politik & kultur puk-Dossier ÖFFENTLICH-RECHTLICHER RUNDFUNK Mission Impossible Der öffentlich-rechtliche Rundfunk I Von Olaf Zimmermann Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht in der Kritik. Auf der einen Seite wird ihm eine inhaltliche Verflachung vorgeworfen und auch vom Deutschen Kulturrat wird kriti- siert, dass er zu wenig Kultursendungen ausstrahlt. Auf der anderen Seite wird der Vorwurf erhoben, er erreiche schon längst nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung und von daher sei die Gebührenfinanzierung mittelfristig mit großen Fragezeichen zu versehen. Es wird einerseits kritisiert, dass er die neuen technischen Möglichkeiten im Internet nutzt und einen vermeintlichen Wettbewerbsvorteil durch die Gebührenfinanzierung gegenüber privaten Anbietern von Inhalten im Internet hat. Andererseits wird ihm vorgehalten, dass er die neuen technischen Möglichkeiten zu wenig nutze und daher junge Zuhörer und Zuschauer nicht mehr ausreichend gewinnen kann, was langfristig seine gesell- schaftliche Akzeptanz in Frage stelle. as sind nur zwei von vielen sich widersprechender An- Dforderungen, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfüllen soll. Die Erwartungen der Zuhörer und Zuseher, der Politiker und Medienkritiker und gerade auch des Kulturbe- reiches an ihn sind hoch, manchmal sogar übersteigert. Bei der Arbeit am Rundfunkkapitel in der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages im letzten Jahr konnte ich erleben, dass diejenigen, die die Not- wendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am deut- lichsten sahen, gleichzeitig seine heftigsten und unnachgie- bigsten Kritiker waren. Die Diskussionen im Kulturbereich über die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind notwendig, aber sie müssen auch zu realisierbaren Ergeb- nissen führen, die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht eine Mission Impossible verlangen. Um das zu erreichen, ist es sinnvoll, noch einmal genauer hinzuschauen, wenn wir über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sprechen. In diesem Dossier haben wir den Versuch unternommen, einige Fragestellungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk von verschiedenen Autorinnen und Autoren, auch durchaus Das erste Tagesschaulogo. Foto: NDR kontrovers, diskutieren zu lassen. vereinbart, bis zum Jahr 2010 der stärkste wissensbasierte Ersten in der Primetime um 20.15 Uhr ihren Platz haben Was fehlt Geschichte Wirtschaftsraum der Welt werden. Dieses Ziel soll u.a. durch und warum soll nicht in jeder Ausgabe der Tagesthemen eine Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten in und des heute-journal auch ein Kulturthema, wie bereits Im Dossier wird eine Fülle an Themen angesprochen, Eingangs geht es darum aufzuzeigen, wie der öffentlich- der digitalen Welt erreicht werden. Hörfunk und Fernsehen der Sport, die Börsennachrichten und die Wettervorhersage, einige wurden bewusst ausgeklammert. So wurde nicht rechtliche Rundfunk entstanden ist. Dass die Kontrolle sind schon längst keine rein analogen Medien mehr. Die einen festen Ort finden. angesprochen, wie gewährleistet werden kann, dass durch Rundfunkräte, denen Vertreter der Zivilgesellschaft Digitalisierung hat bereits vor Jahren Einzug gehalten und Doch auch der Kulturbereich muss aufpassen, dass er Urheber und Leistungsschutzberechtigte eine angemes- angehören, eine „Erfindung“ der Westalliierten war und die Produktions- und Arbeitsbedingungen in den Sendern unter Kultur nicht nur ein sehr enges Segment an Hochkultur sene Vergütung vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk für dass dieses System von ihnen mit Bedacht gewählt wurde. verändert. Jetzt geht es um die Weichenstellung, inwiefern versteht. Der Rundfunk selbst ist ein Teil des Kulturbereiches ihre Leistungen erhalten. Der Deutsche Kulturrat hat in Die Rundfunkräte sollten und sollen garantieren, dass eben der öffentlich-rechtliche Rundfunk das Internet als Verbrei- und viele Sendungen – auch Unterhaltungssendungen verschiedenen Stellungnahmen wiederholt ausgeführt, nicht die Parteien, nicht der Staat und nicht die Wirtschaft tungsweg nutzen kann. Niemand stellt in Frage, dass die – zählen selbstverständlich zur Kultur. Spätestens seit der dass für ihn eine angemessene Vergütung der Urheber den öffentlich-rechtlichen Rundfunk alleine kontrollieren. öffentlich-rechtlichen Sender eine Homepage haben, auf Etablierung eines weiten Kulturbegriffs sollte in der kul- und Leistungsschutzberechtigten selbstverständlich ist. Vertreter aus der Gesellschaft sollen ein Auge auf den der sie über sich und ihr Programm informieren. Es steht turpolitischen Diskussion der Unterschied zwischen Hoch- Um diese Selbstverständlichkeit muss aber auch mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben und damit seine aber zur Diskussion, ob sie das Internet als Medien-Verbrei- kultur und der vermeintlich unterhaltenden Breitenkultur öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer wieder neu gerun- gesellschaftliche Einbindung und Gemeinwohlorientierung tungsweg nutzen und wie lange dort Inhalte zum Abrufen eigentlich verschwunden sein. An den öffentlich-rechtlichen gen werden. Welche Vergütung angemessen ist, müssen gewährleisten. Sie sollen eben keine Medienwissenschaft- vorgehalten werden dürfen. In der medienpolitischen Dis- Rundfunk ist allerdings auch die Anforderung zu stellen, allerdings die Tarif- bzw. Vertragspartner aushandeln. Im ler sein, sondern in die zivilgesellschaftlichen Debatten kussion stehen sich dabei in erster Linie die Zeitungs- und „gute“, qualitätvolle Unterhaltung zu machen. Wie schwer Deutschen Kulturrat sind sowohl Vertreter der Auftraggeber- eingebundene Persönlichkeiten. Die Verantwortlichen aller Zeitschriftenverlage, die ihrerseits das Internet als Verbrei- das ist, zeigt die Krise der Samstagsabendunterhaltung im als auch der Auftragnehmerseite Mitglied. Es ist daher ein öffentlich-rechtlichen Sender müssen sich regelmäßig der tungsweg für ihre Printmedien stärker nutzen wollen, und Ersten und im ZDF. ungeschriebenes Gesetz im Deutschen Kulturrat, dass er internen Kritik dieser Gremienvertreter stellen. die privaten Rundfunkanbieter den öffentlich-rechtlichen sich zu Fragen der Vergütung nicht äußert. Rundfunkanstalten gegenüber. Sie nutzen die europäische Gemeinschaftsstiftende Kraft Europa Wettbewerbsargumentation, um die Internetaktivitäten der Dank öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter als Wettbewerbs- Bei dieser Debatte darf allerdings nicht verkannt werden, Galt es nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland – und zwar in verzerrung anzuprangern. Im gegenwärtig in der Diskussion dass die Zeiten, in denen das Fernsehpublikum gemein- Mein Dank gilt dem WDR, namentlich seiner Intendantin den drei Westzonen und der Ostzone – neue Rundfunksyste- befindlichen 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag geht es schaftlich auf „Mörderjagd“ in einem Durbridge-Krimi ging, Monika Piel. Der WDR hat die Erstellung dieses Dossiers me zu etablieren, so steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk genau um diese Weichenstellung: Wird der öffentlich-recht- vorbei sind. Allenfalls einem Publikum, das älter als 40 Jahre finanziell ermöglicht. Er hat selbstverständlich keinen heute in einer europäischen Diskussion. Die Europäische liche Rundfunk die neuen Plattformen nutzen können und ist, werden diese Zeiten eines kollektiven Fernseherlebnisses Einfluss auf die Redaktion und die Auswahl der Autoren Union ist keine Kultur-, sondern eine Wirtschaftsgemein- damit entwicklungsfähig bleiben oder werden ihm enge bei Wim Thoelke, Hans Rosenthal und Peter Frankenfeld im genommen. Danken möchte ich den Mitarbeitern des WDR, schaft. Der gemeinsame Markt ist der Antriebsmotor des Fesseln angelegt? öffentlich-rechtlichen Fernsehen noch in Erinnerung sein. die bei der Bildbeschaffung behilflich waren und die Rechte europäischen Einigungsprozesses. Insofern ist es auch nicht Jüngere, die mit dem Privatrundfunk aufgewachsen sind, für den Abdruck der Bilder geklärt haben. Besonders danken verwunderlich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der Kultursendungen haben längst andere Hör- und Sehgewohnheiten und die möchte ich Ulrich Timmermann vom WDR für die vielen sich nach Ansicht der Europäischen Kommission auch in jetzt heranwachsende Generation, die selbstverständlich Debatten zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die wir in einem ökonomischen Wettbewerb mit anderen Medienan- Gerade aus dem Kulturbereich wird sehr oft vorgebracht, das Internet als Kommunikations-, Informations- und den letzten Jahren geführt haben. Ohne sie wäre die Idee bietern befindet, von ihr immer wieder auf den Prüfstand dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu wenige Kultur- Unterhaltungsmedium nutzt, wird wiederum andere zu diesem Dossier vielleicht nie entstanden. gestellt wird. Das Anliegen der Europäischen Union ist es, sendungen ausstrahle. Es wird ihm eine Verflachung vor- Gewohnheiten entwickeln. Will der öffentlich-rechtliche Ich hoffe, dass dieses Dossier ebenso wie sein Vorgänger mit Argusaugen den wirtschaftlichen Wettbewerb zu beob- geworfen und eine strikte Trennung zwischen Unterhaltung Rundfunk seine gemeinschaftsstiftende Kraft – die er, wenn das Dossier „Verwertungsgesellschaften“ aus dem Novem- achten, um möglichst viel „freien“ Wettbewerb zu gewähr- und Kultur aufgemacht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in weit geringerem Maße als früher immer noch hat ber/Dezember 2007 einen Beitrag dazu leistet, Vorurteile leisten. Das führt dazu, dass die Europäische Kommission kontert diese Vorwürfe stets mit dem Verweis auf seine – erhalten, wird er sich gerade des Genres Unterhaltung beiseite zu räumen und die sachliche Diskussion zu be-
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