Haben Tiere Rechte? Eine Untersuchung der Argumente pro und contra unter besonderer Berücksichtigung der Theorie von Tom Regan Dissertation zur Erlangung des philosophischen Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen vorgelegt von Wen-Yen Huang aus Chia-Yih, Taiwan Göttingen 2013 Erster Gutachter: Prof. Dr. Ulrich Majer Zweiter Gutachter: Prof. Dr. Holmer Steinfath Tag der mündlichen Prüfung: 11.12.2013 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ………………………………………………………………………… 1 2. Betrachtung der Begriffe des Tiers und der Tierrechte ...…………………….. 2 2.1 Der Begriff des Tiers …………………………………………………….. 2 2.2 Der Begriff der Tierrechte ……………………………………………….. 5 3. Kurzer Abriss der Entwicklung der philosophischen Gedanken über Tiere in den westlichen Ländern …………………………………………………………... 24 4. Eine Auseinandersetzung mit vier Positionen, die Tieren keine Rechte zuschreiben ………………………………………………………………………... 33 4.1 Die Lehre der Tierautomaten von Descartes …………………………… 34 4.2 Eine kritische Auseinandersetzung mit der Lehre der Tierautomaten von Descartes ……………………………………………………………….. 38 4.3 Kants Lehre der indirekten Pflichten gegenüber Tieren ………………... 53 4.4 Eine kritische Auseinandersetzung mit der Lehre der indirekten Pflichten von Kant ……………………………………………………………….. 60 4.5 Der Kontraktualismus von John Rawls ………………………………… 70 4.6 Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kontraktualismus von Rawls ………………………………………………………………………….. 75 4.6.1 Eine Kritik an dem Kontraktualismus von Rawls ……………. 75 4.6.2 Die Idee der Gerechtigkeit bei Aristoteles ……………………. 95 4.7 Der Präferenz-Utilitarismus von Peter Singer ………………………… 103 4.8 Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Präferenz-Utilitarismus von Singer …………………………………………………………………. 109 5. Über die Theorie der Tierrechte von Tom Regan …………………………... 116 5.1 Die Theorie der Tierrechte von Regan ……………………………...… 116 5.2 Eine Kritik an der Theorie der Tierrechte von Regan ……….……...… 129 6. Über die Begründung der Tierrechte ……………………………………..…. 141 6.1 Die kontraktualistische Theorie …………………………………….…. 141 6.2 Die Theorie der Gerechtigkeit im Sinne von Aristoteles ………….….. 157 6.3 Resümee ………………………………………………………………. 167 7. Schluss …………………………………………………………………………. 174 Literaturverzeichnis ……………………………………………………………... 178 1 1. Einleitung Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts erlebt die Tierethik in der angelsächsischen Philosophie eine schnelle Entwicklung. Inzwischen findet sie auch in der deutschsprachigen Philosophie größere Beachtung. Anlass für dieses moralische Nachdenken über unsere Behandlung der Tiere sind in erster Linie die Praktiken in der modernen Tierwirtschaft und der Wissenschaft sowie die Jagd auf Wildtiere. Die Tierethik befasst sich mit dem Umgang des Menschen mit den Tieren. Bei ihr geht es nicht um eine völlig neue Ethik, sondern um eine Öffnung des etablierten Ethos für die Problematik der Interaktionen zwischen Menschen und Tieren.1 Zu den bedeutendsten Ansätzen der Tierethik zählt die Theorie der Tierrechte des amerikanischen Philosophen Tom Regan. Er versucht, die Missbilligung der vom Menschen verursachten Leiden und Schäden der Tiere von einer Theorie der moralischen Rechte aus zu begründen. Regan betrachtet sich als Anwalt für die Rechte der Tiere und als Teil der Bewegung für Tierrechte. Diese Bewegung zielt auf die Auflösung der kommerziellen Tierwirtschaft, die Abschaffung des Gebrauchs von Tieren in der Wissenschaft sowie die Beseitigung kommerzieller und sportlicher Jagd ab. Die Idee der Tierrechte findet freilich nicht nur Befürworter, sondern stößt zum Teil auch auf energische Ablehnung. Das Hauptinteresse der vorliegenden Arbeit gilt der Untersuchung verschiedener Argumente für oder gegen Tierrechte. Es soll die Frage diskutiert werden, ob es gerechtfertigt ist, Tieren Rechte zuzuschreiben. Diese Arbeit gliedert sich wie folgt: Im zweiten Kapitel wird versucht, zwei Grundbegriffe in der Diskussion der Tierethik, nämlich die Begriffe des Tiers und der Tierrechte, deutlich zu machen. Das dritte Kapitel dient dazu, eine Geschichte der Entwicklung der philosophischen Gedanken über Tiere in den westlichen Ländern zu umreißen. Das vierte Kapitel setzt sich mit vier Positionen auseinander, die man oft als Argumente gegen die Idee der Tierrechte gebraucht. Diese vier Positionen sind die Lehre der Tierautomaten von René Descartes, die Lehre der indirekten Pflichten von Immanuel Kant, der Kontraktualismus von John Rawls und der Präferenz- Utilitarismus von Peter Singer. Im fünften Kapitel wird die Theorie der Tierrechte 1 Vgl. H.-P. Breßler: Ethische Probleme der Mensch-Tier-Beziehung – Eine Untersuchung philosophischer Positionen des 20. Jahrhunderts zum Tierschutz, Frankfurt am Main/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1997, S. 13. 