Bernhard Tonnes Albaniens Führungsgremien

Bernhard Tonnes Albaniens Führungsgremien

Bernhard Tonnes Albaniens Führungsgremien A llm ählich und über viele Jahre verteilt, in seinen Auswirkungen indes sehr ra­ dikal, hat sich in A lbanien in den letzten Jahren in den höchsten Führungsgre­ m ien von P artei und S taat ein Generationswechsel vollzogen. N ur noch vier M itglieder der alten G eneration - Enver Hoxha, Manush Myftiu, Pali Miska und Rita Marko - halten je einen der insgesam t 13 S itze im P olitbüro besetzt, w ährend alle fünf K andidaten des P olitbüros der neuen G eneration angehören und im 5-köpfigen ZK-Sekretariat einzig Enver Hoxha noch die alte G enerati­ on vertritt. N och drastischer erfolgte der W echsel in den Leitungsorganen des S taates: im 15-köpfigen P räsidium der Volksversammlung sind heute m it Rita Marko und Xhafer Spahiu sow ie im 19-köpfigen Ministerrat m it Manush Myftiu und F rau Vito K apo jew eils nur zw ei A ngehörige des alten Führungskreises ver­ treten. Möglicherweise ist durch den T od von Politbüromitglied, ZK-Sekretär und M itglied des Verteidigungsrates Hysni Kapo, einem treuergebenen H oxha- Gefolgsmann seit der Machtübernahme 1944, am 23. S eptem ber 1979 das machtpolitische Gleichgewicht der K räfte in T irana erstm als ernsthaft ins W an­ ken geraten, so daß hier der A nfang vom E nde zu suchen ist. N ach K apos T od kam es zunächst zu einer politischen „D em ontage“ der Shehu-Sippe. 1 D er T od Mehmet Shehus am 18. D ezem ber 1981 w iederum leitete dann den gegenwärtig sich vollziehenden N iedergang Enver Hoxhas und seines A nhangs ein.2 D ie in­ neralbanische Entwicklung des Jahres 1982 läßt offenbar erkennen, w ie sehr H oxha und S hehu trotz aller R ivalität aufeinander angew iesen w aren, um ihrer beider M acht gegenüber den anderen politischen K räften im L ande zu be­ haupten. „Beförderung “ H ysni K apos E s ist auffallend, daß die W itw e Hysni Kapos, die zuvor nur selten - und auch dies nur im R ahm en der Frauenpolitik - ins Rampenlicht getreten w ar, nach dem T ode ihres M annes ihre P osition als Präsidentin des Frauenverbandes dazu zu benutzen trachtete, sich auch im allgemeinen politischen R aum in den Vordergrund zu spielen. Ihre politischen A m bitionen w urden indes nun gezü­ gelt: obw ohl die Präsidentin des Frauenverbandes eigentlich nur auf einem K ongreß von den Delegierten direkt gew ählt oder abgew ählt w erden kann, w urde Vito Kapo am 26. N ovem ber 1982 auf einem P lenum des Generalrates ihrer Organisation von ihrer A ufgabe entbunden, und zw ar m it der B egrün- 1 Vgl. Bernhard Tönnes: Die Spät-Ära Enver Hoxha, in: Osteuropa, H. 9.1982, S.723ff. 2 Zu Kadri Hazbiu und Ismail Kadare vgl. SÜDOSTEUROPA,H. 11/12. 1982, S.660. 2 Bernhard Tönnes dung, sie w erde das Ministerium für L eicht- und Nahrungsmittelindustrie über­ nehm en. A uch w enn das neue Ministeramt V ito K apo vor einem allzu eklatan­ ten Gesichtsverlust in der albanischen Öffentlichkeit bew ahrt hat, so ist dieser Schritt politisch fraglos als A bstieg zu w erten. V ito K apo, die sich zeit ihres po­ litischen L ebens ausschließlich m it Frauenfragen befaßt hat, bringt keinerlei Voraussetzungen m it, um ihr neues A m t als Fachministerin, das auch die L ei­ tung aller Unternehmen dieser B ranche um faßt, erfolgreich ausüben zu kön­ nen. Ihr Scheitern ist also vorprogrammiert, sofern sie nicht selbst vorher das Interesse an dieser ungewohnten T ätigkeit verlieren sollte. In ihrer Funktion als Präsidentin des Frauenverbandes w urde V ito K apo durch Lumturi Rexha abgelöst. D iese entstam m t politisch der H ochburg und H ausm acht R am is A lias - dem Jugendverband. 