatlich erscheinen lassen. Die hellen Säulen mit Blockkapitellen, die die Anmutung eines vom Steinmetz bearbeiteten Sandstein hervorrufen und die Gestaltung der backsteinernen Fas- 8 saden akzentuieren, gehen

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