SWR2 Musikstunde

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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde „Vorname: Meyer, Nachname: Beer. Zum 150. Todestag des Meisters der Grand Opéra“ (3) Von Thomas Rübenacker Sendung: Mittwoch, 30. April 2014 9.05 – 10.00 Uhr Redaktion: Bettina Winkler Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2 MUSIKSTUNDE mit Trüb Mittwoch, 30. 4. 2014 … mit Thomas Rübenacker. „Vorname: Meyer, Nachname: Beer. Zum 150. Todestag des Meisters der Grand Opéra“. Heute: Teil 3. MUSIK: INDIKATIV, CA. 20 SEC Anfangs waren sie noch Freunde – so weit man überhaupt mit Richard Wagner befreundet sein konnte. Wagner hatte gerade mal eine erste Opernpremiere hinter sich, „Das Liebesverbot“ in Magdeburg, und die war auch noch ein Misserfolg: Es gab genau eine Vorstellung. Trotzdem wollte er als nächstes im Zentrum europäischer Musikkultur Fuß fassen, nämlich in Paris. Die Döhrings fanden dafür den wunderbaren Vergleich: „Wie würde man hundert Jahre später über einen Filmemacher urteilen, der sich nach der Produktion eines einzigen – zudem erfolglosen – Streifens in der Provinz umgehend nach Hollywood begibt in der Erwartung, dort sogleich eine Großproduktion angeboten zu bekommen?“ Mit anderen Worten: Schon der junge Richard Wagner war ein Mix so fragwürdiger Eigenschaften wie Hybris, Chuzpe und Realitätsverlust. An den König der Pariser Grand Opéra, Giacomo Meyerbeer, schrieb er geradezu hündisch-liebedienerische Schmeichelbriefe, und der ließ den Jüngling gewähren. Dass Wagner aber außer Stimmenausschreiben und Klavierauszugverfassen in Paris keinen Fuß auf den Boden brachte, ist wahrlich nicht Meyerbeers Schuld. Er half Wagner, wo er konnte, natürlich auch mit etwas, was der zeitlebens gieriger verschlang als Backhendln: Geld. Er half ihm sogar bei seiner ersten „großen“ Oper, „Rienzi, der Letzte der Tribunen“, und zwar so, dass Hans von Bülow später spottete, „Rienzi“ sei „die beste Oper von Meyerbeer“. Schon die Ouvertüre klingt zu einem Drittel nach Wagner, zu einem Drittel nach Meyerbeer – und zu einem Drittel nach Rossini … MUSIK1: Richard Wagner. Rienzi (Ouvertüre); The MET Orchestra, James Levine DG 435 874-2 (LC 0173) (6:08) 3 Unheilige Dreifaltigkeit des jungen Richard Wagner mit Giacomo Meyerbeer und Gioacchino Rossini: Das war das Finale der Ouvertüre zu Wagners erster Grand Opéra „Rienzi, der Letzte der Tribunen“, gespielt vom Orchester der New Yorker Metropolitan Opera, mit James Levine am Pult. Wagner war sein Anbiedern an Meyerbeer später so peinlich, dass er ihn in seiner Schmähschrift „Das Judenthum in der Musik“ einfach fertigmachen musste. Er musste der Welt zeigen, dass er über all dem stand. Aber die Briefe, die er dem Star der Pariser Oper ursprünglich sandte, die triefen natürlich noch vor Opportunismus; wenn man nicht schon wüsste, dass Wagner zwar ein begnadeter Künstler war, aber als Mensch ziemlich unausstehlich – bei der Meyerbeer-Recherche könnte man's erfahren. Oder was soll man von dem Brief halten, den er am 3. Mai 1840 an Meyerbeer schickt: „Mein innig verehrter Herr und Meister“ - so geht das schon los - „Ich bin an dem Punkte, mich an Jemand verkaufen zu müssen, um Hülfe im substantielsten Sinne zu erhalten. Mein Kopf u. mein Herz gehören aber schon nicht mehr mir, - das ist Ihr Eigen, mein Meister; - mir bleiben höchstens nur noch meine Hände übrig, - wollen Sie sie brauchen? - Ich sehe ein, ich muss Ihr Sclave mit Kopf u. Leib werden, um Nahrung u. Kraft zu der Arbeit zu erhalten, die Ihnen einst von meinem Danke sagen soll. Ich werde ein treuer, redlicher Sclave sein, - denn ich gestehe offen, daß ich Sclaven-Natur in mir habe; mir ist unendlich wohl, wenn ich mich unbedingt hingeben kann, rücksichtslos, mit blindem Vertrauen … Kaufen Sie mich darum, mein Herr, Sie machen keinen ganz unwerthen Kauf!“ Der sich da feilbietet wie ein Sonderangebot im Supermarkt drischt knapp 30 Jahre später in der „Judenthum“-Schmähschrift auf Meyerbeer ein, worin er ihn (und seine Rasse) als Quell allen Übels verortet. In einem anderen Brief vom 25. April 1869, diesmal an Edouard Schuré, bramarbasiert Wagner: „Und glauben Sie mir, nie – nie wird dem Franzosen der Deutsche Das sein können, wozu er ihm von der Natur bestimmt ist, ehe jener nicht den Charakter dieses untergeschobenen Parasiten erkennt, und ihn sehr bestimmt vom eigentlichen Deutschen zu unterscheiden weiss. Etwa Heine u. Göthe, Meyerbeer und – vielleicht – mich in einen Topf zu werfen, das bringt eben die Confusion hervor, an welcher alles französische Urtheil über deutsches Wesen noch leidet.