2 von Tom Regan dargestellt und untersucht. Im sechsten Kapitel gehen wir auf zwei weitere Ansätze ein, mit denen man moralische Ansprüche oder Rechte der Tiere rechtfertigen kann. Die beiden Ansätze sind die Vertragstheorie von Mark Rowlands und die Theorie der Gerechtigkeit im Sinne von Aristoteles. 2. Betrachtung der Begriffe des Tiers und der Tierrechte Um zu beurteilen, ob die Idee der Tierrechte sinnvoll ist, ist es von Nutzen, wenn man den Sinn ihrer Grundbegriffe kennt. In diesem Kapitel werden wir betrachten, was man in der Diskussion über Tierethik normalerweise unter den beiden Begriffen des Tiers und der Tierrechte versteht. 2.1 Der Begriff des Tiers Tiere sind wie Pflanzen Lebewesen. Der Unterschied des Lebenden gegenüber dem Unbelebten ist nicht leicht anzugeben, da fast alle kennzeichnenden Eigenschaften des Lebenden sich auch bei unbelebter Materie finden. Und es gibt Wesen, die zwischen beiden Reichen vermitteln, z.B. Viren. Das Lebende ist also nicht so sehr durch irgendein bestimmtes Merkmal charakterisierbar als durch das Zusammentreten mehrerer Merkmale. Die wichtigsten davon sind Folgende: Hinsichtlich ihrer Gestalt sind alle Lebewesen aus Zellen aufgebaut oder stellen eine einzelne Zelle dar. An ihrem Körper findet ein dauernder Stoffwechsel statt. Dabei werden vom Körper z.B. Nährstoffe aus der Umwelt aufgenommen und Ballast- oder Giftstoffe nach außen abgegeben. Lebewesen haben die Fähigkeit, Änderungen in der Umwelt oder innerhalb des eigenen Körpers wahrzunehmen und darauf mit Reaktionen zu antworten. Ferner ändern Lebewesen in verschiedenen Stadien ihre Form. Bei Tieren sind es beispielsweise die Stadien des Eis, des Embryos, der Larve oder des Jungtiers, des ausgewachsenen und dann des alternden Tiers. Weil alle Lebewesen irgendwann sterben müssen, können sie ihr Erbgut nur erhalten, wenn sie durch Fortpflanzung eine nächste Generation erzeugen und an sie ihr Erbgut weitergeben. In jeder Generation wiederholt sich der Formwechsel in gleicher Weise. Die Struktur der Erbsubstanz bleibt keineswegs konstant. Von Zeit zu 3 Zeit treten Mutationen, d.h. spontane Erbänderungen auf. Dadurch können sich die Merkmale der Lebewesen verändern.2 Die meisten Lebewesen können in das Tierreich oder das Pflanzenreich eingeordnet werden. Eine scharfe Abgrenzung des Tiers gegenüber der Pflanze ist jedoch nicht möglich, weil es unter den Einzellern Gruppen gibt, bei denen manche Arten einen mehr tierischen, andere einen mehr pflanzlichen Charakter haben. Trotzdem lassen sich Tiere von den vielzelligen Pflanzen durch folgende drei Merkmale unterscheiden:3 Zuerst können die grünen Pflanzen durch Photosynthese aus anorganischen Stoffen, z.B. Kohlensäure und Wasser, organische Substanz aufbauen. Tiere sind dagegen nicht in der Lage, aus anorganischen Verbindungen organische zusammenzusetzen. Zur Aufrechterhaltung ihrer Lebenstätigkeit müssen sie organische Stoffe, die von den Pflanzen aufgebaut sind oder von anderen Tieren stammen, als Nahrung zu sich nehmen. Zweitens haben Tiere und vielzellige Pflanzen verschiedene Gewebsstruktur und Verhaltensweise. Die Pflanzen können festgewachsen sein, weil sie ihre Nährstoffe in der Luft und im Boden vielerorts bekommen können. Sie haben meistens eine sehr oberflächenreiche Struktur entwickelt, durch reiche Verzweigung und Ausbildung flacher Blätter, um viel Kohlensäure und Sonnenenergie aufzunehmen. Die Gewebe der festgewachsenen verzweigten Pflanzen sind abgestützt durch festere Zellwände. Diese Pflanzen besitzen ein lebenslanges Wachstum, bei ihnen können immer wieder neue Sprosse, Blätter und Blüten entstehen. Im Gegensatz zu den grünen Pflanzen müssen Tiere ihre Nahrung aufsuchen und deshalb normalerweise beweglich sein. Bei den Tieren liegen die Orte des Stoffaustausches zum großen Teil in inneren Hohlräumen, Tiere haben daher eine relativ kleine Oberfläche im Verhältnis zur Masse. Tierische Zellen haben statt einer Zellwand nur eine dünne Zellmembran. Außerdem findet man bei den frei beweglichen Tieren gewöhnlich einen Wachstumsabschluss, das heißt, das Wachstum der Tiere ist nach Ende einer Wachstumsphase stark eingeschränkt oder ganz abgeschlossen. Drittens gibt es bei den vielzelligen Tieren ein Nervensystem, das den Pflanzen vollkommen fehlt. Schon von der Stufe der Würmer an haben sich nervöse Zentren und Gehirne herausgebildet, durch die alle Bewegungen der Organe 2 Vgl. H.-A. Freye, L. Kämpfe und G.-A. Biewald: Zoologie, 9. Auflage, Jena 1991, S. 14-16; und B. Rensch: Biophilosophie auf erkenntnistheoretischer Grundlage, Stuttgart 1968, S. 29-55. 3 Vgl. H.-A. Freye, L. Kämpfe und G.-A. Biewald: Zoologie, 9. Auflage, Jena 1991, S. 16-18; und B. Rensch: Biophilosophie auf erkenntnistheoretischer Grundlage, Stuttgart 1968, S. 48 f. und S. 55-58. 4 und des ganzen Körpers gesteuert
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