3 In den letzten Jahren hatte L um turi R exha hier das A m t des E rsten Sekretär des Zentralkomitees, das poli­ tisch einflußreichste A m t dieser Organisation, inne, bis sie in dieser Funktion auf dem 8. Jugendkongreß (4.-6. O ktober 1982) durch den Chefredakteur der Parteizeitung Z eri i popullit, M ehm et E lezi, abgelöst w urde. Z w ei W ochen spä­ ter avancierte sie zur E rsten Stellvertretenden Präsidentin des Frauenverbandes und som it zur Stellvertreterin V ito K apos, die sie dann einen M onat nach dieser „Infiltration per Seiteneinstieg“ als Präsidentin vollends ablöste. A blösung R ita M arkos N icht w eniger auffallend ist die politische „D em ontage“ von Politbüromitglied und Gewerkschaftsführer Rita Marko, ebenfalls ein enger Hoxha-Vertrauter. A ls sich E nver H oxha A nfang 1967 im Politbüro nicht mit seiner Religionspoli­ tik durchzusetzen verm ochte, initiierte er in D ürres, w o dam als R ita M arko als E rster Kreis-Parteisekretär residierte, angeblich „spontane“ Massenaktionen gegen religiöse Einrichtungen, A ktionen, die im w eiteren V erlauf des Jahres 1967 als M odell für das ganze L and dienten.4 E in Jahr nach diesen A ktionen, am 10. Februar 1968, hatte R ita M arko in Zeri i popullit in diesem Z usam m en­ hang Säuberungen innerhalb seiner Kreis-Parteiorganisation erw ähnt. D iese Säuberungen seien notw endig gew esen, w eil einige G enossen bei der E rfüllung der „Grundaufgabe“, die Führungsrolle der Partei als „bew egende K raft zur Mobilisierung der M assen“ zu verstärken, versagt hätten. R ita M arko, der seit dem T ode des Hoxha-Gegners G ogo N ushi A nfang der siebziger Jahre dessen A m t als Präsident des Gewerkschaftsbundes übernom ­ m en hatte, w ar erst kürzlich in dieser Position auf dem 9. K ongreß seiner O rga­ nisation (6.-9. Juni 1982) wiedergewählt w orden. B ereits drei M onate später 3 Vgl. den kurzen Lebenslauf Alias in SÜDOSTEUROPA, H. 11/12. 1982, S.661 sowie die Dokumentation in diesem Heft, S.61-68. 4 Vgl. Bernhard Tönnes: Sonderfall Albanien. Enver Hoxhas „eigener Weg“ und die histo­ rischen Ursprünge seiner Ideologie. Bd.16 der Untersuchungen zur Gegenwartskunde Süd­ osteuropas, hrsg. v. Südost-Institut, München 1980, S.60ff. Albaniens Führungsgremien 3 w urde er auf einem P lenum des Generalrates des Gewerkschaftsbundes durch den außerhalb A lbaniens unbekannten Sotir Kogollari abgelöst. Ä hnlich w ie bei V ito K apo w urde auch bei R ita M arko diese M aßnahm e dam it begründet, dieser w erde das A m t eines Stellvertretenden Vorsitzenden des P räsidium s der Volksversammlung übernehmen.5 In W ahrheit ist diese Entwicklung jedoch als A bstieg zu w erten: im Gewerkschaftsbund w ar R ita M arko die N um m er 1, im P räsidium der Volksversammlung untersteht er indes - als einer von drei S tell­ vertretenden Vorsitzenden - dem Staatsoberhaupt Ramiz Alia, dem er nun zu einer größeren L oyalität verpflichtet ist, als er es als Gewerkschaftsführer sein w ürde.