“ In Wahrheit wurde Wagner Meyerbeer ein Leben lang nicht los. Zumal er, seiner langen Hakennase wegen (und weil seine Mutter bald nach dem Tod ihres ersten Mannes den jüdischen Schauspieler Geyer geheiratet hatte), zeitlebens die Möglichkeit nicht ausschloss, selbst jüdischer Abstammung zu sein … „Es fällt hier schwer“, schreiben die Döhrings, „zur 4 Deutung nicht auf einen freudianischen Begriff zurückzugreifen, den des Vatermords.“ Und der Kritiker Richard Rote merkte schon 1910 an: „Wagner mußte Meyerbeer töten, wie Zeuss den Kronos töten mußte – weil er sein Vater war.“ Sogar in Wagners letzter Oper, dem „Parsifal“ (so berichtet Cosima im Tagebuch), unterläuft ihm „eine Meyerbeerische Wendung“ aus „Robert der Teufel“. Und in seinen Träumen spukt immer wieder, und oft als Bundesgenosse – Meyerbeer. Auf der anderen Seite darf man auch nicht vergessen, dass seine Pariser Zeit Wagners wohl verzweifeltste und hoffnungsärmste war. Er komponierte sogar, wenngleich erfolglos, wie ein anderer Jude, dessen flott-frivolen Stil ein Wagner natürlich gänzlich ablehnte: wie Jacques Offenbach. MUSIK 2: Richard Wagner: La descente de la courtille; Chor und Orchester der Bamberger Symphoniker, Karl Anton Rickenbacher Orfeo 312 941 (LC 8175) (4:22) Ja, man glaubt es kaum, aber das ist von Richard Wagner: eine Einlage für das Vaudeville „La descente de la courtille“ für gemischten Chor und Orchester, sie wurde allerdings – obwohl sie Jacques Offenbach leidlich gut kopierte – abgeschmettert. Chor und Orchester der Bamberger Symphoniker leitete Karl Anton Rickenbacher. Jaja, Meyerbeer und Offenbach – die Jahre seiner größten Schmach waren für Wagner umstellt vom „Judenthum“, und so wurde er Antisemit. Dabei hatte der junge Wagner sogar eine Favoritin unter Meyerbeers Opern: „Die Hugenotten“ von 1836, wieder mit einem Libretto von Eugène Scribe & Co. O-Ton Wagner: „Wir haben durch (Giacomo Meyerbeer,) diesen Sohn Deutschlands erfahren, wie auch auf der Bühne Religion gepredigt werden kann ...“ Sie spukt noch durch seine Gedanken, als er selbst „religiös“ wird auf der Bühne, im „Parsifal“. Was Wagner, außer der Musik, so gefiel, war das „Prinzip von Scribes großer Historienoper in Übersteigerung: Ein weltgeschichtliches Ereignis – hier die Bartholomäusnacht vom 23. zum 24. August 1572 – spiegelt sich in einer bis zur Unübersichtlichkeit verwickelten Intrigenhandlung zwischen teils historischen, teils fiktiven Gestalten.“ Die Bartholomäusnacht, auch „Pariser Bluthochzeit“ genannt, war ein Massaker an französischen Protestanten, ebenden Hugenotten, durch die Schwerter der Katholiken – also in erster Linie ein Glaubenskrieg. Das Perfide daran: Die Königinmutter 5 Katharina von Medici gab den Befehl zum Mord anlässlich einer Hochzeit, die eigentlich der Aussöhnung dienen sollte, der zwischen dem Protestanten Heinrich von Navarra und der Katholikin Margarete von Valois, Katharinas Tochter. Heftige Pogrome mit Tausenden von Toten in Paris rundeten die Aktion ab. Wie in „Robert le Diable“ schürzt auch in den „Hugenotten“ ein Terzett am Ende den dramaturgischen Knoten – weil Meyerbeer für seine Figuren Valentine, Raoul und Marcel immer noch jenes Traum-Trio hat, das zuvor schon den „Robert“ hat leuchten lassen: Marie- Cornélie Falcon, Adolphe Nourrit und Nicolas Prosper-Levasseur. Ja, der ausgebuffte Theatermensch Meyerbeer bediente sich nicht nur bühnentechnisch der neuesten Erfindungen – er komponierte seinem Sängerensemble auch jene Rollen auf den Leib, „die an die Grenze dessen gingen, was der jeweilige Künstler zu vollbringen imstande war“ (so ein Tagebucheintrag). Die Szene ist ein protestantischer Friedhof bei Nacht, dazu eine Kirche, wohin sich protestantische Frauen mit ihren Kindern flüchteten. Handlung und Musik balancieren hier zwei Ebenen gegeneinander aus: Während Marcel auf dem Friedhof Valentines und Raouls Liebesbund segnet, metzelt ein katholischer Mördertrupp die Insassen der Kirche nieder. Der Effekt ist unglaublich stark, zumal Meyerbeers ausgeklügelte Lichtregie mit jähem Hell-Dunkel für noch mehr Effekt sorgt: Fackeln, Gewehrschüsse, Blitze. Sosehr sich Richard Wagner später gegen seinen einstigen Mentor auflehnte: Das Wagner'sche Prinzip des Gesamtkunstwerkes wäre ohne Meyerbeer überhaupt nicht denkbar! MUSIK 3: Giacomo Meyerbeer: Les Huguenots;

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