* D as offizielle B ild H oxhas W ie sehr die „D em ontage“ dieser H oxha- A nhänger in Wirklichkeit auf den E r­ sten S ekretär selbst zielt, zeigt ein B lick in die S palten der Parteizeitung Zeri i popullit, deren Chefredakteur - w ie oben angedeutet - ein M ann R am iz A lias sein dürfte. S tets w urden H oxhas Abbildungen in Z eri i popullit so sorgfältig retuschiert, daß dieser trotz seines vorgerückten A lters von heute 74 Jahren im ­ m er noch sehr alert w irkte. S eit dem 16. S eptem ber 1982 bildet Z eri i popullit den E rsten S ekretär gleichsam als „wandelnden L eichnam “ ab: dunkle, tiefe Augenhöhlen, schütteres H aar, eingefallene W angen, ein faltiger, abgemagerter H als und ein gebrechlich w irkender K örper verm itteln den E indruck, daß die­ ser M ann nicht m ehr über die Konstitution verfügt, die zur F ührun g eines S taa­ tes und einer P artei notw endig ist. H oxhas eigene E rklärung über seinen „U r­ laub “ in P ogradec zu einer Z eit, da in T irana die W eichen zu w ichtigen perso­ nellen Veränderungen (Aufstellung der K andidaten zur W ahl der V olksver­ sam m lung, Vorbereitung der Regierungsneubildung) gestellt w urden,6 ergänzt überzeugend diese Zeitungsbilder vom gebrechlichen G reis. In ihrer N eujahrs­ ausgabe zeigte Z eri i popullit erstm als w ieder ein vorteilhaft retuschiertes B ild von H oxha, doch hatte die vorhergehende Bilderserie zu diesem Z eitpunkt ih ­ ren propagandistischen Z w eck, dem eigenen V olk das E nde der H oxha-Ä ra zu signalisieren, erfüllt. D ie neue F ührung setzt in ihrem K am pf um die M acht offensichtlich nicht auf G ew alt. Im G egenteil, sie verm eidet durch die G ew ährung von K onzessio­ nen alles, w as ihr unter der alten Politikergeneration F einde schaffen könnte. S o w ie V ito K apo und R ita M arko der herannahende A bschied von der P olitik m öglichst leicht gemacht werden soll, so w erden auch w eniger prominente V er­ treter des alten R egim es m it R ücksicht behandelt. S o w urde etw a der frühere Vorsitzende der Staatlichen Plankommission, Petro Dode, zunächst einm al m it dem A m t des E rsten Kreis-Parteisekretärs in V lora betraut, ein A m t m it nicht geringem P restige, da in V lora 1912 die Unabhängigkeit A lbaniens proklamiert 5 Z eri i popullit, 26.11.1982. 6 V gl. SÜDOSTEUROPA, H. 11/12. 1982, S .659. 4 Bernhard Tönnes w u rd e .

View Full Text

Details

  • File Type
    pdf
  • Upload Time
    -
  • Content Languages
    English
  • Upload User
    Anonymous/Not logged-in
  • File Pages
    7 Page
  • File Size
    -

Download

Channel Download Status
Express Download Enable

Copyright

We respect the copyrights and intellectual property rights of all users. All uploaded documents are either original works of the uploader or authorized works of the rightful owners.

  • Not to be reproduced or distributed without explicit permission.
  • Not used for commercial purposes outside of approved use cases.
  • Not used to infringe on the rights of the original creators.
  • If you believe any content infringes your copyright, please contact us immediately.

Support

For help with questions, suggestions, or problems, please contact us